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Die Tschechoslowakei von 1918 bis 1939 | APuZ 49/1962 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 49/1962 Die Tschechoslowakei von 1918 bis 1939

Die Tschechoslowakei von 1918 bis 1939

GOTTHOLD RHODE

Fortsetzung

V. Die innere Entwicklung unter Masaryks Präsidentenschaft 1920-1935

Abbildung 1

Nach den Jahren der Staatsbildung und der Grenzkämpfe waren die anderthalb Jahrzehnte zwischen den ersten Parlamentswahlen im April 1920 mit dem kurz darauf folgenden Abschluß des Friedens von Trianon und dem Rücktritt des 85jährigen Präsidenten Masaryk im Dezember 1935 durchaus keine Periode ruhiger und und stetiger Entwicklung im Inneren. Vergli-chen mit den unter Inflation, Putschen, Revolutionen und Gewaltmaßnahmen leidenden Nachbarstaaten bildete die Tschechoslowakei aber in diesen Jahrzehnten eine Insel politischer Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität, bis die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und des Umsturzes im Deutschen Reich auch sie in Mit-leidenschaft zogen.

Anhang

Die Parlamentswahlen in der Tschechoslowakei 1920-1935

Die Regierungen der Tschechoslowakischen Republik 1918-1939

Parteien, Wahlen und Regierungsbildungen Das proportionale Wahlsystem ermöglichte die Existenz zahlreicher politischer Parteien, die einander aber doch nicht so kraß gegenüberstanden, daß tragfähige Mehrheitsbildungen unmöglich geworden wären. Die Zahl der Parteien wurde noch dadurch vermehrt, daß die beiden größten Völker im Staat, die Tschechen und die Deutschen, weitgehend analoge Parteien hatten, die sich nur national unterschieden, außerdem aber kleinere Gruppen, für die es im andersnationalen Lager kein Gegenstück gab. Bei den anders strukturierten Slowaken war nur ein Teil der Parteien spezifisch slowakisch, die tschechischen Sozialdemokraten und Agrarier waren aber auch in der Slowakei vertreten. Auch die Madjaren, mit denen zeitweilig die Zipser Deutschen zusammengingen, hatten ihr eigenes, ihrer Sozialstruktur entsprechendes Parteien-system, das lediglich die Ruthenen nicht voll entwickeln konnten Die einzige Partei, die Mitglieder und Abgeordnete aller sechs Nationalitäten umfaßte, war die kommunistische.

Fortsetzung Anhang

Nach der Verfassung sollte das Abgeordnetenhaus alle sechs, der Senat alle acht Jahre neu gewählt werden. Dieser Abstand ist praktisch nahezu eingehalten worden (zum — allein wichtigen -Abgeordnetenhaus wurde nur viermal gewählt, 19. 5. 1935), so daß kein eigentliches »Wahlfieber" entstehenkonnte. Die Verschiebungen im Stärkeverhältnis der Parteien waren zwar erheblich, brachten aber niemals einen völ53) ligen Umsturz des bisherigen Parteigefüges, das im ganzen bis zur letzten Wahl von 1935 bemerkenswert stabil blieb. Vor allem blieb das Verhältnis der Nationalitäten im Parlament fast unverändert und entsprach ungefähr dem jeweiligen Bevölkerungsanteil, wobei allerdings die Vertretung der Madjaren und Ruthenen unter ihrem Bevölkerungsanteil zurückblieb, während Tschechen und Deutsche mehr Sitze hatten, als es ihrem prozentualen Bevölkerungsanteil entsprach Das lag nicht nur an der für die Ruthenen besonders ungünstigen Wahlkreis-arithmetik, sondern auch am unterschiedlichen Altersaufbau.

Fortsetzung II Anhang

Die ersten Parlamentswahlen 1920 brachten einen Erfolg der fünf sozialistischen Parteien, die aber nicht genügend Sitze erhielten, um allein die Regierung bilden zu können, zumal an eine Beteiligung der deutschen und madjarischen Sozialisten nicht gedacht wurde. Die folgende Abspaltung der „marxistischer Linken“ (Kommunisten) von den tschechischen und deutschen Sozialdemokraten verringerte das Gewicht dieses Wahlerfolgs erheblich. Bei den zweiten Wahlen im Herbst 1925 wurden die bürgerlichen tschechischen Agrarier vor den die Sozialdemokraten überflügelnden Kommunisten zur stärksten Partei und konnten diese Position mit bemerkenswerter Stabilität bis zu den letzten Wahlen von 1935 halten, bei denen die Sudetendeutsche Partei die gleiche Zahl von Mandaten erhielt, während die tschechischen und slowakischen Sozialdemokraten nicht über 40 Mandate hinauskamen. Recht stabil blieb auch die zweite Partei der Mitte, die tschechische (klerikale) Volkspartei, mit der die Slowakische Volkspartei nur 1920 ein Wahlbündnis einging Dagegen konnte die ausgesprochen, rechts stehende und scharf gegen die Deutschen eingestellte Nationaldemokratische Partei bei keiner Wahl entscheidende Bedeutung erlangen und wesentlich mehr als 5 ’/o aller Mandate erringen Stärker als sie war stets die zweite Rechtspartei, die tschechischen Nationalsozialisten, die aber auch ihren sozialistischen und antiklerikalen Charakter betonten und keinerlei Bindung zur DNSAP der Deutschen in Böhmen oder zur NSDAP im Reich hatten, während tschechische und deutsche Sozialdemokraten sich doch trotz aller Differenzen als Bruderparteien betrachteten. Erst in den 30er Jahren tat die tschechische Faschistische Partei des einstigen Legionen„Generals" Gajda den tschechischen Nationalsozialisten einigen Abbruch.

Während bei den Tschechen das Quintett der fünf großen Parteien ständig das Bild des Parlaments prägte, war die Entwicklung der deutschen Parteien weniger stetig. In allen Parlamenten waren nur die deutschen Sozialdemokraten uhd die beiden Parteien der Mitte, der Bund der Landwirte und die Christlich-Sozialen, vertreten, jedoch mit erheblich schwankenden Abgeordnetenziffern, während auf der Rechten, von den Nationalsozialisten abgesehen, verschiedene Gruppierungen und Wählergemeinschaften mit wechselnden Namen erschienen, bis das Auftreten der Sudetendeutschen Partei die Lage rasch veränderte Bei den Slowaken blieben nur Hlinkas Slowakische Volkspartei und die kleine Slowakische Nationalpartei betont slowakische Parteien, die das Recht in Anspruch nahmen, die Meinung des slowakischen Volkes besser zu vertreten als Agrarier und Sozialdemokraten.

Die Kommunisten erzielten, als sie 1925 zum erstenmal kandidierten, einen so bedutenden Wahlerfolg wie in keinem anderen Land Ostmitteleuropas und wurden sofort zur zweitstärksten Partei. Zwar konnten sie diese Position bei den folgenden Wahlen nicht mehr halten, blieben aber mit gleichbleibend 10°/o aller Mandate eine beachtliche Größe und zugleich die stärkste und einzige legale Kommunistische Partei in Ostmitteleuropa Die Regierungen der Republik wechselten wesentlich häufiger als die Zusammensetzung des Parlaments, doch bot dei Tschechoslowakei nicht das Schauspiel dauernder Regierungskrisen und häufig wechselnder Regierungen wie etwa Jugoslawien, das in zehn Jahren (1918 bis Januar 1929) 23 Regierungen hatte, oder Polen, das es in knapp acht Jahren (1918 bis Mai 1926) auf.

16 Regierungen brachte. Diese größere Stabilität ist z. T.den ausgleichenden Bemühungen des Staatspräsidenten zuzuschreiben, der auch zweimal ein Beamtenkabinett ernannte, als die Bildung einer Koalition sich als zu schwierig erwies (Sept. 1920 und März 1926, beide Male Cerny). Weitere Gründe waren die größere politische Erfahrung und Kompromißbereitschaft der tschechischen und deutschen Parteien, die trotz zahlreicher Tumult-und Lärmszenen im Parlament bereit waren, Gegensätze zurücktreten zu lassen, und die Tatsache, daß die größte Partei, die tschechischen Agrarier mit Anton vehla dreimal einen Politiker von großem Geschick und ausgleichenden Fähigkeiten an die Spitze der Regierung stellen konnte, dessen Erbe nach seinem durch Krankheit bedingten Rücktritt im Januar 1929 auch unter seinen Nachfolgern noch fortwirkte.

Radikale Schwankungen der Regierungspolitik waren schon deshalb kaum möglich, weil viele Minister mehreren Kabinetten angehörten, vor allem aber blieb das Außenministerium in sämtlichen 15 Regierungen von 1918 bis 1935 in der Hand E Bene's.

Llnleugbar waren die meisten Regierungen weit mehr tschechisch als der Zusammensetzung des Parlaments entsprach. In anderthalb Jahrzehnten gehörte nie ein Ruthene, Madjare oder Pole einem Kabinett an und auch als seit Herbst 1926 die Deutschen an der Regierung beteiligt wurden, hatten sie stets nur zwei von 16 Ministerien. Nicht immer waren aber alle fünf großen tschechischen Parteien, die „Petka“ in wechselnder Kombination im Besitz der Macht und die anderen Nationen und die Kommunisten in der Opposition, doch bestimmte die gesamtnationale Koalition sowohl die Regierung Kram wie die Beamtenregierungen und die 1. Regierung vehla (1920— 1926). Nur vom Sommer 1919 bis Herbst 1920, während der rot-grünen Koalition der beiden Regierungen Tusar, waren die Volksparteiler und Nationaldemokraten ausgeschaltet. Erst im Herbst 1926 vollzog sich ein entscheidender Wandel, als die ersten Deutschen und im Jahr danach die Slowaken aus der Slowakischen Volkspartei in die Regierung eintraten.

Pie deutsche Frage Nach dem Abschluß des Friedensvertrages von Saint Germain mußten die Deutschen jede Hoffnung auf Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes endgültig begraben, doch fiel es ihnen begreiflicherweise schwer, sich als mitverantwortliche Bürger eines Staates zu fühlen, der ein sie benachteiligendes Sprachengesetz beschloß, ohne sie auch nur anzuhören, und die harten Worte „Kolonisten und Immigranten" oder die Schüsse vom 4. März 1919 zu vergessen Die über 70 deutschen Abgeordneten des ersten Parlaments gingen dementsprechend in scharfe Opposition und protestierten in einer von dem Abgeordneten Dr. Lodgman verlesenen Erklärung gegen die von der Revolutionären Nationalversammlung beschlossenen Gesetze und die Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes Sie stellten bei der Neuwahl Masaryks zum Staatspräsidenten am 27. Mai 1920 einen Gegenkandidaten auf oder enthielten sich der Stimme.

In den folgenden Jahren mußten die deutschen Abgeordneten mehrfach auf die Entlassung deutscher Beamter, die Nichtberücksichtigung von Deutschen bei Zuteilung von Land aus dem durch die Agrarreform gebildeten Staatlichen Bodenamt und andere Benachteiligungen hinweisen Dabei kam es gelegentlich zu unerfreulichen Lärmszenen. Im Juni 1922 spaltete sich der zunächst geschlossen auftretende deutsche parlamentarische Verband in eine rechtsstehende „Deutsche Kampfgemeinschaft". eine Gruppe der gemäßigten Bürgerlichen und die Sozialdemokraten Die beiden letzten waren zu einer positiven Mitarbeit durchaus bereit, sie mußten'aber feststellen, daß das tschechische Quintett vor jedem Ausgleich den Beamtenapparat tschechisieren, die Bodenreform unter Nichtbeteiligung der Deutschen durchführen und die entscheidende Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz ohne deutsche Beteiligung durchsetzen wollten. Diese erschien im Februar 1926, ohne daß sie der Ministerpräsident Svehla einem im Juli 1920 gegebenen Versprechen folgend dem verfassungsrechtlichen Ausschuß zur Begutachtung vorgelegt hatte, so daß die deutschen Abgeordneten ihre Ansichten nicht vorbringen konnten Durch diese Verordnung, die auch den Sprachengebrauch bei Distriktärzten und Geometern regelte und harte Bedingungen für die von jedem Beamten abzulegende Sprachprüfung stellte, wurde die Vorherrschaft des Tschechischen über das gesamte deutsche Gebiet ausgedehnt. Die deutschen Parteien führten einen scharfen Kampf gegen die Verordnung.

Trotzdem kam es noch im gleichen Jahr zum Eintritt der „aktivistischen“ deutschen Parteien in dem sich bildenden gemischt-nationalen Bürgerblock, teils, weil die Anhänger der gemäßigten Richtung hofften, durch Mitarbeit in der Regierung weitere Benachteiligungen der Deutschen verhüten zu können, teils, weil sich die wirtschaftlichen Interessen der deutschen und der tschechischen agrarischen Parteien in der Frage der Agrarzölle begegneten. Auch das erste Auftreten tschechischer Faschisten im Sommer 1926, die der Generalstabschef Gajda protegierte und die ebenso scharf gegen Masaryk und Benes wie gegen die Deutschen Stellung nahmen, mag den Entschluß der Gemäßigten, sich zusammenzufinden, beschleunigt haben. In das im Oktober 1926 gebildete dritte Kabinett Svehla traten der Bund der Landwirte und die Christlich-Sozialen ein und erhielten das Ministerium für öffentliche Arbeiten (Minister Spina) und das Justizministerium (Minister Mayr-Harting). Zusagen wurden in diesem Zusammenhang beiderseits nicht gegeben, so daß der Vorteil der fast zwölf Jahre andauernden deutschen Beteiligung an der Regierung (an die Stelle der Christlich-Sozialen traten im Dezember 1929 die deutschen Sozialdemokraten mit ihrem Vorsitzenden Dr.

Czec als Minister) lediglich in der Teil-H) nähme an der Machtausübung und in faktischem Entgegenkommen, nicht aber in rechtlichen Konzessionen bestand. Die Deutschen konnten deshalb nicht finden, daß der „Aktivismus“ ihre Stellung im Staat von der einer äußerlich gleichgestellten, faktisch aber benachteiligten „Minderheit" zu der einer die Verantwortung mittragenden Staatsnation umwandeln könne, so lange die ursprüngliche Nationalstaatskonzeption grundsätzlich erhalten blieb. Diese wurde nach wie vor daran deutlich, daß die durch die Sprachenverordnung vorgesehenen Sprachprüfungen an die deutschen Beamten ungewöhnlich hohe Anforderungen stellten und daß das sudetendeutsche Schulwesen sich durch Heraufsetzung der Schülerzahl je Klasse verschlechterte, während gleichzeitig im deutschen Sprachgebiet „Minderheitenschulen“ nicht etwa für die deutsche Bevölkerung, sondern für die wenigen tschechischen Beamtenkinder gebaut wurden.

Besondere Enttäuschung bereitete den Sudetendeutschen die Verwaltungsreform von 1927/1928, die vor allem aus Rücksicht auf die Slowakische Volkspartei vorgenommen wurde (s. unten). Gleichzeitig mit der Verfassung war das Land in 21 neue Verwaltungseinheiten, die Gaue (zupa) eingeteilt worden, die aber nur in der Slowakei tatsächlich eingerichtet wurden, während die drei Kronländer als Verwaltungseinheiten erhalten blieben Landtage gab es allerdings nicht mehr. Durch die Reform vom 27 Juli 1927, die am 1. Juli bzw. 1. Dezember 1928 in Kraft trat, wurden die Gaue (von denen zwei, nämlich Karlsbad und Böhmisch Leipa fast rein deutsch gewesen wären) wieder aufgehoben und die Länder als Verwaltungs57) und Selbstverwaltungseinheiten wiederhergestellt bzw. neu geschaffen (im Fall der Slowakei). Neben die von der Zentrale eingesetzte Landesbehörde trat nun auch eine Landesvertretung und ein von dieser gewählter Landesausschuß. Die Landesvertretungen, zu zwei Dritteln gewählt und zu einem Drittel ernannt, hatten zwar keine gesetzgebende Gewalt, konnten aber erhebliche beschließende, nominierende und kontrollierende Funktionen ausüben. In einem solchen Selbstverwaltungsorgan für Schlesien hätten nun die Deutschen mit einer sicheren relativen Mehrheit rechnen können. Nadi den Volkszählungsergebnissen von 192 1 standen zwar in Schlesien einschließlich des Hultschiner Ländchens den 47. 5 °/o „Tschechoslowaken" nur 40, 50/0 Deutsche und 11, 3 °/o Polen gegenüber, doch waren dabei alle Schlonsaken und Hultschiner den Tschechen zugezählt worden, obwohl diese sich bei den Wahlen anders entschieden und polnischerseits betont wurde, daß die Zahl der Polen in Schlesien nicht knapp 70 000, sondern trotz inzwischen erfolgter Auswanderung etwa 1 30 000 betragen müsse Diese Möglichkeit wurde dadurch verhindert, daß Mähren und Schlesien zu einem Land vereinigt wurden, in dem die Tschechen eine sichere Mehrheit hatten und die Polen zu einer quantite negligeable werden mußten. Schlesien erhielt mithin nicht wenigstens die Anfänge einer deutsch bestimmten Selbstverwaltung, was ausgleichend hätte wirken können, und die über-* wiegend deutsche Landeshauptstadt Troppau wurde durch den Auszug der Landesbehörden nach Brünn schwer benachteiligt. Die Mitwirkung der deutschen Minister und der beiden deutschen Regierungsparteien bei diesem Beschluß wurde ihnen sehr verübelt und mit Stimmenverlusten bei den Landesvertretungswahlen im Dezember 1928 quittiert. Die Unzufriedenheit der Sudetendeutschen mit den Ergebnissen des Aktivismus wuchs, als die Weltwirtschaftskrise im Jahre 1931 auch die bis dahin wirtschaftlich florierende Tschechoslowakei ergriff und sich in erster Lime in den exportabhängigen und krisenempfindlichen sudetendeutschen Gebieten Böhmens katastrophal auswirkte, so daß von den 800 000 Arbeitslosen des Landes 500 000 auf die Sudetendeutschen entfielen Da die Deutschen dagegen im tschechischen Gebiet bei weitem geringere Auswirkungen der Krise und jenseits der Sudeten und des Erzgebirges den wirtschaftlichen Aufstieg des nationalsozialistischen Deutschlands vor Augen hatten, konnten Unzufriedenheit und Radikalisierung nicht ausbleiben. Die DNSAP, die bei den Wahlen von 1929 nur 8 der 66 deutschen Mandate (ohne deutsche Kommunisten) gewinnen konnte, mußte nach Hitlers Machtübernahme naturgemäß an Anhängern gewinnen, zumal die alten deutschen Parteien kaum neue Gedanken und bedeutende Männer aufweisen konnten. Da nach einem kompromittierenden Prozeß gegen den „Volkssport , das Gegenstück zur SA, im Herbst 1932 die Möglichkeit einer Parteiauflösung drohte, kam die DNSAP dieser im Herbst 193 3 durch Selbst-auslösung zuvor, nachdem am 1. 10. 1933 der 61 Verbandsturnwart der sudetendeutschen Turnerschaft, Konrad Henlein, zur Bildung einer Sudetendeutschen Heimatfront aufgerufen hatte, die übrigens von den tschechischen Agrariern gegen die Linksparteien deutlich begünstigt wurde In der Heimatfront, seit 1935 Sudetendeutsche Partei, fanden sich nicht nur die Anhänger der Rechtsparteien, sondern sie wurde ein Sammelbecken zahlreicher Enttäuschter wie auch von Vertretern hündischer und christlich-konservativer Ideen, die im Sudetendeutschtum eine große Rolle spielten (Othmar Spann) Sie konnte deshalb nicht als einfaches Gegenstück der NSDAP betrachtet werden, und Henlein betonte diesen Unterschied auch deutlich und offenbar ehrlich in seiner programmatischen Rede in Böhmisch-Leipa im Herbst 1934 mit dem Satz: „Wir werden niemals auf die Freiheit des Individuums verzichten." Dieser Sammel-charakter und die Unzufriedenheit mit dem „Aktivismus" ermöglichte der SdP den großen Wahlerfolg vom I 9. Mai 1935, der ihr mit einem Schlag zwei Drittel aller 66 deutschen Mandate (wieder ohne Kommunisten) brachte und sie als zweitstärkste Partei neben die tschechischen Agrarier stellte, während die drei aktivistischen deutschen Parteien jeweils die Hälfte ihrer Mandate verloren.

Das Bestreben der SdP war zu diesem Zeitpunkt noch eindeutig die Erringung der Autonomie durch weitgehende Interessierung des angelsächsischen Auslandes und eine Koalition mit den tschechischen Agrariern. Zunächst bezog sie die Stellung einer „konstruktiven Opposition". während die deutschen Aktivistenparteien nur noch den Gesundheitsminister und einen Minister ohne Portefeuille stellten.

Die slowakische Frage Während das sudetendeutsche Problem auch außerhalb des Landes bekannt war, wenn auch kaum voll gewürdigt wurde, blieb das slowakische Streben nach Autonomie, abgesehen von gelegentlichem nicht rein altruistischen Interesse in Polen, außerhalb der Tschechoslowakei, ja selbst bei den Sudetendeutschen, ziemlich unbekannt. Das konnte später, nach Hitlers Bemühungen um die Auflösung der Tschechoslowakei und nach der Bildung des selbständigen slowakischen Staates zu dem Eindruck führen, die slowakische Autonomiebewegung sei künstlich vom Nationalsozialismus hochgespielt worden. Dies ist jedoch nicht richtig; nach Hitlers eigenen Worten gegenüber Tiso, die, da sie Tiso durchaus nicht schmeichelten, gewiß unverdächtig sind, hat er sich bis zum Herbst 193 8 mit der slowakischen Autonomie gar nicht beschäftigt und war zunächst bereit, die ganze Slowakei Ungarn zu überlassen Erst im Herbst 1938 setzte das gesteigerte Interesse der Reichsstellen an der Slowakei ein.

Ein enges Bündnis zwischen der slowakischen Autonomiebewegung und dem Nationalsozialismus war schon dadurch unmöglich, daß erstere streng katholisch und klerikal war und dem Tschechentum u. a gerade wegen seiner Romfeindschaft und der Kirchenaustrittsbewegung ablehnend gegenüberstand.

Nach Hlinkas vergeblicher Parisreise und Haft 1919/1920 erlebte die Slowakische Volkspartei bei den Wahlen vom April 1920 einen klaren Mißerfolg; sie schickte nur 12 Abgeordnete ins Parlament, die unitarische Sozialdemokratische Partei die doppelte Zahl und die Agrarier eben-soviel. Kurz darauf, am 4. Mai 1919, fand der Mann ein tragisches Ende, der vielleicht viel für einen Ausgleich der Gegensätze getan hätte: Milan Stefanik, nach Meinung der Slowaken von einer tschechischen Batterie abgeschossen Die Slowaken, die immerhin eine ganze Reihe von Ministern in der Regerung hatten, darunter mehrfach den begabten und geschickten Agrarier Milan Hodza, stellten mit Mißvergnügen fest, daß es sich fast durchweg um Angehörige der protestantischen Minderheit handelte und daß zahlreiche tschechische Beamte ins Land kamen. Andererseits entstand jetzt erst ein ausgedehntes slowakisches höheres Schulwesen und die erste slowakische Universität in Preßburg

Bei den Wahlen vom 15. 11. 1925 wurde die Slowakische Volkspartei aber mit 23 Sitzen stärkste slowakische Partei und konnte diese Position auch bei den nächsten Wahlen 1929 trotz Mandatsverlust halten. Da die bisherige Regierungsmehrheit bei den Wahlen von 1925 verloren gegangen war, bemühte sich Svehla um die Beteiligung der Slowakischen Volkspartei an der Regierung und machte Zusagen bezüglich der Autonomie, die dann in der Verwaltungs'reform von 1927/28 verwirklicht wurden. Die Slowakische Volkspartei empfand die Landesvertretung noch nicht als Erfüllung ihrer Wünsche, sondern nur als einen Anfang, doch blieb sie von Anfang 1927 bis Ende 1929 mit zwei Ministern (Tiso und Gazik) in der Regierung. Diese Zusammenarbeit wurde durch den Prozeß des Volksparteilers Dr. Tuka erschüttert, der die These aufstellte, der Anschluß der Slowakei sei auf 10 Jahre befristet gewesen, so daß ab 30. 10. 1928 alle slowakischen Beamten ihres Diensteides entbunden seien und ein rechtloser Zustand herrsche.

Da Tuka auch eine Heimwehr, die „Rodobrana“, organisiert hatte, wurde er Anfang Januar 1929 verhaftet und gerade in der Zeit der Wahlen (im Oktober 1929) wegen Hochverrats zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Sein radikaler Autonomismus wurde zwar von den meisten Volksparteilern nicht befolgt, doch beteiligte sich die Slowakische Volkspartei nach den Neuwahlen nicht mehr an der Regierung.

Die tschechoslowakische Regierung tat zweifellos viel für die Heranbildung einer slowakischen Intelligenz, mußte aber erneut die alte Erfahrung machen, daß eine solche neu heran-gebildete Schicht kaum Dankbarkeit gegen den Staat empfindet, dafür aber ihr nationales Bewußtsein steigert und an die Massen weiter-gibt. In der überwiegend agrarischen und weniger krisenempfindlichen Slowakei wirkte sich die Wirtschaftskrise nicht so sehr aus wie im Sudetengebiet, doch machte sich nationale und konfessionelle Empfindlichkeit gegenüber der als Bevormundung empfundenen tschechischen Haltung stärker geltend. So gab es erheblichen slowakischen Widerspruch gegen die 1931 vom Kultusministerium, an dessen Spitze der slowakische Sozialist Ivan Derer stand, genehmigten slowakischen Rechtschreiberegeln, weil sie eine Angleichung beider Sprachen begünstigten. Die ehrwürdige slowakische Kulturorganisation, die Matica Slovenskä, lehnte sie im Mai 1932 schließlich ab. Eine besondere Manifestation slowakischen Selbstbewußtseins ermöglichte im August 1933 die Elfhundertjahrfeier der Annahme des Christentums durch den slawischen Fürsten Pribina in Neutra, die daran erinnerte, daß das Christentum in der Slowakei um rund hundert Jahre älter war als in dem von den Slowaken als ungläubig empfundenen Böhmen, Bei diesen Feiern forderten Hlinka und seine Anhänger laut die Autonomie und wurden danach in ihrer Haltung durch einen Brief des Prager Nuntius Ciriaci an Hlinka bestärkt, der die Kirchentreue der Slowaken gegenüber der verletzenden Kirchenfeindschaft in Böhmen hervorhob und sogar von einer „gens Slovacorum“ sprach, was bei der Veröffentlichung des Briefes mit „slowakische Nation“ übersetzt wurde Da es nach offizieller Leseart nur eine „tschechoslowakische Nation" gab, führte diese deutliche Unterstützung slowakischer Autonomiewünsche durch den Vatikan zu einem Konflikt zwischen diesem und der tschechoslowakischen Regierung.

Auf deren Ersuchen berief der Vatikan den Nun“) tius zwar ab, sandte aber keinen Nachfolger; erst im Herbst 1935 gelang die Versöhnung.

Die Pribina-Feiern in Neutra, bei der die Massen durchgesetzt hatten, daß der als Redner gar nicht vorgesehene Pater Hlinka sprach, hatten die Stärke der slowakischen Autonomie-bewegung deutlich gemacht, in der neben der Slowakischen Volkspartei auch die Slowakische Nationalpartei unter dem Protestanten Martin Räzus von Bedeutung war. Sie bekam in den dreißiger Jahren neuen Auftrieb, weil die Slowaken ebenso wie die Sudetendeutschen mit Mißvergnügen sahen, daß die Zahl der tschechischen Beamten in ihrem Land nicht abnahm, obwohl immer mehr genügend ausgebildete Slowaken zur Verfügung standen, und daß die Slowaken nur ganz minimal in den ganz überwiegend den Tschechen vorbehaltenen Zentral-behörden vertreten waren Slowakische Autonomisten berechneten die Zahl der in die Slowakei eingeströmten tschechischen Beamten und Funktionäre auf etwa 120 000 Die Stärke der Autonomiebewegung, die die Regierung mit Prozessen gegen die Pribina-Demonstranten bekämpfte, dokumentierte sich auch bei den Wahlen vom Mai 1935, nach denen die Slowakische Volkspartei wieder mit 22 Abgeordneten ins Parlament ging (unter ihnen allerdings ein Pole und ein ruthenischer Autonomist).

Kirchen und religiöse Gemeinschatten Die Vielfalt der Nationalitäten des jungen Staates fand zwar kein getreues Spiegelbild in einer ähnlichen Vielfalt der Konfessionen, doch spielten konfessionelle Probleme zumindest in den Anfangsjahren des Staates ebenfalls eine erhebliche Rolle, eine weit größere jedenfalls, als es die Zugehörigkeit von rund 3/4 der Staats-bevölkerung zur römisch-katholischen Kirche erkennen und vermuten ließ. Die Probleme und Spannungen waren vor allem in der durchaus unterschiedlichen Einstellung der drei großen Nationalitätengruppen, der Tschechen, Deutschen und Slowaken, zur römisch-katholischen Kirche begründet. Zwar waren die Tschechen, die Deutschen in den Kronländern und die Slowaken in ihrer großen Mehrheit römisch-katholisch, und nur unter den Slowaken konnte die politisch sehr bewußte, kulturell hochstehende lutherische Minderheit von etwa 12’/o bedeutend genannt werden, aber diese Gemeinsamkeit des Bekenntnisses stellte kaum ein zusammenschließendes Band dar. Einem großen Teil der Tschechen, auch der nichtsozialistischen, erschien nämlich die römisch-katholische Kirche besonders während des ersten Weltkrieges als spezifisch habsburgisch, als österreichische Staatskirche, in welcher Haltung sie durch die kaisertreue Haltung der klerikalen Volkspartei und durch die Tatsache, daß der Erzbischof von Prag, Graf Huyn, Deutscher war, noch bestärkt wurden. Masaryk selbst war ja, wie oben (Seite 608) erwähnt, nach seiner Ehe mit einer unitarischen Amerikanerin im Jahre 1880 zur reformierten Kirche übergetreten, hatte nach einem Besuch in Rom erklärt: „Die Kurie ist tot“, fand den Sinn der tschechischen Geschichte am besten in den Böhmischen Brüdern verkörpert und trat während seines Auslandsaufenthaltes zur Kriegszeit erstmals mit der Gedenkfeier zum 500sten Todestage von Johannes Hus am 6. Juli 1915 vor die Öffentlichkeit. In der Unabhängigkeitsdeklaration vom 18. Oktober 1918 hatte er die vollständige Trennung von Staat und Kirche angekündigt, wobei ihm offenbar das amerikanische Vorbild vorschwebte. Es war deshalb kein Wunder, daß die Entstehung des tschechoslowakischen, als grundsätzlich antiklerikal und laizistisch empfundenen Staates, mit antirömischen Kundgebungen verbunden war, mit der Entfernung von Kruzifixen aus den Schulen und mit dem gewaltsamen Sturz der Marien-Säule auf dem Altstädter Ring in Prag, die als Siegeszeichen der habsburgischen Gegenreformation angesehen wurde, am 3. November 1918.

Dieser antirömischen Haltung der nationalen tschechischen Intelligenz und des Kleinbürgertums, die zu der größten Kirchenaustrittsbewegung des 20. Jahrhunderts führen sollte, entsprach bei den Sudetendeutschen zwar eine große Nüchternheit und sogar Gleichgültigkeit in kirchlichen Dingen, sehr zum Unterschied von der katholischen Bevölkerung im benachbarten Bayern und im benachbarten Schlesien, aber doch keine affektgeladene Feindschaft. Die slowakischen Katholiken waren dagegen, wie im voraufgehenden Abschnitt gezeigt, mit der katholischen Kirche eng verbunden und sahen in ihren Priestern noch selbstverständlich auch ihre politischen Führer.

Außerhalb der römisch-katholischen Kirche war das Bekenntnis zur griechisch-katholischen Kirche weitgehend mit dem ukrainischen Volkstum. das zur reformierten Kirche in der Slowakei mit dem Magyarentum verbunden, während in der lutherischen Kirche in den Kronländern Tschechen, Deutsche und Polen, in der lutherischen Kirche der Slowakei Slowaken, Deutsche und Magyaren vereint waren. Dieser Zustand zur Zeit des Kriegsendes wurde aber in den ersten Nachkriegsjahren erheblich umgeformt, da der Staat zu nationaler Differenzierung der national gemischten Kirchen drängte und da gleichzeitig eine starke Bewegung zur Schaffung einer Nationalkirche in Böhmen und Mähren und zum Übergang zur Orthodoxie in Karpathoruthenien einsetzte. Das Eigentümliche war, daß die Entwicklung der ersten Jahre sich in der Folgezeit nicht fortsetzte. Staat und Kirche wurden nicht getrennt, die römisch-katholische und die griechisch-katholische Kirche behielten trotz erheblicher Verluste ihre führende Stellung und die nationale Differenzierung der Kirchen wurde nur in einigen Gebieten durchgeführt. Die größte Stabilität der konfessionellen Verhältnisse zeigte die Slowakei. (Vergleiche hierzu und zum folgenden Tabelle III). Die bemerkenswerteste Erscheinung der ersten Nachkriegsjahre war die Kirchenaustrittsbewegung und die Bildung der Tschechoslowakischen Kirche 67a). Schon am 28. Oktober 1918 lebte der 1895 gegründete, 1907 aber aufgelöste „Verband der katholischen Geistlichkeit" (Jednota katolidceho duchovenstva) wieder auf, der in seinem Reformprogramm u. a. die Abschaffung des Zölibats, die Errid. tung eines tschechischen Patriarchats. Demokratisierung der kirchlichen Hierarchie und stärkere Berücksichtigung des Tschechischen im Gottesdienst sowie die Ersetzung deutscher und magyarischer Bischöfe durch „tschechoslowakische“ verlangte. Als eine Delegation beim Vatikan im Juli 1919 nur wenig Entgegenkommen fand und die Ernennung eines bekannten Reformgegners Frantisek Kordäc statt des zurückgetretenen Grafen Huyn zum Erzbischof von Prag im September 1919 zeigte, daß im Vatikan nur mit geringen Zugeständnissen zu rechnen war, trieb eine radikale Gruppe der Reformgeistlichkeit, die auch auf Unterstützung der Regierung hoffte, unter dem Religionsprofessor Karel Farsky zum Bruch mit Rom. Er wurde auf einer Versammlung der Reformpriesterschaft am 8. Januar 1920 in Smichov vollzogen, doch stimmten nur 140 Priester aus der Zahl der über 2 000 Mitglieder der Jednota für die Trennung, und auch von diesen stellten sich endgültig nur 40 der neuen „Tschechoslowakischen Kirche" zur Verfügung. Ein Hirtenbrief der Bischöfe vom 17. Januar 1920 bremste die Reformbewegung innerhalb der römisch-katholischen Kirche ab, und die neuen, meist in Städten entstehenden Gemeinden der romfreien Tschechoslowakischen Kirche, die sich bald auch dogmatisch von der römisch-katholischen Kirche löste, mußten die zunächst in Besitz genommenen Kirchen häufig wieder zurückgeben.

Die Aufrufe zum Austritt aus der römisch-katholischen Kirche und die Unzufriedenheit mit ihr führten aber doch dazu, daß bis zur Volkszählung am 15. Februar 1921 rund 1, 5 Millionen Gläubige die römisch-katholische Kirche verließen, von denen jedoch nur rund 525 000 zur Tschechoslowakischen Kirche übertraten, rund 725 000 blieben konfessionslos, und der Rest schloß sich den evangelischen Bekenntnissen an. Diese Austrittsbewegung, die sich im folgenden Jahrzehnt abgeschwächt fortsetzte, so daß die römisch-katholische Kirche in den Kronländern relativ weiter zurückging, blieb fast völlig auf die Tschechen beschränkt, vor allem wurde die Tschechoslowakische Kirche zu einer tschechischen Kirche, denn ihre wenigen Anhänger in der Slowakei waren meist tschechische Beamte. Die erhoffte lebhafte Unterstützung durch die Regierung und mehrere Parteien blieb aber aus, obwohl zunächst die Nationaldemokraten mit Dr. Kramäf und die Nationalsozialisten sehr positiv zu der Neugründung standen. Vor allem wandten sich die Agrarier mit ihrem starken Rückhalt im katholischen Landvolk gegen die Abspaltung, und die Sozialdemokraten hatten sich von vornherein gleichgültig verhalten.

Erst ein Jahr nach ihrer Bildung, 1921, konnte die Tschechoslowakische Kirche auch die staatliche Anerkennung durchsetzen und die ersten Zuwendungen aus dem Staatsfond „für verschiedene religiöse Bekenntnisse“ erhalten; sie befand sich also gerade im ersten Ausbaujahr in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die erst seit 1923/24 durch höhere Staatszuschüsse und die Gewährung von Sonderbeträgen für Kirchenbauten allmählich geringer wurden.

Nicht unbeeinflußt vom panslawischen Gedankengut, versuchte die Kirchenleitung sich zunächst an die serbische Orthodoxe Kirche anzuschließen, die auch einen der vier gewählten Bischöfe, Matthias Pavlik von der mährischschlesischen Diözese, am 21. September 1921 zum Bischof weihte, wobei er sich den Namen eines Schülers des Heiligen Methodius, Gorazd, als Ordensname wählte. Sehr bald zeigte sich jedoch, daß die erheblichen dogmatischen Unterschiede, vor allem der mehr eine allgemeine christliche Ethik als ein Glaubensbekenntnis verkündende Tschechoslowakische Katechismus Dr. Farskys, ein Zusammenwirken oder gar eine Vereinigung unmöglich machten. Als Farsky 1924 zum „Patriarchen“ gewählt wurde, verließ Bischof Gorazd die Tschechoslowakische Kirche, doch folgten nur einige Tausende seinem Beispiel und traten zur Orthodoxen Kirche über, die nun in Böhmen und Mähren und später auch in der Slowakei eine Anzahl von Gemeinden gründen konnte.

Nach der Ausschaltung der orthodoxen Richtung und der allgemeinen Konsolidierung im Jahre 1924 konnte die Tschechoslowakische Kirche ihre Mitgliederzahl langsam vermehren (siehe Tabelle III), so daß sie Anfang der dreißiger Jahre etwa 250 Gemeinden und nahezu 300 Geistliche zählte. Zu einer allgemeinen Volkskirche wurde sie aber nicht. In ihrer Lehre entfernte sie sich durch die Ablehnung der Trinität, der Erlösung und der Auferstehung immer mehr von ihren katholischen Anfängen und näherte sich einerseits den Unitariern, andrerseits der „Deutschen Glaubensbewegung“ in Deutschland.

Im Gesamtverhältnis des Staates zu den Kirchen wurde entgegen den ursprünglichen Absichten und Ankündigungen sehr viel an überkommenen Regelungen übernommen. In der Verfassung wurde das Verhältnis gar nicht berührt, sie garantierte lediglich einen weitgehenden Schutz der religiösen Minderheiten. Neben dem Interkonfessionellen Gesetz vom 23. April 1925, das vor allem die Fragen der Zugehörigkeit zu einer Konfession, des Austritts und des Übertritts regelte, gewährten aber aus dem Habsburger Reich übernommene oder neu geschaffene Gesetze den anerkannten Religionsgemeinschaften erhebliche staatliche Hilfe, u. a. weitgehende Befreiung aller Geistlichen vom Militärdienst, Portofreiheit der amtlichen Korrespondenz, Anerkennung der Tauf-und Trau-eintragungen als öffentliche Urkunden und Sicherstellung des Religionsunterrichts. In finanzieller Hinsicht zog der Staat zwar nicht die Kirchensteuern ein, gewährte aber den Kirchen entweder aufgrund des sogenannten Kongrua-Gesetzes vom 25. Juni 1926 eine regelmäßige feste Zahlung oder jährlich neu festzusetzende „Dotierungen" aus einem Fond „für verschiedene religiöse Bekenntnisse“. Diese Regelung bewirkte, daß die Konfessionslosen an der Erhaltung der Kirchen mit beteiligt waren und daß neu gebildete Gemeinschaften naturgemäß schlechter gestellt waren als die im Kongrua-Gesetz genannten „Kongrua-Kirchen“.

Bei den Neubildungen 67b) nach 1918 ging die Tendenz allgemein dahin, die evangelischen Kirchen national zu gliedern, während es bisher national gemischte Landeskirchen Augsburgischen oder Helvetischen Bekenntnisses gegeben hatte. So schlossen sich die tschechischen Gemeinden der beiden Bekenntnisse im Dezember 1918 zur „Tschechisch-Brüderischen Evangelischen Kirche“ zusammen, die mithin eine nationale Unionskirche wurde, trotz des Namens ohne direkte Verbindung mit den Böhmischen Brüdern und nicht zu verwechseln mit deren wieder aufgelebter Kirche, der kleinen „Evangelischen Brüder-Unität" (Herrnhuter). Die „Tschechisch-Brüderische Evangelische Kirche", der auch Masaryk angehörte, konnte trotz ihrer geringen Gläubigenzahl als besondere Verkörperung tschechischen religiösen Lebens gelten und hatte erheblichen Zustrom durch Übertritte. In der 1919 begründeten Hus-Fakultät der tschechischen Karls-Universität hatte sie ihr gewordenes Theologisches Zentrum, an dem seit über die Grenzen des Staates hinaus bekannt 1934 auch die Tschechoslowakische Kirche beteiligt wurde.

Infolge dieser Kirchenbildung waren die deutschen Gemeinden Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses in den Kronländern genötigt, sich ihrerseits im Oktober 1919 zur „Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien“ mit den Schwerpunkten im Gebiet von Asch, in Eger und in Tschechisch-Teschen zusammenzuschließen. Die überwiegend polnischen lutherischen Gemeinden im Teschener Schlesien bildeten nach der endgültigen Teilung des Teschener Gebiets eine kleine polnische Evangelische Kirche AB in Ostschlesien, während die tschechischen und deutschen Gemeinden sich den beiden eben genannten Kirchen anschlossen.

Diese nationale Trennung wurde jedoch nicht auf die Slowakei ausgedehnt, weil ein weiter gültiges ungarisches Gesetz vom Jahre 1895 eine Kirchenbildung nach sparchlichen Gesichtspunkten untersagte. Auf diese Weise blieb die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Slowakei eine Kirche von Slowaken, Deutschen und Magyaren, allerdings mit starkem Übergewicht der Slowaken (etwa 8 5 °/o). Ebenso blieben Magyaren und Slowaken in der Reformierten Christlichen Kirche in der Tschechoslowakei beisammen, die wiederum etwa 90°/o Magyaren unter ihren Gläubigen hatte und sich in besonders starkem Maße als spezifisch magyarische Kirche fühlte. Die Forderung der slowakischen Gemeinden, für sie ein eigenes, sprachlich getrenntes Seniorat zu bilden, wurde darum nicht erfüllt, während die gleiche sprachliche Sonderung in der Kirche Augsburgischen Bekenntnisses durch die Bildung von drei deutschen Senioraten vollzogen werden konnte und ein friedliches Zusammenleben beider Nationalitäten in der gleichen Kirche bewirkte.

Das äußerlich korrekte Verhältnis zwischen dem Staat und der römisch-katholischen Kirche geriet in eine schwere Krise, als das Parlament im Frühjahr 1925 das Feiertagsgesetz verabschiedete, durch das zwar eine Reihe katholischer Feiertage als staatliche Feiertage anerkannt, die zweiten Feiertage der drei hohen Feste aber aufgehoben wurden und außerdem der Gedenktag an Johann Hus, der 6. Juli, neben den Tagen der Heiligen Cyrill und Methodius und des Heiligen Johann von Nepomuk zu Feiertagen erklärt wurden. Für die römisch-katholische Kirche, die in Hus einen Häretiker und Ketzer sieht, mußte die Heraus-stellung seines Gedenktages verletzend wirken, und auch Deutsche und Slowaken konnten in der Feier dieses Tages nicht mit den Tschechen übereinstimmen. Als der Gedenktag unter Teilnahme Masaryks, des Ministerpräsidenten vehla und weiterer Minister erstmals festlich begangen wurde, protestierte der Vatikan durch sofortige Abberufung des Nuntius Marmaggi noch am gleichen Tage. Dieser Abbruch der Beziehungen hätte fast zu einer Sprengung der Koalition geführt, in der die Volkspartei nach einigem Schwanken jedoch verblieb; außerdem brachte er erneut die Trennung von Staat und Kirche zur Sprache, die aber wieder nicht Tatsache wurde, nicht zuletzt, weil Benes dagegen war. Er konnte auch nach zweieinhalb Jahren den Konflikt beilegen, indem sein Vertreter Krofta mit Kardinal-Staatssekretär Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., im Januar 1928 ein Abkommen über den künftigen Modus vivendi schloß, in dem u. a. zugesichert wurde, daß der Vatikan vor der Ernennung neuer Bischöfe bei der Regierung anfragen werde, ob sie ihr genehm seien. Die gleichzeitige Zusicherung, die Diözesangrenzen den Landesgrenzen anzupassen, wurde jedoch nicht durchweg erfüllt, so daß sich die Jurisdiktion des Erzbischof von Breslau auch weiterhin über Teile von ÖsterreichSchlesien, die der Erzbischöfe von Prag und Olmütz dagegen über die Archidiakonate Glatz und Branitz-Leobschütz erstreckte. Auch die slowakischen Bistümer gehörten noch bis 1937 zu den ungarischen Kirchenprovinzen Gran und Erlau und wurden erst in diesem Jahr exemt, ohne daß aber eine Neuumschreibung der Diözesen vorgenommen worden wäre. Der zweite Konflikt, der wieder zur diesmal von Prag gewünschten Abberufung des Nuntius führte, ist schon im vorigen Abschnitt geschildert worden. Auch hier hatte sich Benes intensiv um den Ausgleich bemüht, der schließlich durch den glänzenden Verlauf des Katholikentages in Prag im Juli 1935 wesentlich gefördert wurde.

Eine besondere Krise durchlebte die griechisch-katholische Kirche in Karpatho-Ruthenien, die durch massenweise Übertritte zur Orthodoxen Kirche Scharen von Gläubigen verlor und schon 1930 trotz absoluten Zuwachses nicht mehr die absolute Mehrheit im Lande hatte, während die Orthodoxe Kirche die Zahl ihrer Anhänger in einem Jahrzehnt fast verdoppeln konnte. Auch dabei spielten panslawische Gedanken und russophile Tendenzen unter einem Teil der Karpatho-Ruthenen eine Rolle.

Wirtschaftsprobleme; Kommunisten und Faschisten So wie sich die politischen Auseinandersetzungen trotz aller harten Wortgefechte und Lärm-szenen im Parlament nach 1920 doch in gemäßigterer Form abspielten als in Polen, Deutschlang oder Jugoslawien, so daß die Tschechoslowakei für den Außenstehenden geradezu als friedliche Insel erscheinen mußte, so blieb das Land auch vom Taumel der Inflation verschont, was z. T.den Maßnahmen des höchst unpopulären Finanzministers Dr. Rain zu verdanken war. Er trennte schon durch ein Gesetz vom 25. Februar 1919 die neue Währung, die tschechoslowakische Krone, von der österreichischen Krone und ließ die umlaufenden Noten bei strikter Grenzschließung in wenigen Tagen abstempeln, wobei praktisch 5 5 °/o des Bargeldes eingezogen wurden. Durch diese unpopuläre Maßnahme, der Rasin während seiner zweiten Amtszeit als Finanzminister, im Herbst 1922 eine strikte Deflationspolitik mit rigorosen Sparverordnungen folgen ließ, um so die niedrig stehende Krone aufzuwerten, wurde trotz zunächst einsetzender Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichem Rüdegang die Stabilität der Währung erhalten. Rasin, bestgehaßter Politiker der Republik, büßte seine Sparpolitik mit dem Leben. An den Folgen eines am 23. Januar 1923 von einem jungen Anarchisten verübten Attentats starb er wenige Wochen später. Diese Tat blieb der einzige politische Mord in der Entwicklung der Tschechoslowakei. Günstig für das Land war ferner, daß es nur einen kleinen Teil der österreichisch-ungarischen Staatsschulden zu übernehmen brauchte und daß keinerlei Kriegsschäden eingetreten waren.

Bis in die Weltwirtschaftskrise hinein wurde die Tschechoslowakei dank dieser günstigen Vorbedingungen ein Gebiet relativen Wohlstandes und sozialer Ruhe, nachdem die Auswirkungen des Krieges und die Schwierigkeiten der Umstellung auf einen verkleinerten Wirtschaftsraum überwunden waren. Während wirtschaftliche Streiks bei der Wirtschaftskrise ziem; lieh selten waren, erschütterten im Winter 1920/21 politische Streiks das soziale Gefüge. An ihrer Spitze standen die Führer des linken Flügels der Sozialdemokratie, Muna und Zapotocky die auf diese Weise die Herrschaft über die Partei, deren Vermögen und Druckereien zu gewinnen hofften. Der siebentägige Generalstreik im Dezember 1920 war jedoch ein Fehlschlag und endete mit zahlreichen Verhaftungen. Die von der tschechischen, deutschen und slowakischen Sozialdemokratie abgesplitterten Linken schlossen sich unter dem Führer der tschechischen Linken, meral, am 14. 5. 1921 zur KP zusammen, die sich im Herbst endgültig konsolidierte Sie fand auch in der Slowakei, unter den Deutschen und Ruthenen zahlreiche Anhänger und konnte bei den ersten Wahlen, bei denen sie auftrat, wie oben erwähnt, 41 Mandate erringen, die national gut verteilt waren, denn neben 27 Tschechen und Slowaken standen 8 Deutsche, 3 Magyaren, 2 Ruthenen und ein Pole. Bei den beiden folgenden Wahlen erzielte sie je 30 Mandate. Seit 1929 erfolgte ihre Radikalisierung durch den neuen Generalsekretär Klement Gott-wald der sich mit der berühmten „Radaurede" vom 21. 12. 1929 einführte, als er u. a. sagte: „Wir gehen nach Moskau, um zu lernen; wir gehen zu lernen, wei man Euch den Hals umdreht, worin die Bolschewisten Meister sind.“ Bei der dritten Präsidentenwahl Masaryks im Mai 1934 erhielt Gottwald als einziger Gegenkandidat — die deutschen Parteien hatten für Masaryk gestimmt — 38 Stimmen. Im folgenden Jahr entzog er sich einer drohenden Verhaftung und floh nach Moskau.

Weniger bedeutend als die radikale Linke wurde die radikale Rechte, nicht zuletzt deshalb, weil zwei der alten Parteien, National-demokraten und Nationalsozialisten, ohnehin weit rechts standen und oft nationalen Chauvinismus praktizierten. Ende 1925 entstand, von Kramäf, der seit seinem Rücktritt als Ministerpräsident im Juli 1919 grollend nie mehr ein Amt bekleidete, deutlich protegiert, eine „Faschistengemeinde", die schärfstens gegen Masaryk und Bene und gegen die Deutschen zu Feld zog. Mit ihrer Hilfe plante der Generalstabschef Gajda im Jahre 1926 einen Umsturz; die Aufdeckung seiner Pläne führte im Dezember 1926 zu seiner Entlassung und zum Ausschluß des nationalsozialistischen Verteidigungsministers Stfibrny aus seiner Partei. Gajda wurde Führer der Faschistischen Partei, die 1929 als „Liga gegen die gebundenen Listen“ drei, 1935 unter ihrem richtigen Namen sechs Mandate erhielt und sich in Straßendemonstrationen gegen deutsche Tonfilme und in parlamentarischen Haßreden gegen die Deutschen betätigte, wobei im September 1930 Worte fielen wie: „Die Deutschen sind hier Kolonisten, die uns gehorchen müssen

Durch die Wahlen vom 19. 5. 1935 war die Regierungskoalition mit 149 Sitzen in die Minderheit geraten, so daß eine weitere Partei, die Gewerbepartei, zur Regierungsbildung herangezogen werden mußte. Mit den 44 Mandaten der SdP, den 22 der Slowakischen Volkspartei, den 30 der Kommunisten, den 9 der Ungarn und Karpathendeutschen und den 6 der Faschisten saßen 111 Abgeordnete im Parlament, die dem Staat in seiner bisherigen Form negativ gegenüberstanden. Das waren 37 % aller Mandate, eine Zahl, die einen Staatsumbau zur Gewinnung der größten Gruppe, der Autonomisten, nahegelegt hätte. Weder der abtretende greise Präsident Masaryk noch sein ehrgeiziger junger Nachfolger Benes gingen aber von der bisherigen Staatskonzeption ab.

VI. Die Außenpolitik der Tschechoslowakei 1920-1935

Bevölkerung der Tschechoslowakei nach Nationalitäten bei der Volkszählung 1921 in Tausenden

Quelle: Hassinger: Die Tschechoslowakei, Wien, Leipzig, München, S 146/147

Benes als führender Kopf der Kleinen Entente Da die Außenpolitik des Landes von 1918 bis 1935 von dem gleichen Mann geleistet wurde, der sie auch als Präsident noch bestimmte und da er vielen Ministerkollegen geistig weit überlegen war und ein klar umrissenes Konzept hatte, konnte sich die Tschechoslowakei außen-politisch eine gewisse Führungsrolle in Ostmitteleuropa erringen, die nur von dem engsten slawischen Nachbarn, von Polen, nicht anerkannt wurde, die aber im Südosten praktisch unbestritten blieb, solange diesem die Rolle des Cordon Sanitaire zwischen Deutschland und der Sowjetunion und des östlichen Alliierten Frankreichs zugewiesen war. Die Entstehung des Staates und seine Grenzprobleme bewirkten, daß nur mit einem einzigen unter den fünf Nachbarn, mit Rumänien, keine Differenzen bestanden, sondern daß sich gemeinsame Interessen an der Verhinderung jeder habsburgischen Revision und jedem Wiedererstarken Ungarns ergaben. Für ein gutes Verhältnis zu Polen, theoretisch als Verbündeter Frankreichs der eigentliche benachbarte Bündnispartner, bildeten die Teschener Frage und alte nationale Animositäten ein schwer überwindbares Hindernis.

Da der Staat zwischen 1918 und 1920 territorial alles nur Erreichbare erhalten hatte, konnte sich die Außenpolitik danach nur auf die Erhaltung des einmal Erreichten richten, was bei der außerordentlich ungünstigen Grenzgestaltung in jedem bewaffneten Konflikt nahezu unmöglich war. Während andere Staaten einem möglichen Krieg mit größerer Gelassenheit entgegenblicken konnten, mußte die Tschechoslowakei in einem Krieg eine Katastrophe befürchten, konnte doch, abgesehen von den kaum zu verteidigenden Grenzen, im Ernstfall mehr als ein Drittel der einberufenen Soldaten ah unzuverlässig gelten. Es war deshalb besonders wichtig, die Erhaltung des Staatsgebietes weniger auf Heer und Rüstung als auf einem gut funktionierenden Bündnissystem aufzubauen, das jeden potentiellen Angreifer abschreckte.

Dieses klar umrissene Eigeninteresse, verbunden mit der schon während des Krieges verkündeten Staatskonzeption, ein Bollwerk der slawischen Völker gegen pangermanische Wünsche und der Demokratie gegen Restauration und Reaktion bilden zu müssen, bestimmten die Außenpolitik Bene’s auch noch zu einer Zeit, als im übrigen Ostmitteleuropa das Cordon-Sanitaire-Denken an Zugkraft längst verloren hatte.

Es war zugleich die Größe, aber auch die Schwäche der Außenpolitik der Tschechoslowakei, daß sie 17 Jahre hindurch von Benes allein geleitet wurde, und das auf eigenwillige, sehr autokratische Weise ohne Befragung des Parlaments, freilich mit Billigung und Unterstützung des Staatspräsidenten Masaryk. Benes war in einer ganz außergewöhnlichen Karriere ohne diplomatische Schulung mit 34 Jahren zum Außenminister aufgestiegen und hatte in seinen Pariser Jahren außerordentliche Erfolge erzielt, so daß er geneigt war, seine eigene Bedeutung und die seines Landes in der großen Politik zu überschätzen und wenig auf die Opposition im Lande — vor allem von Seiten der Agrarier und Sozialdemokraten — zu hören. Da er die Außenpolitik nicht nur leitete, sondern die meisten Aktionen auch selbst vorbereitete und ausführte, traten die Diplomaten ganz in den Hintergrund; er hatte auch, abgesehen von dem ihm ganz ergebenen Kamil Krofka, seinem Nachfolger, keine Vertrauten oder engen Berater. Bene’s Grundgedanke war, daß die Aufrechterhaltung des durch die Pariser Voortsverträge geschaffenen Zustandes ebenso im Interesse der Tschechoslowakei wie ganz Europas läge und daß er mithin eine europäische Politik betriebe, wenn er jede Revision schärfstens bekämpfte. Diese Verquickung von nationalem Eigeninteresse und dem moralischen Anspruch, ganz Europas Interessen zu wahren, leitete zu einer möglichst multilateralen Politik des Ausbalancierens, verhinderte aber, daß auch nur eine einzige unter den Grenz-und Minderheitenproblemen, etwa die des Teschener Gebietes, gütlich und zufriedenstellend durch zweiseitige Verhandlungen gelöst wurde.

Diese besondere Internationalität der tschechoslowakischen Außenpolitik bedingte eine häufige Anwesenheit Bene’s in Genf und auf den Konferenzen und machte ihn zum eigentlichen Initiator und Promoter des ersten örtlichen Paktsystems, der Kleinen Entente. Zu Beginn der zwanziger Jahre brauchte von dem geschwächten, entwaffneten und teilweise besetzten Deutschen Reich nicht das mindeste befürchtet zu werden, eine Bedrohung durch das kleine waffenlose Österreich war überhaupt undenkbar. Also konnte sich die Wachsamkeit auf Ungarn konzentrieren, das im Mai 1919 eine Probe plötzlich aufflammender Kampfkraft geliefert hatte. Wenn diese sich mit den Herrschaftsansprüchen Kaiser Karls vereinte, der ja in seiner Abdankungserklärung keinen Thron-verzicht ausgesprochen hatte, dann konnte tatsächlich, verstärkt durch die Autonomiewünsche der Slowaken, eine bedrohliche Situation für die Tschechoslowakei entstehen. Bene? erreichte deshalb noch auf der Friedenskonferenz im August 1919 von den Alliierten, daß Erzherzog Josef der Stellvertreter Karls, nach der Wiedererrichtung der Monarchie in Ungarn, zum Rüdetritt gezwungen wurde, und schlug zunächst Südslawien, dann Rumänien ein anti-ungarisches Defensivbündnis vor. Das Bündnis mit Südslawien wurde am 14. August 1920 unterzeichnet, mit Rumänien kam es zunächst nur zu einem Protokoll, das aber nach Karls erstem vergeblichen Rückkehrversuch (Ostern 1921) am 23. April 1921 in ein Bündnis umgewandelt wurde. Der Name „Kleine Entente“, von einer ungarischen Zeitung zunächst ironisch gebraucht, wurde von Benes gleich aufgegriffen und wurde zum Begriff der Politik des Status quo im Südosten. Sie bewährte sich bei Karls zweitem Rückkehrversuch im Oktober 1921, als Benes, zu dieser Zeit gleichzeitig Ministerpräsident, die Rückkehr Karls zum Casus belli erklärte und die Forderungen nach endgültiger Entthronung aller Habsburger in Ungarn durch Mobilisierungsmaßnahmen aller drei Staaten der Kleinen Entente unterstreichen konnte. Ungarn mußte durch Beschluß zweier Entthronungsgesetze am 3. und 10. 11. 1921 nachgeben, nachdem es Benes gelungen war, auch die Groß-mächte zur Unterstützung seiner Forderungen zu veranlassen. Obwohl die „Kleine Entente“ zunächst kein Dreierbündnis war, sondern drei zweiseitige Bündnisse als Grundlage hatte (die Ergänzung der oben genannten bildete ein jugoslawisch-rumänisches Bündnis vom 5. 6. 1921), wurden doch alljährliche Konferenzen in einem der drei Länder gehalten, in denen eine gemeinsame Linie gesucht wurde. Diese Konferenzen wurden seit 1929 durch regelmäßige militärische Besprechungen ergänzt, die meist den möglichen Kampf gegen Ungarn zum Thema hatten. Durch dieses Bündnissystem, das die Kleine Entente in die Reihe der Großmächte emporheben sollte, wurde vor allem die außenpolitische Position der Tschechoslowakei und Bene’s selbst gestärkt, der vor und auf der Konferenz von Genua im Frühjahr 1922 als der berufene Sprecher der Kleinen Entente erschien.

Wichtigste Ergänzung der Kleinen Entente, deren Hauptschwäche in der mangelnden Koordination der wirtschaftlichen Interessen und in der unterschiedlichen Stellung aller drei Staaten zur Sowjetunion und zu Deutschland lag, war das Bündnis der Tschechoslowakei mit Frankreich vom 25. Januar 1924. In ihm war eine enge Zusammenarbeit in Fragen der Sicherheit und der Aufrechterhaltung des Status quo vorgesehen, und das gemeinsame Interesse an einer Verhinderung des Anschlusses Österreichs an Deutschland und jeder habsburgischen oder hohenzollernschen Restauration wurde betont, doch fehlte eine ergänzende Militärkonvention, wie sie zwischen Frankreich und Polen seit 1921 bestand. Es war logisch, die beiden östlichen Bündnis-partner Frankreichs nun auch näherzubringen, und Benes unternahm diesen Versuch im April 1925, nicht zuletzt unter dem Eindruck der deutschen Vorschläge vom 9. Februar 1925, die schließlich zum Abschluß des Locarno-Vertrages führten. Bei seinem Besuch in Warschau konnte er zwar einen Handelsvertrag und einen Schlichtungs-und Schiedsvertrag unterzeichnen, auch eine gewisse Annäherung herbeiführen, eine engere Bindung Polens an die Kleine Entente gelang aber nicht, und das Verhältnis blieb kühl, besonders seit durch den Maiumsturz von 1926 in Polen mit Pilsudski ein Mann an der Spitze des Staates stand, der in jeder Hinsicht einen Gegensatz zu Benes bildete, der vor allem wenig von multilateralen Sicherheitspakten ohne genügende Gemeinsamkeit der Interessen hielt und die Hauptgefährdung für Polen nicht in der Restauration, sondern in der bolschewistischen Revolution sah.

Gegenüber der Sowjetunion war das Verhältnis durch die Kämpfe und das Verhalten der tschechischen Legionen belastet, doch widersetzte sich Benes schon auf der Friedenskonferenz in Paris allen Wünschen Kram’s, die Legionen zur Intervention zu verwenden und sie aus der seit dem Herbst 1918 beobachteten Neutralität heraustreten zu lassen. Nachdem Kram mit seinem Besuch bei Denikin im Oktober 1919 Schiffbruch erlitten hatte, gab er die Interventionspläne auf, widersetzte sich aber mit seiner Partei einer de jure Anerkennung der Sowjetunion. Tatsächlich erfolgte diese durch die Tschechoslowakei erst sehr spät, am 9. Juni 1934, Jahre nach dem Litvinov-Protokoll von 1929 und den Nichtangriffspakten mit den Anrainerstaaten vom Jahre 1930 und mit der Absicht; zur Isolierung Deutschlands beizutragen, nachdem Frankreich mit dem Cordon Sanitaire-Denken gebrochen und am 29. November 1932 einen Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion schlossen hatte.

Gleich nach der Konferenz von Genua war aber die de facto-Anerkennung durch einen Handelsvertrag vom 5. Juni 1922 vollzogen worden, der die auf ihn gesetzten Hoffnungen zunächst nicht erfüllte. Erst nach erneuten Verhandlungen im Jahre 1928 stieg der Austausch wieder an

Entgegen der gelegentlich noch anzutreffenden, unter dem Einfluß nationalsozialistischer Propaganda entstandenen Vorstellung war die Tschechoslowakei also bis weit in die dreißiger Jahre hinein durchaus kein Bündnispartner der Sowjetunion, stand ihr freilich trotz der fehlenden de-jure Anerkennung auch weit weniger skeptisch gegenüber als Polen und Rumänien.

Die Krönung des vielfältigen Systems zur Erhaltung des Status quo wäre im Sinne Benes’s ein allgemeiner Vertrag über gegenseitige Hilfe-leistung gegen jeden möglichen Angreifer gewesen, verbunden mit der Verpflichtung, in allen Streitfällen ein Schiedsverfahren durchführen zu lassen. An der Vorbereitung des Genfer Protokolls, das diese Verpflichtungen für alle Völkerbundsmitglieder festlegen sollte, war Bene? hervorragend beteiligt und die Tschechoslowakei war das erste Land, das das Protokoll nach der Empfehlung durch die Völkerbundsversammlung vom 2. Oktober 1924 nicht nur unterzeichnete, sondern vor Monatsende noch ratifizierte aber der Widerstand Großbritanniens, wo im November 1924 die Labour-Regierung Macdonald von der konservativen Regierung Baldwin abgelöst wurde, brachte das Protokoll zu Fall.

Einen Ersatz bildeten der Schiedsvertrag zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland und der französisch-tschechoslowakische Garantievertrag, die beide zu den Locarnoverträgen vom 16. Oktober 1925 gehörten. Über Artikel 16 der Völkerbundsatzung hinaus sicherte Frankreich hier unverzügliche Hilfeleistung in jedem Konflikt mit Deutschland zu, wobei es allein Sache der beiden Partner war, festzustellen, daß der Bündnisfall eingetreten war

Die Beziehungen zu Deutschland waren jedoch trotz der offenkundigen latenten Besorgnis nicht gespannt, schon am 29. Juli 1920 war ein Handelsabkommen mit einer Meistbegünstigungsklausel geschlossen worden, das sich positiv auswirkte. Die natürliche und im Vertrag mit Frankreich festgelegte Gegnerschaft gegen den Anschluß wirkte sich in einer Reihe von Verträgen mit Österreich aus, dessen Integrität die Tschechoslowakei im Oktober 1922 zusammen mit den Großmächten garantierte und dessen wirtschaftliche Schwierigkeiten durch zwei tschechoslowakische Anleihen von 1921 und 1923 gemildert wurden. Neben Italien wurde damit die Tschechoslowakei eigenartigerweise, aber durchaus im eigenen Interesse, zur Schutzmacht Österreichs.

Das gesamte von Benes in zahlreichen Reisen emsig errichtete Paktgefüge wurde jedoch durch die diplomatischen Vorstöße der Sowjetunion seit 1929, durch Italiens lebhaftes Interesse an Ungarn und vor allem durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Unordnung gebracht. Die drei Staaten der Kleinen Entente konnten einander wirtschaftlich kaum ergänzen, vor allem widersetzten sich die Agrarier in der Tschechoslowakei der Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte aus Rumänien und Jugoslawien. Diese waren dagegen durchaus nicht gegen eine deutsch-österreichische Zollunion, vor der Sie Vorteile erwarteten, während die Tschechoslowakei den Zollunionsplänen ebenso wie Frankreich energisch Widerstand leistete. Die Schaffung eines größeren Wirtschaftsraumes der Donauländer, also praktisch ein Wiederaufleben der Donaumonarchie, war ohne das Kronland Ungarn unsinnig. Eine Wirtschaftsgemeinschaft Ungarns mit den Staaten der Kleinen Entente konnte aber nicht von einem politisch-militärischen Bündnis gegen Ungarn begleitet werden, an dem Benes aus Sorge vor dem ungarischen Revisionismus festhielt, der wieder Jugoslawien und Rumänien weniger bedrohlich erschien als die wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Die Lockerung des Zusammenhalts der Kleinen Entente, der immer zu Lasten der Tschechoslowakei gehen mußte, konnte aber angesichts der Sorge vor einer deutsch-italienischen Zusammenarbeit und unter dem Eindrude eines italienischen Waffentransports nach Ungarn, der Anfang Januar 193 3 aufgedeckt wurde (die „Hirtenberg-Affaire") wirksam gebremst werden, zumal auch die Kanzlerschaft Hitlers die Sorgen vor einer vermehrten Revisionspolitik mit Recht verstärkte. Am 16. Februar 1933 wurde von den Außenministern der drei Staaten der Kleinen Entente in Genf ein neuer, nunmehr dreiseitiger Vertrag unterzeichnet, der die Kleine Entente zu einer festen Gemeinschaft mit Ständigem Rat der Außenminister, Ständigem Sekretariat und Wirtschaftsrat zusammenschloß, die, mochten auch tatsächlich keine militärischen Zusatzvereinbarungen vorliegen, doch auch eine erhebliche militärische Stärke besaß.

In den folgenden Jahren war Benes einerseits eifrig bemüht, den Status quo aufrecht zu erhalten und sich jeder Änderung entgegenzustellen, z. B. auch dem Viermächtepakt vom Juli 1933, gegen dessen Vorbereitung er im April 1933 im Völkerbund scharf Stellung nahm, andererseits bestrebt, zusätzliche Sicherungen zu erhalten, da sich die Beziehungen zum nationalsozialistischen Deutschland verschlechterten und allein Punkt 1 des Parteiprogramms der NSDAP große Befürchtungen erwecken mußte.

Die Aufnahme deutscher Emigranten in der Tschechoslowakei, die Tätigkeit eines Senders von Otto Strassers „Schwarzer Front" in Böhmen, dessen Leiter, Ingenieur Formis, durch deutsche Agenten auf tschechischem Boden ermordet wurde, und zahlreiche Reden auf beiden Seiten der Grenze mußten die offiziell nicht veränderten Beziehungen praktisch immer gespannter werden lassen.

Nachdem der Plan des französischen Außenministers Barthou, einen multilateralen Ostpakt zur Aufrechterhaltung des Status quo zustande zu bringen, gescheitert und Barthou in Marseille ermordet worden war, folgte die Tschechoslowakei dem französischen Beispiel und unterzeichnete, knapp ein Jahr nach der offiziellen Anerkennung der Sowjetunion (9. Juni 1934) am 16. Mai 1935 einen gegenseitigen Beistandspakt mit der Sowjetunion, in dem sich beide Staaten sofortige Hilfe gegen jeden un-provozierten Angriff zusicherten, allerdings nur, falls Frankreich ebenfalls Hilfe leiste. Dieser Vertrag und die anschließende Moskaureise Benes’s wurde von Rumänien und Jugoslawien gutgeheißen, die am 4. Juli 1933 zusammen mit der Tschechoslowakei einen Nichtangriffsvertrag mit der Sowjetunion geschlossen hatten. Dagegen fand er schärfste Mißbilligung nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen, das sich durch ihn bedroht fühlen mußte und dessen Gebiet ja ebenfalls von den zu Hilfe kommenden Truppen durchschritten werden mußte.

Die alsbald vom deutschen Propagandaministerium verbreiteten Nachrichten über sowjetische Luftstützpunkte in der Tschechoslowakei hatten keine reale Grundlage, wurden aber auch außerhalb Deutschlands nicht mit genügender Skepsis betrachtet.

Als Masaryk im Dezember 193 5 als Staats-präsident zurücktrat, war die außenpolitische Lage der Tschechoslowakei ebensowenig erfreulich wie die innenpolitische. Zwar hatte das Land in Frankreich, Jugoslawien, Rumänien und der Sowjetunion zahlreiche und mächtige Verbündete, aber die Beziehungen zu sämtlichen Nachbarn außer Rumänien waren gespannt, keine einzige unter den anstehenden Grenzfragen war auf gütlichem Wege gelöst worden, und die Bündnispartner hatten ein weit geringeres, auf jeden Fall aber begrenztes Interesse an den gegenseitigen Vereinbarungen.

Das Wirken Masaryks als Präsident Mit Masarkys Rücktritt vom Amt des Staats-präsidenten verband sich in jeder Hinsicht ein wesentlicher Einschnitt im Gesamtleben des Staates; es ist deshalb nötig, dem Wirken dieses Mannes, der durch sein Amt und durch seine Person den tschechoslowakischen Staat siebzehn Jahre hindurch repräsentierte, einen Rückblick zu widmen. Unbestreitbar genoß der Präsident während seiner ganzen Amtszeit ein bedeutendes Ansehen, dessen Größe jedoch zeitweilig im Ausland fast bedeutender war als im Inland, wo ihm nicht so sehr die nationalen Minderheiten als vielmehr die rechtsstehenden Gruppen der tschechischen Parteien mit Skepsis und auf dem äußersten rechten Flügel sogar mit unverholener Feindschaft gegenüberstanden. Das zeigte sich sowohl bei der zweiten Wahl vom 27. Mai 1920 (der ersten nach der Verfassung) wie bei der dritten vom 27. Mai 1927, in denen er nur 69, 3 •/» (274 von 432) der Stimmen erhielt. Erst die vierte Wahl vom 25. Mai 1934 brachte dem Vierundachtzigjährigen mit fast 78 ’/o der Stimmen (327 von 418) einen großartigen und weithin beachteten Vertrauensbeweis.

Ansehen und Autorität des Präsidenten hatten ihren Ursprung vor allem in zwei Bereichen: Erstens in seiner Wirksamkeit als Forscher und akademischer Lehrer, der seine Wahrheitsliebe, sein unerschrockenes, auch Unpopularität nicht scheuendes Eintreten für Toleranz und Menschlichkeit deutlich gemacht hatte. Zweitens in seiner politischen Tätigkeit in England, Rußland und den Vereinigten Staaten während des Krieges, die die Anliegen der Tschechen in der Welt populär gemacht und wesentlich zum Entstehen des Staates beigetragen hatte. Auch hier hatte er neben politischem Geschick Unerschrockenheit und Mut bewiesen. Die Wahrheitsliebe war dabei allerdings vor der glühenden Liebe zum eigenen Volk und vor dem Glauben an dessen Sendung zeitweilig bedenklich in den Hintergrund getreten. Nur mit Kopfschütteln kann man heute in der selten gewordenen deutschen Ausgabe der Kampfschrift: „Das neue Europa“ (siehe Anm. 1) nachlesen, wie Masaryk hier kundige Analysen mit unsachlichen Verallgemeinerungen und einer verzerrenden Herabsetzung Österreichs, Ungarns und Deutschlands um jeden Preis verbindet und falsche Behauptungen einstreut, wie etwa die, daß Deutschland und Österreich „absolutistische, theokratische (!) Staaten“ seien (S. 34), daß Ungarn mit Ausnahme der Slowakei bereits 1526 türkisch gewesen sei (S. 91 und 99), daß die „Magyaren kulturell in Abhängigkeit von den Slowaken gewesen“ seien, das Slowakische aber nur „ein archaistischer Dialekt“ sei (S. 98/99).

Diese gewiß nicht durch ungünstige Umstände bei der Niederschrift zu entschuldigenden bedenklichen Entgleisungen und vor allem die erwähnte Klassifizierung der deutschen Mitbürger als „Immigranten und Kolonisten“ (s. B. 48, S. 615) verdunkelten das Bild des humanen Philosophen auf dem Präsidentenstunl nicht nur für die Sudetendeutschen. Als „Präsident-Befreier“ (so lautete der Titel einer vom Unterrichtsministerium im Jahre 1920 herausgegebenen Biographie) hat sich Masaryk jedoch entschieden für den Ausgleich der Gegensätze nicht nur zwischen den Nationalitäten eingesetzt und versucht, seinen humanitären Gedanken Wirkung zu verschaffen. So war er persönlich gegen die soviel Erregung hervorrufende Einführung einer offiziellen Staats-sprache (s. B. 48, S. 616) und trat einer rechtsradikalen Masse mit den ironischen Worten entgegen: „Aufregung ist kein Programm“, duldete aber schließlich doch nicht nur die Annahme des Sprachengesetzes, sondern vor allem die wenig erfreulichen Praktiken seiner Anwendung. In der Innenpolitik griff er im allgemeinen nur bei akuten Schwierigkeiten der Kabinettsbildung ein, zu deren Behebung er zweimal, 1920 und 1926, Beamtenkabinette ernannte. Sein grundsätzliches Streben, das Staatswesen sauber zu halten, zeigte sich besonders deutlich, als er sich beim Neujahrsempfang 1924 ostentativ weigerte, dem durch einen Korruptionsfall kompromittierten Senatspräsidenten Prek die wandte er der von Benes in seinem Sinne geführten Außenpolitik zu, als deren Leiter er nur diesen sehen wollte. Auch als Benes im Juni 1926 sein Mandat der Nationalsozialistischen Partei niedergelegt hatte und die neue gemischt-nationale bürgerliche Koalition das Außenministerium nicht mit einem Mitglied dieser in die Opposition gegangene Partei besetzen wollte, setzte Masarky durch, daß der von ihm seit 1919 als Nachfolger ausersehene Benes im Amt verblieb. Im Ausland wirkte er weniger durch seine nicht allzu häufigen Besuchsreisen als durch seine geistvollen Ansprachen und seine fortgesetzte publizistische Tätigkeit als Sinnbild der geistigen Bedeutung und der inneren Stabilität seines Landes, wenn auch sein gelegentlich sehr dezidiertes Auftreten gegen den Vatikan (etwa in der Krise um den Hirtenbrief der slowakischen Bischöfe 1925) wieder manchen Sympathieverlust bewirkte. Die Ehrung zum 80. Geburtstag durch das Gesetz mit der schlichten Feststellung: „T. G. Masaryk hat sich um den Staat verdient gemacht“ erfolgte zweifellos mit voller Berechtigung. In der Feststellung lag aber auch eine richtige Begrenzung, denn die wirkliche Gewinnung der Slowakei und der Deutschen für diesen Staat war ihm nicht gelungen. Nach seinem Rücktritt, zu dem er eine kurze, würdige Erklärung abgab, in der er den Wunsch aussprach, „Euch noch eine Weile zusehen, wie Ihr es macht", konnte er sich diesen noch knapp zwei Jahren erfüllen. Am 14. September 1937 verstarb er, 87jährig, auf seinem Ruhesitz.

VII. Die Tschechoslowakei als Opfer der „Neuordnung Europas" -Die Sudetenkrise

Tabelle II

Bevölkerung der Tschechoslowakei und Nationalitäten bei der Volkszählung 1930 in Tausenden und in Prozentzahlen der Staatsangehörigen

Quelle: Statistisches Jahrbuch der Cechoslovakischen Republik 1938, Prag 1938, S. 8.

Im Jahre 193 5 war deutlich geworden, daß die antidemokratischen Kräfte des Nationalsozialismus, des Faschismus und des Kommunismus keineswegs an den Grenzen der Tschecholowakei aufzuhalten waren, sondern erhebliche Teile der Staatsbevölkerung erfaßt hatten. Das war, wie manches andere, einzigartig in den Staaten Ostmitteleuropas, die meist nur sehr schwache und illegale kommunistische Gruppen und starke autoritäre Staatsparteien aufzuweisen hatten mit einzelnen vom Faschismus oder Nationalsozialismus übernommenen Zügen.

Dieser bedenklichen Lage im Inneren entsprach trotz der Divergenzen in der Kleinen Entente und trotz des deutlichen Gegensatzes zwischen der Tschechoslowakei und Italien zunächst noch keine entsprechende Gefährdung von außen, so lange die Bündnistreue des französischen und des im Mai 193 5 endgültig neu gewonnenen sowjetischen Partners über jeden Zweifel erhaben schien, so lange auch die „Front von Stresa“ (April 193 5) im Protest gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland dieses in hoffnungsloser Isolierung gegenüber England, Frankreich und Italien hielt. Sehr rasch zeigte sich aber, wie gefährlich die Abhängigkeit der Situation der Tschechoslowakei von der internationalen Gesamtlage und von der Aufrechterhaltung des Status quo war. Kaum ein Vierteljahr nach ihrer Bildung war die „Front von Stresa" durch das deutsch-englische Flottenabkommen bereits brüchig und im Herbst und Winter 1935/36 brach sie durch den italienischen Überfall auf Abessinien und die dagegen verhängten Sanktionen bereits wieder auseinander.

Als der greise Präsident Masaryk am 14. Dezember 1935 sein Amt niederlegte und damit ein Merkzeichen für den Abschluß einer Epoche setzte, standen somit die Zeichen durchaus noch nicht auf Sturm, aber es war doch sicher zu erkennen, daß das Staatsschiff in gefahrvolle Gewässer geriet. Ein Kurswechsel und eine andere Zusammensetzung der Mannschaft wäre deshalb wohl richtig gewesen. Diese Erkenntnis klang auch in Masaryks Abdankungserklärung durch, in der er daran erinnerte, daß „sich die Staaten durch jene Ideale erhalten, aus denen heraus sie geboren wurden“ und daß „wir zu Hause der Gerechtigkeit gegenüber allen Bürgern bedürfen, seien sie welcher Nationalität immer“ Schon in seiner Botschaft zur zehnjährigen Gründungsfeier des Staates hatte der Philosoph auf dem Präsidentenstuhl erklärt: „Es ist die Aufgabe der Majorität, die Minorität für den Staat zu gewinnen" und „Ich muß ausdrücklich feststellen, daß ich Autonomiebestrebungen nicht als politische Opposition zum Staate auffasse“ nur waren dieser Feststellung nicht die sich aus ihr ergebenden Konsequenzen gefolgt. Seine Feststellung in der „Weltrevolution": „Wir haben unseren Staat im Namen der demokratischen Freiheit erneuert, wir werden ihn nur durch Freiheit erhalten“

hätte nun durch Nachgeben gegenüber den Vertretern der anderen Völker verwirklicht werden können, womit der Goebbelsschen Propaganda gegen die Tschechoslowakei, die zum •Flugzeugmutterschiff des Bolschewismus mitten in Europa" gestempelt wurde, viel Wind aus den Segeln genommen worden wäre.

Mit einem weiteren Satz, in dem er Benes als seinen Nachfolger vorschlug, durchstrich Masaryk aber praktisch die vorausgegangenen Empfehlungen, denn von diesem, der jeden föderativen Umbau für unmöglich erklärt hatte, war eine Kursänderung nicht zu erwarten. Allerdings beugten sich die tschechischen Parteien nicht ohne weiteres diesem Wunsch, denn Bene’s Pakt mit Moskau hatte ihn den Rechtsparteien nicht eben empfohlen. Nachdem Masaryks Rüdetrittsabsichten im Sommer 1935 bekannt geworden waren, wurde zunächst der konservative Historiker Professor Josef Pekar als Gegenkandidat nominiert, als dieser, verärgert über die fehlende Zustimmung der katholischen Volkspartei zu seiner Wahl, ablehnte, der parteilose Physiologie-Professor Bohumil Nemec, den neben der „Nationalen Vereinigung" der rechte Flügel, die Agrarier und die

Slowakische Volkspartei unterstützten. Unmittelbar vor der Wahl am 18. Dezember gelang es Benes aber, die ungarischen Abgeordneten und auch die der Slowakischen Volkspartei für sich zu gewinnen, worauf auch die Mehrzahl der Agrarier zu ihm überging. Mit den Stimmen der Koalitionsparteien, der Kommunisten und der meisten Minderheiten gewann Benes schließlich 340 von 440 Stimmen, für Nemec stimmte nur eine kleine rechtsstehende Minderheit, die SdP enthielt sich der Stimme.

Da die Agrarier sich schließlich doch fast geschlossen für Benes erklärt hatten, konnte der slowakische Agrarier Milan Hodza, seit Anfang November Ministerpräsident, auch die neue Regierung bilden, in der wieder alle tschechischen Parteien mit Ausnahme der Faschisten und der „Nationalen Vereinigung", die deutschen Sozialisten, der Bund der Landwirte und seit Sommer 1936 auch die deutschen Christlich-Sozialen vertreten waren, die beiden letzteren allerdings nur durch Minister ohne Geschäftsbereich. Das zunächst von Hodza selbst übernommene Außenministerium erhielt schon Ende Februar 1936 der Schüler und Vertraute Benes’s, Kamil Krofta, der dessen Außenpolitik fortsetzte. Hodza dagegen hatte weitreichende und vielversprechende Pläne einer Donauföderation, die freilich die Aufgabe der Feindschaft gegen Ungarn und die Rüdegabe rein madyarischer Gebiete an dieses vorausgesetzt hätten, ein Preis, den Bene? zu zahlen sich strikt weigerte.

Es ist deshalb die Feststellung berechtigt, daß Benes, dem Anschein und sicher auch der eigenen Überzeugung nach entschiedener Gegner Hitlers, diesem doch eigentlich in die Hände arbeitete, indem er jede vernünftige Revision so lange wie irgend möglich ablehnte und der nationalsozialistischen Propaganda genügend Angriffsflächen bot. Das machte vor allem in England erheblichen Eindruck, zumal gerade in der Mitte der dreißiger Jahre zahlreiche Einzelheiten über die Verhandlungen auf der Pariser Friedenskonferenz durch die Veröffentlichung der Memoiren von H. Nicolson und Lloyd George und des monumentalen Pariser Tagebuchs von David Hunter Miller bekannt wurden, die Benes’s Unwahrheiten und die Zufälligkeit mancher Entscheidungen enthüllten.

Die Jahre 1936 und 1937 konnten in der Tschechoslowakei und durch sie entscheidende Wandlungen in die seit dem 30. Januar 193 3 in rasche Bewegung geratene europäische Politik bringen. Gelang es hier, die berechtigten Klagen der anderen Volksgruppen durch grundsätzliche Zugeständnisse zum Verstummen zu bringen und aus dem Land wirklich „eine Art Schweiz" zu machen, wie es Bene? in seiner Note vom 20. Mai 1919 und sogar in dem berüchtigten Memorandum Nr. 3 versprochen hatte dann war Hitlers Forderungen der

Boden entzogen und seine am 5. November 1937 ausgesprochene, an manche Bedingungen geknüpfte Absicht, „die Tschechei und gleichzeitig Österreich niederzuwerfen“ hätte Absicht bleiben müssen. Dann hätte er auch im Herbst 1938 nicht mit der am gleichen Tag ausgesprochenen Vermutung recht behalten, daß mit „hoher Wahrscheinlichkeit England, voraussichtlich aber auch Frankreich die Tschechei bereits im Stillen abgeschrieben" hätten, sondern den äußeren Widerstand gefunden, den der innere deutsche Widerstand gerade im September 1938 erwartete und erbat. Dieser Weg, der nicht erst dem rückschauenden Historiker als gangbar und möglicherweise zu einem besseren Ziel als dem von 1939 und 1945 führend erscheint, sondern den schon die sogenannten „Jungaktivisten" der drei demokratischen Parteien (G. Hacker vom Bund der Landwirte, H. Schütz von den Christlich-Sozialen und W. Jaksch von den Sozialdemokraten) wiesen, wurde aber von den führenden tschechischen Politikern nur zögernd und für kurze Strecken beschritten. Zwar zeigte Benes in seiner programmatischen Rede am 19. August 1936 in Reichenberg nach manchen Vorbehalten gewisses Entgegenkommen, das in dem Satz gipfelte: „Wir sind für den Grundsatz einer vernünftigen, mit zweckmäßigem wirtschaftlichem und administrativem Regionalismus verbundenen Dezentralisation“ aber gleichzeitig lehnte er Autonomie und föderative Tendenzen als „Schlagworte" ab, und die Verwirklichung der Dezentralisation folgte nicht.

Einen Schritt weiter ging Ministerpräsident Hodza am 18. Februar 1937, als er den „Jungaktivisten“ versprach, daß in Zukunft die Deutschen einen ihrem Bevölkerungsanteil entsprechenden Prozentsatz von Beamtenstellen, höhere staatliche Zuschüsse für die sudetendeutschen Notstandsgebiete, angemessene Berücksichtigung bei der Vergebung von Staatsaufträgen und manches andere erhalten sollten, was bei wirklicher Gleichberechtigung eigentlich selbstverständlich gewesen wäre. Allerdings blieben, wie die „Jungaktivisten" nach einem Jahr enttäuscht feststellten, auch diese Zugeständnisse auf dem Papier, weniger weil es dem Ministerpräsidenten an gutem Willen mangelte, als weil die an den Sprachen-und Nationalitätenkampf gewöhnten unteren Beamten sich nicht so rasch umstellen konnten.

Die SdP, der diese Zugeständnisse zu gering schienen (z. T. mit Recht, denn der proportionale Anteil an Beamtenstellen hätte bedeutet, daß ein Viertel der Beamten in Kaschau oder Uzhorod Deutsche gewesen wären, woran den Deutschen Böhmens ja gar nichts liegen konnte) brachte dagegen rasch aufgestellte Gesetzentwürfe vom 27. April 1937 im Parlament ein, die teilweise an den Mährischen Ausgleich anknüpften, aber Ablehnung der Mehrheitsparteien fanden. Im September 1937 empfing Hodza Konrad Henlein, der im Mai 1936 erstmals in England gewesen war und dort im Chatham House gesprochen hatte, zu einer längeren Aussprache in der er viel Verständnis zeigte, auch wieder seinen Plan einer Kleinen Entente unter Einschluß Ungarns entwickelte, durch die das Verhältnis Prag-Berlin verbessert werden könne. Er meinte aber doch, es genüge, „Henleinleute in Beamtenstellungen einzuschmuggeln“.

Zwei Tage vor diesem Gespräch, am 14. September 1937, war Masaryk gestorben. Wenn sein praktischer Einfluß auf die Politik auch in den letzten Jahren seiner Präsidentschaft nur noch gering gewesen war, so erleichterte das Fehlen dieses klangvollen Namens doch die negative Stellung der britischen Presse gegenüber den Tschechen Zwei Monate nach dem Gespräch, am 19. November 1937, übersandte Henlein dem Reichsaußenminister einen „Bericht für den Führer und Reichskanzler“, in dem er die Meinung vertrat, „daß eine Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen in der Tschechoslowakei praktisch unmöglich und eine Lösung der sudetendeutschen Frage nur vom Reich her denkbar ist“. Vorangegangen war am 17. Oktober 1937 der vielleicht als Wendepunkt zu betrachtende Zwischenfall von Teplitz-Schönau, wo Abgeordnete der SdP, unter ihnen der als Scharfmacher wirkende K. H. Frank, von tschechischer Polizei geschlagen worden waren. Die SdP, deren Selbständigkeit seit 1934 gelitten hatte und die es ihren Wählern gegenüber auch nicht leicht hatte, weil sie nur Anklagen erheben konnte, war danach wohl auch durch Autonomieversprechungen nicht mehr für eine loyale Einstellung zum Staat zu gewinnen, was 1935, gleich nach ihrem Wahlsieg, wahrscheinlich noch möglich gewesen wäre. Umso nötiger wäre es gewesen, die noch vorhandenen demokratischen Kräfte des Sudetendeutschtums zu stärken, aber das geschah in völlig unzureichender Weise.

Erst überraschend spät, Anfang Februar 1938 nahm die SdP unmittelbare Verbindung zur Slowakischen Volkspartei auf, als Henlein Hlinka in Rosenberg besuchte und beide Zusammenarbeit mit dem Ziel der Gewinnung der Autonomie vereinbarten. Der katholische Geistliche Hlinka „äußerte sich gegen Deutschland vor allem in kulturpolitischer Hinsicht sehr zurückhaltend", und eine Pressemitteilung über das Zusammentreffen wurde mit Rücksicht auf den der Regierung nahestehenden Flügel der Slowakischen Volkspartei vermieden. Wenige Tage später besuchte Henlein, nun fast in den Rang eines Ministers gerückt und jedenfalls zu einer Figur der internationalen Politik geworden, den ungarischen Ministerpräsidenten Daranyi und den Außenminister Kanya, auch hier die Möglichkeiten gemeinsamen Handelns erkundend, ohne außer der Bestätigung der beiderseitigen Abneigung gegen die Tschechoslowakei aber Positives zu erreichen

Die sudetendeutsche Frage, die Benes stets als ein rein innenpolitisches Problem sehen wollte, in die niemand anderer sich einzumischen habe (z. B. in der Reichenberger Rede vom 19. 8. 1936), war durch Henleins Besuche in England und durch das lebhafte Interesse in ganz Europa nun doch zum internationalen Gesprächsthema geworden, die slowakische Frage sollte es durch das lebhafte polnische Interesse im Juni 1938 werden.

Mit dem 13. März 1938, dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich, erfuhr nicht nur die Gesamtlage Mitteleuropas eine entscheidende Wandlung, vor allem war die Tschechoslowakei entscheidend betroffen. Von der 4 125 km langen Staatsgrenze entfiel nun etwas mehr als die Hälfte auf die Grenze mit dem Deutschen Reich, ein Viertel auf die Grenze mit Polen, ein Fünftel auf die mit Ungarn, und nur knapp ein Zwanzigstel auf die mit dem verbündeten Rumänien, wo aber der Anwalt der Kleinen Entente Titulescu seit August 1936 nicht mehr Außenminister war und wo sich gerade im Frühjahr 1938 die stürmische Umwandlung zur Königsdiktatur vollzog, wo schließlich König Carol II.dem Macht-anstieg des Dritten Reiches ähnlich wie Jugoslawiens Ministerpräsident Stojadinovic durchaus mit Wohlwollen zusah. Eine große polnische Tageszeitung drückte durch eine Karikatur mit weit mehr Schadenfreude als mit Mitleid das aus, was man in Europa über das Schicksal der Tschechoslowakei dachte: Sie erschien als ein Bissen „im Wolfsrachen", dessen Zähne von der schlesischen und österreichischen Grenze gebildet wurden.

Die Entwicklung der Sudetenkrise vom März bis zum Münchener Abkommen vom 29. September 1938 in der deutschen und internationalen Politik ist so bekannt wie kaum ein anderer Abschnitt der Politik desDritten Reiches und braucht hier nicht nachgezeichnet zu werden. Es war klar, daß nunmehr Hitler die Politik der SdP steuerte und daß sein Ziel nicht die Autonomie der Sudetendeutschen, sondern die Herrschaft über Böhmen und Mähren war. Henlein, von Hitler am 28. Mai 1938 empfangen, faßte am Schluß mit einem Satz seine Direktiven zusammen: „Wir müssen also immer so viel fordern, daß wir nicht zufriedengestellt werden können“ und praktizierte diesen Auftrag mit dem Karlsbader Programm vom 24. April, in dem er sieben nach vielen Verhandlungen vielleicht erreichten Forderungen als achte die nach „vollkommener Freiheit des Bekenntnisses sehen Weltanschauung" hinzufügte und ganz allgemein eine bei der lebenden Generation gar nicht mögliche „Revision des falschen tschechischen Geschichtsmythos" verlangte.

Die immer stärkere Beeinflussung der öffentlichen Meinung zuungunsten der Tschechen vor allem in England bis hin zum berühmt gewordenen Artikel in der „Times" vom 7. September 1938 mit dem Vorschlag „der Abtrennung des Saumes der fremden Bevölkerungsgruppen, die an die Nation angrenzen, mit der sie stamm-lieb verbunden sind“ war ein Meisterstück psychologischer Kriegführung, die allerdings durch die gerade in diesen Jahren ins Bewußtsein getretenen Widersprüche und Ungerechtigkeiten der Friedensordnung von Paris sehr erleichtert wurde. Auf tschechischer Seite glaubte man noch 1938, was H. Ripka in dem offiziösen Prachtwerk über die tschechoslowakische Republik zur Außenpolitik ein Jahr zuvor geschrieben hatte, daß nämlich die „Kleine Entente die feste Grundlage unserer Außenpolitik und gleichzeitig ein wesentliches Element unserer nationalen Sicherheit“ und daß das Bündnis mit Frankreich „ähnlich fest, verläßlich und wirksam“ sei. Man glaubte weiter, daß im Falle eines deutschen Angriffes die militärische Übermacht der Verbündeten nach kurzer Zeit wirksam werden müsse, in der es der tschechoslowakischen Armee gelingen würde, sich in dem umfangreichen Befestigungsgürtel zu halten, der seit 1934, seit dem deutsch-polnischen Nichtangriffspakt, an der Nordgrenze Böhmens und Mährens in ähnlicher Weise wie die Maginot-Linie ausgebaut worden war. Eine trügerische Bestätigung dieses Selbstvertrauens ergab sich am 21. Mai 1938, als der tschechoslowakische Generalstab aufgrund falscher Gerüchte über deutsche Truppenkonzentrationen eine Teilmobilisierung durchführte und die Grenzbefestigungen besetzen ließ, was diszipliniert und ohne Zwischenfälle erfolgte. Gerade diese Maßnahme, die in der tschechischen Presse als Rettung des Friedens und als Zurückweisung deutscher Anschläge dargestellt wurde, war aber der Wendepunkt zur nunmehr unversöhnlichen Haltung Hitlers gegenüber der Tschechoslowakei. Während die „Weisung für den Fall Grün" vom 20. Mai noch mit den Worten begann: „Es liegt nicht in meiner Absicht, die Tschechoslowakei ohne Herausforderung schon in nächster Zeit durch eine militärische Aktion zu zerschlagen“ hieß es in der Fassung vom 30. Mai schon: „Es ist mein unabänderlicher Entschluß, die Tschechoslowakei in absehbarer Zeit durch eine militärische Aktion zu zerschlagen“

Unmittelbar nach der von der Tschechoslowakei scheinbar erfolgreich überstandenen „Maikrise“ wurde auch das slowakische Problem wieder in Erinnerung gebracht. Eine Abordnung von Amerika-Slowaken brachte das Original der Pittsburger Vertrages zu einer großen Kundgebung der Slowakischen Volkspartei am 5. Juni 1938 anläßlich des 20. Jahrestages des Vertragsabschlusses nach Preßburg, wo es den Volksmengen gezeigt wurde. Ostentativ war die Delegation nicht über Prag, sondern über Warschau nach Preßburg gereist. In Warschau wurde die Delegation Ende Mai stürmisch begrüßt, und der polnische Abgeordnete Oberst Kowalewski sprach sogar von der „engen Verbundenheit beider Staaten, gegebenenfalls auch außerhalb der Tschechoslowakei“ Hlinka war in einem Interview am 5. Juni vorsichtiger: „Wenn es möglich ist, werden wir mit den Tschechen zusammenbleiben. Wenn nicht, müssen wir uns in einer anderen Richtung orientieren, denn wir haben nicht die Absicht, in Knechtschaft zu leben"

Ablösungstendenzen also auch hier, freilich gebremst durch den Tod des Parteiführers Hlinka am 16. August 1938. Es kann nicht gesagt werden, daß Benes und Hodza in den entscheidenden Septembertagen 1938, als die englische Runciman-Mission in der Tschechoslowakei war, nicht bedeutende Konzessionen gemacht hätten. Der Befriedungsvorschlag des Plans IV, unter Mitarbeit der deutschen Sozialdemokraten aufgesetzt hätte vielleicht die Grundlage für eine friedliche föderalistische Lösung gebildet, wäre er nicht erst Anfang September 1938, zur Zeit des erwähnten entscheidenden Times-Aufsatzes, sondern ein Jahr früher vorgelegt worden.

Am 21. September kapitulierte Benes grundsätzlich vor dem Drude gerade der beiden Mächte, auf die sich die tschechische Politik verlassen zu können glaubte: Frankreichs und Englands. Der große Verbündete im Osten, durch die Erschütterungen der großen „Säuberung“ des Vorjahres militärisch durchaus nicht auf der Höhe, brauchte nicht einmal zu Ausflüchten zu greifen, um die Versagung jeder Hilfeleistung zu begründen. Nach dem Vertrag von 1935 war er ja nur zur Hilfe verpflichtet, wenn Frankreich diese leistete. Da Rumänien sich allenfalls bereitfand, das Überfliegen seines Territoriums durch sowjetrussische Flugzeuge inoffiziell zu gestatten, keinesfalls aber den Durchmarsch von Truppen, war eine rasche Hilfe ohnehin unmöglich, denn Polen, das eindeutig im antitschechischen Lager stand, gestattete den Durchmarsch durch sein Territorium erst recht nicht. Als Benes und Hodza den britisch-französischen Abtretungsplan bereits angenommen hatten, am Nachmittag des 21. September, nahm Litvinov aber doch die Chance wahr, die Bündnistreue der Sowjetunion in einer Rede vor der Vollversammlung des Völkerbundes propagandistisch herauszustellen Nach der praktischen Kapitulation Hodzas am 21. September, dem am Tag davor noch eine Ablehnung, gleichzeitig aber die Mitteilung vorausgegangen war, daß man nachgeben werde, wenn Frankreich seinerseits erklärte, nicht zu marschieren kam es noch am Nachmittag und am folgenden Tage zu Kundgebungen der Kampfbereitschaft und der Entschlossenheit durch die tschechische Bevölkerung. Am 22. September trat die Regierung Hodza zurück und Benes ernannte eine im wesentlichen unparteiische Regierung unter dem einstigen Legionärführer General Syrovy, der auch das Verteidigungsministerium übernahm. Sie erklärte für den 23. September die allgemeine Mobilmachung, die auch ohne große Zwischenfälle durchgeführt wurde. Das hatte aber auf die bereits beschlossene Tatsache der Abtretung der sudetendeutschen Gebiete ebensowenig einen entscheidenden Einfluß wie Benes’s am 22. zur Schau getragene Zuversicht, als er in einer Rundfunkansprache verkündete, er habe „einen Plan“.

In der letzten Woche gesteigerter Erregung in ganz Europa, in der auch Polen seine Forderungen auf das Teschener Gebiet, die es am 21. September in Prag gestellt hatte, immer nachdrücklicher vertrat und Truppen an die Olsa vorschob, während Ungarn mit seinen Forderungen vorsichtiger nachzog (am 22. und 28. September), ging es äußerlich nur um eine günstigere Terminierung und bessere Modalitäten bei der von Hitler ganz kurzfristig geforderten Abtretung. Im Hintergrund stand — für die gebannt und ängstlich zuschauende Welt nicht erkennbar — Hitlers Wunsch, die Tschechoslowakei schon jetzt ganz aufzulösen und zu besetzen. Die Nachgiebigkeit der Westmächte vereitelte ihm die Erfüllung dieses Wunsches, so daß er das Münchener Abkommen der vier Mächte vom 29. /3O. September, das vom deutschen Volk ebenso aufatmend begrüßt wurde wie von Chamberlain — peace for our time — als persönliche Niederlage empfand und entsprechend reagierte.

Es ist viel darüber gesprochen worden, daß ein entschlossener Widerstand im September 1938 ebenso wie im März 1936 Hitlers weiteres aggressives Vorgehen verhindert und der Welt den Zweiten Weltkrieg erspart hätte, daß also die Verteidigung der Tschechoslowakei den möglichen Wendepunkt dargestellt hätte. Die Tragik war aber, daß alle, die ernsthaft zur Verteidigung des Status-quo rieten, gleichzeitig erklären mußten, daß er nicht gerecht sei, daß die Forderungen auf Abtretungen von Polen und Ungarn ebenfalls erhoben wurden und daß alle Zugeständnisse der tschechoslowakischen Regierung unter dem Motto des „Zu wenig und zu spät" standen.

Die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechtes in den Jahren 1918/19, die spätere Verweigerung der Autonomie für die Karpathenruthenen, Slowaken und Sudetendeutschen, das Pochen auf rein magyarisches Gebiet und die Weigerung, über kleinere Revisionen ohne äußersten Druck zu verhandeln — das alles verursachte es, daß die Position der Tschechoslowakei im Sommer 1938 so schwach war und daß die Argumente Hitlers, dem es in Wirklichkeit weder um das Selbstbestimmungsrecht, noch um die Sudetendeutschen, die Slowaken und die Magyaren ging, die besseren und stärkeren waren.

Kaum war das in der ersten Morgenstunde des 30. September unterzeichnete Abkommen der vier Großmächte bekannt, als Polen sich energisch meldete. Das eilfertig ohne die gehörige Form abgefaßte Abkommen enthielt nämlich nur einen Satz über die Frage der polnischen und ungarischen Minderheiten, die nach drei Monaten von einer weiteren Viermächtekonferenz gelöst werden sollte, falls es nicht durch direkte Vereinbarungen geschehen sei. Das konnte der polnischen Regierung unmöglich genügen, besonders, da die englische und französische Regierung sich zur Garantie der Grenzen der verkleinerten Tschechoslowakei bereit erklärten. Noch am gleichen Tage protestierte die polnische Regierung gegen diese Garantie und ließ vor Mitternacht in Prag ein Ultimatum überreichen, in dem die Abtretung des Teschener Schlesien ebenfalls ab'1. Oktober gefordert wurde. Die Regierung Syrovy, die sich zunächst an die Münchener Mächte wandte, konnte auf diesen Wink nur nachgeben, und so rückten fast gleichzeitig mit den deutschen Truppen auch polnische Truppen des Generals Bortnowski über die Grenzen der Republik. Bemerkenswert war, daß sich Abzug und Übergabe in den deutschen Gebieten wie im Teschener Schlesien ohne militärische Zwischenfälle und reibungslos vollzogen. Mit dem 1. Oktober 193 8 begann die letzte Phase der Tschechoslowakischen Republik.

VIII. Umgestaltung und Auflösung

Tabelle III

Die Religionsbekenntnisse in der Tschechoslowakei 1921 und 1930 in Tausenden und Prozentzahlen

Quelle: Mitteilungen der Statistischen Republik Prag 1938.

Die letzten Monate der verkleinerten und sich weiter verkleinernden Tschechoslowakei sind im allgemeinen bekannt, soweit es sich um Hitlers Bruch des Münchener Abkommens und um den dramatischen nächtlichen Empfang des Staatspräsidenten Hächa in der Reichskanzlei handelt. In Vergessenheit geraten sind aber die Versuche, den Staat umzugestalten, die durch die Unabhängigkeitserklärung der Slowakei und den deutschen Einmarsch in die restlichen Gebiete Böhmens und Mährens jäh abgebrochen wurden Sie bedeuteten eine vollständige Wandlung der Staatsidee und des Staatsdenkens, ohne daß ihr eine geistige Vorbereitung vorausgegangen war. Trotzdem kann man nicht sagen, daß die tschechischen Politiker nach den Keulenschlägen der Abtretungen, zu denen auch noch die an Ungarn kamen, völlig gelähmt nur noch versucht hätten, den Willen der Achsenmächte zu erfüllen.

Dreierlei mußte nach dem Münchener Abkommen versucht werden: Das Ausmaß der Gebiets-abtretungen, die ja nur grundsätzlich, aber nicht im einzelnen festgelegt waren, möglichst klein zu halten, gleichzeitig aber das nationalsozialistische Deutschland nicht zu reizen, Slowaken und Karpathen-Ukrainer im gemeinsamen Staat zu erhalten und im übrigen ein solches Maß an Konsolidierung und Eintracht zu gewinnen, daß trotz der großen Enttäuschung keine allgemeine Staatsverdrossenheit um sich griff. Es ist gewiß leicht, den führenden Politikern dieser Monate Vorwürfe wegen ihrer Kollaboration zu machen. Es muß aber anerkannt werden, daß sie sich erfolgreich darum bemühten, ein allgemeines Chaos zu vermeiden und der Politik Hitlers möglichst alle Angriffspunkte zu nehmen. Nachdem die Niederlage einmal herbeigeführt war, konnten ihre Konsequenzen nur abgemildert werden; eine konstruktive, planende Politik war unter dem Eindruck des erlittenen Schicks nicht mehr möglich.

Am 5. Oktober trat Benes zurück und ging ins Exil, gleichzeitig übernahm der bisherige Botschafter in Rom, Chvalkovsky das Außenministerium. Er besuchte am 13. Oktober den Reichsaußenminister in Berlin und erläuterte die Bereitschaft, den Kurs der Politik um 180 Grad zu drehen und sich gänzlich an das Deutsche Reich anzulehnen. Bei der Regierungsumbildung vom 4. Oktober wurde Tiso, der Vorsitzende der Slowakischen Volkspartei, Minister für die Slowakei, die nun die vollständige Autonomie erhielt. Seine Partei vereinigte sich am 6. Oktober in Sillein mit der Slowakischen Nationalpartei und dem slowakischen Flügel der Agrarpartei zur „Slowakischen Front“, die ein den österreichisch-ungarischen Dualismus nachahmendes Autonomiestatut entwarf. In Preßburg bildete Tiso eine eigene slowakische Landesregierung mit Durcansky als Innen-und ermak als Schilminister. Nur die Außenpolitik, die Verteidigung und die Finanzen sollten noch gemeinsam, auch das Heerwesen geteilt sein. Wenige Tage später entstand auch in Uzhorod eine Regierung für die Karpatho-Ukraine mit drei Ministern, nachdem zuerst nur ein Minister für die Karpatho-Ukraine in die Prager Regierung eingetreten war. Es zeigte sich aber bald, daß der Vorsitzende dieser Regierung, Brody, den Anschluß an Ungarn betrieb, so daß schon am 6. November nach seiner Verhaftung vom 26. Oktober eine neue Regierung unter Volosyn gebildet wurde, die ihren Sitz in Huszt (Chust) nahm, weil Uhorod-Ungvr inzwischen an Ungarn abgetreten worden war. Im entferntesten Gebiet der Tschechoslowakei waren dabei die Interessen der Nachbarstaaten aneinandergeraten. Ungarn wünschte die Rückkehr der ganzen Karpatho-Ukraine und die gemeinsame Grenze mit Polen. Dieses wieder war gegen jede ukrainische Autonomie, weil sie nur Rückwirkungen auf die Ukrainer in Ostgalizien und ihre Forderungen haben konnte. Gerade das aber war der deutschen Politik durchaus angenehm, und sie trat nun einerseits für die Erhaltung der Karpatho-Ukraine bei der Tschechoslowakei, andererseits für eine national-ukrainische Haltung der Regierung Volosyn ein, die schon am 9. November eine nationale Miliz, nach dem einstigen Zentrum der Dniepr-Kosaken Sic genannt, gründete. Der eilige Umbau des Staates in eine tschecho-slowakisch-ukrainische Föderation wurde am 19. November durch die Annahme der vorgelegten Autonomie-Statute für die Slowakei und die Karpatho-Ukraine zunächst abgeschlossen.

Zum neuen Staatspräsidenten wurde, da Chvalkowsky eine Kandidatur abgelehnt hatte, ein der Politik bisher fernstehender Mann, der Präsident des Obersten Verwaltungsgerichtshofes Emil Hächa am 30. November gewählt. Danach trat das Kabinett Syrovy zurück Der Agrarier Rudolf Beran bildete am gleichen Tage eine neue Regierung, in der wiederum Chvalkovsky das Außen-und Syrovy das Verteidigungsministerium übernahmen. Mit Ausnahme des Finanz-und Verkehrsministeriums waren die weiteren Mininsterien nunmehr nur noch für Böhmen und Mähren zuständig. Eine äußere Anpassung an die Verhältnisse im Dritten Reich erfolgte durch das Tätigkeitsverbot für die Kommunistische Partei am 21. Oktober und die Auflösung aller Parteien am 11. November. Da aber die Mandate — mit Ausnahme der kommunistischen — erhalten blieben, war das Parlament doch nicht das eines Einparteienstaates. Nur in der Slovkei brachten die Landtagswhlen vom 18. Dezember, bei denen. nur noch die neugebildete Einheitspartei „der nationalen Einigung“ kandidieren konnte, ein homogenes Parlament.

Während so versucht wurde, den Staat trotz aller Ungunst der Lage und zentrifugalen Tendenzen zu erhalten, liefen die Verhandlungen über die Gebietsabtretungen zunächst in dem in München vorgesehenen Internationalen Ausschuß, dann ab 13. Oktober in einem deutsch-tschechischen Ausschuß. In harter Verhandlungsführung zeigte man sich deutscherseits alles andere als großzügig, verzichtete nur auf die zunächst sogar für Brünn und Iglau geforderten Abstimmungen. Bei der letzten, neunten Sitzung des Internationalen Ausschusses am 21. November wurde das Ausmaß der Abtretungen schließlich auf 28 996 km 2 mit rund 3 400 000 Einwohnern festgelegt, unter denen rund 700 000 Tschechen waren während in der restlichen Tschechoslowakei rund 47 500 Deutsche verblieben.

Polen hatte mit den Bezirken Tschechisch-Teschen, Oderberg und Freistadt sowie mit Erwerbungen in der Zips und in Arwa, die es am 1. November durchsetzte, weniger als 1 000 km 2 mit rund 200 000 Einwohnern besetzt, von denen nach tschechischer Behauptung 123 000 Tschechen waren, nach alsbald erfolgender polnischer Zählung aber nur knapp 70 000 Weitere Ansprüche auf die Städte Witkowitz und Mährisch-Ostrau wurden durch deutschen Widerstand gebremst.

Die in München vorgesehenen Verhandlungen mit Ungarn wurden erst am 9. Oktober in Komorn begonnen, wobei Tiso die tschechoslowakische Seite vertrat, sie wurden jedoch nach vier Tagen von den Ungarn ergebnislos abgebrochen. Erst nach vielen Mühen einigte man sich auf ein deutsch-italienisches Schiedsgericht, das am 2. November unter Leitung von Ciano und Ribbentrop im Belvedere in Wien das abzutretende Gebiet auf 12 400 km 2 mit rund 1 064 000 Einwohnern festsetzte. Neutra und Preßburg verblieben damit zwar der Slowakei, aber Kaschau und Uzhorod kamen an Ungarn 2. Die Abtretung erfolgte zwischen dem 5. und 10. November. Bei der engen Volkstumsverzahnung kamen zwischen 200 000 und 300 000 Slowaken unter ungarische Herrschaft.

Insgesamt hatte der Staat über 42 000 km 2 an Gebiet und fast 5 Millionen Einwohner verloren und hatte Anfang Dezember knapp 100 000 km 2 mit knapp 10 Millionen Einwohnern. Das war noch immer eine Größe, die die der Schweiz oder Hollands erheblich übertraf, aber die schon vorher eigenartig lang-gestreckte Form des Staatsgebiets war nun durch die Abtretungen an den Nord-und Südgrenzen erst recht zu einem schmalen langgestreckten Gebilde geworden, dessen Verbindungslinien zum Teil jenseits der Grenzen liefen.

Es war bezeichnend, daß jetzt gerade die deutsche, auf Herrschaft bedachte Politik für den weiteren Zusammenhang der drei Teile war, die bequem gegeneinander ausgespielt werden konnten, bis sich die Gelegenheit zur gewaltsamen Besetzung von ganz Böhmen und Mähren ergab. Die Weisung für „Die Erledigung der Rest-Tschechei" gab Hitler bereits am 21. Oktober 193 8 als man in Deutschland wie in Europa noch glaubte, mit der Befolgung des Nationalitätenprinzips und der Ziehung der ethnographischen Grenzen sei nun Friede eingekehrt. Bedenklich blieb allerdings, daß die in München vorgesehene Grenzgarantie nicht gegeben wurde.

Die Gelegenheit zur gewaltsamen Besetzung Böhmens und Mährens wurde allerdings nicht künstlich herbeigeführt, sondern ergab sich aus einem Konflikt zwischen der selbstbewußten slowakischen Regierung und der Prager Regierung, der Präsident Hächa am 9. März 1939 zu scharfem Vorgehen veranlaßte, zumal er aus Reden und Erklärungen den Eindruck gewinnen konnte, die Slowakei erstrebe volle Unabhängigkeit. Er setzte Tiso ab, ernannte eine Interimsregierung, ließ den Ausnahmezustand erklären und am 10. März einige hundert Slowaken verhaften. Dieses scharfe Vorgehen war, wie auch Nevile Henderson betont, zweifellos unklug, denn nun war die Möglichkeit gegeben, Tiso am 13. März nach Berlin zu rufen und ihn zu ermuntern, die Unabhängigkeit der Slowakei zu erklären, was am 14. März geschah. Das verabredete Telegramm, das das Deutsche Reich um Schutz für die Slowakei bat, wurde jedoch erst am 16. März nach Berlin gesandt, während Voloyn schon in den frühen Morgenstunden die Selbständigkeit seines kleinen Landes erklärte und ebenfalls, in diesem Fall aber auch aus Selbsterhaltungstrieb, um den Schutz des Reiches bat. Hächa wurde am gleichen Abend nach Berlin gerufen, wo der herzleidende Mann in einer Nachtsitzung zu der Erklärung gezwungen wurde, er lege „das Schicksal des tschechischen Landes und Volkes vertrauensvoll in die Hände des Führers“ Noch bevor die Sitzung in der Reichskanzlei stattfand, in deren Verlauf Hächa einen Herzanfall überstehen mußte, besetzten deutsche Truppen schon das Industriegebiet von Mährisch-Ostrau, in den Morgenstunden des 15. März begann dann die Besetzung des übrigen Gebietes von Böhmen und Mähren, wiederum ohne Zwischenfälle. Zur gleichen Zeit begann Lingam mit der Besetzung der Karpatho-Ukraine nach dem die Regierung am 12. März von Hitler die Aufforderung erhalten hatte, sich binnen 24 Stunden zu entschließen und dem Entschluß die Tat folgen zu lassen was vorausgegangene ungarische Regierungsbeschlüsse hinfällig machte, bei einer Auflösung der Tschechoslowakei nach provozierten Grenzzwischenfällen auch ohne Hitlers Genehmigung einzumarschieren. Die verzweifelten Hilferufe Voloyns, der vorher nicht unterrichtet worden war, wurden mit dem Rat beantwortet, keinen Widerstand zu leisten 2. Diesen trafen die rasch einrückenden Ungarn auch nicht bei den nach Rumänien und in die Slowakei ausweichenden regulären Truppen des Generals Prchala, sondern bei den ukrainischen Sic-Schützen, die aber natürlich den Vormarsch nicht aufhalten konnten.

Binnen weniger Stunden war so die Tschechoslowakei in drei Teile auseinandergebrochen, von denen nur der mittlere, die Slowakei, seine eingeschränkte Selbständigkeit erhielt, sie allerdings noch durch weitere Gebietsabtretungen an Ungarn bezahlen mußte, während das neu-errichtete Protektorat Böhmen und Mähren trotz eines eigenen Staatspräsidenten und einer Regierung politisch und wirtschaftlich völlig in die Machtsphäre des Dritten Reiches einbezogen wurde.

Die in ganz Europa und in den Vereinigten Staaten aufflammende Empörung galt vor allem dem Bruch der früheren feierlich gegebenen Versprechen durch Hitler und der Tatsache, daß jetzt zynische Machtpolitik erkennbar wurde, wo man bisher noch an ein Streben nach Selbstbestimmungsrecht und Vereinigung der vor den Grenzen lebenden Deutschen geglaubt hatte. Vom 15. März 1939 datiert überall der Entschluß zu entschlossenem Widerstand gegen die weitere Politik der vollendeten Tatsachen und der Vorwände benutzenden Machtausweitung; damit wird er in besonderer Weise nicht nur zu einem Schlußpunkt zwanzigjähriger Entwicklung der Tschechoslowakei, sondern zu einem Datum der Weltgeschichte.

Am Schluß eines knappen Überblicks über die äußeren Züge einer zwanzigjährigen Entwicklung kann nur auf die Fülle leidvoller Einzelschicksale hingewiesen werden, die sich aus der jähen Auflösung der Tschechoslowakei für Tschechen, Juden, deutsche Emigranten, ukrainische Nationalisten und slowakische Zentralisten und sechs Jahre später für nationale Slowaken, Ungarn, viele andere Tschechen und das ganze Deutschtum der Sudeten-und Karpathenländer ergeben haben. Sie überstiegen zweifellos alles Unrecht, das in den zwanzig Jahren der tschechoslowakischen Republik an den nichttschechischen Staatsbürgern geschah, bei weitem.

Angesichts dessen wird an den Historiker häufig die Frage nach der Schuld eines einzelnen und einer ganzen Gruppe gestellt, wie sie das Internationale Militärtribunal in Nürnberg und zahlreiche Einzelgerichtshöfe in der neuen Tschechoslowakei zu lösen versucht haben. Sie ist aber für den verantwortungsbewußten Historiker nie vollständig und damit niemals richtig zu beantworten, wenn es sich um ganze Abläufe und ineinander verwobene Vorgänge handelt, läßt sich doch kaum die Verantwortung oder Schuld für ein einzelnes Ereignis vollständig befriedigend lösen.

Ebenso wenig wie die Tschechen daran schuld waren, daß ihr Staat von den Mitbürgern anderen Volkstums als fremd, ja sogar als feindlich angesehen wurde, waren auch die Sudetendeutschen oder die Slowaken daran schuld, daß dieser Staat sich nahezu widerstandslos auflöste. Geschlossene Anklagen sind deshalb für die Erkenntnis der tieferen Zusammenhänge ebenso wenig förderlich wie eine alles entschuldigende Verteidigung der eigenen Haltung oder die Behauptung, alles sei nur zufällig ohne bewußtes Handeln der einzelnen Politiker dem Ende zugetrieben. Natürlich kann die Verantwortung Hitlers und des Nationalsozialismus für die Zerschlagung der Tschechoslowakei und vor allem für die Art, wie es geschah, nicht hoch genug veranschlagt werden. Hitler hatte aber keinen Erfolg haben können, wenn es nicht in der Entstehung und Entwicklung dieses Staates so viele Widersprüche gegeben hätte, die ihm bei seinem Vorgehen den Beifäll weiter Kreise Europas sicherten und die Verteidiger des Status quo so unsicher und schwankend machten. In mancher Hinsicht ist das Schicksal der Tschechoslowakei beispielhaft für das Schicksal der ganzen Staaten-und Völkerwelt Ostmitteleuropas, die seit 1918 so viele gewaltsame Um-gestaltungen mehr erleiden als erleben mußte. Die Bildung dieser nationalen Staaten war ja der Versuch, in einem Gebiet nationaler Vielfalt, das eben in dieser Vielfalt seinen Reichtum hatte, das Prinzip des Nationalstaats durchzusetzen, dieses Prinzip aber doch mit dem gegensätzlichen der Selbstbestimmung und des kulturellen Eigenlebens der Völker zu vereinen. Da dieser Versuch nicht gleichzeitig von anderen übergeordneten Prinzipien getragen war, da beide Grundsätze in ständigem Widerstreit standen, mußte er entweder zur Aufgabe des Nationalstaatsdenkens oder zum Verzicht auf die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Völker führen. Politik und Zeitgeschichte AUS DEM INHALT DER NÄCHSTEN BEILAGEN:

Robert J. Alexander: Die kommunistische Durchdringung Lateinamerikas Peter Bender: Die Weltjugendfestspiele in Helsinki Klaus Epstein: Shirers „Aufstieg und Fall des Dritten Reichs"

Jakob Hommes: Kommunistische und freie Gesellschaft philosophisch kontrastiert Gotthard Jasper: über die Ursachen des Zweiten Weltkrieges K. A. Jelenski: Die Literatur der Enttäuschung Harald von Koenigswald : Deutsch -schwedische Flüchtlingshilfe Frhr. v. Lansdorf: Sowjetische Wirtschaftspolitik Walter Z. Laqueur: Rußland mit westlichen Augen Hans Rothfels: Geschichtliche Betrachtungen zur weltpolitischen Lage Egmont Zechlin: Friedensbestrebungen und Revolutionierungsversuche (IV. Teil)

Fussnoten

Fußnoten

  1. S Anhang Die Parlamentswahlen in der Tschechoslowakei 1920 bis 1935.

  2. J. Rouek gibt in Czechoslovakia, hrsg. v Kerner, S 175, eine vergleichende Tabelle, in der aber Tschechen und Slowaken nicht getrennt werden.

  3. S Anhang: Die Regierungen der Tschechoslowakischen Republik 1918— 1939.

  4. Der Zufall wollte es. daß der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten diesen tschechischen Namen hatte, während der Vorsitzende der tschechischen Sozialdemokraten Nemec, also . Deutscher" hieß Den deutschen Ministern mit tschechischen Namen standen tschechische Minister mit deutschen Namen wie Franke und Meissner gegenüber Czech, einer Brünner deutsch-jüdischen Familie entstammend, starb während des Krieges in Theresienstadt.

  5. Zur Verwaltungsorganisation und zur Reform s Ludwig Adamovlch: Grundriß des tschechoslowakischen Staatsrechts. Wien 1929, S 158— 185.

  6. Hassinger, Tschechoslowakei, S 147. auch Winkler, Handbuch S 77

  7. K 1 e p e t a f , Seit 1918 S 259 nennt ohne Quellenangabe 45 °/o Deutsche, 40’/o Tschechen und 15 % Polen, was den wirklichen Verhältnissen und den Wahlergebnissen gerecht werden dürfte.

  8. z B in dem Memorandum. Polacy w Czechoslowacji w swietle faktdw i liczb (Die Polen in der Tschechoslowakei im Licht von Fakten und Zahlen). Warschau 1935.

  9. Emil F r a n z e 1 : Die Politik der Sudetendeutschen in der Tschechoslowakei 1918— 1938. In: Die Deutschen In Böhmen und Mähren, hrsg. v. H. Preidel, 2. Ausl., Gräfeling 1952, S. 333— 372.

  10. Aufzeichnung über die Unterredung Hitler-Tiso am 13 3 1939 In Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1919— 1945, Bd. IV, S. 212— 214.

  11. Diese nicht nachprüfbare Behauptung wiederholt auch J Mikus, La Slovaquie , S 43.

  12. Uber die slowakische Frage unterrichten außer den in Anm 28 genannten Werken F Durcans k y : Der Weg zur slowakischen Freiheit, Preßburg 1944, und J M Kirschbaum: Slovakia, Nation at the crossroads of Central Europe N Y. 1960 Beide Autoren sind prominente slowakische Politiker.

  13. Wortlaut im Auszug bei Klepetaf. Seit 1918.•., S. 337.

  14. Eindrucksvolle Zahlenbeispiele bei M 1 k u s , S. 62— 67.

  15. Mit dieser Zahl verbindet sich eine Anekdote: Ein tschechischer Senator, der sich über den ihm ungebildet erscheinenden slowakischen Senator Durcansky lustig machen wollte, fragte ihn nach dem Unterschied zwischen der Autonomie und dem Automobil. Darauf Durcansky: »Die Autonomie ist ein Automobil, das 120 000 Tschechen aus der Slowakei nach Prag bringen wird."

  16. 1948— 1953 Ministerpräsident, 1953— 1957 Staatspräsident.

  17. Aufrufe und Reden in: Zalozeni komunisticke strany 1917— 1924 ceskoslovenska (Gründung der KPC). Staatsverlag für politische Literatur (1954).

  18. 1946— 1948 Ministerpräsident, 1948— 1953 Staatspräsident.

  19. Klepetaf. Seit 1918 . . . . S. 309. Nadi nicht nachprüfbaren Angaben des Buches von Frantisek Kurfürst: Radola Gajda, Legende, Rudolf Geidl, Wirklichkeit, Prag 1926 (tschechisch) war dieser Deutschenfeind sogar deutscher Herkunft. 1938/39 versuchte der wandlungsfähige Mann, sich mit den Nationalsozialisten zu arrangieren.

  20. Wie bei Masaryk und Kramäf fehlt trotz sehr reichen Schrifttums auch für ihn eine wissenschaftliche Biographie. Was aus den dreißiger Jahren und aus den Jahren des Krieges vorliegt, ist meist unkritisch heroisierend, so J. Papousek: Dr. E. B., sein Leben, Prag 1937, P. Crabites: B., Statesman of Central Europe, London 1935, E. B. Hitchcock, Benes, the man and statesman, London 1940, G Lias: Benes of Czechoslovakia (London 1940) (ganz panegyrisch) Seine Memoiren über die Zeit nach dem Weltkrieg sind nur in dem zweiten Band (für 1932— 38) erschienen Pameti, Prag 1947. Eine gute Studie gibt P. E. Zinner:

  21. Erzherzog Joseph war ein Sohn von Ferdinand IV. von Toskana und schon 1918 von Karl zum Statthalter in Ungarn eingesetzt. Er überlebte seinen kaiserlichen Neffen bei weitem und starb erst 1962.

  22. Nach Vondracek, The foreign policy of Czechoslovakia, S. 262, stieg der Export der CSR in die Sowjetunion von 31 Mill. Tkr. im Jahre 928 auf 298 Mill, im Jahre 1929.

  23. Paul E. Zinner: The diplomacy of E. B., S. 117, nennt seine Mitwirkung Benes’s . größte Stunde“.

  24. Vondracek, S. 228 Audi G. M. G a -thorne Hardy: Kurze Geschichte der internationalen Politik 1920— 1939, Dritte Auflage 1947, S. 86.

  25. Vgl. Ch. Holt je: Die Weimarer Republik und das Ostlocarno-Problem 1919— 1934. Würzburq 1958.

  26. Zitat bei Klepeti, Seit 1918 . S. 405/406.

  27. Zitat bei J a k s c h , Europas Weg. S. 248/249.

  28. Wörtliche Wiedergabe in englischer Übersetzung bei G. Lias, Bene, S. 155/156.

  29. Bei Raschhofer, Die tschechoslowakischen Denkschriften, S. 100/101

  30. Benes bemühte sich allerdings in einem anonymen Aufsatz in der offiziösen . Prager Presse"

  31. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, Bd. I. Nr 19, sog. Hossbach-Niederschrift (S. 29).

  32. Wie 83, S. 30.

  33. Auszüge bei Lias, Bene, S. 228— 232. Die Kernsätze sind dem offiziellen Sammelwerk: Die tschechoslowakische Republik, Prag 1937, Bd. 2, vorangestellt.

  34. Niederschrift in Akten d. D. A. P. II, S. 3— 9.

  35. Beispiele in dem Buch des tschechischen Generalstabsobersten E. Moravec: Das Ende der Benes-Republik, Prag 1942, 5. Auflage, S. 263— 271.

  36. Akten zur Deutschen Ausw Politik, Bd. II, S. 97/98. Aufzeichnung d. SPD-Abgeordneten Künzel v. 8. 2. 1938,

  37. Akten zur Deutschen Ausw Politik, Bd. II, S. 105— 107. Aufzeichnungen d. SdP-Abgeordneten Künzel vom 19. 2. 1938.

  38. Siehe neben der ausführlichen Behandlung in allen Darstellungen der Geschichte des Dritten Reiches und der internationalen Politik die großen Spezialwerke: Boris Celovsky: Das Münchener Abkommen 1938, Stuttgart 1958 (518 S.) und Helmuth Rönnefarth : Die Sudetenkrise in der internationalen Politik. Teil I (Text) (775 S.), Teil II (Literatur und Anmerkungen) (358 S.), Wiesbaden 1961.

  39. Akten zur Deutschen Ausw. Politik, Bd. II, S. 158.

  40. Das hier gebrauchte englische Wort race mit „Rasse" zu übersetzen, wäre zweifellos irreführend. Gemeint ist die gleiche Herkunft, das gleiche Volkstum.

  41. Die tschechoslowakische Republik, Prag 1937, Bd. II, S. 323.

  42. Akten zur Deutschen Ausw. Politik, Bd. II, S. 237.

  43. Akten zur deutschen Ausw Politik. Bd. IL S. 282.

  44. Ost-Expreß 13, S. 692. Siehe dazu H. Roos: Polen und Europa, Tübingen 1957, S. 324.

  45. Zitiert nach M i k u s , La Slovaquie, S. 73.

  46. Nach J a k s c h , Europas Weg, S. 309.

  47. Die gegenwärtige offizielle Geschichte der CSR, Prehled ceskoslovenskych dejin, Bd. 3, bemüht sich, auf Seite 418 u. 428 die Hilfsbereitschaft der Sowjetunion wortreich darzustellen, ohne dafür wirkliche Fakten anführen zu können.

  48. Georges Bonnet: Vor der Katastrophe, Köln 1951, S. 92. Celovsky, S. 365— 371, R ö n u e f a r t h , I. S. 566/67. An der Richtigkeit dieser Darstellung dürfte nicht mehr zu zweifeln sein.

  49. Text in Akten z.deutschen ausw. Politik II, S. 812— 814, bei Celovsky S. 480— 482, Rönnefarth, Anhang zu. Bd. II.

  50. Akten zur Deutschen Ausw. Politik, IV, S. 57-59.

  51. Die Aufzeichnungen über die Sitzungen in den Akten z. Deutschen Auswärtig Politik, Bd IV. Zur neunten Sitzung S 145— 147. , M

  52. Nach einer Aufzeichnung im Auswärtigen Amt 676 000 (Akten . . . IV, S. 135) nach einer Berechnung des Statist. Zentralamies in Prag sogar über 740 000.

  53. Die Zahlenangaben schwanken Als Höchst-zahl werden 966 km’ genannt (bei Pobög-Malinovski: Najnowsza historia Polski, 1864— 1945, London 1956, Teil 11, S. 660)

  54. Celovsky, Münchener Abkommen, S 472.

  55. Akten zum Schiedsspruch in: Akten z Deutschen Ausw. Politik, Bd. IV, S. 106— 113 Siehe auch C. A. Macartney: October fifteenth, a history of modern Hungary, Edinburgh (1956 u. 1961) S. 301— 305.

  56. Die Zahlen schwanken außerordentlich Nation und Staat, Jg. 12, 1938, S 168, gibt fast 300 000 Slowaken an, Macartney S 302 nui 120 000 „indisputable" und 100 000 „disputable".

  57. Akten z. Deutschen Auswärt. Politik, Bd. IV, S. 90.

  58. Aufzeichnung über die Unterredung, die wie meist überwiegend aus einem Monolog Hitlers bestand, in Akten z. Deutschen Ausw. Politik, Bd. IV, S. 212— 214.

  59. Aufzeichnung in den Akten z. Deutschen Ausw. Politik Bd. IV, S. 229— 235.

  60. C. A. Macartney, October fifteenth I, S. 329— 343.

  61. Akten z. Deutschen Auswärtig. Politik IV, S. 240.

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