Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Lateinamerika -Reform oder Revolution. | APuZ 33/1963 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 33/1963 Lateinamerika -Reform oder Revolution.

Lateinamerika -Reform oder Revolution.

Boris Goldenberg

I. Lateinamerika und die Kubanische Revolution

Mit freundlicher Genehmigung des Verlages Kiepenheuer & Witsch, Köln, werden in dieser Ausgabe die drei letzten Kapitel aus dem in Kürze erscheinenden Buch „Lateinamerika und die Kubanische Revolution“ als Vorabdruck veröffentlicht.

1. Soziale Wandlung

Es ist das gesellschaftliche Sein, das das Bewußtsein bestimmt — aber es ist das Bewußtsein, das das gesellschaftliche Sein interpretiert. Durch das Prisma von Emotionen und Ideen blickend, machen Intellektuelle Fakten aus unmittelbar gegebenen Daten. Auf den Fakten werden Theorien aufgebaut, aus denen demagogische Vereinfacher jene „ides-forces” beziehen, die immer größere, entwurzelte, von steigenden Erwartungen erfüllte Massen vorwärtstreiben. Was früher als selbstverständlich hingenommen wurde, erscheint unerträglich, der einstige Normalzustand wird als Abnormität empfunden.

Jahrhundertelang herrschten in Lateinamerika Oligarchien, gab es Korruption und Unterdrückung, lebten die Massen in tiefer Armut. Doch die Armen nahmen dies einfach als Tatsache hin. Sie rebellierten nicht oder doch nur selten, denn Menschen werden nicht revolutionär, solange sie sich nicht verelendet und um mögliches Wohlergehen betrogen fühlen; sie fühlen sich nicht elend und enttäuscht, solange sie nicht bekommen, was sie nicht erstreben, und sie erstreben nicht, was sie nicht glauben je erreichen zu können.

Das hat sich in Iberoamerika ebenso geändert wie in anderen Teilen der Welt.

Lateinamerika steht in dem widerspruchsvollen Prozeß sozialer Wandlung, den andere Kontinente oft unter noch schwierigeren Bedingungen ebenfalls durchmachen — und der für die heute hochentwickelten Länder mit dem Ende des 18. Jahrhunderts begann. Die iberoamerikanischen Konflikte sind ebensowenig einzigartig wie die Leiden seiner Völker.

Bis vor wenigen Jahrzehnten war Armut das Schicksal der großen Mehrheit der Menschen — und war es seit Beginn der Geschichte gewesen. Es ist fraglich, ob das zweifellos vorhandene, manchmal schreiende Elend lateinamerikanischer Unterschichten größer ist als das der englischen Arbeiter der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 1). Noch um 1900 stellten britische Sozialforscher fest, daß in der Stadt York 27, 8 Prozent und in London 30, 7 Prozent der Bevölkerung in Armut lebten, und als „arm" betrachteten sie nur solche Familien, „deren Gesamteinkünfte nicht ausreichen, um den Minimalbedarf zur Aufrechterhaltung der bloßen körperlichen Leistungsfähigkeit zu dekken". Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lag in Europa die Staatsmacht in den Händen kleiner Oligarchien; überall herrschte Korruption, überall waren ungeheure Einkommensunterschiede vorhanden; nirgends gab es „Demokratie" oder auch gewerkschaftliche Rechte: hätte es beide gegeben, wäre es vermutlich niemals zu dem wirtschaftlichen Fortschritt gekommen überall entwickelten sich innerhalb der verschiedenen Länder die einzelnen Gebiete partiell und ungleichmäßig. Noch heute dürfte in Italien der Kontrast zwischen dem hochentwickelten Dreieck Mailand— Turin—Genua und den Territorien des „Mezzogiorno" kaum geringer sein als ähnliche Unterschiede in den Staaten Lateinamerikas.

Parallelen zur gegenwärtigen lateinamerikanischen Wirklichkeit kann man in allen unterentwickelten Gebieten beobachten: In den mei-sten asiatischen Ländern ist die materielle Lage der Massen ebenso schlimm, wenn nicht schlimmer; die Verstädterung, die Zunahme der „Wurzellosen", die ungleichmäßige Entwicklung, das Überangebot an Intellektuellen usw. sind universelle Phänomene. Und es gehört zu den tragischen Widersprüchen der Gegenwart, daß sich der Reichtumsunterschied zwischen den hochentwickelten und den unterentwickelten Ländern nicht verkleinert, sondern vergrößert. Auch dort, wo es keine absolute Verelendung gibt, wächst die „relative“ Verelendung und es wächst auch das Bewußtsein dieser Tatsache.

Lateinamerikas Lage ist besser als die Asiens und Afrikas: Es ist im ganzen gesehen nicht „übervölkert", die meisten Länder haben ein höheres Einkommen pro Kopf der Bevölkerung, eine breitere Mittelschicht, weniger Analphabeten, mehr Kapitalien und weniger von jenen „Attitüden" und „Tabus", die die moderne Entwicklung hemmen. Aber gerade die Tatsache, daß die lateinamerikanischen Länder weiter entwickelt sind als die meisten „zurückgebliebenen" Territorien und Möglichkeiten einer Entwicklung haben, die sich nicht aktualisieren, trägt zur Verbreitung revolutionärer Stimmungen bei. Dazu kommt, daß in diesem „Erdteil" der Einfluß nordamerikanischer " publicity” besonders stark ist.

Die Industrialisierung hatte in einigen lateinamerikanischen Ländern schon zur Zeit des ersten Weltkrieges begonnen. Aber erst die Weltwirtschaftskrise führte zu einer allgemeinen Unzufriedenheit, aus der dann das Bewußtsein erwuchs, daß Lateinamerika „rückständig" sei 3) Seither hat sich dieses Bewußtsein verstärkt und verallgemeinert, während die Probleme der fortschreitenden, aber widerspruchsvollen Modernisierung wuchsen.

2. Kommunistische Einflüsse

Nicht zu Unrecht hat ein zeitgenössischer Autor behauptet, daß unterentwickelte, „halbkoloniale". aber im Prozeß der Modernisierung befindliche Länder einen besonders günstigen Nährboden für die marxistische Ideologie bieten 4). Marx Fühlen und Denken war aus dem

Protest gegen die Folgeerscheinungen des frühen industriellen Kapitalismus entstanden, hatte diesen Protest jedoch mit einer positiven Einstellung zum industriellen Fortschritt verbunden. Nun war der industrielle Kapitalismus in seinen Anfängen in Lateinamerika am Werk. Seine Mängel schienen Schuld der „Ausbeuter" zu sein, während die „Rückständigkeit" nur durch weitere, verstärkte Industrialisieru Seither hat sich dieses Bewußtsein verstärkt und verallgemeinert, während die Probleme der fortschreitenden, aber widerspruchsvollen Modernisierung wuchsen.

2. Kommunistische Einflüsse

Nicht zu Unrecht hat ein zeitgenössischer Autor behauptet, daß unterentwickelte, „halbkoloniale". aber im Prozeß der Modernisierung befindliche Länder einen besonders günstigen Nährboden für die marxistische Ideologie bieten Marx Fühlen und Denken war aus dem

Protest gegen die Folgeerscheinungen des frühen industriellen Kapitalismus entstanden, hatte diesen Protest jedoch mit einer positiven Einstellung zum industriellen Fortschritt verbunden. Nun war der industrielle Kapitalismus in seinen Anfängen in Lateinamerika am Werk. Seine Mängel schienen Schuld der „Ausbeuter" zu sein, während die „Rückständigkeit" nur durch weitere, verstärkte Industrialisierung bei gleichzeitigem revolutionärem Kampf gegen die Kapitalisten (und Imperialisten) behoben werden konnte. Obgleich aber kommunistische Parteien in fast allen Ländern Lateinamerikas schon seit den zwanziger Jahren bestanden, blieben sie und ihr Einfluß schwach 5). Das galt auch noch im Jahre 1958:

ein führendes Mitglied der nordamerikanischen CIA, General Cabell, machte 1959 vor einem Ausschuß des amerikanischen Senats 6)

die folgenden Angaben über die organisatorische Stärke der kommunistischen Parteien in Lateinamerika: Insgesamt hatten sie etwa 240 000 Mitglieder. Am stärksten war die argentinische Partei mit 80 000; es folgten Brasilien und Venezuela mit je etwa 40 000, Chile mit 30 000 und Kuba mit 17 000 Mitgliedern. Keine der übrigen kommunistischen Parteien erreichte 10 000 Mitglieder. Dort, wo sie legal waren und sich an Wahlen beteiligten, erhielten die Kommunisten nur selten mehr als 10 Prozent der abgegebenen Stimmen (so in Chile, wo sie 1961 11, 5 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigten). Dort, wo sie ihre größten Erfolge hatten, pflegten sie nicht als „revolutionäre", sondern als radikal-demokratische Parteien aufzutreten, die die repräsentative Demokratie im Prinzip anerkannten: so war es während der „Volksfront" in Chile in den dreißiger und vierziger und in Kuba in den vierziger Jahren. Die Schwäche der Kommunisten hatte eine Vielzahl von Ursachen: Der Kommunismus war seiner Grundeinstellung nach internationalistisch, in Wirklichkeit aber eng an die Sowjetunion gebunden; seine Ideen und seine Phraseologie erschienen „fremdländisch". Die radikalen Bewegungen der Lateinamerikaner waren nationalistisch, traten für Unabhängigkeit gegenüber allen außerkontinentalen Mächten ein und sprachen eine „andere Sprache". Der Kommunismus ist „rational" und in seiner Politik von realistischen, opportunistischen Überlegungen bestimmt — die jungen Revolutionäre Iberoamerikas waren von Voluntarismus erfüllt, neigten zum Putschismus und zu kompromißlosem Radikalismus. Der Kommunismus verlangte strikte unpersönliche Disziplin, die dem Individualismus und Personalismus der Lateinamerikaner widerstrebte. Mit der Land-bevölkerung hatten die Kommunisten wenig Kontakt. In den Städten trafen sie einerseits auf mehr oder weniger qualifizierte Arbeiter, die gewerkschaftlich organisiert, von anarchosyndikalistischen Traditionen bestimmt oder aber durch entsprechende Maßnahmen demokratischer Regierungen privilegiert waren, bessere Arbeitsbedingungen hatten als die große Mehrheit der Bevölkerung und sich in erster Linie um rein gewerkschaftliche Fragen und Probleme kümmerten — andererseits auf eine Masse von „Wurzellosen", die mehr dem Lumpenproletariat als einem industriellen Proletariat ähnelte und leicht korrumpierbar war.

Die zahlreichen „Wendungen" der kommunistischen Generallinie — die ohne Rücksicht auf die inner-lateinamerikanischen Gegebenheiten auf Grund von Beschlüssen der russischen Kommunisten erfolgten — waren nicht dazu angetan, die Sympathien für sie zu erhöhen. Während der „ultralinken" Periode (1929-1935), als sie in Europa die Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten" und als ihre Hauptfeinde betrachteten, bekämpften sie auch in Amerika gerade die am weitesten „links" stehenden Gruppierungen am schärfsten. Das hinderte sie nicht, in kritischen Perioden weniger radikal aufzutreten als andere, mit ihnen konkurrierende Parteien: so in Chile, als sie im Juni 1932 gegen die kurzlebige, aus einem Putsch hervorgegangene „Sozialistische Republik" auftraten, oder auch in Kuba, als sie 1933 bereit waren, mit dem Diktator Machado einen Kompromiß zu schließen. Am Ende der „ultralinken" Periode stand der mißglückte kommunistische Aufstandsversuch in Brasilien (1934). Auf die „ultralinke" folgte auch in Lateinamerika die „Periode der Volksfront". Im allgemeinen war diese Taktik erfolgreicher als die „ultralinke", aber auch in ihrem Rahmen kam es zu Episoden, die der Partei Abbruch taten — so zum Beispiel kritisierten die Kommunisten Mexikos 1938 Cardenas'Politik der Nationalisierung des Petroleums, weil sie damals für eine freundschaftliche Haltung gegenüber den USA eintraten. Die scharfe Wendung zum „Neutralismus" mit ihren Angriffen auf den westlichen Imperialismus, die dem Stalin-Hitler-Pakt folgte, schadete den Kommunisten ebenfalls und wurde — bald nach Hitlers Angriff auf die UdSSR — durch eine neue „Volksfront-Periode" abgelöst, in deren Verlauf die jeweiligen kommunistischen Parteien sich in den Augen vieler Radikaler dadurch kompromittierten, daß sie sich bereit zeigten, jede beliebige, noch so reaktionäre Gruppierung zu unterstützen, wenn diese nur gegen Hitler auftrat.

Schließlich müssen noch zwei andere, äußere Faktoren erwähnt werden, die die Schwäche des kommunistischen Einflusses erklären: Zum ersten betrachtete die Kommunistische Internationale Lateinamerika als weit unwichtiger als Asien und Europa und die Vereinigten Staaten nicht als ihren Hauptgegner. Zum anderen war die innere Entwicklung der Sowjetunion unter Stalin nicht dazu angetan, in Lateinamerika große Begeisterung hervorzurufen: Es gab noch keine „Sputniks", die Erfolge der Industrialisierung erschienen zweifelhaft, und die unangenehmen Phänomene des stalinistischen Terrors waren in Intellektuellen-kreisen nicht unbekannt.

3. Revolutionäre Bewegungen und ihre Träger

So kam es, daß mehr oder weniger autochthone, mehr oder weniger revolutionäre, von den Kommunisten unabhängige und von ihnen bekämpfte Gruppen und Parteien zu Trägern der revolutionären Bewegung wurden: „linke", radikal-demokratische, anti-imperialistische und in ihrer Propaganda antikapitalistische Parteien, wie die APRA Perus, die venezolanische „Acciön Democratica", die kubanischen „Autenticos", die Parteigänger von Figueres in Costa-Rica, die offizielle PRI Mexikos und die Febreristen Paraguays, -in einigen Ländern auch sozialistische Gruppen und Parteien; demagogische, stark vom Faschismus beeinflußte Bewegungen, wie der „Vargismus“ Brasiliens und vor allem der „Justi-cialismus" Perons in Argentinien, oder auch Organisationen, die, unter dem Einfluß faschistischer Ideen entstanden, sich in sozialistischer Richtung entwickelten, wie das MNR in Bolivien.

In den dreißiger Jahren setzten sozial-politische, revolutionäre Änderungen ein, an denen die Kommunisten keinen Anteil hatten: in Mexiko erreichte die Revolution ihren Höhepunkt in den Jahren 1934-1940; in Kuba kam es zu den revolutionären Ereignissen der Jahre 1933-1935; Argentinien erlebte den Peronismus und seinen Sturz. 1945 errang die „Accin Democratica" in Venezuela ihren ersten Sieg, gelangte aber erst 1958 nach Perez Jimenez Sturz wieder an die Regierung; 1948 siegte die demokratische Revolution in Costa-Rica; zur selben Zeit setzte die revolutionäre Entwicklung in Guatemala ein; 1952 begann die Revolution in Bolivien; 1957 wurde in Kolumbien der Militärdiktator Rojas Pinilla gestürzt.

Auf all diese Siege der „Linken" folgten jedoch Enttäuschungen. Die mexikanische Revolution schien in einen Thermidor gemündet zu sein, der dem Kapitalismus Möglichkeiten eröffnete, das Massenelend aber nicht beseitigte. Die kubanischen „Autenticos" erwiesen sich nach ihrer Machteroberung als korrupte Partei. Das Abenteuer Perons brach zusammen, und der „Justicialismus" verlor — außerhalb Argentiniens — Prestige und Anhänger. Die bolivianische Revolution blieb stecken, obgleich sie „radikal", die venezolanische von 1958, weil sie nicht radikal genug war. Der Diktatur Rojas Pinillas in Kolumbien folgte eine neue, demokratisch verbrämte Herrschaft der alten Oligarchien. In Peru war die APRA — drei Jahrzehnte nach ihrer Gründung — immer noch nicht an der Macht und verlor darüber hinaus revolutionäres Prestige, weil sie sich auf Kompromisse mit den herrschenden Schichten einließ und ihre anti-imperalistische Ideologie verwässerte. Die guatemaltekische Revolution wurde mit Hilfe der USA erdrückt und hinterließ als Erbschaft einen verstärkten „Anti-Yanquismus".

Nach Abschluß des Korea-Krieges, der die Preise aller Rohstoffe heraulgetrieben hatte, begann sich die wirtschaftliche Lage Lateinamerikas zu verschlechtern. Es wuchsen die Spannungen, die Gegensätze und zugleich auch die Erwartungen Von der „Demokratie" war nach wie vor wenig zu erhoffen. Dort, wo sie bestand, waren die Regierungen nur zu kleineren Reformen bereit, die die herrschenden Klassen nicht gefährdeten. Immer noch sah es so aus, als sollten die Massen mit Versprechungen abgespeist werden: In Chile hatte ein Präsident schon 1920 die Landreform „auf die Tagesordnung gesetzt" — wo sie vier Jahrzehnte später immer noch steht. In Kolumbien war 1936 die Enteignung des unproduktiv verwandten Landes beschlossen worden, ohne daß ein Vierteljahrhundert später klargestellt gewesen wäre, was unter „unproduktiv" zu verstehen sei. In Kuba hatte die Verfassung von 1940 die Latifundien „verboten", was nicht hinderte, daß sie weiter bestanden. Der Weg der Reform schien verschlossen, die lateinamerikanischen revolutionären Bewegungen waren gescheitert. Da kam Castro — und mit ihm eine neue Epoche, die ein deutscher Journalist, der 1961 Lateinamerika bereiste, mit dem Titel seines Buches kennzeichnete „Im Schatten des Kubaners"

4. Bedenken gegen die Revolution

Die Castro-Revolution war ein ureigenes Produkt des Kontinents. Sie war nicht von außen hereingetragen. Ihr „revolutionärer Humanismus" entsprach den Bestrebungen aller Rebellen Iberoamerikas. An ihrer Spitze standen junge, romantische Helden. Ihre Sprache war allen verständlich. Ihr Führer war ein revolutionärer Caudillo, der es ablehnte, sich auf „Kuhhändel" einzulassen, Kompromisse zu schließen, seinen Radikalismus aufzugeben und sein revolutionäres Erstgeburtsrecht für das Linsengericht kleiner Reformen zu verkaufen. Hier wurde der alte Staatsapparat mitsamt seiner Korruption zerschlagen; hier wurde die Oligarchie entwurzelt; hier wurde eine radikale Agrarrevolution durchgeführt, wurde den Reichen ihr Reichtum zugunsten der Armen genommen; hier wurde das Bildungsmonopol der Besitzenden gebrochen, wurde das Volk bewaffnet, wurde das ausländische Kapital enteignet.

Hier, und nur hier wagte es ein lateinamerikanischer David, alle geopolitischen Ketten zu sprengen, die ihn für immer an den nördlichen Goliath zu fesseln schienen. Er hatte der imperialistischen Großmacht den Haß Lateinamerikas entgegengeschleudert. Er hatte sein Volk in eine Begeisterung versetzt, die es ihm möglich machen mußte, den Himmel zu stürmen. Der chilenische Sozialistenführer und ehemalige Präsidentschaftskandidat seines Landes, Senator Allende, schrieb 1960: „Kubas Schicksal gleicht dem aller lateinamerikanischen Länder. Sie alle sind unterentwickelt, sind Produzenten von Rohstoffen und Importeure industrieller Erzeugnisse. In allen Ländern hat der Imperialismus die Wirtschaft deformiert, große Profite erwirtschaftet und seinen politischen Einfluß gefestigt. Die kubanische Revolution ist eine nationale Revolution — zugleich aber eine Revolution ganz Lateinamerikas. Sie hat den Weg zur Befreiung aller unserer Völker gewiesen."

Der mexikanische Intellektuelle Noyola, der in Kuba mit dem revolutionären Minister Boti zusammenarbeitete, hielt am 4. Januar 1961 in einer Studentenversammlung der Universität Mexiko eine Rede, die stürmisch begrüßt und in der führenden, nationalökonomischen Zeitschrift „Trimestre Economico" abgedruckt wurde

„Die kubanische Revolution ist das gemeinsame Erbgut aller Völker Lateinamerikas.

Im gegenwärtigen Augenblick ist sie unser wertvollstes Erbgut" — heißt es hier.

Die Begeisterung in den Städten war allgemein: von den Intellektuellen griff sie über auf Angestellte und Arbeiter. Das neue Evangelium drang bald auch in die entlegensten Gebiete.

„Bei Zusammenkünften der Bauern in den Anden ist der neue, durch die eisige Gebirgsnacht hallende Ruf , A la Cubana! ’ zu hören."

Bald — und noch vor der Proklamation des „sozialistischen" und „marxistisch-leninistischen" Charakters der kubanischen Revolution — begannen freilich auch Zweifel zu erwachen. Doch sie wurden beiseite geschoben ...

Gewiß: es gab Erschießungen und Massenverhaftungen. Aber war dieser Terror nicht weit schwächer als der vergangener Revolutionen? Waren die Opfer nicht ehemalige Folterknechte, ehemalige Ausbeuter und konterrevolutionäre Saboteure? War dieser Terror nicht von den Massen des kubanischen Volkes gewollt und von ihnen getragen?

Gewiß: es gab weder einen „Rechtsstaat", noch Pressefreiheit. Aber hatte dieses Recht sich nicht auf das Recht der Oligarchen beschränkt, das Volk auszubeuten? Hatte diese Presse sich nicht immer wieder als ein williges und korruptes Werkzeug der Reichen erwiesen?

Gewiß: es gab keine Wahlen. Aber was waren Wahlen anderes gewesen als Komödien zum Zweck der Beuteverteilung unter politischen Dieben? Hatte das Wahlrecht nicht überall — selbst dann, wenn die Wahlen wirklich frei und ehrlich gewesen waren — darin bestanden, alle paar Jahre entscheiden zu dürfen, von welchem Politiker bestohlen zu werden man vorzog? Und war es nicht so, daß die Mehrheit des kubanischen Volkes keineswegs willens war, sich durch unnötige Wahlkämpfe von wichtigeren Dingen ablenken zu lassen?

Gewiß: es schien immer weniger individuelle Freiheit zu geben. Viele bestritten das; andere wiesen darauf hin, daß die Freiheit für die meisten früher nur die Freiheit gewesen sei, hungern zu dürfen, und einige gingen noch weiter: „Was habt ihr in euren industrialisierten Ländern im Verlaufe des 19. Jahrhunderts getan, als ihr dabei ward, eure Länder zu industrialisieren, die kapitalistische Wirtschaft zu schaffen?" — fragten mich die Studenten. „Habt ihr denn tatsächlich die menschliche Person respektiert, als ihr Kinder in Bergwerke schicktet, die Arbeiter zwangt, zwölf und vierzehn Stunden am Tage zu arbeiten, ihnen verbotet, Gewerkschaften zu bilden? ..."

Und hinter solchen Worten tauchte, für manche kaum bewußt, die Frage auf, wieweit eine rapide Modernisierung mit der Aufrechterhaltung individueller Freiheit vereinbar sei — und ob man nicht letztere zugunsten der ersteren einschränken müsse ...

Alle Bedenken wurden so beiseite geschoben: die kubanische Revolution wurde zur Hoffnung aller Nichtprivilegierten, zum Banner aller Unzufriedenen, aller „Frustrierten", aller Anti-Imperialisten, aller Radikalen. Delegierte aus den einzelnen Ländern Lateinamerikas wurden in Kuba empfangen und genossen großzügigste Gastfreundschaft; kubanische De-legationen reisten in alle Länder des Subkontinents. Die kubanische Regierung begann, eine Propaganda großen Stils zu entfachen: eine eigene Presseagentur, die „Prensa Latina", wurde geschaffen, kubafreundliche Bewegungen und Organisationen wurden moralisch und finanziell unterstützt, Propaganda-sendungen wurden über den Rundfunk ausgestrahlt und kubanische Botschaften in Zentren der Agitation verwandelt.

5. Die Deklaration von San Jose

Im Sommer 1960 hatte das nordamerikanische State Department — das immer dazu neigt, die lateinamerikanischen Regierungen mit den lateinamerikanischen Volkern gleichzusetzen und den Druck der letzteren auf die ersteren zu unterschätzen — auf der Konferenz der Außenminister der OAS in San Jose, Costa Rica, eine Resolution vorgelegt, die Castro verurteilen sollte.

Die Resolution gründete sich auf jene Beschlüsse, die 1954 im Zusammenhang mit der Guatemala-Revolution von der Interamerikanischen Konferenz in Caracas angenommen worden waren. In Caracas war erklärt worden, daß „die Bedrohung oder die Kontrolle politischer Institutionen eines amerikanischen Staates durch die internationale kommunistische Bewegung . . eine Bedrohung der Souveränität und der politischen Unabhängigkeit der amerikanischen Staaten und des Friedens darstellt".

Castro erschien den Nordamerikanern als Agent des Weltkommunismus: die wichtigsten diesbezüglichen Tatsachen waren in einem vor der Konferenz ausgearbeiteten Memorandum zusammengestellt worden — und kurz vor der Konferenz hatte Chruschtschow öffentlich erklärt, daß die Sowjetunion Kuba im Notfall auch durch den Einsatz von Raketenwaffen helfen würde.

Abgesehen davon konnte das State Department auch insofern darauf hoffen, daß die lateinamerikanischen Staaten Castro verurteilen würden, als er die „repräsentative Demokratie" abgeschafft hatte — obgleich der Vertreter der kubanischen Revolutionsregierung im Sommer 1959 gemeinsam mit den Repräsentanten der anderen amerikanischen Republiken die „Deklaration von Santiago" unterschrieben hatte, die ein eindeutig formuliertes Bekenntnis zu den Prinzipien der repräsentativen Demokratie enthielt Darüber hinaus hatte das State Department den anderen amerikanischen Staaten ein Memorandum unterbreitet, das das Vordringen des Kommunismus in Kuba bewies

Die Nordamerikaner erlebten jedoch eine Enttäuschung: Die Pro-Castro-Stimmung der lateinamerikanischen Völker und das tiefe Mißtrauen auch der lateinamerikanischen Regierungen gegen alles, was als „Intervention" in die Angelegenheiten einer ihrer Schwester-republiken ausgelegt werden konnte, erwiesen sich als stärker als aller nordamerikanische Druck und alle Ablehnung des Kommunismus.

Mit 19 gegen 0 Stimmen (Santo Domingo, das selbst unter Anklage stand, und gegen dessen Diktator sogar ökonomische Sanktionen beschlossen wurden, war nicht vertreten, und die kubanische Delegation verließ demonstrativ die Versammlung) wurde eine Resolution angenommen, die „mit Entschiedenheit" die „Intervention oder die Interventionsdrohung''aller außerkontinentalen Mächte (gemeint war der Ostblock) verurteilte, alle Versuche der „Sino-Sowjetischen Mächte", die politische, wirtschaftliche oder soziale Lage der amerikanischen Staaten für sich auszunutzen, verdammte und jede Form des Totalitarismus für unvereinbar mit dem inter-amerikanischen System erklärte Gleichzeitig aber wurde das Prinzip der „Nicht-Intervention" eines jeden amerikanischen Staates in die inneren und äußeren Angelegenheiten jedes anderen amerikanischen Staates wiederholt — und Kuba oder Castro nicht namentlich erwähnt Zwei der anwesenden Delegierten weigerten sich sogar, dieses „platonische" Dokument zu unterzeichnen, und mußten durch Vertreter ersetzt werden, während der mexikanische Delegierte so weit ging, zu erklären, daß diese Resolution sich gar nicht gegen Kuba richte ...

Auf die Deklaration von San Jose antwortete Castro mit der „Deklaration von Havanna", die zum grundlegenden Dokument der Revolution wurde, nachdem ihr auf einer Kundgebung am 2. September 1960 die Massen, die „Vollversammlung des kubanischen Volkes", begeistert zugestimmt hatten. In der Präambel heißt es: „Im Geist einer authentischen revolutionären Demokratie hat die revolutionäre Regierung das kubanische Volk zu einer Versammlung am Denkmal für Jose Marti zusammengerufen, um auf die Beschlüsse der Konferenz von San Jose zu antworten und den aggressiven Manövern gegen die Revolution und gegen das kubanische Volk entgegenzutreten ..."

Die Deklaration verurteilt „die offene und verbrecherische Interventionspolitik des amerikanischen Imperialismus", der während des vergangenen Jahrhunderts die Völker Lateinamerikas ständig angegriffen habe (erwähnt werden: die Annexion von Texas, die Schaffung eines Panama-Staates zum Bau eines Kanals unter ausschließlich nordamerikanischer Souveränität, die Besetzung von Puerto Rico, die zahlreichen Landungen nordamerikanischer Truppen, die Ausbeutung der lateinamerikanischen Länder u. a.). Die lateinamerikanischen Regierungen, die dem Yankee-Imperialismus nicht entgegenträten, werden des Verrats an ihren Völkern beschuldigt. Die Deklaration verwirft die „Monroe-Doktrin" als Deckmantel eines ebenso „gefräßigen wie scheinheiligen Imperialismus“ und verkündet gleichzeitig Kubas freundschaftliche Gefühle „für das amerikanische Volk, das Volk gelynchter Neger, verfolgter Intellektueller und Arbeiter, die dazu gezwungen sind, sich von Gangstern führen zu lassen".

Sie dankt der Sowjetunion für die angebotene Hilfe und nimmt ausdrücklich das Versprechen an, die kubanische Revolution mit Hilfe russischer Raketenwaffen gegen eine Intervention zu schützen. Sie erklärt, die kubanische Revolution sei ein Werk des kubanischen Volkes selbst gewesen und stelle eine Antwort „auf die Verbrechen und Ungerechtigkeiten des Imperialismus" dar. Die Deklaration enthält ferner den Beschluß, sofort diplomatische Beziehungen zur Chinesischen Volksrepublik aufzunehmen, und stellt fest, daß eine „wahre Demokratie" unvereinbar sei „mit der Herrschaft einer finanziellen Oligarchie, der Diskriminierung der Neger, der Tätigkeit des Klu-Klux-Klan und den Verfolgungen, denen Wissenschaftler, wie Oppenheimer, ausgesetzt sind“.

Es wird ausdrücklich erwähnt, daß ein System nicht demokratisch sei, das es „der Welt jahrelang unmöglich gemacht hat, die prachtvolle Stimme von Paul Robeson zu hören und dem das Ehepaar Rosenberg zum Opfer fiel".

Die Nationale Generalversammlung des kubanischen Volkes, heißt es weiter, „drückt die Überzeugung dieses Volkes aus, daß die Demokratie nicht nur in der Ausübung des Wahlrechts besteht — eines Wahlrechts, das fast immer fiktiv bleibt und von Latifundisten und Berufspolitikern mißbraucht wird — sondern in dem Recht der Bürger, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, wie es jetzt diese Versammlung tut. Die Demokratie wird in Amerika erst verwirklicht sein, wenn die Armen (Jos humildes’) nicht mehr zum Hunger, zur Machtlosigkeit, zum Analphabetismus ... verurteilt sind."

Die Erklärung „verurteilt das Latifundium, diese Wurzel des Bauernelends ... die Hungerlöhne und die Ausbeutung der Arbeiter ...den Analphabetismus ...den Mangel an allen Schutzmaßnahmen für die Alten ... die Diskriminierung der Neger und Indianer ... die militärischen und politischen Oligarchien ... die Übereignung des natürlichen Reichtums unserer Länder an ausländische Monopole ... die systematische Vergiftung der öffentlichen Meinung durch eine den Oligarchen gehorchende Presse ... die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die Ausbeutung der unterentwickelten Völker durch das imperialistische Finanzkapital".

Sie „proklamiert das Recht des Bauern auf das Land; des Arbeiters auf das Produkt seines Schaffens; des Kindes auf Erziehung; des Kranken auf medizinische Fürsorge; des Studenten auf freie wissenschaftliche Ausbildung; der Neger und Indianer auf die volle Menschenwürde; der Frau auf wirkliche Gleichheit mit dem Mann; der Bejahrten auf einen gesicherten Lebensabend; der Intellektuellen auf Teilnahme am Kampf für eine bessere Welt; der Staaten auf die Nationalisierung der imperialistischen Monopole; der Nationen auf volle Souveränität; der Völker auf Verwandlung ihrer Kasernen in Schulen, auf die Bewaffnung der Arbeiter, Bauern und Intellektuellen ..." Das ist der Inhalt der — im Kern bereits „kommunistischen" — Erklärung, die Castro formulierte und den Amerikanern entgegen-schleuderte. Sie wurde in ganz Lateinamerika verbreitet und sollte der Funke sein, aus dem das Feuer iberoamerikanischer Revolutionen entstehen würde.

6. Abflauende Begeisterung

Die Radikalisierung der kubanischen Revolution, die mit der Nationalisierungswelle vom Herbst 1960 klar sozialistische Züge annahm, mußte ebenso dazu beitragen, Castros Anhang innerhalb der lateinamerikanischen Mittel-schichten zu verringern, wie die „Gleichschaltung" der Gewerkschaften und die zunehmenden Konflikte mit der Kirche. Zu den „Oligarchien" und den Militärs, die castrofeindlich gesinnt waren, gesellten sich auch Teile der Mittelschichten, der Arbeiter und die Kirche. Die christlich-sozialen und die demokratischen Parteien begannen, sich von Castro abzuwenden. Doch waren 1961 nur erste Anzeichen einer solchen Wendung zu beobachten. Solange der Castrismus, der „Fidelismus", sich noch vom Kommunismus zu unterscheiden schien, solange man annehmen konnte, daß die Massen der kubanischen Bevölkerung einen höheren Lebensstandard hatten als früher, blieb Castros Popularität erhalten.

Die mißglückte Invasion vom April 1961 gab dem Castrismus in ganz Lateinamerika neuen Auftrieb. Die kritischen Stimmen wurden schwächer — der Anti-Imperialismus verstärkte sich. Mil Recht schrieb ein französischer Autor, daß dieses Abenteuer von zweiundsiebzig Stunden mehr für den Erfolg der kommunistischen Propaganda in Lateinamerika getan habe, als Hunderte von Propagandisten in monatelanger Arbeit hätten erreichen können Eine Welle von Protestkundgebungen ergoß sich über den Subkontinent. Massendemonstrationen fanden in Caracas und Bogota, in La Paz und Lima, in Santiago und Recife, in Rio de Janeiro und Sao Paulo, in Montevideo und Buenos Aires, in Mexiko-City — und sogar in Guatemala statt.

Es dauerte Monate, bis ein gewisses Abflauen des Fidelismus einzusetzen begann: die Proklamierung des „sozialistischen" Charakters der Revolution, der verschärfte Kampf gegen die Kirche, vor allem aber die beginnenden, offenbar werdenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten Kubas trugen dazu bei — und dazu kam im Dezember 1961 Castros Erklärung, in der er sich nicht nur zum Marxismus-Leninismus bekannte, sondern auch behauptete, seit dem Beginn seines revolutionären Kampfes „Marxist-Leninist" gewesen zu sein. Die christlich-demokratischen Parteien griffen ihn an;

sozialistische Führer, wie Palacios und auch der ehemalige Präsident von Guatemala, Arevalo, wandten sich ebenso von ihm ab wie die führenden Gewerkschaften mehrerer Länder Auch innerhalb der Studentenschaft begann der Anti-Castrismus Boden zu gewinnen. Auf dem lateinamerikanischen Studentenkongreß in Natal (Brasilien) im Oktober 1961 waren die Anti-Castristen in der Überzahl, und auch bei den Studentenratswahlen einiger Universitäten — zum Beispiel in Buenos Aires — errangen sie die Mehrheit. Das Bündnis der Castristen mit den Peronisten, deren Führer ein überzeugter „Neutralist" war, geriet in eine Krise. Viele lateinamerikanische Regierungen konnten es nun wagen, die Beziehungen zu Kuba abzubrechen. Peru und wenig später Kolumbien drängten — im Einverständnis mit den Vereinigten Staaten — auf eine erneute Konferenz der OAS und auf die Verhängung von Sanktionen gegen Castro. Die Tatsache, daß die der Ermordung Trujillos folgende politische Krise San Domingos — zumindest vorläufig — eine demokratische und nicht eine castristische Lösung gefunden hatte, erleichterte den neuen Vorstoß gegen eine sich nun offiziell zum Kommunismus bekennende Diktatur. Die seit März 1961 verkündete „Allianz für den Fortschritt" — von der weiter unten noch die Rede sein wird — und die durch sie manifestierte Wendung der Lateinamerika-Politik der Vereinigten Staaten schienen einen günstigen Hintergrund für eine energische Attacke auf die kubanische Revolution abzugeben.

7. Die Konferenz von Punta del Este

Die Ministerkonferenz der OAS, die im Januar 1962 in Punta del Este stattfand — demselben Ort, „an dem man schon im August 1961 auf einer Konferenz dieser Organisation die ,Allianz für den Fortschritt'offiziell aus der Taufe gehoben hatte" —, war einberufen worden, um Maßnahmen gegen jenes Kuba zu beschließen, das sich nun offiziell zum „marxistisch-leninistischen Staat" erklärt hatte.

Der Antrag, die Konferenz einzuberufen und den Kampf gegen Kuba aufzunehmen, stammte von Kolumbien — aber hinter Kolumbien standen die Vereinigten Staaten. Ihr Ziel wurde von einem Leitartikel der „New York Times" folgendermaßen ausgedrückt: „Eine klare Verurteilung des kubanischen Kommunismus und der Beschluß, Sanktionen gegen das Castro-Regime zu verhängen, würden einen Sieg für die USA darstellen. Eine schwache Resolution, die von einer ernsten Spaltung der OAS begleitet wäre — wobei Brasilien, Argentinien, Chile und Mexiko es ablehnen würden, sich an der Verurteilung Kubas und an Sanktionen gegen Kuba zu beteiligen — wäre eine Niederlage für uns und ein Sieg für Havanna.“

Juan de Onis, Korrespondent desselben Blattes in Uruguay, schrieb:

„Ein Minimum von sechzehn oder siebzehn Stimmen wird als notwendig angesehen, um den Eindruck der Uneinigkeit zu vermeiden, der aus einer bloßen Zwei-Drittel-Mehrheit entstehen würde."

Die nordamerikanische Delegation mit Außenminister Rusk an der Spitze war unaufhörlich bemüht, die „schwankenden" lateinamerikanischen Staaten umzustimmen. Delegationen, die anscheinend nicht willens waren, einen „scharfen" Kurs gegenüber Kuba zu billigen, wurden unter Druck gesetzt. Nordamerikanische Kongreßmitglieder, die der US-Delegation angehörten, deuteten an, daß der nordamerikanische Kongreß jenen Staaten, die eine „neutrale" Position bezögen, möglicherweise jede finanzielle Hilfe verweigern würde.

Das Endresultat mußte die USA enttäuschen. Zwar erklärte die angenommene Resolution den „Marxismus-Leninismus" als unvereinbar mit den Prinzipien des inter-amerikanischen Systems; zwar stellte sie fest, daß „Kuba sich willentlich außerhalb des inter-amerikanischen Systems gestellt habe", und betonte, daß die Unvereinbarkeit des Marxismus-Leninismus mit den demokratischen Grundlagen der OAS „die gegenwärtige kubanische Regierung von der Zugehörigkeit zum inter-amerikanischen System ausschließt" — aber der letzte Punkt der Resolution stellte lediglich fest, daß „der Rat der OAS und die anderen Organe und Agenturen des inter-amerikanischen Systems ohne Aufschub die Maßnahmen ergreifen (sollen), die notwendig sind, um diese Resolution durchzuführen"

Kuba wurde also nicht „ausgeschlossen" — es war „aus eigenem Willen" ausgeschieden; die Maßnahmen gegen Kuba wurden nicht spezifiziert; Sanktionen wurden nicht beschlossen. Nur vierzehn Delegationen — genau die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit der Staaten — stimmten für die Resolution, während die « Vertreter von sechs Ländern (Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Ecuador und Mexiko), die zwei Drittel der lateinamerikanischen Bevölkerung umfassen, sich der Stimme enthielten. Auch die Regierungen dieser Länder verurteilten den „Marxismus-Leninismus"; sie wandten sich nur dagegen, alle Brücken zu Kuba abzubrechen, und erklärten, daß der Ausschluß eines amerikanischen Staates aus der OAS nicht in den Statuten dieser Organisation vorgesehen und daher illegal sei.

Hinter diesen juristischen Begründungen verbargen sich die wirklichen Motive: die Angst vor inneren Unruhen in ihren eigenen Ländern und vor jeder Maßnahme, die als „Intervention" gegen einen amerikanischen Schwesterstaat und als Nachgeben gegenüber dem Druck der „imperialistischen Yankees" gedeutet werden könnte.

Die Punta-del-Este-Konferenz trug sofort zu einer Verschärfung der politischen Konflikte bei. In zahlreichen lateinamerikanischen Städten fanden prokubanische Massendemonstrationen statt. Es kam zu Unruhen und zu Streiks, aber auch zu einem verstärkten Gegendruck der „Rechten". Innerhalb der Regierung von Uruguay kam es zu scharfen Auseinandersetzungen; die christlich-demokratische Partei Ecuadors schloß den Außenminister, der in Punta del Este „neutralistisch" aufgetreten war, aus ihren Reihen aus.

Unter dem Druck der eigenen Militärs war Frondizi genötigt, die diplomatischen Beziehungen Argentiniens zu Kuba abzubrechen. Bolivien und Ecuador befanden sich in einer wirtschaftlichen Situation, die es ihnen er-Schwerte, dem Drängen der Nordamerikaner auf die Dauer zu widerstehen. Auf einer Sitzung des Rats der OAS Mitte Februar 1962 stimmten so die Vertreter dieser drei Länder zusammen mit den Delegierten vierzehn anderer Staaten für den Ausschluß Kubas.

Es fragte sich nur, ob dieser „bescheidene Sieg" der USA kein Pyrrhussieg war. Der Abbruch diplomatischer und sogar wirtschaftlicher Beziehungen zwischen den lateinamerikanischen Staaten und Kuba konnte Castro nicht niederringen. Vielen erschienen solche Maßnahmen nur als Vorbereitung einer späteren direkten militärischen Invasion der revolutionären Insel, die sogar, falls sie zu einem schnellen Erfolg führte, den „Anti-Yanquismus“ in Lateinamerika ungemein verstärken würde. Aus alldem konnte Castro Nutzen ziehen: die Nordamerikaner würden für die Notlage des kubanischen Volkes verantwortlich gemacht und als Vorbereiter eines offenen Angriffs denunziert werden.

In Havanna aber tagte eine „Konferenz lateinamerikanischer Völker", die gegen den amerikanischen Imperialismus, dessen aggressive Absichten und gegen die Punta-del-Este-Konferenz einberufen worden war. Unter ihren Initiatoren befanden sich Cardenas aus Mexiko, Allende aus Chile und Juliao aus Brasilien. Am 4. Februar 1962 fand die „zweite Generalversammlung des kubanischen Volkes" in Havanna statt. Castro verlas eine zweite „Deklaration von Havanna", die diesmal eindeutig kommunistisch war, die lateinamerikanische Revolution für unvermeidlich erklärte und die Möglichkeit scharf in Abrede stellte, daß die soziale Krise des iberoamerikanischen Subkontinents ohne eine kommunistische Revolution und nur durch Reformen zu lösen sei

Damit wandte sich Castro gegen die grundlegende Wandlung der Lateinamerika-Politik der Vereinigten Staaten, die in der von Kennedy proklamierten „Allianz für den Fortschritt" ihren Ausdruck gefunden hatte.

II. Die USA zwischen Monroe und Moskau

1. Anlaß der Monroe-Doktrin

In den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts hatte Zar Alexander von Ruß-land einer „Russisch-Amerikanischen Gesellschaft" das Monopol für den Handel innerhalb bestimmter nordwestlicher Gebiete des nordamerikanischen Kontinents erteilt. Etwa gleichzeitig schien Spanien mit Hilfe der „Heiligen Allianz" seine ehemaligen Kolonien in Südamerika wiedererobern zu wollen.

Gegen beide Gefahren wandte sich Präsident Monroe in einer Botschaft vom Dezember des Jahres 1823.

Im ersten Teil dieses Dokuments heißt es, daß der amerikanische Erdteil von nun an nicht mehr als Objekt europäischer Kolonisation angesehen werden könne. An einer anderen Stelle wird darauf hingewiesen, daß die Vereinigten Staaten jeden Versuch europäischer Mächte, ihre Herrschaft auf die westliche Halbkugel auszudehnen, als eine Gefahr für ihre eigene Sicherheit betrachten würden. Monroe versicherte, seine Regierung habe nicht die Absicht, das Recht europäischer Staaten auf ihre noch bestehenden Kolonien zu bestreiten, wende sich aber gegen alle Absichten, die bereits unabhängig gewordenen Länder Lateinamerikas wiederzuerobern.

Solche Versuche stellten feindselige Akte gegenüber den Vereinigten Staaten dar.

Es handelte sich hier also nicht um eine einheitliche, prinzipielle Erklärung, sondern um zwei voneinander getrennte, gegen verschiedene Gefahren gerichtete Teile einer Botschaft, die zeitgebunden war und die von keinem anderen Staat als bindend anerkannt wurde. Es war eine durchaus einseitige Willenserklärung, die sich überdies gegen illusionäre Gefahren wandte: Rußland erklärte sich bald und ohne große Schwierigkeiten dazu bereit, seine Forderungen einzuschränken, und Spanien war schon deshalb nicht in der Lage, seine Wiedereroberungspläne durchzuführen, weil das meerbeherrschende England sich ihnen widersetzte.

„Es gibt keine Anzeichen dafür, daß Monroe sich auch nur im geringsten dessen be-wußt gewesen wäre, Maximen festzulegen, die für alle Zukunft oder auch nur für eine längere Zeitspanne die amerikanische Außenpolitik bestimmen sollten. Die Botschaft bezog sich auf eine konkrete Situation."

Neue Deutung der Monroe-Doktrin

Während der vierziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts begann sich der Landhunger nordamerikanischer Kolonisten bemerkbar zu machen. Eine territoriale Expansion begann, in deren Verlauf der Staat Texas — der sich schon vorher von Mexiko getrennt hatte — den Vereinigten Staaten einverleibt wurde. Nach einem siegreichen Krieg gegen Mexiko annektierten die USA große, bisher unter mexikanischer Souveränität stehende Gebiete. Einige europäische Mächte — vor allem Frankreich — standen dieser Ausdehnung des nordamerikanischen Machtbereichs feindlich gegenüber und bemühten sich, sie durch Anwendung diplomatischer Mittel zu verhindern. Demgegenüber erklärten die Vereinigten Staaten, daß es ihre „offenbare Bestimmung" („manifest destiny") sei, den ganzen nordamerikanischen Kontinent zu beherrschen. Die Worte Monroes wurden wieder hervorgeholt und zweckentsprechend „uminterpretiert". So entstand eine Monroe-Doktrin mit doppeltem Gesicht: die eigenen Hegemonieansprüche wurden mit einem bewußten Gegensatz zur „Alten Welt" und einer„isolationistischen" Einstellung gegenüber dieser „Alten Welt" verbunden. Diese letztere Tendenz, die die Hegemonie-ansprüche ergänzte, wurde in einer diplomatischen Note zum Ausdruck gebracht, die der nordamerikanische Botschafter Horatio J. Ferry im Juni 1861 der spanischen Regierung überreichte: Die Regierung der USA verlangte, daß die europäischen Mächte sich aller Einmischung in amerikanische Angelegenheiten enthielten — so wie sich die Nordamerikaner ihrerseits aller Einmischung in europäische Belange enthalten würden 1).

Die Monroe-Doktrin wurde so Ausdruck nordamerikanischer Herrschafts-und Ausdehnungsbestrebungen, lange bevor die Epoche des „modernen Imperialismus“ angebrochen war. Der Haß, den sie in lateinamerikanischen Kreisen erweckte — und bis heute erweckt —, zeigt sich in ihrer Interpretation durch einen zeitgenössischen Apostel des „Anti-Imperialismus", den ehemaligen Präsidenten Guatemalas, Arevalo. In seiner in typisch lateinamerikanischer, spanischer Prosa geschriebenen „Fabel vom Haifisch und den Sardinen", die 1961 in englischer Übersetzung in den Vereinigten Staaten erschien, heißt es: „ . Kein Haifisch von jenseits des Wassers hat das Recht, sich in das Leben der lateinamerikanischen Sardinen einzumischen, ohne daß sie alles akzeptieren, was ich, Haifisch diesseits des Atlantik, mit ihnen tun werde.'Und da Frankreich tat, als höre es nicht, schrie der amerikanische Hai-fisch in der Sprache eines banlieu (sic): , Ici c'est moi qui commande.'... Ich korrigiere. Die Monroe-Doktrin war weder ein Befehl noch eine Drohung. Sie war nichts anderes als ein biologischer Vorwand (sic). Um präziser zu sein, würde ich sagen, sie war der Ausbruch eines Halbwüchsigen."

3. Die Interventionspolitik

Zu Beginn der Epoche des „modernen Imperialismus", in den neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, erhielt die Monroe-Doktrin abermals ein neues Gesicht. Sie wurde zum Banner einer nordamerikanischen Macht-ausweitung über die Grenzen des nordamerikanischen Kontinents hinaus.

Anläßlich eines Konfliktes, der zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien um beider Einfluß in Venezuela ausgebrochen war, erklärte der damalige nordamerikanische Staatssekretär Richard Olney in einer an Lord Salisbury gerichteten Note aus dem Jahr 1895 nicht nur, daß „die amerikanischen Staaten des nördlichen und die des südlichen Subkontinents infolge ihrer geographischen Nähe, ihrer natürlichen Sympathien und der Ähnlichkeit ihrer Verfassungen Freunde und Bundesgenossen der Vereinigten Staaten seien", sondern auch, daß die Vereinigten Staaten praktisch die Souveränität über den Kontinent innehätten — eine Auffassung, gegen die die britische Regierung entschieden protestierte Staatssekretär Olney gab der Monroe-Doktrin auch insofern eine neue Interpretation, als er betonte, die USA hätten ein „lebenswichtiges Interesse" an dem Bestehen demokratischer Regierungen auf dem Kontinent und die Doktrin könne keinesfalls bedeuten, daß die Vereinigten Staaten irgendeine der lateinamerikanischen Republiken daran hindern würden, ihr Regierungssystem nach eigenem freien Willen umzugestalten. (Castrofreundliche Anwälte versuchten Anfang 1962, diese Erklärungen Olneys gegen die anti-kubanische Politik der USA zu verwerten

In erster Linie begannen die Vereinigten Staaten, ihre Herrschaft in Mittelamerika — vor allem im Karibischen Raum — zu sichern, wobei wirtschaftliche Interessen keinesfalls immer die Triebkraft imperialer Expansion darstellten Sie stießen hier auf europäische Konkurrenten. Zwischen westeuropäischen Kapitalisten und einigen lateinamerikanischen Regierungen war es bereits zu Konflikten gekommen, vor allem deshalb, weil manche der letzteren ihren durch Importaufträge entstandenen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkamen oder sich außerstande erwiesen, „Leben und Eigentum" der eingewanderten Ausländer zu sichern. Solche Konflikte mußten zum Eingreifen der europäischen Staaten führen, deren Bürger sich bedroht fühlten. Die Vereinigten Staaten, die um die Jahrhundertwende ihr Protektorat über Kuba errichtet, Puerto Rico annektiert und eine „selbständige" Republik Panama ins Leben gerufen hatten, um sich die Herrschaft über den Panamakanal zu sichern, konnten solche Einmischung außer-kontinentaler Großstaaten nicht dulden. Präsident Theodore Roosevelt erklärte daher 1904, daß die Vereinigten Staaten allein die Rolle eines Polizisten in Mittelamerika übernehmen müßten. Das war der Roosevelt-„Zusatz"

(„Corrollary“) zur Monroe-Doktrin, unter dessen Zeichen eine Periode ständiger Einmischung in die Angelegenheiten der lateinamerikanischen Staaten begann. Diplomatische, wirtschaftliche und militärische Mittel wurden angewandt, um die Ziele der USA zu erreichen.

Ihren Höhepunkt erreichte diese Politik unter Präsident Wilson, der — von moralischer Entrüstung über die lateinamerikanische Korruption und Gewalttätigkeit erfüllt — dazu überging, die südlichen Nachbarn unter Anwendung von Gewaltmethoden zur „Demokratie"

zu erziehen, wobei die Erziehungsobjekte die erzieherisch-zivilisatorischen Absichten freilich niemals für bare Münze nahmen. Diese „pädagogischen" Methoden konnten um so weniger die gewünschten Resultate zeitigen, als die tatsächliche amerikanische Außenpolitik ganz offensichtlich stark von Profitinteressen amerikanischer Kapitalgruppen abhing und gewöhnlich von Männern aus dem Anwaltsstand bestimmt wurde, die über allzu geringe Erfahrungen verfügten und deren „legalistische" Einstellung sie historischen Kräften gegenüber blind machte. Die Tendenz zum Moralisieren, die lange Zeit die amerikanische Außenpolitik bestimmte, ihre Verflechtung mit der „dollardiplomacy", ihre Neigung zu direkter militärischer Gewaltanwendung und die in den Köpfen der Nordamerikaner festverankerte Meinung, ihre eigene Gesellschaftsform sei die einzig vernünftige und habe als allgemeines Muster zu gelten, verstärkten den Haß Lateinamerikas gegen die „Yanquis" und ihre „Monroe-Doktrin". Zu den Machtfaktoren gesellten sich psychologisch-moralische, die bis heute wirken: „Unsere Konflikte mit den Lateinamerikanern", schreibt ein nordamerikanischer Professor, „sind nicht nur wirtschaftlicher oder politischer — sondern auch moralischer Natur. Wir behandeln sie als Minderwertige, was wir weder zu vermeiden noch zu verheimlichen vermögen."

4. Die „Good-Neighbour" -Epoche

Eine Wandlung der USA-Politik gegenüber Lateinamerika setzte erst zu Beginn der dreißiger Jahre unter der Präsidentschaft Hoovers ein. Franklin D. Roosevelt proklamierte dann eine „Politik des Guten Nachbarn". Haiti und San Domingo wurden geräumt, das „PlattAmendment" wurde aufgehoben. Auf der pan-amerikanischen Konferenz, die 1933 in Monte-video stattfand, bekannten sich die Vereinigten Staaten erstmalig und mit aller Deutlichkeit zum Prinzip der „Nicht-Intervention". 1936 wurde ein Zusatzprotokoll ratifiziert, dem zufolge alle amerikanischen Staaten „jede direkte oder indirekte Intervention eines von ihnen in die inneren oder äußeren Angelegenheiten eines jeden anderen" für unzulässig erklärten.

Ein lateinamerikanischer Autor erwähnte damals

„die tiefe Emotion, die unendliche Freude, mit der wir alle die Anerkennung des Nicht-Interventionsprinzips als Morgenröte einer neuen Epoche, als zweite Befreiung Amerikas begrüßten"

Ein nordamerikanischer Historiker aber schrieb:

„Die Vereinigten Staaten waren somit an die Nicht-Interventionsdoktrin in ihrer extremsten Form gebunden. Es trifft zu, daß eine gemeinsame Intervention immer noch möglich war, da die Unterzeichner lediglich die Intervention , eines jeden von ihnen'für unzulässig erklärt hatten. Es konnte auch Meinungsverschiedenheiten darüber geben, was eine Intervention darstelle oder was unter indirekter Intervention zu verstehen sei . . . aber jede derartige Streitfrage sollte durch ein Schlichtungsverfahren juristisch gelöst werden."

So hatte — zumindest auf dem Papier — die „heilige Kuh" der Lateinamerikaner, die absolute Nicht-Intervention, über die der Nord-amerikaner, die Monroe-Doktrin, einen Sieg errungen. Aber es war kein Sieg der Realitäten. Zwar erlaubte die Vereinbarung es jedem Staat, von nun an mißliebige Ausländer „diskriminatorisch" zu behandeln und ihr Eigentum zu nationalisieren — was kaum dazu angetan war, auswärtiges Kapital anzulocken —, und ermöglichte es, jeden „Rechtsstaat" abzuschaffen, mit beliebigen, auch außer-kontinentalen Mächten in enge Beziehungen zu treten und jeden Versuch auswärtiger Einflußnahme als „indirekte Intervention" abzutun. Sie konnte aber die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß der US-„Haifisch", um mit Arevalo zu sprechen, stärker war als die „Sardinen", daß diese weitgehendst von ihm abhingen und daß seine „nationalen Interessen" eine absolute Nicht-Intervention nicht immer würden zulassen können. Der Vertrag mußte auch allen Diktatoren zugute kommen, gegen deren Herrschaft sich ein auswärtiger Staat oder bestimmte Personengruppen innerhalb eines auswärtigen Staates, in Zukunft nicht mehr wenden konnten, ohne das Prinzip der „Nicht-Intervention" zu verletzen. Dieser Umstand wiederum gab zukünftig allen „Anti-Imperialisten" Gelegenheit, die „Yanquis" deswegen anzugreifen, weil sie Diktatoren duldeten bzw. unterstützten

Im Jahre 1938, als die Regierung der Vereinigten Staaten sich weigerte, die Reklamation englischer Petroleuminteressen in Mexiko, das gerade das Petroleum enteignet hatte, zu unterstützen, wurde der „Theodor-Rooseveltcorrollary" tatsächlich begraben

Es ist kaum verwunderlich, daß die meisten Lateinamerikaner bis heute die „Good-Neighbour" -Epoche Franklin D. Roosevelts in bester Erinnerung haben, obgleich auch Roosevelt sich durchaus nicht als absoluter Gegner von Diktatoren erwies Dieses fast einmütige Lob erklärt sich daraus, daß in der damaligen Periode auch die Kommunisten für ein enges Bündnis Lateinamerikas mit den Vereinigten Staaten eintraten.

5. Die Periode von 1945 bis 1958

Nach dem zweiten Weltkrieg verwandelte sich die lose „Panamerikanische Union" mit ihren Kongressen in eine regionale autonome Organisationen der Vereinten Nationen: die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) Ihre Grundlage bildete der 1947 schon vor ihrer offiziellen Gründung in Rio de Janeiro geschlossene „Interamerikanischer Vertrag gegenseitiger Unterstützung", der — zumindest „offiziell" — die Aufgabe des Schutzes der westlichen Hemisphäre von den Schultern der USA nahm und sie den einundzwanzig Mitgliedern der OAS übertrug. Die Präambel zu diesem Vertrag enthielt ein Bekenntnis zur „offenbaren Wahrheit" (manifest truth) des Grundsatzes, daß ein dauerhafter Friede auf der „Gerechtigkeit und moralischen Ordnung", der „Anerkennung und dem Schutz der Rechte und Freiheiten des Menschen" beruhe und eine Vorsorge für die Wohlfahrt der Völker und die Erhaltung der Demokratie voraussetze. Es war selbstverständlich, daß sich lateinamerikanische Oligarchien und Diktaturen auch weiterhin zu diesen großartigen Prinzipien bekannten.

In Bogota wurde 1948 die „Charta" der OAS beschlossen. In ihrem Artikel heißt es:

„Kein Staat und keine Gruppe von Staaten hat das Recht, sich, aus welchem Grund es auch immer sei, direkt oder indirekt in die Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen."

Das war ein neues Bekenntnis zur absoluten Nicht-Intervention. Diesmal wurde nicht nur jedem einzelnen amerikanischen Staat, sondern auch jeder Gruppe von Staaten jede Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Staates verboten. Das schloß auch jede Aktion zugunsten der „Demokratie" oder der Erhaltung der Menschenrechte aus. Eine Möglichkeit für Interventionen wurde jedoch ausdrücklich offengelassen: Im Artikel 19 der Charta wird erklärt:

„Maßnahmen zur Erhaltung des Friedens und der Sicherheit, gemäß bestehender Verträge, stellen keinen Bruch der im Artikel 15 enthaltenen Prinzipien dar."

Das aber bedeutete, daß die „absolute" Nicht-Intervention relativiert wurde: Etwaige beabsichtigte Interventionen waren nun lediglich anders zu begründen.

Die OAS war unter dem Zeichen des beginnenden „Kalten Krieges" geboren, und das war entscheidend. Im Artikel 6 des oben erwähnten Vertrages von Rio de Janeiro 15) wird festgelegt, daß gemeinsame Maßnahmen zum Schutze des Friedens nicht nur im Fall eines offenen, kriegerischen Angriffs auf eine der amerikanischen Republiken zu ergreifen seien, sondern auch dann, wenn die Unantastbarkeit, die Integrität, die Unabhängigkeit oder die Souveränität eines amerikanischen Staates von außen bedroht sei, ohne daß ein direkter, militärischer Angriff stattfände. Gemeint ist hier offenbar die Gefahr einer „kommunistischen Infiltration", die als Gefährdung des inter-amerikanischen Friedens aufgefaßt wird.

Eben diese Interpretation liegt auch der schon erwähnten Resolution von Caracas aus dem Jahre 1954 zugrunde: Das Eindringen des Kommunismus in Guatemala wurde als indirekter „Angriff" des Ostblocks und damit als Bedrohung nicht nur der Unabhängigkeit eines amerikanischen Staates, sondern als Gefahr für den interamerikanischen Frieden aufgefaßt

Der Mexikaner Gomez-Robledo sah in der Resolution von Caracas einen direkten Bruch des Prinzips der Nicht-Intervention und drückte damit die in Lateinamerika vorherrschende Meinung aus. Die von den USA geförderte und unterstützte Invasion des Obersten Castillo-Armas galt als Beweis für das Weiterbestehen des „Yankee" -Imperialismus, der im Interesse seiner Kapitalisten einerseits gegen „linke“ Regierungen intervenierte, deren volksfreundliche Maßnahmen die Interessen der Kapitalistengruppen gefährdeten, und andererseits Diktaturen stützte, die diesen Interessen genehm und darüber hinaus „antikommunistisch" waren. Lateinamerikanische Politiker und Autoren gingen so weit, zu erklären, daß „Diktaturen" darum existieren, weil es den Vereinigten Staaten genehm ist und ein Teil der „Liberalen" innerhalb der USA schienen ähnlicher Meinung zu sein.

Ab 1955 begannen die Preise der meisten lateinamerikanischen Exportprodukte zu sinken, und die wirtschaftliche Entwicklung stieß auf neue Schranken. Nach wie vor aber waren die Vereinigten Staaten stärker an Europa und Asien als an dem interessiert, was südlich des Rio Grande vor sich ging. Lateinamerika lag weit vom „russischen Schuß", war vor dem Kommunismus einigermaßen sicher und überdies der Hilfe weniger bedürftig als viele andere Gebiete. Nur ein kleiner Bruchteil der seit Ende des zweiten Weltkriegs von den USA zur Verfügung gestellten Hilfsleistungen — kaum 4 Prozent — gelangte nach Lateinamerika. Darüber hinaus wurden protektionistische Maßnahmen zugunsten nordamerikanischer Produzenten eingeführt, „über deren nachteilige Auswirkungen für Lateinamerika die USA-Regierung sich weniger Sorgen machte als über ähnliche Auswirkungen auf andere Teile der Welt“ Lateinamerika wurde auch sonst vernachlässigt: Die besten der im diplomatischen Dienst stehenden Kräfte wurden in Europa und Asien eingesetzt, die besten Köpfe der Universitäten widmeten sich asiatischen und europäischen Problemen. Man nahm die Lateinamerikaner nicht ernst, man verstand sie nicht und wußte kaum, was in den Völkern vorging. Es bedurfte erst der „Anti-Yankee" -Massendemonstrationen, die Vizepräsident Nixon 1958 anläßlich seines Besuches in Lateinamerika entgegenschlugen, um die USA aus ihrer Selbstzufriedenheit und Ungewißheit zu reißen . . .

Dann kam Castros Sieg, der eine gänzliche Umorientierung der Lateinamerika-Politik der USA auf die Tagesordnung setzte und zugleich die Schwierigkeit einer solchen Umorientierung deutlich machte.

6. Grundlagen der amerikanischen Außenpolitik

Wie in jeder demokratisch-pluralistischen Gesellschaft ergeben sich die jeweils vorherrschenden außenpolitischen Auffassungen auch in den Vereinigten Staaten aus der Wechselwirkung zahlreicher, oft gegeneinander wirkender Kräfte. Einmal festgelegt, geht die „Generallinie" dann durch das Filter der verfassungsmäßigen, mit ihrer Durchführung betrauten Institutionen und wird schließlich durch die Tätigkeit konkreter Menschen verwirklicht, die den verschiedensten, oft miteinander konkurrierenden Apparaten angehören. Jede Vereinfachung dieses ungemein komplizierten Prozesses verfälscht die Wirklichkeit.

Der Präsident handelt auf Grund der Empfehlungen seiner Ratgeber, die nicht nur oft schlecht informiert, sondern auch Pressionen aller Art ausgesetzt sind und überdies befürchten müssen, öffentlich kritisiert und vor einem Untersuchungsausschuß des Kongresses unpatriotischer Motive bezichtigt zu werden.

Die Mitglieder des Kongresses verfügen auf dem Gebiet der Außenpolitik zumeist über unzureichende Kenntnisse und stehen unter dem Druck zahlreicher Interessentengruppen, von deren Gunst ihre Wiederwahl zum Parlament abhängt. Innerhalb der Exekutivgewalt finden häufig Kämpfe zwischen den verschiedenen Apparaten statt: das State Department, die militärischen Instanzen des „Pentagon" und die Central Intelligence Agency arbeiten ebensooft mit -— wie gegeneinander.

Da die Regierungsbeamten schlechter bezahlt werden als ihnen vergleichbare Angestellte in der Privatwirtschaft und sich in ihrer Funktion keines besonderen Prestiges erfreuen, das diese Minderbezahlung wettmachen könnte, läßt ihre Qualität oft zu wünschen übrig. Viele Botschafterposten werden gänzlich unabhängig von der etwaigen Qualifikation des jeweiligen Aspiranten vergeben, und das diplomatische Personal der Vereinigten Staaten im Ausland kommt dort zumeist nur mit „regierungsfreundlichen" Kreisen und Angehörigen der Oberschicht in Kontakt.

Unter den „pressure-groups“, die auf die Außenpolitik einwirken, befinden sich natürlich auch Vertreter des Großkapitals. Diese treten aber durchaus nicht immer und ausschließlich für die Belange kleiner „ausbeuterischer Minderheiten" ein, denn gerade die großen „Trusts" und Wirtschaftsvereinigungen handeln auch im Namen von Millionen von Aktionären und Millionen von Arbeitern und Angestellten. Die „Kapitalisten" bilden auch keine einheitliche Kraft: die amerikanischen Zuckerproduzenten in Kuba zum Beispiel standen den amerikanischen Zuckerproduzenten in den Vereinigten Staaten selbst als Konkurrenten gegenüber. Die verschiedenen „großkapitalistischen" Gruppen bekämpfen sich einander häufig, wobei es zumeist um innerwirtschaftliche Fragen geht, deren außenpolitische Konsequenzen kaum beachtet werden.

Neben den „Monopolen", die von der antiimperialistischen Propaganda meist unter der durchaus unzutreffenden Kollektivbezeichnung „Wallstreet" zusammengefaßt werden, stehen noch zahlreiche andere Kräfte: Gruppen von großen und kleinen Landwirten, die auf Protektionsmaßnahmen bedacht sind; Gewerkschaften, die zum Beispiel gegen den Zustrom billiger Arbeitskräfte protestieren, und die Presse, die häufig eine unabhängige Rolle spielt.

Aus all diesen Gründen kann die nordamerikanische Außenpolitik nie so eindeutig und zielbewußt sein wie etwa die einer totalitären Macht. In bezug auf manche Länder und Territorien mag sie zeitweise sogar jeder Folgerichtigkeit entbehren und unter dem Druck verschiedener Einflüsse hin-und herschwanken. Zwei nordamerikanischen Autoren zufolge galt dies gerade für die Lateinamerika-Politik der USA seit dem zweiten Weltkrieg: „Die Widersprüche unserer Lateinamerika-Politik scheinen sich daraus zu erklären, daß angesichts des Fehlens einer gesamtpolitischen Linie in bezug auf diesen Erdteil die State-Department-und anderen Beamten, denen unsere Interessen anvertraut waren, sich unendlich verschiedenartigen Pressionen ausgesetzt sahen und in jeder Situation dem jeweils stärksten Druck nachgaben."

Trotz aller mangelnden Eindeutigkeit hat die Außenpolitik der USA bisher jedoch auf zwei Tragpfeilern geruht, die ihre Grundlinie bestimmen: dem Eintreten für den „Kapitalismus" und dem Kampf gegen den Kommunismus. Der Schutz der Interessen amerikanischer Geschäftsleute und Investoren sowie die Aufrechterhaltung wirtschaftlich-sozialer und politischer Bedingungen, die dieser Schutz mit einschließt, mußten den amerikanischen Politikern und Diplomaten weit wichtiger erscheinen als das Bestehen bzw. die Aufrechterhaltung irgendwelcher demokratischer Regierungsformen in den Ländern Lateinamerikas. Gerade deshalb pflegten die in diesen Ländern ansässigen und an Profiten interessierten Nord-amerikaner Diktatoren eine gewisse Sympathie entgegenzubringen, weil diese gewöhnlich besser als demokratische Regierungen für „Ruhe und Ordnung" sorgten. Sofern und soweit diese Diktatoren gleichzeitig gegen den Kommunismus auftraten, mußten auch die nordamerikanischen Politiker sie als Bundesgenossen ansehen.

So ist es kein Wunder, daß die „Yanquis" unpopulär wurden:

Als Verfechter der „freien Wirtschaft" geraten sie mit denjenigen in Konflikt, die in einer staatlich gelenkten Planwirtschaft den einzigen Ausweg aus der Unterentwicklung sehen.

Als „Freunde der Diktatoren" erscheinen sie als scheinheilige Propagandisten einer angeblich „freien Welt" und erregen den Haß aller Demokraten.

Als Exporteure ihrer eigenen Produkte werden sie zu Konkurrenten der einheimischen Indu-striellen Lateinamerikas und zu Widersachern der Industrialisierung des Subkontinents.

Als Investoren von Kapital tragen sie zur Überfremdung der lateinamerikanischen Wirtschaften bei und erzielen hohe Profite.

Als Protektoren ihrer eigenen Produzenten erwecken sie die Opposition aller Lateinamerikaner, die am Absatz ihrer Produkte auf dem nordamerikanischen Markt interessiert sind.

Als Protagonisten des „Kapitalismus" werden sie zur Zielscheibe aller emotionellen Gegner dieses Systems.

Als reiche und von ihrem eigenen Wert überzeugte Vertreter einer entwickelten Industriegesellschaft lösen sie Ressentiments und Minderwertigkeitsgefühle aus, die sich in Haß umsetzen.

7. Die Allianz für den Fortschritt

Die „qualvolle Umstellung" (agonizing reappraisal) der Lateinamerika-Politik der Vereinigten Staaten, die bereits unter Präsident Eisenhower begann, zeigte sich in den Hilfsangeboten auf der Konferenz von Bogota (1960), führte zur Gründung einer „Interamerikanischen Bank" und fand ihren endgültigen Ausdruck in der „Allianz für den Fortschritt", die im März 1961 von Präsident Kennedy proklamiert wurde. Diese Politik hatte ein Ziel — den Castrismus zu besiegen, seine Ausweitung auf andere Länder zu verhindern und eventuelle Revolutionen nach dem Muster der kubanischen in anderen Ländern unmöglich zu machen; sie verlief aber auf zwei parallelen Geleisen — dem des. direkten Kampfes gegen die kubanische Revolution und dem der Durchführung von tiefgehenden sozialen Reformen, die der Revolution den Wind aus den Segeln nehmen sollten. Der Parallelismus war offensichtlich — vielleicht allzu offensichtlich. Neben den Hilfsversprechungen in Bogota standen die Kürzung der kubanischen Zuckerquote und die Verdammung Castros auf der Konferenz der Außenminister in San Jose; auf die Proklamierung der „Allianz für den Fortschritt" folgte die Invasion Kubas im April 1961; in Punta del Este, Uruguay, wurde im August 1961 die „Allianz für den Fortschritt" beschlossen, und im Januar 1962 fand am selben Ort die Ministerkonferenz statt, die Kubas Kommunismus für unvereinbar mit den Prinzipien des interamerikanischen Systems erklärte.

Die Gefahr kommunistischer Revolutionen er-wuchs aus der Not der Massen; sie könne nur durch die Hebung des Lebensstandards beseitigt werden; die Erhöhung des Lebensstandards setze eine Wirtschaftsentwicklung voraus, die sich auf ausgearbeitete, umfassende Pläne stützen müsse; sie sei unmöglich ohne tiefe soziale Reformen — aufgrund dieser Erkenntnisse gaben die Vereinigten Staaten nicht nur das Prinzip der „freien Wirtschaft" preis, sie drängten auch auf gesellschaftliche Veränderungen, die den unmittelbaren Interessen der Oligarchien zuwiderliefen. Sie waren bereit, eine Hilfe zu leisten, die nicht in erster Linie an Profiten orientiert war, aber sie wollten diese Unterstützung nur als Zusatz zur „Selbsthilfe" der einzelnen Länder gewähren; nur denjenigen sollte sie zugute kommen, die unter Beweis stellten, daß sie es mit der wirtschaftlichen Entwicklung und den sozialen Reformen ernst meinten.

In der Botschaft, die Präsident Kennedy an die Konferenz von Punta del Este sandte, heißt es: „Selbsthilfe bedeutet für die Entwicklungsländer sorgfältige nationale Planung; methodische Zielsetzung, Bestimmung der Prioritäten und Aufstellung umfassender Programme. Sie bedeutet ausgedehnte Exportmärkte, stärkere wirtschaftliche Integration innerhalb Lateinamerikas und größere Marktstabilität für die hauptsächlichsten Produkte. Sie bedeutet Einsatz eines erheblich gesteigerten Prozentsatzes der nationalen Ressourcen und des nationalen Kapitals für Entwicklungszwecke, und sie bedeutet uneingeschränkte Anerkennung des Rechtes des ganzen Volkes, am allgemeinen Fortschritt voll teilzuhaben."

Kennedy erwähnte besonders die Notwendigkeit einer Agrarreform, einer Reform des Steuer-und Erziehungswesens und die Dringlichkeit einer Besserung der Gesundheits-und Wohnverhältnisse. Die Realisierung des Fortschritts setzte die aktive Teilnahme der Volks-massen, der Arbeiter, der Bauern, der Geschäftsleute, der Intellektuellen und der Jugend, voraus. Die USA stellten eine öffentliche Hilfe von jährlich einer Milliarde Dollar in Aussicht, die zum großen Teil in langfristigen, niedrig verzinsten oder auch zinslosen Anleihen erfolgen und durch private Investitionen ergänzt werden sollte, die ebenfalls auf etwa eine Milliarde im Jahr geschätzt wurden.

Der amerikanische Staatssekretär Dillon führte aus, daß bei einer solchen zusätzlichen Hilfe von außen und unter der Vorausetzung entsprechender einheimischer Kapitalinvestitionen ein jährliches Durchschnittwachstum des lateinamerikanischen Nationaleinkommens um mindestens 2, 5 Prozent pro Kopf der Bevölkerung erreicht werden könne.

In der Charta von Punta del Este wird erklärt, „die Allianz ist auf dem Grundprinzip errichtet, daß freie Menschen, die durch die Institutionen der repräsentativen Demokratie handeln, die Hoffnungen und Erwartungen des einzelnen am besten befriedigen können“.

Als Ziele der „Allianz" werden aufgezählt:

1) Die Stärkung der demokratischen Institutionen. 2) Eine beschleunigte wirtschaftliche und soziale Entwicklung mit einem ständigen und beträchtlichen Steigen des Durchschnittseinkommens der Bürger—, die dazu führen soll, den Unterschied zwischen dem Lebensstandard der Lateinamerikaner und dem der Bürger entwikkelter Länder zu verringern.

3) Die Durchführung von Wohnbauprogrammen in Stadt und Land.

4) Die Inangriffnahme einer umfassenden Agrarreform, die die ungerechte Landverteilung beseitigen und sowohl Latifundien wie Minifundien durch eine produktivere Organisation der Landwirtschaft ersetzen wird.

5) Die Beseitigung des Analphabetentums. 6) Die planmäßige Besserung der hygienischen und sanitären Verhältnisse.

7) Steuerreformen, die auf eine gerechtere Verteilung des Volkseinkommens und eine Förderung des Sparens und Investierens gerichtet sind.

8) Eine gesunde Finanzpolitik, die die Preise stabilisiert und die Entwicklung ermöglicht.

9) Die Förderung des privaten Unternehmertums. 10) Die Stabilisierung der Preise für lateinamerikanische Exportprodukte.

11) Die Beschleunigung der wirtschaftlichen Integration Lateinamerikas im Verlaufe des nächsten Jahrzehnts.

Die Vereinigten Staaten verpflichteten sich, einen großen Teil der Mindestsumme von zwanzig Milliarden Dollar vor allem in Form langfristiger Anleihen und auch als technische Hilfe zur Verfügung zu stellen, während „die lateinamerikanischen Staaten sich bereit erklären, einen ständig wachsenden Anteil ihrer eigenen Ressourcen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung auf-zuwenden und die notwendigen Reformen durchzuführen, damit sichergestellt wird, daß alle in den vollen Genuß der Ergebnisse der Allianz für den Fortschritt gelangen“. Schließlich wurde jedem Land die Pflicht auferlegt, ein umfassendes und zweckentsprechendes Programm aufzustellen

III. Diktatur oder Demokratie ?

1. Aus den wirtschaftlichen und technischen Kräften der Gegenwart erwächst die Tendenz zur Vereinheitlichung der Welt, zur Verwandlung jedes einzelnen Territoriums in ein abhängiges Glied des Ganzen. Im Widerspruch dazu führen Ideologie und Politik zur Spaltung der Menschheit in eine wachsende Zahl formell unabhängiger Nationen und ihrer Polarisierung in zwei einander gegenüberstehende Macht-blöcke.

So entgegengesetzt die Vereinheitlichungsund Polarisierungstendenz einander auch sein mögen — beide tragen zum Schwinden der Unabhängigkeit der verschiedenen Staaten bei. Begriffe wie Unabhängigkeit und Souveränität, die ihrem Sinne nach absolut sind, werden relativiert.

Falls sie wirtschaftliche Katastrophen vermeiden wollen, müssen die unterentwickelten und machtpolitisch schwachen Staaten Lateinamerikas an einer mehr oder weniger engen Zusammenarbeit mit der nördlichen Großmacht interessiert sein. Die USA können ihrerseits keine Isolationspolitik gegenüber ihren südlichen Nachbarn treiben. Eine solche Politik würde den lateinamerikanischen Subkontinent in ein machtpolitisches Vakuum verwandeln, das vom Einfluß des Ostblocks ausgefüllt werden würde.

Daraus ergibt sich die Problematik der „NichtInterventions" -Politik. Das Prinzip der „absoluten" Nicht-Intervention ist unrealistisch. Es wird aber auch logisch sinnlos, wenn es im Hinblick auf Diktaturen angewandt wird, weil es mit dem Prinzip des „Selbstbestimmungsrechts" der Völker aufs engste verbunden ist, auf diesem Grundprinzip beruht und aus ihm seine moralische Kraft zieht. Nur weil und insofern das Recht eines Volkes postuliert wird, über sein eigenes Leben „frei" zu entscheiden, erscheint eine Intervention von außen als moralisch und juristisch verdammenswert.

Das „Selbstbestimmungsrecht" ist nicht nur einer der grundlegenden Werte der Demokratie — es kann auch ohne demokratische Institutionen gar nicht bestehen. Man mag den Begriff des „Selbstbestimmungsrechts" unklar finden, man mag die repräsentative Demokratie als unzulänglich kritisieren, bezweifeln, ob und inwieweit sie in den einzelnen Ländern überhaupt verwirklicht werden kann, oder auch behaupten, daß sie nur die „Klassenherrschaft" von Minderheiten maskiere. Das alles ist im Zusammenhang mit unserem Problem belanglos. Denn die fundamentale Tatsache besteht darin, daß dort, wo es keine „freie" Meinungsäußerung, keine legale Opposition, keine Entscheidung zwischen Alternativen, keine freien Wahlen gibt, auch keine Möglichkeit vorhanden ist, den Willen der Bürger festzustellen. Totalitäre Diktaturen entleeren den Begriff des Selbstbestimmungsrechts allen empirischen Inhalts, verwandeln ihn in methaphysische Phrase, indem sie herrschende und legal nicht absetzbare Minderheiten zu alleinigen Interpreten eines angeblichen „Generalwillens" ernennen. Die „Selbstbestimmung" hört auf, empirisch nachprüfbar zu sein, hört auf zu bestehen — und damit bricht automatisch der Anspruch auf „Nicht-Intervention" zusammen.

Die meisten Lateinamerikaner — und ihre Regierungen — wollen das nicht wahrhaben, und die USA können nicht darauf hinweisen, weil Emotionen stärker sind als die Ratio, weil die Träume verstorbener Geschlechter das Denken der Lebenden belasten und weil Politik nicht mit Logik identisch ist. Das Prinzip der Nicht-Intervention bleibt unangetastet, weil es den nationalistischen und anti-imperialistischen Gefühlen entspricht. In Wahrheit aber besteht die Frage nicht darin, ob sich die USA als stärkste Macht, von der die anderen Mächte abhängen, in deren innere Angelegenheiten einmischen sollen, sondern nur darum, wie, wie weit und mit welchem Ziel sie es tun, und welche Methoden sie dabei anwenden. Vom Standpunkt der lateinamerikanischen Völker aus wird eine Intervention zu begrüßen oder zu verurteilen sein — je nachdem, ob sie den grundlegenden Interessen dieser Völker entspricht oder ihnen widerspricht. Vom Standpunkt der USA aus müßte jede Einmischung vermieden werden, die als Erpressung wirkt oder als imperialistischer Angriff auf einen lateinamerikanischen Staat aufgefaßt werden kann. So ist es fraglich, ob die gegen Castro gerichtete Politik diesem nicht mehr nützt als schadet und das für die Durchführung der „Allianz für den Fortschritt" erforderliche Vertrauen in Lateinamerika untergräbt.

Die „Allianz für den Fortschritt" stellt eine „indirekte" Intervention der Vereinigten Staaten in die „inneren Angelegenheiten" der lateinamerikanischen Länder dar. Die USA setzen lateinamerikanische Staatsmänner unter Druck, sie stellen Bedingungen, sie erheben Forderungen. Die „Dollar-Diplomacy" ist wieder zum Leben erwacht, aber ihre Neuartigkeit besteht darin, daß die USA auf die Durchführung struktureller Reformen drängen, die, zusammengenommen, auf eine soziale Revolution hinauslaufen. Enge Berater des Präsidenten Kennedy erklärten offen, daß es sich bei der „Allianz für den Fortschritt" um ein Wettrennen zwischen einer von ihnen unterstützten sozialdemokratischen und einer von Rußland geförderten kommunistischen Revolution handle und Adlai Stevenson sagte in einer Rede: „Wir haben eingesehen ..., daß in einigen Fällen politische Stabilität und wirtschaftliches Wachstum eine soziale Revolution voraussetzen. * 2. Die „Allianz für den Fortschritt" basiert auf der Vorstellung, daß kommunistische Revolutionen aus dem mehr oder weniger klaren Willen der Volksmassen hervorgehen, der sich aus dem Elend dieser Massen ergibt. Diese Auffassung kann in Frage gestellt werden. Kuba gehörte zu den am höchsten entwickelten Ländern Lateinamerikas, und die soziale Revolution entsprang nicht dem Massenwillen. Es gibt, wie immer wieder wiederholt werden muß, keine eindeutige Korrelation zwischen Armut und Kommunismus, und die kommunistischen Parteien hatten und haben in vielen Ländern gerade unter den gutbezahlten Arbeitern und in den am weitesten entwickelten Landesteilen ihren größten Anhang.

Die „Charta" der Allianz betont, daß die sozialen Reformen sich im Rahmen der repräsentativen Demokratie vollziehen sollen. Aber nur wenige Länder Lateinamerikas verfügen über die Voraussetzungen für eine funktionierende, festverankerte politische Struktur dieses Typs. Zudem ist fraglich, wieweit die repräsentative Demokratie des „Westens" als Muster für alle Länder gelten kann, und ob ihr Funktionieren mit der stetigen und schnellen Entfaltung der Wirtschaft unterentwickelter Länder vereinbar ist.

Die vorgesehenen Reformen sind im Interesse der Entwicklung geboten — aber selbst ihre erfolgreiche Durchführung muß nicht unbedingt — zumindest nicht in der Periode des Beginns — zu einer größeren politischen Stabilität und zum Abflauen revolutionärer Gefahren beitragen. Konservative Kräfte werden sich vielen Reformen mit aller Macht widersetzen, während den Massen, die auf eine schnelle Verbesserung ihrer Lage hoffen, das Tempo der Umwandlung möglicherweise zu langsam erscheint. Nicht stagnierende Gesellschaften sind für kommunistische Revolutionen besonders anfällig, sondern solche, die sich in widerspruchsvoller und als allzu langsam empfundener Weise entwickeln. Die vorgesehene Steigerung des Einkommens pro Kopf der Bevölkerung um jährlich 2, 5 Prozent ist kaum geeignet, den „Abstand" zwischen Lateinamerika und den entwickelten Ländern zu verringern, die Volksmassen zufriedenzustellen und sie gegen den Castrismus immun zu machen — um so weniger, als sie sich dessen bewußt sind, daß sie die neue Reform-politik dem Druck eben des Castrismus verdanken. Es ist zweifellos richtig, daß jedes Land sich in erster Linie auf seine eigenen Kräfte verlassen muß und auswärtige Finanzhilfe nur einen Zusatz (Supplement) zu dem aus eigenen Mitteln im Lande investierten Kapital darstellen kann. Während der fünfziger Jahre waren tatsächlich nur etwa 15 Prozent aller in Lateinamerika investierten Kapitalien aus dem Ausland gekommen Aber ein Zuschuß von außen kann entscheidend sein. Die vorgesehene Gesamtsumme von 20 Milliarden Dollar in zehn Jahren erscheint vielen als unzulässig und wird auch von nordamerikanischer Seite, wie schon erwähnt, als Minimum angesehen. Es ist aber fraglich, ob dieses Minimum überhaupt erreicht werden wird.

Das Privatkapital hat in Lateinamerika Erfahrungen gemacht, die kaum dazu angetan sind, es zu neuen, beträchtlichen Investitionen in diesem Teil der Welt zu reizen. Was die öffentlichen, aus den USA stammenden Mittel betrifft, so ist es zweifelhaft, ob der Kongreß sich bereit finden wird, beträchtliche Summen auf lange Sicht zu bewilligen und damit auf seine traditionellen Rechte und ein Druckmittel auf die Exekutive zu verzichten. Es ist auch keineswegs sicher, daß die Mitglieder des Kongresses — und die nordamerikanischen Steuerzahler — immer gewillt sein werden, Gelder aufzubringen und zu bewilligen, die Staaten zugute kommen, deren Entwicklung bestenfalls auf vorübergehende Schwierigkeiten stoßen wird und deren Regierungen, schon um ihre eigene Unabhängigkeit zu beweisen, oft eine Politik betreiben werden, die den Nordamerikanern unangenehm sein dürfte.

Die Mehrheit der nordamerikanischen Politiker darf keinesfalls mit der Kennedyschen Exekutive identifiziert werden. Senatoren und Deputierte des Unterhauses werden weit mehr von den unmittelbaren Interessen ihrer Wähler und deren der „pressure-groups" beeinflußt als von langfristigen, weltpolitischen Erwägungen. Nichts wäre für die Regierung gefährlicher, als einer „Appeasement" -Politik verdächtigt und wegen allzu großer Nachgiebigkeit gegenüber dem Kommunismus angegriffen zu werden — wobei der Begriff „Kommunismus" erfahrungsgemäß sehr weit gefaßt werden kann. Um die „Allianz für den Fortschritt" aufrechterhalten zu können, wird die Exekutive manchmal dazu gezwungen sein, demonstrativ „antikommunistische“ Maßnahmen zu treffen, die ihre Allianz-Politik gefährden können. Es darf auch nicht vergessen werden, daß die Mehrheit der nordamerikanischen Politiker eher „konservativ" als „liberal" ist und tiefgehende soziale Reformen als „sozialistisch" verdächtigt. * Damit kommen wir zu der größten Schwierigkeit — zu dem doppelten Paradox, aut dem die „Allianz für den Fortschritt" beruht: Ein Staat, dessen Politiker in ihrer Mehrheit nach wie vor auf die Erhaltung der „freien Wirtschaft" eingeschworen sind, schlägt den Oligarchien Lateinamerikas vor, eine „sozialdemokratische" Revolution durchzuführen, und damit, aus Angst vor dem Tod, Selbstmord zu begehen.

Es kann in der Tat kaum ein Zweifel daran bestehen, daß große Teile, vielleicht die Mehrheit, der lateinamerikanischen Ober-schichten keineswegs bereit sind, freiwillig auf ihre langgewohnten Privilegien zu verzichten und auch kaum in der Lage sein dürften, sich von heute auf morgen in moderne „Entrepreneurs" zu verwandeln. Ihr Widerstand ist bereits jetzt allerorten spürbar. Am 25. Januar 1961 hielt Theodore Moscoso, einer der leitenden, mit der Durchführung der „Allianz" beauftragten nordamerikanischen Beamten, eine Rede, in der er ausführte, daß die lateinamerikanischen Oberschichten und Regierungen die Notwendigkeit der vorgesehenen Reformen immer noch nicht begriffen hätten. Der Korrespondent der „New York Times" bemerkte dazu, daß „Moscosos Ausführungen in bezug auf die Zukunft der im August des vergangenen Jahres beschlossenen . Allianz für den Fortschritt’ pessimistischer waren als alles, was man bis dahin darüber gehört hatte."

Gewiß sind diese Schichten — und auch große Teile der heutigen lateinamerikanischen Armeen — an der Erhaltung der „repräsentativen Demokratie", in ihrer lateinamerikanischen Form, interessiert, aber vor allem darum, weil und insofern sie es ihnen gestattet, ihre Privilegien aufrechtzuerhalten. An der „Allianz für den Fortschritt* sehen sie eine Möglichkeit, sich zu bereichern, und ein Kampfmittel gegen den Kommunismus. Wenn die städtischen Massen ihrer Länder unzufrieden werden, sind sie allenfalls bereit, ihren unmittelbaren ökonomischen Forderungen nachzugeben und eventuell auch eine Inflation in Kauf zu nehmen — werden dann aber die Vereinigten Staaten wegen ihrer Forderung einer „gesunden Finanzwirtschaft" heftig angreifen.

3. Im Jahre 1956 schrieb Z. Brzezinski:

„Verglichen mit den demokratischen Ländern, erfreuen sich die nicht-demokratischen Kräfte in der gegenwärtigen Epoche eines Vorteils, da sie ihre politische Struktur nach den neu befreiten Ländern exportieren können — nicht nur durch erfolgreiche Verschwörungen, sondern auf Grund der Dynamik der Lage, die aus den wirtschaftlichen und politischen Aspirationen dieser Völker erwächst. Infolgedessen ist es wahrscheinlich, daß das politische und soziale System des Totalitarismus sich über immer größere Teile der Menschheit verbreitet. Wenn das geschieht, wird es diesen neuen totalitären Systemen sehr schwer fallen, das kommunistische Modell zu umgehen, und sie werden nach der Sowjetunion hin gravitieren."

Diese Worte sind im Hinblick auf „neue" Länder geschrieben, die meist weniger entwickelt sind als die Lateinamerikas. Doch scheinen gerade in den „mittleren" Ländern die objektiven und subjektiven Voraussetzungen für eine kommunistische Revolution günstiger zu sein als in den unentwickelten oder den hochentwickelten Territorien. Und die Kommunisten sind davon überzeugt, daß unter ihrem System der wirtschaftliche Fortschritt weit schneller erfolgen muß als unter der „repräsentativen Demokratie" des „Kapitalismus".

In den meisten Ländern Iberoamerikas sind Wirtschaft und Technik höher entwickelt als sie es in Rußland oder gar in China waren, und eine rationellere Verwendung der mangelhaft genutzten, schon vorhandenen Produktionsfaktoren müßte die sozialistische Umwandlung erleichtern. In vielen Territorien des Subkontinents ist das Sozialrevolutionäre Gefühl und Bewußtsein tiefer und weiter verbreitet, als es in Kuba der Fall war. Die Massen sind von größerer Ungeduld erfüllt als zum Beispiel in Afrika und geraten allerorten in Bewegung. Die Kommunisten sind, seit Castro sich mit ihnen identifiziert hat, stärker geworden und können auf Bundesgenossen aus dem ganzen „anti-imperialistischen" Lager rechnen. Viele der „sozialistischen" Parteien Lateinamerikas gleichen eher den Sozialisten Japans oder dem linken Flügel der Nenni-Sozialisten Italiens als den reformistischen Sozialdemokraten des Westens. Der Chilene Allende und der Brasilianer Juliao haben keine Einwände gegen die offiziellen „Marxisten-Leninisten" — es sei denn, diese erschienen ihnen allzu gemäßigt. Der uruguayische Sozialistenführer Vivian Trias wandte sich in einem 1961 veröffentlichten Buch gegen die „Allianz für den Fortschritt", „deren Ziel nicht darin besteht, die Rückständigkeit zu überwinden, sondern sie zu vertiefen" und die „eine falsche Alternative, einen unannehmbaren Ersatz für jenen Weg darstellt, den Castro beschritten hat" Der Imperialismus sei von Lenin richtig analysiert worden und solange er bestehe, könne er auf die Ausbeutung der Kolonien nicht verzichten

Die „christlich-demokratischen" oder „christlich-sozialen" Bewegungen Lateinamerikas kämpfen zwar gegen den Kommunismus, aber zugleich und vor allem auch gegen die „Oligarchien". Sie sind, wie ein europäischer Beobachter zutreffend feststellt, „wesentlich linker" als ähnliche Gruppen in Europa

Die kommunistische Revolution würde sich auf die Massen stützen, aus ihrem Kampf hervorgehen. Sie würde die Oligarchien entwurzeln und ihren Reichtum konfiszieren, die parasitären Armeen auflösen und den korrupten Staatsapparat zerschlagen, die Großgrundbesitzer vertreiben und den Bauern und Landarbeitern Grund und Boden versprechen, den jungen Intellektuellen einen neuen Glauben und den Zutritt zu leitenden Posten der revolutionären Gewalt verschaffen, das Bildungsmonopol der Besitzenden brechen, das Erziehungswesen modernisieren und die antiimperialistischen Emotionen befriedigen. Sie würde die kapitalistische „Anarchie der Produktion" durch eine Planwirtschaft ersetzen und sich eng an den Ostblock anschließen. Sie würde die Völker mobilisieren und indoktrinieren, um sie mit einer vereinfachten, religions-ähnlichen und alle Fragen beantwortenden Ideologie zu erfüllen, und in ihnen gleichzeitig den Willen zur Arbeit für einen schnellen Fortschritt zu wecken. Der Wille zur schnellen Entwicklung und die Begeisterung für den Fortschritt sind sicher unter den radikalen Intellektuellen weit stärker verbreitet als unter den lateinamerikanischen bürgerlichen Wirtschaftsführern, Politikern und „realistischen" Ökonomen; aber die Verwirklichung des schnellen Fortschritts hängt oft ebensosehr vom Willen der Führung und ihrer „utopischen" Rücksichtslosigkeit ab, wie von einer effektiven Mobilisierung der Massen. „Die Leidenschaft der Politiker ist wichtiger als Ersparnisse, als ausländische Hilfe und auch als das Vorhandensein von Technikern ... Wenn die Leidenschaft fehlt, wird alles andere wertlos. Damit eine Gesellschaft sich entwickelt, muß sie den Willen haben, sich zu entwickeln, und damit dieser Wille entsteht, müssen ihre Politiker Träume von der Entwicklung träumen. Wenn die Politiker schlecht sind, wird es keine Entwicklung geben, wie es die ganze Geschichte Lateinamerikas beweist."

Freilich hat diese Perspektive auch ihre Kehrseite — und gerade in dieser Kehrseite wurzelt das „Geheimnis" des eventuellen Erfolgs: die Masse mag anfangs ein sofortiges „Schlaraffenland" erhoffen, aber dieses ist unerreichbar, und die kubanische Erfahrung hat aufs neue gezeigt, welche verhängnisvollen Folgen eine Politik hat, die eine sofortige Hebung des Massenkonsums bewirkt.

Der schnelle Fortschritt fordert gerade eine Beschränkung des Konsums der Massen zum Zwecke erhöhter Investitionen; er erfordert auch eine Umerziehung der Arbeiter, Bauern und Intellektuellen, deren Gewohnheiten und Verhaltensweisen auch in Lateinamerika eine schnelle Entwicklung hindern und sich gerade im Rahmen einer bestehenden Demokratie fortschrittshemmend auswirken können

Demzufolge wird die revolutionäre Regierung bald auf Widerstand stoßen, einen Widerstand, der nicht nur von den Resten der besitzenden Klassen, sondern auch von Seiten der Arbeiter, der Angestellten, der Intellektuellen und der Bauern ausgeht. Sie wird diesen Wi-derstand brechen und zwangsläufig eine totalitäre Diktatur errichten müssen, die den Menschen im Namen der Freiheit versklavt, die unmittelbaren Wünsche des einzelnen zugunsten eines künftigen Gemeinwohls unerfüllt läßt, im Namen der Zukunft die Gegenwartsgeneration opfert und an die Stelle der „Ausbeutung des Menschen durch den Menschen" eine Ausbeutung des Menschen durch den Staat setzt.

Der Totalitarismus ist imstande, sein Werk durchzuführen. Die Umerziehung vor allem der Jugend ist oft leichter, als man es sich vorstellt. Ein totalitärer Apparat kann auch schwere Krisen überstehen: die von ihm angewandten ideologischen Mittel und Methoden sowie die fast unvermeidlich einsetzenden psychologischen Mechanismen der ihm Unterworfenen erschweren alle Rebellionen 4. Den Aktiva stehen aber auch-Passiva gegenüber: Die totalitäre Diktatur ist den Radikalen selbst so peinlich, daß ihre Notwendigkeit immer bestritten und ihre Wirklichkeit semantisch verfälscht wird. Während die kommunistische Machteroberung und der unter kommunistischer Führung geplante Fortschritt ihre Errichtung notwendig machen, wird doch der Fortschritt selbst durch die Diktatur nicht sichergestellt. Fast alle „kommunistischen" Staaten haben schwere Krisen durchgemacht und sind häufig gezwungen worden, ihre Wirtschafts-und Sozialpolitik zu ändern, überall hinkt die Entwicklung des Lebensstandards der Massen hinter der technischen Entwicklung einher: während Sputniks die Erde umkreisen, fehlt es an Wohnungen und an all jenen Annehmlichkeiten des täglichen Lebens, die für die große Mehrheit der Bürger entwickelter Länder selbstverständlich sind und an die auch in den weniger entwickelten Ländern eine oft nicht unbeträchtliche Minderheit gewöhnt ist. Nirgends — wie die jüngste Entwicklung zeigt, auch nicht in Kuba — ist der Kommunismus mit der Agrarfrage fertiggeworden.

Gerade aus der relativ hohen Entwicklung Lateinamerikas erwachsen den Kommunisten neue Schwierigkeiten. Die Bourgeoisie ist hier stärker, und es ist schwieriger, auf die willige Mitarbeit der Manager und Techniker zu verzichten, als in weniger entwickelten Ländern.

Enger als diese ist Lateinamerika an den Weltmarkt gebunden, und seine Wirtschaft beruht auf Produkten, die noch auf lange Sicht nicht aus dem Ostblock bezogen werden können. Ein Teil der Bevölkerung ist an einen hohen Lebensstandard gewöhnt, ein Teil der städtischen Arbeiter und Angestellten durch die „Wohlfahrtspolitik" korrumpiert.

Je schärfer der revolutionäre Kampf um die Macht geführt werden muß, desto größer wird die Zerstörung der Wirtschaft und Gesellschaft sein, die die Kommunisten dann übernehmen, desto schwierigeren Bedingungen werden sie sich gegenübersehen. Es ist wahrscheinlich, daß die Kommunisten in den meisten Ländern Lateinamerikas ohne Revolutionen und Bürgerkriege nicht an die Macht gelangen werden. Der kubanische Weg wird ihnen kaum mehr irgendwo offenstehen.

In „marxistisch-leninistischer" Mythologie befangen, behauptet Fidel Castro heute, der Sieg des Kommunismus in Kuba habe sich aus dem sozial-revolutionären Willen der Massen ergeben, aus einem Bürgerkrieg gegen Imperialisten und Kapitalisten, der von einer „Bauernarmee" unter Führung von bewußten Revolutionären begonnen und von den Arbeitern der Städte siegreich beendet worden sei. Die Kommunisten kamen „friedlich", durch eine eigenartige „Infiltration" zur Macht, ohne daß die Mehrheit der ursprünglichen Gegner Batistas oder die mit ihnen sympathisierenden Massen ein solches Resultat gewünscht oder auch nur vorausgesehen hätten. Eine Wiederholung der kubanischen Erfahrung in anderen Ländern des Subkontinents ist unwahrscheinlich.

Wenn man von Paraguay, Nicaragua und Haiti absieht, herrscht in keinem der lateinamerikanischen Staaten ein bei der Volksmehrheit verhaßter Diktator. Schon dieser Umstand macht die Bildung einer umfassenden „Volksfront" unmöglich. Fast überall verfügen Armee und Kirche über mehr Macht und Einfluß, als das in Kuba der Fall war. Die Ober-und Mittelschichten, die Angehörigen des Klerus und der Armee sind durch die kubanische Erfahrung belehrt worden, wie gefährlich es für sie wäre, sich auf Versprechungen eines radikalen Revolutionsführers zu verlassen. Das gilt auch teilweise für die städtische Arbeiterschaft. Die Vereinigten Staaten schließlich werden einem zweiten Castro gegenüber nicht mehr die schwankende und unsichere Haltung ein-25 nehmen, mit der sie von 1958 an vor dem Problem Kuba standen. Die kommunistische Variante der Zukunft kann in den meisten Ländern Lateinamerikas nur aus einem Bürgerkrieg und einer „sozialistischen" Revolution hervorgehen, nur gegen große Widerstände siegen.

Das scheinen auch die Kommunisten erkannt zu haben.

Die am 4. Februar 1962 von der „Nationalversammlung des kubanischen Volkes" angenommene „Zweite Deklaration von Havanna" ist ein Schlachtruf zur gewaltsamen Revolution Lateinamerikas. Der Glaube an Reformen sei illusionär: „Wo dem Volk die Wege versperrt sind, wo Arbeiter und Bauern grausam unterdrückt werden, wo die Yankee-Monopole die stärkste Macht darstellen, ist es das erste und wichtigste Gebot, zu begreifen, daß es weder gerecht noch richtig ist, die Volker in der leeren und so bequemen Illusion zu wiegen, sie könnten sich durch legale Mittel — die weder existieren noch existieren könnten — von den herrschenden Klassen befreien . . ., einer Macht, die die Monopole und Oligarchien mit Blut und Eisen verteidigen werden . . . Die Pflicht eines jeden Revolutionärs ist es, die Revolution zu verwirklichen. Der revolutionäre Ausbruch der Völker ist unvermeidlich . . ."

Eine breite Front der Arbeiter, der Bauern, der Intellektuellen, der Kleinbürger und der „fortschrittlichen Elemente der nationalen Bourgeoisie" müsse gebildet werden. Die Arbeiterklasse habe diese Front zu führen — und vor allem auch die Bauern zu mobilisieren, aus deren Mitte dann unter der Führung bewußter Revolutionäre Guerilla-Armeen hervorgehen würden.

„Für die konventionelle Kriegführung aufgebaute und ausgerüstete Armeen sind die Macht, auf die sich die überlebten Klassen stützen; wenn diese Armeen dem gegen alle Regeln verstoßenden Kampf der Bauern in deren Heimat Einhalt gebieten wollen, erweisen sie sich als völlig unfähig Für einen gefallenen Revolutionär verlieren sie zehn Mann, und wenn sie einem unsichtbaren, unüberwindlichen Feind gegenüberstehen, der ihnen keine Chance läßt, ihre militärischen Taktiken wirkungsvoll einzusetzen, kommt es bei ihnen sehr schnell zur Demoralisierung . . . Die am Anfang stehenden Aktionen kleiner Kampfgruppen werden unaufhörlich durch neue Kräfte verstärkt, die Massenbewegung fängt an, sich auszubreiten, die alte Ordnung zerbricht nach und nach in tausend Stücke, und dann kommt der Augenblick, da die Arbeiterklasse und die Massen der Städte die Schlacht entscheiden."

Das Rezept stammt aus der Erfahrung Kubas, teilweise auch Chinas und Südostasiens. Die Frage ist nur, ob es unter anderen Voraussetzungen zum gleichen Resultat führt, bzw. ob nicht die Bedingungen in den meisten lateinamerikanischen Staaten anders sind als in den Ländern, aus deren (uminterpretierter) Erfahrung heraus es hergestellt worden ist.

In der Tat scheinen die Schwierigkeiten einer kommunistischen Machteroberung größer als sie in der „Deklaration" dargestellt werden.

In den meisten Ländern sind den oppositionellen Kräften „legale Mittel" durchaus nicht versperrt, und es gibt dort auch kaum die grausame Unterdrückung der Arbeiter und Bauern, von der in dem Dokument gesprochen wird.

In den meisten Ländern ist ein Minimum demokratischer Freiheiten vorhanden, gibt es legale, oft sehr radikale Oppositionsbewegungen mit Führern, die ungehindert und oft in ungemein demagogischer Weise die jeweiligen Regierungen angreifen. Diese Tatsache ist „den Massen", wenigstens zum Teil, bewußt. Die so häufigen — tast ausschließlich wirtschaftlich motivierten — Streiks in Argentinien, Brasilien und Chile führen immer wieder zu Konzessionen von Seiten der Unternehmer und der Regierungen. Auch in dem immer noch von der „Oligarchie" beherrschten Peru ist eine gewisse Demokratisierung festzustellen — auch dort sind die Gewerkschaften legal und gleichzeitig kämpferisch. Andere Staaten scheinen trotz aller Krisen kommunistischen Revolutionsversuchen — wenn auch aus ganz verschiedenen Gründen — widerstehen zu können: Costa Rica und Uruguay, wo die demokratischen Institutionen zufriedenstellend funktionieren; Mexiko, wo die Staatsführung dem radikalen Drängen oft nachgibt und wo hinzukommt, daß es schwer möglich ist, gegen eine an der Macht befindliche offizielle Revolution zu revoltieren; der Staat Sao Paulo, wo der moderne Kapitalismus sich durchgesetzt hat, und vielleicht noch andere Gebiete.

Natürlich wird es vor allem in entlegenen Dschungel-und Berggebieten möglich sein, Guerilla-Gruppen zu bilden; aber daß das Dazu kommt, daß die Enttäuschung über die kubanische Revolution wahrscheinlich immer weitere Kreise erfassen und sich vertiefen wird. Gewiß wird es lange dauern, bis die Wahrheit über Kuba auch den Massen völlig bewußt ist. Aber das Prestige Castros (und der Kommunisten) wird weiter sinken, je mehr es sich „herumspricht", daß es in Kuba keine Freiheit gibt, daß der Lebensstandard der Massen sinkt, daß keine wirkliche Landaufteilung stattgefunden hat und daß die Arbeiter nicht nur kein Streikrecht haben, sondern mehr arbeiten müssen als vor der Revolution. Solche, für die Kommunisten ungemein ungünstige Auswirkungen könnten nur durch eine schnelle Besserung der kubanischen Wirtschaftslage verhindert werden — diese Perspektive ist jedoch wenig wahrscheinlich. nicht genügt, um eine Revolution zum Siege zu führen, zeigten die jahrelangen Kämpfe dieser Art in Kolumbien. Wenn darüber hinaus keine Volksbewegung auf dem Lande und vor allem in den Städten entsteht, muß die Guerilla allmählich versacken.

Es gibt allerdings „radikale" Massen in den Städten, und der Einfluß der Kommunisten ist durch Castro und die kubanische Revolution stark gewachsen. Aber gewachsen ist auch die Intensität des Widerstands gegen ihn.

Das Mißtrauen gegen marxistisch-leninistische Bewegungen hält nach wie vor an, und die meisten „Anti-Imperialisten" neigen — außen-politisch — weit mehr zum Neutralismus als zu einem Bündnis mit dem Ostblock.

Teile der Arbeiterschaft stehen schon heute dem Kommunismus bewußt feindlich gegenüber. Die Ober-und Mittelschichten, die Angehörigen der Armeen und des Klerus, die, wie schon ausgeführt, kaum mehr bereit wären, einem demokratisch verbrämten Castrismus zu folgen, werden noch weniger Neigung haben, einer offen kommunistischen Herrschaft zuzustimmen. Im Nordosten Brasiliens ist der Ausbruch eines Bauernkriegs zwar möglich, aber in vielen Gebieten des Subkontinents liegen die Verhältnisse auch in dieser Beziehung anders — und die Perspektiven der Kommunisten, unter den Bauern Anhänger und Befürworter einer Revolution zu finden, werden in einigen Ländern durch begonnene Reformen, in anderen durch den Einfluß der Kirche verschlechtert.

Die Enttäuschung über Kuba könnte in erster Linie den mit den Kommunisten um die Gunst der Massen konkurrierenden „linken" Gruppen zugute kommen (aber wohl nur solange, wie sie sich „links" und radikal gebärden). Die „Acciön Democratica", die APRA und die MNR sind nach wie vor Machtfaktoren, und wenn der Radikalismus der christlich-sozialen Parteien sie antikapitalistisch stimmt — was ihre Gefahr als Konkurrenten des „Castrismus" erhöht — so macht ihr Christentum sie doch zu entschiedenen Gegnern des Kommunismus. 5. Die kommunistische Alternative stößt also auf kaum geringere Widerstände als diejenigen, die der „Allianz für den Fortschritt" entgegenstehen. Ob, wie und inwieweit sich eine dieser beiden Alternativen — oder auch eine neue Variante — in Zukunft durchsetzen wird, hängt in jedem Land und im ganzen Subkontinent von zahlreichen innen-und weltpolitischen Faktoren ab.

Beide Programme stellen mögliche Entgegnungen auf die Herausforderung dar, die aus der gegenwärtigen Situation erwächst. Beide bieten — einander ausschließende — Wege zur Lösung der Spannungen und Widersprüche. Die Versprechungen und die Erfolgsaussichten der beiden Konkurrenten dürfen aber nicht nur am Maßstab objektiven wirtschaftlichen Fortschritts gemessen werden. Es ist auch in Betracht zu ziehen, wie und inwieweit sie die Erwartungen, die vielfach dumpfen aber auch bewußten Wünsche, befriedigen können, die die Völker Lateinamerikas erfüllen. Beide Konkurrenten versprechen einen wirtschaftlichen Fortschritt — der sich mehr oder weniger genau mit Hilfe von Statistiken messen ließe —, und die Kommunisten versprechen einen schnelleren allgemeinen Aufstieg. Aber die Massen erstreben auch Änderungen, die jenseits des Materiellen liegen. Diese Bestrebungen umschließen vor allem jene Komplexe von Imponderabilien, die unter den Begriffen „Freiheit" und „soziale Gerechtigkeit" zusammengefaßt werden. Gewiß — diese Begriffe sind nicht eindeutig, aber nicht zuletzt wegen der ihnen mangelnden Klarheit können sie die Rolle von „idees-forces" spielen.

Der Begriff Freiheit verliert allen Sinn, wenn er, wie es so häufig geschieht, auf Kollektive angewandt wird. Frei können nur Individuen sein — frei von Zwang, Behinderungen und Hemmungen, also frei für etwas, in der Lage, etwas zu tun. Auch im Bewußtsein der Massen spielen jene spezifischen Freiheiten eine Rolle, die Franklin Roosevelt einmal so formulierte: Freiheit von Not, Freiheit von Furcht, Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit. Dazu gehören auch andere Freiheiten, so die Freiheit von Zwang und Nötigung und die Freiheit für die Äußerung der eigenen persönlichen Wünsche. Die kommunistische Alternative verspricht größere soziale Gerechtigkeit durch die Beseitigung der Klassen und eine annähernde Verwirklichung des Gleichheitsprinzips. Die reale Entwicklung der „sozialistischen" Staaten scheint dieses Versprechen jedoch illusorisch zu machen: Neue herrschende Schichten entstehen, die durch tatsächliche Privilegien von den Massen getrennt sind. Die kommunistische Alternative verspricht Freiheit von Not, ohne dieses Ziel schnell erreichen zu können — widerspricht aber den anderen von uns genannten konkreten Freiheiten. Das fühlen und wissen viele der lateinamerikanischen Revolutionäre. Nicht umsonst hatte Castro sie gerade durch das Versprechen eines „dritten Weges" zwischen Kapitalismus und totalitärem Sozialismus begeistert: Weder Brot ohne Freiheit — noch Freiheit ohne Brot, sondern Brot und Freiheit. Dieser doppelten Forderung, die nach wie vor Ausgangspunkt jeder „fortschrittlichen" Politik sein muß, steht im Widerspruch mit dem totalitären, entspricht aber dem Weg der „Allianz für den Fortschritt"; er liegt ihr als Ziel zugrunde. Nicht die Methoden und Zielsetzungen der „Allianz" sind problematisch, sondern nur die Möglichkeiten ihrer tatsächlichen Realisierung.

Es wäre durchaus unrichtig, anzunehmen, die „Allianz“ sei auf gänzlich unrealen Grundlagen errichtet, es seien keine realen objektiven und subjektiven Faktoren vorhanden, die ihr eine Chance gäben, und sie sei nichts anderes als eine Illusion oder — Betrug. Diese Art von Pessimismus ergibt sich nur aus einer mehr oder weniger bewußten Schwarz-Weiß-Malerei derjenigen, die sich weigern, die Entwicklungslinien der letzten Jahrzehnte zur Kenntnis zu nehmen: Vor lauter Bäumen sehen sie den Wald nicht. Die augenfälligen Mängel verdecken eine zwar widerspruchsvolle, aber im ganzen doch „fortschrittliche" Entwicklung der letzten Jahrzehnte.

Es handelt sich für uns nicht darum, nochmals festzustellen, daß Lateinamerika objektiv über zureichende Ressourcen verfügt, um das „Allianz-Programm" realisieren zu können; auch nicht darum, abermals alle Gegensätze, Widersprüche, Spannungen und Gefahren aufzuzeigen, an denen die Geschichte des Subkontinents so reich ist. Es handelt sich — in unserem gegenwärtigen Zusammenhang — darum, die „positiven" Tendenzen zu unterstreichen, deren Existenz einen gangbaren nichtkommunistischen Weg ermöglicht.

Seit den letzten dreißig bis vierzig Jahren ist eine „fortschrittliche" Entwicklung Lateinamerikas festzustellen: die Industrialisierung ist ernsthaft in Angriff genommen worden, das Sozialprodukt ist — wenn auch langsam — gewachsen. Neue, „moderne" Schichten und Klassen sind entstanden: Unternehmer, Manager, Techniker, Industriearbeiter. Große Teile der Wirtschaft werden neuzeitlichen Erfordernissen angepaßt und befinden sich nicht mehr im Besitz von Ausländern, sondern gehören einheimischen Unternehmern oder dem Staat.

Auch eine gewisse „Demokratisierung" der Politik hat stattgefunden. Die typischen alten Militärdiktaturen werden seltener, und der Staat kann in den meisten lateinamerikanischen Ländern nicht mehr als „Ausschuß der herrschenden Oligarchie" angesehen werden.

Fast überall gibt es legale Massenorganisationen und Gewerkschaften, die oft recht beträchtliche Sozialreformen durchgesetzt haben, die nicht mehr nur auf dem Papier stehen. In Kreisen der Kirche sind anti-oligarchische Strömungen stärker geworden; mehr oder weniger radikale christlich-soziale Bewegungen haben sich zu anderen radikalen und radikaldemokratischen Gruppen gesellt. Auch die Armeen beginnen, Verfassungen und zivile Staatsoberhäupter anzuerkennen, und wirken immer weniger nur als Instrumente kleiner herrschender Minderheiten. Innerhalb der politischen Führungskreise hat sich eine Wendung zum Besseren vollzogen: ein Alessandri in Chile, ein Prado oder ein Beltran in Peru, ein Quadron in Brasilien, ein Frondizi in Argentinien, ein Haedo in Uruguay, ein Lopez Mateos in Mexiko, ein Betancourt in Venezuela, ein Figueres in Costa Rica — sie alle mögen sich hinsichtlich ihrer politischen Auffassungen und Programme noch so sehr voneinander unterscheiden, ihrem Typ nach sind sie von dem „Caudillo" oder auch dem korrupten, machthungrigen Cliquen-führer oder Militärdiktator der lateinamerikanischen Vergangenheit ausnahmslos weit entfernt. Die repräsentative Demokratie nach nordamerikanischem oder auch westeuropäischem Muster mag sich in vielen Ländern nur schwer verwirklichen lassen, in manchen von ihnen scheint sie dennoch Wurzel gefaßt zu haben; in manchen anderen existieren demokratisch-diktatorische Mischformen, die aber mit „Totalitarismus" nichts gemein haben. Es ist für die Zukunft nicht unwichtig, daß trotz aller Enttäuschungen das Ideal einer repräsentativen Demokratie in den Völkern weiterlebt. Je mehr sie sich durchsetzt, desto mehr werden sich auch die „Lippenbekenntnisse" zu grundlegenden Reformen in tatsächliche Reformen verwandeln können — obwohl im Zeitalter der Politisierung der Massen und bei einer günstigen Wendung der nordamerikanischen Politik auch das Wiederholen von Lippenbekenntnissen nicht ohne Bedeutung ist und durchaus Folgen nach sich ziehen kann.

Freilich: Große Teile der Oberklassen, der Berufspolitiker und der leitenden Bürokraten widersetzen sich der Durchführung struktureller Reformen, der Änderung alter, zu Fesseln der Entwicklung gewordener Institutionen. Diese Widerstände werden kaum von selbst verschwinden — sie müssen gebrochen werden, und das wird lange, harte, oft erbitterte Kämpfe erfordern, in deren Verlauf die Massen mobilisiert werden müssen. Mit anderen Worten: Es ist kaum anzunehmen, daß die nötigen Reformen sich ohne Anwendung revolutionärer Mittel und Methoden verwirklichen. Und ebenso wenig ist zu erwarten, daß sie ohne die aktive Beteiligung der Massen bürokratisch und von oben her durchgeführt werden können.

Nur aus Kämpfen der Massen und aus ihrer Mitarbeit an der Schaffung eines neuen Soziallebens kann auch eine neue Art der Demokratie entstehen — wie auch immer die konkreten Formen sein mögen, die sie in jedem Land schließlich annehmen wird. Diese Bewegungen können sich kaum vollziehen und Erfolg haben, wenn sie nicht von revolutionären und zugleich programmatisch antitotalitären Organisationen und Parteien geführt werden. Nur wenn solche Gruppen entstehen, stark werden, über eine klare ideologische Grundlage verfügen und in den Massen Wurzel fassen, kann auch die „sozial-demokratische" Revolution Wirklichkeit werden, die sich zwischen der Scylla der Oligarchie und der Charybdis des Totalitarismus als dritte Möglichkeit abzeichnet.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. K.de Schweinitz: " Economic Growth, Coercion and Freedom", in: World Politics, 1957, 4. Jahrg. Nr. 2. Zur selben Zeit verhielten sich auch die Kapitalisten so, daß ihre Profite weder in " conspicuous waste" verpulvert noch unproduktiv verwandt wurden. Sie akkumulierten und investierten den aus der „Ausbeutung" der Arbeiter gewonnen „Mehrwert", vergrößerten so das Sozialprodukt und ermöglichten es den Kindern und Kindeskindern jener „unterbezahlten" Proletarier, einen erfolgreichen Kampf um einen wachsenden Anteil am wachsenden Sozialprodukt zu führen.

  2. Th W Palmer setzt in seinem Buch Search for a Latin American Policy Gainesville 1957, das Jahr 1930 etwas willkürlich als das des „Erwachens" (S 37)

  3. A B Ulam: The Unfinished Revolution, New York 1960 S 285 243 t Allerdings erscheinen uns nicht alle Argumente des Autors stichhaltig, und sie gelten eher für Asien als für Lateinamerika.

  4. Peter Grubbe: Im Schatten des Kubaners, Hamburg 1961.

  5. Vorwort zu J. Tabares del Real: La revoluciön cubana, Havanna 1960.

  6. Trimestre Economico, Mexiko, Juli—September 1961.

  7. Time Magazine, 16. Juni 1961.

  8. Raymond Scheyven: De Punta del Este a la Havane, Brüssel 1961, S. 52.

  9. Die Deklaration von Santiago sprach sich für " rule of law" und strikte Gewaltenteilung, für freie Wahlen, persönliche Freiheit, Freiheit der Presse und der öffentlichen Meinung aus Text in englischer Sprache in: Bulletin of the Department of State, ? September 1959.

  10. Ebenda, 29 August 1959.

  11. Der vollständige Text in englischer Sprache ebenda, 12 September 1960.

  12. G. Friedman: Signal d’une troisieme voie, Paris 1961, S 63 t

  13. So zum Beispiel uruguayische Gewerkschaftler, die vorher Castristen gewesen waren und nun Broschüren gegen Castro publizierten, wie Juan Acunas: Cuba-Revoluciön freustrada, Montevideo 1960.

  14. New York Times, 22. Januar 1962.

  15. Ebenda, 23. Januar 1962.

  16. Ebenda, 1. Februar 1962.

  17. Mehr darüber — siehe unten.

  18. Dexter Perkins: A History of the Monroe-Doctrin, Boston-Toronto 1955, S. 68.

  19. Als die Vereinigten Staaten im Februar 1962 an ihre europäischen Bundesgenossen herantraten, um sie zum „Boykott" Kubas zu bewegen, erschien in der Londoner Times vom 19. Februar ein Artikel unter der ironischen doppelten Überschrift " US Reversal of Monroe Doctrine over Cuba — Old World called on to put Pressure on Dr. Castro" („Wendung der Monroe-Doktrin — Die Alte Welt wird aufgerufen, Castro unter Druck zu setzen").

  20. A. Krock: " The Limitations of the Monroe Doctrine”, in: New York Times, 16. Februar 1962.

  21. J. J. Arevalo: The Shark and the Sardines, New York 1961. S 105 f.

  22. Dexter Perkins: A History . . ., S. 174— 178.

  23. „In vielen Fällen erfolgte eine Intervention des amerikanischen Kapitals in Mittelamerika und Westindien nicht auf Grund der Suche nach Anlagemöglichkeiten, sondern auf direktes Betreiben der US-Regierung hin . . ., die das Eingreifen europäischer Mächte befürchtete Ein Beispiel dafür bietet die Besetzung von Haiti und San Domingo. In beiden Fällen hatten nordamerikanische Banken die Kontrolle über das Bankwesen erworben Aber die uns heute verfügbaren Dokumente zeigen, daß die amerikanischen Finanziers diese Kontrolle nur widerwillig und nur auf das Drängen des State Departments hin übernommen hatten " A A Berle: The Policy of the US in Latin America, 1939 Zitiert in: Samuel Flagg-Bemis: The Latin American Policy of the US, New York 1943.

  24. Frank Tannenbaum: " Estados Unidos y America Latina", in: Cuadernos, Nr. 53, Paris, Oktober 1961

  25. A. Gomez-Robledo: Idea y experiencia de America, Mexiko 1958, S. 182.

  26. S. Flagg-Bemis: The Latin American Policy. . ., S. 292 f.

  27. Es gab bald auch „Abweichungen" in dieser Frage. Haya de la Torre erklärte zum Beispiel 1945, daß es „gute" und „schlechte" Interventionen geben könne: „Innerhalb des Systems inter-amerikanischer Beziehungen muß das Recht auf demokratische Interventionen existieren ... So wie das Heim des Bürgers unverletzlich ist, solange dort kein Verbrechen verübt wird, so muß ein Land als souverän angesehen werden, solange dort keine Verbrechen gegen die Menschenrechte und gegen die demokratischen Prinzipien verübt werden." Haya de la Torre: Y despues de la guerra? que?, Lima 1946, S. 97.

  28. „Auf diese Weise verschwand für immer der . Zusatz'des anderen Roosevelt, der die Vereinigten Staaten in Finanzagenten der europäischen Mächte verwandelt hatte " A. Gomez-Robledo: Idea y experiencia .... S. 184.

  29. Batista stand 1933 und später unter dem wohlwollenden Schutz Franklin D. Roosevelts. „Roosevelt griff die europäischen und asiatischen Diktaturen an, aber die Vereinigten Staalen stützten die blutgierigsten Diktaturen in Lateinamerika." E. Ramirez Novoa: America Latina y Estados Uni-dos, Lima 1958, S. 10.

  30. Der erste „Inter-Amerikanische Kongreß", aus dem die „Pan-Amerikanische Union" hervorging, fand 1889/90 in Washington statt. Auf ihn folgten „Internationale Konferenzen der Amerikanischen Staaten" in Mexiko (1901/02). in Rio de Janeiro (1906), in Buenos Aires (1910), in Santiago de Chile (1923), in Havanna (1928), in Montevideo (1933), in Lima (1938) Zwischendurch fanden Sonderkongresse statt, die sich mit Fragen von Krieg und Frieden befaßten Ein solcher Kongreß fand 1947 in Rio de Janeiro statt Auf der 9 Internationalen Konferenz, 1948 in Bogota, wurde die neue OAS offiziell gegründet.

  31. Einen Überblick über die Entwicklung der OAS kann der Lesei in der Encyclopedia Britannica finden. Eine weitere Informationsquelle ist die Abhandlung über diese Organisation, die von der Northwestern University für den nordamerikanischen Senat zusammengestellt wurde. " US-Latin American Relations, prepared under the Direction of the Subcommittee on American Republics Affairs of the Committee on Foreign Relations. US Senate, 86 th Congress, 2nd Session, Dokument 125, 1960

  32. Die Texte der Verträge können nachgelesen werden in den jedes Jahr vom " Council on Foreign Relations", New York, bei Harpers veröffentlichten Documents on American Foreign Relations

  33. Wörtlich heißt es in der Deklaration von Caracas, daß " the domination or control of the political institutions of any American State by the international communist movement, extending to this hemisphere the political system of an extra-continental power, would constitute a threat to the sovereignity and political independence of the American States, endangering the peace of America and would call for a meeting of consultation to consider the adoption of measures in accordance with existing treaties".

  34. A. Gomez-Robledo: Idea y experiencia . . ., S. 205 f.

  35. E. Ramirez Novoa: America Latina . . ., S. 10.

  36. Das stellte auch die " National Planning Association" in ihrem Bericht an das " Subcommittee on American Republics" des US-Senates fest (31. Januar 1960).

  37. Charles O. Porter /Rob. J. Alexander: The Struggle for Democracy in Latin America, New York 1961, S. 186.

  38. Der volle Wortlaut der Beschlüsse der Konferenz in englischer Sprache in: Department of State Bulletin, XLV, 1159, 11. September 1961.

  39. J. D. Pringle in: Observer, London, 28. Mai 1961.

  40. New York Times, 17. Oktober 1961.

  41. University of Oregon: " Problems of Latin American Economic Development", in: US-Latin American Relations. A Compilation of Studies, US Senate, 86th Congress, 2nd Session, 1960, Dokument 125, S. 581.

  42. New York Times, 26. Januar 1961.

  43. So erklärte der damalige Armeechef Argentiniens, der zur Gruppe der äußersten Militaristen („gorillas") gehörende General Torranzo, im März 1960, daß inmitten der Gefahr nationaler latastro-phen und drohender Tyrannei die bewaffneten Kräfte mit ihren republikanischen Prinzipien die beste Garantie des Konstitutionalismus darstellten. Zitiert in: A. P. Whitacker: " The Argentine Paradox", in: The Annals, Philadelphia, März 1961.

  44. “ The Politics of Underdevelopment", in: World Politics, Princeton, Oktober 1956.

  45. Vivian Trias: El Plan Kennedy y la Revolucion Latinoamericana, Montevideo 1961.

  46. Ebenda, S. 213.

  47. Ebenda, S 218

  48. Ebenda, S. 134.

  49. Ebenda, S 177.

  50. Raymond Scheyven: De Punta del Este a la Havane, S 11

  51. Maurice Zinkin: Development for Free Asia, London 1956, S. 75.

  52. In Asien ist der Widerspruch zwischen Fortschritt und Demokratie noch klarer. Vgl. Maurice Zinkin in: Development .... S. 64.

  53. Vgl. J. Plamenatz in: On Alien Rule and Selfgovernment, London 1960, S. 202 und 94.

Weitere Inhalte

Dr. Boris Goldenberg, am 27. August 1905 in Rußland geboren, hat in Berlin, Freiburg und Heidelberg studiert, ist in der Hitler-zeit emigriert und war bis 1940 in Paris, dann in Südfrankreich und von 1941 bis Juni 1960 in Kuba. Dort von 1948 bis 1960 Lehrer an der Ruston Academy in Havanna. Seit 1962 in London. Veröffentlichung: „Ausgewählte Schriften von Karl Marx" (Hrsg.), München 1962. In Vorbereitung eine Darstellung der Gewerkschaftsbewegung in Südamerika.