Ein gefundenes Mobiltelefon gibt uns Rätsel auf: Wem gehört es? Einer Samira? Einem Samuel? Während des Stöberns durch Nachrichten, Emails und Dating-Profile stoßen wir auf Vorurteile gegenüber und Probleme von Transpersonen.
Zusammenfassung
"A Normal Lost Phone" regt zum kritischen Nachdenken über Vorurteile gegenüber Transpersonen an. Die Identifizierung mit der Protagonistin Sam und das Hineinversetzen in ihre Situation gelingen dabei sehr einfach. Auch im Unterricht kann das Spiel als Ansatz zur Aufklärung und zur Bekämpfung von Vorurteilen eingesetzt werden. Dies bedarf allerdings einer sorgfältigen pädagogischen Einordnung, bei der eine professionelle Begleitung, beispielsweise durch ein queeres Beratungszentrum, zu empfehlen ist.
"A Normal Lost Phone" rückt das Thema Genderdiversität in den Vordergrund. Spielende können sich anhand des Spiels mit Vorurteilen gegenüber queeren Menschen auseinandersetzen. Mit den Worten "Du hast ein Telefon gefunden. Finde die Wahrheit heraus!" begrüßt uns das Serious Game und lässt uns auf der Oberfläche eines Handys unterschiedliche Apps erkunden.
Um herauszufinden, was es mit dem verlorenen Telefon auf sich hat, bleibt uns zu Beginn nichts weiter übrig, als die Nachrichten des Handybesitzers oder der Handybesitzerin zu lesen, da die Apps noch passwortgeschützt sind und wir aufgrund einer fehlenden Internetverbindung noch keine Onlineanwendungen nutzen können.
Durch die Nachrichten erfahren wir, dass das Handy einer Person namens Sam gehört. Er oder sie spielt leidenschaftlich gerne Harfe und besucht wöchentlich einen Brettspielclub. Außerdem finden wir heraus, dass Sam gerade eine Trennung hinter sich hat und ein Geheimnis mit sich herumträgt.
Durch die Nachrichten erfahren wir außerdem das Kennwort für das WLAN. Infolgedessen können wir auch E-Mails lesen und finden Hinweise auf ein Datingportal, bei dem sich Sam mit zwei Profilen angemeldet hat. Auf dem Profil "Sam-Thing" stellt Sam sich als männlich vor, ist aber hier nicht wirklich aktiv. Auf dem Zweitprofil "Sam-Thing-Else" offenbart sich Sam allerdings als weiblich und knüpft hier Kontakte. In diesem Zusammenhang erfahren wir, dass Sam eine Transfrau ist. Vor allem der Onlinekontakt "Phil_free", dem Sam sich anvertraut, rät ihr, sich in queeren Zentren Rat zu holen und sich von Menschen zu distanzieren, die Sams geschlechtliche Identität ablehnen oder verurteilen.
Wir erfahren weiterhin, dass Sam ein LGBTQIA+-Festival besucht. Das verkauft die Hauptperson ihrer Mutter allerdings als Buchmesse. Sams Eltern vertreten eher konservative Ansichten, weshalb Sam sich nicht traut, innerhalb der Familie die eigene Geschlechtsidentität zu offenbaren.
Den Brettspielclub, den Sam als Samira besucht, muss sie unfreiwillig verlassen, da ein anderes Mitglied aus dem Club Sams wahre Identität enthüllt und ihr droht, ihr Doppelleben öffentlich zu machen. An Sams 18. Geburtstag bekommt sie von ihrem Vater ein Motorrad geschenkt und nutzt dieses, um das Elternhaus zu verlassen und aus dem Heimatort in einen anderen Ort zu ziehen, in dem offener mit queeren Geschlechtsidentitäten umgegangen wird. Das Spiel endet damit, dass wir alle Überbleibsel von Sams "altem Leben" tilgen, indem wir die Daten löschen und das Spiel damit beenden.
"A Normal Lost Phone" ist mit einer Spielzeit von zwei bis vier Stunden kurz, aber sehr eindrucksvoll. Die Spielenden können durch die Fülle an Sprachnachrichten, Mails und Tagebucheinträgen einen guten Eindruck von Sams emotionalem Durcheinander gewinnen. Sie können nachvollziehen, wie sich Menschen, die nicht durch das klassische Geschlechtersystem repräsentiert werden, von ihrer konventionellen Umwelt unter Druck gesetzt fühlen und deshalb ihre Genderidentität verbergen. Kleine Rätsel, die gelöst werden müssen, um die Passwörter für das WLAN oder Sams Dating-Profile herauszubekommen, lockern die Lektüre von Sams Privatnachrichten etwas auf.
KurzinfosA Normal Lost Phone
Genre: Puzzle-Game, Simulation
Herausgeber: Plug In Digital
Plattform: PC, iOS, Android, Mac, Nintendo Switch, Linux
Erscheinungsdatum: 26. Januar 2017
USK: nicht geprüft
bpb-Empfehlung: ab 14 Jahren
Pädagogische Einschätzung
"A Normal Lost Phone" konfrontiert die Spielenden mit einer Flut an Textnachrichten, E-Mails und Chatverläufen. Die Spielenden lesen sich zwei bis vier Stunden lang durch das Spiel hindurch.
A Normal Lost Phone Screenshot
Der User Phil_free erweist sich als Person, der Sam sich anvertrauen kann und von der sie unterstützt wird.
Der User Phil_free erweist sich als Person, der Sam sich anvertrauen kann und von der sie unterstützt wird.
Das Thema geschlechtliche Vielfalt steht beim Spielen und Erleben von "A Normal Lost Phone" im Vordergrund. Die Spielenden können sich mit Sam aufgrund der lebensechten Nachrichtenverläufe schnell identifizieren. Dementsprechend erfolgt während des Spielens auch ein Lernprozess, da man sich durch Sams Augen mit Ablehnung und Missgunst gegenüber der eigenen Geschlechtsidentität konfrontiert sieht. Der Rollentausch ermöglicht es den Spielenden, eine hohe Sensibilität für diese Thematik zu entwickeln. So können neben den Lesekompetenzen der Spielenden prinzipiell auch ihre personalen Kompetenzen angesprochen und gefördert werden. Trotz diesen Potenzialen besteht hier jedoch auch die Gefahr, dass die Spielenden Sams Identität aktiv ablehnen und transphobe Handlungen oder Äußerungen tätigen. Wenn der Identifikationsprozess der Spielenden mit Sam fehlschlägt, muss pädagogisch nachgesteuert werden.
Grundsätzlich lässt sich "A Normal Lost Phone" für den Unterricht gut nutzen. Aufgrund der kurzen Spielzeit lässt sich das Spiel bequem in Unterrichtseinheiten der Fächer Ethik, Sozialkunde oder Politik einbauen. Unterrichtsfragen müssen von den Lehrkräften eigenständig entwickelt werden. Vor allem aufgrund der sensiblen Thematik und der sehr differenzierten Terminologie empfiehlt es sich für Lehrkräfte, das Spiel möglicherweise im Rahmen eines Projekttages oder einer Unterrichtsreihe einzusetzen und zusätzlich auf Beratungsangebote von queeren Zentren zurückzugreifen.
Altersempfehlung
Die Auseinandersetzung mit geschlechtlicher und sexueller Identität spielt in der Lebenswelt von Jugendlichen eine große Rolle. "A Normal Lost Phone" wird im Google Play Store mit einer Altersempfehlung von 17 Jahren ausgewiesen, während Apple das Spiel ab zwölf empfiehlt.
Aus pädagogischer Sicht wird das Spiel vor allem für Jugendliche ab 14 Jahren relevant, kann aber auch für jüngere Jahrgänge einen erheblichen lebensweltlichen Bezug aufweisen. Eine große Zahl von Pubertierenden sieht sich bereits früh mit geschlechtlicher und sexueller Identitätsfindung konfrontiert.
Dabei ist zu bedenken, dass der Entwicklungsstand der Kinder und Jugendlichen je nach Zusammensetzung der Lerngruppe sehr unterschiedlich sein kann. Die großen Textmengen selbst und die oft sehr ernsten Inhalte bis hin zum Thema Suizid können Kinder und Jugendliche überfordern. Das Spielen von "A Normal Lost Phone" könnte gerade bei jüngeren Lernenden auch Angst vor der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität auslösen. Schließlich verlässt die Protagonistin Sam am Ende der Geschichte das eigene Elternhaus.
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