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Militarisierung der EU | bpb.de

Militarisierung der EU

J. Varwick

Die EU-Sicherheits- und -verteidigungspolitik gewinnt seit einigen Jahren an Bedeutung. Die EU besitzt inzwischen zahlreiche Instrumente, die internationale Politik mitzugestalten. Die klassische Arbeitsteilung zwischen NATO (Sicherheits- und Verteidigungspolitik) und EG/EU (übrige außenpolitische Themen) hat sich aufgelöst. Die EU will ihre Rolle auf der internationalen Bühne heute uneingeschränkt wahrnehmen. Die EU-Staaten haben sich verpflichtet, militärische Fähigkeiten auszubauen, die industrielle und technologische Verteidigungsbasis zu stärken und die Rüstungsplanung/-beschaffung zu harmonisieren. Dazu wurden u. a. eine europ. Verteidigungsagentur gegründet und das Konzept der EU-Gefechtsverbände zur Krisenreaktion (EU-Battlegroups) entwickelt, um schnell militärisch auf internationale Krisen reagieren zu können. Die Bemühungen der EU, ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik seit 1999 fortzuentwickeln, die Schaffung einschlägiger Institutionen im Vertrag von Nizza 2003 (u. a. Militärausschuss, Militärstab) sowie die zahlreichen militärischen Operationen der EU seit 2003 werden unterschiedlich interpretiert: meist als Reaktion auf die veränderte internationale Lage, die Vertiefung und Komplettierung des Integrationsprozesses, aber vereinzelt auch als Militarisierung der EU. Besonders kritisiert werden vertragliche Regelungen im Verfassungsvertrag bzw. Lissabonner Vertrag, wonach sich einzelne EU-Staaten im Rahmen der sog. »strukturierten Zusammenarbeit« sicherheits- und verteidigungspolitisch enger zusammenschließen können. Die Staaten, die militärisch leistungsfähiger sind, können im EU-Rahmen eine solche Zusammenarbeit begründen. Daraus leiten einige Kritiker eine Pflicht zur Aufrüstung ab. Die EU entferne sich radikal von ihrem traditionellen Leitbild als »Zivilmacht« und verhalte sich wie andere mächtige Akteure auch. Diese vermeintliche Militarisierung der EU sei mit ein Grund für die skeptische EU-Haltung, die in den Referenden in Frankreich, den Niederlande (2005) und Irland (2008) zum Ausdruck kam. Im politischen Spektrum vertritt lediglich die Partei »Die Linke«, ein kleiner Teil von Bündnis 90/Die Grünen, ein noch kleinerer in der SPD sowie die Friedensbewegung diese Position.

Literatur

  • M. Budzinki (Hg.): Europa: Zivil oder Militärmacht?, Bad Boll 2005.

  • M. Dembinski/W. Wagner: Militarisierung Europas oder Europäisierung des Militärs?, in: R. Mutz u. a. (Hg.): Friedensgutachten 2006, Münster/Westf. 2006, S. 256-265.

  • T. Pflüger/M. Hantke: Militarisierung der EU (Studien zur Militarisierung Europas Nr. 27), Tübingen 2007.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: J. Varwick

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