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Der Sportverein als politischer Raum | Presse | bpb.de

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Der Sportverein als politischer Raum Impulsreferat anlässlich der Auftaktveranstaltung "Foul von Rechtsaußen – Sport und Politik verein(t) für Toleranz, Respekt und Menschenwürde", 18.01.11, Berlin

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Impusreferat von Thomas Krüger anlässlich der Auftaktveranstaltung "Foul von Rechtsaußen – Sport und Politik verein(t) für Toleranz, Respekt und Menschenwürde" am 18.01.11 in Berlin

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
machen wir uns nichts vor! Der Rechtsextremismus mit seinen fremdenfeindlichen Ideen, seinen Vorstellungen von der Ungleichheit der Menschen, seinem Rassismus und seinen demokratiefeindlichen Konzepten von einem Staat unter starker, autoritärer Führung ist mitten in unserer Gesellschaft, mitten unter uns. Das ist nicht neu. Er war immer präsent in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland – in der Geschichte der DDR auch, wie wir wissen – und wie es aussieht, werden wir ihn so schnell auch nicht verdrängen können.

Seit etwa 10 Jahren ist die Zivilgesellschaft des Landes aufgefordert, hierzu Stellung zu nehmen. Sie soll sich engagieren, Zivilcourage zeigen, starke Strukturen in allen Politikbereichen entwickeln, damit dem Rechtsextremismus die Räume eng werden und er nicht unwidersprochen in unserer Mitte seine Parolen verbreiten kann. In gut ausgestatteten Bundesprogrammen werden gesellschaftliche Projekte, lokale Aktionspläne und mobile Beratungen gefördert, und es hat sich viel bewegt. Dies alles, auch die mutigen Aktionen einzelner, hat die Gefahr gemindert, aber nicht beseitigt.

Wenn wir hier nun über den Zusammenhang zwischen Sport, Politik und Rechtsextremismus diskutieren, dann müssen wir zunächst den Rahmen abstecken und beschreiben, in dem sich das Problem im Sport abspielt.

Wir finden Rechtsextremismus auf den Rängen und in den Kurven der Stadien und Plätze. Dass gegnerische Mannschaften mit gewalttätigen Beschimpfungen empfangen werden, dass Spielerinnen und Spieler mit migrantischem Aussehen rassistischen Parolen ausgesetzt werden und dass sich Mannschaften mit fremdenfeindlichen Parolen "aufheizen", das ist zwar nicht die Regel, aber es kommt zu häufig vor, als dass man es ignorieren könnte. Die Probleme gehen – so wie es die vielen aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Rechtsextremismus in der Gesellschaft erwarten lassen – durch alle Altersschichten, sozialen Milieus, und sie treten in allen Ligen der großen Massensportarten auf. Wir haben also Handlungsbedarf in den Stadien.

Die Sportlerinnen und Sportler, die in den Vereinen üben, sind ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, und selbstverständlich tragen sie ihre Ideen und Meinungen auch in den Trainingsbetrieb und in das gesellige Zusammensein, das normalerweise mit dem Sport verbunden ist. Ich fürchte, da bleibt vieles unwidersprochen, was zurückgewiesen werden müsste. Da braucht man Zivilcourage, "nein" zu sagen und Aussagen rechtsextrem zu nennen, die rechtsextrem sind. Das ist, wie wir alle wissen, nicht einfach. Wer will schon seine Freundschaften und Bindungen riskieren wegen eines fremdenfeindlichen Spruches. Und meist fühlt man sich mit seinen Einwänden allein. Da würde es helfen, wenn in den Vereinen konsequent deutlich gemacht würde, dass Rassismus und Fremdenhass im Sport nichts zu suchen haben.

"Politik hat im Sport nichts zu suchen" meinen viele in den Vorständen der Vereine und Verbände und scheuen sich, klar für Demokratie und Menschenrechte Position zu beziehen. Aber sie täuschen sich. Zum einen ist ein Verein in seiner Pluralität und in seiner Verfasstheit immer auch ein politischer Raum. Wo Rechtsextremismus unter den Mitgliedern oder in den Vereinsstrukturen präsent ist, da ist das Politische als Herausforderung schon lange angekommen. Da nützt keine falsch verstandene "Neutralität", kein Verschweigen oder Beschönigen.
Wir haben Handlungsbedarf in der Mitgliederschaft, in den Vereinen und selbstverständlich auch in den Verbänden.

Und natürlich haben wir Handlungsbedarf bei den Trainerinnen und Trainern, bei den Fachwarten oder Abteilungsleitenden, bei den Verantwortlichen für den Sportbetrieb. Konkret geht es darum, dass im Umgang mit den Übenden – besonders mit Jugendlichen – fatale Wirkungen entstehen können, wenn rassistische oder fremdenfeindliche Grundhaltungen auftreten. Ein Szenario, das selten ist, aber vorkommt, wie wir wissen.

Mehr noch aber geht es darum, dass sich die Trainerinnen und Trainer, die Übungsleiterinnen und Übungsleiter, und das ganze Vereinsmanagement mit der Aufgabe, dem Rechtsextremismus wirkungsvoll entgegen zu treten, überfordert fühlt. Uns allen ist klar, dass Sie, die vielfach Ehrenamtlichen, an dieser Stelle Rückenstärkung und Unterstützung brauchen.

Hans-Gerd Jaschke hat Ende der 90er Jahre die strategische Trias benannt, die wirksam werden muss, wenn man ganzheitlich – und das heißt gesamtgesellschaftlich – den Versuch unternehmen will, Rechtsextremismus in seiner ganzen Bandbreite zu bekämpfen. In einer eindeutigen und jedermann verständlichen "symbolischen" Politik muss verdeutlicht werden, dass in unserer Demokratie für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit kein Platz ist. Die Gesellschaft als Ganzes, oder hier: alle Sportlerinnen und Sportler samt ihren Organisationen, müssen die Verantwortung annehmen, dass der Rechtsextremismus an keinem Ort und zu keiner Zeit einen Schonraum hat. Und die Täter müssen sanktioniert werden – klar, deutlich und angemessen.

Das alles klingt sinnvoll, aber in der Realität des Vereinslebens, der Verbände und der Wettkämpfe ist es dann doch schwieriger. Das Bekenntnis der Politik liegt vor. Das Handlungskonzept "Foul von Rechtsaußen – Sport und Politik verein(t) für Toleranz, Respekt und Menschenwürde", das heute vorgestellt und "mit Leben gefüllt" wird, weist in die richtige Richtung. Dass die Gesamtheit der Sporttreibenden und ihrer Vereine sich auch tatsächlich auf dieses Ziel verpflichten lässt, dürfte schon schwieriger zu organisieren sein.

Man muss dem offenkundig rechtsextremen Sportler klarmachen, dass er dem Ansehen des Vereins und dem Sinn des Sports schadet. Vereine müssen die Möglichkeit haben, ihn als letzte Konsequenz auszuschließen. Manchmal jedoch sind es auch Unwissenheit, jugendliche Unbedarftheit oder eine Reaktion auf private Erlebnisse, die tendenziell rechtsextreme Äußerungen evozieren. Wer hier – besonders in der Jugendarbeit – zu früh und zu hart sanktioniert, vertut die große Chance, die der Sport hat: Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und zum Positiven zu verändern. Auch das ist eine Aufgabe für Trainerinnen und Trainer, Übungsleitende und Vereinsvorstände.

Sie müssen dafür sensibilisiert und dabei unterstützt werden, dass sie nicht nur körperliche Fähigkeiten trainieren, sondern auch soziale Tugenden zu fördern in der Lage sind. Sport kann nur der Gleichheit und dem Respekt vor dem Anderen verpflichtet sein. Wir finden das noch auf den Vereinsfahnen sehr alter Vereine: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" – die alten Leitmotive der Aufklärung. Die Übungsleiterinnen und -leiter sollten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein – und das nicht nur in der Jugendarbeit. Sie legen mit ihrem Verhalten und ihren Fähigkeiten fest, was in der Sportgruppe, in der Mannschaft, in der Abteilung erlaubt ist und was nicht. Das ist eine große, verantwortungsvolle Aufgabe, die zu bewältigen sich Sport und Politik mit dem vorliegenden Handlungskonzept gemeinsam entschlossen haben.

Meine Damen und Herren, Sie müssen nicht von Null beginnen. Die Zivilgesellschaft ist schon lange aktiv. Es sind schon Tausende von Projekten gegen den Rechtsextremismus realisiert worden. Konzepte wurden erprobt, Fehler wurden gemacht, neue Ideen wurden entwickelt und auch Ihre Mitgliedsvereine und Strukturen waren daran nicht unbeteiligt. In den lokalen Aktionsplänen des Programms "Vielfalt tut gut", das seit sechs Jahren vom BMFSFJ initiiert und gefördert wird, haben sich auch Sportvereine vielfach engagiert.

Die politische Bildung hat in einem ganz lebendigen Sinne dabei mitgeholfen. Es ging darum, den Diskurs über das Phänomen Rechtsextremismus zu befördern, die Zivilgesellschaft zu beraten, Wissens- und Kompetenz-Netzwerke zu schaffen und – nicht zuletzt – zu ermitteln, wie Rechtsextremismus überhaupt entsteht, wie er sich verbreitet und wie man entsprechend beeinflussten Menschen mit guten Angeboten begegnen kann. Auf dieses Wissen und diese so entstandenen Kompetenzen können Sie aufbauen.

Und Sie sollten, so meine ich, offensiv Ihre Erfahrungen – die in Ihren Reihen schon vorhanden sind, der Zivilgesellschaft zugänglich machen. Ich denke, dass der Sport hier besondere Chancen der Problembewältigung hat, und dass er nicht nur in seine eigenen Reihen hinein, sondern auch nach außen wirken kann. Der Sport ist ein integraler und integrierender Bestandteil der Zivilgesellschaft.

Heute Nachmittag haben Sie in den drei Workshops Gelegenheit, Ihre Erwartungen und Fragen zusammenzutragen:

Können Sie z.B. den demokratischen Grundcharakter des Vereins durch Satzungen, Personen oder Aktivitäten mehr und aktiver als bisher zu einem Erfahrungsraum für die Demokratie und ihre Werte machen?

Welche Kompetenzen brauchen wir, um Menschen, die – aus welchem Grund auch immer – von rechtsextremen Weltbildern und Meinungen beeinflusst werden wieder für demokratische Werte zu gewinnen?

Welche Fähigkeiten, Wissensressourcen oder Kompetenzen sind in der Mitgliederschaft vorhanden, die zur Problemlösung beitragen könnten, und wie kann man sie aktivieren?

Wie können die verschiedenen Generationen, die im Verein zusammen Sport treiben, auf gemeinsame Ziele verpflichtet werden, und welche Funktion kann da welche Gruppe erfüllen?

Die Fragen ließen sich mehren, aber ich will es dabei lassen. Die politische Bildung – ich sagte es – bietet Erfahrungen, Beratung, Hilfe und Unterstützung bei der Realisierung des Handlungskonzeptes. Da Sie, die Verantwortlichen für den Sport in unserem Land, gegenüber der Jugend, aber auch gegenüber allen anderen Altersgruppen einen gesellschaftlichen Auftrag haben, sind wir natürliche Verbündete. Ich hoffe, dass wir gemeinsam ein Stück weiterkommen auf dem Weg in eine tolerante und faire Zukunft.

Ich bin gespannt auf die Ergebnisse und Anregungen Ihrer Arbeit in den Workshops, die wir auch in der Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung dankbar aufnehmen werden.

Vielen Dank!

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten