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Vor 190 Jahren: Hambacher Fest

Redaktion

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Beim wegweisenden Hambacher Fest 1832 forderten zehntausende Menschen Freiheits- und Bürgerechte sowie einen deutschen Nationalstaat.

Aquarell vom Hambacher Fest am 27. Mai 1832. (© picture-alliance, akg-images)

Es war eine der größten politischen Zusammenkünfte der damaligen Zeit: Am 26. und 27. Mai 1832 versammelten sich zwischen 20.000 und 30.000 Menschen an der Ruine des Hambacher Schlosses in Neustadt an der Weinstraße. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer forderten Freiheits- und Bürgerechte sowie ein geeintes Interner Link: Deutschland. Ein Großteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Hambacher Fests stammte aus der Pfalz. Viele Menschen waren jedoch aus Hessen, Bayern oder dem Elsass angereist, auch Delegationen aus Interner Link: Frankreich und polnische Freiheitskämpfer nahmen teil.

Die Mehrheit der Festteilnehmerinnen und -teilnehmer entstammte dem Bildungs- und Besitzbürgertum. Darunter waren viele Anwälte, Journalisten, Buchhändler und -drucker, sowie kleine Handelsleute. Auch viele Studenten waren anwesend. Sie kämpften bereits seit Jahren für mehr Freiheitsrechte und einen deutschen Nationalstaat. Die Anliegen und Beweggründe der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterschieden sich: Einige zeigten ihren Unmut über die wirtschaftliche Situation in Folge von Missernten, andere thematisierten die ungeklärte Nationenfrage im deutschsprachigen Raum oder artikulierten den Wunsch nach einer liberalen Verfassung.

Entscheidenden Einfluss hatte der Anfang 1832 gegründete "Deutschen Preß- und Vaterlandsverein". Dieser hatte in kürzester Zeit etwa 5.000 Mitglieder gewonnen. Von den fast drei Dutzend Neustädtern, die zum Gedenken an den 26. Mai, den bayerischen Verfassungstag, zum Fest auf das Hambacher Schloss eingeladen hatten, gehörten viele dem "Preß- und Vaterlandsverein" an. Kurz nach seiner Gründung wurde der Verein verboten. Versuche bayerischer Behörden, das Hambacher Fest zu verbieten, scheiterten jedoch.

Konkrete Forderungen von Rednern und Demonstranten waren nationale Einheit, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit sowie die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Die Teilnehmer sprachen offen von der "Beseitigung der Fürstenherrschaft", der Schaffung "Vereinigter Freistaaten von Deutschland" und von einem "konföderierten republikanischen Europa“. Während manche Redner sich zur konstitutionellen Monarchie bekannten, warben andere für eine demokratische Regierungsform. Bei den Feierlichkeiten am Abend des 26. Mai und des 27. Mai wehten schwarz-rot-goldene Fahnen, die zum Symbol des deutschen Nationalstaats geworden waren.

Frauen demonstrierten ebenfalls mit, was für die damalige Zeit nicht selbstverständlich war. Als Hymne des Festes gilt das vom liberal-demokratischen Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer verfasste Lied "Hinauf Patrioten zum Schloß, zum Schloß!". Siebenpfeiffer rief dazu auf, dass die Deutschen sich nicht mehr wie Knechte unter das Joch ihrer Fürsten beugen sollten. Auch zahlreiche weitere Redner forderten staatliche Einheit für das deutsche Volk, liberale Bürger- und Freiheitsrechte und zum Teil auch Demokratie ein.

Das Fest markiert den Beginn des Interner Link: Vormärz auf dem Weg zur Revolution 1848/49. In den Jahren 1832 bis 1834 veranlasste das Fest die Bundesversammlung, Maßnahmen zur Eindämmung liberaler Bestrebungen vorzunehmen. Diverse Initiatoren des Hambacher Festes wurden verhaftet oder mussten ins Ausland fliehen.

Vorgeschichte

Im Zuge der französischen Revolution und der napoleonischen Kriege wurden die Rechte des Individuums gegenüber dem Staat durch den 1804 eingeführten Code Civil, das im Geiste von Aufklärung und Revolution stehende Bürgerliche Gesetzbuch Frankreichs, in weiten Teilen Deutschlands ausgebaut. Nach dem Sieg deutscher Staaten über das von Napoleon geführte Frankreich und seine Verbündeten setzte in Folge des Wiener Kongresses die historische Phase der sogenannten Restauration ein – die Monarchie blieb intakt, liberale Verfassungen und Bürgerrechte lehnten die Herrschenden strikt ab und vereinbarten ein Gleichgewicht der politischen Mächte in Europa. Die politische Ordnung vor der Französischen Revolution 1789 sollte wiederhergestellt werden.

Das liberale Bürgertum war jedoch nicht gewillt, den anachronistisch erscheinenden Herrschaftsanspruch der Monarchen zu akzeptieren. Auch viele Studenten äußerten ihren Unmut gegen die vorherrschende Kleinstaaterei in Deutschland und die restaurative Politik, wie etwa beim Wartburgfest 1817, bei dem sich anlässlich des vierten Jahrestags der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 hunderte Studenten auf der Wartburg im thüringischen Eisenach versammelten, gegen die Restauration und für einen deutschen Nationalstaat mit Verfassung aussprachen und dabei auch von ihnen als "undeutsch" bezeichnete Bücher verbrannten.

Zunehmend setzte sich das Bildungsbürgertum für Freiheit und Volkssouveränität ein. Es war kein Zufall, dass das Hambacher Fest im heutigen Rheinland-Pfalz, das damals als Kurpfalz zu Bayern gehörte, stattfand. Dort war das napoleonische Erbe in Form weitgehenderer Bürgerrechte bedeutender als anderswo in Deutschland.

Anfang der 1830er-Jahre hatte die Idee eines deutschen Nationalstaates ebenso wie die Forderung nach Bürger- und Freiheitsrechten großen Zulauf. Im Zuge der Julirevolution kam in Paris der Bürgerkönig Louis Philippe auf den Thron. Dies stärkte sowohl nationale, liberale als auch demokratische Kräfte in Europa. Im August 1830 erhielt Frankreich eine neue Verfassung, die sich zur Volkssouveränität bekannte. Im Süden der Vereinigten Niederlande erreichten Katholiken und Liberale 1830 in der Belgischen Revolution die Loslösung Flanderns und Walloniens als selbständiges Königreich Belgien. Im von Russland besetzten Teil Polens versuchten sich polnische Freiheitskämpfer erfolglos gegen die reaktionäre Fremdherrschaft des russischen Zaren zu erheben.

Diese Entwicklungen bestärkten auch im Gebiet des heutigen Deutschlands den Wunsch nach Bürgerrechten. Staaten Mitteldeutschlands wie etwa Kurhessen 1830 sowie ein Jahr darauf Sachsen gaben sich Verfassungen. Diese Entwicklungen wirkten sich auf das Hambacher Fest aus. Auch die damals schlechte wirtschaftliche Situation spielte für dessen Erfolg eine Rolle.

Revolution 1848/49

Erneut von Frankreich ausgehend erfasste 1848 eine Revolutionswelle Europa. Ende Februar 1848 erreichte sie den Südwesten Deutschlands. Vielerorts kämpften in der Folge Aufständische für ein liberaleres politisches System, eine sozialere Wirtschaftsordnung und einen deutschen Nationalstaat.

Nachdem es Interner Link: in Berlin zu heftigen Straßenkämpfen gekommen war, stimmte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. am 21. März 1848 vorgeblich einem deutschen Nationalstaat zu. Um dessen Aufbau zu beschließen, tagte ab dem 18. Mai 1848 die erste relativ frei gewählte deutsche Volksvertretung in der Frankfurter Interner Link: Paulskirche. Gut drei Viertel der männlichen Deutschen waren wahlberechtigt. Auf große Zustimmung in der Nationalversammlung stieß im März 1849 der verabschiedete Grundrechtskatalog: Darin waren etwa die Gleichheit vor dem Gesetz, Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie die Unverletzlichkeit der Person festgeschrieben. Die sogenannte Paulskirchenverfassung wollte einen deutschen Nationalstaat auf Basis einer konstitutionellen Erbmonarchie errichten.

Am 28. März 1849 wählten die Abgeordneten mit knapper Mehrheit König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum "Kaiser der Deutschen“. Preußen erkannte diese Wahl jedoch ebenso wie Österreich, Bayern, Hannover und Sachsen nicht an. Radikaldemokratische Kräfte versuchten in der Folge, die Reichsverfassung mit gewaltsamen Mitteln durchzusetzen. Im Juli 1849 schlugen preußische und österreichische Truppen die etwa im Südwesten aufgeflammten Aufstände blutig nieder, viele Revolutionäre mussten fliehen.

Rolle des Fests in der Erinnerungskultur

Das Hambacher Fest gilt als wichtiges Ereignis in der deutschen Demokratie- und Nationalstaatsgeschichte. Der spätere Bundespräsident Theodor Heuß nannte es 1932 bei einer Rede anlässlich der Hundertjahrfeier zum Hambacher Fest "die erste politische Volksversammlung der neueren deutschen Geschichte". Für das politische Selbstverständnis sowie die Demokratiegeschichte der Bundesrepublik spielt das Hambacher Fest bis heute eine große Rolle. Jedoch versuchen auch nationalistische, rechtspopulistische oder rechtsextreme Kräfte immer wieder, es für sich in Anspruch zu nehmen.

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