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Parlamentswahl in Norwegen 2021 | Hintergrund aktuell | bpb.de

Parlamentswahl in Norwegen 2021

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Norwegen hat am 13. September ein neues Parlament gewählt. Im Wahlkampf dominierten sozial-, klima- und energiepolitische Themen. Ein Mitte-Links-Bündnis hat die Wahl gewonnen und kann die derzeit amtierende bürgerliche Minderheitsregierung ablösen.

Das Gebäude des norwegischen Parlaments in Oslo. (© picture-alliance/dpa, Sigrid Harms)

Am 13. September haben die Norwegerinnen und Norweger ein neues Parlament (norwegisch: Storting) gewählt. Norwegen ist eine konstitutionelle Monarchie. Der König, derzeit Harald V., ist das Staatsoberhaupt des Landes, hat aber im Wesentlichen nur eine repräsentative Funktion inne. Zuständig für die Gesetzgebung, die Kontrolle der Regierung und die Verabschiedung des Haushaltsbudgets ist das Storting. Es wird alle vier Jahre in geheimer und direkter Wahl gewählt. Ein Mitte-Links-Bündnis erhielt eine Mehrheit der 169 Sitze im Nationalparlament. Bislang regierte eine im Mitte-Rechts-Spektrum angesiedelte Minderheitsregierung unter Ministerpräsidentin Erna Solberg das Land. Nun verfügt das Mitte-Links-Bündnis aus den Sozialdemokraten (Ap), der Zentrumspartei (Sp) und der Sozialistischen Linkspartei (SV) über eine Mehrheit von 89 Sitzen im norwegischen Parlament.

Konservative Regierung

Die derzeit noch amtierende Ministerpräsidentin Erna Solberg gehört der konservativen Høyre-Partei an und ist seit 2013 im Amt. Anders als etwa in Deutschland sind Minderheitsregierungen in Skandinavien nicht ungewöhnlich. Solberg trat den Posten der Regierungschefin im Oktober 2013 ohne Parlamentsmehrheit an und ging damals eine Koalition mit der rechtspopulistischen Fremskrittspartiet (Frp) ein. 2018 schlossen sich die liberale Venstre-Partei (V) und im Folgejahr die christliche Volkspartei (KrF) dem Regierungsbündnis an. Somit verfügte Solberg erstmals ab 2019 über eine absolute Mehrheit im Parlament. Diese verlor sie jedoch bereits Anfang 2020 wieder, nachdem die Fortschrittspartei (Frp) die Koalition verließ.

Wahl des norwegischen Sametings

Am selben Tag wie die Wahl des Stortings findet übrigens auch die Wahl des norwegischen Sametings statt. Hierbei handelt es sich um die institutionelle Vertretung der samischen Bevölkerung des Landes, welche vor allem im Norden Norwegens beheimatet ist. Die Sami sind eine national anerkannte Minderheit in Norwegen. Im Sameting sitzen 39 Repräsentanten, die sich für die Interessen und Rechte der Sami einsetzen.

Wahlergebnisse im Detail

Die Wahlsiegerin ist die Det norske arbeiderparti (DNA). Die auch Arbeiterpartei (Ap) genannten Sozialdemokraten holten 26,4 Prozent der Stimmen und sind damit die stärkste Partei im norwegischen Parlament. Programmatisch ist die Ap in etwa mit der deutschen SPD oder der österreichischen SPÖ vergleichbar. Ihr Spitzenkandidat bei der Wahl ist Parteichef Jonas Gahr Støre. Er war von 2005 bis 2013 Minister unter dem damaligen Regierungschef Jens Stoltenberg. Die Ap setzte in ihrem Wahlkampf auf das Thema soziale Gerechtigkeit. Sie positioniert sich gegen weitere Privatisierungen des öffentlichen Sektors und fordert mehr Geld für Norwegens Krankenhäuser. Die Partei will Steuern für geringverdienende Familien absenken und dafür die Abgaben für Wohlhabende erhöhen. Trotz des Wahlsiegs der Sozialdemokraten handelt es sich um das schlechteste Ergebnis für die Ap seit 1927.Durch deutlichen Stimmengewinne der präferierten Partner, Sp und SV, scheint eine Drei-Koalition ohne Grüne (MDG) und Rødt möglich.

Zweitstärkste Partei wurde die derzeit regierende Partei Høyre mit 20,5 Prozent. Das sind rund 5 Prozent weniger als bei der letzten Wahl vor vier Jahren. Die konservative und in Teilen wirtschaftsliberale Høyre ist eine der ältesten norwegischen Parteien und stellte in der Vergangenheit mehrfach den Ministerpräsidenten.

Die Senterpartiet (Sp) kam auf etwa 13,6 Prozent, dies sind etwa 3 Prozent mehr als noch bei der Wahl 2017. Die Zentrumspartei sieht sich als Stimme der ländlichen Bevölkerung und positioniert sich gegen eine zentralistische Politik. Sie lehnt eine EU-Mitgliedschaft ab und steht für eine protektionistische Wirtschaftspolitik. Ihr Spitzenkandidat ist der frühere Landwirtschaftsminister Trygve Slagsvold Vedum.

Stimmverluste hingegen hat die rechtspopulistische Fremskrittspartiet (Frp) zu verzeichnen. 2017 kam sie noch auf über 15 Prozent der Stimmen, nun liegt sie bei 11,7 Prozent. Die Fortschrittspartei versucht mit zuwanderungsfeindlichen Positionen bei den Wählerinnen und Wählern zu punkten. Die wirtschaftspolitisch liberale Frp ist für einen Verbleib Norwegens im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), lehnt jedoch einen EU-Beitritt ab. Vorsitzende der Fortschrittspartei ist Sylvi Listhaug.

Auch die linke Sosialistisk Venstreparti (SV) konnte mit 7,5 Prozent leicht zulegen. Bei der Wahl 2017 erzielte sie etwa 6 Prozent der Stimmen. Die Partei setzte im Wahlkampf auf sozialpolitische Themen sowie Klimaschutz. Von 2005 bis 2013 war sie an der Regierung beteiligt und stellte den Finanzminister.

Wahlsystem in Norwegen

Wahlberechtigt sind alle norwegischen Staatsbürgerinnen und -bürger, die innerhalb dieses Jahres das 18. Lebensjahr erreichen und in Norwegen registriert sind oder waren und im Wählerverzeichnis aufgeführt sind. In Norwegen wird traditionell montags gewählt. Die Wählerinnen und Wähler konnten jedoch bereits zwischen dem 10. August und dem 10. September bei staatlichen Stellen in Norwegen vorab ihre Stimme abgeben. Norwegerinnen und Norweger im Ausland konnten per Briefwahl abstimmen.

Das norwegische Parlament besteht aus 169 Abgeordneten, die in geheimer Wahl gewählt werden. Sie repräsentieren die Bevölkerung in den 19 Wahlbezirken. Das norwegische Wahlsystem beruht auf dem System der Verhältniswahl. Das Parlament wird alle vier Jahre gewählt und kann nicht vorzeitig aufgelöst werden. Von den 169 Abgeordneten werden 150 direkt vom Volk gewählt. Die restlichen 19 Sitze sind Ausgleichsmandate. Mit ihnen soll landesweit eine proportionale Verteilung der Mandate gewährleistet werden.

De facto gibt es in Norwegen eine Vier-Prozent-Hürde. Eine Partei muss landesweit mindestens vier Prozent der Stimmen erhalten, um von Ausgleichsmandaten profitieren zu können. Dies führt in der Praxis dazu, dass Parteien, die weniger als 4 Prozent der Stimmen erzielen, derzeit fast keine Abgeordneten im Parlament stellen.

Die Grünen (MDG) scheiterten mit 3,8 Prozent knapp an der Vier-Prozent-Hürde. Die MDG und ihre Vorsitzende Une Aina Bastholm setzen vor allem auf Klimaschutzpolitik. Die Partei Rødt kann hingegen ihr Ergebnis auf 4,7 Prozent verbessern. Vor vier Jahren kam die Gruppierung unter Führung von Bjørnar Moxnes nur auf 2,4 Prozent der Stimmen. Die sich als sozialistisch verstehende Partei setzt sich für einen starken Wohlfahrtsstaat sowie gegen Privatisierungen ein. Eine ihrer Vorgängerparteien ist die kommunistische AKP.

4,5 Prozent der Stimmen konnte die Partei Venstre auf sich vereinen. Sie war auch schon 2017 mit 4,4 Prozent und acht Abgeordneten ins Parlament eingezogen. Die Partei gilt sowohl innen- als auch wirtschaftspolitisch als liberal. Teile der Partei befürworten einen EU-Beitritt Norwegens. An ihrer Spitze steht Guri Melby. Auch die konservativen Christdemokraten (KrF) verpassten mit 3,8 Prozent knapp die 4%-Hürde, ziehen aber dennoch genau wie die MDG mit 3 Mandaten ins Parlament ein. Vorsitzender der KrF ist Kjell Ingolf Ropstad.

Klimaschutzpolitik als zentrales Wahlkampfthema

Ein zentrales Thema des norwegischen Parlamentswahlkampfs war die Klimaschutz- und Energiepolitik. Der skandinavische Staat ist ein großer Erdöl- und Erdgasproduzent. Mehr als 40 Prozent der Ausfuhren des Landes gehen auf den Export der fossilen Rohstoffe zurück. Durch das norwegische Öl und Gas wurden laut dem klimapolitischen Think Tank Cicero im vergangenen Jahr mehr als 400 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Während die Sozialdemokraten ebenso wie weite Teile des Regierungslagers am Umfang der Gas- und Ölförderung im Wesentlichen festhalten wollen, gibt es bei der linken SV und den Grünen Widerstand gegen die derzeitige Klima- und Energiepolitik Norwegens.

Die Corona-Pandemie spielte im Wahlkampf eine eher untergeordnete Rolle: Norwegens Corona-Politik galt europaweit lange als vorbildlich. Die Todeszahlen sind geringer als in vielen anderen Ländern. Für Verärgerung in Medien und Öffentlichkeit sorgte allerdings, dass Premierministerin Erna Solberg bei einer Geburtstagsfeier selbst gegen Corona-Regeln verstoßen haben soll.

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