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Laudatio von Thomas Krüger zur Preisverleihung zum Wettbewerb "25 Jahre Mauerfall: Geschichte erinnern - Gegenwart gestalten" in der Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund am 9. Dezember 2014 in Berlin | Presse | bpb.de

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Laudatio von Thomas Krüger zur Preisverleihung zum Wettbewerb "25 Jahre Mauerfall: Geschichte erinnern - Gegenwart gestalten" in der Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund am 9. Dezember 2014 in Berlin

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Sehr geehrter Staatssekretär und Bevollmächtigter des Landes Brandenburg beim Bund Kralinski,
sehr geehrte Jurymitglieder,
sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie sehr herzlich im Namen der Bundeszentrale für politische Bildung zur Preisverleihung des Wettbewerbs "25 Jahre Mauerfall: Geschichte erinnern - Gegenwart gestalten".

Ich habe die Ehre fünf Personen zu würdigen, die sich alle in besonderer Weise um die Vermittlung der historischen Ereignisse des Jahres 1989 verdient gemacht haben. Sie alle wurden von verschiedenen Personen für diesen Preis vorgeschlagen:

1. Karl-Heinz Baum
2. Katrin Behr
3. Harald Hauswald
4. Freya Klier
5. und Kurt Planitz-Wächter

Die Art der Vermittlung des Themas stand für die Jury bei der Auswahl der Preisträgerinnen und Preisträger im Mittelpunkt. Wir haben Preisträger gefunden, die sich aus unterschiedlichen Motiven unermüdlich durch Taten, Worte, Bilder, Filme, die eigene Geschichte, aber auch die Geschichten anderer für die Vermittlung der Ereignisse einsetzen.

Karl-Heinz Baum bekam im Jahr 1977 das Angebot der Frankfurter Rundschau das Redaktionsbüro in Berlin-Mitte zu übernehmen und wurde als DDR Korrespondent tätig. Nicht viele Journalisten bekamen die Möglichkeit dazu und kaum einer verrichtete seine Arbeit so engagiert wie Karl-Heinz Baum. Noch zu DDR-Zeiten machte er sich mit seinen journalistischen Beiträgen immer wieder für die von der SED unterdrückten Oppositionskräfte stark und gab wichtige Impulse für die Pressefreiheit in Ostdeutschland. Bis heute findet sich sein Name in Akten politisch Verfolgter, denen er mit seinen Kontakten zu Öffentlichkeit verhalf.

Am 9. November 1989 berichtete Karl-Heinz Baum für die Frankfurter Rundschau von der Pressekonferenz, die zur Öffnung der Berliner Mauer und in letzter Konsequenz den Fall der Mauer zur Folge hatte. Diese Pressekonferenz war - wie er selbst einmal sagte - das wichtigste Erlebnis seiner dreizehnjährigen Korrespondentkarriere in der DDR.

Karl-Heinz Baum, heute 73, hat viel zu schreiben und zu erzählen. Unermüdlich setzt er sich mit journalistischen Beiträgen und als Zeitzeuge dafür ein, vor allem jungen Menschen von den Ereignissen zu erzählen, von Wahlfälschung in der DDR, vom Mauerbau und dem ganz normalen Alltag, den er selbst miterlebte.

Katrin Behr gründete 2008 den Verein OvZ-DDR e.V.: Hilfe für die Opfer von DDR-Zwangsadoptionen. Sie setzt sich mit ihrem Verein dafür ein, den Opfern von Zwangsadoptionen eine Stimme zu geben und das Thema zu enttabuisieren. Es geht, wie auf der Homepage des Vereins zu lesen ist, um "SED - DDR - politisch motivierte Kindesentziehungen und die daraus folgenden Zwangs-Adoptionen in neue systemtreue Familien." Sie kämpft für Aufklärung und Klarheit im Dickicht der Definitionen von Zwangsadoption, hinter der so unterschiedliche Lebensgeschichten stehen. Eine davon ist Katrin Behrs eigene Lebensgeschichte. Sie wuchs in Gera bei "linientreuen" Adoptiveltern auf. Bis zum Mauerfall glaubte sie ohne Zweifel ans System und die kommunistischen Werte, die die Ersatzeltern ihr vermittelten. Den Namen ihrer leiblichen Mutter erfuhr sie erst nach dem Mauerfall über Umwege. Dass diese ihr Kind nicht freiwillig zur Adoption freigegeben hatte, erfuhr Katrin Behr erst Jahre später. In ihrer Biographie "Entrissen" erzählt sie mutig von der Suche nach ihrer Identität und ihrer echten Familie.

Viele Kinder wurden ihren Eltern weggenommen, die beim Verein eingehenden Anfragen sind kaum noch zu stemmen. Katrin Behr setzt sich dafür ein, Zwangsadoptierten zu helfen, sich zu erinnern und ihnen einen Teil ihrer Kindheit zurückzugeben.

Katrin Behr setzt sich unermüdlich dafür ein, das Thema in der Öffentlichkeit zu positionieren, leitet Selbsthilfegruppen und begleitet Menschen auf ihrem Weg der Aufarbeitung der eigenen Lebensgeschichte.

Harald Hauswald arbeitet seit den 80er Jahren als freischaffender Fotograf. Er wuchs in der DDR auf und wurde aufgrund seiner zu "realitätsnahen" Fotos von der Stasi unter dem Namen "Radfahrer" observiert. Er nutzte die in Ost-Berlin akkreditierten Westjournalisten, die ihm halfen seine Arbeiten in Westzeitungen, wie der taz zu veröffentlichen und kam deshalb in Ostpublikationen nicht mehr vor. Und nicht nur deshalb: Seine Nahaufnahmen vom sozialistischen Alltag wollte im Osten niemand abdrucken, weil sie die Realität zu unverfälscht darstellten. Bis heute stellt er seine Bilder in vielen Ländern der Welt aus, er ist Gründungsmitglied der Agentur Ostkreuz, macht Foto-Reportagen und bekam 2006 von uns den "einheitspreis - Bürgerpreis zur Deutschen Einheit“ verliehen. Er hat sich - und dabei bediene ich mich an den treffenden Worten der Einreichung für diesen Wettbewerb (von Sabine Mehwald) "wie kein Zweiter mit Respekt, Warmherzigkeit und Einfühlvermögen gleichzeitig aber ungeschminkt das Leben der Menschen in der DDR dokumentiert."

Mit seinen ungeschönten und eindringlichen Schwarz-Weiß-Bildern dokumentiert er als einer der wichtigsten Zeitzeugen die Situation in der DDR und trägt bis heute unermüdlich dazu bei, eine Grundlage des Erinnerns an die Zeit zu schaffen.

Freya Klier leistete offen Widerstand gegen die SED-Diktatur und nahm die damit einhergehenden drohenden Konsequenzen für Berufs- und Privatleben in Kauf. Sie wurde mit anderen DDR-Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern unter dem Vorwurf des Landesverrats gegen ihren Willen ausgebürgert und kämpfte aus dem Westen weiterhin gegen die SED-Diktatur.

Heute setzt sie sich als Autorin und Regisseurin besonders für die Aufklärung über das SED-Regime und die Gestaltung der Deutschen Einheit ein. Sie erklärt in ihren Texten und Filmen was es bedeutet, eingesperrt zu sein und die eigene Meinung nicht frei äußern zu können; sie lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit auf einzelne Opfer. Sie spricht mit einer großen Leidenschaft seit über 20 Jahren - auf mehr als 1000 Veranstaltungen - vor allem mit jungen Menschen über das Leben unter der SED-Diktatur. In ihrem Dokumentarfilm, der 1993 erschien, schildert sie ihre Erlebnisse und erinnert an das damit verbundene Leid in der DDR. 20 Jahre später erscheint ihr aktueller Film: "Wir wollen freie Menschen sein!" über den Volksaufstand des 17. Juni 1953. Dabei rekonstruierte sie auf der Grundlage von historischen Bild- und Tondokumenten, Gesprächen mit Beteiligten des Aufstandes, mit den Familienangehörigen eines Opfers und mittels nachgestellter Szenen die tragischen Ereignisse des 17. Juni 1953.

Freya Klier setzt sich bis heute unermüdlich dafür ein, vor allem junge Schülerinnen und Schülern über das SED-Regime aufzuklären und über die Gestaltung der Einheit zu sprechen. Damit sie weiterhin so engagiert ihre Ideen weitergeben kann, verdient sie diesen Preis.

Kurt Planitz-Wächter gründete 2008 die Bürger-Medieninitiative, die unterschiedliche Projekte durch ehrenamtliches Engagement umsetzt. Diese Initiative basiert auf dem von Planitz-Wächter entwickelten Bürger-Medien-Konzept, um die Möglichkeiten der Mitbestimmung im ehemaligen Gebiet der DDR vollkommen auszuschöpfen: Bürger-Zeitung, Bürger-Radio, Bürger-Fernsehen, Bürger-Literatur, Bürger-Ausstellungen. Dabei geht es ihm vorrangig darum, freie Zeit kreativ zu nutzen, Artikel zu schreiben, Zeitzeugen zu befragen und als Ergebnis eine Broschüre herauszugeben - von Bürgern für Bürger. Das aktuelle Projekt "Die DDR, der HERBST '89 und die Folgezeit im ehemaligen Kreis Grimmem" ist eine multimediale Ausstellung von über 60 gesammelten Zeitzeugenberichten in Schrift, Bild und Film, an der wenigstens ebenso viele Bürger ehrenamtlich beteiligt waren. Dabei steht immer der Gedanke im Mittelpunkt, die vielen bestehenden Möglichkeiten von Bürgerrechten erlebbar zu machen, die in der DDR untergingen.

Kurt Planitz-Wächter setzt sich unermüdlich dafür ein, Schülerinnen und Schüler, interessierte Erwachsene und vor allem Rentner und Langzeitarbeitslose in einer Bürgerinitiative zu vereinen, um mit ihnen zukunftsweisende mediale und geschichtliche Projekte zu erarbeiten.

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten