Herzklopfen, Atemnot, Fluchtgedanken – wir alle kennen Angst. So unangenehm und einschränkend ihre körperlichen und psychischen Symptome bisweilen sein mögen, so zentral ist sie aus evolutionärer Sicht für unser Überleben: Angst warnt uns vor Gefahren und hilft uns, Risiken richtig einzuschätzen. Sie ist jedoch nicht nur eine subjektive Empfindung, sondern auch ein gesellschaftlich relevantes und damit zutiefst politisches Gefühl.
Wovor Gesellschaften Angst haben und wie mit diesen Ängsten umgegangen wird, verändert sich abhängig vom politischen System und den historischen Gegebenheiten. So war in der frühen Bundesrepublik die Angst vor einem neuen Krieg in Europa weit verbreitet. Allerdings wurde ihr in einer um Sachlichkeit und Nüchternheit bemühten Politik nur wenig Raum zugestanden. In den 1960er und 1970er Jahren wandelte sich der Umgang mit der durch die nukleare Bedrohung nochmals verschärften Kriegsangst: Anstatt im Privaten zu verbleiben, wurde sie nun laut geäußert und entfaltete in der Umwelt- und Friedensbewegung ihr mobilisierendes Potenzial. Ein neues, expressives „Emotionsregime“ entstand, das bis heute in Deutschland den öffentlichen Umgang mit Ängsten prägt.
Angst beeinflusst also Politik. Bürgerinnen und Bürger bringen ihre von Angst geleiteten Forderungen in den politischen Diskurs ein, etwa bei Protesten für eine andere Klima- oder Migrationspolitik. Politik kann aber auch Angst auslösen. Autoritäre Machthaber setzen sie gezielt als Herrschaftsinstrument ein, um die Bevölkerung einzuschüchtern und zu unterdrücken. Auch in Demokratien können politische Akteure Ängste nutzen, um ihre Vorhaben zu legitimieren oder Unterstützung zu gewinnen. Aktuell schüren Rechtspopulisten weltweit die Angst vor dem „Fremden“ – was wiederum Angst bei denen hervorruft, gegen die sie sich richtet. Freiheitlich-demokratische Politik steht vor der Herausforderung, verbreitete Ängste in der Bevölkerung wahrzunehmen, sie kritisch zu prüfen und aufzugreifen, ohne sich von ihnen treiben zu lassen.