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6. Februar: Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung | Hintergrund aktuell | bpb.de

6. Februar: Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung

Redaktion

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Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit über 200 Millionen Mädchen und Frauen beschnitten. Vier Millionen Mädchen sind jährlich gefährdet, Opfer einer Beschneidung zu werden. Seit 2003 macht jedes Jahr am 6. Februar der "Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung" auf diese Form der Menschenrechtsverletzung aufmerksam.

Frauengruppen in Somalia starten am 8.3.2004 in Mogadischu die erste landesweite Kampagne gegen die Beschneidung von Mädchen (FGM=Female Genital Mutilation) (© dpa, Fotoreport)

Die sogenannte "Female Genital Mutilation" (FGM, dt.: Genitalverstümmelung) oder das "Female Genital Cutting" (FGC, dt.: Genitalbeschneidung) wird in 30 Ländern Afrikas, des Mittleren Ostens und Asiens praktiziert . Die Motive der Beschneidung unterscheiden sich hinsichtlich der kulturellen Praktiken in den verschiedenen Ländern. Das Sicherstellen der Jungfräulichkeit, bessere Chancen auf dem Heiratsmarkt oder spirituelle Reinheit sind verbreitete Begründungen für das Ritual. Das Problem der Externer Link: Genitalverstümmelung existiert auch in Deutschland. Nach Schätzungen der Nichtregierungsorganisation "Terre des Femmes" lebten 2019 in Deutschland etwa 75.000 betroffene und 20.000 gefährdete Mädchen und Frauen – das sind rund 10.000 mehr Betroffene als im Vorjahr.

Eingriff

Die Externer Link: WHO definiert die weibliche Genitalverstümmelung als "jede teilweise oder totale Entfernung oder sonstige Verletzung der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane aus nicht medizinischen Gründen". Es gibt verschiedene Formen von FGM/FGC, die je nach Land und Region ab dem Säuglingsalter bis ungefähr zum 14. Lebensjahr durchgeführt werden. Aber "auch Frauen, die kurz vor der Eheschließung stehen, sind generell gefährdet", sagt Idah Nabateregga, Referentin für weibliche Genitalverstümmelung bei "Terre des Femmes" in Berlin. Ältere Frauen, die in ihren Dörfern mit der Aufgabe betraut wurden, oder traditionelle Geburtshelferinnen führen die Eingriffe durch. Häufig verwenden sie dabei nicht sterilisierte Messer, Glasscherben, Rasierklingen, Scheren oder Skalpelle, ohne ihren Opfern eine Narkose zu geben oder Antiseptika zu verwenden.

Gesundheitliche Folgen

Für die Mädchen und Frauen beginnt mit der Verstümmelung ein lebenslanger Leidensweg. Neben dem Schock, den die Betroffenen erleben, kommt es durch beschädigte Venen und Arterien zu starken Blutungen. Viele Betroffene leiden unter Infektionen. Sie entstehen durch nicht sterilisierte Instrumente, traditionelle Wundheilmittel und den Brauch, dem Opfer nach dem Eingriff die Beine zusammenzubinden, was den Abfluss des Wundsekrets verhindert. Langzeitfolgen sind Unfruchtbarkeit, chronische Unterleibsentzündungen, Harnwegsinfektionen und Abszesse sowie Schwierigkeiten beim Urinieren und bei der Menstruation. Laut WHO sterben 10 Prozent der Frauen und Mädchen an den direkten Folgen wie Blutvergiftung und Blutverlust. 25 Prozent sterben an langfristigen Folgen wie Infektionen mit Aids und Hepatitis sowie an Komplikationen bei der Geburt. Viele Betroffene leiden jahrelang unter dem erlebten Trauma und haben das Vertrauen in ihre Bezugspersonen verloren. Langfristig kämpfen sie mit Angstzuständen, dem Verlust ihrer Weiblichkeit, Schamgefühlen, Depressionen, Posttraumatischen Störungen, Konzentrationsschwäche, Partnerschaftskonflikten und Psychosen . In Deutschland sind Ärzte und Ärztinnen teilweise noch unvorbereitet, da sie keine Erfahrung haben, wie sie mit den Frauen einfühlsam über die Verstümmelung sprechen können und wie sie mit einer betroffenen Frau bei der Geburt umgehen müssen. Doch mittlerweile gibt es mehrere Angebote, wie beispielsweise das "Externer Link: Desert Flower Center" in Berlin, das auf die medizinische und psychologische Betreuung der Opfer von Genitalverstümmelung spezialisiert ist.

Rechtliche Situation

Genitalverstümmelung ist seit 1992 von den Vereinten Nationen als Menschenrechtsverletzung anerkannt. Und auch in den meisten nationalen Gesetzgebungen ist die weibliche Genitalverstümmelung auf dem Papier längst verboten. Von den 30 Ländern, in denen Frauen traditionell beschnitten werden, haben 26 Staaten Gesetze, welche FGM verbieten. In Liberia, Teilen Somalias (Somaliland), Sierra Leone und Mali gibt es keine gesonderten gesetzlichen Regelungen dazu. Zuletzt kündigte die kurdische Regionalregierung im Nordirak ein totales Verbot von FGM an. Insgesamt 33 weitere Länder mit Migrationsbevölkerungen aus Staaten mit FGM-Praktiken haben ebenfalls entsprechende Gesetze erlassen. In Deutschland, wie in anderen europäischen Ländern, ist FGM seit 2013 ein Straftatbestand (Externer Link: Strafbesetzbuch, § 226a). Außerdem gibt es internationale Abkommen wie die Frauenrechtskonvention, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Kinderrechtskonvention, in denen die weibliche Genitalverstümmelung explizit geächtet wird.

Nach einer 2014 veröffentlichten UNICEF-Studie ist die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen seit den 1980er Jahren weltweit um etwa ein Drittel zurückgegangen. Sowohl unter Frauen als auch unter Männern findet sich in den von FGM-Praktiken betroffenen Ländern eine Mehrheit dafür, Genitalverstümmelungen zu beenden.

Allerdings sind die Erfolge in der Bekämpfung des traditionellen Rituals von Land zu Land sehr unterschiedlich. Während Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen sich in Nigeria, Zentralafrika oder Liberia in den vergangenen Jahrzehnten um die Hälfte verringert hat, sind in anderen Ländern wie beispielsweise Somalia, Guinea, Ägypten und Djibouti weiterhin etwa 90 Prozent der weiblichen Bevölkerung von Genitalverstümmelung betroffen.

Sensibilisierung und Aufklärung

Es gibt heute vielerorts Organisationen, die sich gegen Genitalverstümmlung einsetzen. Mehrere europäische Organisationen engagieren sich etwa in dem Projekt "CHAIN", das sich für die Prävention und Abschaffung weiblicher Genitalverstümmelung sowie gegen Früh-/Zwangsverheiratung einsetzt. Durch Empowerment der betroffenen Communitys, Sensibilisierung und Trainings soll das von der EU kofinanzierte Projekt vorbeugend wirken und Betroffene unterstützen.

Idah Nabateregga weist auf die Bedeutung einer langfristigen Finanzierung für bundesweite und auch auf Minderjährige spezialisierte Projekte hin. Zudem fordert sie, das Thema FGM zum Teil der Berufsausbildung bei medizinischem und psychologischem Fachpersonal zu machen.

In den Debatten rund um FGM-Praktiken wurden in den letzten Jahren zunehmend Positionen lauter, die darauf hinwiesen, dass internationale und auch als „westlich“ wahrgenommene Kritik per se wenig wirksam sei. FGM ließe sich vor allem dann reduzieren, wenn ihre gesellschaftliche Funktion in den Communitys adressiert würde – also ein in der Gemeinschaft akzeptiertes Ritual, um den Übergang von Mädchen zur Frau zu markieren. Viele NGOs und Engagierte setzen sich in den entsprechenden Ländern daher auch für Externer Link: alternative Initiationsriten ein.

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