70 Jahre Weltgesundheitsorganisation
Am 7. April 1948 wurde in Genf die Weltgesundheitsorganisation gegründet. Die UN-Organisation definiert weltweit gültige Normen für medizinische Diagnosen, informiert über ansteckende Krankheiten und unterstützt den Aufbau regionaler Gesundheitssysteme. Seit ihrer Gründung sind neben der Bekämpfung von Infektionskrankheiten wie Tuberkulose auch verstärkt langfristige Gesundheitsrisiken wie ungesunde Ernährung oder Tabakkonsum in den Fokus gerückt.
Das oberste Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO – auf Englisch World Health Organization) ist, "ein Höchstmaß an Gesundheit für alle Völker" (Artikel 1, Satzung WHO) zu schaffen. Gesundheit wird dabei nicht bloß als Abwesenheit akuter Krankheiten definiert, sondern als "Zustand vollkommenen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens". Um dieses Ziel zu verwirklichen, übernimmt die Organisation die internationale Koordination im Gesundheitsbereich, unterstützt die Mitgliedsländer mit fachlicher und technischer Expertise und vernetzt sie untereinander.
Erfolge der WHO
Die Arbeitsbereiche der WHO haben sich im Laufe seiner 70-jährigen Geschichte erweitert. Zu Beginn ging sie vor allem gegen Infektionskrankheiten vor. Als einer der ersten erfolgreichen Maßnahmen gilt die flächendeckende Behandlung der Tropenkrankheit Frambösie, an der in den 1950er-Jahren hunderte Millionen Menschen erkrankten und die ohne Behandlung zu schweren Behinderungen führt. Im Rahmen einer WHO-Kampagne wurden 300 Millionen Menschen in 46 Ländern mit Penizillin gegen die Krankheit versorgt. Als größter Erfolg der bisherigen WHO-Geschichte gilt die Ausrottung der Pocken. 1967 startete das internationale Impfprogramm, zehn Jahre später trat der weltweit letzte Pockenfall in Somalia auf. Auf der 33. Vollversammlung der WHO im Jahr 1980 hielten die Delegierten fest: "Die Erde ist frei von endemischen Pocken, für eine künftige Rückkehr gibt es keinerlei Hinweise." Zum ersten Mal war es der Menschheit gelungen, einen Krankheitserreger durch Impfungen zu besiegen. Für 2018 hat die WHO das Ende des Polio-Erregers, der Kinderlähmung auslöst, angekündigt. Die weltweite Impfkampagne begann bereits 1988. Noch hält sich der Erreger in Afghanistan, Pakistan und Nigeria. Dort wurden 2012 223 Polio-Fälle registriert.
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Weltgesundheitsorganisation - WHO
Ungesunder Lebenswandel rückt in den Fokus
Neben der Krankheitsbekämpfung spielt die allgemeine Verbesserung der Gesundheit in der Arbeit der WHO seit Jahren eine wachsende Rolle. Im Jahr 1986 wurde die "Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung" erlassen, die der umfassenden Gesundheitsdefinition der WHO Rechnung trägt. Dort heißt es, dass alle Menschen zu einem höheren Maß an Selbstbestimmung und Eigenverantwortung für ihre Gesundheit befähigt werden sollen. Zum ersten Mal wurden Übergewicht, Rauchen oder Alkoholkonsum als Gesundheitsrisiken identifiziert. Im Jahr 2005 verabschiedeten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Vollversammlung die "Rahmenkonvention Tabakkontrolle", ein rechtsverbindliches Übereinkommen im Kampf gegen das Rauchen. In der Folge wurden Zigarettenwerbung sowie -verpackungen mit Warnhinweisen versehen. Bis heute gibt es eine solche Konvention zur Kontrolle von Alkohol nicht. Zuletzt war die WHO mit Themen in den Schlagzeilen, die vor allem den Lebenswandel in Industrieländern problematisieren. Im Oktober 2015 etwa warnte die Internationale Agentur für Krebsforschung, die der WHO unterstellt ist, in einer Studie davor, dass der Konsum großer Mengen von verarbeitetem Fleisch das Darm- und Magenkrebs-Risiko erhöhe. Rotes Fleisch (also das Muskelfleisch etwa von Rind, Schwein, Lamm, Kalb, Schaf, Pferd und Ziege) stuften die Experten generell als "wahrscheinlich krebserregend" ein, Für den Bericht werteten 22 internationale Experten und Expertinnen über tausend epidemiologische Studien zu rotem und verarbeitetem Fleisch aus. Für die Ergebnisse bekam die WHO auch Kritik: So warfen etwa Fleischproduzenten der WHO eine Verunsicherung der Verbraucher und Verbraucherinnen vor.
Nach Ebola: WHO verspricht grundlegende Reformen
Infektionskrankheiten beschäftigen die WHO weiter, vor allem HIV, die Schweinegrippe und Ebola. Wegen ihres Umgangs mit akuten Pandemien geriet die Organisation allerdings zuletzt in die Kritik. So wurde der WHO vorgeworfen, die Panik vor der Schweinegrippe bewusst geschürt zu haben. Vor allem aber der Ebola-Ausbruch im Jahr 2014 stürzte die WHO in eine Krise. Es hätte weniger Ebola-Tote gegeben, hätte die WHO schneller gehandelt, erklärten mehrere NGOs sowie unabhängige Experten und Expertinnen. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen warnte bereits im Juni 2014, die Ebola-Epidemie sei außer Kontrolle geraten. Doch erst sechs Wochen später rief die damalige Generaldirektorin den internationalen Gesundheitsnotfall aus. Mehr als 10.000 Menschen starben an dem Virus in Westafrika. Der Exekutivrat der WHO räumte schließlich offiziell Fehler ein und erklärte, die Arbeitsweise der Organisation grundlegend zu ändern. Das Krisenmanagement habe angesichts des Ausmaßes des Notfalls versagt, man sei von der Seuche überwältigt worden. Die WHO-Experten und -expertinnen identifizierten acht Bereiche, in denen es erhebliche Versäumnisse und Fehleinschätzungen gegeben habe. Unter anderem wird seit 2015 eine globale Notfall-Arbeitsgruppe (Global Health Emergency Workforce) aufgebaut, um rascher und effektiver auf Krankheitsausbrüche und humanitäre Notlagen reagieren zu können. Experten und Expertinnen sollen im Katastrophenfall sofort zur Verfügung stehen, außerdem permanent in jedem Land Fortbildungen und Simulationen für den Ernstfall durchführen. Es soll auch ein Extra-Budget geschaffen werden, dass im Falle des Ausbruchs einer Pandemie sofort für deren Bekämpfung bereitsteht.
- Zahlen und Fakten: Global Health Governance (GHG)
- Die Ebola-Epidemie (Hintergrund aktuell, 9.12.2014): Die Ebola-Epidemie
- Die Folgen von Ebola (Hintergrund aktuell, 11.12.2015): Die Folgen von Ebola
- Tine Hanrieder: Globale Seuchenbekämpfung: Kooperation zwischen Ungleichen (APuZ 20-21, 2015)
- Bettina Radeiski: Zu Struktur und Stabilität von medialen Seuchendiskursen (APuZ 20-21, 2015)