Staatliche Mitfinanzierung der Parteien ist keine spezifisch deutsche Erscheinung wohl aber, soweit zu sehen ist, die Tatsache, daß dieses Phänomen in den Bereich des Verfassungsrechts hineinragt. Dazu hat die Besonderheit des deutschen Verhältnisses zu den politischen Parteien ebenso beigetragen wie die oft erwähnte Tatsache, daß der Grundgesetzgeber, hier dem öffentlichen Bewußtsein weit voraus, eine „Anerkennung" der Parteien in Art. 21 GG vollzogen hat. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in starkem Ausmaß dazu geholfen, daß Art. 21 GG nicht als ein voreiliger, um nicht zu sagen, vorlauter Zungenschlag eines von Parteien infizierten Verfassungsgebers verstanden werden konnte, sondern weithin politische Realität geworden ist. Dazu gehört auch ein gewisser Einfluß der Rechtssprechung des BVerfG auf den Zug zu einer staatlichen Mitfinanzierung der Parteien. Das dürfte mit dem Urteil des BVerfG vom Dezember 1968 3) einen gewissen Abschluß erreicht haben. Die, der Natur eines Gerichtes entsprechend, mindestens was die Initiative angeht, mehr unwillkürlichen Einwirkungen des Gerichts auf Art und Ausmaß staatlicher Gewährungen an die Parteien beginnen mehr als zehn Jahre vor diesem vorerst letzten Parteienfinanzierungsurteil; der Beitrag des BVerfG zur Entwicklung des Parteienbildes des Grundgesetzes ist älter
Bereits die erste zunächst nur mittelbare monetäre Gewährung des Staates in Gestalt der Ende 1954 eingeführten Steuerbegünsti-gung von Spenden für politische Parteien führte zu einem Rechtsstreit vor dem BVerfG. Auf ein von der hessischen Landesregierung angestrengtes Normenkontrollverfahren hin wurde mit Urteil vom 24. Juni 1958 die Steuerbegünstigung von Zuwendungen an Parteien als verfassungswidrig und die einschlägigen Gesetzesbestimmungen für nichtig erklärt, da wegen der Steuerprogression der vom Staat übernommene Anteil an der jeweiligen Spende wachse. Dies bedeute eine Ungleichbehandlung des einzelnen Bürgers und eine Verletzung der Chancengleichheit der Parteien. Das Gericht ging hierbei von der Abnahme aus, daß sich die einkommenskräftigen und spendenwilligen Kreise nicht gleichmäßig, sondern in einseitiger Uberhängbildung auf die politischen Richtungen verteilten. Am 21. Februar 1957 war bereits ein Beschluß des BVerfG ergangen, der die Bestimmungen der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung vom 21. Dezember 1965 wegen Verstoßes gegen die Chancengleichheit der Parteien für nichtig erklärte, in der die Steuerbegünstigung auf im Bundestag oder in einem Landtag mit mindestens einem Abgeordneten vertretene Parteien beschränkt wurde
Die ersten direkten Zuschüsse
Das Urteil, dem nachgesagt wird, daß es erheblichen Einfluß auf den Spendeneingang und darüber hinaus auf die Bewegungsfähigkeit der „bürgerlichen" Parteien CDU/CSU und FDP gehabt habe, enthielt als Leitsatz den Hinweis, daß es zulässig sei, „für die die Wahlen tragenden politischen Parteien finanzielle Mittel von Staats wegen zur Verfügung zu stellen" Die Parteien konnten sich hiervon gedeckt fühlen, als im Haushaltsplan 1959 zum ersten Male ein Betrag von 5 Millionen DM aufgebracht wurde, der auf die im Bundestag vertretenen Parteien „zur Fördetung der politischen Bildungsarbeit" zu verteilen war. Die Summe steigerte sich 1962 auf 20 Millionen DM und auf 38 Millionen DM ab Haushaltsjahr 1965, wobei man auf die frühere Zweckbindung an die „politische Bildungsarbeit" verzichtete und nur noch vermerkte: „Sondermittel für die Aufgaben der politischen Parteien nach Art. 21 GG"
Die staatliche Parteienfinanzierung, an der nur die im Bundestag vertretenen Parteien teilnahmen, löste zunächst verfassungsrechtliche Angriffe von Parteien aus, die diese Bedingung nicht erfüllten und die insofern leer ausgingen. Die Gesamtdeutsche Partei (GDP) erhob Organklage wegen ihrer Nichtbeteiligung mit Bezug auf den entsprechenden Haushalts-titel im Bundeshaushalt 1962. Die Bayernpartei (BP) tat das gleiche wegen des Haushalts-planes 1964, die Nationaldemokratische Partei (NPD) wegen des Haushaltsplanes 1965. Neben diesen auf die Rüge verletzter Chancengleichheit gestützten Organklagen trat im Mai 1965 ein von der hessischen Landesregierung angestrengtes Normenkontrollverfahren, das auf die Feststellung der Nichtigkeit des Bundeshaushaltsplans für 1965 abzielte, „soweit im Einzelplan 06 Kapitel 02 Titel 612 ein Betrag von 38 Millionen DM für die Aufgaben der Parteien nach Art. 21 des Grundgesetzes bereitgestellt wird". Die hessische Landesregierung begründete ihren Antrag vor allem damit, daß die nur auf Haushaltsgesetz beruhende, einen Anspruch nicht begründende, die Verwendung der Mittel nicht bindende und der Ausgabenkontrolle entbehrende staatliche Subventionierung der Parteien die in Art. 21 Abs. 1 GG geforderte Freiheit der Parteien verletze. Die Parteien hätten das verfassungsmäßige Recht der Einwirkung auf das „staatliche Amtersystem". Dieser Prozeß dürfe nicht umgekehrt werden, indem besagtes Ämtersystem durch regellose, ihm nicht verpflichtend aufgegebene Zahlungen Einfluß auf die Parteien gewinne Die NPD hat den Kurs ihrer Prozeßführung offensichtlich von der hessischen Haltung stark beeinflussen lassen. Sie wandelte ihren Antrag im Sinne der generellen Ablehnung der staatlichen Parteienfinanzierung ab und ging mit einem solchen Haupt-antrag und einem Hilfsantrag im ursprünglichen Sinne (Rüge der Verletzung der Chancen-gleichheit) in das Verfahren
Am 19. Juli 1966 ergingen die Urteile des BVerfG. Dem hessischen Normenkontroll-Antrag wurde stattgegeben Die Organklagen der auf Beteiligung streitenden Parteien wurden dahin beschieden, d Juli 1966 ergingen die Urteile des BVerfG. Dem hessischen Normenkontroll-Antrag wurde stattgegeben 16). Die Organklagen der auf Beteiligung streitenden Parteien wurden dahin beschieden, daß eine Verletzung der Chancengleichheit aus der Nichtbeteiligung an verfassungswidrigen Zahlungen aus Haushaltsmitteln nicht hergeleitet werden könne, wohl aber darin zu sehen sei, daß „bestimmte andere Parteien staatliche Zuschüsse erhielten, die allen Parteien von der Verfassung grundsätzlich verwehrt werden" 17). Das Hessen-Urteil enthielt neben der Untersagung der bis dahin praktizierten staatlichen Parteienfinanzierung aber auch den inzwischen berühmt gewordenen und folgenreichen Hinweis darauf, daß es verfassungsrechtlich gerechtfertigt erscheine, den Parteien wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Wahlen „die notwendigen Kosten eines angemessenen Wahlkampfes von Staats wegen zu ersetzen" 18).
Kritik am Juliurteil
Das Urteil hat vielerlei Kritik ausgelöst. Einmal war der Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung augenfällig 19). Die politischen Parteien waren aus begreiflichen Gründen nicht erfreut. Die Kritiker der staatlichen Parteienfinanzierung, von denen mancher wohl von der traditionellen, aus obrigkeitsstaatlicher und altliberaler Ideologie stammenden Parteienfeindschaft nicht ganz frei war, zeigten die düpierten Gefühle dessen, dem mit der einen Hand Recht gegeben und dem es mit der anderen wieder genommen wird. Die wissen-schaftliche Kritik konzentrierte sich einmal — in mehr theoretischer Richtung — darauf, daß das Urteil von einer überholten Vorstellung reinlich voneinander zu scheidender staatlicher und gesellschaftlicher Sphären ausgehe 19a). In mehr konkreter Hinsicht richtete sich die Kritik darauf, daß das Urteil einerseits von einer Gefahr für die Unabhängigkeit der Parteien durch staatliche Geldzuwendungen ausgehe, andererseits aber diese Geldzuwendungen gerade dann zulassen wolle, wenn die Einwirkung der Parteien auf den Staat ihren kritischen Kulminationspunkt erlange, nämlich in der unmittelbaren Vorbereitungsphase der Wahlen
Anstoß für das Parteiengesetz
Wie durchaus nicht anders zu erwarten, haben die Parteien, die durch die Stornierung der staatlichen Subventionen in direkte Geldnot gestürzt worden waren, die Hinweise des Bundesverfassungsgerichts befolgt. Als geeignete Lafette bot sich das seit langem fällige und seit kürzerer Zeit in Vorbereitung begriffene Parteiengesetz an. Es wurde am 24. Juli 1967 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am Tage darauf in Kraft. Es regelt in seinem vierten Abschnitt (§§ 18 bis 22) die „Erstattung von Wahlkampfkosten". Diese werden mit 2, 50 DM pro Wahlberechtigten und Wahlperiode pauschaliert. Die Gesamtsumme wird auf die Parteien nach dem Verhältnis der von ihnen erzielten Zweitstimmen verteilt. Parteien, die im Wahlgebiet nicht 2, 5 Prozent der abgegebenen gültigen Zweitstimmen erreicht haben, gehen leer aus. Auf die einer Partei zustehende Wahlkampfkostenerstattung können Abschlagszahlungen geleistet werden: bis zu 10 Prozent im zweiten und bis zu 15 Prozent im dritten Jahre der Wahlperiode sowie 35 Prozent im Wahljahr selbst. Die Abrechnung erfolgt nach den Wahlen und fußt auf deren Ergebnis, während die Höchstgrenze der Abschlagszahlungen nach einer angenommenen Summe berechnet wird, die sich aus dem Ergebnis der Wahlen zuvor ergibt.
Ferner konkretisiert das Parteiengesetz das Verfassungsgebot, daß die Parteien „über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben" müssen dergestalt, daß Spenden mit Namen des Spenders nachgewiesen werden müssen, wenn sie 20 000 DM pro Jahr übersteigen; bei juristischen Personen als Spendern liegt die Grenze bei 200 000 DM. Weiter führt das Parteiengesetz die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Parteien wieder ein, allerdings mit einer Obergrenze bis zu 600 Mark (bei zusammen veranlagten Verheirateten bis zu 1200 DM) jährlich. Es sieht schließlich vor, daß die sich für die Monate September und Oktober 1966 ergebenden Beträge der Wahlkampfkostenpauschale für die Bundestagswahl 1965 nachträglich zu erstatten seien.
Fünf Parteien klagen
Gegen diesen Kranz von Finanzierungsbestimmungen wandten sich alsbald fünf kleine Parteien in erneuten Verfassungsklagen. Die Klagen waren gegen den Bundestag und den Bundesrat gerichtet, welche mit dem Erlaß einzelner Bestimmungen des Parteiengesetzes gegen das Grundgesetz verstoßen hätten. Kläger waren die NPD die Bayerische Staatspartei (BStP) die Europäische Föderalistische Partei (EFP) die Deutsche Friedens-union (DFU) und der Bund der Deutschen (BdD) Am 16. und 17. Juli 1968 ist über die Klagen gemeinsam mündlich vor dem 2. Senat des BVerfG verhandelt worden. Am 17. Oktober wurden die Klagen von DFU und BdD als unzulässig abgewiesen. Die Klage der DFU wurde als formwidrig angesehen, da ihr nicht innerhalb der bei Organklagen vorgeschriebenen Frist von sechs Monaten nach dem Bekanntwerden der beschwerenden Maßnahme (wobei bei Gesetzen das Verkündungsdatum anzunehmen ist) die geforderte Begründung beigegeben worden sei. Rechtsgutachten der Professoren Zweigert und Flechtheim, die die DFU zum Gegenstand ihres eigenen Vortrages gemacht hatte, wurden als „Begründung" nicht anerkannt, da sie gleichfalls erst nach dem Ablauf der Sechsmonatsfrist eingegangen seien. Auch der in der mündlichen Verhandlung gestellte neue Antrag wurde als verspätet angesehen Die Klage des BdD wurde als unzulässig abgewiesen, weil diese Gruppe, die sich zuletzt an den baden-württembergischen Landtagswahlen vom 15. Mai 1960 beteiligt hatte, nach § 2 des Parteiengesetzes die Rechtsstellung als politische Partei verloren habe, die einer Gruppe abgeht, die sich binnen sechs Jahren weder an einer Bundestags-noch an einer Landtagswahl beteiligt hat. Der BdD habe danach die Fähigkeit verloren, seine Rechte im Organstreit geltend zu machen
Die Urteile in den Verfahren der drei übrigen Parteien sind am 3. Dezember 1968 verkündet worden
Die Klagen der fünf Parteien decken sich teilweise. Sie hatten in unterschiedlichem Ausmaß das Formalproblem gemeinsam, daß die Zulässigkeit zweifelhaft sein konnte. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (erhärtet mit Plenarbeschluß vom 20. Juli 1954 sind die politischen Parteien darauf verwiesen, die Verletzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit dem Wahlverfahren und darüber hinaus im Umkreis ihrer Mitwirkungsfunktion bei der politischen Willensbildung des Volkes nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG im Wege des Organ-streits geltend zu machen. Dazu gehört aber, daß solche Rechte durch Handlungen oder Unterlassen des Antragsgegners berührt, daß die Parteien durch jene beschwert werden Dies wird teilweise in den Klageschriften nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt — womit sich die Fristfrage 33a) ergeben könnte — behauptet und begründet.
Das Bundesverfassungsgericht hat seinen Spielraum, der sich bei der Beurteilung der Zulässigkeitsfrage dadurch ergibt, daß eine Forcierung des Gesichtspunktes der aktuellen Beschwer der klagenden Partei praktisch die Frage der Zulässigkeit mit der des Begründet-seins zusammenfallen läßt genutzt und ist so, was verfassungspolitisch begrüßenswert ist, in allen wesentlichen Punkten zu einer Entscheidung in der Sache gekommen. Vor allem bei dem ersten Punkt der Klage der NPD — die insoweit deutlicher als die der anderen Kläger war —, in der Frage der Methode der Pauschalierung der Wahlkampfkostenerstattung und ihrer Höhe hätten sich Schwierigkeiten hinsichtlich der Zulässigkeit denken lassen, auf die der Prozeßvertreter des Bundestages, Professor Dr. Ulrich Scheuner, intensiv abgehoben hat. Das Gericht hat im Anschluß an die Neben-Urteile vom 19. Juli 1966 die Beschwer der NPD von daher als gegeben angesehen, daß andere Parteien möglicherweise verfassungswidrige Zuwendungen erhalten hätten. Die Entscheidung des Gerichts bejaht die Pauschalierung, indem auf ihre Zweckmäßigkeit und auf die Unzulässigkeit jeder denkbaren anderen Methode abgehoben wird
Pauschalierung — der einzige Weg
Geht man von der Zulässigkeit einer Wahlkampfkostenerstattung aus, scheint die Pauschalierung in der Tat der einzige gangbare Weg zu sein. Eine reale Kostenerstattung gegen Nachweis — an die das Gericht in seinem Urteil vom 19. Juli 1966 möglicherweise gedacht hat; jedenfalls deuten die Bemerkungen über die Trennbarkeit der Wahlkampfausgaben von den übrigen Kosten darauf hin — würde zur Folge haben, daß eine bestimmte Instanz zu entscheiden hätte, ob etwa ein Ausgabenbeleg als erstattungsfähig, weil Wahlkampfausgaben betreffend, anzuerkennen sei oder nicht. Eine „politische" Instanz (etwa der Bundestagspräsident) dürfte dafür aus Gründen der „Befangenheit" nicht in Frage kommen. Eine Instanz aus dem „Bereich der institutionalisierten Staatlichkeit", auf den die Parteien einzuwirken haben und nicht umgekehrt einzuschalten, müßte eben wegen der von dem Urteil vom 19. Juli 1966 besonders betonten Notwendigkeit der Unabhängigkeit der Parteien untersagt sein. Außerdem würde eine reale Kostenerstattung die Parteien durch Konkurrenzerwägungen veranlassen, ihre Ausgaben ungemein zu steigern. Dem ein „Halt" zu sagen, wäre eine politisch ungewöhnlich schwierige Aufgabe für das BVerfG wegen seiner Einordnung in den „politischen Prozeß"; ob das BVerfG überhaupt in die Lage käme, gegenüber einer solchen Entwicklung seinem Begriff vom „angemessenen Wahlkampf" eine einengende Interpretation zu geben, wäre vorab eine prozessuale Frage.
Was sind „Wahlkampf-Kosten"?
Damit ist nichts darüber ausgesagt, ob die Pauschale von 2, 50 DM, bei der sich der Gesetzgeber an den Kosten des Wahlkampfes von 1965 orientiert hatte, zu hoch angesetzt ist, wie die NPD behauptet. Der Vertreter des Bundestages hat demgegenüber auf die mutmaßlichen Kostensteigerungen hingewiesen, vor deren Hintergrund sich die Pauschale zunehmend als sparsam erweisen werde. Die NPD hat mit Zahlenzusammenstellungen operiert, wonach die Gesamtsumme der den Parteien in Bund und Ländern — nach Erlaß von Landes-Wahlkampfkostenerstattungs-Gesetzen — zufließenden Beträge jetzt auf vier Jahre bezogen höher sei als zu den Hoch-Zeiten der gesetzlich nicht geregelten staatlichen Parteienfinanzierung aus Haushaltsmitteln Das ist jedenfalls kein rechtlich zwingendes Argument; es ist durchaus zulässig, daß „Wahlkampfkosten" insgesamt, auf Bund und Länder zusammengerechnet, höher sind als die früheren staatlichen Parteien-Subventionen Dies ist eine Frage der realen Auseinanderrechnung von Wahlkampfausgaben und anderen Ausgaben der Parteien. Es dürfte unrealistisch sein, unter Wahlkampf-ausgaben, konkret gesagt, nur Plakatkosten und dergleichen zu verstehen, und vom „Apparat" der Parteien und seiner Arbeit nichts mit einzurechnen. Nicht nur, daß heute schon die Analysen direkt nach einer Wahl als Vorbereitungshandlungen für den nächsten Wahlkampf zu werten sind; es ist auch kaum zu bestreiten, daß (worauf der Vertreter des Bundestages wiederholt hinwies) den Parteien nicht zugemutet werden kann, einen Wahlkampf-Apparat ein paar Wochen vor der Wahl aus dem Nichts sich materialisieren zu lassen, um ihn unmittelbar darauf wieder, zu neuerlicher Wiederbelebung nach vier Jahren, verschwinden zu lassen. Außerdem gilt, daß je mehr die Parteien als Wahlvorbereitungsorganisationen gesehen werden, um so mehr von ihren Ausgaben insgesamt als „Wahlkampfkosten" betrachtet werden dürfen.
Das Urteil vom 3. Dezember 1968 zieht hier eine Konsequenz aus dem Urteil von 1966, in dem es dessen die wahlvorbereitende Tätigkeit der Parteien eingrenzenden Sätze im Sinne des „traditionellen" Parteibegriffes des BVerfG interpretiert, etwa mit den Sätzen: „Mithin beginnt der Wahlkampf nicht erst in dem Augenblick, in dem die Aktivbürger durch die Werbung der Parteien unmittelbar auf ihn aufmerksam gemacht werden. Auch die langfristigen Wahlvorbereitungen sind für den Wahlkampf unerläßlich" Indem das BVerfG sagt, der Gesetzgeber sei berechtigt gewesen, „aus der Angemessenheit des Bundestagswahlkampfes 1965 auf die Notwendigkeit der Wahlkampfkosten einen Rückschluß zu ziehen", schiebt es die beiden Begriffe zusammen und orientiert sie an einem äußeren Bezugspunkt. Auf diese Weise wird unauffällig die Vorstellung beseitigt, daß beide Kriterien je von irgendeiner dazu berufenen Instanz auf die tatsächlichen Wahlkampfgebarungen anzuwenden seien. Die so auch in ihrer Höhe bestätigte Pauschale wird unter der die clausula rebus sic stantibus einführenden Formel „nach der gegenwärtigen Rechtslage" als eine obere Grenze fixiert.
Umstrittener Verteilungsschlüssel
Die NPD hatte, vermutlich in Sorge um die Zulässigkeit ihres Antrages, diesem am 9. Oktober 1967 einen Hilfsantrag folgen lassen, in dem sie zusätzlich behauptet, daß sie „durch den Verteilungsschlüssel erheblich benachteiligt" worden sei. Hier war die Aktivlegitimation der klagenden Parteien auf Grund ihrer aktuellen Beschwer ohne weiteres anzunehmen; ohne daß dies deutlich herausgearbeitet worden wäre, hat wohl das BVerfG die Frage der Zulässigkeit der Klage wegen der Pauschalierung von der Nichtbeteiligung sämtlicher klagender Parteien an den Staatsmitteln her als positiv beeinflußt gesehen.
Den Verteilungsschlüssel (§ 18 Parteiengesetz) hatten in unterschiedlicher Deutlichkeit und Spezifikation sämtliche klagenden Parteien gerügt. Als Gegenstand der Beschwerde bietet sich zunächst die 2, 5-Prozent-Sperrklausel für die Berücksichtigung bei der Wahlkampfkostenerstattung an. Zwar hat der NPD-Vorsitzende von Thadden nach der Urteilsverkündung behauptet, diese Klausel habe er gar nicht angegriffen. Doch muß der Hilfsantrag der NPD so ausgelegt werden, daß er jedenfalls die die Partei am sichtbarsten beschwerende Kernbestimmung des Verteilungsschlüssels, also die Prozentklausel, meine. Gegen diese wandte sich ausdrücklich der (am 17. Oktober 1968 abgewiesene) Antrag der DFU sowie der gleichlautende und gleichzeitig abgewiesene des BdD Die Rechtsgutachten der Professoren Zweigert und Flechtheim, die die DFU in Auftrag gegeben hatte, äußern sich zur Frage der Prozentklausel unterschiedlich. Während Zweigert den Satz von 2, 5 Prozent für angemessen erklärt sieht Flechtheim hier „erhebliche Bedenken" Die EFP greift in ihrem Antrag den § 18 pauschal an, da „auch Parteien, die weniger als 2, 5 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen, einen Wahlkampf geführt haben, also genauso wie alle anderen ihrer Aufgabe als Partei nachgekommen sind. ... Es ist mehr als fragwürdig, sie von der Erstattung ihrer Wahlkampfkosten auszuschließen". Die BStP geht lediglich in der Begründung ihres Antrags, der den § 18 nicht nennt, kritisch auf die Sperrklausel ein. Die NPD ist erst mit dem Vortrag ihres Prozeßvertreters, Rechtsanwalt Freiherr von Stackeiberg, unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit in der mündlichen Verhandlung auf die Frage der Prozentklausel eingegangen
Verletzte Chancengleichheit
Das Gericht mußte die Prozentklausel beurteilen unter dem Gesichtspunkt der Abwägung zwischen der von ihm in ständiger Rechtsprechung betonten und auch im Urteil vom 19. Juli 1966 bekräftigten Zulässigkeit der Differenzierung zwischen den Parteien nach ihrer Bedeutung und dem Satz aus eben diesem Urteil, wonach die Geldsperrklausel „erheblich unterhalb der 5 v. H. -Grenze liegen" müsse.
Konkret lief das auf die Frage hinaus, ob die in einer Sperrklausel liegende intensive Abweichung von der Chancengleichheit, die nicht mehr parallel mit einer Differenzierung nach der Bedeutung geht, sondern sozusagen zur Nicht-Berücksichtigung abknickt, von einem „besonderen zwingenden Grund" gerechtfertigt wird, den das Urteil vom 19. Juli 1966 — im Einklang mit früherer Rechtsprechung — verlangt Dieser besondere zwingende Grund könnte in zweierlei gesehen werden: in dem Ziel der Eindämmung der Parteienzersplitterung und in dem Zwang zur Inhibierung von Scheingründungen, die lediglich zum Zwecke der Geldeinvernahme erfolgen. Für die Gestaltung des Wahlrechts gibt es den ein Abweichen von der Chancengleichheit rechtfertigenden zwingenden Grund der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Parlaments durch Abwehr von Splittergruppen. Im Bereich vor den Wahlen kann es diesen zwingenden Grund nicht geben, weil das den betroffenen Parteien die Gelegenheit zur Erprobung versperren würde Hier kommt das Abschirmen der stimulierenden Wirkung der Staatsgelder auf Parteigründungen in Frage. Die Wahlkampfkostenerstattung kann, wie das Gericht formuliert, an die Voraussetzung der „Ernsthaftigkeit" von Parteien geknüpft werden. Diese sieht das Gericht bei einer Stimmenzahl von mindestens 0, 5 Prozent (= ungefähr 170 000 Stimmen) für gegeben an; von da an abwärts darf der Gesetzgeber bei der Zuteilung von Wahlkampfmitteln mit Sicherheit von der Chancengleichheit abweichen
Ein weiterer Gesichtspunkt, auf den das Gericht nicht weiter eingegangen ist, ist der, daß die 2, 5-Prozent-Geld-Sperrklausel in der Regel neue Parteien von der Wahlkampfkostenerstattung ausschließt, da diese den bisherigen Erfahrungen nach kaum im ersten Anlauf einen entsprechenden Anteil an der Gesamtstimmenzahl erreichen Das gilt, wenn auch gemildert, ebenfalls für eine künftige 0, 5-Prozent-Klausel 52a). Eine Erschwerung für neue Parteien bedeutet es darüber hinaus, daß das Parteiengesetz (§ 20) Abschlagszahlungen (Vorschüsse) auf die zu erwartende Erstattungssumme ermöglicht. Hiervon haben die bisher berechtigten Parteien, wie zu erwarten, Gebrauch gemacht. Die Vorschüsse werden in Ermangelung eines anderen Maßstabes am Ergebnis der Wahlen zuvor berechnet. Parteien, die in jenen Wahlen nicht 2, 5 Prozent der abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben, kommen nach der ursprünglichen Fassung des Parteiengesetzes nicht in den Genuß von Abschlagszahlungen. Diese Parteien hatten also vorerst nicht die Möglichkeit, den Wahlkampf wenigstens teilweise aus staatlichen Mitteln vorauszufinanzieren 52b).
Das System der Abschlagszahlungen wurde denn auch von seifen der klagenden Parteien als Verletzung der Chancengleichheit gerügt Dabei geschah es, daß die Behauptung der Beschwer sich wandelte in eine allgemeine Polemik gegen das System der Ab-Schlagszahlungen mit der Behauptung, daß die Wahlkampfkostenerstattung hier ihren Pferdefuß als verschleierte Parteifinanzierung der untersagten Art zeige Das führte unmittelbar zu Erörterungen über die Begrenzbarkeit des Wahlkampfes — wozu das BVerfG jetzt eine etwas andere Stellung bezieht als in seinem Urteil vom 19. Juli 1966. Von da aus und in Verbindung wohl mit der Herabsetzung der Prozent-Klausel, die das Gericht in diesem Zusammenhang ausdrücklich noch einmal entscheidet, hat das BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken im System der Abschlagszahlungen gesehen. 56a)
Von wann bis wann ist Wahlkampf?
Für die noch vom 5. Bundestag zu beschließende Änderung des Parteiengesetzes sollte die Auffassung Bedeutung haben, daß sich in der Endabrechnung bei erheblichem Stimmenverlust eine Rückzahlungspflicht ergeben könne (§ 19 Abs. 2 Parteiengesetz), was politisch für die verwaltende Stelle (Bundestagspräsident) die Versuchung der parteiischen Behandlung der Parteien enthalte, verfassungsrechtlich eine erhebliche Einwirkungsmöglichkeit aus dem Bereich der staatlichen Institutionen auf die Parteien bedeute. Dem seien kleine Parteien wesentlich stärker ausgesetzt als die großen, da es bei kleinen Parteien eher denkbar sei, daß sie den für die Begründung einer Rückzahlungspflicht nötigen erheblichen relativen Stimmenverlust erleiden
Der Maßstab für die letzten Wahlen
In einen alten Streit mündet die Frage ein, die in diesem Prozeß zur Erörterung gestanden hat, ob die Bemessung des Wahlkampfkostenersatzes am zurückliegenden Wahlergebnis verfassungsrechtlich zulässig (und politisch förderlich) sei. Das BVerfG hat es als den einzigen denkbaren, der Manipulation unzugänglichen Maßstab bezeichnet und insofern gebilligt, daß die Abschlagszahlungen am zurückliegenden Wahlergebnis orientiert werden. Es ist eine faktisch wohl unlösbare Frage, nach welchem Prinzip staatliche Zuwendungen an Parteien zu verteilen seien Für die Orientierung am Wahlergebnis spricht die Objektivität dieses Maßstabes Dagegen spricht die Tendenz zur Konservierung des je in den letzten Wahlen bestätigten Status guo, nach dem sich die finanzielle Manövriermasse der Parteien direkt proportional errechnet. Daß das Wahlergebnis in den Schlüssel eingehen muß, wird nirgends bestritten. Es ist aber die Frage, ob nicht vor der Aufteilung des Erstattungsbetrages nach den Stimmenzahlen eine bestimmte Summe abzuziehen wäre, die allen Parteien als „Sockelbetrag" zugute zu kommen hätte, wie es Zweigert als „verfassungsnähere Lösung" ansieht Bei der Parteiensubventionierung aus Haushaltsmitteln wurde so verfahren; ein Fünftel der Summe ging an die vier (die CSU zählte als selbständige Partei) im Bundestag vertretenen Parteien zu gleichen Teilen
Ein solches System ließe sich auch bei der Wahlkampfkostenerstattung von der Sache her rechtfertigen. Man darf annehmen, daß ein Wahlkampf, der im Rahmen der heute üblichen Kampagne-Maßstäbe sinnvoll sein soll, eine bestimmte „Grundausstattung" fordert, die weitgehend unabhängig davon zu betrachten ist, wie weit der Werbungsfächer der Partei gemäß ihrer überkommenen Stellung dann aufgeschlagen wird. Dem Bedenken, daß sich bei einem Sockelbetrag ganz kleine Gruppen in den Besitz unverhältnismäßig großer Mittel setzen könnten, ließe sich durch eine Staffelung der Sperrklausel begegnen. Sie könnte für den Sockelbetrag höher angesetzt werden als bei der Abrechnung pro Stimme. Wenn nun eine Sperrklausel von 0, 5 Prozent genommen wird, könnte sie beim Sockelbetrag etwa bei 2, 5 Prozent bleiben. Die höhere Sokkelbetrags-Sperrklausel ließe sich auch von daher rechtfertigen, daß eine Partei erst durch ein höheres von ihr auf die Waage zu bringendes Stimmengewicht ein in Qualität umschlagendes Mehr an „Ernsthaftigkeit" nach-wiese. In ein System der Wahlkampfkostenerstattung, das (Abschlagszahlungen!) davon ausgeht, daß ein Teil der laufenden Partei-arbeit zwischen den Wahlen Wahlkampf-Apparatur ist, die mit Wahlkampf-Mitteln insoweit unterhalten werden darf, würde sich ein Sockelbetrag sinnvoll einfügen. Das BVerfG hat sich zu einer Entscheidung hier nicht in der Lage gesehen. Ein Sicheinlassen auf Begriffe wie „verfassungnähere Lösung", mit dem das Gutachten von Zweigert operiert hatte, hätte das Gericht in die Nähe der von ihm konsequent dem Gesetzgeber überlassenen politischen Ermessensentscheidungen gebracht. Doch hat das Gericht seine Sympathie für eine Sockelbetrags-Lösung angedeutet Gegen diese spricht freilich die prinzipielle Manipulations-Offenheit, wie das Beispiel der strafweisen Streichung des Sockelbetrages zu Lasten der FDP im Haushalt 1963 gezeigt hat Ein im Gesetz fixierter Sockelbetrag ist schwerer zu manipulieren als ein bloß haushalts-rechtlicher; doch bietet seine Höhe immer einen Spielraum für politisches Ermessen 65a).
„Bürgerbeitrag" — bestechend, aber undurchführbar
Sicherlich jenseits des eigentlichen und möglichen Prozeßstoffes lagen die Anregungen, die von der DFU im Sinne des sogenannten Bürgerbeitrags eingebracht worden sind Dar-unter ist zu verstehen ein durch Entscheid des Bürgers einer bestimmten Partei vor der Wahl zuzuwendender Betrag, der ganz oder teilweise von der Steuerschuld abzuzweigen ist Eine der Schwierigkeiten ist, daß dieser Willensakt Nebenwirkungen hat. Wird der Entscheid über den Bürgerbeitrag mit der Wahl verbunden, dann handelt es sich praktisch um nichts anderes als um eine Berechnung staatlicher Zuschüsse nach dem Wahlergebnis — sieht man von der Eröffnung einer Lizenz für subtile Entschlüsse von der Art ab, daß ein Bürger die Partei A wählen, aber der Partei B den seinem Entschluß unterliegenden Zuschußbetrag zukommen lassen kann. Setzt man die Entscheidung über die Vertei-Jung der Bürgerbeiträge einige Zeit vor der Wahl an, wie es bei einem als Wahlkampf-kosten-Finanzierung anzusehenden Bürgerbeitrag wohl angenommen werden muß, so bekommt man einen Zwischen-Wahlakt mit entsprechenden politischen Folgen bis hin zum vorweggenommenen Mehrheitsverlust der Regierung. Ein überzeugendes Rezept für die Geheimhaltung des Ausgangs des monetären Plebiszits ist noch nicht vorgelegt worden.
Die Erneuerung des Bürgerbeitrags-Vorschlags seitens der DFU findet eine Erklärung im Zusammenhang mit dem Kampf der Partei gegen die Sperrklausel. Eine solche könnte es bei einem Bürgerbeitrag nicht geben oder doch nur in der Form einer sehr geringen Quote, die geeignet wäre, Mißbrauch, der auf der Ebene des groben Unfugs oder der verabredeten Vereins-Bereicherung läge, zu inhibieren
Zurück zur begrenzten Steuerbegünstigung
Die Steuerbegünstigung für Parteispenden (§§ 34, 35 Parteiengesetz) war von DFU, EFP und NPD angefochten worden Im mündlichen Vortrag ist die Benachteiligung von DFU und NPD durch dieses Spendenprivileg damit belegt worden, daß diese Parteien in überdurchschnittlicher Weise minderbemittelte Volksschichten ansprächen. Die DFU suchte die Prävalenz minderbemittelter Anhänger mit ihrer „linken" Tendenz zu erhärten. Der Vertreter der NPD äußerte, die von ihm vertretene Partei habe „bisher überhaupt keine Spenden von größerem Ausmaß von Personen mit höherem Einkommen erhalten". Das ist einigermaßen undeutlich und entbehrt der Relevanz für eine rechtliche Würdigung. Die ungleiche Stellung der einzelnen Bürger, die darin liegt, daß dem geringe oder gar keine Einkommensteuer zahlenden Bürger der Staat von seiner Parteispende wenig oder gar nichts abnimmt, dem Bezieher größerer Einkommen mehr — bis zu einem Maximum von ungefähr 300 DM —, ist, so könnte man annehmen, von Parteien im Organstreit nicht zu rügen, da es sich nicht um eine Verletzung ihrer eige-nen Rechtsstellung handelt Das könnte in Betracht kommen, wenn glaubhaft gemacht würde, daß die Bezieher großer Einkommen tendenziell bestimmte Parteien bevorzugten und daß sie daneben von der Vergünstigung zum Spenden angeregt würden, so daß also der Staat durch seine Maßnahme bestimmten Parteien Spenden zuführe. Davon wird ernstlich nicht die Rede sein können. Wer gewillt ist, einer Partei eine Summe von, beispielsweise, 50 000 DM zuzuwenden, wird sich in seinem Entschluß sicher nicht davon leiten lassen, daß er, ist er vom höchsten Einkommen-steuersatz betroffen, faktisch nur 49 700 DM selbst aufbringen muß. Im Bereich der Bezieher mittlerer bis höherer Einkommen dürfte zudem die tendenzielle Prävalenz bestimmter Parteipräferenzen heute nicht mehr anzunehmen sein. Die Argumentation des Vertreters der NPD, eine Partei mit vielen Anhängern erhalte viel Steuerbegünstigung, eine Partei mit weniger Anhängern (also eine kleine Partei) weniger, greift nicht durch. Hier liegen vorgegebene Unterschiede zwischen den Parteien, die der Gesetzgeber nicht zu beseitigen oder zu mildern verpflichtet ist, die er nur nicht zu steigern hat Das Argument liefe am Ende darauf hinaus, daß es verfassungswidrig sei, daß es große und kleine Parteien gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat auch in diesem Punkt in der Sache entschieden, und zwar in dem Sinne, daß diese Steuerbegünstigung weder die Chancengleichheit der Parteien noch das Recht der Bürger auf gleiche politische Mitwirkung verletze Das Gericht hat sich dabei der Gründe bedient, mit denen sich wohl auch eine prozessuale Abweisung dieses Punktes der Klagen hätte rechtfertigen lassen.
Ein gefallenes Privileg
Die Bestimmungen des Parteiengesetzes (§ 25) über die Offenlegung der Spenden und der Spender wurde lediglich von der DFU und von der EFP angegriffen, und zwar sowohl die als zu hoch angesehene Freigrenze von 20 000 DM bei Privatspenden wie die Privilegierung der juristischen Personen mit einer Freigrenze von 200 000 DM. Flechtheim meint, letzteres müsse sich „zugunsten . Konservativer', stärker . privatwirtschaftlich'orientierter Parteien auswirken und insbesondere alle die Parteien benachteiligen, die für relativ weitgehende Reformen im Bereich der tradierten Wirtschafts-und Sozialordnung eintreten"
Es ist ein alter Streit, ob Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG die Nennung der Spendernamen fordere oder nur die Angabe der Spenden als Einnahme-Kategorie Verfassungspolitisch jedenfalls ist die Regelung im Parteiengesetz unbefriedigend, weil sie zuviel Schutz für Umgehungshandlungen bietet und die Parteien in einer gewissen Scheu vor den Spendern insofern bestätigt werden, als diese mit der vom Gesetz weitgehend gebilligten Bedingung der Heimlichkeit ihrer Zuwendung auftreten können. Wenn eine weitergehende Offenlegung der Namen, wie zu vermuten ist, das geringe Interesse der Öffentlichkeit hieran zu Tage bringen würde wären den Spendern die Voraussetzungen für größere Unbefangenheit geschaffen, die Spendefreudigkeit würde mutmaßlicherweise etwas zunehmen und den Parteien böten sich auch deshalb die Chancen größerer Unabhängigkeit. Das Gericht hat die 20 000-DM-Grenze bei Spenden natürlicher Personen bestätigt, die 200 000-DM-Grenze bei solchen juristischer Personen hingegen verworfen Die Begründung, die für diese Differenzierung im Gesetz ins Feld geführt wurde — und es blieb die einzige —, daß sich hinter den Verwaltern der Spenden juristischer Personen eine Vielzahl von natürlichen Personen verberge, hatte auch für das Gericht wenig Einleuchtendes.
Schließlich wurde § 39 Abs. 2 des Parteien-gesetzes angegriffen, der für die Kosten der Bundestagswahl von 1965 die für September/Oktober fälligen Beträge der Wahlkampfkostenerstattung gewährt. In ihrem Schriftsatz behauptete die NPD lediglich, daß dieser Wahlkampf bereits aus der verfassungswidrigen allgemeinen Parteienfinanzierung bestritten worden sei. Die DFU dagegen klagte auf Beteiligung an dieser Nachtragszahlung — in Konsequenz ihrer deutlicheren Anfechtung der 2, 5-Prozent-Klausel. In der mündlichen Verhandlung hatte der Prozeßvertreter der NPD gleichfalls die Nichtanwendung der 2, 5-Prozent-Klausel bei der Verteilung der Nachtragszahlung gefordert, im übrigen seine generellen Bedenken aufrechterhalten. Von seifen des Vertreters des Bundestages war diese Anschlußklausel aus dem Prinzip des Vertrauensschutzes begründet worden; bis einschließlich August seien die Zahlungen im Wege der Parteienfinanzierung aus Haushaltsmitteln erfolgt so daß die zwei Anschlußmonate des § 39 Abs. 2 des Parteiengesetzes eine Analogie zur Rechtsfigur des Gnadenquartals im Beamtenrecht bildeten. Die Frage nach Gültigkeit und Tragweite des Vertrauensschutzes für verfassungswidrig erklärter Subventionen ist ein Thema, das eigener Erörterung bedürfte; das Gericht hat die Frage etwas pauschal verneint, und zwar nicht nur in bezug auf die zu hohe 2, 5-Prozent-Klausel des Parteien-gesetzes. Selbst wenn das Gericht die Übergangsvorschrift des § 39 Abs. 2 bei einer niedrigeren Klausel hätte gelten lassen, hätte das rein deklaratorische Bedeutung, da Rückzahlungen bei auf Grund einer als verfassungswidrig erklärten Norm bereits abgewickelten Rechtsgeschäften nicht stattfinden.
Die Utopie von den staatsfreien Parteien
Die offene und direkte staatliche Mit-Finanzierung der Parteien ist eine Erscheinung, die in der Bundesrepublik zu einem frühen Zeitpunkt aufgetreten ist. Sie ist deshalb, aber auch dank der Besonderheit des deutschen Verhältnisses zu den politischen Parteien auf scharfe Ablehnung gestoßen. Es scheint so, als sei eine Milderung dieser Aversion zu beobachten, und es mag sein, daß dies nicht nur eine Folge des Gewöhnungseffektes auch an als Mißbrauch empfundene Tatbestände und Verhaltensweisen ist. Politische Parteien, nach heutigen Vorstellungen unentbehrliche Vermittler bei der Realisierung einer parlamentarisch-demokratischen Regierungsweise haben immer weniger die Möglichkeit, sich als Werber für politische Ziele aus Mitteln der Umworbenen für ihre Arbeit auszustatten. Das liegt in der allgemeinen Konvergenz der politischen Wertvorstellungen be-gründet und in der Einsinnigkeit des politischen Prozesses, dessen Folge die viel erörterte und oft leichthin beklagte „Annäherung" der großen Parteien aneinander ist Staatliche Mitfinanzierung der Parteien wird in der Zukunft eine sich ausbreitende Erscheinung werden, und es läßt sich vielleicht sogar sagen, daß eines Tages an dem Ausmaße, in dem das deutlich sichtbar und nicht verschleiert wird, der „demokratische" Charakter eines Staatswesens sich ablesen läßt. Die Besorgnisse, die sich aus der Vorstellung von der Trennung des (prinzipiell als freiheitlich angesehenen) gesellschaftlichen und des (prinzipiell als zwanghaft betrachteten) staatlichen Raumes ergeben werden sich in dem Maße vermindern, in dem diese Trennung von der Praxis her in der Theorie und dann auch im öffentlichen Bewußtsein aufgegeben wird.
Unechte Wahlkampffinanzierung
Einer der Indikatoren für den realen Umwandlungsprozeß ist das Phänomen der staatlichen Mitfinanzierung der Parteien. Deren Formen können die der generellen Subventionierung und die der auf den Wahlkampf bezogenen Förderung sein. Letzteres hat die Konsequenz des historischen Prozesses für sich, an dem als Gesetzmäßigkeit abzulesen ist, daß vom Wahlakt her den Parteien zunächst von ihnen gewährte Leistungen von Staats wegen abgenommen worden sind Die Lösung, die der Gesetzgeber mit dem Parteiengesetz aufgrund von Anregungen des BVerfG gefunden hat, ist allerdings als eine unechte Wahlkampf-Finanzierung anzusehen Die Regelungen des Parteiengesetzes laufen über die Annahme einer Präokkupation der Parteien mit Wahl-vorbereitung auf eine allgemeine Parteien-Mitfinanzierung hinaus. Das ist in der Sache tragbar, da die Deutung der Aufgabe der Parteien, von der diese Regelung ausgeht, zutreffend ist. Diese Lösung enthält freilich in unserer geistesgeschichtlichen Lage die Möglichkeit der Mißverständnisse und auch der Angriffe, die, wie am Beispiel der hier skizzierten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abzulesen ist, daraus entstehen, daß einem Idealbild von „Wahlkampfkostenerstattung" eine damit nicht harmonierende Wirklichkeit gegenüber tritt Für das BVerfG ist es eine nicht leicht zu verarbeitende Folge des Urteils vom 19. Juli 1966, daß es weithin als Miturheber dieser Diskrepanz angesehen wird, was sich nicht wesentlich mildern dürfe, nachdem das Gericht in seinem Urteil vom 3. Dezember 1968 eine behutsame Wendung zu einer wenigstens „allgemeineren" Parteienfinanzierung toleriert hat ohne die Begrifflichkeit der „Wahl-kampfkostenerstattung" aufzugeben, der gleichwohl für die Akzeptierung des vom liberalen Repräsentativmodell des 19. Jahrhunderts abweichenden Parteibegriffs unserer Zeit gewisse Hindernisse enthält. Aus der Diskrepanz zwischen Begriff und Wirklichkeit rührt ein gutes Teil der Mißverständnisse um die staatliche Mitfinanzierung der Parteien her. Schlechtes Gewissen bei den Nehmenden und Groll bei den (ungefragt und unbelehrt) Gebenden haben die Tendenz, sich gegenseitig zu verstärken und die Öffnung für die Realitäten zu blockieren.
Dr. Friedrich Karl Fromme , geb. 1930 in Dresden; Promotion Universität Tübingen 1958 mit einer Arbeit über ein verfassungspolitisches Thema; Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Tübingen 1958 bis 1962; Politischer Redakteur am Süddeutschen Rundfunk Stuttgart und Lehrbeauftragter für wissenschaftliche Politik an der Universität Tübingen 1962 bis 1964; Politischer Redakteur an der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seit 1964; zunächst in der Zentralredaktion, seit November 1968 Korrespondent der FAZ in Bonn.