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Farben als Wegweiser in der Politik | Symbole | bpb.de

Symbole Editorial Symbolische Politik - Essay Die Macht der Symbole Jugend als Symbol Politische Symbolik in der deutschen Kunst Farben als Wegweiser in der Politik

Farben als Wegweiser in der Politik

Bernd Schüler

/ 18 Minuten zu lesen

Über Farben erschließen wir uns die Welt des Politischen. Rot, Schwarz, Gelb, Grün sind elementare Orientierungsmuster der politischen Öffentlichkeit, da sie das parteipolitische Spektrum ordnen.

Einleitung

Farben vermitteln Politik. Wenn am Wahlabend auf den Fernsehschirmen die ersten farbigen Balken in die Höhe schießen, sind wir in Sekundenschnelle informiert - über die künftigen Machtverhältnisse im Parlament. Wenn ein Politiker im gelben Pullunder auftritt, versteht das Publikum das politische Bekenntnis - die persönliche Identifikation mit der FDP. Und wenn ein SPD-Generalsekretär im Wahlkampf behauptet, Schwarz und Gelb vermischten sich zu Grau, begreifen alle seine Botschaft: Die Konkurrenten können es angeblich nicht.



Über Farben erschließen wir uns die Welt des Politischen. Rot, Schwarz, Gelb, Grün sind elementare Orientierungsmuster der politischen Öffentlichkeit Deutschlands. Sie ordnen das parteipolitische Spektrum und markieren weltanschauliche Positionen. Unter den Bedingungen der Mediendemokratie wird durch Farben vieles visualisiert, was außerhalb unseres alltäglichen Erfahrungsbereiches liegt. Als Scheibe mit verschiedenfarbigen Kuchenstücken dargestellt, wird ein Wahlergebnis überschaubar. Eingerahmt in ein farbliches Ambiente mit einer typischen Leitfarbe, können abstrakte Gebilde wie Parteiorganisationen nicht nur rasch (wieder)erkannt, sondern auch voneinander unterschieden werden.

Die Situation demokratischer Konkurrenz treibt die Akteure dazu, immer wieder an ihrem Erscheinungsbild zu arbeiten: Nach außen versuchen sie mit einem eigenen farblichen Design Aufmerksamkeit und Zustimmung zu erzeugen. Dabei geht es darum, sich als Akteur optisch zu positionieren und so, inmitten einer Vielfalt anderer Angebote, unverwechselbar zu sein. Dies geschieht nicht nur über die Ausgestaltung öffentlichkeitsrelevanter Kulissen, sondern auch über Kleidung: Wer eine entsprechend farbige Krawatte trägt, wie sie von Parteien als Accessoires verkauft werden, signalisiert Zugehörigkeit. Nach innen fungieren Farben als Bindemittel: Farbige Schlüsselbänder zum Beispiel, die auf Parteitagen verteilt werden, machen untereinander den Status einer politischen Gemeinschaft sichtbar - ohne dass dafür programmatische Inhalte besprochen werden müssten. "Black is beautiful", ein Slogan der Jungen Union, oder "Rot ist die Liebe", ein Spruch von Jungsozialisten, bekräftigen zudem, dass es um Identitätsstiftung geht - um eine Form bejahender Selbstvergewisserung.

Farben reduzieren also die Komplexität politischer Praxis. Das zeigt sich auch bei der Sprache der Farben: Journalisten bedienen sich gerne formelhafter Farbbilder, um parteipolitische Ereignisse und Entwicklungen zu kommentieren: "Grün matt - gelb satt" titelte beispielsweise "Die Zeit", während in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" einmal zu lesen war: "Die Gelben sehen Grün."

In der Sprache der Farben werden zugleich auch Wandlungen des Parteiensystems thematisiert und kritisiert: Die politische Farbenlehre sei nicht mehr stimmig, so der entsprechende Tenor, weil die angenommene Einheit von Ideologie und Partei auseinanderfalle. "Die Roten sind nur noch rötlich, die Ökopartei kaum noch grünlich", schrieb etwa "Die Welt".

So ergibt sich ein zwiespältiges Bild: Einerseits werden Farben nach wie vor als grundlegende Orientierungsmuster im politischen Raum genutzt. Andererseits lockern sich geläufige Zuordnungen von Farben als Symbole politischer Positionen einzelner Parteien. In den Worten eines Beobachters des Wahlkampfs 2005: "Die politische Farbenlehre (scheint) ausgespielt zu haben, genau wie die alte Aufteilung in Rechts und Links." Es ist eine undurchsichtige Situation entstanden, welche die Parteien und ihre Marketingstrategen teilweise damit beantworten (und verstärken), dass sie sich öffentlich mit neuen, ergänzenden Leitfarben präsentieren. Je weniger man sich auf eine Farbe festlegt, so ließe sich ein Kalkül dahinter umschreiben, desto aussichtsreicher ist es, den wachsenden Kreis politisch nicht festgelegter Wählergruppen zu erreichen und für sich zu gewinnen.

Wie ein Blick in die Geschichte zeigt, war der Einsatz einzelner Farben schon immer vielfältig und ihre Bedeutung nie eindeutig fixiert. Konträre politische Haltungen wurden im Laufe der Zeit mit ein und derselben Farbe verknüpft. Ihr Gebrauch erklärt sich zumeist aus einer Mischung von praktischen, zufälligen Gegebenheiten, Tradition und Kalkül. Das zeigen zumindest die politischen Karrieren einzelner Farben, die in diesem Beitrag skizziert werden sollen. Zuvor jedoch sollen einige große Linien angedeutet werden, die den Wandel der Rolle der Farben in der politischen Geschichte beschreiben.

Farbgebrauch in der Politik

Man könnte in der historischen Entwicklung grob drei unterschiedliche Schwerpunkte ausmachen: Farben dienen zunächst dem Ausdruck und der Bekräftigung bestehender Herrschaft. Sodann unterstützen sie neue politische Bewegungen im Kampf gegen traditionelle Machthaber. Und schließlich dienen sie politischen Gruppierungen als Instrument der Werbung etwa um Wählerstimmen, die zur Ausübung politischer Macht legitimieren.

Für die Bedeutung der Farben in der Antike bis zum Mittelalter ist ein besonderer Umstand zu berücksichtigen: Anders als heute waren reine Farbstoffe aufwändig zu besorgen und daher so teuer, dass sich nur die obersten Schichten damit ausstatten konnten. Entsprechend konnte mit der sichtbaren Nutzung der knappen Ressource ein exklusiver Herrschaftsanspruch untermauert werden. Nur der Spitze der Hierarchie war es erlaubt, farbige Kleider zu tragen; ein Privileg, das durch entsprechende Kleiderordnungen abgesichert wurde. Die purpurfarbenen Mäntel der römischen Kaiserinnen und Kaiser und ihrer Thronfolger sind ein prominentes Beispiel. Es dauerte mehrere Jahre, um ein solches Prachtgewand herzustellen. Ministern und hohen Beamten war es noch gestattet, einen purpurnen Streifen an ihrem Gewand anzubringen; allen anderen war Purpur, unter Androhung der Todesstrafe, verboten.

Im Mittelalter war es überwiegend das reine Rot, das den höheren Ständen reserviert blieb. Es war nicht nur der teuerste Farbstoff, sondern auch jene Farbe, mit der Stärke und Macht verbunden wurde. Die sozialen Kämpfe zwischen Adel und Bürgertum drehten sich daher immer auch um Regelungen, wer in welcher Form Rot tragen durfte. Das Privileg des Adels, eingeleitet durch die sich verringernde wirtschaftliche Macht, schrumpfte Stück für Stück; im 18. Jahrhundert blieb schließlich das Vorrecht, rote Absätze zu tragen.

So verlor die Farbe Rot den Status eines Distinktionsmittels gehobener Stände - und wurde umso mehr zu einer Leitfarbe der unteren Schichten, ihres sozialen Protestes und schließlich der Arbeiterbewegung. Zu diesem Umschwung trugen auch neue Produktionsformen bei (etwa der Import der Cochenille-Laus aus Amerika), die den Farbstoff erschwinglich machten. Für die Arbeiter im beginnenden 19. Jahrhundert ging es darum, sich als politische Gruppierung zu formieren. Die rote Farbe und die gut sichtbare rote Fahne sind vor diesem Hintergrund ein "Massenführungsmittel", um das herum sich eine neue politische Bewegung gründete.

Die Mobilisierung der Massen blieb das Thema der jungen Demokratien, nicht zuletzt der Weimarer Republik. Instabile Regierungen, immer neue Wahlen prägten das Bild. Der Wahlkampf fand vor allem auf der Straße statt. Farben kamen auf Plakaten und Litfasssäulen zum Einsatz; jenen Medien, über die die Parteien die Wählerschaft direkt erreichen konnten. Berühmt-berüchtigt waren Aufmärsche in Uniformen, um im öffentlichen Raum eine optische Vormachtstellung durchzusetzen. Die Präsenz etwa der "braunen Bataillone" wirkte dabei nicht nur auf das Publikum. Die farbliche Uniformierung sorgte auch bei den Beteiligten dafür, "den Mut des Einzelnen (zu stärken), indem dieser sein eigenes Wollen vervielfacht sah. Eine kleine Gruppe von Schwarz- oder Braunhemden wirkt stärker, als ihre zahlenmäßige Größe es rechtfertigen würde."

Mit der Entwicklung der Mediendemokratie nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Bedeutung der visuellen Präsenz auf der Straße zurück. Politikvermittlung orientierte sich stärker am neuen Leitmedium, dem (Farb-)Fernsehen. Neu war auch, dass sich Politik in der Mediengesellschaft stärker als bisher als ein Angebot neben anderen behaupten musste. Der Bundesgeschäftsführer der FDP, Hans-Jürgen Beerfeltz, umschrieb dies wie folgt: "Die FDP konkurriert nämlich nicht nur mit anderen Parteien um die Aufmerksamkeit potentieller Wähler und Sympathisanten, sondern auch mit anderen werbetreibenden Produkten. Wer da nicht konsequent die eigene Linie immer und immer wieder kommuniziert, geht unter." Entsprechend gewannen Marketingexperten immer mehr Einfluss auf die Gestaltung des Erscheinungsbildes von Parteien. Neue Farben wie Orange und Umbra, die seit kurzem das corporate design von CDU und SPD schmücken, wurden unter Anleitung professioneller Werbeagenturen eingeführt.

Politische Karrieren einzelner Farben

Rot

Nachdem Rot über Jahrhunderte die Farbe war, mit der Herrschaftsansprüche untermalt wurden, wird sie, wie erwähnt, spätestens im 19. Jahrhundert zum zentralen Symbol sozialer Aufstände und emanzipatorischer Bewegungen. Arnold Rabbow, dessen "Lexikon politischer Symbole" von 1970 nach wie vor als Standardwerk gilt, charakterisiert die Bedeutung dieser Farbe wie folgt: "Das Rot, besonders in seiner gängigen Fixierung in Gestalt der roten Fahne, überragt alle sonstigen neuzeitlichen politischen Symbole an Alter, Bedeutung und Werbekraft. Rot ist eine aggressive Farbe; es leuchtet weithin; es zieht mit magischer Gewalt den Blick an; es fordert heraus, wirbt und schreckt ab."

Als Zeichen der Emanzipation tauchte die Farbe auf der Mütze auf, die die Jakobiner zur Zeit der Französischen Revolution trugen; eine Anleihe an die roten Kopfbedeckungen der Galeerensträflinge. Der erste Einsatz einer roten Fahne wird für 1834 verzeichnet - bei den Aufständen der Arbeiter in der Seidenindustrie von Lyon. Fortan führte das für Rabbow "gelungenste moderne politische Symbol überhaupt" die Protestmärsche in allen europäischen Ländern an - keine andere politische Farbe wird seither international so eindeutig verstanden.

In Deutschland kam die rote Fahne im Revolutionsjahr 1848 in Gebrauch. Nach und nach löste sie die schwarz-rot-goldene Fahne als emanzipatorisches Symbol ab. 1863 benutzte sie der "Allgemeine Deutsche Arbeiterverein" als Parteisymbol; mit der Aufschrift "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!" wurde sie später die "Traditionsfahne der SPD". Die Farbe blieb noch lange ein Bürgerschreck. Bis etwa 1900 gingen staatliche Behörden gegen das Zeigen roter Symbole vor: Nach Beerdigungen von Sozialdemokraten schnitt die Polizei auf dem Friedhof die roten Kranzschleifen ab.

Nach dem Ersten Weltkrieg bedienten sich vor allem kommunistische Gruppierungen der roten Fahne. Während sich die Sozialdemokraten der schwarz-rot-goldenen Kombination, den Farben der Staatsflagge, zuwendeten und nur noch intern rote Banner gebrauchten, kämpften die Kommunisten mit massivem Einsatz roter Fahnen um die Präsenz auf der Straße. Ihre Aufmärsche beschrieb auch Adolf Hitler in "Mein Kampf": "Ein Meer von roten Fahnen, roter Binden und roter Blumen gab dieser Kundgebung (auf dem Berliner Schlossplatz, B. S.), an der schätzungsweise hundertzwanzigtausend Personen teilnahmen, ein schon rein äußerlich gewaltiges Aussehen. Ich konnte selbst fühlen und verstehen, wie leicht der Mann aus dem Volke dem suggestiven Zauber eines solchen grandios wirkenden Schauspiels unterliegt." Nicht nur diese Wirkung war es, die Rabbow zufolge Hitler dazu brachte, Rot umfassend für die eigene nationalsozialistische Propaganda zu verwenden. Zugleich verband er damit das strategische Kalkül, die Arbeiterschaft zu gewinnen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Rot einerseits zu einer allgegenwärtigen, andererseits zu einer sehr dezent eingesetzten Farbe. In der DDR gehörten rote Banner, auch jenseits politischer Großveranstaltungen, zum Alltag. In der Bundesrepublik war die Farbe hingegen durch die nationalsozialistische Vergangenheit und durch die Gegenwart des kommunistischen Systemgegners belastet. Bei einem SPD-Wahlkongress wurden 1953 hundert rote Parteifahnen aufgeboten - was der Partei eine negative Berichterstattung einbrachte. In der Parteiführung fürchtete man, mit dem Kommunismus in Verbindung gebracht zu werden. Deshalb wird seit den sechziger Jahren auf Parteitagen nur noch die Traditionsflagge gezeigt.

In ihrer Außendarstellung setzt die SPD Rot seitdem eher punktuell ein. Der dezente Einsatz zeigt sich auf vielen Wahlplakaten. Rot ist oft nur das Logo, das 1989 eingeführt wurde: ein Quadrat mit den weißen Buchstaben SPD. Auch im Bundestagswahlkampf 2005 fand sich wenig Rot; ein Umstand, der einige kritische Kommentare auslöste, die den Zusammenhang von Farbgebung und Ideologie bemühten. So schrieb Henning Wagenbreth, Professor für Visuelle Kommunikation in Berlin, über die SPD-Wahlplakate: "Auch die Farbe Rot, vom Gestalterischen her wohl die dankbarste Farbe im politischen Spektrum, ist auf ein Minimum reduziert. Ist der Verzicht auf Rot nur eine gestalterische oder auch eine programmatische Entscheidung?"

Wie Farben-Rhetorik und farbliches Design auseinanderfallen können, veranschaulicht beispielhaft der Auftritt der Partei "Die Linke.PDS" im Bundestagwahlkampf 2005. Auf der Ebene politischer Rhetorik wurde etwa von dem Frankfurter Direktkandidaten, Wolfgang Gehrcke, reklamiert: "Rot ist in diesem Wahlkampf die Linkspartei gewesen. Und alle anderen waren blass." Die Wahlplakate zeigten dagegen kaum Rot, sondern waren - so das Urteil eines Designers - in verschiedenen "fröhlichen Farbtönen" gehalten, die "eine lustige Supermarktästhetik von Preisschildern, Aufklebern und Warnmarken (zitieren), die es so hübsch in keinem Discounter gibt". Mit einer solchen Buntheit, so die Deutung, öffnete man sich Zielgruppen, auf die explizit rote Positionen abschreckend wirken könnten.

Als reine Signalfarbe, jenseits ihres Status als politisches Symbol, wurde und wird Rot auch von anderen Parteien verwendet. So machte die FDP auf ihren Plakaten bis in die sechziger Jahre reichlich davon Gebrauch. Und schon lange ist der Schriftzug der CDU in Rot gehalten. Diese roten Buchstaben sind Marketinganalysen zufolge zu einem festen Markenzeichen geworden.

Schwarz

Auch Schwarz hat auf politischen Bühnen eine lange Tradition. Die verschiedenen Akteure, die sich ihrer bedienten und die hier nur teilweise anzuführen sind, zeigen wiederum, wie vielfältig die Positionen und Haltungen sind, die damit verbunden werden können: Im Mittelalter, in einer Phase dunkler Frömmigkeit, war Schwarz am spanischen Hof die dominierende Farbe. Zu Beginn der Neuzeit war es auch die vom europäischen Adel bevorzugte Kleiderfarbe. Zugleich wurde Schwarz, insbesondere der schwarze Stern, zum Symbol des Anarchismus.

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es die so genannten Schwarzhemden, Mitglieder faschistischer Bewegungen, die zuerst 1919 in Italien in dieser Uniform loszogen, um - gewalttätig und todesmutig - gegen sozialistische Gruppierungen vorzugehen. Interessant ist die Strategie, den Einzelnen mit dieser Uniformierung als Gleichen unter Gleichen erscheinen zu lassen. Jenseits aller Klassenunterschiede sollte so für die Beteiligten der Eindruck einer verschworenen Gemeinschaft entstehen. Dabei wurde ein Umstand taktisch genutzt: Ähnlich wie für die Braunhemden in Deutschland, die Anhänger der nationalsozialistischen Bewegung, war kein Aufwand damit verbunden, sich zu bekennen und einzureihen, denn Hemden in diesen Farben gehörten zur gewöhnlichen Kleidungsausstattung - ein Beispiel für eine geschickte subversive politische Aufladung einer alltäglich verwendeten Farbe.

Wenn heute in der politischen Umgangssprache von "Schwarzen" die Rede ist, sind allgemein Konservative gemeint und konkret CDU-Mitglieder beziehungsweise CDU-Sympathisierende. Verglichen mit anderen Farbkennzeichnungen von Parteien ist hierbei das Besondere, dass sie nicht selbst gewählt, sondern von politischen Gegnern zugeschrieben wurde. Da sich der Konservatismus auch aus dem klerikalen und christlichen Milieu rekrutierte, wurden seine Vertreter mit den Talaren der Priester in Verbindung gebracht; schwarze Kleidung ist besonders protestantischen Geistlichen vorgeschrieben.

Während Schwarz im corporate design der CDU kaum eine Rolle spielte, begann die Jugendorganisation der Partei, die Junge Union (JU), daraus ein Markenzeichen aufzubauen. Mit einer großen Kampagne machte sie 2004 den Slogan "black ist beautiful", mit dem seit Ende der sechziger Jahre immer wieder geworben wurde, zur übergreifenden "Formel" der Selbstpräsentation. Die Kampagne soll, so heißt es, eine "Art gemeinsames Band" ergeben, das die bislang optisch sich stark unterscheidenden Außendarstellungen der Landesverbände überwindet. "Mit einer gezielten und einheitlichen Selbstdarstellung beim Wähler präsent sein" und "ein unverwechselbares Image erzeugen" lauten die Ziele. Auffällig an dieser Kampagne, die für ähnliche Versuche anderer Parteien steht, ist der weitreichende Anspruch: Mit dem Markenzeichen "black" und vielen schwarzen Werbeartikeln soll eine umfassende (politische) Selbsterfahrung ermöglicht werden. "'BLACK' soll Lebensgefühl vermitteln" - mit Hilfe eines umfangreichen Angebotes von schwarzen Kaffeetassen über T-Shirts bis hin zu Lutschern und Handys.

Daneben zeigt die Kampagne, wie schwierig der Umgang mit den zahlreichen Farbtraditionen und -bedeutungen ist, um zu einer eigenen Sinngebung der Farbwahl zu gelangen: So wird "das uralte kirchliche Symbol für Bußfertigkeit und die Leiden Jesu" genannt, um fortzufahren: "Kann es für eine christliche Partei daher eine passendere Farbe geben? Doch Schwarz ist nicht nur die Farbe der Trauer und der Depression, sondern steht ebenso für Stärke und Kraft." Man beruft sich auf überlieferte Symboliken - ohne zu hinterfragen, wie die sich einstellenden vielfältigen Assoziationen zueinander passen.

Gelb

Während Gelb in anderen Kulturen positiv besetzt ist und daher von politischen Machthabern als Staatsfarbe benutzt wurde - chinesische Kaiser schmückten sich zum Beispiel damit -, wurde die Farbe in Europa mit sozial Randständigen und Geächteten in Verbindung gebracht. Prostituierte mussten ein gelbes Kopftuch tragen, Frauen mit unehelichen Kindern gelbe Kleidung, Juden einen gelben Hut oder andere gelbe Abzeichen.

Daneben galt Gelb als "Farbe der Verräter". Diese Bedeutung kam der Farbe in Deutschland erstmals zu, als im Kaiserreich und in der Weimarer Republik von einzelnen Akteuren versucht wurde, so genannte Werksgemeinschaften als Gelbe zu diskreditieren. Dabei handelte es sich um Organisationen, die für eine Kooperation von Arbeitgebern und Arbeitnehmern eintraten - und die deshalb von sozialistisch orientierten Arbeiterverbänden und später auch von Joseph Goebbels als "Schützer des Kapitalismus" angegriffen wurden.

Dass in Deutschland noch heute Liberale mit Gelb identifiziert werden, geht auf die baden-württembergische Landtagswahl im Jahr 1972 zurück. Nachdem in den Wahlkämpfen zuvor unter anderem mit Orange geworben wurde, wurde damals von einer Werbeagentur die Kombination Blau-Gelb als Signalfarbe eingebracht. Der Erfolg war so groß, dass die Farben auch im Bundestagswahlkampf desselben Jahres benutzt wurden. Bis heute prägen sie das Logo und die Werbeauftritte der Partei.

Zur Erklärung der Entscheidung im Jahr 1972 heißt es offiziell von Seiten der Partei: "Warum ausgerechnet die Farbwahl auf blau-gelb fiel, ist nicht begründet, denn in den hier vorhandenen Untersuchungen erhält eben diese Farbkombination keine hervorragenden Werte, daß eine zwingende Notwendigkeit zum Einsatz gegeben wäre." Hierin wird deutlich, dass die tatsächlichen Kriterien für die Entscheidung nicht wirklich benannt werden können oder sollen. Man kann dies als Hinweis auf die Zufälligkeit oder Willkürlichkeit der Farbwahl deuten. Aus den Erfahrungen bei der Recherche zeigt sich jedenfalls, dass es in vielen Fällen in den Parteien und den parteinahen Stiftungen wenig gesichertes und allgemein zugängliches Wissen über die Entscheidungen des farblichen Erscheinungsbildes gibt. Zumeist wird an Zeitzeugen verwiesen, im Falle der FDP an ein Mitglied der damaligen Wahlkampfkommission in Baden-Württemberg, das angibt, man habe diese Farbkombination "besonders attraktiv" gefunden.

Blau

Dass eine liberale Partei mit Gelb gekennzeichnet wird, ist eine deutsche Besonderheit. In anderen europäischen Ländern firmieren Liberale häufiger als die Blauen, so zum Beispiel die Sozialliberalen in Holland oder auch die Nationalliberalen in Österreich. In Großbritannien und anderen Staaten wiederum werden Konservative mit der Farbe Blau assoziiert.

Obwohl Blau mit Abstand die beliebteste Farbe der Deutschen ist, gibt es bislang keine Partei, die über diese Farbe identifiziert wird. Allerdings wird sie häufig als Hintergrund- beziehungsweise Begleitfarbe eingesetzt. Lange Zeit waren zum Beispiel Wahlplakate und -broschüren der SPD und der CDU blau unterlegt. Und wenn zur Pressekonferenz in die CDU-Zentrale eingeladen wird, stehen die Parteispitzen vor einem blauen Hintergrund.

Eine Rolle spielt Blau auch im Logo der CSU, das eine Farbkombination von Grün und Blau aufweist. Eine Erklärung für diese Kombination lautet, dass damit jene beiden Farben zusammengefügt wurden, die die zwei großen Regionen im Land Bayern repräsentieren. Grün steht demnach für die nördliche fränkische Region, Blau für den Süden Bayerns. Prominent ist Blau daneben auch als internationale Friedensfarbe, so in der Fahne der Vereinten Nationen und der Europäischen Union.

Grün

In keinem anderen Fall ist die Verbindung von politischem Anliegen und Parteifarbe so naheliegend wie bei Grün: Grün ist die Farbe der Vegetation und der Inbegriff für Natur. Unter den verschiedenen sozialen Bewegungen profilierten sich "Die Grünen" am Ende der siebziger Jahre in der Bundesrepublik mit ihrem Engagement für den Schutz von Natur und Umwelt. Seinerzeit bildeten sich an verschiedenen Orten Bürgerinitiativen unter Namen wie "Grüne Liste Umweltschutz". 1980 wurde schließlich die Partei "Die Grünen" gegründet. Als Vorbild diente die Umweltorganisation "Greenpeace", die seit 1971 Friedensaktivisten und Naturschützer vereinigt. Während andere Parteien im Wahlkampf 2005 mit Farben experimentierten, setzten Bündnis 90/Die Grünen massiv auf die eigene Traditionsfarbe. Beim Wahl-Parteitag war die gesamte Bühne bis zu den Leuchtröhren, die hinter dem Rednerpult angebracht waren, in Grün gehalten.

In anderen Ländern greifen Parteien die Farbe Grün vor allem dann auf, wenn sie in den Nationalfarben enthalten ist. Gleichzeitig ist es häufig die Farbe, die regional orientierte politische Gruppierungen verwenden. Dies leitet sich auch her aus der Tradition, die sich seit Beginn der Neuzeit in republikanischen Bewegungen einstellt: Grün wird als Freiheitsfarbe verstanden, als Symbol für die erstrebte beziehungsweise erreichte Freiheit von Fremdherrschaft. Der grüne Streifen in der Nationalflagge Italiens hat zum Bespiel diesen Hintergrund. Verbunden mit geografischen Gegebenheiten der "grünen Insel", sind es in Irland die nach Unabhängigkeit strebenden Katholiken, die als die Grünen bezeichnet werden. Die Farbe ihrer Gegner, der irischen Protestanten, ist bis heute Orange.

Orange

Orange ist die wichtigste Farbe, die in den vergangenen Jahren neu auf den politischen Bühnen in Europa erschienen ist. Historisch weitgehend unbelastet und damit frei von Verknüpfungen mit klassischen politischen Richtungskämpfen, wurde Orange von verschiedensten Akteuren zur Akzentfarbe ihrer Außendarstellung erkoren. Sie folgen damit einem Trend in der Werbebranche, die die Farbe in unterschiedlichsten Bereichen präsentiert, so zum Beispiel das neu gestaltete orangene Erscheinungsbild des Zweiten Deutschen Fernsehens.

Als Leitfarbe der CDU wurde Orange beim Europawahlkampf 2004 eingeführt. Inzwischen wehen die Fahnen vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Orange. Broschüren und Kugelschreiber sind in dieser Farbe gehalten. Das Pult, an dem Parteivertreterinnen und -vertreter bei Pressekonferenzen stehen, hat anstelle eines grauen nun einen orangefarbenen vertikalen Streifen, in den das Logo der CDU eingelassen ist. Und Wahlhelferinnen und -helfer sind mit orangenen T-Shirts ausgestattet.

Zur Begründung der neuen Farbgestaltung heißt es in einer Broschüre der CDU-Bundesgeschäftsstelle: "Die neue Akzentfarbe Orange bietet zum einen die Möglichkeit der Differenzierung im Parteienwettbewerb und zum anderen die der stärkeren emotionalen Ansprache. Die Farbe Orange stärkt die Aufmerksamkeit und unterstützt die kommunikative Wirkung." CDU-Generalsekretär Volker Kauder erklärte bei der Vorstellung der Kampagne zum Wahlkampf 2005, Orange stehe für "Perspektive, Aufbruch und Zuversicht". In vielen Medienberichten wurde die inhaltliche Offenheit und Beliebigkeit des Farbprofils kritisiert.

Neben einer etablierten Volkspartei wie der CDU versuchen auch neue politische Akteure, Orange für sich zu besetzen, so etwa in Österreich das Bündnis "Zukunft Österreich", eine 2005 gegründete Organisation unter dem vormaligen Nationalliberalen Jörg Haider. Die Wahl der Farbe erläuterte der Wahlkampfmanager Gernot Rumpold wie folgt: "Die Leute wollen sich nicht mehr binden, sie wollen sich wohl fühlen. Deshalb ist Orange als Parteisymbol so ideal. Sie symbolisiert Urlaub, Sonne und Energie."

Neben solchen farbpsychologischen Erwägungen finden sich auch explizit politische Argumente für Orange. So etwa bei Gründungsmitgliedern der "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG), die erstmals bei den Landtagswahlen 2005 in Nordrhein-Westfalen antrat. Einerseits antworte man mit dem Farbton auf die Situation, dass Rot, die eigentlich passende Farbe, schon besetzt sei. Andererseits sehe man darin eine Reminiszenz an die Tradition einer bestimmten Reformpolitik, die die SPD in den siebziger Jahren betrieben habe - mit einem seinerzeit rotorangefarbenen corporate design.

Seit die "orangene Revolution" in der Ukraine die Weltöffentlichkeit beschäftigte, wird die Farbe immer wieder auch als Verweis auf die demokratische Protestbewegung interpretiert. Mitglieder der WASG zum Beispiel mutmaßen, mit der Wahl der eigenen Parteifarbe habe man an das Vorbild dieser Reformkräfte anknüpfen wollen. Das weist darauf hin, dass Farben in den nationalen Öffentlichkeiten über Ereignisse in anderen Ländern politisiert werden können - ein Phänomen der Internationalisierung von Politik.

Dass politische Farbkulturen Ländergrenzen überschreiten, zeigte sich im Frühjahr 2006 im tschechischen Wahlkampf. Vor den Parlamentswahlen griffen beide großen Parteien zu Orange: Die regierenden Sozialdemokraten CSSD, sonst mit einer roten Rose im Logo, setzten in ihrer Präsentation ganz auf Orangetöne. Die oppositionellen Konservativen der ODS ergänzten ihre Parteifarbe Blau mit orangenen Zusätzen. In der Presse wurde kommentiert, dass man damit sowohl auf die Entwicklungen in der Ukraine als auch in Deutschland Bezug nehme. Verwiesen wird auch immer wieder auf westliche Agenturen, die international als Kampagnenberater Einfluss nehmen.

Umbra

Umbra ist eine weitere aktuell politisch genutzte Farbe. Lange Zeit verwendete die SPD als Hintergrund- beziehungsweise Begleitfarbe Blau. Seit der Überarbeitung des corporate designs vor der Bundestagswahl 2005 wird der hellbraune Farbton benutzt. Die Kulissen bei Pressekonferenzen, Broschüren, das Wahlmanifest oder Wahlplakate erscheinen in Umbra. Zur Begründung verwies man bei der Vorstellung auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die Blau als kühl identifizieren und Umbra die Wirkung zuschreiben, die Aussagen der Partei besser zu transportieren. Die Studien sind allerdings nicht öffentlich zugänglich.

Ähnlich wie bei der Einführung von Orange bei der CDU, wurde auch der Erdton Umbra kritisch aufgenommen. Interessant ist in beiden Fällen, dass die von beiden Parteien jeweils eher ästhetisch begründete Farbwahl stark politisiert wurde, indem Bezüge zwischen Eigenheiten der Farbe und dem politischen Verhalten der jeweiligen Partei hergestellt wurden. In der "Financial Times Deutschland" hieß es etwa: "Agenda 2010, Hartz IV, Heuschrecken und Franz Müntefering, das ist Umbra, das leuchtet doch nicht rot, oder?"

Während Parteien die Farben als Frage des Marketings behandelt wissen wollen, nehmen die Kommentatoren die jeweilige Farbwahl als Raster, um Missstände der Parteipolitik zu thematisieren. Was als Medium angeboten wird, kommt als Botschaft an. Wenn man will, ließe sich in dieser Kritik das Bedürfnis des Publikums entdecken, Farben mögen doch noch für politische Orientierungen stehen. So oder so bleiben auch die neuen Farben Wegweiser - wenn nicht mehr als Auskunft über vertraute ideologische Richtungen, dann als Einsicht in Entwicklungen der Parteiendemokratie und der politischen Kommunikation.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Erik Spiekermann, Gedeckte Stimmung, gedeckte Farben, in: Frankfurter Rundschau vom 1.9. 2005, S. 12.

  2. Vgl. Eva Heller, Wie Farben wirken. Farbpsychologie, Farbsymbolik, kreative Farbgestaltung, Reinbek bei Hamburg 2004(12), S. 167f. sowie Arnold Rabbow, dtv-Lexikon politischer Symbole A-Z, München 1970, Artikel "Farbensymbolik", S. 76. Alle weiteren Aussagen über Verwendung von Farben in der Geschichte beruhen auf den Darstellungen dieser beiden Autoren.

  3. Vgl. E. Heller (Anm. 2), S. 57ff.

  4. A. Rabbow (Anm. 2), Artikel "Rot", S. 199.

  5. Ebd., Artikel "Braun", S. 48.

  6. Aus dem Vorwort zum Corporate Design-Manual der FDP, hrsg. von der Bundesgeschäftsstelle der FDP, in: www.fdp.de/files/720/cd-manual_final.pdf, S. 2.

  7. A. Rabbow (Anm. 2), Artikel "Rot", S. 198.

  8. Ebd., Artikel "Rote Fahne", S. 201.

  9. Pressemitteilung der SPD.

  10. Zitiert nach A. Rabbow (Anm. 2), Artikel "Rot", S. 200.

  11. Laut Pressemitteilung der SPD.

  12. Henning Wagenbreth, Diese Augen können nicht lügen, in: Berliner Zeitung vom 14.9. 2005, S. 6.

  13. Zit. nach Friedericke Tinnappel, Die Farbe Rot, in: Frankfurter Rundschau vom 19.9. 2005, S. 12.

  14. E. Spiekermann (Anm. 1).

  15. Stefan Ewert, Black is black! Oder "Wir Schwarzen müssen zusammenhalten", in: Sonderheft "black" der JU-Zeitschrift "Die Entscheidung", 52 (2004), S. 7.

  16. Pressemitteilung der Jungen Union zum Hintergrund der Kampagne, S. 7.

  17. S. Ewert (Anm. 15), S. 11.

  18. E. Heller (Anm. 2), S. 141.

  19. A. Rabbow (Anm. 2), Artikel "Gelb", S. 101.

  20. Text zur Frage "Warum Blau-Gelb?" unter den Frequently Asked Questions, in: www.fdp-bundesverband.de; auf diesen Text wird auch von Seiten der Pressestelle verwiesen.

  21. CDU-Bundesgeschäftsstelle, Die Basiselemente des Erscheinungsbildes der CDU, Februar 2004, S. 4, siehe auch www.ci.cdu.de.

  22. Vgl. zum Beispiel Matthias Heine, Farbe der Stunde, in: Die Welt vom 17.8. 2005, S. 16, oder Clemens Niedenthal, Ein Mann sieht orange, in: Die Tageszeitung vom 6.4. 2005, S. 14.

  23. Zitiert nach: Haiders Mann für die Orange, in: Der Standard vom 3.5. 2005.

  24. Vgl. Die Farbe Orange auch im tschechischen Wahlkampf, in: Der Standard vom 30.1. 2006.

  25. Kai Beller, Wahlkampf-Tagebuch: Die Zukunft ist Umbra, in: www.ftd.de/me/cl/13719.html.

M. A., Politikwissenschaftler und Soziologe, freier Journalist, geb. 1969; Mittenwalder Str. 47, 10961 Berlin.
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