Italien besitzt das traurige Privileg, die tüchtigste unter den im freien Europa tätigen kommunistischen Parteien zu haben. Es würde zu viel Raum beanspruchen, wollte man an dieser Stelle versuchen, all jene Umstände, deren Zusammentreffen diesen widerwärtigen Zustand geschaffen hat, auch nur oberflächlich zu besprechen. Jedenfalls steht fest, daß das unglückselige faschistische Experiment, aus dem die lebenswichtigen Organe des Staates mehr oder weniger kompromittiert hervorgegangen sind, beträchtlich zur Stärkung des kommunistischen Kaders mit seinem Mythos der politischen Verfolgung beigetragen hat. Im allgemeinen Klima der bedingungslosen Kapitulation vor der Diktatur Mussolinis wurde beim einfachen Volke, das von Benedetto Croce und von Gaetano Salvemini nichts wissen konnte, der Begriff „kommunistisch“ schnell gleichbedeutend mit „antifaschistisch".
Die zweckmäßige Ausrichtung der Kommunistischen Partei Italiens läßt sich vor allem an ihrem gewaltigen Propagandaapparat zeigen. Die Funktionäre der Via della Botteghe Oscure haben zu ihrer Verfügung: die GATE (Gestione Aziende Tipografiche Editoriali) in Mailand und die folgenden Verlage: Rinascita (Rom), Cultura Nuova (Mailand), L’Unitä (Rom), Noi Donne (Rom) und Editori Riuniti (Rom), um nicht von den Verlagen Einaudi (Mailand), Parenti (Mailand) und D’Anna (Messina) zu sprechen. Man muß hinzufügen, daß die Partei mit den größten Verlagsunternehmen jenseits des Eisernen Vorhangs sehr vorteilhafte Verträge abgeschlossen hat, dank denen sie sich den Luxus erlauben kann, marxistische Ideologie zu verbreiten und dabei gleichzeitig doch üppige Gewinne einzustreichen. — Im folgenden ist beabsichtigt, dadurch einen Eindruck von der kommunistischen Publizistik Italiens zu geben, daß die direkt oder indirekt mit der Organisation in der Via delle Botteghe Oscure zusammenhängende tägliche oder periodische Presse untersucht wird.
Die 1924 in Mailand gegründete offizielle Tageszeitung der Partei, L’Unitä, wurde vom faschistischen Regime verboten. Nach der Befreiung erwachte sie in vier verschiedenen Ausgaben, einer römischen, einer mailändischen, einer ligurischen und einer piemontesischen, zu neuem Leben. Heute erscheint das Blatt in zwei Ausgaben: einer mailändischen, die für Norditalien bestimmt ist und deren Auflage etwa 100 000 Exemplare beträgt, und einer römischen für Mittel-und Süditalien sowie für die Inseln mit einer Auflage von ungefähr 80 000 Exemplaren. „L’Unitä“ ist eine technisch gut gemachte Tageszeitung, an der die prominentesten Vertreter der Kommunistischen Partei Italiens (Togliatti, Pajetta, Longo usw.) mitarbeiten. Das Blatt widmet dem kulturellen Leben breiten Raum, wobei natürlich die geistigen Phänomene von einer rigoros marxistischen Sicht aus beurteilt werden. Es veröffentlicht umfangreiche Reportagen über die Länder jenseits des Eisernen Vorhangs und über die afrikanischen und asiatischen Völker, seien sie frei oder abhängig. Abgesehen aber von ihrer vis polemica, der die katholische Majoritätsherrschaft oft eine leichte Zielscheibe bietet, wird „L’Unitä“ in ungünstiger Weise geprägt durch die monolithische Struktur der Partei, die sich fest in der Hand der Elite befindet, die Togliatti als den eigentlichen Führer anerkennt und einer freien Kritik nicht den mindesten Platz einräumt.
In größerem Maße volkstümlich — jedenfalls in ihrer Aufmachung — sind jene sympathisierenden Zeitungen, die sich als unabhängig ausgeben, in Wirklichkeit aber von der Via delle Botteghe Oscure aus gelenkt werden, wie II Paese Sera und II Paese, die beide in Rom erscheinen. Gerade um ihre angebliche Unabhängigkeit zu unterstreichen, sind sie verpflichtet, jene Haltung der Servilität vor den höchsten Spitzen des internationalen Kommunismus zu meiden, die nicht selten „L’Unitä“ für freie Geister besonders langweilig macht. In Wirklichkeit verändert sich ihre Vorurteilslosigkeit, die keine Grenzen kennt, solange sie zum Schaden der sogenannten „bürgerlichen“ Parteien angewandt wird, in verlegene Zurückhaltung angesichts kommunistischer Fehler. Das erklärt sich leicht, wenn man daran denkt, welches Geschick Romano Bilenchi und Tomaso Smith im Jahre 1956 ereilt hat: Der erste mußte zusehen, wie das von ihm redigierte Blatt II Nuovo Corriere sein Erscheinen einstellte, weil er im Verlauf der Ereignisse in Posen zusammen mit einigen Mitarbeitern eine nonkonformistische Haltung eingenommen hatte. Der andere wurde aus der Redaktion von „II Paese“ ausgestoßen, weil er in einem Artikel Stellung gegen die Sowjetrussen nahm, als diese den Aufstand von Budapest im Blute erstickten.
Wie schon gesagt, besteht keine offzielle Bindung zwischen der Kommunistischen Partei Italiens und diesen sympathisierenden Zeitungen. Eigentümerin von „II Paese“ und „II Paese sera“ ist die Verlagsgesellschaft Rinnovamento, deren Leitung Loreto Parenti innehat. Von einer anderen Gesellschaft unter dem Vorsitz von Frau Delia Lo Verde wird L’Ora in Palermo herausgegeben, eine Tageszeitung, die Milazzo und seinen Verbündeten kostbare Dienste geleistet hat. Aber die Druckerei, in der „II Paese“ und „II Paese Sera“ hergestellt werden, die GATE, steht unter der Leitung von Pietro Secchia, und geschäftsführendes Vorstandsmitglied ist Amerigo Terenzi, Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Italiens und oberster Garant der Linientreue der sympathisierenden Presse. Man versteht leicht, wie „II Paese Sera“ von einem Blatt der extremen Rechten beschuldigt werden kann, in Wahrheit eine wirklich kommunistische Zelle zu sein. In der Tat kämpft das Personal von „II Pease Sera" in den Reihen der Kommunistischen Partei Italiens, abgesehen von einigen nichtkommunistischen Elementen, die ausgenommen worden sind, um die angebliche Unabhängigkeit der Tageszeitung glaubwürdiger zu machen.
„II Paese" und „II Paese Sera“ bedeuten eine hervorragende Unterstützung für die Partei, denn ihre Auflage beträgt ungefähr 200 000 Exemplare. Nach II Messagero ist „II Paese Sera" die meistgekaufte römische Tageszeitung. Ihre Auflage liegt nicht unter 150 000 Exemplaren (gegenüber 130 000 von II Tempo und 100 000 von II Giornale d’ltalia). Wie groß die Resonanz dieser kryptokommunistischen Tageszeitung ist, konnte man gelegentlich des zehnten Jahrestages ihrer Gründung feststellen. „II Paese Sera“ erschien aus diesem Anlaß in vierundzwanzigseitiger Ausgabe und veröffentlichte eine imponierende Reihe von Briefen italienischer und ausländischer Persönlichkeiten aus Politik, Kunst, Literatur und Publizistik, die sich alle in recht schmeichelhaften Ausdrücken über die formale Qualität des Blattes ergingen, oft aber betonten, daß sie dessen politischen Glauben nicht teilten. In der Tat verdankt „II Paese Sera“ seinen Erfolg dem Umstand, daß diese Tageszeitung nicht nur die Gunst militanter Kommunisten genießt, sondern auch bei jenen breiten Schichten der italienischen Öffentlichkeit Beifall findet, die gegenüber dem soge-nannten „christlich-demokratischen“ Regime eine wachsende Unzufriedenheit an den Tag legen, aber in entschiedener Weise antikommunistisch eingestellt bleiben.
Wenn so die kommunistische oder kryptokommunistische Presse im Bereiche der Tageszeitungen stark in Erscheinung tritt, ist ihre Stellung unter den Wochenzeitschriften nicht weniger gefestigt. Vie Nuove und Noi Donne sind mit ihrer Gesamtauflage von ungefähr 700 000 Exemplaren die einzigen, im modernen Rotationsdruckverfahren hergestellten Blätter, die Rom den großen mailändischen Publikationen entgegenstellen kann. Gewiß sind sie in bezug auf die Ausstattung anderen Zeitschriften wie Tempo Illustrato oder Grazia unterlegen, aber doch nicht so sehr, daß sie gegen diese völlig abfielen. Jedenfalls übertreffen sie bei weitem die oft zitierten katholischen Rotationsblätter Rotosei und Orizzonti, deren Gesamt-auflage ungefähr 60 000 Exemplare beträgt. „Vie Nuove“ und „Noi Donne“ sind zwei Zeitschriften, die dem äußeren Anscheine nach nichts mit der Kommunistischen Partei Italiens zu tun haben. Die Titelseiten werden verziert durch farbige Bilder — nicht etwa der Helden der Sowjetunion oder der scheinbar unvergleichliehen Arbeiter in Fabriken und Kolchosen mit ihren von der Freude, zur besten der möglichen Welten zu gehören, ständig verklärten Gesichtern, sondern vielmehr der Filmschauspielerinnen, über deren angeblich unbezweifelbaren Wert Bürgerliche und Proletarier ohne Anstrengung übereinstimmen können, wobei das obligate Schema des Klassenkampfes völlig in den Hintergrund tritt. Unter der Titelseite lugt indessen sofort die Politik hervor, allerdings mit großer Diskretion. Die Propaganda wird dabei mit all den durch die Technik des Rotationsdrucks gegebenen Möglichkeiten geschickt verhüllt. Das ist in besonders hohem Grade bei „Noi Donne" augenfällig. Diese Illustrierte wird von Guiliana Dal Pozzo, einer Redakteurin von „L’Unita“, herausgegeben, die persönlich die Korrespondenz mit den Leserinnen unter der Überschrift „Sprechen wir miteinander“ führt.
Diese Korrespondenz steht ihrem Inhalt und ihrer Form in nichts hinter der einer beliebigen Frauenzeitschrift „kapitalistischer" Richtung zurück.
Politisch eindeutiger profiliert ist das offizielle Organ der Kommunistischen Partei Italiens, die von ihrem Führer, Palmiro Togliatti, persönlich herausgegebene Monatsschrift Rinascita. Diese Publikation ist durch eine formale Strenge gekennzeichnet, die sie von „Vie Nuove" und „Noi Donne“ stark unterscheidet. Die Titelseite ist mit farbigen Reproduktionen berühmter alter und moderner Gemälde verziert, und die Innenseiten wimmeln von den plumpen und gutmütigen Gesichtern der Fischer, Bauern, Bergleute und Arbeiter, wie sie von den bekanntesten Vertretern des „sozialistischen Realismus“ künstlerich gestaltet werden. Die Artikel, die alle auf strikteste Orthodoxie ausgerichtet sind, haben eine vorwiegend wissenschaftliche Note und sind oft mit graphischen Darstellungen und Statistiken versehen.
Es wäre überflüssig, wollte man auch noch zu einer Untersuchung der kryptokommunistischen Zeitschriften vorwiegend literarischen Charakters, wie Societä, II Contemporaneo oder Belfagor ausholen — unter ihren Mitarbeitern findet man die besten Köpfe der marxistischen Intelligentia. Die angeführten Beispiele aus der politischen Publizistik sind völlig ausreichend, um einen Eindruck von der außerordentlichen Fähigkeit zu vermitteln, mit der die italienischen Kommunisten ihren Kampf auf dem Felde der öffentlichen Meinungsbildung führen. Glücklicherweise verfügt die demokratische Majorität über ein zusätzliches Medium, das in einem Land wie Italien mit seinen noch immer sehr zahlreichen Analphabeten und Halbanalphabeten von gewaltiger Bedeutung ist: das Fernsehen. Es genießt die Gunst gerade jener weniger wohlhabenden Schichten, die den Versuchungen der kommunistischen Propaganda besonders stark ausgesetzt sind. Es ist daher nicht übertrieben, wenn man behauptet, daß die Zukunft der italienischen Demokratie nicht zuletzt vom Gebrauch der Magie, mit der dieses moderne Spektakel die Massen fesselt, abhängt.