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Vor 20 Jahren: Ende des Bürgerkriegs in Angola

Redaktion

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Im Februar 2002 leitete die Tötung des Rebellen-Anführers Jonas Savimbi das Ende des Bürgerkriegs in Angola ein. Der seit 1975 andauernde Konflikt forderte bis zu eine halbe Millionen Tote und hatte in den 1970er- und 1980er-Jahren Züge eines internationalen Stellvertreterkrieges.

(© picture-alliance/dpa, epa Lusa Makemba)

Der südwestafrikanische Staat Angola stand bis in die 1970er-Jahre unter der Interner Link: Kolonialherrschaft Portugals. Das autoritäre Regime des portugiesischen Staatsführers António de Oliveira Salazar wurde am 25. April 1974 durch einen Militärputsch – die sogenannte Nelkenrevolution – gestürzt. Damit begann eine Phase der Dekolonisation für die ehemals von Portugal besetzten Staaten. Am 11. November 1975 entließ die neue portugiesische Regierung auch Angola in die Unabhängigkeit.

Zuvor wurde Angola von den Kolonialherrschern als integraler Bestandteil des portugiesischen Staatsgebietes angesehen, als sogenannte "Überseeprovinz". Dagegen formierte sich bereits ab den 1950er Jahren Widerstand in der angolanischen Bevölkerung und verschiedene antikoloniale Gruppen entstanden.

Im Zuge der Unabhängigkeit 1975 kam es zu bewaffneten Konflikten der verschiedenen Befreiungsbewegungen um die Vorherrschaft in Angola. Die Kämpfe mündeten in einem bis 2002 dauernden Bürgerkrieg.

Drei große Konfliktparteien

Zu diesen Gruppen gehörte die anti-kolonialistische Nationale Front zur Befreiung Angolas (Frente Nacional de Libertação de Angola, FNLA), die 1962 gegründet wurde und vor allem für die Rechte der im Nordwesten des Landes ansässigen Bakongo eintrat. Sie wurde von Holden Roberto angeführt.

Im Jahr 1966 spaltete sich von der FNLA die Vereinigung für die völlige Unabhängigkeit von Angola (União Nacional para a Independência Total de Angola, UNITA) ab. Sie stand unter der Führung von Jonas Savimbi, ein Rebellenführer und Politiker, der besonders bei der größten Volksgruppe Angolas, den Ovimbundu, populär war.

Die dritte bedeutende Konfliktpartei war die ursprünglich marxistisch ausgerichtete Volksbewegung zur Befreiung Angolas (Movimento Popular de Libertação de Angola, MPLA). Sie wurde ebenfalls bereits in den 1950er-Jahren gegründet und von Agostinho Neto angeführt. Die Bewegung war in der Volksgruppe der Ambundu, um die Hauptstadt Luanda, verwurzelt.

Krieg gegen die Kolonialherrschaft

Anfang der 1960er Jahre kam es immer wieder zu bewaffneten Konfrontationen zwischen portugiesischen Machthabern und der angolanischen Bevölkerung, die im Jahr 1961 eskalierten. Als einer der ersten gilt ein gewaltsamer Aufstand angolanischer Zwangsarbeiter auf einer Baumwollplantage im Distrikt Malanje. Portugiesische Streitkräfte schlugen nicht nur die Proteste nieder, sondern töteten in naheliegenden Dörfern Schätzungen zufolge tausende Einwohnerinnen und Einwohner. Im Februar 1961 stürmten Rebellen der MPLA Gefängnisse in Luanda und die FNLA griffen verschiedene Ziele in Nordangola an, bei denen zahlreiche Menschen auf beiden Seiten getötet wurden. Der bewaffnete Konflikt begann sich zu verstetigen.

Die portugiesische Armee rekrutierte vor allem angolanische Soldaten. Das damals nur fünf Millionen Einwohner zählende Land erlebte eine umfassende Militarisierung. Hunderttausende kämpften über die Jahre hinweg entweder für die portugiesische Armee oder die drei angolanischen Unabhängigkeitsbewegungen.

Übergang zum Bürgerkrieg 1975

Nach der portugiesischen Nelkenrevolution im Jahr 1974 trat Portugal mit FNLA, UNITA, und MPLA in Friedensgesprächen ein und Verhandlungen über die Unabhängigkeit begannen. Alle vier Parteien unterzeichneten am 15. Januar 1975 das Alvor-Übereinkommen. Doch bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung war der vereinbarte Waffenstillstand obsolet und territoriale Konflikte wie über den Umgang mit der Provinz Cabinda – den die Befreiungsfront der Enklave Cabinda (Frente de Libertação do Enclave de Cabinda, FLEC) anführte – waren im vollen Gange. Die Enklave wird von der demokratischen Republik Kongo umschlossen und wurde von der MPLA mit kubanischer Unterstützung Ende 1974 als angolanische Exklave besetzt wurde.

Im Wesentlichen konnten sich die Vertragsparteien jedoch weder über die Details der Machtübergabe noch über die Besetzung der Interimspräsidentschaft vor der im November 1975 geplanten Wahl einigen. Auch der im Vertrag skizzierte Plan, neue angolanische Streitkräfte zu etablieren, scheiterte. Stattdessen bauten FNLA, MPLA und UNITA ihre eigenen Streitkräfte aus und versuchten vor der Wahl, die Macht in Luanda zu übernehmen.

Internationalisierung des Konfliktes

Bald schon entwickelten sich die Auseinandersetzungen zu einem Konflikt mit internationalen Dimensionen, der zeitweise die Gestalt eines Stellvertreterkonflikts vor dem Hintergrund des Interner Link: Kalten Krieges annahm.

Namibia stand seit 1921, als ein entsprechendes Völkerbundmandat erlassen wurde, unter der Besetzung Südafrikas und wurde später widerrechtlich okkupiert. Von dort aus marschierte die südafrikanische Armee am 23. Oktober 1975 unter Billigung der USA in Angola ein – um eine Vorherrschaft der marxistischen MPLA zu verhindern. Gleichzeitig hatte sie dort die Möglichkeit, Verbände der ebenfalls marxistisch orientierten South-West Africa People’s Organization (SWAPO) zu bekämpfen, die in Namibia für die Unabhängigkeit kämpfte.

Auf der anderen Seite verbündeten sich in Südangola die südafrikanische Armee mit der UNITA und der FNLA. Auch die Demokratische Republik Kongo (damals: Zaire) intervenierte von Norden her auf Seiten der FNLA. Der dortige Diktator Mobutu Sese Seko galt als Verbündeter der USA.

Um die MPLA zu unterstützen, griff im November 1975 die kubanische Armee in den Krieg ein ("Operation Carlota"). Das Regime von Fidel Castro entsandte Zehntausende Soldaten. Bereits in den Jahren zuvor verfolgte Kuba eine interventionistische Politik, um linke Gruppen in Südamerika und Afrika zu stützen. So waren kubanische Militärberater zuvor schon in Kongo-Brazzaville im Einsatz und später auch in Äthiopien. Die Mission in Angola war nicht mit der Sowjetunion abgestimmt und in ihrem Umfang bis dato beispiellos. In den folgenden Jahren wurde Kuba zu einem der Hauptakteure im Angolanischen Bürgerkrieg. Mit der Hilfe Kubas gelang es der MPLA, das Zentrum des Landes um die Hauptstadt Luanda unter Kontrolle zu halten. Am 11. November 1975 proklamierte der damalige MPLA-Führer die Unabhängigkeit des Landes als sozialistische „Volksrepublik Angola“. Auch FNLA und UNITA erklärten die Unabhängigkeit. Die Organization of African Unity erkannte die MPLA-Regierung an, nachdem Portugal dieser die Rechte zur Staatsbildung übertragen hatte. Die MPLA errichtete einen Einparteienstaat, der andere politische Parteien ausschloss.

Unter Präsident Ronald Reagan intensivierten die Vereinigten Staaten ab Mitte der 1980er-Jahre die Militärhilfe für die UNITA. Erklärtes Ziel der USA war es damals, die immer noch in der Hauptstadt regierende MPLA zu verdrängen. Die FNLA verlor dagegen im Laufe des Bürgerkrieges an Bedeutung. Mit dem Rückzug der unterstützenden südafrikanischen Truppen wurde die FNLA 1976 militärisch geschlagen.

Drei-Mächte-Abkommen und Truppenabzüge

Anfang 1988 kam es im südlichen Angola zur Schlacht von Cuito Cuanavale, an der Einheiten der südafrikanischen Armee, der UNITA, der MPLA und der kubanischen Armee beteiligt waren. In den etwa zwei Monate andauernden Kämpfen kamen Tausende Menschen ums Leben. Die Waffenstillstandsverhandlungen mündeten Ende 1988 unter Vermittlung der USA im Drei-Mächte-Abkommen zwischen Angola, Kuba und Südafrika: Südafrika zog sich aus Angola zurück und versprach Namibia die Unabhängigkeit. Kuba beendete ebenfalls die Militäroperationen in Angola und die MPLA-Regierung garantierte die Abhaltung von freien Wahlen. Die Interner Link: Vereinten Nationen (VN) begleiteten mit der Friedensmission "UNAVEM I" (United Nations Angola Verification Mission I) den erfolgreichen Abzug der kubanischen Truppen zwischen 1988 und 1991. Damit endete die direkte Beteiligung internationaler Streitkräfte an dem Konflikt.

Erfolglose Friedensmissionen

Es schlossen zwei weitere VN-Friedensmissionen ("UNAVEM II" und "UNAVEM III") von 1991 bis 1997 an, die jedoch keinen Frieden sichern konnten: Bei den ersten demokratischen Parlamentswahlen 1992, die unter VN-Beobachtung abgehalten wurde, gewann die derweil sozialdemokratisch orientierte MPLA mit 54 Prozent der Stimmen. Die UNITA, die sich in den 90er Jahren zur politischen Partei wandelte, erhielt 34 Prozent der Stimmen – erkannte die Wahl jedoch wegen anglichen Betrugs nicht an. Internationale Vermittlungsversuche und Sanktionen scheiterten: Der Bürgerkrieg entflammte erneut.

Noch bis zum Jahr 2002 kämpften UNITA-Rebellen gegen die weiterhin von der MPLA gestellten Regierung. Während die MPLA den Konflikt durch die Ausbeutung der angolanischen Erdölreserven finanzierte, beutete die UNITA Diamantenminen aus. Ein Versuch der Vereinten Nationen, den Handel mit "Interner Link: Blutdiamanten" einzuschränken blieb für den Bürgerkrieg in Angola ohne größere Wirkung.

Am 22. Februar 2002 geriet UNITA-Chef Jonas Savimbi in der Provinz Moxico in einen Hinterhalt der MPLA-Regierung und starb in einem Feuergefecht. Erst der Tod Savimbis setzte dem Bürgerkrieg in Angola nach 27 Jahren ein Ende. Bis zu 500.000 Menschen hatten in diesem Konflikt ihr Leben verloren. Am 04. April 2002 unterzeichneten die regierende MPLA und die UNITA ein Waffenstillstandsabkommen, das de facto das Ende des militärischen Bürgerkriegs besiegelte. Das Abkommen regelte die Entwaffnung der schätzungsweise 50.000 UNITA-Kämpfer und ihre Eingliederung in die Regierungsarmee. Zudem bestimmt es die Anerkennung des Lusaka-Protokolls, ein Friedensvertrag von 1994. Das Abkommen wurde von den Oberfehlshabern beider Konfliktparteien unterzeichnet.

Erste Parlamentswahl im Jahr 2008

Formell gibt es in Angola seit 1991 ein Mehrparteiensystem. Ende 2007 wurde bekannt gegeben, dass erstmals nach Ende des Bürgerkriegs ein neues Parlament gewählt werden sollte. Bei der Wahl im Jahr 2008 traten die MPLA, die UNITA und die FNLA als politische Parteien an. Die MPLA erhielt mehr als 80 Prozent der Stimmen. Staatspräsident war von 1979 bis 2017 der MPLA-Führer José Eduardo dos Santos. Beobachter der Europäischen Union schätzten die Wahl chaotisch, aber weitestgehend frei und transparent ein.

Im August 2022 soll in Angola ein neues Parlament gewählt werden. Die Oppositionsparteien arbeiten an einem Einheitsbündnis gegen die MPLA-Regierung.

Das seit fast 50 Jahren regierende MPLA-Regime gilt als korrupt, Transparency International führte Angola im Korruptionswahrnehmungsindex 2021 auf Rang 136 von 180 Ländern. Wegen der reichen Bodenschätze konnte Angola nach Ende des Bürgerkriegs ein rasantes Wirtschaftswachstum verzeichnen. Jedoch profitieren davon in erster Linie die angolanische Führungsschicht und ausländische Unternehmen. 2020 lebten 36,6 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. 2021 belegte Angola im Welthunger-Index Platz 97 von 116. Zudem stellen die Landminen auch nach dem Krieg eine große Gefahr dar: 2007 galt fast jede/-r fünfte Angolaner/-in in ihrem Wohngebiet als gefährdet.

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