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Präsidentschaftswahl in Kolumbien: Zwischen Krieg und Frieden | Hintergrund aktuell | bpb.de

Präsidentschaftswahl in Kolumbien: Zwischen Krieg und Frieden

Redaktion

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Da es bei der Präsidentenwahl in Kolumbien nicht zu einer absoluten Mehrheit kam, wird eine Stichwahl am 17. Juni über die Nachfolge des Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos entscheiden. Die Abstimmung könnte auch über die Zukunft des Friedensprozesses mit der FARC bestimmen.

Anhänger des Präsidentschaftskandidaten Ivan Duque während einer Wahlkampfveranstaltung in Soacha. (© picture-alliance/AP)

Am 17. Juni sind die Bürgerinnen und Bürger Interner Link: Kolumbiens dazu aufgerufen bei einer Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten aus der ersten Wahlrunde einen neuen Präsidenten sowie den Stellvertreter oder die Stellvertreterin zu wählen. Aus der ersten Runde der Präsidentenwahl, die am 27. Mai stattfand, ist der konservative Kandidat Iván Duque von der rechten Partei Centro Democrático mit etwa 39 Prozent als Sieger hervorgegangen. Gustavo Petro von der linken Bewegung Colombia Humana liegt mit 25 Prozent an zweiter Stelle.

Etwa 36 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Allerdings müssen sich Wählerinnen und Wähler zuvor registrieren, um an der Wahl teilnehmen zu können. Der Präsident wird als Direktkandidat vom Volk gewählt. Für einen Wahlsieg im ersten Wahlgang wird eine Mehrheit von 50 Prozent und einer Stimme benötigt.

Der kolumbianische Präsident ist Staatsoberhaupt und Regierungschef des Landes und zudem das Oberhaupt der kolumbianischen Streitkräfte. Präsidentschaftswahlen finden alle vier Jahre statt, der Präsident und sein Stellvertreter können einmal wiedergewählt werden. Amtsinhaber und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos, der 2014 mit 51 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde, darf darum nicht erneut antreten.

Rechtskonservativer Duque ist Favorit

Zuvor waren noch sechs Kandidaten im Rennen. Favorit in vielen Umfragen war der rechtskonservative Iván Duque. Der 41-jährige Anwalt und Politiker der Partei Centro Democrático (CD, die Partei des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe) ist, wie sein Mentor Uribe, einer der größten Kritiker des Interner Link: Friedenschlusses mit der linken Guerilla-Gruppe FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia, dt.: Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens), der einen der langwierigsten Konflikte der jüngeren Geschichte Lateinamerikas endgültig beenden soll. Der amtierende Präsident Santos sei viel zu sanft mit den früheren Rebellen umgegangen, findet Duque, der Teile des Friedensprozesses in Frage stellt. Er steht auch für eine liberale Wirtschafts- und konservative Innenpolitik.

Als sein größter Konkurrent galt und gilt der Ex-Bürgermeister von Bogotá Gustavo Petro. Der Mitte-Links-Politiker war früher Mitglied der Guerilla-Gruppe M19. Er steht für einen Ausbau des Sozialstaats und will Interner Link: mehr Geld in Bildung und Gesundheit investieren. Außerdem fordert er eine uneingeschränkte Fortsetzung des Friedensprozesses. Sein Wahlbündnis Menschliches Kolumbien (Colombia Humana) wird unter anderem von mehreren linken Parteien, sozialen Bewegungen und Gewerkschaften getragen.

Der Mathematiker Sergio Fajardo (Coalición Colombia) wurde von drei Parteien unterstützt: den Grünen, einer Interner Link: Anti-Korruptionsbewegung und den Sozialdemokraten. Der frühere Oberbürgermeister von Medellín und Gouverneur von Antioquia gilt als liberal – er bekennt sich zur Aussöhnung mit der FARC.

Nur geringe Chancen hatte der 56-jährige Ex-Vizepräsident Germán Vargas Lleras. Der konservative und wirtschaftsliberale Rechtsanwalt wollte am Friedensabkommen mit der FARC festhalten und versprach seinen Wählern 1,2 Millionen neue Arbeitsplätze. Der Gründer der Partido Cambio Radical (Radikale Veränderung) trat für das auf ihn zugeschnittene Bündnis Mejor Vargas Lleras an. Humberto de La Calle (Partido Liberal Colombiano), der als Chefunterhändler der amtierenden Regierung den Frieden mit der FARC mit erwirkte, trat ebenfalls zur Wahl an. Als chancenlos galt der Pastor Jorge Trujillo, Kandidat der Bürgerbewegung Todos somos Colombia.

Die beiden Präsidentschaftskandidatinnen Viviane Morales (Team Colombia), die eine christlich-konservative Position vertritt und in Umfragen zuletzt kaum über drei Prozent hinaus kam sowie die linke Friedensaktivistin und ehemalige Senatorin Piedad Córdoba, der eine Nähe zur FARC nachgesagt wird, hatten ihre Kandidatur einige Wochen vor der Wahl zurückgezogen. Eigentlich wollte mit dem ehemaligen FARC-Kommandeur Rodrigo Londoño auch ein Vertreter der Guerilla-Gruppe antreten, zog sich jedoch aus gesundheitlichen Gründen zurück.

CANDIDATER – der kolumbianische Wahl-O-MAT

Wer in Deutschland wissen will, welche Partei mit ihren Positionen tatsächlich am ehesten der eigenen politischen Meinung nahekommt, kann seit Jahren auf den Wahl-O-Mat zurückgreifen. Seit 2002 gibt es die Online-Wahlhilfe der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) mittlerweile. Für die kolumbianischen Präsidentschafts-Wahlen 2018 existiert nun mit CANDIDATER (www.candidater.co) erstmals ein ähnliches Angebot in dem südamerikanischen Land. Die rund 36 Millionen Wahlberechtigten können online die Positionen der wichtigsten Kandidaten miteinander und mit der eigenen Position vergleichen.

Betrieben wird CANDIDATER von der renommierten Nachrichtenplattform "Pacifista", finanziert von der Deutschen Botschaft in Kolumbien. Die bpb gab Schützenhilfe: Eine Delegation war vor Ort in Bogota und hat die Jugendredaktion bei der Entwicklung unterstützt.

CANDIDATER klärt auch über die formellen Wahl-Modalitäten auf. Das Angebot erstreckt sich auf politische Akteure, die tatsächlich eine Chance haben, zumindest einen gewissen Prozentsatz an Stimmen auf sich zu vereinen. In Kolumbien sind dies die fünf Kandidaten, denen politische Beobachter zumindest theoretisch zutrauen, die Wahl zu gewinnen: Das sind Iván Duque, Gustavo Pedro, Sergio Fajardo, Germán Vargas Lleras und Humberto de La Calle.

Hierzulande hat sich der Wahl-O-Mat mittlerweile zu einer festen Informationsgröße im Vorfeld von Wahlen etabliert: Insgesamt wurde er bisher über 67 Millionen Mal genutzt.

Wahl kann über Friedensprozess entscheiden

Die beiden Stichwahlkontrahenten am 17. Juni sind der rechtskonservative Duque und der Mitte-Links-Politiker Petro. Gegensätzliche Positionen vertreten die beiden auch in Bezug auf den Interner Link: Friedensprozess mit der Guerillagruppe FARC. Die Gruppe gründete sich in den 1960er Jahren, um sich gegen die Vertreibung von Kleinbauern durch Großgrundbesitzer zu wehren – auch mit Gewalt. In den 1980er Jahren eskalierte der bewaffnete Konflikt. Der Staat ging mithilfe der Armee und Polizei gegen linke Guerillas vor. Auch rechte Paramilitärs waren an dem Konflikt beteiligt. Mindestens 220.000 Menschen kamen dabei in den vergangenen Jahrzehnten ums Leben.

Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts begannen bereits 2012, seit August 2016 herrscht ein Waffenstillstand zwischen der Regierung und der FARC. Ein erster Friedensvertrag wurde im September 2016 beschlossen – jedoch Interner Link: durch eine Volksabstimmung abgelehnt. Kritiker bemängelten vor allem zu milde Strafen für die Rebellen. Schließlich wurde nach erneuten Verhandlungen im November 2016 ein neuer Vertrag unterzeichnet und vom Kongress angenommen. Dieser wurde jedoch nicht zu einer Volksabstimmung vorgelegt. Neben Regelungen zur Aufarbeitung des Konflikts durch eine Sondergerichtsbarkeit umfasst das Abkommen unter anderem die Entwaffnung der FARC-Rebellen, Regelungen zur Entschädigung der Opfer aus dem Vermögen der Guerilla, Pläne für Landreformen und politisches Mitspracherecht für die FARC durch ein Anrecht auf Plätze im Senat und der Abgeordnetenkammer für zwei Wahlperioden.

Umsetzung des Friedensvertrages bleibt schwierig

Doch es gibt Probleme bei der Integration der Ex-Rebellen in die Gesellschaft. Den Rechten gehen die milden Strafen zu weit, Duque will bei einem Wahlsieg darum den Friedensvertrag nachverhandeln und ein Ende der Straffreiheit bewirken. Linke sehen den Friedensprozess als richtige Lösung, Ultralinke und FARC-Sympathisanten kritisieren hingegen, dass die kolumbianische Regierung ihre Versprechen zur angemessenen Reintegrierung der ehemaligen Rebellen nicht einhält. Bisher wurden dem kolumbianischen Observatorium zur Beobachtung des Friedensprozesses zufolge nur rund 20 Prozent der Vereinbarungen mit der FARC umgesetzt.

Trotz des Friedensprozesses ist Kolumbien heute noch weit davon entfernt, ein sicheres Land zu sein: Eine weitere kleinere Gruppe von linksradikalen Aufständischen, die ELN, hat ihre Waffen bislang nicht niedergelegt. Der noch immer große Interner Link: Einfluss der Drogenmafia, die Gewalt rechter Paramilitärs, Korruption und die hohe Kriminalitätsrate sorgen ebenfalls dafür, dass im Land nach wie vor kein Frieden herrscht. Auch die Zahl der Morde an Menschenrechtsverteidigern, Journalisten, Sozial- oder Friedensaktivisten und ehemaligen FARC-Guerilleros durch Paramilitärs war zuletzt wieder stark angestiegen.

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