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Pluralismus, Medien und Demokratie | bpb.de

Pluralismus, Medien und Demokratie Eine Vision der "Demokratischen Debatte“ für die Postmigrantische Gesellschaft

Welche Erzählformen prägen die "Demokratische Debatte" in der Postmigrantischen Gesellschaft?

Inhalt

Deutschland ist nicht bloß jene westeuropäische Nation, die 2005 mit vergleichsweise großer Verzögerung ihren Einwanderungsstatus akzeptierte, sie ist auch jene Nation, die nur zehn Jahre später international zu einem Key Player der Aufnahme von Migrant:innen avancierte. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was dieser Umstand mit "unserem" im Grundgesetz verankerten Versprechen von Pluralismus und Parität macht? Und, ob und wie sich die "Demokratische Debatte" dadurch verändert hat?

Migration ist zur Chiffre für die Aushandlung aller sozialer Fragen avanciert – das ist unsere Postmigrantische Realität. Diese Realität liegt zum einen am Umstand der neuen migrationspolitischen Realitäten und zum anderen daran, dass Migrationspolitik die Kernfrage der "Demokratischen Debatte" in den Mittelpunkt rückt, nämlich: die Einbeziehung aller von einem gesellschaftspolitischen Problem potenziell Betroffenen am deliberativen Prozess der Entscheidungsfindung. Die medial vermittelte Debatte erzeugt dabei Gefühle von Repräsentation, Zugehörigkeit und Teilhabe – oder eben von Nicht-Zugehörigkeit und Beteiligungslücken.

Die Crux bestehender Beteiligungslücken liegt an diskursiven Schließungen in der "Demokratischen Debatte", die entgegen verbreiteter Annahmen über rational-argumentative Schließungen, im Grunde tiefliegende narrativ vorkonfigurierte Schließungen sind. Narrative Formen konfigurieren identitäre Subjektkonstellationen vor: sie strukturieren, wessen Argumente wir als legitim und rational betrachten (in-group identity) und wessen Argumente wir – egal, wie rational sie sind – als illegitim und irrational verwerfen (out-group identity). Einige Erzählformen verhärten die Grenzen zwischen Innen und Außen durch selbstidealisierende Sicherheiten, die Antwort auf das gesellschaftspolitische Problem kann nur durch jene gefunden werden, die rational argumentieren. Das Resultat ist eine reaktionäre Rückbesinnung auf "alte" Identitäten. Andere Erzählformen erzeugen Selbstzweifel und Unsicherheit, sie gestehen ein, dass die herkömmliche "In-Group" bisweilen an der Entscheidungsfindung gescheitert ist. Dies beschreibt einen visionären Modus, der fortlaufend kommunikative Räume öffnet, in denen "Neue/Andere" als legitim und rational-argumentiert markiert werden, somit eingeladen sind, sich an der Findung besserer Lösungen auf gesellschaftspolitische Probleme zu beteiligen – national und supranational.

Dr. Özgür Özvatan ist Politikwissenschaftler und Soziologe. Er ist Co-Leiter der Abteilung Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik am Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er zu Themen wie Zugehörigkeit, Rassismus, Radikalisierung, Ethno- und Transnationalismus forscht und die Nachwuchsgruppe "'Deutscher Islam' als Alternative zum Islamismus?" leitet. Er ist Koordinator des Immigration Research Netzwerk des Council for European Studies (CES) der Columbia University, war Visiting Fellow an der University of Melbourne und war Fellow des Centre for Analysis of the Radical Right (CARR).

Der Vortrag wurde im Rahmen der Fachtagung "Digitale Gesellschaft gestalten. Transformationsprozesse in Medienpädagogik und politischer Bildung" aufgezeichnet. Die Tagung fand vom 16. bis 18. Mai im Science Park in Kassel statt und wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit dem JFF – Institut für Medienpädagogik, der Universität Siegen und der Pädagogische Hochschule Ludwigsburg initiiert und gestaltet.

Mehr Informationen

  • Kamera: Martin Noweck

  • Produktion: 05.2022

  • Spieldauer: 34 Min.

  • hrsg. von: Bundeszentrale für politische Bildung und JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis

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