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11. September: Tag der wohnungslosen Menschen

Redaktion

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Über 530.000 Menschen in Deutschland waren 2024 wohnungslos. Gründe sind u. a. Schulden oder Konflikte im Wohnumfeld. Die Bundesregierung will bis 2030 die Wohnungslosigkeit überwinden.

Eine verfassungsmäßig festgeschriebenes „Recht auf Wohnraum“ gibt es im deutschen Grundgesetz nicht. Allerdings ergibt sich aus der Garantie der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein Handlungsauftrag für die Politik. (© picture-alliance/dpa, dpa-Zentralbild | Britta Pedersen)

Am 11. September begehen verschiedene Sozialverbände, kirchliche Einrichtungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) den „Tag der wohnungslosen Menschen“. Das Motto lautet 2025: „Politik in die Pflicht nehmen – Wohnungsnot beenden“.

Laut dem zweiten Externer Link: Wohnungslosenbericht der Bundesregierung gab es in Deutschland Anfang des Jahres 2024 insgesamt 531.600 wohnungslose Menschen. Der Begriff „Wohnungslosigkeit“ ist dabei nicht mit dem Begriff „Obdachlosigkeit“ gleichzusetzen. Als „wohnungslos“ werden all jene Menschen bezeichnet, die über keinen Wohnraum verfügen, der beispielsweise durch einen Mietvertrag oder durch Eigentum abgesichert ist. Wohnungslose Menschen, die auf der Straße leben, sind „obdachlos“.

Wohnungslosigkeit in Deutschland

Etwa zwei Drittel der wohnungslosen Personen in Deutschland waren 2024 männlich, Frauen waren deutlich seltener von Wohnungslosigkeit betroffen. Mit 439.500 waren rund 80 Prozent der Betroffenen zum Befragungszeitpunkt in Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe untergebracht („untergebrachte wohnungslose Personen“). Etwa 60.400 kamen bei Angehörigen, Freunden oder Bekannten unter („verdeckt wohnungslose Menschen“). Circa 47.300 Menschen lebten auf der Straße oder in Behelfsunterkünften („wohnungslose Personen ohne Unterkunft“).

Menschen, die 2024 auf der Straße lebten, waren laut dem Bericht durchschnittlich 43 Jahre alt. Untergebrachte und verdeckt wohnungslose Menschen waren mit durchschnittlich 31 und 36 Jahren jünger. Jünger als 25 Jahre waren rund 9 Prozent der Wohnungslosen ohne Unterkunft und rund 28 Prozent der verdeckten Wohnungslosen. Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung überproportional von Wohnungslosigkeit betroffen. So haben 27 Prozent der Wohnungslosen eine ausländische Staatsangehörigkeit oder sind staatenlos.

Aus der Befragung ging außerdem hervor, dass Wohnungslosigkeit oft kein kurzfristiger Zustand ist. Etwas mehr als die Hälfte der wohnungslosen Befragten lebte 2024 bereits seit über einem Jahr in diesem Lebensumstand. Wohnungslose Menschen gehören außerdem zu den besonders vulnerablen Gruppen. Etwas mehr als die Hälfte der verdeckt Wohnungslosen und knapp 70 Prozent der obdachlosen Menschen litten laut eigenen Angaben unter langfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Mehr als zwei Drittel der Menschen ohne Unterkunft gaben an, seit Beginn ihrer Obdachlosigkeit Gewalt erlebt zu haben.

Statistische Erhebungen und ihre Grenzen

Amtliche bundesweite Zahlen zur Wohnungslosigkeit gibt es erst seit 2022. Im Jahr 2020 verabschiedete der Bundestag das im Jahr zuvor von der Bundesregierung eingebrachte sogenannte Externer Link: Wohnungslosenberichterstattungsgesetz. Um eine fundierte Zahlenbasis zu erheben, wird nun jährlich zum Stichtag am 31. Januar bei öffentlichen und privaten Trägern abgefragt, wie viele Wohnungslose derzeit untergebracht werden. Dazu zählen auch Personen, die trotz eines positiv abgeschlossenen Interner Link: Asylverfahrens noch in Unterkünften für Geflüchtete leben. Zur Ermittlung der Anzahl an Menschen, die verdeckt wohnungslos oder auf der Straße leben, werden ergänzende Erhebungen durchgeführt.

Im Vergleich Externer Link: zum ersten Wohnungslosenbericht, der im Dezember 2022 veröffentlicht wurde, zeigt sich eine starke Zunahme der Zahlen. Damals wurden 262.600 Menschen ohne Wohnung in dem Bericht registriert. Für die gestiegenen Zahlen wohnungsloser Menschen zwischen 2022 und 2024 führt die Bundesregierung mehrere Gründe an: So kam es bei der Zahlenerhebung für den ersten Wohnungslosenbericht wohl zu statistischen Untererfassungen, unter anderem weil die zuständigen Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe während der Interner Link: COVID-19-Pandemie im Befragungszeitraum noch nicht im Regelbetrieb gearbeitet haben. Zudem ist es typisch für erste Erhebungen, dass die Dunkelziffer besonders hoch bleibt. Gestiegen ist außerdem die Zahl der untergebrachten wohnungslosen Personen. So sind im zweiten Bericht etwa mehr als 136.000 Interner Link: ukrainische Geflüchtete neu vermerkt.

Die Zahl der Wohnungslosen zu erfassen, bleibt jedoch weiterhin eine komplexe Aufgabe. Das liegt vor allem daran, dass sich nicht alle Menschen in solchen Fällen an öffentliche Stellen wenden, um Hilfe zu bekommen. Dies gilt sowohl für jene, die für einen bestimmten Zeitraum bei Freundinnen und Freunden übernachten, als auch für jene, die auf der Straße leben. Der Wohnungslosenbericht der Bundesregierung weist also dort Lücken auf, wo Wohnungslosigkeit nicht amtlich registriert wird.

Ursachen von Wohnungslosigkeit

Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG W) erstellt regelmäßig Externer Link: Statistikberichte zu den Lebenslagen wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen in Deutschland. Als Auslöser für den (drohenden) Wohnungsverlust gaben die Befragten für das Jahr 2023 am häufigsten an, dass sie Miet- oder Energieschulden oder Konflikte im Wohnumfeld haben beziehungsweise hatten. Es folgen unter anderem Trennungs- und Scheidungssituationen sowie Ortswechsel. Auch der Antritt von Haftstrafen kann zu Wohnungsverlust führen. Und manchen jungen Erwachsenen gelingt es nach dem Auszug aus der elterlichen Wohnumgebung nicht sofort, selbst Fuß zu fassen.

Schicksalsschläge – etwa Jobverlust, Trennung vom Ehepartner, Krankheit oder Trauerfälle im Familienumfeld – können außerdem Armutsspiralen in Gang setzen und zur Wohnungslosigkeit führen. Auch Sucht kann dazu führen, dass Menschen ihre Lebensstruktur verlieren und wohnungslos werden. Strukturelle Probleme, wie etwa fehlender bezahlbarer Wohnraum und Diskriminierungserfahrungen bei der Wohnungsvergabe, können die Suche nach einer Wohnung erschweren.

Laut einer Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung sind die Angebotsmieten in den 14 größten Städten seit 2015 im Schnitt um rund 50 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist die Zahl der Sozialmietwohnungen in den letzten 18 Jahren von rund zwei Millionen (2006) auf rund eine Million (2024) gesunken. Interner Link: Inflation und gestiegene Lebenskosten belasten einkommensschwache Haushalte zusätzlich.

Politische Maßnahmen

Eine verfassungsmäßig festgeschriebenes „Recht auf Wohnraum“ gibt es im deutschen Grundgesetz nicht. Allerdings ergibt sich aus der Garantie der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein Interner Link: Handlungsauftrag für die Politik.

Auch Menschen ohne einen festen Wohnsitz haben Anspruch auf Bürgergeld. Die Zuständigkeit dafür ist im Externer Link: Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, Paragraf 36, geregelt: Wenn ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht festgestellt werden kann, so sind die Behörden des Gebiets zuständig, in dem der Antragsteller seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ hat. Im Jahr 2023 wurde in diesem Zusammenhang vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales die sogenannte Externer Link: Erreichbarkeitsverordnung erlassen: Seitdem ist kein fester Wohnsitz mehr für die Antragstellung erforderlich, sofern die Leistungsberechtigten erreichbar sind und sich im näheren Umfeld des zuständigen Jobcenters aufhalten.

Die medizinische Versorgung von wohnungslosen Menschen ist oftmals prekär. Wohnungslose Menschen leiden laut BAG W beispielsweise häufiger unter Mehrfacherkrankungen und könnten sich Zuzahlungen zu medizinischen Leistungen oft nicht leisten. Sozialverbände, wie beispielsweise die Caritas, unterhalten Angebote für eine niedrigschwellige medizinische Versorgung, die sich speziell an Wohnungslose und insbesondere an Obdachlose richten.

Die Bundesregierung hat im Jahr 2024 einen „Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit“ beschlossen. Ziel ist es, Obdach- und Wohnungslosigkeit bis zum Jahr 2030 zu überwinden. Dazu sind verschiedene Maßnahmen geplant. So soll der Bund bis 2028 21,65 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau investieren. Eine vergleichbare Summe soll vonseiten der Länder ausgegeben werden. Eine Reform des Wohngelds sollte den Kreis der Berechtigten erweitern und die Leistungen erhöhen. Außerdem soll unter anderem die Versorgung mit Notunterkünften verbessert werden.

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