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Friedensbestrebungen und Revolutionierungsversuche Deutsche Bemühungen zur Ausschaltung Rußlands im Ersten Weltkriege | APuZ 20/1961 | bpb.de

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APuZ 20/1961 Friedensbestrebungen und Revolutionierungsversuche Deutsche Bemühungen zur Ausschaltung Rußlands im Ersten Weltkriege Anhang

Friedensbestrebungen und Revolutionierungsversuche Deutsche Bemühungen zur Ausschaltung Rußlands im Ersten Weltkriege

EGMONT ZECHLIN

Die außenpolitische und militärische Situation des Deutschen Reiches war beim Ausbruch des ersten Weltkrieges denkbar ungünstig und gefährlich. Der Kampf war nicht nur gegen den französischen „Erbfeind“ und gegen das weiträumige Rußland mit seinen Menschenmassen zu führen. Audi die den Erdball umspannende See-und Handelsmacht des britischen Weltreiches war in die Reihe der Gegner getreten; dazu kamen auf dem Balkan Serbien und in Übersee Japan. Um diese Koalition zusammenzubringen, hatten die Mächte der „Triple-Entente“ ihre weltpolitischen Rivalitäten bereinigt oder zurüdegedrängt — die Westmächte vor allem in Nordafrika, das russische Reich und das britische Imperium in Mittelasien. Nun bot der Krieg die Gelegenheit, den neugegründeten Nationalstaat, der sich nach wenigen Jahrzehnten zur stärksten Militär-und zweitgrößten Flottenmacht und zum ernstzunehmenden Handelskonkurrenten mit Kolonien und militärischen Stützpunkten entwickelt hatte, in seine Schranken zu verweisen. Mit einer Mobilmachungsstärke von 5 726 OOO Mann hatten die Alliierten auf dem europäischen Festland gegenüber 3 48 5 000 Mann der Mittelmächte ein Übergewicht, das in Zukunft noch anwachsen mußte. Betrug doch das Kräftepotential allein ihrer weißen Bevölkerung — einschließlich Übersee — 280 Millionen Menschen gegenüber 118 Millionen der Mittelmächte.

Diesen blieb militärisch nur noch die Chance, in den ersten Wochen und Monaten eine Entscheidung zu erzwingen, d. h. in dieser Zeit in Ausnutzung der langsameren Kräfteentwicklung der Engländer und Russen und durch den Vorteil der geographischen Lage, die eine Operation auf der inneren Linie ermöglichte, die Gegner einzeln zu schlagen. Das setzte freilich eine geniale Führung vor aus, wie man sie höchstens in der Erinnerung an Friedrich des Großen und an den älteren Moltke sowie an die Tradition eines Clausewitz erwarten konnte.

Die Frage drängt sich auf, ob es nicht auch Politisch-diplomatische Mittel gab, die zu einem ür Deutschland günstigeren Verlauf des Krieges beitragen konnten. Die deutsche Staatsführung hatte nicht verhindern können, daß sich die Mächte zu einer so gefährlichen Koalition zusammenfanden; um so mehr stellte ihr der Krieg die Aufgabe, sie durch einen Teilfrieden zu sprengen. Damit ergibt sich die weitere Frage, ob diese Möglichkeit vorhanden war, ob sie von der deutschen Führung erkannt wurde, und warum etwaige Bemühungen darum gescheitert sind. Denn auch mißlungene Aktionen gehören zum Wirkungszusammenhang der Geschichte.

Nachdem jetzt auf dem Umwege über den Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg die deutschen Akten des Ersten Weltkrieges zugänglich geworden sind, rückt ein solches Thema in den Bereich der primären Quellenforschung.

Allerdings birgt die Auswertung des bisher verschlossenen Materials eine Reihe von Gefahren in sich. Hier ist nicht einmal an die Vorstellung gedacht, daß die Akten etwa gar nicht das Eigentliche und Wesentliche enthielten. Denn noch wurde der Schriftverkehr der telefonischen Auseinandersetzung vorgezogen, und es gab auch kaum die Rücksicht auf eine spätere Veröffentlichung der Papiere. Geradezu verwunderlich erscheint es sogar, wie viele und welche Einzelheiten von Männern wie Bethmann-Hollweg, Jagow und Zimmermann handschriftlich entworfen oder mit Korrekturen, Einfügungen und Randbemerkungen versehen wurden. Aber diese Geschäfts-akten sind nur Überbleibsel eines diplomatischen Vorgangs, sie müssen unter Berücksichtigung der Psyche des Empfängers und des Adressaten und der jeweiligen Situation, in ihrer taktischen Bestimmung und unter den zeitlichen Bedingungen verstanden werden. Andernfalls kann es zu vergröbernden und vereinfachenden Schlüssen kommen. So hat die Fülle der in den Archiven aufbewahrten Annexionsprogramme aus dem Schriftverkehr der Instanzen und Interessengruppen bereits zu der Vorstellung einer konstanten und einheitlichen Kriegszielpolitik der deutschen Regierung im ersten Weltkrieg verlockt. Das fügt sich dann ein in die von einer Kontinuität der deutschen Kriegs-zielein den beiden Weltkriegen und in die, daß deren Anfänge bereits in den Jahren vor dem Kriegsausbruch zu suchen seien. Im Zusammenhang unserer Untersuchung wird sich aber zeigen, daß Bethmann gegenüber den Kriegszielprogrammen, die vn verschiedensten Seiten an ihn herangetragen wurden, eine starke Reserve gewahrt und seinerseits kein festes Kriegszielprogramm vertreten hat.

Unter den vielfachen und weitverzweigten Bemühungen der deutschen Diplomatie um eine Anknüpfung nach dieser oder jener Seite erweisen sich die Bestrebungen um einen Sonderfrieden mit Rußland als das Zentralproblem. Die ständigen Versuche, eine Basis für Verhandlungen mit der zaristischen Regierung zu schaffen, waren jedoch nur einer der Wege zu diesem Ziel und die Methoden der klassischen Diplomatie nur eines der Mittel, um den großen Gegner im Osten auszuschalten. Vom Beginn des Krieges an war die deutsche Regierung darüber hinaus bemüht, auch in die inneren Auseinandersetzungen des russischen Reiches einzugreifen und die Feinde des Zarenregimes und des herrschenden Großrussentums zum Kampf zu veranlassen oder wenigstens Aufstände zu entfesseln und Unruhen hervorzurufen.

Eine Analyse dieser revolutionierenden Kampfmittel ist kaum weniger interessant als die Beschäftigung mit den geheimen Bemühungen, den Zaren für einen Sonderfrieden zu gewinnen. Beides stand in Wechselbeziehungen zueinander, sei es, daß mit Rücksicht auf das Spiel der Diplomatie revolutionäre Aktionen gebremst und wieder ausgenommen wurden, wenn die konventionellen Mittel versagten, oder daß man, um den Gegner friedenswillig zu machen, versuchte, seine Kampfkraft zu schwächen. Die Frage war dann allerdings, ob der Zar eher in einer Anlehnung an die deutsche Monarchie den Weg sah, um den Druck der revolutionären Bewegung zu begegnen, oder ob er gerade für seinen Thron fürchten mußte, wenn er sich auf einen Frieden einließ, der nicht die Anstrengungen und Opfer wert war, die das russische Volk gebracht hatte.

Für die Politik der Revolutionierung schienen sich mancherlei Ansatzpunkte zu bieten. Da waren die Fremdvölker in den Randzonen des russischen Reiches, die von den Großrussen mit Russifizierungsmaßnahmen bedrängt wurden: Finnen, Baltendeutsche, Esten, Letten, Litauer, Polen, Weißrussen und Ukrainer und nicht zuletzt die jüdische Bevölkerung; im Kaukasus erschienen christliche Georgier und muslimische Tscherkessen als revolutionäre Potenzen und auch im übrigen Rußland gab es Mohammedaner. Es gab aber auch kein Land, in dem eine sozialistische Umsturzbewegung so verbreitet gewesen wäre wie in Rußland. War das zaristische Regime früher von anarchistisch-nihilistischen Attentaten bedroht worden, so brachten in den letzten Jahren bis unmittelbar in den Wochen vor dem Kriegsausbruch politische Massenstreiks einen Umfang und eine Kraft der sozialistischen Bewegung zum Ausdruck, die nicht nur von der russischen Regierung zu beachten waren.

So ist es der besondere Reiz unseres Themas, daß es in sehr verschiedene soziale Schichten bineinführt. Wir haben es zu tun mit den verwandtschaftlichen Beziehungen der Fürstenhäuser und mit dem Treiben von Hofleuten und Vertrauten des Zarenpaares in Zarskoje Selo. Wir stoßen auf Kontakte des Auswärtigen Amtes zu russischen Diplomaten im neutralen und im feindlichen Ausland, und wir haben uns zu beschäftigen mit Verbindungen von Banken, Industrieunternehmen und deren Agenturen zur russischen Finanzwelt. Es sei aber auch erwähnt, daß Reichskanzler und Staatssekretär sich mitunter auf höchst zweifelhafte Angebote einließen, z. B. das einer Vermittlung zu dem mystischen Kreis um das Zarenpaar, und daß selbst der Gedanke gehegt wurde, Rasputin zu gewinnen — sogar noch als er, wie sich dann erst herausstellte, tatsächlich schon tot war.

Gleichzeitig und in mannigfacher Eigengesetzlichkeit wurden die Verbindungen zu den revolutionären Sozialisten geschaffen, vor allem zu denen der Emigration in Bern und Genf, in Stockholm, Kopenhagen, Bukarest und Sofia. Oft waren die Träger der nationalen Bewegungen, mit denen die deutsche Regierung in Verbindung kam, Personen, die gleichzeitig den sozialen Umsturz propagierten.

Damit ergeben sich auch neue Gesichtspunkte für die Urteilsbildung über die deutsche Führung. Denn es sind die gleichen Personen, die mit den überkommenen Methoden der Diplomatie und gar auf der Basis der monarchischen Solidarität arbeiten und die ebenso dabei sind, das revolutionäre Feuer gegen das Zarenregime anzuzünden. Der Historiker fragt sich schließlich mit einiger Verwirrung, ob hier Beamte der Wilhelmstraße und Offiziere des deutschen Nachrichtendienstes lediglich Kampfmittel der politischen Kriegsführung zum Einsatz brachten oder etwa die Ordnung Osteuropas nach dem Nationalitätenprinzip betrieben. Schließlich befand sich das Deutsche Reich doch in einem Bündnis mit einem Vielvölkerstaat, einem dynastischen Gebilde, das von einer osteuropäischen Revolution unmittelbar gefährdet worden wäre. Und gerade in Deutschland war seit dem Aus-gang des 19. Jahrhunderts und dann angesichts der russischen Revolution von 1905 die Furcht vor einem sozialen Umsturz verbreitet. Für die Bolschewisten um Lenin war es sogar ein Glaubenssatz, daß der imperialistische Krieg die soziale Revolution in Deutschland heraufbeschwören würde.

Die Stellung der deutschen Regierung zu den in unserer Untersuchung behandelten Aufgaben und Problemen erscheint also in vielem widerspruchsvoll. Oft läßt sich auch nicht erkennen, ob es sich um die Politik etwa des Unterstaatssekretärs im Auswärtigen Amt handelt, die nur vom Reichskanzler eine kürzere oder eine längere Zeit gedeckt wurde. Immer wieder sind die Wandlungen der strategischen Lage zu berücksichtigen und der Gegensatz militärischer und politischer Denkweise sowie die Rivalität militärischer und politischer Institutionen, ja auch der militärischen Behörden in der Heimat und im Felde. Vor allem gehört in den Kreis unserer Betrachtung das Verhältnis der regierenden Bürokratie zu dem komplexen und in mannigfachen Farben schillernden Machtfaktor, „öffentliche Meinung“ genannt, die, von nationalen Leidenschaften getrieben, ein emotionales Element in die Staatspolitik brachte. Schon Bismarck war von ihr beeinflußt worden; eine seiner folgereichsten Taten, die Annexion von Elsaß-Lothringen, die er später selbst zum Teil als eine Fehlentscheidung erkannt hat, geschah unter dem Druck der populären Forderung und strategischer Interessen. Mit beiden Kräften und ihren Repräsentanten hat sich die politische Führung im ersten Weltkrieg von Anfang an immer wieder auseinandersetzen müssen. Bethmann-Hollweg jedenfalls hat es immer wieder empfunden, daß die Handlungen der Regierungen sogar schon vor Ausbruch des Krieges unter der Herrschaft überpersönlicher Gewalten standen, deren Wirksamkeit soviel mächtiger sein kann als die des Einzelmenschen.

I. Kapitel Nation und Regierung nach dem Kriegsausbruch

Rußland INHALT 6. Dokumenten-Anhang 5. Bethmann-Hollweg zwischen Vernunft und „öffentlicher Meinung“ 1. Nation und Regierung nach dem Kriegsausbruch 2. Die versäumte militärische Chance im Osten 3. Die Idee des Sonderfriedens mit 4. Ein dänisches Vermittlungsangebot

Der Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg und der Staatssekretär des Auswärtigen v. Jagow haben sich nach dem Ersten Weltkrieg mehrfach zu der Frage versäumter Friedensmöglichkeiten geäußert, so auch zu der eines Separatfriedens mit Rußland. Von Anfang an, sagte Jagow vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß 1), habe die Reichsleitung versucht, „nachdem die Marneschlacht verloren war und der Friede immer dringlicher wurde“, nach allen Richtungen auszublicken, ob sich nicht eine Friedensmöglichkeit böte, und zwar ohne sich von vornherein auf einen allgemeinen oder auf einen Ost-oder Westfrieden festzulegen: „Wir haben nehmen wollen, was wir kriegen konnten". Auch Bethmann-Hollweg schreibt von diesen Sondierungen, die auf verschiedenen Wegen und mit verschiedensten Mitteln bei den westlichen wie bei den östlichen Gegnern angestellt worden seien, um „wenigstens nach einer Seite hin Luft“ zu haben und um für die Seite zu optieren, die eine Möglichkeit zum Frieden böte

Bethmann-Hollweg lenkt in seinen Erinnerungen den Blick auch auf die Problematik solcher Bemühungen: einerseits mußte er Friedens-und Verhandlungsbereitschaft zeigen, um frie-dcnswilligen Minoritäten in feindlichen Ländern zum Sieg über militante Elemente zu verhelfen, andererseits aber „Schwächeallüren“ vermeiden; so habe er Reichstagsreden gehalten, die im Ausland als Zeichen ungerechtfertigter Siegeszuversicht verstanden wurden. Vor allem hätten die „zwangsläufigen Auswirkungen" des Kriegsfurors die Möglichkeit nahezu aller Friedens-versuche begrenzt, „die einen im Keime er-stickt und das Schicksal der anderen besiegelt“. Er beklagt, daß ihm dadurch die „Beweglichkeit und Wandelbarkeit der Kabinettspolitik“ früherer Jahrhunderte gefehlt habe: „Die Maschine der Kriegsleidenschaft, zu Kriegszwecken geschaffen und zu immer größerer Macht ausgestaltet, hat die Politik der Staaten in der einmal eingeschlagenen Richtung festgehalten“.

Damit ist ein Problem der Epoche angedeutet, das die Politik und alle Versuche zur Verständigung der Völker und Wiederherstellung des Friedens belastet hat. Es handelte sich in diesem „Zeitalter des Imperialismus“ nicht nur um den Drang nach Rohstoffquellen, Absatzmärkten und Einflußgebieten für Kapitalinvestierung, um Auswirkungen eines Wandels der Produktionsverhältnisse im Zuge der Industrialisierung und rapiden Bevölkerungszunahme. Zu den Bedingungen, unter denen die Diplomaten zu arbeiten hatten, gehörte auch, daß die Idee der Nation eine Veränderung ersah-ren hatte. Mit fortschreitender Demokratisierung und Politisierung des öffentlichen Lebens waren Kraftbewußtsein und nationaler Ehrgeiz der Völker gewachsen, und damit Geltungsdrang und Prestigebedürfnis. Im Gegensatz zum nationalen Ethos der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das auch die anderen Völker als Organismen in ihren Lebensbedingungen anerkannte, hatte jetzt das Vaterland einen so absoluten Wert erhalten, daß sich das politische Denken fast ausschließlich an dieser Idee orientierte.

Kräfte des Emotionalen und Unbewußten gewannen mehr als bisher Anteil an den politischen Auseinandersetzungen der Völker. Hinzu kam das Eindringen einer mehr naturalistisch orientierten Weltanschauung in das gesellschaftlich-politische Leben. Mit der biologischen Lehre des Darwinismus erhielten die Machtauseinandersetzungen der Nationen den Charakter eines Kampfes ums Dasein, in welchem die Überwältigung des Schwächeren durch den Stärkeren als ein Selektionsprozeß der Natur erschien.

Obersteigerung des Nationalismus

Je mehr aber Macht und Ruhm der eigenen Nation zum absoluten Wertmaßstab der Politik wurden und sich im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Triebkräften der Nationalismus zum Imperialismus steigerte, desto schwerer wurde es für die Regierungen, Konflikte nach den Regeln der Kabinettspolitik im Ausgleich der Interessen zu lösen. Im gleichen Maße verschärften sich die historischen Gegensätze wie die deutsch-französischen, die russisch-österreichischen auf dem Balkan und andere auf dem Felde der Weltpolitik. Nicht dynastischer Ehrgeiz bedrohte den Frieden und erschwerte das Zusammenleben der Völker, sondern dieser rivalisierende Nationalismus. Bismarck hatte ihn gebändigt, indem er die jeweiligen Mächte gegeneinander ausbalancierte; auch seine Kolonialpolitik stand in funktionellem Zusammenhang mit diesem kontinentaleuropäischen System. Nach seinem Sturz fehlte ein Regulativ für die Staatenwelt. Als diese sich am Ende des Jahrhunderts durch die beiden außereuropäischen Mächte, Japan und die USA, zu einem Weltstaatensystem erweiterte, war der Anteil der populären Leidenschaften noch vermehrt worden. Schon die Vorkriegskrisen und dann die Julikrise von 1914 sind Beispiele dafür, daß der Staatsräson von nationalem Prestigebedürfnis und von der Rücksicht auf nationale Leidenschaften Schranken gesetzt wurden. Beim Kriegsausbruch aber steigerte sich der Nationalismus zu gegenseitigem Haß der Völker. In jenen Wochen wurde er mit seiner emotionalen Eigengesetzlichkeit zu einer Triebkraft, die nicht nur die Gemüter beherrschte, sondern auch von den Regierungen und Interessengruppen in den Dienst der Krieg-führung gestellt werden konnte und wurde, um dann wiederum auf deren Entschließungen rückzuwirken. Und da bei allen Völkern der Glaube an das sittliche Recht des Krieges und die Über-zeugung verbreitet war, für eine gute Sache zu kämpfen, gewannen materielle und machtpolitische Ziele unschwer den Schein moralischer Berechtigung.

Bethmann-Hollweg hat die Gewalt der großen Zeitströmungen — gewissermaßen als Entschuldigung für die Fehler der Regierungen — einmal aufgezählt: „Der Imperialismus, Nationalismus und wirtschaftliche Materialismus, der während des letzten Menschenalters in der großen Linie die Politik aller Nationen bestimmte, setzte ihnen Ziele, deren Verfolgung für jede einzelne Nation nur auf Kosten eines allgemeinen Zusammenstoßes möglich war". Ohne diese allgemeine Konstellation sei auch die „wahnsinnige Leidenschaftlichkeit“ nicht erklärbar, die den vom Kriege nicht ergriffenen Ländern keine Ruhe gelassen habe, „bevor sie nicht selbst in das Blutbad untergetaucht waren“

Die deutsche Regierung hatte beim Ausbruch des Krieges erklärt — und das war auch die Überzeugung der weitaus überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes —, daß die Waffen ergriffen würden, um das Reich vor dem Ansturm der Gegner zu verteidigen. Männer wie Bethmann, Jagow oder Wilhelm II. hatten keine auch nur latenten Hegemonialziele. Sie waren auf die abschüssige Bahn des Krieges geraten durch den Mechanismus der Bündnissysteme sowie durch falsche Beurteilung der Reaktion der Kabinette auf die von der deutschen Politik bezogene Position und in Unterschätzung der Kraft der nationalen Leidenschaft der Völker. Mit dem Vormarsch der deutschen Truppen in Frankreich und der gleichzeitigen Bewährung der deutschen Kriegskunst im Osten entwickelte sich aus dem nationalen Enthusiasmus der Mobilmachungstage ein Mythos deutscher Unbesiegbarkeit und das Bewußtsein einer Kraft und Macht der Nation, und damit der Anspruch, ihr auch für die Zukunft den Platz zu sichern, der ihrer Größe und ihrer Kultur gebühre. Es wuchs der Glaube, daß dem deutschen Volke mit diesem Kriege vom Schicksal noch eine größere Aufgabe gestellt worden sei, als sich dem Ansturm der Feinde zu erwehren. War in der Begeisterung der Augusttage die Hoffnung entstanden, daß mit dem Einheitsbewußtsein aller Schichten der Durchbruch zu einer neuen sozialen Lebensform kommen würde, so schien der Krieg nun auch einen tieferen Sinn zu erhalten, wenn damit künftige Geschlechter davor bewahrt würden, wieder in eine so gefährliche Situation zu geraten. Aus der Not der Macht-verteidigung war die Aufgabe der Machtsiche-rung und nun der Anspruch auf Änderung der Machtverhältnisse im Staatensystem erwachsen

Flut der Annexionsforderungen

Die Regierung wurde jetzt von Persönlichkeiten der Wirtschaft und der Politik, darunter auch von Reichstagsabgeordneten, mit Vorschlägen der „Grenzverbesserungen“ oder „Grenzerweiterungen“, sei es im Westen oder im Osten, außerdem Forderungen auf Kriegsentschädigungen geradezu bestürmt. Um nur zu nennen, was Anfang September Matthias Erzberger vorschlug: Annexion Belgiens und des französischen Küsten-gebiets bis Boulogne und der Erzgebiete von Longwy und Briey, Auflösung des russischen Reiches in seine nationalen Bestandteile mit Polen und den russischen Ostseeländern als deutschen Vasallenstaaten und der Ukraine als einem österreichischen, dazu einem deutschen Kolonialreich in Mittelafrika, zu dem der belgische und der französische Kongo gehörten Auch Bundesfürsten erhoben Annexionsansprüche, so der Großherzog Friedrich August II. von Oldenburg, der Frankreich zu einem deutschen Vasallenstaat machen wollte und, um den Kaiser dafür zu gewinnen, die Vermittlung Ludwigs III. von Bayern in Anspruch nahm — ein Projekt, das 1870 schon Prinz Friedrich Karl ersonnen hatte. Der bayerische König wiederum forderte das Elsaß und die Angliederung Belgiens an Bayern, womit Süddeutschland in Antwerpen einen direkten Zugang zum Meer und Anschluß an den Weltverkehr gewinnen würde. Aber das waren nur einige — wenn auch besonders drastische — Vorschläge und Forderungen, die von berufenen und unberufenen Seiten an die Reichs-regierung herangetragen wurden. „Man watet in Denkschriften“ schrieb am 25. September 1914 Staatssekretär Solf Das hinderte ihn nicht, sich selbst mit einer ausführlichen großen Denkschrift zu melden. Der Chef des Reichskolonialamtes war zwar ein Gegner des kontinentalen Annexionismus, hatte sich aber — z. T. mit Hilfe des Afrikaforschers Frobenius — ein vom Atlantischen bis zum Indischen Ozean reichendes deutsches Afrikareich ausgedacht, das, von Pufferstaaten umgeben, mit dem deutschen Interessengebiet in Kleinasien verbunden sein sollte Dazu kamen Kriegszieldenkschriften wie die des Generaldirektors des Krupp-Konzerns Hugenberg und des Vorsitzenden des All-deutschen Verbandes, Claß, in denen mit rationaler Begründung oder mit emotionalem Appell an das gesteigerte Nationalbewußtsein Annexionsforderungen vorgetragen wurden Fast sieht es so aus, als sollten menschliche und sachliche Opfer des deutschen Volkes durch Landerwerb ersetzt, ja kommende politische Ansprüche der Arbeiterschaft durch eine auf diese Weise mögliche Verbesserung der Lohnbedingungen abgefangen werden Erinnert die Haltung der genannten Bundesfürsten an vergangene Jahrhunderte, da deutsche Fürsten für die Beteiligung an einem Reichskriege territoriale Entschädigungen verlangten, so erscheint die Kriegsentschädigung in Land oder Geld geradezu als ein Sicherungsventil vor einer zukünftigen sozialen Revolution.

Die hochgespannten Illusionen und das gesteigerte Kraftbewußtsein der ersten Kriegswochen fanden auch ihren Niederschlag im Schriftverkehr der Wilhelmstraße. Damals war die Regierung der Vereinigten Staaten bemüht, den Frieden zu vermitteln, um sowohl einen Sieg des militaristischen Deutschlands wie eine russische Vorherrschaft in Europa zu verhindern Mit der Begründung, daß mit der bevorstehenden Einnahme von Paris der „richtige Zeitpunkt“ für die Wiederherstellung des Friedens gekommen sei, bot der amerikanische Botschafter seine Vermittlung an und schlug vor, daß die Deutschen Frankreich eine beliebig hohe Kriegsentschädigung auferlegen und von seinen Kolonien soviel nehmen sollten wie sie wollten Er bekam vom Unterstaatssekretär Zimmermann, der zu dieser Zeit in Berlin für den im Hauptquartier befindlichen Staatssekretär amtierte, die folgende Antwort: das deutsche Volk verlange nach den gegenwärtigen gewaltigen Kraftanstrengungen einen dauernden Frieden, und der setze „eine Abrechnung nicht nur mit Frankreich sondern auch mit Rußland voraus“. Niemand im deutschen Volk würde daher verstehen, wenn die Regierung jetzt die Vermittlung der Vereinigten Staaten anrufen wollte, um den Frieden auf der von ihm skizzierten Grundlage herbeizuführen. Die deutsche Regierung würde daher im Interesse ihrer eigenen Selbsterhaltung gar nicht wagen können, auf seine freundlich gemeinten Anregungen einzugehen. Sie sei aber bereit, falls die Gegner die Vermittlung Amerikas erbäten und „angemessene Vorschläge“ über Washington übermittelten, diese einer ernsten Prüfung zu unterziehen Bethmann-Hollweg skizzierte dann zur mündlichen Beantwortung „drei Punkte", die auch in den folgenden Wochen geradezu in stereotyper Formulierung für Friedensvermittlungsversuche von ihm genannt wurden: daß nur ein Frieden angenommen werden könne, der „wirkliche Dauer verspricht und uns vor neuen Überfällen unserer Feinde schützt"; daß die Annahme eines Vermittlungsangebotes „von unseren Gegnern nur als Schwäche und von unserem Volk nicht verstanden" würde, und daß ein Volk, das solche Opfer gebracht habe, Garantien für Sicherheit und Ruhe verlange Der amerikanische Botschafter, der diesen Text nach Washington weitergab, faßte ihn jedenfalls als „opening of mediation" auf und offensichtlich auch seine Regierung, die ihn wiederum (am 21. September) den amerikanischen Botschaftern in London und Paris übermittelte Außerdem liegt eine Denkschrift vor, die Bethmann-Hollweg am 9. September aus dem Hauptquartier seinem Stellvertreter in Berlin, dem Staatssekretär Delbrück, übersandte Danach sollte Frankreich „so geschwächt werden“, daß es als Großmacht nicht neu erstehen könne, und Ruß-land „von der deutschen Grenze nach Möglichkeit abgedrängt und seine Herrschaft über die nichtrussischen Vasallenvölker gebrochen werden". Um die wirtschaftliche Vorherrschaft Deutschlands in Mitteleuropa zu „stabilisieren“, war ein mitteleuropäischer Zollverband vorgesehen, der auch Frankreich, Belgien und Dänemark — sogar schon ein Polen — umfaßte, „un-ter äußerer Gleichberechtigung seiner Mitglieder, aber tatsächlich unter deutscher Führung"!

Der Betrachter, der die spätere Entwicklung kennt, ist geneigt, an dieser Realität solche Konzeptionen und Programme zu messen und sie dementsprechend zu beurteilen und zu verurteilen. Man wird sich jedoch die strategische Lage vor Augen halten, wie sie der politischen Reichs-leitung erschien, als sie sich mit solchen Kriegs-zielen befaßte. Der 9. September 1914 war der Tag, an dem vor den Toren von Paris der deutsche Operationsplan scheiterte. Das war zu dieser Stunde aber weder Zimmermann in Berlin noch Bethmann-Hollweg im Hauptquartier bekannt. Beide rechneten noch mit der feldzugs-entscheidenden Vernichtungsschlacht in Frankreich und damit, daß das Westheer dann in einem raschen Frontwechsel im Osten eingesetzt würde. Da sie, wie wir hörten, auch erwarteten, daß sich jedenfalls bei einem deutschen Vormarsch die von den Großrussen unterdrückten Fremdvölker, wie Finnen, Polen und Ukrainer, erheben würden, ist es schon verständlich, wenn man sich in der deutschen Regierung Gedanken über die künftige Gestaltung Osteuropas machte: daß hier Pufferstaaten entstehen würden und auch mit einem Zurückverlegen der Grenze die russische Gefahr gebannt werden könnte. Am Ende des Krieges sollten es dann die Alliierten sein, die in diesem Raum dem Nationalitätenprinzip zur Durchführung zu verhelfen suchten.

Kriegsziele der Entente

Dem stehen Pläne der Ententemächte über die künftige Gestaltung der europäischen Staatenwelt gegenüber, die ebenfalls in diesen Septemberwochen von 1914 skizziert wurden. Nachdem Frankreich bereits am 4. August in Petersburg sein Kriegsziel Elsaß-Lothringen angemeldet hatte, das auch von den Engländern anerkannt wurde, verständigten sich die Alliierten in einer gegenseitigen Verpflichtung vom 5. September 1914 darüber, daß sie nur gemeinsam Frieden schließen und keiner von ihnen ohne vorhergehende Vereinbarung mit den anderen Friedensbedingungen festlegen sollten. Es war die logische Folge, daß sie nun begannen, sich über ihre Kriegsziele zu verständigen — noch nicht in vertraglicher Form, aber doch im Gedankenaustausch der Außenminister mit den jeweiligen Botschaftern der Bündnispartner, die wiederum Weisungen von ihren Ministern erhielten. So übermittelte am 14. September 1914 der russische Außenminister Sasonow der französischen Regierung ein Kriegszielprogramm — zunächst nur als „Skizze eines Gemäldes, dessen Einschlag noch nicht gewoben ist", wonach das östliche Ostpreußen an Rußland fiel, ebenso unter dem Schlagwort Königreich Polen das östliche Posen, Schlesien und das österreichische Galizien Einig waren sich die beiden Mächte auch darin, daß Hannover wiederhergestellt werden sollte — „mit Rücksicht auf England“ sagte Delcasse, damals französischer Außenminister, in Wahrheit aber, damit zwischen Holland und Rußland ein „freier Staat“ entstehe. Übrigens dachte man in England daran, diesen Staat durch das preußische Friesland zu erweitern. Einig wurden sich Franzosen und Russen auch in dem Plan, Schleswig und Holstein an Dänemark fallen zu lassen, „trotz der zweideutigen Haltung der dänischen Regierung", wohingegen bei den Engländern nur von einer Neutralisierung des Kieler Kanals die Rede ist. Das russische Programm gestand den Franzosen außer Elsaß-Lothringen auch einen Teil von Rhein-Preußen und der Pfalz zu. Demgegenüber machte sich bei den Engländern das historische Prinzip der „balance of power“ bemerkbar: sie waren dagegen, daß Frankreich „aus Ehrgeiz nach der Rheinlinie trachte" Ihrerseits beanspruchten sie die deutschen Kolonien. Jedenfalls überboten sich die Russen und Franzosen geradezu in dem Bemühen der „Vernichtung des militä der Deutschen Reiches und Schwächung -rischen und politischen Macht Preußens“; darin seien alle drei Mächte solidarisch, meldete der russische Botschafter in Paris, Iswolski, am 13. Oktober als Ergebnis seiner Besprechungen mit dem französischen Außenminister Delcasse Historische Reminiszenzen klangen an, wenn Delcasse dazu bemerkte: „man müsse es so machen“, daß die einzelnen deutschen Staaten selbst daran interessiert seien.

Die politischen Traditionen der europäischen Mächte kamen auch zum Ausdrude bei den Verhandlungen über die Auflösung Österreich-Ungarns. Die Russen begründeten dieses Kriegsziel feierlich mit dem Nationalitätenprinzip. „Die territorialen Veränderungen müssen durch den Grundsatz der Nationalität bestimmt werden“, heißt Punkt 2 in Sasonows Programm vom 14. September 1914. Die Franzosen aber zeigten sich weniger an der Zertrümmerung der Donau-monarchie interessiert. Delcasse mußte erst von Iswolski an den „Anachronismus" dieses Staats-gebildes erinnert werden, wobei er unter den Völkern, die zu selbständigen Staaten berufen seien, wohlweislich die Polen ausnahm Auch die Engländer erklärten sich nur mit „Bedauern“ und „nur um Ursache von Konflikten aufzuheben“ zu einer solchen ethnologischen Berichtigung der Karte Europas bereit. Für sie war der Habsburgerstaat mehr ein Opfer und Instrument der deutschen Politik und zugleich nützlich als ein Gegengewicht gegen die russische Balkanpolitik.

Es geht hier nicht darum, mit moralischen Maßstäben zu messen, sondern um die Feststellung, daß auch hier die Sprache der Macht gesprochen wurde, ja eine „Dämonie der Macht“ am Werke war, die offenbar keine anderen Wege zum Frieden zuließ.

Das Machtverhältnis der miteinander ringenden Gruppen hatte sich also gerade an dem Tage verschoben, an dem der Unterstaatssekretär Zimmermann Deutschland stark genug glaubte, um in Berlin dem amerikanischen Friedensvermittler sagen zu können, daß Deutschland mit allen Feinden abrechnen wolle. Am folgenden Tage stand in Koblenz Moltke — um es mit den Worten Gröners als Augenzeugen zu sagen — in trostloser Stimmung vor den Trümmern des großen Planes und am 13. September stellte Admiral v. Müller fest, daß Bethmann und Jagow „ein trauriges Bild von Unentschlossenheit und Pessimismus" böten In den nächsten Tagen wurde der Kanzler von dem neuen Generalstabschef unterrichtet, daß die ersten Erfolge wohl überschätzt worden seien. Solange die Entscheidung nicht gefallen sei, so gab Bethmann in einem Schreiben vom 19. September diese Information nach Berlin weiter, sei die Gesamtlage natürlich ernst, aber durchaus nicht pessimistisch zu beurteilen

Illusionen der Öffentlichkeit

Es sollte auch für alles Folgende von entscheidender Bedeutung werden, daß die Kenntnis der Veränderung der militärischen Situation damals auf einen sehr kleinen Kreis beschränkt blieb und auch gegenüber hohen Amtsstellen streng geheim gehalten wurde Es ist dies eine der wesentlichen Ursachen dafür, daß sich die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes weiterhin in Illusionen wiegte, und zwar gerade in den Kreisen von „Besitz und Bildung“. Das war damals aber keineswegs die Schuld der militärischen Führung, wie es in den späteren Kriegsjahren nur allzu deutlich ist. Vielmehr hat Falkenhayn schon am 28. September einen Bericht nach Berlin gegeben, der die Öffentlichkeit über die wahren Vorgänge der Marneschlacht und über die Ungunst der Lage auf dem westlichen Kriegsschauplatz aufklären sollte. Aber das Auswärtige Amt befürchtete von einer solchen „Offenherzigkeit“ „unberechenbare Folgen im Ausland“. Es war der Reichskanzler, der daraufhin die Veröffentlichung verhinderte Insofern trifft ihn selbst der Vorwurf, den er in seinen Erinnerungen über die Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Diplomatie durch die Kriegs-leidenschaften erhoben hat. Bezeichnend ist auch, daß, als das Kriegsministerium das Verbot des Bezugs von sozialdemokratischen Zeitungen aufhob der preußische Innenminister dagegen mit der Begründung opponierte, daß die Sozialdemokratie, wenn sich die Zeitumstände einmal ändern würden, zu ihrer früheren Haltung zurückkehren werde, und daß sich schon jetzt am „Vorwärts eine Tendenz bemerkbar mache, Stimmung gegen Gebietserwerbungen im Falle einer siegreichen Beendigung des Krieges zu machen Das war zu einem Zeitpunkt, am 5. September, als der siegreiche Vormarsch in Frankreich so große Perspektiven öffnete, aber auch, als bereits hunderttausende von Sozialdemokraten, darunter viele Kriegsfreiwillige, der Armee zuströmten.

Wir haben uns bemüht, die allgemeinen Bedingungen zu charakterisieren, unter denen das Handeln der Regierungen, insbesondere das der deutschen, damals stand. Es war eine Welt, die von nationalen Leidenschaften bewegt wurde, und in der die „öffentliche Meinung“ eine politische Bedeutung hatte wie nie zuvor. Sie konnte das Erkenntnis-und Urteilsvermögen von maßgebenden Persönlichkeiten im Staat, in der Wirtschaft und in der Wissenschaft beeinflussen, aber auch umgekehrt von Interessengruppen benutzt werden, um Bestrebungen und Ziele zu popularisieren, die den Bedürfnissen der modernen Wirtschaft oder der politischen Position einer Gesellschaftsschicht entsprachen. Ein Staatsmann, der sich aus tieferer Einsicht in die Wirklichkeit der Kriegslage und der Machtverhältnisse der Welt aus sittlichem Verantwortungsbewußtsein um eine Verständigung mit den Kriegsgegnern bemühte, war daher ständig in Gefahr, entweder selbst der Suggestivkraft der nationalen Bewegung zu verfallen oder — wenn er sich dagegen stemmte — von einer so mächtigen Strömung zu Fall gebracht zu werden oder aber er geriet in einen lähmenden Zwiespalt und fand nicht mehr die Kraft und vielleicht auch nicht die Macht zur staatsmännischen Führung der Nation.

Zunächst aber brachte die Entwicklung auf den Kriegsschauplätzen eine Situation, die der militärischen Führung eine entscheidende Aufgabe stellte.

2. Die versäumte militärische Chance im Osten

Am 3. November 1914 erkannte die Oberste Heeresleitung, daß die an der Marne preisgegebene Operationsfreiheit nicht mehr zurückzugewinnen war Nachdem das Meer dem Wettlauf um die Überflügelung der Flanken eine natürliche Grenze gesetzt hatte, war auf dem Schlachtfeld von Flandern nun auch die Hoffnung verlorengegangen, mit einem operativen Durchbruch die Initiative in die Hand zu bekommen. Von der Nordsee bis zur Schweizer Grenze erstarrten die Fronten zu Stellungssystemen, die nur mit Hilfe einer gewaltigen Materialüberlegenheit bezwungen werden konnten.

In diesem Augenblick aber ergab sich aus den Entwicklungen auf den Kriegsschauplätzen eine strategische Gesamtsituation, die den Deutschen noch eine operative Chance gab. Der Zwang zur Defensive im Westen schuf mit der Möglichkeit einer Verringerung der Truppenstärke Voraussetzungen für offensive Kriegführung im Osten. Dort rollte die jetzt auf 45 Armeekorps angewachsene russische „Dampfwalze“ bedrohlich auf Galizien und das oberschlesische Industriegebiet zu, um von da aus, dem russischen Operationsplan entsprechend, zum Vorstoß auf Berlin einzuschwenken Damit gerieten die Russen aber im Weichselbogen in eine Lage, die zur Umfassung ihres Nordflügels geradezu herausforderte. So kam es, daß am gleichen 3. November, an dem in Charleville die Bemühungen um Wiederaufnahme der Westoffensive aufgegeben wurden, Ober-Ost für eine strategische Operation in Polen Verstärkungen anforderte

Seit Wochen hatten die österreich-ungarische Armeeführung und Regierung sowie Hindenburg und Ludendorff gedrängt, den Schwerpunkt der Kriegführung nach dem Osten zu verlegen Auch Falkenhayn rang sich theoretisch nun dazu durch, die im Westen verlorene Entscheidung in Rußland zu suchen. Am 8. November entwarf er den Operationsplan für einen Ostfeld-zug, nach dem unter seiner Gesamtführung etwa 12 Armeekorps aus der Gegend von Thorn überraschend in die rechte Flanke und in den Rücken des russischen Hauptheeres vorstoßen sollten Dabei war nicht nur ein schnelles und überraschendes, sondern auch ein geschlossenes Auftreten der neuen Armee im Osten zu erwarten. Denn die Verbände wären kaum, wie bei den mißlungenen Umfassungsversuchen in Nordfrankreich, nur tropfenweise zum Einsatz gekommen. Die sechs Armeekorps, die durch Begradigung der Front im Westen freigemacht werden sollten, hatten Aussicht, infolge der Front-nähe der Ein-und Ausladestationen und weil sie auf vier Eisenbahnlinien gleichzeitig transportiert worden wären schlagartig nach dem Osten überführt zu werden. Dies und die exponierte Lage des Gegners boten eine so gewaltige Chance, daß Falkenhayn sogar bereit war, unter Umständen ganz Ostpreußen und einen Teil Westpreußens, Posens und Schlesiens vorübergehend aufzugeben.

Während nun Ober-Ost die Operation für den lO. /'ll. November vorbereitete, war der Abmarsch der Verstärkungen von der Westfront aber erst 14 Tage später vorgesehen Denn am gleichen 4. November, an dem er über die offensiven Absichten von Ober-Ost unterrichtet wurde, befahl Falkenhayn einen neuen Angriff in der Flandernschlacht. Ursprünglich als eine letzte große Kraftanstrengung gedacht, mit dem Ziel, doch noch einen feldzugentscheidenden Umschwung im Westen zu erreichen, sollte diese Operation angesichts der am Vortage gewonnenen Einsicht nur noch der Beseitigung des Ypernbogens dienen, der in die deutschen Linien hineinragend für den Gegner ein Ausfalltor und in deutschen Händen eine Schlüsselstellung bedeutete. Hierzu wurde die Heeresreserve eingesetzt — in der Heimat aufgestellte Ersatzkorps, zumeist Kriegsfreiwillige voll Begeisterung und Tatendrang.

Unentschlossenheit Falkenhayns

Nun aber schürzten sich die Ereignisse zu einem Knoten, den mit einem schnellen Entschluß zu durchhauen Falkenhayn sich nicht bereitfand. Denn der neue Angriff auf Ypern am 10. November, der, wie oben angedeutet, nur einem taktischen Ziele galt, brachte eine Niederlage, die an Opfern noch überstieg, was bisher auf den Schlachtfeldern von Flandern geschehen war. Dagegen bestätigte die gleichzeitig — also am 10. /11. November — einsetzende Umfassungsoperation im Osten die Richtigkeit der von den Ostführern der OHL immer wieder vorgetragenen Konzeption, die ja auch Falkenhayn am 7. /8. November eingesehen hatte. Es eröffneten sich mit einem Siege bei Kutno am 11. November Perspektiven für eine strategische Vernichtungsschlacht im Sinne Schliessens. Der Weg war frei für eine deutsche Flügelbewegung, die — kaum anders als es der Kriegsplan im Westen vorgesehen hatte — das feindliche Heer von der Flanke und vom Rücken her umfassen konnte. Die Russen waren damals mit fast ihrer gesamten mobilen Macht einer solchen Umklammerung ausgesetzt, ohne die verkehrstechnischen Möglichkeiten zu Truppenverschiebungen, wie sie den Franzosen in der Marne-Schlacht zur Verfügung gestanden hatten, und hätten sich auch kaum noch dem deutschen Zugriff durch einen Rückzug in die Tiefen ihres Raumes entziehen können. Das wäre allenfalls mit dem anderen der beiden vom russischen Generalstab vorbereiteten Aufmarschpläne möglich gewesen; eben der war aber nicht in Kraft gesetzt worden in der Erwartung, daß die Deutschen ihre Hauptmacht nach Frankreich werfen würden Es war, als sollte sich Deutschland in dem Augenblick, da sich die Folgen der Niederlage im Westen abzeichneten, doch noch ein Weg zeigen, das Problem des Zweifrontenkrieges mit militärischen Mitteln zu meistern.

Auch im großen Hauptquartier war man sich in diesen Tagen der Chance im Osten bewußt. Der Konflikt, in dem sich Falkenhayn befand, aber auch der Starrsinn, mit dem er an der Fehlentscheidung im Westen festhielt, spiegeln sich in einer Gesamtbesprechung wider, zu der er die Generalstabschefs der Westarmeen am 12. November berufen hatte Erst nach der in wenigen Tagen zu erwartenden Wegnahme des Ypernbogens sollten „sofort" und „gleichzeitig“ starke Kräfte für den Osten freigemacht werden — „zunächst vier Korps und später mehr“. Zur Zurücknahme der Front im Westen könne er sich nicht entschließen, „da das einer Niederlage und dem Verlust des Feldzuges gleichkäme“. Er weigerte sich, das Ypernunternehmen abzubrechen. Er ließ sich auch nicht umstimmen, als am 14. November das Scheitern der Unternehmung dem Kaiser deutlich wurde, nicht einmal, als ihn dieser auf die Intervention des Reichskanzlers am 16. November durch den Flügeladjudanten von Plessen mahnte, „gleich Kräfte für den Osten freizumachen“ Viel-leicht war es zu diesem Zeitpunkt für den Osten schon zu spät und im Westen die Situation zu kompliziert geworden.

Als sich Falkenhayn in der Frühe des 18. November endlich zur Einstellung des Angriffs auf Ypern entschloß, sah er sich nur noch in der Lage, ein allmähliches Herausziehen und den Abtransport von abgekämpften Divisionen anzuordnen, die nun am rechten Flügel abkömmlich waren. Auch das geschah, ohne daß er sagen konnte, in welchem Umfange und zu welchem Zeitpunkte sie im Osten eintreffen würden. An eine Freigabe weiterer Kräfte sei in Erwartung feindlicher Durchbruchsversuche — die dann in den folgenden Wochen auch unternommen wurden _ nicht zu denken. In schroffem Gegensatz zu seinem großen Plan der Ostoffensive vom 8.

November hatte der Generalstabschef am 18. November nun auch die Hoffnung auf eine militärische Kriegsentscheidung im Osten aufgegeben. Auch dort kam für ihn nun nur noch eine hinhaltende Kriegführung in Betracht. Wie er au diesem 18. November Hindenburg auf die Anfrage nach den versprochenen Verstärkungen mitteilte, hielt er im besten Falle ein Zurückdrängen der Russen hinter den Na-rew-und Weichselbogen oder auf ihre Brückenköpfe und die Rückeroberung Galiziens für erreichbar

3. Die Idee des Sonderfriedens mit Rußland

Es war am 15. November, als Falkenhayn dem Staatssekretär der Marine gestand, daß der Übergang zum „Positionskrieg" im Westen doch ein Weiterkommen auch im Norden fraglich erscheinen lasse; man müsse sich daher im Westen darauf beschränken, die jetzige Stellung zu halten, um Truppen nach dem Osten werfen zu können: „Die ganze Situation sei schwierig und ernst“ Damit war für den Schöpfer der deutschen Schlachtflotte die Stunde gekommen, seine außenpolitische Konzeption zur Geltung zu bringen. Tirpitz war einer der markantesten Vertreter der „Ostorientierung“ und stand deshalb auch mit dem unentwegten publizistischen Vorkämpfer einer Verständigung mit Rußland, dem Historiker Otto Hoetzsch, in Verbindung Ihm ging es um die Auseinandersetzung mit England, darum, die „Freiheit der Meere“ und die maritime, koloniale und wirtschaftliche Machtstellung des Deutschen Reiches in der Welt zu erkämpfen. Für eine deutsche Weltpolitik aber war die Rückenfreiheit im Osten erforderlich. „Ich sagte,“ so hat er es in einer Aufzeichnung über diese Unterredung mit Falkenhayn niedergelegt, „der beste Weg schiene mir eine Einigung mit Ruß-land“. Tirpitz hatte sich auch schon der Zustimmung des Staatssekretärs des Auswärtigen, von Jagow, versichert, wie auch der des Generals von Lyncker, der als Chef des Militärkabinetts das Ohr des Kaisers hatte Zu dem Gegenargument Falkenhayns, der Rücksichtnahme auf die Bundesgenossen, meinte er, daß bei den Russen ein Separatfrieden vielleicht auch unter der Bedingung des Status quo für Österreich-Ungarn und die Türkei zu erreichen sei. Man müsse ihnen begreiflich machen, daß es ein Wahnsinn sei, wenn sich Deutschland und Rußland, die doch keine wirklichen Interessengegensätze hätten, für England verbluteten.

In diesem Gespräch der beiden Repräsentanten von Heer und Marine ist der Ansatz für eine Linie der deutschen Außenpolitik erkennbar, die wenn auch zeitweise zurücktretend, bis zur russischen Märzrevolution fortgesetzt werden sollte. Auch die Problematik dieser von Tirpitz verschlagenen „politischen Lösung“ trat hervor: die Tatsache nämlich, daß das Bündnis mit dem habsburgischen Nationalitätenstaat und mit dem Osmanischen Reich als Besitzer der Meerengen die Verständigung mit Rußland erschwerte. Demgegenüber tauchte jedoch das Argument einer deutsch-russischen Interessengemeinschaft gegen England auf, mit dem die deutsche Diplomatie dann auch am Zarenhofe operiert hat.

18. November 1914: Kein vollständiger Sieg mehr möglich

Drei Tage später — am 18. November — kam es zu einer grundsätzlichen Aussprache zwischen Falkenhayn und Bethmann-Hollweg Der Chef des Generalstabs erklärte dem Reichs-kanzler unumwunden, daß eine militärische Niederwerfung, eine „völlige Besiegung und Vernichtung unserer Gegner ... in entscheidender Schlacht . . . ausgeschlossen“ sei. „Solange Rußland, Frankreich und England zusammen-hielten, sei es uns unmöglich, unsere Gegner so zu besiegen, daß wir zu einem anständigen Frieden kämen. Wir würden vielmehr Gefahr laufen, uns langsam zu erschöpfen.“ Falkenhayn schlug deshalb vor, daß entweder Rußland oder Frankreich, in erster Linie aber Rußland „abgesprengt“ würden und meinte, daß nach einem Frieden mit Rußland auch Frankreich mit Sicherheit „klein beigeben“ würde. England könne dann durch Blockade ausgehungert werden. Er skizzierte auch die Friedensbedingungen: Von „seinem militärischen Standpunkt" aus verlangte er für den Fall, daß Frankreich bzw. Ruß-land zu einem Separatfrieden bereit seien, „nichts als eine ausreichende Kriegsentschädigung, aber kein Land" — für Frankreich verstand er unter einem „ehrenvollen Frieden“ die Schleifung von Beifort, für Rußland „kleine Grenzberichtigungen im Verteidigungsinteresse, worüber indes noch Ermittelungen angestellt werden müßten“. „Den psychologischen Moment“ zur Fühlungnahme mit Rußland sah der Generalstabschef gekommen, wenn es Hindenburg gelingen würde, in den jetzt im Gange befindlichen Kämpfen die Russen zu schlagen. Er sei damit einverstanden, sagte er zu Bethmann, daß dann selbst eine gewisse „Invite“ von unserer Seite stattfände — natürlich in vollem Einverständnis mit Wien, da sonst die dringende Gefahr bestehe, daß sich Österreich-Ungarn von dem Bündnis mit Deutschland löse.

Der Reichskanzler mußte also wenige Monate nach dem Kriegsausbruch feststellen, daß, nach den „allerdings stets reservierten“ Mitteilungen des Generalstabs — keine Chancen für einen militärischen Sieg mehr bestanden. Allenfalls werde der Krieg wegen allgemeiner gegenseitiger Erschöpfung ohne ausgesprochene Niederlage der einen oder der andern Partei enden. Er meinte aber auch damit rechnen zu müssen, daß der Krieg durch etwaige niemals ausgeschlossene militärische Rückschläge eine „im ganzen für uns ungünstige" Wendung nehmen würde. „Nimmt man alles in allem, so muß man trotz aller Zuversicht die Situation als ernst bezeichnen“. Unter diesen Umständen, so informierte Bethmann-Hollweg den in Berlin amtierenden Unterstaatssekretär Zimmermann, habe er sich „dem fortgesetzten Drängen des Generals v. Falkenhayn auf Separatverständigung mit Rußland“ nicht entziehen können. Man müsse also versuchen, „Rußland abzusprengen". Es würde wohl, meinte er, dem Gedanken des Generalstabschefs folgend, auf eine Verständigung mit Rußland über den Status quo hinauslaufen, d. h. daß die Verhältnisse dort „im wesentlichen so blieben wie vor dem Kriege“.

Allerdings gab es da noch ein militärisches Problem zu lösen. Der Kanzler griff wohl die Anregungen des Generalstabschefs mit auffälliger Bereitwilligkeit auf und war vielleicht sogar tiefer und aufrichtiger von der Notwendigkeit diplomatischer Verhandlungen überzeugt als dieser, der unter der Auswirkung eines seelischen Schocks und nach dem Scheitern der militärischen Pläne nach einem Ausweg suchte. Aber Bethmann war nicht bereit, die ihm von der militärischen Führung gestellte Aufgabe zu übernehmen, ohne daß diese die dafür erforderlichen militärischen Voraussetzungen schuf. Denn zunächst sah er gar keine Anzeichen, daß Rußland zu einer Verständigung bereit sei. Wenn Falkenhayn Bereitwilligkeit von einem erneuten Sieg Hindenburgs erwartete, so würde das nach Bethmanns Dafürhalten nicht aus-reichen.

Hier liegt denn auch der schwache Punkt der Falkenhaynschen Argumentation und eine gewisse Unaufrichtigkeit seines Ansinnens an die Diplomatie. Offensichtlich wurde die entscheidende Frage der militärischen Voraussetzungen von ihm bagatellisiert. Ohne entscheidend geschlagen zu sein, sollten sich die Russen auf einen Sonderfrieden einlassen, und zwar auf einen Frieden, der ihnen knapp den Status quo gewährte. Immerhin war von einer Kriegsentschädigung und sogar von einer strategischen „Grenzkorrektur“ die Rede, hinter der sich offenbar der Wunsch nach einem „Grenzschutz-streifen" für das exponierte Ostpreußen durch die Annexion der Njemen-Narewlinie verbarg, ein Wunsch, der sogar von den ausgesprochenen Anhängern deutsch-russischer Verständigung vertreten wurde Selbst wenn sich im Laufe der Verhandlungen hierfür ein Kompensationsverfahren ergeben hätte oder auf diese Forderung verzichtet worden wäre, so hätte es sich doch für Rußland um einen rein negativen Frieden gehandelt, solange nicht etwa Ostgalizien oder Konstantinopel im Geschäft waren. Konnte sich eine Regierung, die vom sozialen Umsturz bedroht war, auf den Verzicht solcher nationalen Ziele einlassen? War das zu erwarten, nachdem sie sich in einem Ministerrat im Frühjahr 1914 zu der protokollarisch festgehaltenen Überzeugung bekannt hatte, daß sie nur in einem Kriege gewonnen werden könnten? Was sollte den Zaren denn veranlassen, einen außenpolitischen Frontwechsel vorzunehmen gegenüber einer Konzeption, die seine Politik seit dem englisch-russischen Abkommen von 1907 bestimmte, was konnte ihn dazu bringen, seine Verbündeten zu verraten, solange er erwarten konnte, daß ihm diese den Preis zahlen würden, den eine traditionelle, seit Katharina II. verfolgte Balkanpolitik der Russen erstrebte? Solange Rußland nicht kampfunfähig war, und damit war ja gerade nach Falkenhayns Eröffnungen vom 18. November nicht zu rechnen, waren jedenfalls militärische Gründe für eine Friedensbereitschaft Rußlands nicht vorhanden. Die Schlacht von Tannenberg sollte nicht die einzige Niederlage sein, nach der aus dem Innern des Riesenreiches neue Massen zum Angriff herbeiströmten.

Mögliche Rückwirkungen deutscher Verhandlungsbereitschaft

Der Kanzler fürchtete aber auch, daß eine deutsche Initiative von der gesamten Tripleentente als Schwäche ausgelegt werden würde. Hier wird ein Problem angesprochen, das nahezu alle deutschen Friedenssondierungen überschatten sollte: die — nicht unberechtigte — Sorge, daß Verhandlungsbereitschaft den Eindruck erweckte, als ob Deutschland auf einen baldigen Friedensabschluß angewiesen sei. Es bestand die Gefahr, daß jedes Zeichen eines solchen Bedürfnisses dem Gegner eine propagandistische Waffe liefern und — wie es Bethmann in diesem Falle für Frankreich befürchtete — — eher etwaige Friedensneigungen ersticken würde. Wir werden uns noch mit der Taktik Bethmanns beschäftigen, gerade dann, wenn er einen Weg zum Frieden zu finden suchte, die Stärke der deutschen Position vorzutäuschen.

Unsere Bemühungen, die Motive und Ziele dieser Friedenspolitik zu erfassen, erfordern aber auch einen Blick darauf, was sich Falkenhayn und was sich Bethmann für die weitere Entwicklung des Krieges davon erhofften. Wie Bethmann die Ansichten des Generalstabschefs wiedergibt, sollte der Ostfriede nicht einmal dazu dienen, den Sieg über Frankreich zu erringen, der Deutschland im Westen einen Ausgleich für den Verzicht im Osten geben würde. Zwar hielt es Falkenhayn dann für möglich, Frankreich und England entscheidend zu schlagen, er rechnete aber damit, daß Frankreich nach einem russischen Separatfrieden klein beigeben würde. Mit einem ehrenvollen Frieden, der seine territoriale Integrität im wesentlichen wahre, könne dann der Weg zu einer deutsch-französischen Verständigung geöffnet werden. Das biete dann die Möglichkeit, den Krieg gegen England als den eigentlichen Gegner zu führen und Deutschland durch Kriegsgewinne auf kolonialem Gebiet zu entschädigen. Es ist die po-litische Konzeption von Tirpitz, die hinter solchen Erwägungen steht und die sich hier mit dem Wunsche verbindet, den offensiven Land-krieg an beiden Fronten einzustellen.

Demgegenüber ist der Gedankengang Bethmanns komplizierter und undurchsichtiger, zum mindesten schwerer zu verstehen. Denn er malt einmal das Bild, daß Deutschland um den Preis des Status quo im Osten „gegen Westen hin die uns passenden Zustände" schaffen und, wenn es dies für richtig halte, selbst ein etwaiges Friedensangebot Frankreichs zurückweisen könne. Deutschland könnte Frankreich dann, so heißt es sogar, „militärisch so auf die Knie zwingen, daß es jeden von uns gewünschten Frieden annehmen muß, und zugleich, wenn die Marine hält, was sie verspricht, England unseren Willen aufzwingen". Im Widerspruch dazu will er in seinem, wie er es nennt, „Räsonnement" aber nicht verschweigen, daß auch im Falle der Absprengung Rußlands „die Hoffnung auf einen absoluten Sieg über Frankreich und England nicht ganz ungewagt“ sei. Er könne auch in keiner Weise beurteilen, ob die Marine überhaupt für eine gewisse Dauer imstande sei, England die Lebensmittelzufuhr abzuschneiden. Es war die Tragik dieses Reichskanzlers, daß er von Anfang an die Schwierigkeiten und Hindernisse sah, die einem russischen Separatfrieden entgegenstanden, und daß er sich aus dieser Einsicht heraus später — freilich vergeblich — gegen Maßnahmen gesträubt hat, die eine solche Verständigungspolitik durchkreuzen mußten, um wieder den Vorwurf auf sich zu laden, dadurch den Sonderfrieden mit Rußland verhindert zu haben.

Der Friedensvorschlag Falkenhayns erweckte bei Bethmann-Hollweg aber auch den Verdacht, „daß dabei noch andere Kalküls mitsprechen“: der Wunsch nämlich, „für alle Fälle die Schuldfrage günstig zu regulieren". Das ist eine Anspielung darauf, daß die militärische Führung hier die Verantwortung für die weitere Entwicklung und das Odium etwa für einen schlechten Kriegsausgang der Diplomatie zuschieben will.

Später, als die Bemühungen um den russischen Frieden im Sommer 1915 scheitern, wird Falkenhayn dem Kanzler prompt den Vorwurf machen, daß die politische Leitung den richtigen Zeitpunkt für die Anknüpfung mit Rußland versäumt habe. Bethmann weist deshalb mehrmals auf den militärischen Ursprung seines „Rä-sonnements" hin, daß es auf „ganz nüchternen und überdies durch die Umstände beeinflußten Erwägungen“ der OHL beruhe — im Einzelnen nennt er die Offensivkraft der Franzosen, die schwierige Stellung bei Ypern und den „momentanen sehr peinlichen Mangel an Artillerie-munition“. Das habe die OHL so beeindruckt, daß sie „jedenfalls eine ausgesprochene Kriegs-freudigkeit nicht mehr zeigt“.

Damit erscheint die Aussprache zwischen Kanzler und Generalstab am 18. November 1914 nicht nur als ein bedeutsamer Tag in der Geschichte der deutschen Außenpolitik des Ersten Weltkrieges, sondern auch als ein instruktiver Beitrag zum Thema Politik und Kriegsführung. Das wird noch deutlicher, wenn man sich der Vorgänge erinnert, die sich in den letzten Tagen vor dem Kriegsausbruch in Berlin abgespielt hatten Damals setzte der Chef des Generalstabes beim Reichskanzler durch, daß die russische Generalmobilmachung nicht nur mit einem die deutsche Mobilmachung androhenden Ultimatum, sondern unmittelbar darauf auch mit der Kriegserklärung beantwortet wurde. Der Zeitplan der Strategie bestimmte damals die Politik, etwa noch vorhandene Friedensmöglichkeiten zu zerschlagen, um nicht den Krieg, wenn er doch kam, unter ungünstigeren Umständen führen zu müssen. Es ist für unseren Zusammenhang nicht unwesentlich, daß die militärischen Persönlichkeiten, die damals im Gegensatz zu Moltke die vorzeitige Kriegserklärung an Ruß-land noch zu verhindern suchten — Falkenhayn und Tirpitz —, dieselben waren, die jetzt den Sonderfrieden mit Rußland erstrebten.

Nun war die militärische Aktion gescheitert, um deretwillen sich die politische Leitung am 31. Juli der anlaufenden Kriegsmaschinerie unterworfen hatte. Und nun verlangte die militärische Führung von der Diplomatie eine Aktion, deren Wirkungskreis, wie die politische Leitung sehr wohl erkannte, durch die Eigengesetzlichkeit des militärischen Ablaufes Grenzen gezogen waren. Die diplomatische Offensive setzte nach Bethmanns Ansicht eine militärische Offensive voraus, und zwar nach Meinung der politischen Führung eine weitergreifende als die militärische Führung für möglich hielt. *

4. Ein dänisches Vermittlungsangebot

Am gleichen Tage, an dem in Charleville Generalstabschef und Reichskanzler über den Sonderfrieden mit Rußland sprachen, schien sich ein Weg zu bieten, mit den Russen ins Gespräch zu kommen. Die Initiative, die Bethmann-Hollweg vermeiden wollte und die auch von Rußland kaum zu erwarten war, kam nun von dritter Seite. Am 18. November erschien beim deutschen Gesandten in Kopenhagen, Graf Brockdorff-Rantzau, und zwei Tage später in Berlin bei dem Generaldirektor der Hapag, Albert Ballin der dänische Reeder und Staatsrat Hans Niels Andersen, bekannt als Vertrauensmann der dänischen Königsfamilie. Ballin gegenüber erklärte er folgendes: Er sei im Auftrage und auf . Veranlassung König Christians in London gewesen, um dort die Stimmung des Kabinetts zu erforschen. Dieses sei — so stellte er es dar — einer Verständigung mit Deutschland zugeneigt; sogar von einem festen, „weitgreifenden" Bündnis zwischen Deutschland und England, das den Frieden der Welt garantiere, sei die Rede gewesen Auf Grund seiner Eindrücke in London und, wie Andersen sagte, „auf Befehl“ seines Königs stelle er die Frage, „ob es seiner Majestät dem Kaiser genehm sei, wenn der König aus eigener Initiative sowohl bei seinem Vetter, dem König von England, als auch bei seinem Vetter, dem Zaren, um die Zustimmung nachsuche, daß er sich an S. M.den deutschen Kaiser mit dem Anerbieten einer Friedensvermittlung wenden könne". Dabei versprach Andersen, daß König Christian die Anfragen in London und Petersburg so hinstellen würde, als ob sie ohne Vorwissen des deutschen Kaisers geschähen. Nur wolle sich sein Monarch ganz vertraulich vergewissern, daß er sich mit einem solchen Angebot nicht einer Zurückweisung durch Wilhelm II. aussetze. Auf Befragen gab Andersen kund, daß der dänische König seinen Außenminister, Scavenius, ins Vertrauen gezogen habe, dieser also über seine Mission informiert sei.

Albert Ballin hatte sich auf dem Gebiet der internationalen Handelsschiffahrt als ein besonders erfolgreicher Verhandlungsführer erwiesen und es dabei verstanden, auch widerstreitende internationale Interessengegensätze auszuglei-dien. Bülow bezeugt ihm nicht nur scharfen Verstand, sondern „einen Verstand mit Res-sourcen“ — „er wußte und fand immer einen Ausweg“ Diese Fähigkeit wie auch seine und seiner Freunde Verbindung zur englischen Regierung und nicht zuletzt Praktiken im kaufmännischen Verkehr, der weniger von politischen Macht-und Prestigefragen belastet war, waren schon oft von der Reichsleitung benutzt worden, um Verhandlungen über Flottenabkommen einzuleiten. Gelegentlich des Besuches eines englischen Geschwaders im Juni 1914 hatte er sich sogar um eine Zusammenkunft zwischen Churchill, dem damaligen Marineminister, und Tirpitz bemüht; während der Juli-krise war er im Auftrage des Auswärtigen Amtes in London gewesen, um über Marine-fragen mit Grey, Haldane und Churchill zu verhandeln Noch in den Wochen nach Ausbruch des Krieges wollte er Tirpitz davon über-zeugen, daß Churchill von der Idee besessen sei, mit Deutschland ein Flottenarrangement zutreffen. „Sie können ihn (Churchill) billig haben! Sie sollten ... die Gelegenheit nicht verpassen!“

Der Kriegsausbruch hatte den Generaldirektor der Hapag besonders hart getroffen. Geradezu „erschrocken“ aber war er „über die uferlosen Gedanken, denen nicht nur die Berliner, sondern auch hervorragende Männer aus Rheinland und Westfalen sich hingeben“ und darüber, daß die Wut gegen England — „und zumal hier in Hamburg“ — so maßlos sei Noch als er sich — am 30. August — einen gesunden Optimismus zu bewahren suchte „gegenüber dem in Berlin grassierenden ungesunden“, prägte er das Wort, daß Deutschland siegen müsse „bis zum bitteren Ende“.

Deutsch-englische Verständigung?

Auch Ballin machte sich Gedanken über den Friedensschluß, was um so mehr ins Gewicht fiel, als er ja sowohl mit Bethmann-Hollweg als auch mit Tirpitz und Admiral v. Müller, dem Chef des Marinekabinetts, in unmittelbaren persönlichen Beziehungen und im Gedankenaustausch stand und vor allem auch das Ohr des Kaisers hatte. Ballin vertrat den Gedanken der deutsch-englischen Verständigung und wollte den Kampf um die deutsche Weltgeltung lediglich mit wirtschaftlichen Mitteln führen. Darum war er sogar ein Gegner des Schlachtflottenbaus gewesen, in dem er den eigentlichen Grund des deutsch-englischen Zerwürfnisses sah So ging es ihm auch jetzt zwar um einen Frieden, der Sicherheit vor einem neuen Krieg böte, aber die sah er dann gegeben, wenn Engländer und Deutsche die Waffen unter Umständen niederlegten, unter denen beide ehrenvoll und ohne Haß nach Hause gehen könnten. Dafür schienen ihm auf englischer Seite die Voraussetzungen in der traditionellen Gleichgewichtspolitik zu liegen, nach der die Engländer nicht daran interessiert sein konnten, daß Deutschland von den Russen überflutet würde. In einem deutsch-englisch-französischen Bündnissystem sah Ballin die künftige Neugruppierung. Da sich Frankreich diesem System nicht ohne seinen russischen Bundesgenossen anschließen werde, sollte auch mit Rußland paktiert werden. Eben in diesen Tagen war er bemüht, Tirpitz von dem Gedanken an eine Seeschlacht mit der Begründung abzuhalten, daß der Frieden mit England gefährdet sei, wenn dieses auf maritimem Gebiet eine große Schlappe erleide und sein Flottenprestige einbüße — ein Gedankengang, den Admiral v. Müller akzeptierte, in dem Tirpitz aber noch nach dem Krieg ein „erschreckendes Zeugnis mangelnden Instinktes“ sah So interessierte sich Ballin, als ihn Andersen am 20. November aufsuchte, vor allem für die Aussicht auf eine deutsch-englische Verständigung. König Christian, riet er, möge seine Vermittlungsvorschläge vorerst nur auf Deutschland und England erstrecken, es erscheine ihm daher auch nicht nötig, den Zaren vorzeitig ins Vertrauen zu ziehen

In Charleville, wo die Niederschrift dieser Unterredung am 24. November dem Kaiser vorlag, von dem sie noch am gleichen Tage an Falkenhayn und von diesem dem Reichskanzler übermittelt wurde sah man die Dinge anders. Andersens Schilderung von der Verstän-digungsund sogar Bündnisbereitschaft Englands charakterisierte Wilhelm II. als „Utopie“. Doch schien sich hier ein Weg zu bieten, um einen Teilfrieden mit Rußland anzubahnen und damit die gegnerische Koalition zu sprengen. Allerdings wollte der Kanzler die Antwort auf das dänische Vermittlungsangebot noch verschieben, bis die Entscheidung im Osten gefallen war. Wohl um den Eindruck der Schwäche zu vermeiden verwandte er jene Formel, die wir aus seiner Antwort vom 12. September auf das amerikanische Vermittlungsangebot kennen: daß Deutschland einen Verteidigungskrieg führe und bereit sei, solche ihm zugehenden Friedensvorschläge zu prüfen, die ihm „volle Entschädigung und Sicherung gegen erneuten Überfall durch drei Gegner gewährleisteten“ Doch schon 24 Stunden später gab Bethmann, nach einer Rücksprache mit dem Kaiser und mit Falkenhayn, eine andere Weisung nach Berlin. Falkenhayn kam das dänische Angebot äußerst gelegen. Es lieferte ihm den Anlaß, um die sofortige Durchführung seiner Anregungen zu verlangen und sich über die militärischen „Bedingungen" der zivilen Reichsleitung für eine erfolgreiche Anknüpfung mit Rußland hinwegzusetzen. Es ist ersichtlich, daß er den Kaiser gewonnen hatte: mit ausdrücklichem Hinweis, daß es der Wunsch Falkenhayns sei, beauftragte der Kanzler nun das Auswärtige Amt, Andersen zu antworten, daß der Kaiser „bei seiner aufrichtigen Wertschätzung des Königs von Dänemark kein Anerbieten einfach ablehnen, sondern jedes mit der der Person und Stellung des hohen Anbietenden angemessenen Sorgfalt prüfen und behandeln werde“ Es ist bezeichnend, daß diese Antwort von Falkenhayn entworfen wurde. Offensichtlich wollte er die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen. Der Hinweis des Kanzlers deutet aber auch darauf hin, daß er sich in dieser Sache zu distanzieren wünschte. Die grundsätzliche Übereinstimmung, daß ein Separatfriede mit Rußland erstrebenswert sei, hatte sich in eine heftige Meinungsverschiedenheit verwandelt. Darüber hinaus wollte Falkenhayn den bedenklichen Weg einschlagen, sich ohne Unterrichtung der Österreicher auf die dänische Vermittlung einzulassen. Darum legte er, wie Bethmann mitteilt, auf eine möglichst allgemein gehaltene Fassung Wert Es wird nicht deutlich, ob Falkenhayn sich von einem solchen isolierten Vorgehen eher Erfolg versprach, daß er etwa Österreich fallen lassen wollte, um so die fehlende Entscheidung im Osten zu kompensieren — daß Zimmermann in seiner Stellungnahme auf diese Seite des Problems eingeht, legt das nahe. Aber an diesem Punkt stößt der Generalstabschef auf den entschiedenen Widerstand des Kanzlers, des Staatssekretärs und des Unterstaatssekretärs, die in aller Schärfe die Rücksicht auf die beiden Bundesgenossen, auf Österreich und die Türkei, in der Separatfriedensfrage hervorheben Bethmann machte zudem geltend, daß mangelnde Standhaftigkeit eher von einem Österreich zu befürchten sei, das hintergangen worden sei. Eben erhielt er von Ludendorff eine Meldung über einen angeblichen Versuch der Österreicher, ihrerseits einen Sonderfrieden mit Ruß-land abzuschließen Wenn, wie zu erwarten sei, der deutsche Schritt dann doch in Wien bekannt werde, bestände erst recht die Gefahr, daß es den Russen gegenüber „mit beiden Händen zugreift, im Osten Militär schlapp wird und uns im Westen sitzen läßt“ Unter dem Durck dieses Widerstandes der Politiker wurde dann dem Falkenhaynschen Entwurf für die durch Ballin weiterzuleitende Antwort der Passus eingefügt: „Deutschland und seine Verbündeten“. Die Wiener Regierung wurde durch den deutschen Botschafter v. Tschirschky davon unterrichtet, daß der deutsche Kaiser ein Friedens-vermittlungsangebot vom dänischen König erhalten habe, der sich zu einer Anfrage an den König von England und an den Zaren erboten habe, und daß der Kaiser die oben erwähnte Antwort gegeben habe

Schwerste Bedenken der politischen Reichsleitung

An dem von militärischer Seite forcierten Beschluß, ohne Verzug auf einen russischen Separatfrieden hinzuarbeiten, vermochte es nichts mehr zu ändern, daß am 27. November innerhalb der politischen Reichsleitung noch einmal schwerste Bedenken erhoben wurden. Der Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amtes, Zimmermann, legte in einer umfangreichen Denkschrift dar, daß zwar auch er es für erwünscht halte, „einen Keil zwischen unsere Feinde zu schieben“, aber, wie er die Frage eines Separatfriedens mit Ruß-land stets verneint hätte, so könne er auch jetzt nur nachdrücklich den gleichen Standpunkt vertreten. „Der Russe ist nicht unser Freund". Wir könnten uns mit ihm wohl für einige Zeit auf Kosten Österreich-Ungarns verständigen, wenn wir seinen Expansionsgelüsten nachgäben. Aber das Endziel Rußlands sei doch der Zusammenschluß sämtlicher Slawen des Balkans und der Doppelmonarchie unter seinem Szepter. Den Druck eines so gewaltigen Slawenreiches würde Deutschland zweifellos nicht vertragen. Nicht nur mit Rücksicht auf den österreichischen und den türkischen Bundesgenossen, sondern um seiner eigenen Selbsterhaltung willen und um nicht in wenigen Jahren einen zweiten Krieg führen zu müssen, solle Deutschland mit seinem östlichen Nachbarn „gründlich abrechnen“. Den Weg, um Rußland „gänzlich niederzwingen“ zu können, glaubte Zimmermann darin zu sehen, daß man sich im Westen auf Verteidigung und Behauptung beschränkte und versuchte, einen französischen Separatfrieden zu schließen, während man im Osten alle Kräfte auf die Besetzung Polens und die Säuberung Galiziens konzentrierte. Bei solchem „energischen Vorgehen“ mit dem Ziel einer Niederwerfung Rußlands könnte Deutschland auch die Neutralen, namentlich Bulgarien und Rumänien, vielleicht sogar Schweden, gewinnen und auch auf Erfolg seiner Revolutionierungsversuche rechnen.

Erst wenn dazu die deutschen Kräfte nicht ausreichen sollten, gab Zimmermann zu, daß ein Separatfriede mit Rußland in Frage käme. Aber er machte ihn von zwei Bedingungen abhängig. Einmal müßten Deutschlands Bundesgenossen ihm zustimmen können, und zum anderen bestand er auf der Notwendigkeit militärischer Vorleistungen im Osten. Hierfür wies Zimmermann jedoch einen anderen Weg als Falkenhayn und Bethmann-Hollweg, die vor allem an Operationen in Polen gedacht hatten, und er griff damit zugleich eine strategische Kontroverse wieder auf, die bereits seit einiger Zeit zwischen militärischer und politischer Leitung bestand. Zimmermann glaubte, Rußland sei nur durch einen Feldzug gegen Serbien separatfriedensreif zu machen, der die Russen in ihrer angemaßten Rolle als Protektoren aller Slawen kompromittieren würde und sie ihrer panslawistischen Balkanhoffnungen, vor allem der Hoffnung auf Konstantinopel und die Meerengen beraubte. Hätte Deutschland durch den Serbienfeldzug, auf den auch die Österreicher drängten, erst die serbische Nordostecke bereinigt und die Versorgung der Türkei sichergestellt, so werde Rußland voraussichtlich für „billige Friedensbedingung“, also etwa territorialen Status quo und eine mäßige Kriegsentschädigung, zu haben sein

Wie hinter Falkenhayns Eröffnungen vom 18. November die englandfeindliche und rußlandfreundliche Konzeption Tirpitz’ als des vielleicht markantesten Vertreters einer deutschen „Ostorientierung“ sichtbar wurde, so waren auch Zimmermanns Ansichten in einer politischen Konzeption begründet, die das Urteil über eine aktuelle Angelegenheit weitgehend beeinflußte. Zimmermann war ein Vorkämpfer der deutschen Orient-und Balkanpolitik und grundsätzlich antirussisch eingestellt. Er hielt die russischen „Expansionsgelüste", die „panslawistischen Treibereien" für unabänderlich, die nicht nur Österreich und die Türkei, sondern das Reich selbst in seiner Existenz bedrohten. Für den Gedanken eines Verständigungsfriedens mit Rußland sprach er sich daher nur unter großen Vorbehalten und sozusagen als letzte Möglichkeit aus.

Orientierung nach Wunschbildern

Mochte die Frage der Sprengung der Entente von der Kriegssituation her betrachtet nur eine taktische Maßnahme sein, die sich daran orientierte, welcher Gegner der schwächste war und für den Separatfrieden als besonders zugänglich galt, so waren doch die tiefergehenden Konsequenzen einer deutschen West-oder Ostorientierung von der Separatfriedensfrage nicht zu trennen. Bezeichnend ist, daß bei den verantwortlichen Männern das kritische Urteil über die Situation an einem Punkt aussetzte und durch das Schema oder Wunschbild der vorgegebenen politischen Konzeption ersetzt wurde. Waren Tirpitz-Falkenhayn hinsichtlich einer Verständigung mit Rußland unkritisch und auffallend optimistisch, so daß sie den Widerspruch der politischen Leitung herausforderten, so war Zimmermann es nicht minder, wenn er umgekehrt meinte, am leichtesten werde ein Separatfriede mit Frankreich zu erzielen sein. Die Hauptschwierigkeit jeder deutsch-französischen Verständigung, Elsaß-Lothringen, wurde von ihm nicht einmal erwähnt. Bietet sich hier ein Blick in einen grundsätzlichen Gegensatz innerhalb der außenpolitischen Führung, so ist auch das Verfahren aufschlußreich, mit dem der Friedensschritt eingeleitet wurde. Die Sprachregelung gegenüber dem Vermittler und damit gegenüber dem Gegner, wie auch die für den Bundesgenossen verraten das taktische Bedürfnis, den Anschein der Schwäche zu vermeiden. Gegenüber der Wiener Regierung ist man einmal bemüht, die Angelegenheit zu bagatellisieren. Tschirschky sollte den Eindruck vermeiden, „als ob wir der Sadie einen wirklich ernsten Charakter beilägen“. Und zum andern wird das Friedensbedürfnis dem Gegner zugeschoben. Das dänische Anerbieten sei ein „Symptom für die allgemeine Lage“ Die zustimmende Antwort Kaiser Franz Josephs bezeichnete denn auch das „Friedensanerbieten" (!) als ein erfreuliches Symptom für die — gemeint ist pessimistische — Stimmung bei den Gegnern. Nach Tschirschkys Kommentar erwartete man in Wien auch für die Zukunft genügend Garantien „nach allen Seiten" Auch der für Kopenhagen bestimmte Text machte geltend, daß die militärische Lage so sei, „daß wir nicht um Frieden (zu) bitten brauchen“: „als Angegriffene müssen wir abwarten, daß unsere Gegner uns die Hand bieten"

Sollte mit solchen Formulierungen verhindert werden, daß das Friedensbedürfnis der deutschen Regierung als Schwäche ausgelegt wurde, so verschwieg man gegenüber Ballin, Andersen und König Christian und ebenso gegenüber der Wiener Regierung ausdrücklich, daß Deutschland das Angebot der Vermittlung eines allgemeinen Friedens benutzen wollte, um einen Separatfrieden mit Rußland zu erreichen. Denn daß es darum ging, verraten die Akten mit aller Deutlichkeit. „Seine Majestät wünscht dringend, ebenso wie Herr von Falkenhayn, Separatverständigung mit Rußland“, hieß es in Bethmanns Telegramm vom 25. November an das Auswärtige Amt Und man hatte es eilig. Bereits am 30. November wurde Ballin in Berlin vom Reichskanzler empfangen und unmittelbar nach der Unterredung ging sein Telegramm nach Kopenhagen, mit der Aufforderung an Andersen, ihn am übernächsten Morgen in Berlin zu treffen. In den fplgenden Tagen häuften sich in Berlin die Telegramme aus Charleville. Falkenhayn fragte fast täglich, ob denn noch keine Antwort aus Wien da sei. „Ja, die Sache ist eilig , erklärte er dem Vertreter des Auswärtigen Amtes Seine Majestät zeige sich erfreut, daß der Reichskanzler gleich mit Ballin gesprochen hatte, sei aber unzufrieden mit der Langsamkeit der Österreicher

In Kopenhagen reagierte man schnell. Andersen kam sogar noch früher, als er in einem ersten Telegramm angab; sein König, so berichtete er, habe ihn noch am späten Abend in seinem Haus ausgesucht, um ihn zu bewegen, sofort abzureisen Am 2. Dezember trafen sich Ballin und Andersen in Berlin — beides Persönlichkeiten, die von ihren Regierungen autorisiert und instruiert waren und auch unmittelbar Zugang zu ihren Souveränen hatten — der Däne darüber hinaus zu Ministern in London und Petrograd. Beide waren aus kommerziellen und humanitären Gründen an der baldigen Beendigung des Krieges, d. h. an einem allgemeinen Frieden interessiert. Allerdings lag ihnen vor allem an der deutsch-englischen Verständigung. Trotzdem erklärte Ballin weisungsgemäß, daß er im Gegen-satz zu seiner in der letzten Besprechung geäußersten Ansicht „das Gefühl habe", eine Verständigung mit Rußland sei weniger kompliziert; deshalb sei es doch viel richtiger, wenn der dänische König den Hebel zunächst dort ansetze. Die Gesprächspartner kamen — jedenfalls nach Ballins Darstellung — überein, daß Christian sich brieflich an den Zarc -wenden solle und „später an den König von England". So wurde es auch nach Wien mitgeteilt Dem Kaiser ließ der Kanzler vortragen, König Christian werde noch am 4. Dezember bei Nikolaus II. anfragen, ob er in dessen Auftrage bei ihm als Friedensvermittler auftreten dürfe. Der König glaube des Zaren sicher zu sein, meinte Bethmann-Hollweg

Hoffnung auf die Mutter des Zaren

Es charakterisiert diese diplomatische Aktion der deutschen Regierung, daß der Reichskanzler seine Hoffnung auf die Mutter des Zaren setzte. Nach seiner Interpretation der Äußerungen Andersens ging die „Demarche“ des dänischen Königs überhaupt auf sie zurück. Er sei überzeugt, meldete Bethmann auch dem Kaiser, daß die Zarinmutter den Friedensgedanken betreibe, während in London nur die Mutter des Königs den Wunsch nach Frieden zum Ausdruck gebracht, Grey dagegen lediglich in allgemeinen Redewendungen den Wunsch geäußert hätte, daß Deutschland und England zusammengehen müssen Schon vor einigen Wochen war in Berlin eine Meldung eingegangen, nach der die Zarinmutter aus Furcht für den Thron ihres Sohnes an der Entfernung des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch aus dem Amt des Höchst-kommandierenden arbeite und in einem informierenden Erlaß des Staatssekretär Jagow an den Gesandten in Kopenhagen hieß es jetzt, daß der König von Dänemark beim Zaren auf Geneigtheit zum Frieden rechne, weil die Zaren-mutter befürchte, ihr Sohn könne durch gewisse Großfürsten überspielt werden Maria Feodorowna war jedenfalls von dem Nimbus umgeben, am russischen Hofe Einfluß zu haben, und wurde offenbar auch von Nikolai Nikolajewitsch als Autorität respektiert. Sie war eine Dänin, zu der Andersen geschäftliche Verbindungen hatte — ihr Bruder, Prinz Waldemar, war sogar Mitbegründer seiner „Dänisch-Ostasiatischen Schiffahrtsund Handelsgesellschaft“. Allerdings war sie eine holsteinisch-glücksburgische Prinzessin, die niemals den Verlust ihres Stamm-landes an Preußen verwunden hatte und noch den Kriegsausbruch als die Stunde der Abrechnung begrüßte, die sie seit 50 Jahren ersehnt habe Auch Andersen sagte, daß sie wie viele Dänen, die noch unter dem Eindruck von 1864 ständen, „gewissermaßen als deutschfeindlich"

zu bezeichnen wäre. Aber auch nach seinem Urteil ständen ihr die Sorgen um den Sohn und den Thronerben höher als ihre „heimatlichen Gefühle“.

Der Blick des Historikers fällt hier auf die Sphäre des russischen Hoflebens mit ihren Intrigen und Machtkämpfen, und wir werden auch noch von weiteren Versuchen der deutschen Politik hören, hier einzudringen, um mit einflußreichen Persönlichkeiten in Verbindung zu kommen. Ob die Zarinmutter wirklich gegen Nikolai Nikolajewitsch gearbeitet hat, ist nicht recht ersichtlich; aber aus dem Briefwechsel zwischen Zar und Zarin läßt sich erkennen, daß diese, die Schwester des Großherzogs von Hessen, im Oktober 1914 den Kampf gegen den Höchstkommandierenden begonnen hatte, angetrieben von Rasputin und seiner Verehrerin Anja Wirubowa, der Vertrauten der Zarin. Sie verdächtigten den Großfürsten, sich mit einer Palastrevolution an die Stelle des Zaren setzen zu wollen Es ist der Zarin Alexandra nach einem fast ein Jahr dauernden Ringen im September 1915 gelungen, Nikolaus zur Absetzung seines Onkels zu bestimmen und selbst das Kommando zu übernehmen. Da war es gerade die Zarinmutter, die in höchster Erregung ihrem Sohn klarzumachen versuchte, daß dies ein Kardinalfehler sei

5. Bethmann-Hollweg zwischen Vernunft und „öffentlicher Meinung"

Die deutschen Bemühungen um den russischen Sonderfrieden, die von nun an eine wesentliche Rolle in der deutschen Diplomatie des Ersten Weltkrieges spielten, beruhten also auf der gemeinsamen Erkenntnis der militärischen und politischen Führung des Kaisers, daß der Krieg gegen die Koalition der Feinde mit militärischen Mitteln nicht zu gewinnen war. Dieses Eingeständnis änderte im Grunde alles.

Es verlangte einen grundsätzlichen Wandel der strategischen Konzeption, aber auch der politischen Methoden, womit nun neue große Unsicherheitsfaktoren ins Spiel kamen. Während die Regierung bereit war, die außenpolitischen Folgerungen zu ziehen, versäumte sie das aber für die Innenpolitik. Denn die Erkenntnis der Lage bedeutete doch, daß der die Innenpolitik beherrschende von dem unerschütterlichen Vertrauen auf „Schwert und Schild“ getragene Kriegsenthusiasmus auf falschen Voraussetzungen beruhte — jedenfalls mit den Erwartungen und in der Gestalt, zu der er sich in den Wochen des Vormarsches in Frankreich entwickelt hatte.

Während aber an der Richtigkeit der Einsichten vom 18. November im Kreise der Eingeweihten bald kein ernsthafter Zweifel mehr laut wurde, blieben sie doch ein sorgsam gehütetes Geheimnis, so sorgsam, daß wir erst heute, also nach mehr als vier Jahrzehnten, durch den F . blick in die Akten davon erfahren.

Wenn das volle Ausmaß der eingetretenen Wendung auch geheim blieb, erforderte die Einleitung einer Separatfriedenspolitik gegenüber Rußland von der Regierung einen innenpolitischen Stellungswechsel zumindest in zwei Fragen: sie mußte annexionistischen Kreisen Zurückhaltung auferlegen, um sie auf die Enttäuschung vorzubereiten, die ihnen ein eventueller status-quo-Sonderfriede mit Rußland bereiten würde, ferner auch um den Russen die Furcht vor zu hohen deutschen Forderungen zu nehmen, die ihre Verhandlungsbereitschaft negativ beeinflussen mußte. Hierfür hätte die Regierung der rußlandfeindlichen Propaganda steuern müssen, die sie selber bei Kriegsbeginn gefördert hatte, um die Sozialdemokraten für den „Verteidigungskrieg“ gegen die östlichen „Barbaren“ zu gewinnen. Darüber hinaus wäre eine mäßigende Einwirkung zur Abkühlung der innenpolitischen Atmosphäre überhaupt nötig gewesen — zur Vorbereitung auf einen Frieden, der nicht auf Grund eines überwältigenden deutschen Waffensieges geschlossen werden würde.

Da dies alles unterblieb, berauschte sich die Öffentlichkeit, bis in die Spitzen der Parteien und Verbände hinein, nach wie vor an der Tatsache, daß Deutschland, äußerlich betrachtet, militärisch glänzend dastand, daß seine Truppen beachtliche Siege errungen hatten und sich fast überall auf feindlichem Boden befanden. Diesen täuschenden, aber handgreiflichen Beweisen deutscher Stärke und dem fast alle Volksschichten beherrschenden Mythos deutscher Unbesiegbarkeit stand nun der Versuch einer nüchternen, den Realitäten entsprechende Regierungspolitik entgegen.

Uns beschäftigt im folgenden die Frage, ob und wie es der Regierung Bethmann-Hollweg gelang, in dem Dilemma zwischen den Realitäten des Krieges draußen und dem irrealistischen Kriegsoptimismus im Innern einen Ausgleich zu finden.

Die Zeit Ende November/Anfang Dezember 1914 war durch erhöhte innenpolitische Aktivität gekennzeichnet. Am 2. Dezember sollte der Reichstag zu seiner zweiten Kriegstagung zusammentreten, um einen weiteren Kriegskredit in Höhe von fünf Milliarden Mark zu bewilligen. Die Abgeordneten strömten aus den verschiedenen Landesteilen und — soweit sie im Felde standen — von den Fronten nach Berlin, Fraktionsgespräche fanden statt, man suchte den politischen Meinungsaustausch und vor allem genaue Informationen über den Stand der Lage und das was „oben“ vorging. Denn niemand schien wirklich Bescheid zu wissen, und man erging sich in Spekulationen und Vermutungen.

In den Ministerien drängten sich Abgeordnete und Besucher. Der Kanzler selbst, am 28. November aus dem Großen Hauptquartier nach Berlin zurückgekehrt, mußte Vertretern der Fraktionen und der Verbände Rede und Antwort stehen. Die Kanzlerrede in der Reichstagssitzung wurde mit Spannung erwartet Der Krieg hatte zu dieser Zeit vier Monate gedauert; in politischen Kreisen schätzte man, daß er nach weiteren vier Monaten beendet sein würde Man begann sich zu überlegen, welche Ergebnisse er bringen könnte. An der Frage der Kriegsziele brachen die politischen Gegensätze wieder auf, die das patriotische Einheitsbewußtsein des Kriegsausbruchs in den Hintergrund gedrängt hatte Das Fehlen von genaueren Informationen über den wirklichen Stand der Lage bis in die politischen Führungsspitzen, verschärfte die aufkeimenden Gegensätze, da so jeglichem Wunschdenken freier Lauf gelassen wurde.

Auseinandersetzungen um das Schicksal Belgiens

Die Auseinandersetzungen konzentrierten sich auf das Schicksal des besetzten Belgiens. Die auf der Rechten und bei den Mittelparteien stark vertretenen „Annexionisten“ drängten sich immer offener mit der Forderung hervor, „den blutgetränkten Boden zu behalten“. Vom Kanzler wußte man, daß er keine „blinde Annexionspolitik" wollte und die Annexion Belgiens als „schweren Fehler“ zurückwies Bereits vor dem 18. November hatte Bethmann-Hollweg in einem Schreiben an den bayerischen Ministerpräsidenten Hertling vor Plänen gewarnt, die Utopien seien, selbst für den Fall, daß Deutschland über „Bärenfelle“ verfügen könne und die Annexion Belgiens ausdrücklich ablehnte Die Reaktion des bayerischen Königs enthüllt, wie erschreckend gering das Votum des verantwortlichen Leiters der deutschen Politik im Kriege wog, sobald er zur Mäßigung und Besonnenheit mahnte und sich anschickte, den erhitzten patriotischen Leidenschaften entgegenzutreten. Ludwig III. meinte daraufhin nämlich nur, der Kanzler könne den Mut zum Durchhalten verlieren und vorzeitig Frieden schließen. Diese Episode ist symptomatisch für den Mangel an innenpolitischem Prestige der Regierung und besonders des Kanzlers. Seine Stellungnahme wurde ihm nicht abgenommen, sondern fiel als persönlicher, ehrenrühriger Vorwurf auf ihn zurück, als der späterhin immer wiederholte Vorwurf der „Flaumacherei“.

Das Dilemma der Regierung wurde noch lähmender, weil Bethmann den tieferen Grund für seine Zurückhaltung nicht zu nennen wagte. Es ist daher aufschlußreich zu vergleichen, was der Kanzler in wenigen Tagen zu verschiedenen Gremien und Personen über die Lage sagte und wie er sich genötigt sah, sich auf den jeweiligen Gesprächspartner einzustellen. Da sind seine Äußerungen in der Sitzung des preußischen Staats-ministeriums am 28. November. Weil er den Annexionisten ihr Hauptargument, die scheinbar günstige, siegverheißende militärische Lage Deutschlands, nicht zu entreißen wagte, versuchte er wenigstens hier dem realpolitisch einzig relevanten Grundsatz Anerkennung zu verschaffen, daß die eventuellen Friedensbedingungen vom Grad der militärischen Stärke bei Friedensschluß abhängig gemacht werden müßten. Aber vom Ernst der militärischen Situation sprach er nur andeutungsweise und umging den Kern, das Scheitern des strategischen Planes und die Unmöglichkeiten eines deutschen Waffensieges bei der gegenwärtigen Mächtekonstellation. Er bekundete nur vorsichtige Zweifel daran, daß Deutschland Erfolge erringen werde, die es ihm erlaubten, über die Welt zu disponieren. Es sei schon eine ausreichende Gewähr für den künftigen Frieden, sagte er in Anlehnung an sein „Raisonnement" vom 19. November, wenn Deutschland konstatiere, daß selbst eine derartige feindliche Koalition wie die gegenwärtige es nicht zu überwinden vermöge.

Etwas deutlicher, aber auch ohne auf die entscheidenden Punkte zu kommen, sprach Bethmann-Hollweg sich gegenüber den Führern der Sozialdemokraten, Scheidemann, Haase und Molkenbuhr am 29. November aus Als diese sich freudig überrascht zeigten, daß er in der bevorstehenden Reichstagsrede seine Zuversicht über die Kriegslage aussprechen würde, „wurde er stutzig und packte allmählich aus : alle unsere Feinde hätten wir unterschätzt, die Russen, deren Verpflegung, Ausrüstung und Mobilmachung überraschend gut geklappt hät-ten und die nur Schwierigkeiten mit Munition und Offizieren hätten; die Franzosen, die in der Defensive brillant, in der Offensive besser als angenommen seien. Die Führung durch Joffre sei vortrefflich. Die Engländer warteten mit überraschenden Leistungen im Truppennachschub auf. Das Eingreifen der Türkei brächte unabsehbare Folgen, die Friedensverhandlungen würden dadurch „kollossal kompliziert“. Scheidemanns Eindruck war, daß der Kanzler „mit allen Fingern danach gegriffen“ hätte, „wenn er den Frieden hätte haben können“.

Am 1. Dezember, einen Tag vor der Reichstagsrede, sprach der Kanzler vor der „Freien Kommission“ des Reichstags. Dort fiel auf, daß seine Ausführungen „auf die Note einer gewissen Resignation gestimmt" waren. Seine Beteuerungen der Zuversicht für die Zukunft klangen gezwungen und hatten deshalb auch keinen rechten Erfolg. Die Mitglieder des Bundesrates bekamen denselben Eindrude. Die Sitzung wurde übrigens als streng vertraulich bezeichnet, „weshalb sich der Kanzler wohl etwas offener gab"

Eine Irreführung des Reichstags

Die mit großer Spannung erwartete Reichstagsrede am 2. Dezember stand nun aber in einem bemerkenswerten Gegensatz zu seinen bisher zitierten Äußerungen. Denn sie trug — nach dem Urteil der rechtsstehenden Deutschen Tageszeitung — „das Gepräge fester Entschlossenheit und markiger Entschiedenheit“, und „das gesamte Haus zollte dem Kanzler einen Beifall, wie er wohl im Deutschen Reichstag kaum je gehört worden ist“ Immerhin nahm man auch den „tiefen Ernst“ des Kanzlers zur Kenntnis. Was die Bewilligung des Nachtrags-kredits angeht, so tat die Rede ihre Wirkung — allerdings mit der bezeichnenden Ausnahme, daß mit dem Sozialdemokraten Liebknecht erstmals ein Abgeordneter gegen die Kreditbewilligung stimmte.

Bethmann-Hollwegs Rede enthielt viel klangvolles patriotisches Pathos; ihm verdankte er den begeisterten Applaus und die gute Presse selbst auf der Rechten. Aber sie hatte wenig konkreten politischen Inhalt und bot so gut wie keine Informationen über die wirkliche Lage Deutschlands. Vor dem Hintergrund der Stimmung in der politischen und militärischen Spitze ist es nicht übertrieben, sie als Irreführung des Reichstags zu bezeichnen. Wir werden darauf noch näher einzugehen haben.

Bemerkenswert war der gegenüber Rußland gemäßigte Ton der Rede, um so mehr, als ja der Kriegsbeginn ganz im Zeichen der Rußlandfeindschaft gestanden hatte. Im August/September hatte Bethmann seiner Reichstagsrede und anderen Äußerungen einen einseitig antirussischen Akzent gegeben und die planvolle Perfidie gebranntmarkt, mit der dies am Krieg allein schuldige Land den Weltbrand vorbereitet und entfesselt hatte. Dabei hatte maßgeblich, aber nicht ausschließlich die innenpolitische Erwägung mitgesprochen, die Sozialdemokratie mit ihrer Feindschaft gegen den reaktionären Zarismus für den Krieg zu gewinnen. Auch in internen Überlegungen trat damals die Rußlandfeindschaft des Kanzlers deutlich hervor, und während er seiner gescheiterten englandfreundlichen Politik nachtrauerte, ent-warf er insgeheim schon Pläne für einen künftigen westlichen Friedensblock, der England, Frankreich und Deutschland gegen den „barbarischen russischen Koloß“ einigen sollte

Vergleicht man damit die Reichstagsrede vom 2. Dezember, so ist der Umschwung unverkenns bar. Rußland trug jetzt nur noch die „äußere" Verantwortung für den Krieg, und auch sie traf nur die Männer, „die die allgemeine Mobilmachung der russischen Armee betrieben und durchgesetzt haben". Die „innere" Verantwortung und die bewußte Kriegsmache wurde jetzt hingegen mit unversöhnlicher Schärfe England zugeschoben, mit dem der Kanzler seitenlang ins Gericht ging. Durch sein hinterhältiges diplomatisches Spiel habe England erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß in Petersburg die Militärpartei die Oberhand gewinnen konnte

An diesem Stellungswechsel mag man ablesen, daß die Regierung inzwischen nicht nur auf die Linie einer russischen Separatfriedenspolitik eingeschwenkt war, sondern auch, daß die Tirpitzsche Konzeption einer deutsch-russischen Verständigung mit antienglischer Spitze in der deutschen Führung den maßgeblichen Einfluß gewonnen hatte

Zur Frage des zukünftigen Friedens und der Ergebnisse des Krieges nahm Bethmann nur kurz in vagen und zurückhaltenden Wendungen Stellung. Er stellte das Schlagwort vom „Verteidigungskrieg" in den Vordergrund, in welchem alle Deutschen fest Zusammenhalten müßten, und knüpfte daran die Hoffnung, daß die durch den Krieg wiedergefundene Einheit erhalten bleiben würde, was als erste Andeutung einer inneren Neuorientierung nach dem Kriege verstanden worden ist

Auf die außenpolitische Gestaltung des Friedens, d. h. auf die strittige Frage der Kriegsziele ging der Kanzler praktisch nicht ein. Nur in der Schlußformel sagte er, man müsse ausharren, „damit Kinder und Enkel in einem stärkeren Deutschland frei und gesichert gegen fremde Drohung und Gewalt an der Größe des Reiches weiterbauen können", und: „wir halten durch, bis wir Sicherheit haben, daß keiner mehr wagen wird, unseren Frieden zu stören"

Hinsichtlich der Kriegsziele zog Bethmann sich also auf das Stichwort „Sicherung“ zurück, nachdem er in den vorangegangenen Monaten zeitweilig stärkere Ausdrücke gebraucht hatte, und verschleierte seine vorsichtige Zurückhaltung durch markige Rhetorik. Wie weit er aber den Begriff „Sicherung" jetzt faßte, zeigt seine eben zitierte Äußerung vor dem preußischen Staatsministerium: es sei schon eine ausreichende Gewähr für den künftigen Frieden, wenn Deutschland konstatiere, daß selbst eine derartige feindliche Koalition wie die gegenwärtige es nicht zu überwinden vermöge — also ohne durch territoriale Annexionen handgreifliche „Sicherungen“ zu erhalten.

Für seine mitreißenden, stolzen, aber wenig konkreten Worte dankte das Haus dem Kanzler mit einer einmütigen Ovation. Es war jedoch nur ein rhetorischer Augenblickserfolg, mit dem der sonst nicht gerade als redegewandt geltende Kanzler bewies, daß er den „markigen“ Sprach-stil durchaus beherrschte, wenn es darauf ankam. Die Stellungnahmen der Fraktionen zeigten, daß man sich mit den allgemeinen Andeutungen des Kanzlers zum Kriegszielproblem nicht mehr zufrieden gab, sondern diese auf der Suche nach präziseren Formulierungen sehr verschieden interpretierte. Jedenfalls kann keine Rede davon sein, daß die Regierung einen einhelligen Rückhalt im Reichstage hatte, wie die dem Kanzler dargebrachte Ovation vermuten lassen könnte.

Für die Sozialdemokraten griff Haase das Stichwort vom „Verteidigungskrieg" auf, um die Zustimmung seiner Partei zum Nachtrags-kredit zu begründen. Zu den erwarteten Ergebnissen des Krieges äußerte er sich wie folgt: „Wir fordern, daß dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist, ein Ende gemacht wird, durch einen Frieden, der die Freundschaft mit den Nachbarvölkern ermöglicht". Es folgte ein Passus, der indirekt die Opposition der Sozialdemokraten gegen den Annexionismus zum Ausdruck brachte

Einen ganz anderen Akzent hatte die Erklärung des Abgeordneten Spahn, der als Sprecher aller übrigen Parteien erklärte: „In dem uns freventlich aufgedrungenen schwersten aller Kriege wollen wir durchhalten, bis ein Friede errungen ist, der den ungeheuren Opfern entspricht, welche das deutsche Volk gebracht hat, und der uns dauernden Schutz gegen alle Feinde gewährt"

Reichstagspräsident Kaempf bemerkte zum Schluß der Sitzung, durch die Annahme des Nachtragskredits zeige das deutsche Volk, „daß es den Krieg, der uns aufgezwungen worden ist, bis zu dem Ende fortsetzen will, das wir uns gesetzt haben"

Hier wurde der Friede ausdrücklich von der Befriedigung gewisser deutscher Ansprüche, ob sie nun „Entschädigung für gebrachte Opfer“, „Sicherung“ oder anders genannt wurden, abhängiggemacht. Genau umgekehrt war der mehrfach erwähnte Gedankengang des Kanzlers. Für ihn waren die Kriegsziele etwas Sekundäres, nicht Feststehendes, weil abhängig von den militärischen Kräfteverhältnissen beim Beginn der Friedensverhandlungen. Letztere möglichst schnell herbeizuführen und den Krieg zu beenden, blieb sein hauptsächliches Anliegen. Insofern bestätigte unsere Untersuchung die Richtigkeit der am Anfang angeführten späteren Aussagen Bethmann-Hollwegs und Jagows. Die Arbeit an der Wiederherstellung des Friedens erweist sich geradezu als die Kontinuität der Bethmann-

sehen Politik, die zwar in den späteren Jahren infolge des Übergewichtes und der politischen Aktivität der militärischen Leitung nicht so evident aus den Akten hervorgeht, sich aber immer offenbarte, wenn der Verfolgung dieses Zieles nichts entgegenzustehen schien.

Den Gedanken, Maßnahmen und Verhandlungen Bethmann-Hollwegs im Dezember 1914 nadizugehen lohnt sich, weil aus ihnen schon deutlich wird, wie der Kanzler auf dem Wege zu seinem Ziel immer wieder durch die öffentliche Meinung, durch politische und wirtschaft-liehe Interessengruppen — später dann durch die 3. OHL — zu Rüdesichten, Zugeständnissen, sogar zur Kapitulation gezwungen wird. Seine Politik nahm aus diesem Grunde jenes wider-spruchsvolle Gesicht des taktischen Lavierens an.

Daß aber in der Spahnschen Formulierung nicht nur eine Nuance der Meinung, sondern tatsächlich eine der Regierung entgegengesetzte Ansicht zum Ausdruck gebracht wurde, geht aus dem Folgenden noch deutlicher hervor.

Bethmanns Widerstand gegen die Forderungen nach der Annexion Belgiens hatte ihm die verschärfte Opposition von Politikern der Mitte und der Rechten eingetragen — darunter Stresemann und sein Parteifreund Bassermann —, die im Einklang mit einigen rechtsstehenden Zeitungen in diesen Wochen eine systematische Hetze gegen den Kanzler betrieben. Die Führer der Nationalliberalen bemühten sich sogar, diesen Kanzler zu stürzen, der — als „Flaumacher“ — nicht geeignet wäre, das deutsche Volk zum Siege zu führen, weil ihm der Glaube an den Sieg fehlte und er nicht der Mann wäre, „der in seiner Person die große Zeit lebendig“ mache

Besonnenere Abgeordnete der bürgerlichen Linken erkannten die Richtigkeit der Bethmannsehen Zurückhaltung und die dringende Notwendigkeit, der Regierung den Rücken zu stärken. Sie unternahmen daher den Versuch, die zustimmenden Erklärungen der Fraktionen zur Bewilligung des Nachtragskredits zu einer Vertrauenserklärung für die Regierung auszubauen. Als jedoch der Abgeordnete Haussmann in der interfraktionellen Besprechung der nichtsozialistischen Parteien vorschlug, in ihre gemeinsame Erklärung zur Regierungsvorlage einen Passus aufzunehmen, der das „Vertrauen zur Reichs-regierung“ aussprechen sollte, stieß er auf den geschlossenen Widerstand der Rechten und des überwiegenden Teiles der Nationalliberalen Auch die Mehrzahl der führenden Sozialdemokraten sprach sich übrigens gegen die Vertrauenserklärung aus.

Regierung ohne überzeugenden Rückhalt

Die Kontroverse über den Annexionismus enthüllte hier erneut, daß die Regierung über keinen zuverlässigen innenpolitischen Rückhalt verfügte. Sie hatte durch das vielzitierte Zusammenrücken der Parteien bei Kriegsausbruch, durch die wiederhergestellte „Einheit von Volk und Führung" so gut wie nichts an politischer Kräftigung und echter Führungsautorität profitiert. Gehör und Echo fand sie nur, wenn sie sich der vorherrschenden Stimmung anpaßte. Nichts ist bezeichnender für die Stellung der Regierung als das Paradoxon, daß der Reichstag dem Kanzler eine Ovation für seine „markige“ Rede darbrachte und ihm gleichzeitig das Vertrauen verweigerte. Und wie der deutsche Reichstag die „Einheit von Volk und Führung“ verstand, brachte sein Präsident Kaempf zum Ausdruck, wenn er nach der Abstimmung erklärte, das deutsche Volk sei „geeint in allen Parteien, einig in allen Ständen, einig unter der Führung des Heeres und der Marine und der obersten Heeresleitung, Seiner Majestät des Kaisers“ Der Regierung wurde mit keinem Wort gedacht.

Wie aber stand es mit dem Verhältnis des Reichskanzlers zur OHL? So einig die militärische und politische Führung in der Erkenntnis der Lage waren, so hatte sich doch von Anfang an der Gegensatz ergeben, daß der Generalstabschef in der Überzeugung von der militärischen Schwäche der Mittelmächte von der Diplomatie den Weg zur Verständigung mit Rußland erwartete, ohne daß es vollständig besiegt war. Dem Gedankengang des Kanzlers entsprach dagegen, was ihm Ballin in jenen Tagen schrieb, der als Vermittler dieses Friedensversuches einer der ganz wenigen Eingeweihten und um den Erfolg besorgt war. „Das ginge alles“, schrieb ihm Ballin, „wenn Rußland wirklich am Boden läge, — aber — wenn Euer Excellenz die heutige Situation betrachten — kommt Ihnen da nicht der Gedanke, daß heute Rußland immer noch sich sagen muß, daß es in einem Gesamtfrieden bessere Geschäfte zu machen hoffen darf als in einem an sich höchst blamablen Separatabkommen“? In einer lediglich ungünstigen Kriegslage würde sich der Zar vielmehr „trotzig“ gegen jede Vermittlung sträuben.

Für seine Auffassung fand der Kanzler nun Hilfe bei einer anderen militärischen Stelle, bei der, die nach den Vorgängen der letzten Wochen am meisten Grund hatte, an den Fähigkeiten Falkenhayns zu zweifeln, den Führern von Ober-Ost. Am 6. Dezember ließ er sich in Posen von Hindenburg und Ludendorff noch einmal sagen, was er selbst bereits Falkenhayn und dem Kaiser vergeblich entgegengehalten hatte: daß eine Bereitschaft der Russen zu einem Sonderfrieden, größere militärische Erfolge der Mittelmächte im Osten voraussetze. Nach der Meinung von Ober-Ost kam der Separatfriede sogar nur nach völliger Niederwerfung Rußlands in Betracht, die aber auch anzustreben wäre, um beim Friedensschluß strategisch begründete Ansprüche auf polnisches Gebiet durchsetzen zu können Aber die Heerführer im Osten, insbesondere auch Conrad, hielten es eben für möglich, Rußland zu besiegen, wenn ihnen nur genügend Kräfte zur Verfügung gestellt würden. Gegenüber der grundsätzlichen Falkenhaynschen Vorstellung, daß nichts weiter übrig bliebe, als den Feind in der strategischen Offensive zu „zermürben“ und „friedensgeneigt“ zu machen, brannten sie geradezu darauf, die Raumverhältnisse im Osten für eine große Offensive auszunutzen. Denn die Gefahr, die dafür in der Weite des russischen Raumes lag, glaubten sie angesichts des Vorteiles, der sich hier bietenden Operationsfreiheit für eine feldzugsentscheidende Vernichtungsschlacht auf sich nehmen zu können. Dagegen fand der Kanzler am folgenden Tage (7. Dezember) in Falkenhayn einen Feldherrn vor, der vom Heer als einem „zertrümmerten Werkzeug“ sprach, mit dem entscheidende Operationen nicht mehr zu führen seien. Man könne froh sein, wenn es gelänge, sich an allen Fronten zu behaupten Nadi den Fehlschlägen all seiner Hoffnungen, Unternehmungen und nach offensichtlichen Fehlentscheidungen hatte nun auch der zweite Generalstabschef das Zutrauen zu sich selbst, aber auch das zur Armee, verloren. In seiner Umgebung begann man dann auch an der strategischen Begabung eines Mannes zu zweifeln, der schon immer bei seinen Kameraden mehr als ein Mann politischer Talente gegolten hatte und deshalb Kriegsminister geworden war

Unter diesen Umständen wurden nun Ansätze eines Zusammenspiels zwischen dem Kanzler und Ober-Ost sichtbar, mit dem Ziel, Falkenhayn als Generalstabschef durch Hindenburg und Ludendorff zu ersetzen. Der Generaladju-dant des Kaisers, von Plessen, stellte am 8. und 12. Dezember fest, daß der Kanzler um die Zukunft besorgt sei, und daß er kein Vertrauen mehr zu Falkenhayn, wohl aber zu Ludendorff habe, und der Chef des Militärkabinetts von Lynker weiß zu berichten, daß Bethmann ihn für den Plan der Berufung der beiden Ostführer zu gewinnen suchte

Bei diesen hier in ihren ersten Anfängen sichtbaren Bemühungen ging es dem Kanzler nicht einfach darum, einen militärischen Führer, zu dessen strategischen Fähigkeiten er kein Vertrauen hatte, durch einen besseren zu ersetzen, sondern darum, daß die militärischen Voraussetzungen für den Kurs der Außenpolitik geschaffen wurden, den er sogar auf Drängen der militärischen Führung eingeschlagen hatte. Falkenhayn glaubte zwar noch, Ober-Ost anfeuern zu müssen, die Offensive in Nordpolen nicht versanden zu lassen, da „ein Erfolg vermutlich den Krieg entscheiden würde" Aber da er darunter nur ein Zurückdrängen der Russen auf den Weichselbogen verstand, nach Bethmanns Auffassung der Zar damit aber noch nicht friedens-willig gemacht werden würde, sah sich der Kanzler nun genötigt, sich in die strategischen Auseinandersetzungen der Heerführer einzuschalten und eine militärische Führung zu schaffen, die alle Kräfte auf einen Rußlandfeldzug konzentrierte. Es kam dann darauf an, den Zaren zum mindesten mit einer Niederlage zu bedrohen, die das Gefüge seines Reiches erschüttern konnte. Die Umstände dieser Wochen machen es aber auch wahrscheinlich, daß bei Bethmann-Hollweg bereits jetzt ein Motiv wirksam war, das er selbst in seinen Erinnerungen für die Berufung der dritten OHL angeführt hat: mit Hindenburg und Ludendorff Feldherrn an die Spitze zu bringen, die als Sieger von Tannenberg eine Autorität besaßen, die groß genug war, um vor dem Volk die Entscheidung für einen „mageren Frieden“ zu decken

Der Fehler in dieser paradoxen und bei den Verhältnissen doch nicht unlogischen Rechnung, die das Ziel hatte, an Stelle der fehlenden Autorität der zivilen Regierung eine militärische Autorität in Dienst zu nehmen, wurde erst später offenbar, als Hindenburg und Ludendorff Falkenhayn ersetzt hatten: daß nämlich die neue militärische Führung ihrerseits mit umfangreichen Annexionsforderungen aufwartete und keineswegs für einen vom Kanzler vorausgesehenen „mageren Frieden" zu haben war.

Die Rolle Stresemanns

Mit der Belastung des militärischen Problems ging der Kanzler am 8. Dezember in eine Besprechung, in der ihm sozusagen der Annexionismus in Person gegenübertrat. Bethmann hatte den Reichstagsabgeordneten Stresemann, damals Vorsitzender des Bundes der Industriellen und zweiter Vorsitzender der Nationalliberalen Partei, und den Landrat Roetger, den Vorsitzenden des Zentralverbandes Deutscher Industrieller eingeladen, um sich über die Auffassung Bericht erstatten zu lassen, „die die im Kriegsausschuß vereinigte Deutsche Industrie für den Fall eines siegreichen Krieges als die ihrige betrachtete" Es hat seinen besonderen Reiz, daß sich hier der Mann, der später als ein Staatsmann der Weimarer Republik eine europäishe Verständigungspolitik betreiben wird, und der Kanzler des Kaiserreiches einander begegneten. Wobei Stresemann als extremer Nationalist, Bethmann-Hollweg aber — man möchte den Ausdruck gebrauchen —, als „Verständigungspolitiker“ zu Worte kommen. Die Unterredung ist zwar jüngst geradezu als ein Beweis angeführt worden, daß Bethmann mit diesen Annexionisten übereingestimmt habe und in Stresemanns Aufzeichnung findet sich auch die Bemerkung des Kanzlers, „im großen ganzen“ seien die Ansichten nicht sehr weit auseinander gegangen und die Arbeit sei keineswegs vergeblich, die mit der Aufstellung des vorgelegten Programms geleistet worden sei. Aber solche der Form nach verbindlichen Bemerkungen, wie die ganze Aufzeichnung, machen deutlich, daß Bethmann sich im Gegenteil von den Vorstellungen und Plänen dieser Leute distanzierte. Wenn der Kanzler diesen seinen innenpolitischen Gegnern auch zuversichtlich gegenübertrat und in seiner Darstellung der Lage einen gewissen Optimismus mitschwingen ließ, so war der Zweck seiner Einladung an Stresemann und Rötger offensichtlich doch, die Zurückhaltung der Regierung in Annexionsfragen zu erläutern und zu begründen und den Annexionisten ihrerseits Zurückhaltung nahezu-legen. Nicht nur, wenn er ausweichend erklärte, daß es bei der Unsicherheit der augenblicklichen Lage verfrüht und außerordentlich schwer sei, zu solchen Fragen Stellung zu nehmen. Er bekannte sich sogar ausdrücklich zu einer Politik der Verständigung und Versöhnung, jedenfalls mit den Feindmächten auf dem Kontinent. Dagegen wurde von den beiden Besuchern als von der deutschen Industrie gewünschten Grenze im Westen die der Nordküste Frankreichs bis Calais, die Einbeziehung von Longwy und Briey, sowie von Vogesenfestungen genannt, dazu die Angliederung Belgiens an Deutschland. Wie weit der Gedankenflug ging, erhellt aus einem Brief Stresemanns an den nationalliberalen Parteiführer Bassermann vom 31. Dezember: „Jetzt ist der große Moment gekommen, wir werden zum Weltmeer vorrücken, wir werden uns in Calais ein deutsches Gibraltar verschaffen können.“ Bethmann aber machte seine Gesprächspartner darauf aufmerksam, daß die militärische Kraft Frankreichs noch ungebrochen, es im ganzen unbesiegt sei, und die französische Regierung und die öffentliche Meinung vielmehr ehrlich überzeugt seien, ihrerseits den Sieg zu erringen. Und er gab zu verstehen, daß es vielmehr darauf ankomme, die Franzosen zu versöhnen. Am liebsten, so sagte er, möchte er überhaupt keinen Quadratmeter fremdsprachigen Gebietes haben, gerade Frankreich gegenüber habe er den Wunsch, es nach Möglichkeit zu schonen. Denn wenn es jetzt erneut verstümmelt würde, nachdem es die Wunde von 1870 wohl verwunden habe, so würde das bedeuten, daß die unnatürliche Koalition der drei Großmächte verewigt würde. Diese für die Zukunft unmöglich zu machen, betrachte er aber gerade als seine Aufgabe. Ja, der Kanzler wollte den Versuch machen, endlich die jahrhundertealten Streitigkeiten zwischen Frankreich und Deutschland zu beseitigen und einen Frieden zu schließen, der Deutschland mindestens fünfzig Jahre Ruhe geben würde. Von Rußland sagte er nach Stresemanns Niederschrift zwar, es werde militärisch bald erledigt sein, aber er gab auch zu bedenken, daß Rußland durch seine Ausdehnung unangreifbar sei und die Reste des russischen Heeres sich ins Innere zurückziehen würden, wohin wir ihnen nicht folgen können.

Nun brachten die beiden Annexionisten aber unverblümt vor, daß sie die Abtretung Polens, Kurlands und Estlands von Rußland erwarteten. Jedoch was Bethmann über Polen sagte, läßt nicht darauf schließen, daß er solche Absichten gehabt habe, „Wir würden uns dann (d. h. nach dem Abzug der russischen Truppen — Anm. d. Vers.) in Polen wohnlich einrichten, bis wir entweder einen Einzelfrieden mit Rußland, wie ich hoffe, oder einen Frieden mit unseren sämtlichen Gegnern schließen können“. Das deutete eher darauf hin, daß der Kanzler mit der Besetzung Polens ein „Faustpfand“ zu gewinnen hoffte, das er in Separatsfriedensverhandlungen mit den Russen ausspielen konnte. In der Denkschrift des preußischen Innenministers vom 29. Oktober, die für die Verständigung mit Rußland eintrat, dabei aber den „Grenzschutzstreifen" um Ostpreußen erstrebte, wird in dieser Richtung operiert. Man solle, hieß es da, von Rußland anfangs viel mehr fordern, „um das eigentlich Gewünschte so erhalten zu können, daß Rußland vor der Welt und sich das Landopfer an der Grenze verhältnismäßig leicht verschmerzen kann. Nicht Sympathie, sondern gesundes Interesse gebietet die möglichste Schonung Rußlands beim Friedensschluß" Und es spiegelt die Stimmung jener Tage wider, was Jagow danach zum österreichisch-ungarischen Botschafter, Prinz Hohenlohe, äußerte: Nicht als Staatssekretär, sondern als seine Privatansicht wolle er diesem sagen, daß es ihm doch sehr zweifelhaft erschiene, ob unsere militärischen Erfolge Rußland gegenüber überhaupt je so groß werden würden, daß wir ihnen größere Landabtretungen abfordern könnten. Damit fiele dann die polnische Frage überhaupt unter den Tisch. Und da die Polen weder österreichisch noch deutsch werden wollten, selbständig aber nicht werden könnten, lasse man sie vielleicht am besten russisch

Fussnoten

Fußnoten

  1. Aussage Jagows im Pari. Untersuchungsausschuß, 2. Unterausschuß, Friedensmöglichkeiten im Jahre 1916/17, am 4. Juli 1923. Unveröffentl. Protokoll, U. P. 156, PoL Archiv des Ausw. Amtes, Bonn. Im folgenden zitiert: A. A.

  2. Th. v. Bethmann-Hollweg, Betrachtungen zum Weltkriege (1921) Bd. II, S. 53 ff., auch zum folgenden.

  3. Bethmann-Hollweg an Prinz Max v. Baden, 17. Jan. 1918 — Ich veröffentliche diesen Brief, der mir für das psychologische Verständnis des „Philosophen von Hohenfinow" besonders wichtig zu sein scheint mit freundl. Genehmigung des Besitzers an anderer Stelle im Wortlaut.

  4. Treffend scheint mir zu sein, was in einer Diskussion der Sachverständigen des Pari. Untersuchungsausschusses Hans Delbrück, Volkmann, Schwertfeger und Herz über die Umstände für das Umschlagen der Stimmung angedeutet wurde: „als man Land hatte", „als die großen Siegesnachrichten kamen". Die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs Bd. XII (1929), Die Annexionsfragen des Weltkrieges, Gutachten des Sachverständigen Volkmann, S. 33, Anm. 1. Vgl. im übrigen die aufschlußreiche Dissertation von Klaus Schwabe, Deutsche Professoren und politische Grundfragen des Ersten Weltkrieges, Phil. Diss. masch-schr. Freiburg 1958.

  5. Klaus Epstein, Matthias Erzberger and the Dilemma of German Democracy (1959) S. 105 ff. Vgl. auch Volkmann a. a. O. S. 35 ff.

  6. Hierzu'Karl-Heinz Jantzen, Die Kriegsziele der Bundesstaaten (1914— 18) Phil. Diss. Freiburg, masch.sehr., (1954), S. 26 ff.

  7. Staatssekretär Solf an Jagow 25. Sept. 14 nach Jantzen a. a. O. S. 273.

  8. Der Staatssekretär des Reichskolonialamtes, Solf, an den das Auswärtigen Amtes, ganz geh., 4. Febr. 1915, Wk 11g secr. A. A.

  9. Heinrich Claß, Wider den Strom (1932), S. 309 ff.

  10. So z. B. Alfred Hugenberg, Vortrag beim Generalkommando zu Münster 12. Mai 1915. Im Ber.des Komm. Generals vom 23. Juni 1915, Willi Boeltze, hersg. Krupp und die Hohenzollern (1956) S. 147.

  11. über die „Anfänge amerikanischer Friedensvermittlung" s. Rudolf Stadelmann, Friedensversuche im ersten Jahre des Weltkrieges, Hist.

  12. G[ehorsame] A[nzeige] Zimmermanns vom 9. Sept. 1914. Wkg Gr. Hauptqu., Friedensschlüsse

  13. a. a. O.

  14. Tel. Bethmann-Hollwegs an Ausw. Amt No. 40, 12. Sept. a. a. O. A. A.

  15. Botschafter Gerard an Staatssekretär Bryan, Berlin, 14. Sept. Papers relating to the foreign re-lations of the United States 1914 Suppl. The world war (1928) S. 104.

  16. Fritz Fischer, Deutsche Kriegsziele, Revolutionierung und Separatfrieden im Osten 1914— 1917. Hist. Zeitschr. Bd. 188, H. 2 (1959) S. 255 ff; Hans Herzfeld, zur deutschen Politik im ersten Weltkriege. Kontinuität oder permanente Krise? a. a. O. Bd. 191 (1960), S. 67 ff. und ebenda (S. 83 ff) Fritz Fischer, Kontinuität des Irrtums, zum Problem der deutschen Kriegszielpolitik im ersten Weltkriege. Die von Fischer aus dem — von mir nicht benutzten — Zentralarchiv in Potsdam als „Kriegszielprogramm Bethmann-Hollwegs“ auszugsweise mitgeteilte Denkschrift vom 9. Sept. 1914 enthält zum Teil Gedankengänge und Formulierungen anderer Personen und dürfte erst mit Kenntnis ihrer Entstehungsgeschichte und vor allem in ihrer Situationsbedingtheit zu einer Urteilsbildung über die Politik Bethmanns herangezogen werden. — Zum Kriegszielproblem vergleiche ferner: Hans W. Gatzke, Germanys Drive to the West (1950) und Henry Cord Meyer, Mitteleuropa in German Thought and Action 1815— 1945 (1955). Vgl. auch die intensive Studie von Rudolf Stadelmann, Friedensversuche im ersten Jahre des Weltkrieges, Hist. Zschr. Bd. 156, (1937). St. benutzte bereits die damals in deutscher Übersetzung vorliegende russische Aktenpublikation, hatte aber nech keinen Zunmanr 711 den dentechen Akten.

  17. Tel. Paleologue an Delcass, 14. Sept. 1914. Die internationalen Beziehungen im Zeitalter des Imperialismus, Dokumente aus den Archiven der zaristischen und Prov. Reg. Deutsche Ausgabe von Otto Hoetzsch, Bd. 6, S. 193/4. (Künftig zitiert: Russ. Dok. l.

  18. Audi zum folgenden vor allem Telegramme senckendorff an Sasonow vom 19. und 28. Sept, uss. Dok. 6, 1, S. 213 und 253 und Tel. Iswolski an Sasonow vom 13. Okt. a. a. O. S. 305.

  19. Tel. Iswolski an Sasonow, 13. Okt. 1914, a a. O Bd. 6, 1 (1934) S. 304.

  20. Tel. Iswolski an Sasonow 13. Okt. a. a. O.

  21. Wilhelm Gröner, Lebenserinnerungen Hsg. von Hiller von Gaertringen, 1957, S. 176.

  22. G. A. v Müller, Regierte der Kaiser? Hsg. von Walter Görlitz (1959), S. 57.

  23. Der Weltkrieg 1914- 1918, bearb. im Reichs-archiv (künftig zitiert R. A.) Bd. V, (1929) S. 12.

  24. So beklagt sich Conrad v. Hötzendorf noch ui seinen Erinnerungen (Aus meiner DienstzeitV, (1925) S. 986), daß auch ihm gegenüber die olgenschwere Niederlage an der Marne „völ8 verhüllt und verheimlicht“ wurde. C. zitiert au aus den Erinnerungen des Kronprinzen „wel-kn yerhängnisvollen Folgen gerade im Kriege die ns iche Züchtung eines unbegründeten OptimistiAs gebracht habe. Dabei ist aber zu berücksich-tun° das es sich um eine nachträgliche Betrach1eng. es Kronprinzen, genauer seines schriftstel-kns hen Helfers bei der Abfassung des Buches, Karl Rosner, handelt.

  25. R. A. Bd. V. S. 14/15 — Nadi Volkmanns Darstellung sei in diesen Wochen und Monaten im deutschen Volk der erste stolze Siegesrausch zerflattert. Nachdem ihm solange die Sonnenstrahlen des Sieges leuchteten, sei der Himmel grau geworden. Erich Otto Volkmann, Der Marxismus und das deutsche Heer im Weltkriege (1925) S. 88. Diese Formulierungen sind zum mindesten mißverständlich und aus dem Zusammenhang seiner Schilderung zu erklären, wonach sich aus diesem Grunde wieder in den großen Städten linksradikale Anhänger des internationalen Gedankens ans Tageslicht gewagt hätten.

  26. Volkmann, a. a. O. (1925) S. 101.

  27. Der Minister des Innern von Loebell an den Präsidenten des Staatsministeriums (Bethman-Hollweg), 5. Sept. 1914, zum Schreiben des Kriegsministers von 31. Aug. (Volkmann a. a. O. S. 275 L).

  28. R. A. V (1929) S. 563 und Bd. VI (1929) S. 1. H. v. Kuhl. Der Weltkrieg (1929) Bd. I, S. 75. E. v. Falkenhayn, Die Oberste Heeresleitung (1920) S. 29.

  29. Jurij Daniloff, Rußland im Weltkriege 1914— 1915 (1925) S. 128.

  30. R. A. V, 562 u. VI, 1.

  31. R. A. V, 155 ff; Conrad, a. a. O., V. 300, 339 f. 555— 9.

  32. Audi zum folgenden: R. A., Bd. 553 ff, 583 f, Bd. VI, 1 ff. Gröner, a. a. O. S. 198 ff.

  33. Gröner a. a. O. S. 201 „Am Morgen des 7. Nov." (R. A. VI, 2 irrtümlich 8. Nov.).

  34. Dementsprechend am 9. Nov. Weisung für Oberstleutnant Hentsch zur Übermittlung an Conrad in Teschen. Uber Hentschs Besuch dort am 10. Nov. Aufz. von Kundmann bei Conrad V, 453 ff und R. A. VI, 5 und 246 ff. Dort auch über das Mißverständnis, das dieser unglückliche Abgesandte der OHL der Marneschlacht bei Conrad hervorrief. Während Falkenhayn „nach etwa 14 Tagen" — also 22. Nov. — den Abtransport von 5 bis 6 Korps ankündigte, erwartete Conrad an diesem Datum bereits ihr Eingreifen im Osten, das nach Falkenhayn nicht vor dem 28. Nov. erfolgen könne.

  35. Daniloff a. a. O. S. 128 f.

  36. R. A. VI, 19 ff. u. 92 ff. insbesondere nach stenogr. Aufz. von Teilnehmern der Bespr. vom 12. Nov.; Gröner Aufz. vom 11. und 14. Nov. a. a. O. S. 202. Uber die Lage bei Ypern am 12. Nov. und die Maßnahmen der OHL s. auch. v. Loßberg, Meine Tätigkeit im Weltkriege 1914 18 (1932) S. 105. Am 20. Nov. notiert Gröner: „wir hätten dort frühzeitiger Kräfte vom Westen nad dem Osten schicken müssen”. S. 203.

  37. Nadi Tagebuchaufz. Plessens vom 14. u. 16. Nov. R. A. VI, 93/4.

  38. Falkenhayn an Hindenburg 18. Nov., R. A. VI, 95/6 und 437; R. A. VII, 5, 74, VIII, 617, Gröner a. a. O. S. 211; R. A. 415 und 438.

  39. Aufz. Tirpitz über seine Bespr. mit F. vom 14. Nov. Tirpitz a. a. O. S. 166 ff., auch zum folgenden.

  40. Vgl. unten.

  41. Kap. z. S. Hopmann an Adm. v. Capelle, 10. Nov. über Unterredung Tirpitz mit Lynker und Jagow, Tirpitz a. a. O. S. 159 ff.

  42. Das folgende nach dem aufschlußreichen Schreiben Bethmann-Hollwegs an den in Berlin amtierenden Unterstaatssekretär im Ausw. Amt timmermann, aus dem Großen Hauptquartier vom 19. Nov. 1914, AA WK 2 geh. Siehe Anhang Nr. 1.

  43. Hierzu Denkschrift des preußischen Innenministers Loebell vom 29. Okt. 1914, Werk des Pari. Untersuchungsausschusses, Reihe 4, Bd. 12, 1, S. 191 und Denkschrift von Otto Hoetzsch vom 27. 11. 1914. Siehe unten.

  44. Hierüber jetzt Gerhard Ritter, Staatskunst und Kriegshandwerk Bd. II (1960) S. 329 ff. Uber die Motive Moltkes und seine Überzeugung, daß Verhandlungen scheitern und Deutschland dann unter denkbar ungünstigen Umständen in den Krieg eintreten würde, unterrichtet sein Gespräch mit Haeften in der Nacht vom 30. /31. Juli (Alfred v. Wegerer, Der Ausbruch des Weltkrieges 1914 (1939) Bd. II, S. 122). Es wäre auch zu der Frage heranzuziehen, ob Moltke in Wien Bethmanns Vermittlungsbemühungen durchkreuzt hat (L. Albertini, The origins of the war of 1914 (Übersetzung a. d. Italien. (1953) Bd. III, S. 24 ff.) S. auch Wegerer a. a. O., S. 146/47, und zum Problem der Tagebud. eintragung Falkenhayns und der Datierung S. 182

  45. Tel. Brockdorff-Rantzau an A. A. Nr. 717 vom 19. Nov., Aufz. Ballins über seine Unterredung mit Andersen am 20. Nov., A. A. Hamburg, 21. Nov. 1914 mit Begleitschreiben an Wilhelm II. vom gleichen Tage, abgezeichnet von diesem in Charleville am 24. Nov. A. A. WK 2 geh. — Uber Andersens Persönlichkeit: Ballins Aufz. sowie die laufenden Berichte Brockdorff-Rantzaus, insbesondere der vom 10. Dez. 1914 Nr. 323 ganz geheim an den Reichskanzler. Sämtlich WK 2 geh.

  46. Sowohl im Telegramm Brockdorff-Rantzaus über seine Besprechung mit Andersen wie in der Niederschrift Ballins. Dazu auch Tel. Bethmanns Nr. 120 vom 25-Nov. an A. A.: Andersen habe B . über Stellung Sir Edward Greys gegenüber sallin noch entschiedener ausgesprochen als gegenrber Brockdorff-Rantzau.

  47. Bülow, Denkwürdigkeiten (1931) Bd. III, S. 284. Im übrigen: Bernhard Huldermann, Albert Ballin (1922) und Kaspar Pinette, Albert Ballin und die deutsche Politik (1938). — Der Neuauflage des 1926 erschienenen Buches P. E. Stubmann, Ballin (1960) lag das von mir verwandte unveröffentlichte Material nicht vor.

  48. Huldermann a. a. O. S. 275. Jagow an Ballin 15. Juli 1914. Huldermann, S. 299, Haldane, Before the war (1920). S. Ernst Anrich, Die englische Politik im Juli 1914 (1934) S. 82.

  49. Ballin an Tirpitz, 1. Okt. 1914, Tirpitz, Pol. Dokumente, Bd. II (1926) S. 132.

  50. Ballin an Tirpitz, 1. Okt., 6. Okt., 10. Okt. 1914. Tirpitz a. a. O., S. 134/135 und 137 sowie dessen Brief an Ballin vom 6. Okt. a. a. O.

  51. Pinette a. a. O. S. 34 ff.

  52. Tirpitz a. a. O. S. 128, Ballin an Tirpitz a. a. O. S. 132 ff, Adm. v. Müller an Ballin a. a. O. S. 138/9 und Ballin an Adm. v. Müller 2. Okt. a. a. O 137/8 (nach: Der Krieg in der Nordsee, bearb. v. O. Groos, Bd. II, S. 305) und vom 12. Okt. S. 139/40 (nach Nordsee II. 310 f) und v. Müller an Ballin 7. Okt. (nach Nordsee II. 309), sämtlich bei Tirpitz a. a. O. S. 137 ff.

  53. Aufz. von Ballin vom 21. Nov. a. a. O.

  54. Aktenvermerk Wilhelms II. Charleville 24. Nov. auf der Aufz. Ballins vom 21. Nov. a. a. O.

  55. Tel.des Reichskanzlers an A. A. Nr. 117, Gr. Hqu. 24. Nov. „M. E. wird Antwort hinauszuschieben sein, bis Entscheidung im Osten gefallen." WK 2 geh. AA (S. Anhang Nr. 2).

  56. Tel. Reichskanzler an A. A. Nr. 120 Gr. Hqu. vom 25. Nov. „General Falkenhayn wünscht nach Rücksprache Antwort an Andersen des Inhaltes. . .“ AA WK 2 geh. (s. Anhang Nr. 3).

  57. a. a. O.

  58. Antworttel. Jagows Nr. 107 vom 26. Nov. 1914 (Entwurf Zimmermann) auf Bethmanns Telegramme Nr. 117 und 120; WK 2 geh. AA.

  59. Tel. Nr. 1169 vom 12. Nov. 1914, Zimmermann über ein Telefonat Ludendorffs mit ihm; AA, WK 2 geh..

  60. Bethmann an AA, Tel. Nr. 120, 25. Nov. 1914, a. a. O.

  61. Bethmann an AA, Tel. Nr. 122, 27. Nov. 1914 als Antwort auf Tel. Nr. 107, sowie Tel. Nr. 1368, 27. Nov. 1914 an deutsche Botschaft in Wien. AA, WK 2 geh. (S. Anhang Nr. 4).

  62. Denkschrift Zimmermanns vom 27. Nov. 1914, AS 2769, pr. 27. Nov. 1914, AA, WK 2 geh. (s. Anhang Nr. 5).

  63. Vgl. hierzu auch R. A. VI, S. 409 ff.

  64. Reichskanzler an AA, Tel. Nr. 122, 27. Nov. als Antwort auf Tel. Nr. 107, sowie Tel. Nr. 1368, tNov. 1914 an deutsche Botschaft Wien. AA, WK 2 geh.

  65. Tschirschky an AA, Tel. Nr. 915, 28. Nov. 1914 als Antwort auf Tel. Nr. 1368 und Tel. Nr. 979, AA, WK 2 geh.

  66. Jagow für Brockdorff-Rantzau, Eigenhändig, t ganz geheim, 3. Dezember 1914. Ferner Auf-ITnt nung im Ausw. Amt vom 30. Nov. 1914 (ohne terschrift, Korrekturen von der Hand Bethmann-Hllwegs). AA, WS 2 geh.

  67. a. Ba. eOth. mann an AA, Tel. Nr. 120 vom 25. Nov.

  68. Treutler an Reichskanzler, Tel. Nr. 6, 1. Dez. 1914, AA, WK 2 geh.

  69. Treutler an Reichskanzler, Tel. Nr. 8, 2. Dez. 1914, AA, WK 2 geh.

  70. Aufz. Ballins vom 2. Dez. über seine erste Unterredung mit Andersen am Vorm, des 2. Dez. in Berlin, (AA, WK 2 geh.). Für den Abend war eine weitere Besprechung verabredet. Auch für das folgende.

  71. Jagow an Tschirschky Nr. 1474, ganz geheim, in Beantwortung von Tel. Nr. 915 AA, WK 2 geh.

  72. Tel. Reichskanzler Nr. 17 vom 3. Dez. an Treutler (Entwurf eigenhändig) „Zum Vortrag bei SM“. AA, WK 2 geh. - Auch die Mutter Georgs V. von England war eine dänische Prinzessin.

  73. a. a. O.

  74. Pr. 9. Nov. AA Russi. 82 Nr. 1, Bd. 7.

  75. Erlaß Nr. 194 an Brockdorff-Rantzau vom 3. Dez., „nur zur persönlichen Information". (AA, WK 2 geh.). „Wie weit wirklich Friedensdispositionen in Petersburg und London vorhanden sind, ließ sich aus den Äußerungen Herrn Andersens nicht erkennen".

  76. Vgl. die Schilderung der Militärbevollmächtigten in Petersburg v. Hintze vom Febr. 1910; Ernst Seraphim, Russische Portraits, (1943) I. 21 ff.

  77. Zu dem früheren Ministerpräsidenten Graf Kokowzow, nach Seraphim a. a. O. I, S. 26, dort auch über Gespräch mit Graf Dohna am 30. 3. 1914: „Ich kann nicht vergessen und werde es nie vergessen“. Uber die Abneigung der Zarinmutter gegen Preußen und deren Familiensinn, „welcher die gesegnete Deszendenz des dänischen Königspaares auszeichnet", vgl. Betrachtung des Botschafters von Schweinitz gelegentlich seiner Abschiedsaudienz am 12. XII. 1892. Denkwürdigkeiten II, S. 447.

  78. Die unter dem Einfluß Rasputins geführte Kampagne der Zarin gegen Nikolai Nikolajewitsch begann bereits im Oktober 1914. S. Alexandra an Nikolaus II. 20. Sept. 1914 a. St. (deutsche übers., Zarin A. v. Rußland (1932) Bd. I, S. 42). Außerdem vermutete die Zarin auf Grund von Informationen der Wirubowa, daß das Gr. Hqu. die Zelle einer gegen sie gerichteten Verschwörung sei mit dem Ziel, sich ihrer in Abwesenheit des Zaren zu bemächtigen und sie in ein Kloster zu sperren. Vgl. die Erinnerung des Hauslehrers am Zarenhofe Gillard (Pierre Gillard, Le tragique destin de Nicolas II., 1921) S. 112/14. Uber Rasputins Rolle siehe unten in einem späteren Kapitel.

  79. Tagebuchaufz.der Zarinmutter Maria Feodorowna für d. Jahr 1915, abgedruckt u. eingeL von Dukennikow in der Zeitung „Poslenija No-wosti" Nr. 4494 ff (russ.) Paris Juli/Aug. 1933.

  80. Zur „Atmosphäre“ dieser Tage in Berlin vgl. Haussmann, Schlaglichter (1926), S. 12 ff.

  81. Haussmann, a. a. O. S. 13 f.

  82. S. oben und Volkmann, Annexionsfragen des Weltkriegs, Werk des Untersuchungsausschusses Reihe 4, Band 12, 1 S. 48.

  83. Haussmann, a. a. O. S. 14.

  84. Volkmann, Annexionsfragen S. 36.

  85. Bethmann-Hollweg an Hertling, 15. Nov. 1914. (G. St. A. München) nach K. H. Janssen, Die Kriegsziele der Bundesstaaten 1914— 1918, Diss. Freiburg (1957) S. 26.

  86. Werk des Untersuchungsausschusses, Reihe 4, Band 7, 1, S. 278/9.

  87. Niederschrift Hertlings vom 1. Dez. 1914 abgedruckt bei E. Deuerlein, Der Bundesratsausschuß für die Auswärtigen Angelegenheiten 1870 bis 1918 (1955) S. 323.

  88. F Thimme, Bethmann-Hollwegs Kriegsreden,

  89. Bülow, Denkwürdigkeiten (1931) Bd. 3, S. 148.

  90. F. Thimme, Bethmann-Hollwegs Kriegsreden, S. 14.

  91. Die große Denkschrift des Unterstaatssekretärs Zimmermann vom 27. Nov. (s. Anhang Nr. 2), in der eine antirussische Grundkonzeption der deutschen Außenpolitik entwickelt worden war, blieb ohne Folgen, sobald sich durch das dänische Vermittlungsangebot eine konkrete Möglichkeit zur Anknüpfung mit Rußland ergeben hatte.

  92. F. Thimme, Bethmann-Hollwegs Kriegsreden, S. 13.

  93. a. a. O., S. 23.

  94. Verhandlungen des Reichstags, Band 306, 21 A. Nicht ganz zutreffend ist dieser Vorgang wiedergegeben in der Resolution des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Gutachten über den deutschen Reichstag im Weltkrieg (2. Reihe, Band 7, S. 4). Dort heißt es, die Regierung habe am 2. Dezember unter Zustimmung der bürgerlichen Parteien erklärt, daß Deutschland sich vor künftigen Angriffen durch Grenzverschiebungen sichern ur für die gebrachten Opfer entschädigen müsse. Die Sozialdemokraten seien dieser Auffassung entgegengetreten. Laut dem stenographischen Verhandlungsbericht hat Bethmann über die Kriegsergebnisse keine anderen Aussagen gemacht als die oben angeführten, und die sozialdemokratische Interpretation des Begriffs „Sicherung” wie auch ihre Forderung nach einem baldigen Frieden kommen den Bethmannschen Ansichten sehr nahe. Die Forderung nach Entschädigung für die gebrachten Opfer wurde erst von dem Sprecher der nichtsozialistischen Parteien erhoben, der nach Bethmann und Haase sprach. Er brachte damit die Ansicht jener Kreise zum Ausdruck, die gerade die erbitterten Gegner der Regierung, nicht aber ihre Anhänger waren. — vgl. weiter unten im Text.

  95. Verhandlungen des Reichstags, Band 306, 21 C, Haussmann, Schlaglichter S. 18 teilt mit, daß dieser Passus besonders den Beifall der „Annexander" erregte.

  96. Verhandlungen des Reichstages, Bd. 306, 22 C.

  97. Graf Westarp, Konservative Politik II (1935) und Bassermann bei Heinrich Glass, „Wider den Strom" (1932) S. 355 f.

  98. Kommentar Bassermanns: „Das fehlt gerade noch, Vertrauen zu dieser Regierung“. Haussmann a. a. O. S. 18.

  99. Verhandlungen des Reichstages, Bd. 306, 22 C.

  100. R. A. Bd. VI S. 415.

  101. R. A. Bd. VI S. 415 und 438.

  102. Dazu etwa R. A. VI, S. 437, V, 8 ff; Gröner S. 187 f. Moltke an Wilhelm II., 17. Januar 1915 (Eliza von Moltke, Moltke, Erinnerungen, Briefe, Dokumente 1877— 1916 (1922) S. 413 f.; Tirpitz, Deutsche Ohnmacht (1926) S. 165; H. v. Kuhl, Der Weltkrieg (1929) I, S. 511 f.; H. v. Zwehl, Erich von Falkenhayn (1926) S. 8 ff. (apologetisch).

  103. Tagebuch von Plessens, Eintrag, vom 8. und 12. Dezember, vgl. R. A. VI, S. 415.

  104. Reichsarchiv VI, S. 255 und 414.

  105. Bethmann-Hollweg, Betrachtungen zum Weltkriege, (1919) Bd. 2, S. 46. Vgl. auch K. H. Janssen, Viertelj. hefte zur Zeitgeschichte (1959).

  106. Aufzeichnung Stresemanns über die Unterredung vom 8. Dez., Nachlaß Stresemann, Pol. Schriftw., Bd. 139, A. A. (s. Anhang Nr. 6). Vgl. Anneliese Thimme, Gustav Stresemann, Legende und Wirklichkeit. Hist. Ztschr. Bd. 181 (1956).

  107. Fischer (S. 256 Anm. 1) meint, die Aufzeichnung Stresemanns über diese Unterredung besage, naß Stresemann und Rötger „im Hinblick auf Annexionen (im Osten u. a. Polen, Kurland und Est-

  108. Denkschr. d. preuß. Innenministers, 29. Okt.

  109. Jagow an Tschirschky, 12. Dez. 1914 geh.

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