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Der 20. Juli im Wehrkreis II (Stettin). Ein Beispiel für den Ablauf des Staatsstreichversuches im Reich | APuZ 28/1965 | bpb.de

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APuZ 28/1965 Die Bedeutung der Widerstandsforschung für die allgemeine zeitgeschichtliche Forschung Die Widerstandsbewegung und ihre Problematik in der zeitgeschichtlichen Darstellung Das Vermächtnis und seine Schwerpunkte Der 20. Juli im Wehrkreis II (Stettin). Ein Beispiel für den Ablauf des Staatsstreichversuches im Reich

Der 20. Juli im Wehrkreis II (Stettin). Ein Beispiel für den Ablauf des Staatsstreichversuches im Reich

Peter Hoffmann

Der Staatsstreichversuch des 20. Juli 1944 ist vor allem und hauptsächlich daran gescheitert, daß Hitler das Attentat Stauffenbergs überlebte. So war der „eidfreie Zustand", die Grundvoraussetzung für die Beteiligung vieler hoher Offiziere in entscheidenden Stellungen, nicht geschaffen worden. Es waren aber auch die Befehlsverhältnisse im Führerhauptquartier „Wolfsschanze" bei Rastenburg in Ostpreußen unverändert geblieben, und zahlreiche wichtige, von den Verschwörern geplante Maßnahmen konnten deshalb überhaupt nicht ergriffen werden. So ist vor allem die nachrichtentechnische Isolierung des Hauptquartiers nur insoweit und nur so lange gelungen, als sie ohnehin im Sinne der zunächst einigermaßen konsternierten obersten Führung der Wehrmacht lag. Schon gegen 15 Uhr war die Sperre wieder aufgehoben Dazu kam noch, daß die Verschwörer in der Berliner Zentrale, im OKH in der Bendlerstraße, erst etwa um 15 Uhr erfuhren, daß das Attentat überhaupt stattgefunden hatte, und erst gegen 16 Uhr hörten sie von Stauffenberg, der Seit dem Untergang der 6. Armee in Stalingrad war weithin im Reiche die Hoffnung auf einen glücklichen oder gar siegreichen Ausgang des Krieges geschwunden, jedenfalls bei vielen höheren Offizieren des Ersatzheeres, inzwischen nach Berlin zurückgekehrt war, daß Hitler tot sein müsse

Dadurch war eine sehr bedeutsame Verzögerung der geplanten Maßnahmen eingetreten. Es kann nicht entschieden werden, ob der Staatsstreich hätte gelingen können, wären die geplanten Maßnahmen statt erst nach 16 Uhr schon zwischen 13 und 14 Uhr angelaufen. Sicher ist aber, daß die Verschleppung die Erfolgschancen verringert hat

So war es möglich, daß die Gegenbefehle der fast völlig intakt gebliebenen Führung des Dritten Reiches den Befehlen der Verschwörer sehr rasch folgten oder sogar noch vor diesen in den militärischen Machtzentren des Reichsgebietes eintrafen. Es gab aber auch noch andere Gründe dafür, daß die Befehle der Bendlerstraße gar nicht, kaum oder nur sehr zögernd ausgeführt wurden. Sie liegen in Umständen, die daran zweifeln lassen, ob der Umsturz gelungen wäre, selbst wenn die Befehle dazu früher hinausgegangen wären. Die Vorgänge im Wehrkreis II mögen hierfür als Beispiel dienen.

Voraussetzungen zum militärischen Widerstand

die einen größeren Überblick als die Front-kommandeure hatten. Auch im Wehrkreis II, also in Pommern und Mecklenburg, war das der Fall. Stellvertretender Kommandierender General des II. Armeekorps und Befehlshaber im Wehrkreis II war hier General der Infan-S. terie Werner Kienitz. Er hatte das XVII. Armeekorps nach dem 1. April 1938 in Wien aufgestellt und es bis zum 1. Mai 1942 an der Ostfront geführt In Stettin kam es nun zu einer so lähmenden Unruhe, daß die Mitarbeiter des Befehlshabers ihn drängten, dieser Stimmung entgegenzutreten. Kienitz selbst wußte seit dem Winter 1941/42 aus eigener Anschauung, daß die deutschen Armeen den riesigen russischen Raum auf die Dauer nicht würden halten können, nachdem 1941 die Initiative an den Gegner übergegangen war. Die Vorstöße des Jahres 1942 fand er zwar erstaunlich, aber seine Skepsis konnten sie nicht beseitigen, und die Katastrophe von Stalingrad hat ihm ja dann auch recht gegeben Auch die Tagung („nationalpolitischer Lehrgang") aller Wehrkreisbefehlshaber und der höheren Führer der im Reichsgebiet stehenden Verbände der Marine und Luftwaffe in Bad Schachen am Bodensee im Herbst 1943 hat General Kienitz nicht zuversichtlicher gemacht. Der Propagandaminister Goebbels, also ein militärischer Nichtmachmann, hielt den Vortrag über die militärische Lage — für die versammelten hohen Offiziere ein grotesker Vorgang. Kienitz war natürlich, wie die meisten Soldaten „der alten Schule", die den überlieferten Ehr-und Anstandsbegriffen an-hingen, entsetzt, als Hitler in seinem, den Lehrgang abschließenden Vortrag in der „Wolfsschanze" die Generale aufforderte, sich die letzten Gedanken an Ritterlichkeit der Kriegführung endlich aus dem Herzen zu reißen.

Als bald darauf ein Erlaß von Goebbels, der abgeschossene Flieger der Alliierten der Wut der Bevölkerung auslieferte, sich in einer Weisung des OKW niederschlug, daß Soldaten bei solchen Racheakten der Zivilbevölkerung nicht in den Arm fallen dürften, reagierte General Kienitz ebenfalls in einer im Sinne der Tradition soldatischen Anstandes typischen Weise. Er versammelte nämlich nacheinander in drei Kommandeurbesprechungen in Belgard, Stettin und Schwerin alle Offiziere und Wehrmachtbeamten, die im Wehrkreis II führende Stellungen bekleideten, und las ihnen den Erlaß des OKW vor. Der Erlaß sei so aufzufassen, erklärte Kienitz anschließend, daß es Angehörigen der Wehrmacht verboten sei, sich an solchen Racheakten zu beteiligen. Selbstverständlich gelte das Verbot, der Zivilbevölkerung in den Arm zu fallen, nur so lange, als der gegnerische Soldat noch nicht Gefangener eines deutschen Soldaten sei; sei er das aber, so sei er als wehrloser feindlicher Soldat mit allen Mitteln zu schützen, auch gegen Deutsche und auch mit Hilfe der Waffe.

Der Chef des Generalstabes — seit 1. November 1942 —, Oberst i. G. Hans-Heinrich Stau-dinger, stammte wie sein Befehlshaber aus der Tradition des kaiserlichen Heeres. Im gleichen Hörsaal mit Manstein und Guderian besuchte er die Kriegsakademie. Er war bis 1916 in der Truppe an der Front und anschließend als Generalstabsoffizier eingesetzt, wurde 1920 auf seinen Antrag aus dem Reichswehrmininsterium entlassen und 1936 über den Ergänzungs-Offizier reaktiviert Auch Staudinger beurteilte die Kriegslage sehr skeptisch; wie sein Befehlshaber sah er sie, seit der russischen Offensive vom 22. Juni 1944 und dem darauffolgenden. Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte, ferner seit die alliierte Landung in der Normandie gelungen und nicht mehr rückgängig zu machen war, als hoffnungslos an

Man möchte annehmen, daß bei diesen beiden entscheidenden Persönlichkeiten des Wehr-kreises II alle nötigen Voraussetzungen für die Beteiligung an einem Umsturz gegeben waren, der in ihren Augen jedenfalls das Ziel haben konnte, den verlorenen Krieg zu beenden, ehe Deutschland vollends zerstört war.

Es wird sich aber zeigen, daß einer solchen Beteiligung auch gewichtige Hemmnisse im Wege standen, die ebenfalls, wie die im Sinne der Verschwörer günstigen Voraussetzungen, in der soldatischen Tradition begründet lagen; der Befehlshaber, General Kienitz, der schließlich für das Geschehen im Wehr-kreis II verantwortlich war, bekannte sich in seinen im Mai 1953 geschriebenen Erinnerungen zu der Auffassung, daß ein Eid nicht gebrochen werden könne und daß ein Soldat nicht rebellieren dürfe. Der Chef des Generalstabes fand zwar, daß Hitler nach allem, was geschehen war, diese Treue nicht mehr beanspruchen könne; für Oberst Staudinger aber bestand das Hemmnis, das ihm die Beteiligung verbot, in der Aussichtslosigkeit jeglicher Aktion, nachdem das Attentat mißglückt war.

Vorbereitungen und Kontakte

Es war natürlich nicht leicht für die Verschwörer, Mitarbeiter in Schlüsselstellungen im Reichsgebiet zu gewinnen und auf den Staatsstreich vorzubereiten. In manchen Fällen konnte sich Oberst i. G. Graf von Stauffenberg, seit 1. Juli 1944 Chef des Stabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres, auf Jahrgangskameraden verlassen, mit denen er auf der Kriegsakademie Freundschaft geschlossen hatte, und für die alles, was von ihm kam, auf jeden Fall „seine Richtigkeit" hatte, oder es war hie und da gelungen, Bereitschaft zur Unterstützung einer neuen Führung unter der Voraussetzung zu finden, daß Hitler beseitigt wäre Aber im allgemeinen konnte man doch über Andeutungen nicht hinausgehen und mußte hoffen, daß die pessimistische Beurteilung der Kriegslage, die ja bei vielen hohen Offizieren leicht festzustellen war, im entscheidenden Augenblick ein übriges tun würde.

Am 10. Juli 1944 fand auf Veranlassung des Chefs der Heeresrüstung und Befehlshabers des Ersatzheeres (Chef H Rüst u BdE), Generaloberst Fritz Fromm, in Krampnitz bei Potsdam eine Tagung der Befehlshaber in den Wehrkreisen statt, bei der teilweise auch die Chefs und andere Stabsoffiziere zugegen waren Fromm schilderte in seinem Vortrag mit klaren Worten die ernste Lage an den Fronten, vermied es jedoch, die volle Wirklichkeit und ihre Konsequenzen auszusprechen. Anschließend an den Vortrag bemühten sich General der Infanterie Friedrich Olbricht, Chef des Allgemeinen Heeresamtes (AHA), und Oberst Graf von Stauffenberg, möglichst viele der Anwesenden — es war ja der Tag vor einem Versuch Stauffenbergs, das Atten-tat auszuführen — auf die kommenden Ereignisse vorzubereiten. Auch Kienitz wurde von Stauffenberg und Olbricht auf „die Lage" angesprochen, die noch viel ernster sei, als Fromm sie geschildert habe; es müsse sogar in absehbarer Zukunft mit der Verhängung des Ausnahmezustandes gerechnet werden

Diesen Hinweis hat General Kienitz damals ganz einfach nicht verstanden. Als altem deutschen Offizier ist ihm auch nur der Gedanke an einen Militärputsch gegen die oberste Führung des Reiches, wie er selbst berichtet, „trotz aller Bedenken gegen diese und trotz aller Sorgen um die Zukunft Deutschlands" und obgleich er Hitler und seinen Anhang haßte, überhaupt nicht in den Sinn gekommen Freilich, wenn irgend jemand Hitler umgebracht hätte oder wenn der Diktator einem Unfall, einem Luftangriff oder dergleichen zum Opfer gefallen wäre und wenn dann verantwortliche militärische Führer die Exekutive in die Hand genonmmen und dabei von den Befehlshabern im Reichsgebiet Unterstützung verlangt hätten — das wäre eine ganz neue Situation gewesen, in der sehr wohl die Frage gestellt werden konnte, wem man nun Loyalität schuldig war, der bisherigen des „Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht" beraubten Regierung oder der neuen Exekutive. Ein militärischer Ausnahmezustand hätte eine wenigstens vorläufige Übernahme der Gewalt durch das Militär bedeutet, aber Hochverrat wäre das unter solchen Umständen nicht gewesen. Dies etwa wird als die Einstellung von Kienitz und Stau-dinger zu vermuten sein, wenn sie auch vor dem 20. Juli gar nicht so weit dachten So kann von „Einweihung" oder spezieller Vorbereitung im Sinne der Verschwörer für den Wehrkreis II keine Rede sein, wenn man von Oberst Friedrich Jäger, dem Kommandeur der Panzer-Ersatz-Truppen II und XXI mit dem Dienstsitz Gnesen, absieht. Dieser hatte aber im Wehrkreis II keine zentrale Stellung. Er versuchte daher, allerdings ohne Erfolg, den ihm dienstlich und kameradschaftlich nahestehenden Staudinger und den Ila, Oberst Schroeder, für die Verschwörung zu gewinnen, indem er Andeutungen machte über „eine bald bevorstehende Wende" Im übrigen war der Staatsstreichversuch bisher durchaus zentral, d. h. im Stabe des Befehlshabers des Ersatzheeres, vorbereitet worden. Man hoffte, mit Hilfe der „Walküre" -Pläne, der sogenannten Mob-Pläne, die zur Mobilmachung von Kampftruppen aus den im Reichsgebiet liegenden Wehrmachteinheiten für den Fall innerer Unruhen ausgearbeitet worden waren, diese in der Hauptsache aus Ausbildungs-und Ersatzeinheiten gebildeten Verbände („Kampfgruppen") für die Übernahme der Gewalt einsetzen zu können.

Seit Februar 1944 waren diese Kampfgruppen als verstärkte Grenadierregimenter zu bilden, die auf das Stichwort „Walküre 1. Stufe" innerhalb sechs Stunden einsatzbereit sein mußten. Auf das Stichwort „Walküre 2. Stufe" waren sie „schnellstens" und unter Einbeziehung aller verfügbaren Waffengattungen — die Zahl und Kampfkraft der verfügbaren Truppen schwankte natürlich ständig und außerdem von Wehrkreis zu Wehrkreis — zusammenzufassen und marschbereit zu machen Diese Befehle lagen großenteils seit August 1943 und einige kleinere Zusätze seit Oktober 1943 bzw. Februar 1944 in den Stellvertretenden Generalkommandos vor, wo sie als Geheime Kommandosache unter Verschluß, also in Panzerschränken, und meist noch dazu in verschlossenen Umschlägen aufbewahrt wurden.

Selbstverständlich war mit diesen politisch neutralen Mob-Plänen allein kein Staatsstreich zu machen. Es kam alles darauf an, die aufzustellenden Truppen gegen die eventuellen Anhänger des Regimes, also vor allem SS und Waffen-SS, ferner SA und sonstige bewaffnete Parteiformationen zu führen bzw. durch die Stellvertretenden General-kommandos führen zu lassen. Hierzu hatte man die bekannten Fernschreiben vorbereitet, die dann am 20. Juli in den Wehrkreisen so viel Verwirrung, Gewissenskonflikte und Unschlüssigkeit hervorriefen.

20. Juli 1944: Aufruf zur Übernahme der Vollziehenden Gewalt

Für den Nachmittag des 20. Juli 1944 hatte der Gauleiter von Pommern, Franz Schwede-Coburg, anläßlich seines zehnjährigen Dienst-jubiläums als Gauleiter zahlreiche Parteiführer, also alle Kreisleiter, SA-und SS-Führer, sowie vom Wehrkreiskommando II den Befehlshaber und seinen Chef des Generalstabes zu einer Feier im großen Saal des Gau-hauses eingeladen, an die sich ein Essen anschloß Oberst Staudinger hatte sich durch General Kienitz, der der Einladung gefolgt war, entschuldigen lassen, weil nicht der Befehlshaber und der Chef zugleich den ganzen Nachmittag über vom Generalkommando abwesend sein konnten.

Zwischen 30 und 18. 00 Uhr — es dürfte etwa 17. 45 Uhr gewesen sein — erreichte die erste Proklamation der Verschwörer in der Bendlerstraße das Stellvertretende General-kommando in Stettin. Bleich und sprachlos kam der Offizier vom Dienst, Hauptmann d. R. Karau, zum Chef des Generalstabes in dessen Wohnung und überreichte ihm das Fernschreiben 17). Fernschreiben, die Geheime Kommandosachen enthielten, liefen in Stettin über die Marinedienststelle, da diese mit dem soge-nannten Marine-G-Schreiber ausgerüstet war, der verschlüsselte Schreiben automatisch ent-schlüsselt wiedergab bzw. mit dem Gerät abgesetzte Schreiben verschlüsselte Der Offizier vom Dienst im Generalkommando, Karan, war von der Marinedienststelle gebeten worden, das Fernschreiben abzuholen.

Die Proklamation begann damit, daß innere Unruhen ausgebrochen seien und daß „eine gewissenlose Clique frontfremder Parteiführer" versucht habe, der schwer ringenden Front in den Rücken zu fallen und die Macht zu eigennützigen Zwecken an sich zu reißen Infolgedessen habe die Reichsregierung den Oberbefehl über die Wehrmacht und die Vollziehende Gewalt dem unterzeichneten Ge-neralfeldmarschall von Witzleben übertragen und zugleich den Ausnahmezustand verhängt. Zur Ausführung dieser allgemeinen Regelung übertrug Witzleben die Vollziehende Gewalt in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten außerhalb des Reiches den jeweiligen Oberbefehlshabern und im „Heimatkriegsgebiet" dem Befehlshaber des Ersatzheeres Generaloberst Fromm

Sodann folgte eine Aufzählung der Behörden und Dienststellen, die von nun an den Inhabern der Vollziehenden Gewalt, also insbesondere den Oberbefehlshabern in den besetzten Gebieten und den Wehrkreisbefehlshabern unterstellt sein sollten: sämtliche in ihrem jeweiligen Befehlsbereich befindlichen Dienststellen und Einheiten der Wehrmacht einschließlich der Waffen-SS, des RAD (Reichsarbeitsdienst) und der OT (Organisation Todt), alle Behörden des Reiches, der Länder [sic] und der Gemeinden einschließlich sämtlicher Polizeieinheiten und -behörden, alle Amtsträger der NSDAP und angeschlossener Verbände und die Verkehrs-und Versorgungsbetriebe. Die Waffen-SS wurde für in das Heer eingegliedert erklärt. Die Inhaber der Vollziehenden Gewalt hatten für die Sicherung der Nachrichtenanlagen und die „Ausschaltung des SD" zu sorgen, und sie sollten jeden Widerstand rücksichtslos brechen. Schließlich wurden alle Befehlshaber des Heeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe verpflichtet, die Inhaber der Vollziehenden Gewalt „mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu unterstützen". Für alle Fälle — es konnte ja sein, daß doch nicht für jeden Empfänger die triviale Gleichung galt, „Befehl ist Befehl" — versuchte man noch an das patriotische Verantwortungsbewußtsein zu appellieren mit den Sätzen: „Der deutsche Soldat steht vor einer geschichtlichen Aufgabe. Von seiner Tatkraft und Haltung wird es abhängen, ob Deutschland gerettet wird."

Der Chef des Generalstabes, Oberst Staudinger, stand nun vor der Aufgabe, was hier zu tun sei. Das naheliegendste wäre gewesen, zur Feier des Gauleiters zu gehen, den Befehlshaber herauszubitten, ihn an Hand des Fernschreibens zu orientieren und damit alle Ent-Scheidungen in seine Hände zu legen. Aber konnte man wissen, ob und inwieweit Gau-leitung und sonstige Parteidienststellen schon von dem Berliner Befehl unterrichtet waren?

Durch Benachrichtigung des Befehlshabers und das damit verbundene Aufsehen gab man vielleicht den vollständig versammelten Spitzen der NSDAP des Gaues Pommern erst den Anlaß zu Gegenmaßnahmen, der bisher nicht bestand, sei es mangels Information, sei es, weil der Befehlshaber ja mitten unter ihnen saß General Kienitz konnte in eine unangenehme Lage geraten, wenn die Gauleitung von den Berliner Befehlen schon Kenntnis hatte, da ja dann die Gauleitung damit rechnen mußte, daß der Befehlshaber diese Befehle ausführte; das war vielleicht zu vermeiden, wenn jede Benachrichtigung unterblieb und das Stellvertretende Generalkommando sich zunächst ganz zurückhielt. Sollte man aber dann wirklich gegen SS und Partei vorgehen, wie es in dem Fernschreiben verlangt wurde, so war es sicher besser, erst einmal die eigenen Kräfte zu konzentrieren, ehe man irgendwie hervortrat.

Während Staudinger noch mit diesen Überlegungen beschäftigt war, hörte er die Rundfunknachricht von dem mißglückten Attentat, von dem er ja bis dahin keine Ahnung hatte Es war ihm also gar nicht viel Zeit geblieben, um sich für irgend etwas zu entscheiden. Nun aber war es zweifellos besser, erst einmal die Lage zu klären. Es war da ein merkwürdiger Befehl aus Berlin gekommen; und dann war über den Rundfunk verbreitet worden, ein auf Hitler verübtes Attentat sei mißlungen. Man konnte nicht wissen, wer da recht hatte. Wenn General Kienitz, so dachte Staudinger, ununterrichtet und also unbefangen bei der Festversammlung blieb, die überdies wahrscheinlich auch von der Rundfunkmeldung Kenntnis erhalten hatte, konnte das wohl dazu beitragen, einen etwa aufkommenden Verdacht, der Befehlshaber sei in die Verschwörung eingeweiht, zu zerstreuen.

So erkundigte sich Staudinger zunächst bei den benachbarten Wehrkreisen, ob diese ähnliche Fernschreiben bekommen hätten und was dort veranlaßt werde. Zuerst rief er in Berlin an, wo man ihm sagte, der Befehlshaber, General der Infanterie Joachim von Kortzfleisch, sei nicht erreichbar, habe sich aber wohl zur Bendlerstraße begeben. Daß auch der Chef, Generalmajor Otto Herfurth, abwesend war, kam Staudinger angesichts der Lage etwas seltsam vor. Von General der Infanterie Viktor von Schwedler im Wehrkreis IV (Dresden), mit dem Staudinger danach telefonierte, war nur zu erfahren, daß dort wegen der Unklarheit der Lage bisher nichts veranlaßt sei; das Fernschreiben war also immerhin eingegangen. Die Chefs der beiden benachbarten Generalkommandos I (Königsberg) und X (Hamburg) gaben ähnliche Auskünfte So unklar die Lage auch sein mochte, offenbar war von irgendwelcher Aktivität im Sinne des aus Berlin vorliegenden allgemeinen Befehls bei den angerufenen Stellen nicht die Rede. Es läge nahe, ebenfalls zunächst abzuwarten. Etwa um 18. 30 Uhr oder kurz danach, jedenfalls aber nach der Rundfunknachricht, traf bei Oberst Staudinger im Wehrkreiskommando ein zweites langes Fernschreiben aus Berlin ein, das wiederum von der Marine-dienststelle übermittelt wurde Die Herausgabe dieses Schreibens wurde in der Fernschreibzentrale der Bendlerstraße absichtlich verzögert so daß es selbst im Wehrkreis II, der zweiten Anschrift, an die es abgesetzt wurde, erst eine volle Stunde nach dem ersten allgemeinen Befehl vorlag, obgleich Hauptmann Klausing es schon um 17. 30 Uhr in die Zentrale gegeben hatte Es enthielt folgende Befehle : Sämtliche Nachrichtenanlagen im Befehlsbereich waren zu „sichern", d. h. militärisch zu besetzen; hierzu gehörten vor allem Verstärkerämter, Durchgangsvermittlungen des Heeresführungsnetzes, Rundfunksender, Fernsprech-und Telegraphenämter, das Fernmeldenetz der Reichsbahn; ein Funknetz sollte „aus eigenen Mitteln" aufgebaut werden. Sodann waren sämtliche Gauleiter, Reichsstatthalter, Minister, Ober-präsidenten, Polizeipräsidenten, Höheren SSund Polizeiführer, Gestapoleiter und Leiter der SS-Dienststellen, Leiter der Propagandaämter und Kreisleiter „ohne Verzug ihres Amtes zu entheben und in besonders gesicherte Einzelhaft zu nehmen"; die Konzentrationslager waren so schnell wie möglich zu besetzen, die Lagerkommandanten zu verhaften und die Wachmannschaften zu entwaffnen und zu „kasernieren". Waffen-SS-Führer, die ja schon durch den ersten Befehl der Führung des Heeres unterstellt worden waren, sollten nur dann in Haft genommen und durch Offiziere des Heeres ersetzt werden, wenn Zweifel an ihrem Gehorsam bestanden oder wenn sie „ungeeignet" erschienen. Waffen-SS-Verbände, die sich der Führung durch das Heer widersetzten, sollten „rücksichtslos" entwaffnet werden, aber „mit überlegenen Kräften", damit großes Blutvergießen vermieden werde. Ferner waren die Dienststellen der Gestapo und des SD zu besetzen, und die Empfänger des Schreibens wurden angewiesen, mit den Befehlshabern der Kriegsmarine und der Luftwaffe Verbindung aufzunehmen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Schließlich wurde noch die Nennung eines Politischen Beauftragten angekündigt, der als eine Art Zivilverwaltungschef und Berater den jeweiligen Wehrkreisbefehlshabern beigegeben werden und also die Funktionen der ausgeschalteten Gauleiter und Reichsstatthalter, Regierungspräsidenten, Oberpräsidenten und Polizeipräsidenten vorläufig übernehmen sollte.

Aus dem ersten Fernschreiben hätte man bei flüchtigem Lesen — und damit mußte ja gerechnet werden, wenn eine so turbulente Situation geschaffen wurde — noch die Absicht entnehmen können, das herrschende Regime gegen seine eigenen Entartungen zu verteidigen. Bei dem zweiten war eine solche Auffassung nicht mehr möglich. Es konnte nun nicht mehr zweifelhaft sein, daß hier eine Verschwörung am Werke war, die sich das Ziel gesetzt hatte, mit Hilfe des Heimatheeres das herrschende nationalsozialistische Regime zu stürzen und alle seine höchsten Funktionäre möglichst mit einem Schlage auszuschalten. Um aber klar zu machen, daß hier etwas weit Positiveres als nur eine neue, nicht-nationalsozialistische Militärregierung geschaffen werden sollte, enthielt das zweite Fernschreiben noch den Schlußsatz: „Bei Ausübung der Vollziehenden Gewalt dürfen keine Willkür-und Racheakte geduldet werden. Die Bevölkerung muß sich des Abstandes zu den willkürlichen Methoden der bisherigen Machthaber bewußt werden."

Die Tendenz der Berliner Verlautbarungen war also deutlich genug und wurde von Oberst Staudinger auch verstanden; die mit den Befehlen verbundenen Namen — Witz-leben, Hoepner, Fromm, Stauffenberg — bürgten dafür, daß es sich um eine ehrenhafte Aktion handelte. Dennoch sah Oberst Stau-dinger für den Befehlshaber und das Wehrkreiskommando keine Möglichkeit, die Berliner Befehle mit Erfolg auszuführen. Da Hitler offenbar am Leben geblieben war, würde auch die an sich ja leicht durchzuführende Verhaftung der bei der Jubiläumsfeier des Gauleiters anwesenden Parteiführer nur ein Schlag ins Wasser gewesen sein. Es waren infolgedessen auch keine Maßnahmen einzuleiten.

Um aber Fehlleistungen, wie z. B. ein unbedachtes Vorsprechen einzelner Truppenkommandeure, etwa unter dem Einfluß irgendwelcher Berliner Abgesandter, zu verhindern, bat Staudinger durch einen Befehl vorsorglich alle Generale und Regimentskommandeure aus dem Standort Stettin auf 20. 00 Uhr in das Wehrkreiskommando. Dort könnte dann auch der Befehlshaber ohne Zeitverlust selbst zu ihnen sprechen, wenn er, so rechnete Staudinger, von der Feier zurückgekehrt sein würde, die etwa um 16. 00 Uhr begonnen hatte

Ferner entwarf der Chef zur Vorlage bei seinem Befehlshaber vorsorglich einen Befehl an alle Standortältesten im Wehrkreis II, durch den diese angewiesen wurden, nur Befehle zu befolgen, die die Unterschrift „Kienitz, Stellvertretender Kommandierender General II. A. K. und Befehlshaber im Wehr-kreis II" trugen; außerdem sollte befohlen werden, alle Dienststellen Tag und Nacht besetzt zu halten und dafür Sorge zu tragen, daß eingehende Befehle jederzeit von einem Offizier entgegengenommen werden konnten Inzwischen hatte sich der la, Major i. G. Klaus Schubert, der sich auf einem Spaziergang befand, im Wehrkreiskommando eingefunden Oberst Staudinger, der in seiner dicht beim Wehrkreiskommando gelegenen Wohnung geblieben war, hatte ihn durch den Offizier vom Dienst suchen und bitten lassen, beim Kommandeur der Nachrichten-truppe, Oberst von Uechtritz, dafür zu sorgen, daß etwaige Befehle von General Kienitz in kürzester Zeit an die Standortältesten weitergegeben werden konnten

Schon vor Monaten hatte man im Wehrkreis II angesichts der immer bedenklicheren Kriegslage Maßnahmen ergriffen, um im Notfall eine schnelle und sichere Nachrichtenübermittlung zwischen dem Generalkommando und den Standorten zu gewährleisten. Um eine Überlastung des Fernsprechnetzes und damit eine Behinderung rascher Befehlsübermittlung zu vermeiden, war im Generalkommando ein Plan ausgearbeitet worden, nach welchem nur die an einigen wenigen zentralen Punkten des Bereiches gelegenen Standorte von Stettin aus zu benachrichtigen, zu alarmieren oder mit Befehlen zu versehen waren, je nachdem, was eine etwa eingetretene kritische Lage erfordern mochte; diese Standorte hatten die übrigen nach einem festgelegten Schema zu benachrichtigen Auf solche Weise würden nur Lokal-und Kurzstreckenleitungen länger belastet, während die wichtigen Fernleitungen schnell wieder frei werden konnten. Man rechnete damit, im Bedarfsfälle einen Befehl von normaler Länge in etwa dreißig Minuten an die zentralen Standortältesten durchgeben zu können; nach insgesamt etwa zwei Stunden mußten nach den bei Übungen gemachten Erfahrungen alle Standortältesten im Besitz solcher Befehle sein. Für den Fall der Zerstörung des Fernsprechnetzes waren sogenannte Wehrkreisfunkstellen eingerichtet, deren Bereitschaft und Ausbildungsstand durch ständigen Übungsfunkverkehr möglichst auf der Höhe gehalten wurde.

Abwarten und Gegenbefehle

Im Gauhause saßen die rund zweihundert Gäste noch beim Essen, als zwischen 18. 00 und 19. 00 Uhr die Nachricht von dem mißlungenen Attentat an die Versammlung gelangte Der Stellvertretende Gauleiter Simon hatte sie am Telefon entgegengenommen. Sofort bildete sich eine äußerst erregte Atmosphäre, und alle Gespräche kreisten nur noch um das Attentat und den oder die mutmaßlichen Attentäter; darüber hatte nämlich die Telefonnachricht nichts enthalten. General Kienitz unterhielt sich besonders mit dem neben ihm sitzenden Gauleiter und mit dem Regierungspräsidenten, SS-Oberführer Eckard; diesem erklärte er, es könne ja wohl nur eine Person aus der unmittelbaren Umgebung Hitlers in Frage kommen, und er dachte dabei vor allem an Parteikreise, keinesfalls aber an Soldaten des Heeres. Nach etwa einer Stunde, die er im Gespräch verbracht hatte, ging der Befehlshaber dann, kurz nach 20. 00 Uhr, in seine Wohnung. Von den aus Berlin eingegangenen Befehlen wußte er ja noch nichts. Staudinger hatte es zwar für richtig gehalten, den Befehlshaber zunächst unorientiert und dadurch unbefangen beim Gauleiter verweilen zu lassen er wollte ihn aber nach seiner Rückkehr vom Gauhause naturgemäß so schnell wie möglich von den Vorgängen unterrichten So hatte er vorsorglich schon gegen 19. 00 Uhr die mit General Kienitz die Wohnung teilenden Offiziere angewiesen, den Befehlshaber bei seiner Rückkehr sofort zu bitten, er möge den Chef des Generalstabes zu sich bestellen Dies geschah denn auch, und Kienitz rief sogleich den Chef an und fragte ihn, welche Nachrichten beim Wehrkreiskommando vorlagen. Staudinger antwortete, es seien „merkwürdige Befehle aus Berlin" gekommen, von denen einer noch nicht dechiffriert sei; sobald er ihn in Händen habe, werde er den Befehlshaber aufsuchen Dieses Fernschreiben war dem Wehrkreiskommando kurz zuvor von der Marinedienststelle angekündigt worden Es muß entweder das Schreiben gewesen sein, das der Rundfunknachricht von Hitlers Tod widersprach, oder dasjenige, in dem der Politische Beauftragte für den Wehrkreis II, Oberlandforstmeister von Willisen, sowie sein Unterbeauftragter, Ewald Heinrich von Kleist-Schmenzin, und der Verbindungsoffizier des OKH zum Wehrkreis II, Major Graf von Blumenthal, benannt wurden. Die beiden Schreiben müssen fast zu gleicher Zeit in Stettin eingetroffen sein Gegen 20. 30 Uhr begab sich Oberst Staudinger von seiner Wohnung aus zur nahegelegenen Wohnung des Befehlshabers, wohin der la, Major Schubert, kurz darauf aus dem Wehrkreiskommando nach-kam

Noch ehe sie jedoch dort eintrafen, erhielt General Kienitz einen Telefonanruf vom Chef des OKW, Generalfeldmarschall Keitel, aus dem Führerhauptguartier „Wolfsschanze". Keitel sagte, aufs höchste erregt: „Der Stauffenberg hat das Attentat gemacht." Dann redete er minutenlang ununterbrochen auf Kienitz ein, offenbar in der Absicht, ihm jede eventuelle Beteiligung an dem Umsturzversuch von vornherein auszureden. Schließlich erklärte er gar, er fasse Kienitz „ans Portepee". Als Kienitz das darin liegende Mißtrauen verletzt zurückwies, entschuldigte sich Keitel mit seiner Aufregung Kurz nach Keitels Aufforderung, nur Befehle aus dem Führerhauptquartier zu befolgen, kam ein Anruf aus der Bendlerstraße. Es meldete sich Generaloberst Hoepner, der ja nun als „Oberbefehlshaber im Heimatkriegsgebiet" zeichnete und mit Kienitz gut bekannt war Hoepner fragte, ob die Befehle aus Berlin eingegangen seien, und Kienitz erwiderte, daß er sie noch nicht erhalten habe. Er sagte, Keitel habe schon angerufen, und deutete an, was dieser mitgeteilt und befohlen hatte. Als Hoepner Einzelheiten über den Inhalt des Gespräches zwischen Keitel und Kienitz zu erfahren suchte und auch wissen wollte, ob Keitel Kienitz angerufen habe oder umgekehrt, erklärte Kienitz, daß er Schweigegebot habe. Hoepner, der ohnehin nicht mehr recht an den Erfolg des Staatsstreichversuches glaubte, meinte dann, wenn Kienitz noch keine Befehle aus Berlin bekommen habe, so solle er eben die von Keitel befolgen Darauf sprach dann noch General Olbricht mit Kienitz und verlangte kurz die Ausführung der Berliner Befehle, worauf Kienitz wiederum auf den Keitelschen Gegenbefehl hinwies Der Befehlshaber erhielt nicht den Eindruck, daß die Berliner Aktion zielstrebig und energisch oder gar erfolgreich vorangetrieben wurde.

Während Kienitz noch mit Hoepner und Olbricht sprach, traten Staudinger und kurz darauf auch Schubert mit den Berliner Fernschreiben ein und legten diese dem Befehlshaber vor Das Fernschreiben von Keitel aus der „Wolfsschanze", worin dieser die Ernennung Himmlers zum Befehlshaber des Ersatzheeres mitteilte und alle Befehle von Fromm, Witz-leben und Hoepner für ungültig erklärte, war wohl noch nicht eingetroffen aber Kienitz war ja telefonisch von Keitel unterrichtet worden Nachdem der Befehlshaber die Fernschreiben aus der Bendlerstraße gelesen hatte, berichtete ihm Staudinger über die mit den benachbarten Wehrkreiskommandos geführten Gespräche und über die vorsorgliche Beorderung der Generale und Regimentskommandeure des Standortes Stettin auf 20. 00 Uhr ins Generalkommando. Kienitz billigte diese Maßnahme und stimmte auch dem Befehls-entwurf an die Standortältesten des Wehr-kreises zu Nun, so berichtet Kienitz, begannen die schwersten Stunden seines Lebens Für den Chet des Generalstabes war es inzwischen klar geworden, daß angesichts des Mißlingens des Attentats an eine Beteiligung am Putsch nicht zu denken war; diese Beurteilung der Lage hatte sein Handeln während der Abwesenheit des Befehlshabers bestimmt. Er hatte das dem General vorgetragen, und dieser wußte im Grunde, daß sein Chef recht hatte. Aber zugleich drängte es ihn, den Verschwörern zu hellen und beizustehen. Er kannte die meisten persönlich und begriff ihre Motive, da er ja ihre Anschauungen teilte und Hitler und sein Regime ebenso haßte wie sie. Sie waren alte Kameraden, und sie wollten zweifellos Deutschland vor größerem Unheil bewahren. Mit dem Herzen stand der Befehlshaber auf ihrer Seite, wie er auch seinen Generalstabs-Offizieren erklärte. Während er mit Staudinger und Schubert zum Dienstgebäude des Stellvertretenden Generalkommandos ging, versuchte er, sich zu einem Entschluß durchzuringen. General Kienitz überlegte sich dabei vor allem, welche Befehle gültig seien, die Keitelschen oder die aus Berlin. Dadurch, daß Hitler am Leben geblieben war, war ein militärischer Umsturz ja noch nicht aussichtslos geworden. Erst später, nach ein bis zwei Stunden, wurde es endgültig klar, daß auch die Beteiligung des Wehrkreises II an dem Staatsstreichversuch nichts mehr hätte ändern können. Es handelte sich also nicht um eine Entscheidung reiner Zweckmäßigkeit. Wohl aber waren die Befehle Keitels offenbar nach wie vor formal „rechtmäßig". Wer sie nicht befolgte, beging Hochverrat. An die von den Berliner Verschwörern nach außen hin noch immer aufrechterhaltene Fiktion, daß Hitler tot sei, glaubte Kienitz nicht. So entschloß sich der Befehlshaber schließlich, „so furchtbar schwer es auch war, die alten Kameraden in dieser verzweifelten Stunde im Stich zu lassen", und obgleich er „mit dem Herzen auf der einen Seite, mit dem Verstand und der Pflicht auf der anderen Seite" stand, die Berliner Befehle nicht zu befolgen.

Spannung zwischen Generalkommando und Gauleitung

In seinem Dienstzimmer angekommen, erließ General Kienitz zunächst den von Oberst Staudinger vorbereiteten Befehl an die Stanortältesten. Er dürfte zwischen 22. 00 und 23. 00 Uhr in den Händen der Empfänger gewesen sein. Dann erläuterte er den versammelten Regimentskommandeuren, darunter auch Generalmajor Siegfried von Stülpnagel, ein Vetter des Militärbefehlshabers in Frankreich, die Lage. Stülpnagel, der überhaupt nicht eingeweiht war, sagte gleichwohl sofort: „Da machen wir mit!" General Kienitz legte aber dann dar, daß es vernünftiger sei, erst abzuwarten, und hierauf einigte man sich denn auch

Inzwischen hatte Staudinger dem Kommandeur der Nachrichtentruppe im Wehrkreis II, Oberst von Uechtritz, die eingelaufenen Fernschreiben zur Überprüfung gegeben Uechtritz ging also mit den Schreiben zur Vermittlung, die sich im Flause befand, und stellte an Hand von Vergleichsstreifen fest, daß die Nachrichtenhelferinnen in der Fernschreibzentrale der Bendlerstraße mit dem Schreiben noch Bemerkungen und Zusätze übermittelt hatten, aus denen hervorging, daß Hitler in Wirklichkeit nicht tot sei Somit hatten sich Staudingers Skepsis und seine Überzeugung, daß die Berliner Befehle unausführbar waren, bestätigt.

Nicht lange darauf erschien der vom Gauleiter ausgeschickte Stellvertretende Gauleiter Simon im Wehrkreiskommando. Der Gauleiter selbst traute offenbar der Sache nicht. Er mußte inzwischen Nachrichten darüber erhalten haben, daß der Putsch vom Ersatzheer ausging, und da war natürlich das Wehrkreiskommando die „Höhle des Löwen". Er hatte sich auf alle Fälle in seinen Schutzstollen bei Finkenwalde, die „Finkenburg", zurückgezogen Alles war sehr eilig zugegangen, und Simon, der seltsamerweise Zivil trug, obgleich er doch am Nachmittag und Abend noch beim Fest des Gauleiters zugegen gewesen war, hatte keine Schuhe, sondern nur Pantoffeln an Die Besprechung zwischen Simon und dem Befehlshaber fand im Zimmer des Chefs des Generalstabes statt.

Simon sollte offensichtlich erkunden, welche Haltung das Wehrkreiskommando einnehme, und möglichst Einsicht nehmen in die Befehle, die aus Berlin eingegangen waren. Man antwortete ihm, es sei für das Wehrkreiskommando nur der Gegenbefehl Keitels maßgebend. Über den Inhalt der Berliner Befehle gab man nur allgemeine, ausweichende Auskünfte. Auf die Bitte des Gauleiters, der Stellvertretende Kommandierende General möge ihn in seinem Stollen, wo sich inzwischen das ganze Parteiführerkorps versammelt hatte, zu einer Aussprache aufsuchen, erhielt Simon vom Befehlshaber eine Zusage, jedoch mit der Einschränkung, daß erst noch mit allen Stellen des Wehrkreises Verbindung ausgenommen und ihnen Weisung erteilt werden müsse, worüber dann noch Stunden hin-gingen Das war natürlich ein Vorwand oder doch eine ausweichende Erklärung für die augenblickliche Unabkömmlichkeit des Befehlshabers. Aber man konnte der Gauleitung auch nicht sagen, man wolle auf alle Fälle die Dinge unter Kontrolle behalten, bis die Lage eindeutig geklärt und also eine „vertrauensvolle" Zusammenarbeit wieder möglich sein würde Simon bedauerte zwar, daß man sich so undurchsichtig gab, indem man ihm den Einblick in die Fernschreiben der Verschwörer verweigerte und ihm nur das Keitelsche zeigte, und daß man sich nicht mit größerer Begeisterung zu Hitler bekannte, ging aber doch einigermaßen beruhigt wieder weg

General Kienitz telefonierte nun noch selbst mit einigen benachbarten Wehrkreiskommandos, so mit Dresden, danach mit Berlin, wo allerdings der Befehlshaber noch immer unerreichbar war Zugleich sprach Oberst Staudinger mit einigen Chefs, um sich über die Lage auf dem laufenden zu halten Man erörterte noch besondere Vorsichtsmaßnahmen für den vorgesehenen Besuch beim Gauleiter; der Ila, Oberst Schroeder, sollte nach einer bestimmten Zeit in der „Finkenburg" anrufen, falls Kieniz und sein Chef bis dahin nicht zurückgekehrt wären, und notfalls ihre Befreiung veranlassen. Ferner kamen im Laufe des Abends noch eine Anzahl Fernschreiben an

Unter diesen Fernschreiben war eines, das „Walküre 2. Stufe" befahl. Gliederung, Stärken und Aufkommensorte der angerufenen Einheiten waren bis zum 21. Juli, 12. 00 Uhr an das AHA zu melden. Das Schreiben wird etwa um 21. 00 Uhr in Stettin eingelaufen sein Gegen 21. 00 Uhr muß auch das Schreiben gekommen sein, in dem Generalfeldmarschall von Witzleben Generaloberst Hoepner anstelle von Generaloberst Fromm zum Ober-befehlshaber im Heimatkriegsgebiet ernannte Die „Standrechtverordnung Nr. 1", in der u. a. ein Versammlungsverbot, ein Verbot des Waffentragens für alle nicht der Wehrmacht angehörenden Personen und ein Verbot der Herstellung von Flugblättern erlassen wurde, ist nach dem Bericht der Fernschreibzentrale der Bendlerstraße nicht an den Wehrkreis II gelangt Die anderen Standrechtverordnungen und sonstigen Fernschreiben der Verschwörer wurden dann überhaupt nicht mehr übermittelt. Ab 21. 25 Uhr wurde — nach dem Bericht der Fernschreibzentrale im OKH — Keitels Gegenbefehl abgesetzt, der in Stettin etwa um 21. 30 Uhr vorgelegen haben muß. Zugleich wurden die vorhergehenden Fernschreiben gesperrt bzw. für ungültig erklärt, soweit sie schon abgesetzt waren Spät in der Nacht, etwa um 0. 30 Uhr, wurde dann noch ein Schreiben nach Stettin übermittelt, in welchem Fromm mitteilte, er habe die Befehlsgewalt wieder übernommen, der Putschversuch sei blutig niedergeschlagen worden und Befehle von Witz-leben, Hoepner, Beck und Olbricht seien nicht zu befolgen Als letztes Schreiben langte ein Befehl an, der schon von Himmler unter-zeichnet war: Fromms Fernschreiben sei ungültig, Himmler habe die Befehlsgewalt über das Ersatzheer übernommen und die Auslösung des Stichwortes „Walküre" sei aufgehoben Alle diese Fernschreiben und Be-fehle waren natürlich für eine Entscheidung zwischen Loyalität oder Aufstand nicht mehr erheblich. Die Entscheidung war spätestens in dem Ferngespräch zwischen Kienitz und Keitel gegen 20. 00 Uhr gefallen.

Loyalität

Nach Mitternacht begaben sich General Kienitz und Oberst Staudinger nun zum Gauleiter nach Finkenwalde, wo sie gegen 1. 00 Uhr früh am 21. Juli eintrafen. Die Berliner Befehle hatte Kienitz absichtlich nicht mitgenommen, um sie dem Gauleiter nicht vorlegen zu müssen. Dagegen zeigten die beiden Offiziere den Befehl von Keitel vor gewissermaßen als Legitimation für ihre Loyalität. Die Befehle der Verschwörer behandelten sie als nicht existent. Natürlich wollte der Gauleiter nun wenigstens wissen, was die Befehle der Verschwörer im einzelnen enthielten. Er hat es General Kienitz und seinem Stabe für den Rest des Krieges nicht vergessen, daß sie ihm die Fernschreiben an diesem Abend nicht gezeigt und auch über ihren Inhalt keine genauen Mitteilungen gemacht hatten, wodurch die Sache für den Gauleiter nur noch mysteriöser und verdächtiger geworden war Immerhin sagte der General, er habe sich mit dem Inhalt der Schreiben nicht weiter befassen können; vielleicht wisse der Chef des Stabes Genaueres. Dieser meinte dann, es seien eben die in solchen Fällen üblichen Befehle gewesen — Besetzung der Nachrichten-anlagen und wichtigen Gebäude, Amtsenthebungen der Partei-und SS-Führer usw. Am nächsten Tag entschloß sich der Befehlshaber, dem Gauleiter Abschriften der beiden ersten Berliner Fernschreiben zu überlassen, die ja nun völlig unerheblich geworden waren Während die Offiziere noch in Finkenwalde waren, erhielten sie von Oberst Schroeder der verabredeten Anruf und die Mitteilung von dem Frommschen Fernschreiben Nachdem man auch die Rundfunkansprachen von Hitler, Göring und Dönitz beim Gauleiter vernommen hatte, verlangte dieser überraschend von General Kienitz, daß er am kommenden Vormittag um 10. 00 Uhr eine öffentliche Loyalitätserklärung abgebe, was dieser wohl oder übel zusagen mußte

Darauf fuhr man wieder ins Wehrkreiskommando zurück, wo der Befehlshaber und sein Chef zwischen 2. 00 und 3. 00 Uhr eintrafen

Kienitz setzte sich hin und versuchte, eine entsprechende Erklärung auszuarbeiten, aber es quälte ihn, Sätze niederschreiben zu müssen, in denen er tote Kameraden verdammen sollte, denen er im Grunde seines Herzens recht gab. Er brachte es nicht fertig, die Erklärung abzufassen, und so bat er Oberst Staudinger um Hilfe, dem eine solche Aufgabe freilich nicht leichter fiel Aber niemand, der nicht sich und andere sinnlos opfern oder in Gefahr bringen wollte, konnte beim jetzigen Stand der Dinge eine solche Erklärung verweigern, und an Ausflüchte, wie sofort nötige Dienstreisen oder Krankheit, war nun auch nicht zu denken.

Kienitz war sich seiner Demütigung bewußt, als er dann die Erklärung vor der Versammlung von Parteiführern, SS-Führern und Offizieren in der Gauleitung abgab. Aber er sah keinen anderen Weg

Unerfüllte Voraussetzungen

Der Staatsstreichversuch war mißlungen, weil Hitler nicht getötet worden und also kein „eidfreier Zustand" entstanden war, der es den militärischen Befehlshabern erlaubt hätte, ohne Skrupel der bisherigen Regierung den Gehorsam aufzusagen. Sie hatten ja nur dem „Führer und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht Adolf Hitler" Treue gelobt. Er mußte ferner scheitern, weil die Verschwörer fast vier Stunden verloren, ehe sie nach dem Bombenanschlag überhaupt weiteres unternahmen. So war es nicht möglich, die Fiktion vom Tode Hitlers durchzusetzen und lange genug aufrechtzuerhalten.

Die Führungszentrale des Dritten Reiches hatte sich schon von dem ersten Schock erholt, bevor sich auch nur die Umrisse eines Staatsstreichversuches abzeichneten, ja, oft noch ehe die viel zu langen Befehle der Verschwörer überhaupt in den verschiedenen Wehrkreisen empfangen, gelesen und in ihrer Bedeutung erfaßt worden waren, und sie konnte rasch und wirksam reagieren. Abgesehen von diesen Hauptfaktoren ist es aber zweifelhaft, jedenfalls bleibt es ungeklärt, ob die Übernahme der Gewalt durch das Heer in den verschiedenen Wehrkreisen überhaupt durchführbar gewesen wäre. In vielen Wehrkreisen lagen SS-Truppen, über welche der Befehlshaber keine Kommandogewalt besaß, und gerade diese SS-Einheiten waren meist am besten ausgerüstet und ausgebildet. So war es auch in Stettin Zudem hatte z. B.der Befehlshaber im Wehrkreis II keine Kommandogewalt über die in seinem Bereich untergebrachten Verbände der Luftwaffe und der Kriegsmarine, deren Zusammensetzung und Kampfkraft ihm nicht einmal bekannt waren Eine größere Zahl der jüngeren Offiziere war dabei durchaus hitlertreu. Es ist also sehr fraglich, ob die dem Wehrkreisbefehlshaber unterstehenden Verbände in dem zum Erfolg nötigen Maße die Anordnungen der Verschwörer ausgeführt hätten, wenn sie weitergegeben worden wären.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe hierzu Peter Hoffmann, Zu dem Attentat im Führerhauptquartier „Wolfsschanze" am 20. Juli 1944, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Heft 3/1964, S. 278— 82.

  2. Aussage von Generaloberst Erich Hoepner im Prozeß vor dem Volksgerichtshof, in: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, B. XXXIII (künftig abgekürzt IMT für International Military Tribunal), Nürnberg 1949, S. 399— 401.

  3. Die Gründe für den Zeitverlust konnten bisher nicht ganz geklärt werden. U. a. konnte man nach dem Fehlstart vom 15 Juli, als man die Maßnahmen zur Besetzung der Schlüsselpositionen in Berlin schon vor dem mutmaßlichen Zeitpunkt des Attentats hatte anlaufen lassen und sie dann nur sehr schwer wieder hatte vertuschen können, nicht noch einmal ein solches Risiko eingehen (IMT XXXIII,

  4. Wolf Keilig, Das deutsche Heer 1939— 1945, Gliederung — Einsatz — Stellenbesetzung, Bad Nauheim 1956 ff., Bd. II, S. 211, S. 162; Werner Kienitz, Der Wehrkreis II vor dem Zusammenbruch des Reiches, Erlebnisse und Betraditungen [Ms], Hamburg 1953, Bundesarchiv, Ost-Dok. 8 Po 22, S. 1.

  5. Kienitz a. a. O., S. 1— 5, auch zum Folgenden.

  6. Oberst i. G. a. D. Hans-Heinrich Staudinger an den Vers, 31. Okt. 1964.

  7. Vgl. Hans-Adolf Jacobsen, 1939- 1945, Der Zweite Weltkrieg in Chronik und Dokumenten, Darmstadt 1959, S. 49; Kienitz a. a. O., S. 5; Stau-dinger an den Vers.

  8. Vgl. Peter Hoffmann, Zum Ablauf des Staatsstreichversuches des 20. Juli 1944 in den Wehr-kreisen, in: Wehrwissenschaftliche Rundschau 14 (1964), S. 382, 384, 390; Ludwig F. Jedlicka, Der 20: Juli 1944 in Wien, III, Am Beispiel Robert Bernardis', in: Die Furche [Wien] 3. Aug. 1963, S. 3.

  9. Kienitz a. a. O., S. 6; Generalmajor a. D. Anton Glasl (damals als Oberst i. G. zur Einarbeitung als Chef des Geheraistabes ins Stellvertretende Generalkommando XVIII. A. K. nach Salzburg kommandiert), mündliche Mitteilungen an den Vers, vom 4. Dez. 1964, Niederschrift im Besitz des Vers., S. 3.

  10. IMT XXXIII, 388— 94; KB, S. 130.

  11. Kienitz a. a. O., S. 6; Oberst a. D. Walther Schroeder (damals Ila im Stv. Gen. Kdo II. A. K.) an den Vers. 9. Nov. 1964. Schroeder hatte schon im Juni 1944 bei einem Herrenabend des Wehrkreiskommandos im Artilleriekasino in Stettin von dem Ende August als Beteiligten der Verschwörung hingerichteten Oberst Friedrich Jäger, dem Kommandeur der Panzer-Ersatz-Truppen II und XXI in Gnesen, eine ähnliche Andeutung erhalten, die er aber damals nicht verstanden hatte: in wenigen Wochen werde alles besser sein, da sei man über den Berg.

  12. Kienitz a. a. O„ S. 6— 7; [Werner] Kienitz, Bemerkungen zu den Bemerkungen des Herrn Oberst Staudinger über meine Ausarbeitung „Der Wehr-kreis II vor dem Zusammenbruch des Reiches“ (mit eingeschalteten Zusätzen von Staudinger) [Ms], Hamburg 1954, BA Ost-Dok. 8 Po 22, Bl. 2.

  13. Staudinger an den Vers.

  14. Hans-Heinrich Staudinger, Bemerkungen zur Niederschrift von Herrn Gen. Kienitz: „Der Wehr-kreis II vor dem Zusammenbruch des Reiches" [Ms], Schönböcken bei Lübeck 1954, BA Ost-Dok. 8 Po 22, S. 4; Schroeder an den Vers.

  15. Ausfertigung der Walküre-Pläne vom 31. Juli 1943 mit Zusatz vom 6. Okt. 1943 im Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg i. Br. WK XVII/99; KB, S. 160— 66; 20. Juli 1944, 1. u. 2. Ausl, bearb. v Hans Royce, neubearb. u. erg. v. Erich Zimmermann u. Hans-Adolf Jacobsen, hrsg. v. d. Bundeszentrale f. Heimatdienst, Bonn 19614, S. 80 bis 87.

  16. Kienitz, Wehrkreis II, S. 7; Staudinger, Bemerkungen, S. 2; Kienitz, Bermerkungen, Bl. 1.

  17. Staudinger, Bemerkungen, S. 3; Staudinger an den Vers.

  18. Staudinger an den Vers.; Oberst von Uechtritz (damals Kommandeur der Nachrichtentruppen im Wehrkreis II) an Staudinger 2. Juni 1954, im Besitz von Oberst Staudinger und im BA, Ost-Dok. 8 Po 22; Postoberamtmann Karl Kuhnert (damals im Stabe des Chefs des Heeresnachrichtenwesens) an den Vers. 1. Dez. 1964.

  19. KB, S. 65— 66. Der ursprünglich erste Satz lautete: „Der Führer Adolf Hitler ist tot." Er wurde gestrichen, ehe das Fernschreiben an die Wehrkreise hinausging, (KB, S. 63). Gleichwohl berichten hie und da Stabsoffiziere der Wehrkreise, so Stau-dinger, das Schreiben habe auch die Mitteilung von Hitlers Tod enthalten. Der Widerspruch wird sich nicht mehr ganz klären lassen, zumal die anderen Zeugen, durch deren Hände das Schreiben ging — Uechtritz, Karau, Kienitz — gestorben sind. In der Meldung des Chefs der Amtsgruppe WNV im OKW, Generalleutnant Fritz Thiele, vom 22. Juli 1944 über die Vorgänge am 20. und 21. Juli in der Nachrichtenzentrale in der Bendlerstraße heißt es, der Satz sei gestrichen worden und erst dann, ab 17. 35 Uhr, sei das Schreiben abgesetzt worden. Auf einer Abschrift aber, die dem Kaltenbrunner-Bericht" vom 31. August 1944 beilag (BA, EAP 105/24 Bl. 80 ff.), findet sich der Absetzvermerk „ 16. 45 Uhr" mit Angabe der Adressen, und dieselbe Zeit ist bei der in KB, S. 65— 66 abgedruckten Abschrift angegeben. Die Zeit 16. 45 Uhr bezieht sich vermutlich auf die Überbringung des Schreibens an die Zentrale durch Hauptmann Klausing (vgl. KB. S. 63). Ferner ist anzunehmen, daß der Befehl zusammen mit der Rundfunkmeldung über das Attentat sich in der Erinnerung der Zeugen zu der Version verband, es sei tatsächlich Hitlers Tod behauptet worden, was ja auch durchaus naheliegt und ursprünglich beabsichtigt war. Etwa um 18. 30 Uhr, also wohl nach der Verbreitung der Rundfunknachricht, war das Schreiben, diesmal aber mit der Behauptung, Hitler sei tot, nochmals in die Zentrale gegeben, von dort jedoch nur schleppend und nur an Marine-und Luftwaffendienststellen weitergeleitet worden (KB, S. 63— 64). Schließlich gaben die Verschwörer ab 19. 45 Uhr ein kurzes Fernschreiben heraus, in dem sie lediglich der Rundtunknachricht von Hitlers überleben widersprachen. Dieses Fernschreiben ist an alle Wehrkreise und Oberbefehlshaber abgesetzt worden. In KB, S. 70, ist eine Version abgedruckt, die nur an die WK XI—XIII, XVII und XVIII gerichtet gewesen zu sein scheint;

  20. Unter ein weiteres Fernschreiben setzten die Verschwörer ebenfalls noch Fromms Namen; aber zwei Stunden später gab Witzleben bekannt, er habe Generaloberst Hoepner zum „Oberbefehlshaber im Heimatkriegsgebiet" ernannt (KB, S. 66 bis 69).

  21. Staudinger, Bemerkungen, S. 3.

  22. Ebenda; Kienitz, Bemerkungen, Bl. 1.

  23. Staudinger, Bemerkungen, S. 3; Kienitz, Bemerkungen, Bl. 2.

  24. Staudinger, Bemerkungen, S. 3; Staudinger an den Vers.; KB, S. 63, 66— 67; vgl. Version mit Absetzvermerk im BA, EAP 105/24, Bl. 91— 93.

  25. KB, S. 63— 64; Generalmajor a. D. Kurt Haßei (damals als Oberst Chef der Amtsgruppe Nachrichtenwesen im OKH), mündliche Mitteilungen an den Vers, vom 11. Dez. 1944, Niederschrift im Besitz des Vers., S. 12.

  26. KB, S. 63.

  27. KB, S. 66— 67

  28. Staudinger, Bemerkungen, S. 3— 4.

  29. Staudinger, Bemerkungen, S. 4} Uechtritz an Staudinger.

  30. Schubert an den Vers. 30. Sept 1964. Staudinger, Bemerkungen, S. 4; auch Uechtritz erinnert sich, schon zwischen 19. 00 und 20. 00 Uhr mit Schubert telefoniert zu haben.

  31. Staudinger, Bemerkungen, S. 4.

  32. Uechtritz an Staudinger, auch zum Folgenden.

  33. Kienitz, Wehrkreis II, S. 7— 8, auch zum Folgenden.

  34. Kienitz, Bemerkungen, Bl. 1— 2.

  35. Kienitz erkannte an, daß Staudinger nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe und daß ihm seine Entschlüsse dadurch erleichtert worden seien, daß er unorientiert geblieben war; aber er hat Staudinger seine große Selbständigkeit doch etwas übelgenommen. Er schreibt: „Richtig war es trotzdem nicht." Staudinger bekundete sein Verständnis dafür, daß Kienitz mit der Handlungsweise seines Chefs nicht ganz einverstanden war, fand aber, daß ihm der Verlauf recht gegeben habe (Kienitz, a. a. O., Bl. 1— 2).

  36. Staudinger, Bemerkungen, S. 3; Kienitz, Bemerkungen, Bl. 1.

  37. Kienitz, Wehrkreis II, S. 8

  38. Staudinger an den Vers.

  39. KB, S. 63— 64, 70, 77; ferner die Fernschreiben mit Absetzvermerken im BA, EAP 105/24, Bl. 94; vgl. EAP 105/31, Bl. 176.

  40. Kienitz, Bemerkungen, Bl. 1; Schubert an den Vers. Ob Staudinger und Schubert noch die beiden Fernschreiben oder eines davon abgewartet haben, ist beiden nicht mehr erinnerlich, jedoch unter den Umständen auch belanglos.

  41. Kienitz, Wehrkreis II, S. 8; Kienitz, Bemerkungen, Bl. 1; Schubert an den Vers.

  42. Kienitz, Wehrkreis II, S. 8; KB, S. 69, 108.

  43. Ebenda; IMT XXXIII, 413— 14.

  44. Kienitz, Wehrkreis II, S. 8.

  45. Ebenda; Staudinger, Bemerkungen, S. 4.

  46. KB, S. 75; vgl. KB, S. 64.

  47. Der Zeitpunkt, zu dem Keitels Fernschreiben im Wehrkreiskommando vorlag, läßt sich nicht mehr ermitteln, da sich die Beteilgten nicht mehr genau erinnern. Staudinger glaubt, daß das Keitelsehe Fernschreiben schon da war und daß er es als allererstes dem Befehlshaber vorlegte; es trägt aber den Absetzvermerk „ 20. 20 Uhr" (KB, S. 75), und nach dem Bericht der Nachrichtenzentrale im Bendlerblock, der allerdings nur noch als Abschrift existiert (was in KB, S. 63, nicht angegeben ist; vgl. BA, EAP 105/24, Bl. 117— 117), wäre der Befehl sogar erst um 20. 35 Uhr in der Berliner Vermittlung eingegangen und nach Rückfragen beim Chef der Zentrale und bei General Olbricht erst ab 21. 25 Uhr abgesetz worden. Es ist also möglich, daß Staudinger entweder den Keitelschen Anruf bei Kienitz oder die Radionachricht mit dem späteren Fernschreiben verwechselt hat. Von Keitel oder von einem seiner Adjudanten ist Staudinger selbst nach seiner Erinnerung nicht angerufen worden, ehe er zu Kienitz ging.

  48. Staudinger, Bemerkungen, S. 4.

  49. Kienitz, Wehrkreis II, S 8— 9, auch zum Folgenden; ferner Kienitz, Bemerkungen, Bl 2.

  50. Kienitz, Wehrkreis H, S 9; Staudinger, Bemerkungen, S. 4; Uechtritz an Staudinger; Generalmajor Siegfried von Stülpnagel an den Vers. 7. April 1965.

  51. Uechtritz an Staudinger.

  52. Ebenda; vgl. KB, S. 63— 64. Die Zusätze sprechen dafür, daß der erste Satz des Fernschreibens, in dem Hitlers Tod behauptet wurde, mit abgesetzt worden ist.

  53. Kienitz, Wehrkreis II, S. 9; Staudinger, Bemerkungen, S. 5. -

  54. Kienitz, Wehrkreis II, S. 9; Kienitz, Bemerkungen, Bl. 3, -Staudinger, Bemerkungen, S. 5.

  55. Ebenda.

  56. Kienitz, Bemerkungen, Bl. 3; Staudinger, Bemerkungen, S. 5.

  57. Kienitz, Wehrkreis II, S. 9.

  58. Kienitz, Bemerkungen, Bl. 3; Kienitz, Wehrkreis 11, S. 9.

  59. Kienitz, Bemerkungen, Bl. 3.

  60. Staudinger, Bemerkungen, S. 5; Kienitz, Bemerkungen, Bl. 3.

  61. KB, S. 68, 63.

  62. KB, S. 69, 64.

  63. KB, S. 64.

  64. Ebenda. Staudinger glaubt sich, wie erwähnt, zu erinnern, daß ihn ein schriftlicher Gegenbefehl Keitels schon vor 20. 00 Uhr vorgelegen und daß er diesen dem Befehlshaber als ersten, weil maßgebenden, vorgelegt hat.

  65. KB, S. 64— 65, 76.

  66. KB, S. 65, 76.

  67. Kienitz, Wehrkreis II, S. 9; Staudinger, Bemerkungen, S. 5.

  68. Kienitz, Bemerkungen, Bl. 3; Staudinger, Bemerkungen, S. 6.

  69. Staudinger an den Vers. 12. Feb. 1965.

  70. Kienitz, Wehrkreis II, S. 10; Bemerkungen, Bl. 3.

  71. Kienitz, Wehrkreis II, S. 10; Staudinger, Bemerkungen, S. 6.

  72. Ebenda.

  73. Kienitz, Wehrkreis II, S. 10; Staudinger, Bemerkungen, S. 6; Kienitz, Bemerkungen, Bl. 3.

  74. Kienitz, Wehrkreis II, S. 10.

  75. Kienitz, Wehrkreis II, S. 11; vgl. Hoffmann, Zum Ablauf des Staatsstreichversuches, S. 389, 392.

  76. Schubert an den Vers. 8. Feb. 1965.

Weitere Inhalte

Peter C. Hoffmann, Dr. phil., Dozent für deutsche und europäische Geschichte an der University of Maryland, geb. 1930 in Dresden. Veröffentlichungen u. a.: Zu dem Attentat im Führerhauptquartier „Wolfsschanze" am 20. Juli 1944, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 12 (1964), H. 3; Zum Ablauf des Staatsstreichversuches am 20. Juli 1944 in den Wehrkreisen, in: Wehrwissenschaftliche Rundschau 14 (1964), H. 7. Ein Buch über die Geschichte des 20. Juli 1944 erscheint Ende 1965.