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Der Friedensvertrag von Versailles | APuZ 26/1969 | bpb.de

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APuZ 26/1969 Der Friedensvertrag von Versailles Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft in der Weimarer Republik

Der Friedensvertrag von Versailles

Alfred Schickel

Als am Abend des 7. November 1918 Staatssekretär Matthias Erzberger mit seiner Delegation bei Trelon die deutsch-alliierten Linien passierte, um im Walde von Compiegne das Waffenstillstandsabkommen mit Marschall Foch, dem Oberstkommandierenden der alliierten Armeen, abzuschließen, ging ein über 51 Monate währendes, erbittertes Ringen zu Ende. Nach zweitägigen Verhandlungen und Besprechungen, in denen die deutschen Abgesandten Erleichterungen der ihnen auferlegten Bedingungen zu erreichen suchten, wurde der Waffenstillstand am 11. November 1918 um 5 Uhr französischer Zeit von den bevollmächtigten Vertretern der beiden kriegführenden Parteien durch Unterschrift vereinbart. Für das Deutsche Reich unterzeichneten neben Erzberger der Gesandte Graf Oberndorfs, Generalmajor von Winterfeldt und Kapitän zur See Vanselow, im Namen der alliierten und assoziierten Mächte Marschall Foch und der Erste Seelord, Admiral Wemyss.

Gemäß Punkt I des Vertrages erfolgte die „Einstellung der Feindseligkeiten zu Lande und in der Luft sechs Stunden nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes" Die Einstellung der Feindseli Uhr französischer Zeit von den bevollmächtigten Vertretern der beiden kriegführenden Parteien durch Unterschrift vereinbart. Für das Deutsche Reich unterzeichneten neben Erzberger der Gesandte Graf Oberndorfs, Generalmajor von Winterfeldt und Kapitän zur See Vanselow, im Namen der alliierten und assoziierten Mächte Marschall Foch und der Erste Seelord, Admiral Wemyss.

Gemäß Punkt I des Vertrages erfolgte die „Einstellung der Feindseligkeiten zu Lande und in der Luft sechs Stunden nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes" 1) — also um 11 Uhr des 11. Novembers. Die Gültigkeit des Abkommens wurde zunächst auf die Dauer von 36 Tagen befristet 2). Innerhalb dieses Zeitraumes hatte die deutsche Armeeführung noch kürzere Fristen einzuhalten, so die Räumung der besetzten Gebiete Belgien, Luxemburg, Elsaß-Lothringen und Ostfrankreich binnen 15 Tagen, was die deutschen verantwortlichen Stellen angesichts der geforderten Abgabe unentbehrlicher Transportmittel 3) vor kaum überwindbare Schwierigkeiten stellte.

Männer, Absichten, Konsequenzen

Abbildung 1

Staatssekretär Erzberger wies in einer nach Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages abgegebenen Erklärung auf diese Sachlage hin 4). Daß die Kriegsgegner Deutschlands zum Teil Verständnis für die schwierige Situation hatten, in welcher sich deutsche Truppenkommandeure befanden, zeigt das Vorgehen Großbritanniens in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika. Der britische Oberbefehlshaber in Ostafrika, General van Deventer, sandte am 14. November 1918 die Meldung an den deutschen Befehlshaber, General von Lettow-Vorbeck, daß gemäß Artikel 17 des im Walde von Compiegne abgeschlossenen Waffenstillstandsvertrages die bedingungslose Übergabe aller in Ostafrika operierenden deutschen Truppen vorzunehmen sei, er aber erlauben werde, daß Lettow-Vorbeck und seine Offiziere „in Anbetracht der Tapferkeit, mit der sie gefochten haben", ihre persönlichen Waffen behalten dürfen und daß er um „Angabe der Zeit der wahrscheinlichen Ankunft in Abercorn und der Zahl der deutschen Offiziere und Mannschaften" bitte5). Bei der Wahl des Übergabe-Ortes Abercorn in Britisch-Rhode-sien ließ sich der englische General vornehmlich von der Überlegung leiten, wo und wie er die deutschen Truppen am ehesten verpflegen könnte — eine Rücksichtnahme, welche die Berliner Regierung auch für das Mutterland von den Alliierten erwartete.

Wie Flerbert Michaelis und Ernst Schraepler zutreffend feststellen, waren US-Präsident Wilson und Premierminister Lloyd George und in Übereinstimmung mit ihnen auch der Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte in Frankreich, Feldmarschall Douglas Haig, schon bei den ersten Überlegungen über einen Waffenstillstandsvertrag mit Deutschland für mildere Bedingungen eingetreten, konnten sich aber gegenüber den Forderungen Frankreichs nicht durchsetzen Dieses Nachgeben der Anglo-Amerikaner gegenüber ihrem französischen Bündnispartner wird sich in der Folge auf der Pariser Friedenskonferenz noch mehrmals wiederholen.

Bevor jedoch die 70 Vertreter der 27 „alliierten und assoziierten Mächte", die mit Deutschland sich im Kriegszustand befanden, im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles zur Friedenskonferenz zusammentraten, mußte am 13. Dezember 1918 eine erste und am 16. Januar 1919 eine zweite Verlängerung des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 vereinbart werden. Bei beiden Gelegenheiten hatte Deutschland zusätzliche Bedingungen der Alliierten anzunehmen. Eine dritte Verlängerung „für eine kurze unbefristete Zeitdauer" erfolgte am 16. Januar 1919.

Als sich am 18. Januar 1919 die Delegationen von Belgien, Bolivien, Brasilien, China, Kuba, Ecuador, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Guatemala, Haiti, Hedschas, Honduras, Italien, Japan, Liberia, Nicaragua, Panama, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, dem serbisch-kroatisch-slowenischen Staat (Jugoslawien), Siam, der Tschechoslowakei, Uruguay und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Eröffnung der Friedenskonferenz versammelten, erwies es sich, daß neben Rußland Deutschland und seine Kriegsverbündeten von den Verhandlungen ausgeschlossen sein sollten. Im Gegensatz zu der von US-Präsident Wilson geforderten „offenen" Diplomatie berieten England, Frankreich, die USA, Italien und Japan in der Hauptsache in geheimen Sitzungen, um ihre unterschiedlichen Vorstellungen von einer künftigen Friedensordnung in Europa und in der Welt auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und das Ergebnis ihrer internen Verhandlungen dann den Verliererstaaten als Friedensvertrag zu übermitteln.

Die Großen Vier: Georges Clemenceau Den Vorsitz bei den Beratungen führte der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau. Er galt in Frankreich als der „Pere de la Victoire", der fest entschlossen war, die durch die deutsche Niederlage gegebene Chance für sein Land und dessen Sicherheit vollauf zu nutzen. Aus der Vende gebürtig und von seinem Vater im Geiste der Großen Revolution erzogen, hatte sich Clemenceau schon als junger Medizinstudent unter dem Einfluß des französischen Revolutionärs Louis Auguste Blanqui (1805— 1881) der Politik verschrieben. Er unterzeichnete in den siebziger Jahren den Protest französischer Parlamentarier gegen die Abtrennung Elsaß-Lothringens und vertrat seitdem eine nationalistische Außenpolitik gegenüber Deutschland. Besonders leidenschaftlich bekämpfte er die von Bismarck geförderte koloniale Expansionspolitik des Ministerpräsidenten Jules Ferry.

Der internationalen Öffentlichkeit wurde Clemenceau durch sein Eintreten für den zu Unrecht verurteilten französischen Hauptmann Alfred Dreyfus bekannt. 1902 gelangte der damals 61jährige in den Senat, trat 1906 als Innenminister in die Regierung ein und wurde im gleichen Jahr Ministerpräsident. In diesem Amt wurde er drei Jahre später von Aristide Briand (1862— 1932) abgelöst. Im November 1917, nach der schweren moralischen Krise des Sommers, als die Arbeiter streikten und 16 französische Korps meuterten, übertrug ihm das Parlament erneut die Ministerpräsidentschaft. Er konzentrierte nun alle Kräfte rücksichtslos auf den Krieg und regierte ziemlich autoritär, ohne jedoch irgendein Recht der Nationalversammlung anzutasten. Am Primat der zivilen über die militärische Gewalt ließ er nie einen Zweifel aufkommen. So opferte er beispielsweise in den Verhandlungen über den Friedensvertrag für Deutschland die vor allem von Marschall Foch erhobene Forderung nach der Rheingrenze zugunsten der Erhaltung des Bündnisses mit England, das sich dieser Schwächung Deutschlands widersetzte. Das Clemenceau nachgesagte berüchtigte Wort von den „zwanzig Millionen Deutschen zuviel" hat er nie gesprochen. Aus der Zeit um 1918 wird vielmehr eine Äußerung von ihm überliefert, in der es hieß: „Es leben da immerhin sechszig Millionen Menschen, mit denen wir auskommen müssen. Wir haben die Absicht, ihre Freiheit zu respektieren, aber wir wollen auch die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen treffen, damit sie unsere Freiheit respektieren." Mit diesen „sechzig Millionen Menschen" waren die Deutschen gemeint, über deren weiteres politisches Schicksal Clemenceau nun führend mitentschied.

Woodrow Wilson Sein Hauptkontrahent auf der Konferenz wurde der amerikanische Präsident Woodrow Wilson. Am 28. Dezember 1856 als Sohn eines presbyterianischen Geistlichen geboren, besuchte er die Universität Princeton, wohin er einige Jahre später als Dozent für Geschichte und StaatsWissenschaften zurückkehrte. 1910 zum Gouverneur des Staates New Jersey gewählt, setzte er in kürzester Zeit ein soziales und politisches Reformprogramm durch, das von der Arbeiter-Unfallversicherung bis zu gerechteren Wahlgesetzen reichte.

Zwei Jahre später gewann er als demokratischer Präsidentschaftskandidat überlegen die Wahl gegen die zwischen Taft und Theodore Roosevelt gespaltenen Republikaner. Als 28. Präsident der Vereinigten Staaten wandte er sich besonders in seinem Programm der „neuen Freiheit für alle“ gegen die Machtstellung des Groß-kapitals, betrieb den Abbau der Schutzzölle und führte eine neue Einkommensteuer für die Reichen ein. Die Arbeiterorganisationen stärkte er durch die gesetzlich verankerte Sicherung des Streikrechtes und durch seine Unterstützung ihrer Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung. Den Frauen brachte er im Jahre 1920 das Wahlrecht. In der Außenpolitik zeigte Wilson eine merkwürdige Gegensätzlichkeit zwischen erklärter Absicht und geübter Praxis. Auf der einen Seite verurteilte er eindeutig die Interventionspolitik seines Vorgängers Taft, auf der anderen Seite setzte er dessen imperialistisches Programm fort und dehnte es noch aus Seine Friedensbestrebungen bewies er 1913 durch den sogenannten Bryan-Entwurf nach welchem kein Staat zum Kriege schreiten sollte ohne gründliche Untersu-chung des Streitfalles durch eine Kommission. In diesem Projekt wurden schon erste Züge des später von ihm entworfenen Planes sichtbar, zur Beilegung internationaler Konflikte einen allgemeinen Völkerbund zu gründen.

Die Haltung des Präsidenten zum Ersten Weltkrieg wurde von zwei gleich tief empfundenen Gefühlen bestimmt: von Sympathie für Großbritannien und Abneigung gegenüber dem autokratischen deutschen Regime Kaiser Wilhelms II. ebenso wie von ehrlicher Friedensliebe. So erklärte er nach der Wiederaufnahme des unbeschränkten U-Boot-Krieges durch Deutschland Berlin am 6. April 1917 den Krieg, ebnete aber mit der Verkündung seiner „Vierzehn Punkte" am 8. Januar 1918 gleichzeitig den Weg zur Beilegung der Feindseligkeiten. Nach seinen Vorstellungen sollten Demokratie, internationales Recht, Selbstbestimmung der Völker, Freiheit der Meere, Öffentlichkeit der Diplomatie und der Verträge, allgemeine Abrüstung und ein den Frieden sichernder Bund der Nationen das Bild der Nachkriegs-welt bestimmen. Als die europäischen Verbündeten nach der Kapitulation Deutschlands nicht mehr auf die USA angewiesen waren, verblaßte die beherrschende Rolle Wilsons als Führer der kriegsentscheidenden Macht. Der Präsident konnte, wie sich bei den Verhandlungen in Paris herausstellte, nicht die erstrebte Schiedsrichterrolle beim Versailler Vertrag spielen, zumal er die Entente während des Krieges nicht zur bindenden Anerkennung seines Programms zu bringen vermocht hatte. Welche Absichten er schließlich durchsetzen konnte, wird bei der Erörterung der einzelnen Friedensvertragsbestimmungen aufzuzeigen sein. In Anerkennung seiner unbestreitbaren Verdienste um den Frieden in der Welt erhielt er im Jahre 1919 den Friedensnobelpreis vom Fünferausschuß des norwegischen Storfing zugesprochen. Daß der amerikanische Senat dann später sowohl den Versailler Friedensvertrag als auch den Eintritt der USA in den Völkerbund ablehnte, gehört zur besonderen Tragik dieses Staatsmannes. Clemenceau charakterisierte Wilson einmal zutreffend als den „stürmischen Propheten einer neuen Formel, die metaphysisch makellos ist, deren Forderungen sich die Völker in ihrem gegenwärtigen Geisteszustand aber kaum anpassen werden David Lloyd George Realere Ziele und Interessen verfolgte der Leiter der britischen Delegation, Premierminister David Lloyd George, 1863 als Sohn eines Volksschulrektors geboren und für den Anwaltsberuf ausgebildet, gelangte er bereits mit 27 Jahren in das Unterhaus, in dem er sich in den folgenden fünfzehn Jahren als Vertreter des Waliser Nationalismus, Gegner des Burenkrieges und Anhänger des äußersten linken Flügels der Liberalen Partei mit aggressiven, aber geschickten Reden bald einen Namen machte. Als Handelsminister (1905— 1908) und Schatzkanzler (1908— 1915) war er — von Winston Churchill unterstützt — der eigentliche Inspirator und Motor der tiefgreifenden inneren Reformmaßnahmen der liberalen Regierungen vor dem Ersten Weltkrieg, die vor allem mit der Einführung der Altersrente (1908) und der Zwangsversicherung gegen Krankheit und Arbeitslosigkeit (1911) die Grundlagen für den späteren britischen Wohlfahrtsstaat legten. 1915 zum Munitionsminister ernannt, erwies er sich als ein glänzender und erfolgreicher Organisator der britischen Kriegsindustrie. Mit Unterstützung der Konservativen Partei löste der im Sommer 1916 zum Heeresminister berufene Lloyd George gegen Ende des Jahres Herbert H. Asquith als Regierungschef ab und bildete zur besseren Koordinierung und Straffung der Kriegführung ein engeres Kriegskabinett. Im Gegensatz zu den deutschen Reichs-kanzlern jener Jahre ist es ihm gelungen, das Primat der Politik gegenüber den britischen Heerführern, denen er im Frühjahr 1918 die Unterordnung unter den Oberbefehl des französischen Marschalls Foch aufzwang, zu behaupten und die ständig drohenden Gefahren ernster innerer Unruhen durch eine geschickte Behandlung der Arbeiterschaft und durch Vermeidung einer Überlastung der Heimatfront zu meistern. Als das Deutsche Reich niedergerungen war, traf er sich mit Clemenceau in dem Bestreben, Deutschland als Welt-und Kolonialmacht auszuschalten. Im Sinne der traditionellen britischen Politik des europäischen Gleichgewichts suchte er aber das besiegte Deutschland als lebensfähiges Glied des kontinentalen Staatensystems und als künftigen Handelspartner zu erhalten.

Vittorio Emanuele Orlando

Mit ganz bestimmten Vorstellungen über den Anteil seines Landes an den Früchten des Sieges kam auch der italienische Ministerpräsident Vittorio Emanuele Orlando nach Paris. Im Gegensatz zu seinem Außenminister Sonnino verfolgte er zwar keine ausgesprochen expansionistischen Ziele, doch glaubte er, die durch hohe Opfer erkauften, im Londoner Vertrag von 1915 zugesicherten „berechtigten Forderungen Italiens" auf der Friedenskonferenz durchsetzen zu können. Um den Preis des Kriegseintritts an der Seite der Entente-Mächte wurden Italien Landgewinne im Norden, Osten, im Mittelmeer und in Afrika versprochen sowie „derjenige Teil der Kriegskontributionen, welcher dem Maß seiner Opfer und Anstrengungen entspricht" in Aussicht gestellt. Als sich jedoch erwies, daß seine Verbündeten, insbesondere Präsident Wilson — die USA hatten das Abkommen vom 26. April 1915 nicht unterzeichnet — nicht alle territorialen Forderungen Roms erfüllen wollten, verließ Orlando zeitweise aus Protest die Konferenz. Er gewann zwar durch diesen demonstrativen Schritt vorübergehend die Zustimmung der Nation, konnte aber in der Sache dadurch auch nicht viel mehr erreichen Nach einem Mißtrauensantrag, der in der italienischen Kammer Annahme fand, gab Orlando die Minister-präsidentschaft 1919 ab und beteiligte sich später an der Ausarbeitung der Völkerbundsakte

Die Beratungen der Großen Vier Diese vier Männer — Clemenceau, Wilson, Lloyd George und Orlando — lösten am 24. März 1919 den sogenannten „Rat der Zehn", bestehend aus den Regierungschefs und Außenministern von Frankreich (Clemenceau und Pichon), Großbritannien (Lloyd George und Balfour), Italien (Orlando und Sonnino), Japan (Saionje und Makino) und den Vereinigten Staaten (Wilson und Lansing), ab und legten als die „Großen Vier" die künftige Friedensordnung fest. Die übrigen Siegerstaaten schieden weitgehend aus den Verhandlungen aus. Sie hatten sich darauf zu beschränken, ihre Wünsche vorzutragen und in Sachverständigenausschüssen bei bestimmten Fragen mitzuarbeiten. Das britische Memorandum vom 26. März 1919

Zwei Tage nach Bildung des Rates der „Großen Vier" legte der britische Premierminister Lloyd George eine Denkschrift vor. In diesem Memorandum warnte der Vertreter Großbritanniens vor einer ungerechten Behandlung Deutschlands im Friedensvertrag. Er führte darin wörtlich aus: „Sie mögen Deutschland seiner Kolonien berauben, seine Rüstungen zu einer bloßen Polizeimacht und seine Flotte zu einer Macht fünften Grades herabsetzen. Es ist schließlich alles gleich, wenn es sich im Frieden von 1919 ungerecht behandelt fühlt, wird es Mittel finden, um an seinen Besiegern Rache zu nehmen. Unsere Bedingungen dürfen hart, sogar erbarmungslos sein, aber gleichzeitig können sie so gerecht sein, daß das Land, dem sie auferlegt werden, in seinem Herzen fühlen wird, daß es kein Recht zu Klage hat." Aus diesem Grunde sprach er sich gegen den Vorschlag der polnischen Kommission aus, 2 100 000 Deutsche (die Bevölkerung der von Polen beanspruchten Gebiete) der Warschauer Regierung zu unterstellen. Lloyd George meinte, daß es andernfalls „früher oder später zu einem neuen Kriege in Osteuropa" kommen würde Abschließend forderte er in seiner Denkschrift: „Von jedem Standpunkt aus, will mir daher erscheinen, müssen wir uns bemühen, eine Ordnung des Friedens zu entwerfen, als wären wir unparteiische Schiedsrichter, die die Leidenschaften des Krieges vergessen haben."

Die Verhandlungsatmosphäre In welcher Verhandlungsatmosphäre aber die Beratungen zeitweise geführt wurden, spiegelt in Bericht des dem sich späteren britischen Premiers Winston Churchill wider. Die psychologischen Hintergründe aufzeigend schrieb er: „Die in Paris versammelten Kriegsherren waren dorthin getragen worden von den stärksten, wütendsten Brandungswellen, die sich jemals in der menschlichen Geschichte aufgetürmt hatten. Dahin waren die Verträge von . . . Wien, wo aristokratische Staatsmänner und Diplomaten, Sieger und Besiegte ohne Unterschied in höfischer Disputation zusammenkamen, um fern und frei vom Lärm und sprach-verwirrenden Geschrei der Demokratie die starken Systeme neu zu schaffen, über deren Grundlagen sie alle eines Sinnes waren. Diesmal umstanden die Völker in vielen Millionen den Konferenztisch und verlangten volle und ungeschmälerte Vergeltung. Wehe den Führern, wenn sie auf der schwindelnden Höhe des Triumphes am Verhandlungstisch verspielten, was die Soldaten auf hundert blutgetränkten Schlachtfeldern gewonnen hatten."

In den geheimen Besprechungen der „Großen Vier" machten die Teilnehmer jedoch wiederholt den Versuch, sich von den Leidenschaften ihrer Völker zu befreien und den Weg zu erträglichen Friedensbedingungen zu finden.

Die unterschiedlichen Standpunkte der Großen Vier Wie aus den Tagebuchaufzeichnungen des französischen Chefdolmetschers, Paul Mantoux, hervorgeht, bemühte sich besonders der amerikanische Präsident Wilson, mäßigend auf die Vertreter Frankreichs und Italiens einzuwirken. Auf der Sitzung vom 27. März 1919 beschwor er seine Kollegen, sich Deutschland gegenüber maßvoll zu verhalten. Ähnlich wie Lloyd George in seiner Denkschrift warnte Wilson davor, Deutschland triftige Gründe zu liefern, sich eines Tages zu rächen. Wörtlich sagte er: „Ich fürchte für die Zukunft nicht die Kriege, die durch geheime Verschwörungen der Regierungen vorbereitet werden, sondern vielmehr die Konflikte, die aus der Unzufriedenheit der breiten Masse erwachsen. Wenn wir uns selbst der Ungerechtigkeit schuldig machen, dann ist diese Unzufriedenheit unvermeidbar — mit allen Folgen, die sie nach sich zieht."

Lloyd George erinnerte bei dieser Gelegenheit an ein Beispiel aus der Geschichte, an das Jahr 1814, als Preußen nach der Niederlage Napoleons Frankreich vernichtende Friedensbedingungen auferlegen wollte und von Wellington und Castlereagh an der Durchführung die-ses Vorhabens gehindert worden sei, um Europa nicht völlig den deutschen Mächten auszuliefern.

Der mit diesen Appellen angesprochene Clemenceau versicherte zunächst dem Präsidenten und dem Premierminister, daß auch er der Meinung sei, man dürfe den errungenen Sieg nicht mißbrauchen, müsse die Völker rücksichtsvoll behandeln und sich davor hüten, einen Aufstand des nationalen Gewissens herauszufordern, rechtfertigte aber dann seine harten Forderungen mit der Vermutung, daß Deutschland gegen die Friedensbedingungen entschiedenen Widerstand leisten würde. Er führte im einzelnen zu dieser Frage aus: „Man muß sich dieses Mal darauf gefaßt machen, daß sie (die Deutschen) Widerstand leisten: sie werden streiten, sie werden über jeden einzelnen Punkt streiten, sie werden drohen, ihre Unterschrift zu verweigern, sie werden ihr Spiel treiben mit Zwischenfällen.. . Sie werden alles ablehnen oder verweigern, was sie nur verweigern können. Gestern konnten Sie in den Zeitungen das Interview des Grafen Bernstorff lesen: er spricht mit der Arroganz des Siegers ..." Wilson gab er auf dessen Forderung, die Deutschen nicht ungerecht zu behandeln, zu bedenken, daß das, was die Alliierten für gerecht erachteten, nicht notwendigerweise auch von Deutschland als gerecht hingenommen werde. Bei der Begründung des französischen Widerstandes gegen eine sofortige Zulassung Deutschlands zum Völkerbund kamen in den Worten Clemenceaus allerdings auch emotionelle Momente zum Durchbruch. Er wies seine Gesprächspartner darauf hin, daß die Franzosen in den letzten fünfzig Jahren keine guten Erfahrungen mit ihrem östlichen Nachbarn gemacht hätten und daß er erst am Vortage wieder einen neuen Aktenstoß über deutsche Grausamkeiten in Frankreich vorgelegt bekommen habe. Es sei kaum anzunehmen, daß sich die Deutschen inzwischen grundlegend geändert hätten. Dem französischen Volke sei ebenso wenig zuzumuten, alles, was es unter der deutschen Besatzung erlitten und erduldet habe, sofort zu vergeben und zu vergessen. Die polnische Frage Gefühlsmomente und der Gedanke an Sühne für begangene Verbrechen bestimmten auch Clemenceaus Eintreten für die polnische Forderung, Danzig Polen zuzuteilen. Er sagte:

„Es gibt keinen heftigeren Widerstand als den gegen die Zuteilung Danzigs an Polen. Um jedoch das historische Verbrechen, das am polnischen Volke begangen wurde, wiedergutzumachen, sind wir verpflichtet, diesem Volke, wenn wir es wieder zum Leben erwecken, auch die Mittel zu seiner Existenz zu geben. Wir dürfen nicht die Verbrechen vergessen, die besonders Deutschland an Polen nach dem großen Verbrechen seiner Teilung begangen hat: im 19. Jahrhundert und sozusagen mit wissenschaftlichen Methoden. Wir erinnern uns der Kinder, die ausgepeitscht wurden, weil sie in polnischer Sprache gebetet hatten, der Bauern, die enteignet und von ihrem Besitz verjagt wurden, um Eindringlingen germanischer Rasse Platz zu machen."

Wohl als ein Seitenhieb auf die Vereinigten Staaten und ihre frühe Geschichte mit ihrer Verdrängung der Indianer und auf manche britische Praktiken in den Kolonien und damit als Replik auf Wilson und Lloyd George war der Satz gemünzt: „Das eine oder andere unserer Völker hat vielleicht ähnliche Enteignungen in einer mehr oder weniger fernen Vergangenheit auf dem Gewissen, aber hier (bei Polen) handelt es sich um Taten, die sich vor unseren Augen abspielten, und die, die sie begangen haben, stehen vor uns!"

Winston Churchill hatte wahrscheinlich diese Worte im Ohr, als er seinen bitteren Stimmungsbericht von Paris schrieb. Und der oft zitierte Satz aus Clemenceaus Ansprache am 7. Mai 1919: „Die Stunde der Abrechnung ist da" bezog sich auch auf diese Ausführungen vom 27. März 1919.

Der Anschluß Österreichs an Deutschland Weniger Vergeltungsstreben als vielmehr Sorge vor einer erneuten deutschen Übermacht ließ den französischen Ministerpräsidenten gegen einen etwaigen Anschluß Österreichs an Deutschland opponieren. Er erklärte seinen Kontrahenten, daß in dem Augenblick, da Österreich seine sieben Millionen Einwohner mit der Bevölkerung Deutschlands vereinige, die Macht des Reiches in einer für Frankreich bedrohlichen Weise anwachse. Wilson, der für das Selbstbestimmungsrecht der Völker eingetreten war, hielt er entgegen: „Ist es ein Verstoß gegen das Völkerrecht, wenn wir den Österreichern sagen: , Wir fordern von Euch nur, daß Ihr unabhängig bleibt. Macht mit dieser Unabhängigkeit, was Ihr wollt, doch Ihr dürft nicht in einen deutschen Block eintreten und Euch nicht an einem deutschen Rache-plan beteiligen!'?"

In dieser auf Sicherheit vor einer möglichen deutschen Revanche angelegten Politik wurde Clemenceau besonders von Marschall Foch unterstützt. Dieser hatte in einer Note vom 10. Januar 1919 nicht nür nachdrücklich den Rhein als französische Ostgrenze gefordert, sondern auch darauf hingewiesen, daß den „ 64 bis 75 Millionen" Deutschen nur ein Gegengewicht von 49 Millionen Belgiern, Luxemburgern und Franzosen gegenüberstehen wird

Der Standpunkt Lloyd Georges Auf dieses militärische Sicherheitsdenken ging Lloyd George ein, als er seinem französischen Kollegen erwiderte: „Erst recht bin ich mit dem nicht einverstanden, was Herr Clemenceau über die Ansichten der Militärs sagt. Ihre Hilfe ist in Kriegszeiten wesentlich, aber auf dem Gebiete der Politik sind sie die letzten, die ich um Rat fragen würde. Ich bewundere und schätze den Marschall Foch sehr, aber in politischen Fragen ist er ein Kind. Uber die Art und Weise, den Völkern eine möglichst vollständige Sicherheit zu garantieren, würde ich mich von ihm nicht beraten lassen." Wieder führte der britische Premier ein Beispiel aus der Geschichte an und nannte General Moltke, der 1871 „Bismarck vielleicht weiter mit sich gerissen hat, als dieser selbst gegangen wäre", um Deutschland als Opfer der „Idee der strategischen Grenze" hinzustellen, das dazu verführt worden sei, „Frankreich zu verstümmeln"

Mit Bezug auf einen Brief des südafrikanischen Delegierten Jan Christiaan Smuts (1870— 1950) warf Lloyd George sodann nochmals die Danziger Frage auf und wiederholte seine schweren Bedenken gegen eine Abtretung dieses Gebietes an Polen. Er setzte wenig Vertrauen in die Fähigkeit der Polen, dieses Land gut zu regieren, wenn er meinte: „Die Polen werden schlecht regieren und lange Zeit brauchen, um ihr Land nach westlicher Art verwalten zu lernen", um dann ein düsteres Bild von der künftigen Entwicklung zu zeichnen: „Es wird Unruhen geben. Die Deutschen in Polen werden geschlagen werden, falls sie sich erheben."

Zu Clemenceau gewandt fragte er zweifelnd: „Werden Sie dann, wenn Deutschland eingreifen will, Truppen schicken, um die Deutschen unter polnischem Joch zu halten? Freilich — die Polen werden sagen: . Wozu habt Ihr uns diese Gebiete gegeben, wenn Ihr uns nicht helft, sie zu behalten?'Ich bin fest davon überzeugt, daß die öffentliche Meinung, weder in Amerika noch in England, uns unterstützen würde, wenn wir unter derartigen Umständen intervenierten. Der Völkerbund, der Vertrag, den wir dann unterzeichnet haben, werden gleichermaßen lächerlich gemacht. Ich glaube nicht an einen Vertrag, dessen Durchführung man hinterher nicht garantieren kann. Wenn Sie nicht entschlossen sind, diese Bestimmungen durchführen zu lassen, wozu setzen Sie sie dann erst in diesen Vertrag?"

Nach Lloyd Georges Auffassung sollte aus Danzig ein Freihafen gemacht werden, jedoch unter keinen Umständen deutsche Staatsangehörige unter polnische Verwaltung kommen. Er zitierte dabei die prophetischen Worte Jan Smuts’: „Polen kann nicht ohne den guten Willen Deutschlands und Rußlands existieren".

Um auf Clemenceau Eindruck zu machen, griff der britische Premier erneut ein Beispiel aus der jüngsten französischen Geschichte auf, wenn er mit Anspielung auf Elsaß-Lothringen ausführte: „Es ist für Frankreich sehr schmerzlich gewesen zu sehen, wie Franzosen unter die deutsche Herrschaft kamen. Die Deutschen wird es ebenso verletzen, Millionen ihrer Volksangehörigen der polnischen Herrschaft ausliefern zu müssen." Und als ob er den schrecklichen Rassenwahn der Nationalsozialisten schon vorausgeahnt hätte, fügte er hinzu: „Aber die Franzosen betrachteten wenigstens die Deutschen als ihresgleichen. Es ist nicht so mit den Polen in der Vorstellung der Deutschen."

Clemenceaus Erwiderung Seinen Standpunkt erläuternd antwortete Clemenceau: „Ich ehre den Gerechtigkeitssinn von Herrn Lloyd George, wenn er den Wunsch ausdrückt, Polen möglichst wenige deutsche Untertanen zu geben, aber ich lehne seine Ansicht ab, daß man in der Frage der Verbindungslinien zwischen Danzig und dem Inneren Polens jede strategische Erwägung beiseite lassen müsse."

Sich gegen die Unterstellung verwahrend, er denke zu sehr in militärischen Kategorien, fuhr der französische Ministerpräsident fort: „Nach den größten Anstrengungen und den gewaltigsten Blutopfern, die die Geschichte je gesehen hat, dürfen wir das Ergebnis unseres Sieges nicht in Frage stellen. Der Völkerbund wird uns als ein Mittel angeboten, uns die Sicherheit zu geben, die wir brauchen: ich ergreife dieses Mittel. Aber wenn der Völkerbund seine Beschlüsse nicht mit militärischer Macht durchsetzen kann, dann dürfte es nötig sein, diese Macht anderswo zu suchen."

Auf die Kritik Lloyd Georges an der französischen Sicherheitspolitik eingehend machte Clemenceau deutlich, daß er mit seinen Forderungen nichts anderes erstrebe, als was Großbritannien zur See durch die Auslieferung der deutschen Flotte bereits erreicht habe. „Wir brauchen die gleiche Sicherheit zu Lande", sagte er an die Briten gewandt. Auch die Empfehlungen Wilsons, Deutschland nicht zu sehr zu schwächen, mochte er nicht gelten lassen, denn „Amerika ist fern, geschützt durch den Ozean. . . Amerika hat die Schrecken dieses Krieges während der ersten drei Jahre nicht am eigenen Leibe erlebt, wir dagegen haben in dieser Zeit eineinhalb Millionen Menschen verloren ..

Marschall Foch hatte in seiner bereits erwähnten Denkschrift vom 10. Januar 1919 seine Skepsis gegenüber einer raschen amerikanischen Hilfe für ein von Deutschland angegriffenes Frankreich zum Ausdruck gebracht und damit seinen Regierungschef in dem Verlangen nach effektiver Sicherheit auf dem europäischen Festland bestärkt.

Die Saarfrage Zu einer erneuten Auseinandersetzung zwischen den Großen Vier über die Prinzipien einer Friedensregelung kam es bei den Verhandlungen über das Schicksal des Saargebietes. Clemenceau forderte die Angliederung des Saarlandes an Frankreich. Er wies darauf hin, daß von den rund 350 000 Bewohnern dieses Landes „mindestens 150 000 Franzosen sind", es sich also dort nicht um eine eigene Nation handle, deren Selbstbestimmungsrecht zu respektieren sei. Nach seiner — Clemenceaus — Meinung müßten auch Ausnahmen bei der Verwirklichung dieses Rechtes gemacht werden, wenn die geographischen Gegebenheiten es verlangten. Er führte dabei das Beispiel der Deutschen in Böhmen an, die man auch nicht von ihrem Lande loslösen könne, ohne damit Böhmen selbst zu vernichten. Er erwähnte auch den Balkan, wo man kein neues Griechenland Schaffen könne, das nicht auch Bulgaren, kein neues Serbien, das nicht auch Albaner in seinen Grenzen umschließe.

Lloyd George und Woodrow Wilson gaben dem gegenüber zu bedenken, daß man sich einmal dem Vorwurf aussetzen könnte, immer dort gegen die eigenen Grundsätze verstoßen zu haben, wo es um Eigeninteressen gegangen sei, wenn man auch beim Saargebiet gegen das Selbstbestimmungsrecht verfahre. Der britische Premierminister bemühte wiederum die Geschichte und hielt seinem französischen Kollegen vor: „Großbritannien hat 1914 an Deutschland den Krieg erklärt, um seine Unterschrift unter den Neutralitätsvertrag für Belgien ehrenvoll einzulösen. Wenn wir unser vor einigen Monaten den Deutschen gegebenes Wort brechen würden, wie könnte dann Frankreich auf unser Wort bauen, wenn wir ihm versprechen, es im Falle eines Angriffs zu unterstützen?" Lloyd George meinte mit dem „vor einigen Monaten den Deutschen gegebenen Wort" die Note des US-Präsidenten Wilson vom 5. November 1918, in welcher auf die 14-Punkte-Er-klärung vom Januar 1918 Bezug genommen worden war In dieser Erklärung vor dem amerikanischen Kongreß hatte Wilson „strenge Beachtung des Prinzips, daß bei Bestimmungen aller derartigen Fragen (Landansprüche) der Souveränität das Interesse der betretenden Bevölkerung gleiches Gewicht haben muß wie die billigen Ansprüche der Regierung, deren Rechtstitel festgesetzt werden soll" gefordert.

Die alliierten Forderungen an Deutschland und die Kriegsschuldfrage In der Sitzung vom 27. März 1919 wurde u. a. auch schon deutlich, welche Einbußen Deutschland an Menschen, militärischer wie politischer Macht und Besitz hinzunehmen hatte. Das Deutsche Reich sollte keine Kolonien mehr besitzen, keine nennenswerte Flotte mehr haben und militärisch auf den Stand von Griechenland zurückgeführt werden Wie der britische Premier feststellte, waren sich die Großen Vier über diese Forderungen „vollkommen einig" Bei der Festsetzung der von Deutschland zu entrichtenden Kriegsentschädigungen war von fünf bis zehn Milliarden Pfund Sterling die Rede. Die Grundlage für diese Forderungen mußte die Klärung der Kriegsschuldfrage voraussetzen, wenn man nicht eine reine Siegerjustiz praktizieren wollte. Das wußte auch die deutsche Regierung, die sich deshalb schon im November 1918 um eine möglichst unparteiische Untersuchung über die Verantwortung für den Ausbruch des Krieges 1914 bemühte.

Das deutsche Verlangen nach einer neutralen Untersuchungskommission In einer Note vom 29. November 1918, die durch Vermittlung der Schweizer Regierung an Belgien, Großbritannien, Frankreich, Italien und die Vereinigten Staaten von Amerika weitergeleitet wurde, schlug die deutsche Reichs-leitung die Bildung einer neutralen Kommission vor, welche die Frage der Schuld am Kriege prüfen sollte. Um einen gerechten Urteilsspruch zu ermöglichen, sollten alle kriegführenden Mächte gehalten sein, der Untersuchungskommission ihr gesamtes Urkundenmaterial zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sollte die neutrale Kommission befugt sein, alle jene Persönlichkeiten zu vernehmen, die zur Zeit des Kriegsausbruchs die Geschikke der einzelnen Länder bestimmt haben, „sowie alle Zeugen, deren Aussagen für die Beweiserhebung von Bedeutung sein könnten"

Die Forderung der Berliner Regierung nach einer unparteiischen Untersuchung der Kriegsschuldfrage erscheint auf den ersten Blick als ein durchaus billiges Verlangen, dem im Interesse der historischen Wahrheit und einer gerechten Behandlung des unterlegenen Deutschlands hätte stattgegeben werden müssen. In den Augen der Siegermächte war dieses Begehren der Deutschen aber nichts anderes als der Versuch, den Alliierten auch ein Maß an Schuld am Ausbruch des Krieges zuzuschieben. Die geforderte Bereitstellung aller amtlichen Unterlagen über die politischen Ziele der Entente-Mächte und ihrer Verbündeten beinhaltete den Verzicht der Sieger auf Geheimhaltung ihrer Archive, in denen sich unter Umständen auch belastendes Material hätte befinden können, das heißt Aufgabe des Vorrechts des Siegers, gegen ihn sprechende Dokumente nicht politisch verwerten zu lassen. Die Alliierten hätten sich bei Erfüllung dieser Forderung in die gleiche Lage versetzt, in welche Deutschland durch die Niederlage geraten war. Das bedeutete ein „Sich-auf-die-gleiche-Stufe-Stellen" mit dem Besiegten vor einem internationalen Tribunal.

Das Verlangen, alle jene Personen vernehmen zu lassen, die zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs die Politik in den einzelnen Ländern bestimmten, hätte zur Folge gehabt, daß eine Reihe von Staatsmännern der Alliierten, die in Paris über den Friedensvertrag mit dem Deutschen Reich berieten, neben dem abgedankten und später als Kriegsverbrecher bezeichneten Kaiser Wilhelm II. und anderen, inzwischen von der politischen Bühne abgetretenen deutschen Politikern zur Vernehmung zu erscheinen gehabt hätten, während die amtierende Regierung in Berlin mit ihren neuen Männern guasi als Unbeteiligte und Neutrale aufgetreten wäre. Es war daher nicht verwunderlich, daß die Alliierten diese Forderung der deutschen Reichsleitung ablehnten. In einer Note der britischen Regierung vom 7. März 1919 erklärten die Entente-Staaten, „daß es unnötig sei, auf den deutschen Vorschlag irgendeine Antwort zu geben, da nach der Meinung der verbündeten Regierungen die Verantwortlichkeit Deutschlands für den Krieg längst unzweifelhaft festgestellt" sei

In einer zweiten Note vom 30. März 1919, die ebenfalls über das schweizerische Politische Departement durch Vermittlung der schweizerischen Gesandtschaft in London der britischen Regierung zur Kenntnis gebracht wurde, legte die deutsche Reichsregierung gegen die in der Antwort der englischen Regierung wiedergegebene Auffassung der Alliierten „nachdrücklich Verwahrung" ein. Im scharfen Ton erklärte das Berliner Kabinett: „Wenn in diesem Schreiben (das ist die Antwort der britischen Regierung) ausgeführt wird, der deutsche Vorschlag der Einsetzung einer neutralen Kommission zur Prüfung der Frage der Schuld am Kriege bedürfe keiner Antwort, weil die Verantwortlichkeit Deutschlands für den Krieg längst unzweifelhaft festgestellt sei, so maßen sich die Alliierten an, Ankläger und Richter zugleich zu sein, und zwar in einer Sache, in der sie zum Teil gleichfalls der Schuld geziehen werden. Deutschland kann einen Urteilsspruch in dieser Frage nur anerkennen, wenn er von einer Stelle ausgeht, der das gesamte Aktenmaterial beider Parteien zur Verfügung steht und die in der Lage ist, die nötigen Beweise durch Urkunden und Zeugen in voller Öffentlichkeit zu erheben."

Hintergründe der deutschen Forderung

Welche politischen Absichten bestimmte Kräfte in Deutschland mit dem Verlangen nach einer neutralen Untersuchungskommission verfolgten, geht aus einer Denkschrift des Majors i. G. von Bötticher vom 25. März 1919 hervor. Bötticher, der Vertreter der Obersten Heeresleitung bei der Waffenstillstandskommission war, schrieb in seinen „Gedanken über die bevorstehenden Friedensverhandlungen" u. a.: „Gleichzeitig müssen wir von uns als erste Forderung sofort die aufstellen, daß die Frage der Schuld am Kriege geprüft wird .. . Indem wir von Anfang an durch Aufrollen der Schuldfrage ihm (dem Feind) das Konzept stören, bringen wir ihn in eine ungünstige Verhandlungslage . . . Wir müssen ihn stören durch eigene Vorschläge und eigene Forderungen . . ."

Dieser Plan scheiterte jedoch an der Ablehnung der Alliierten, eine solche Untersuchungskommission einzusetzen.

Es erscheint zudem fraglich, ob eine Untersuchung durch einen neutralen Ausschuß, wie ihn die deutsche Regierung verlangte, zu dem von den Deutschen erwarteten Ergebnis gekommen wäre. Das vom deutschen Juristen Hermann Kantorowicz im Jahre 1927 erstellte , Gutachten zur Kriegsschuldfrage', das in diesen Jahren wieder neu aufgelegt wurde kommt in seinem Ergebnis zu der Feststellung, daß sich das Deutsche Reich am Ausbruch des Krieges besonders dadurch schuldig gemacht habe, daß es der Wiener Regierung freie Hand gegen Serbien gab und nicht mäßigend auf Osterreich-Ungarn einwirkte. Damit hätten die Regierungen der Mittelmächte den Krieg schuldhaft herbeigeführt, den Balkan-und Kontinentalkrieg vorsätzlich, den Weltkrieg fahrlässig. Was die Verantw tlichkeit der Kriegsgegner Deutschlands und seiner Verbündeten betrifft, so gelangt Kantorowicz zu folgendem Resultat: Serbien ist am Ausbruch des Krieges unschuldig, weil das Verbrechen von Sarajewo „aus österreich-ungarischen Mißständen hervorgewachsen, von österreich-ungarischen Untertanen auf österreich-ungarischem Boden begangen durch die Schuld österreich-ungarischer Behörden möglich gewesen" sei Die Schuld Rußlands und Frankreichs klassifiziert Kantorowicz als „weit geringer als die der Mittelmächte" und Großbritannien spricht er schließlich vollends von jeder Verantwortung für den Kriegsausbruch frei.

Mag dieses Gutachten in Beweisführung und Schlußfolgerung durchaus strittig und in einigen Punkten ergänzungsbedürftig sein, so messen doch auch neueste Forschungen über die Kriegsschuld dem Reich und seinen maßgeblichen Politikern ein bestimmtes Maß an Ver-antwortung für'die Ereignisse nach dem 1. August 1914 zu. Peter Graf von Kielmansegg weist in seinem bemerkenswerten Buch „Deutschland und der Erste Weltkrieg" nach, daß Reichskanzler von Bethmann Hollweg — gestützt auf die pessimistischen Prognosen des damaligen deutschen Generalstabschefs von Moltke — im Jahre 1914 geglaubt habe, einen Krieg in Kauf nehmen zu können, um einen befürchteten späteren Mehrfrontenkrieg zu vermeiden

Auf der anderen Seite konnte die deutsche Reichsregierung jedoch davon ausgehen, daß eine neutrale Untersuchungskommission Deutschland auch nicht mehr hätte belasten können, als dies die Siegermächte von sich aus taten.

Die „Sprachanweisung“ des Auswärtigen Amtes Nachdem Berlin mit seiner Forderung nach Prüfung der Kriegsschuld bei den Alliierten nicht durchdringen konnte, versuchte die deutsche Seite auf anderem Wege, Einfluß auf die Pariser Friedensverhandlungen zu nehmen. Anfang April 1919 erging eine „Sprachanweisung" des Auswärtigen Amtes, in welcher der Standpunkt der deutschen Regierung zu den in den Diskussionen der Großen Vier behandelten Fragen festgehalten wurde. In dem Schriftstück, das Präsident Wilson übergeben werden sollte, wurde zunächst die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß sich die Siegermächte — insbesondere Präsident Wilson — von dem Bestreben leiten lassen würden, einen gerechten Frieden herbeizuführen. Dieser sei jedoch nur möglich, wenn die deutsche Regierung volle Gelegenheit erhalte, zu den Forderungen der Alliierten Stellung zu nehmen. Das betreffe in erster Linie das Schicksal der deutschen Kolonien, die Mitgliedschaft Deutschlands im geplanten Völkerbund, die Schadensersatzforderungen, die künftige Grenzziehung in Europa, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Besetzung deutscher Gebiete durch alliierte Truppen

Zu der Absicht der Siegermächte, dem Deutschen Reich die Kolonien wegzunehmen, wurde in der Anweisung u. a. ausgeführt: „Wenn Herr Wilson das deutsche Volk wegen angeblicher Mißregierung der deutschen Kolonialverwaltung von der kolonialen Betätigung auszuschalten scheint, so kann die deutsche Regierung dies nur auf eine parteiliche Darstellung deutscher Kolonialtätigkeit durch die englische Konkurrenz zurückführen. Die deutsche Regierung erwartet, . .. daß dem deutschen Volk der Anteil an kolonialer Betätigung zuerkannt wird, den es als großes Industrievolk beanspruchen kann. Dabei wird Deutschland bereit sein, wegen Abtretung einzelner Kolonien zu verhandeln und den angemessenen Gegenwert gegen seine Schadenersatzverpflichtungen zu verrechnen."

Nachdem sich jedoch Lloyd George, Orlando, Clemenceau und Wilson schon im März 1919 darauf geeinigt hatten, dem Deutschen Reich die Verwaltung der Kolonien zu entziehen, kam dieser Versuch, durch ein Verhandlungsangebot noch etwas für Deutschland zu retten, zu spät.

Mit Verständnis für ihren Standpunkt besonders bei Präsident Wilson und Premierminister Lloyd George glaubte die deutsche Regierung rechnen zu können, wenn sie im zweiten Abschnitt der Anweisung darauf aufmerksam machte, daß sie keinen Friedensvertrag unterzeichnen könnte, der das deutsche Volk, wenn auch nur für eine Übergangszeit, als moralisch minderwertig qualifizieren und vom Völkerbund ausschließen würde. Wörtlich hieß es in der Denkschrift: „Für die Verpflichtungen, die es im Frieden wird auf sich nehmen müssen, lassen sich andere Garantien finden als die des moralischen Drucks, der in dem Ausschluß vom Völkerbünde liegen würde und schließlich auf eine Fortsetzung der Blockade gegen Deutschland hinausliefe."

Die Befürchtung, daß die Blockade gegen Deutschland durch den Ausschluß aus dem Völkerbund fortgesetzt werden könnte, resultierte aus der Erfahrung von 1918, als man in Deutschland hoffte, mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens würde auch die Wirtschaftsblockade der Alliierten aufgehoben werden, sich aber dann in dieser Erwartung bitter enttäuscht sah Zur Frage der Reparationen wurde in der „Sprachanweisung" des Auswärtigen Amtes bemerkt, daß die deutsche Regierung gewillt sei, alle wirtschaftlichen Kräfte, die dem deutschen Volk geblieben seien, an die Erfüllung der Bedingungen zu setzen, „die in den 14 Punkten Wilsons enthalten sind, und zwar in der zwischen den Kriegsparteien gemäß der Note des Staatssekretärs Lansing vom 5. November 1918 vereinbarten Auslegung" Die deutsche Regierung bezog sich mit diesem Hinweis auf den Satz der Antwortnote des amerikanischen Präsidenten an Berlin vom 5. November 1918, in welchem es hieß: „Ferner hat der Präsident in den in seiner Ansprache an den Kongreß vom 8. Januar 1918 niedergelegten Friedensbedingungen erklärt, daß die besetzten Gebiete nicht nur geräumt, sondern auch wiederhergestellt werden müßten."

Alle Schadenersatzforderungen, welche über diese Wiedergutmachung hinausgingen, gedachte die deutsche Seite abzulehnen, „weil die von ihr anerkannten Forderungen bereits das Maß dessen erreichen, was für Deutschland erträglich ist Für den Fall, daß die Alliierten doch vom Deutschen Reich mehr an Reparationen verlangen sollten, als von Präsident Wilson angekündigt worden ist", drohte Berlin an, den Friedensvertrag nicht zu unterzeichnen.

Zu den von den Siegermächten geplanten Grenzveränderungen im Osten wurde in der Anweisung des Auswärtigen Amtes ausgeführt, daß sich die deutsche Regierung jeder Regelung widersetzen werde, die nicht durch das von ihr anerkannte Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung begründet werden könne. Die Reichsregierung wolle sich aber mit einer Loslösung von Grenzgebieten einverstanden erklären, „wenn die national gemischte Bevölkerung und eine Mehrheit von zwei Dritteln der wahlfähigen Bevölkerung sich für die Lostrennung ausspricht" Die deutsche Reichsleitung glaubte, mit diesem Zugeständnis gegenüber Polen noch über die Forderungen des US-Präsidenten hinauszugehen, der nur die unzweifelhaft polnisch besiedelten Teile dem polnischen Staate zuerkannt hatte.

Wie der Artikel 88 des Friedensvertrags ausweist, war Deutschland mit diesem Vorschlag bei den Großen Vier auf Verständnis gestoßen. Im „Abschnitt VIII Polen" des Vertrags wurde nämlich — nicht zuletzt auf Drängen Wilsons und Lloyd Georges — festgelegt, daß in einem Teil von Oberschlesien die Einwohner aufgerufen werden sollten, auf dem Wege der Abstimmung kundzugeben, ob sie mit Deutschland oder mit Polen vereinigt zu werden wünschten

Hinsichtlich Elsaß-Lothringens erkannte die deutsche Regierung die Verpflichtung an, zunächst den früheren völkerrechtlichen Zustand des Landes wiederherzustellen, also im Friedensschluß auf die Territorialhoheit des Reiches auf Elsaß-Lothringen zu verzichten. Nach ihren Ausführungen sah sie das Unrecht des Jahres 1871 darin, daß die Annektion ohne Abstimmung, ja gegen den Widerspruch der gewählten Vertreter der Bevölkerung vorgenommen worden war. Berlin betonte, daß dies ein Unrecht nicht gegen Frankreich, sondern gegen die Elsaß-Lothringer gewesen sei, um daraus zu folgern: „Dieses Unrecht darf aber nicht dadurch wiederholt werden, daß Frankreich jetzt Elsaß-Lothringen ohne Feststellung des Willens der Bevölkerung zurückannektiert." Nach der Darstellung der Reichsregierung habe Elsaß-Lothringen bei allen Beschränkungen seiner Freiheit seit 1871 ein eigenes Leben geführt und besitze daher ein Anrecht, gehört zu werden, wenn über sein Schicksal entschieden werden soll. Als Möglichkeiten der Entscheidung durch die Bevölkerung Elsaß-Lothringens werden in dem deutschen Dokument angeführt: ein Verbleiben bei Deutschland, ein Eintritt in den „französischen Einheitsstaat" oder eine „autonome Entwicklung"

Mit diesen Anregungen an die Adresse Präsident Wilsons versuchte die deutsche Regierung, den Punkt VIII aus der Kongreß-Botschaft vom 8. Januar 1918 in ihrem Sinne zu interpretieren. Wilson hatte in diesem Punkt nur allgemein davon gesprochen, daß das „Frankreich durch Preußen 1871 in Sachen Elsaß-Lothringen angetane Unrecht" berichtigt werden müsse. Wie diese Berichtigung konkret einmal aussehen sollte, hatte der Präsident offen gelassen und damit der deutschen Seite die Möglichkeit gegeben, ihre eigenen Vorstellungen zu entwickeln. Wie sich jedoch bei den Beratungen der Großen Vier bald herausstellte, hatten die deutschen Vorschläge keinerlei Aussicht, bei den Friedensregelungen um Elsaß-Lothringen berücksichtigt zu werden. So wurde denn auch im Artikel 51 des Friedensvertrages niedergelegt, daß die infolge des Frankfurter Vertrages vom 10. Mai 1871 an Deutschland abgetretenen Gebiete — gemeint waren Elsaß und Lothringen — mit Wirkung vom Zeitpunkte des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 ab unter die französische Souveränität zurückfallen

Die im Abkommen über die zweite Verlängerung des Waffenstillstandes vom 16. Januar 1919 angekündigte Besetzung von Teilen des rechten Rheinufers nahm die deutsche Regierung in ihrer „Sprachanweisung" des Auswärtigen Amtes zum Anlaß für die Feststellung, daß sie eine länger dauernde Besetzung der westlichen Gebiete durch fremde Truppen als einen Versuch betrachten müßte, unter dem Deckmantel finanzieller Ansprüche territoriale Machtgelüste zu befriedigen und die Loslösung dieser Gebiete vom Reich vorzubereiten. Ein solches Bestreben würde nach ihrer Meinung aber den Keim zu einem zukünftigen Rachekrieg legen

Betrachtet man die Vorgänge der zwanziger Jahre mit der Ruhrbesetzung durch die Franzosen und die dadurch hervorgerufene antifranzösische Reaktion unter der deutschen Bevölkerung, so versteht man diese Befürchtung der deutschen Regierung. Abschließend heißt es in der Anweisung des Auswärtigen Amtes: „Die deutsche Regierung ist der Überzeugung, daß die wahren Interessen aller jetzt durch den Krieg gegeneinander aufgehetzten Völker in derselben Richtung laufen und daß nur die gemeinsame Arbeit an dem Wiederaufbau der durch den Krieg schwer verwüsteten moralischen und materiellen Wohlfahrt der Völker Aussicht auf Erfolg bietet. Sie weiß, daß sie in dieser Richtung der Hilfe bedarf und ist bereit, sie anzunehmen, wenn sie in dem Geiste gerechter Solidarität geboten wird. Sie weiß aber auch, daß das deutsche Volk an Arbeitskraft beizusteuern hat, die seine Mitwirkung bei dem Aufbau den anderen nützlich erscheinen lassen muß."

In einer Randbemerkung zu diesem Memorandum wurde die Bereitschaft zur Abrüstung nach Eintritt in den Völkerbund bekundet, wenn diese — die Abrüstung — auf Gegenseitigkeit beruhe. Wie die späteren Ereignisse der frühen dreißiger Jahre beweisen, spielte die Frage der Abrüstung bei Gegenseitigkeit noch eine wichtige politische Rolle und gab dann im Herbst 1933 Hitler den Vorwand, sowohl die Abrüstungskonferenz als auch den Völkerbund zu verlassen Damit ist bereits eine der Folgen angedeutet, welche die einseitige Friedensregelung von Versailles nach sich gezogen hat. Denn obwohl sich im Artikel 8 des Friedensvertrags alle Unterzeichnerstaaten, also auch die Siegermächte von 1918, zu einer Herabsetzung ihrer nationalen Rüstungen verpflichteten, zögerten sie die Verringerung ihrer Streitkräfte aus verschiedenen Gründen immer wieder hinaus

Die Übergabe des Vertragsentwurfs am 7. Mai 1919

Nach knapp viermonatigen Beratungen war der Vertragsentwurf Ende April 1919 fertiggestellt. Am 28. April billigte die Vollversammlung der Friedenskonferenz, das heißt die Vertreter der alliierten und assoziierten Mächte, die Satzung des Völkerbundes. Sie wurde als Artikel 1 bis 26 dem Friedensvertrag mit Deutschland vorangestellt. Einen Tag später, am 29. April 1919, traf die deutsche Friedens-delegation unter Führung von Reichsaußenminister von Brockdorff-Rantzau in Paris ein. Ihr wurde am 7. Mai der 440 Artikel zählende Entwurf des Friedensvertrags übergeben.

Die Ansprache Clemenceaus Der Vorsitzende der Friedenskonferenz, Ministerpräsident Georges Clemenceau, hielt dabei eine kurze Ansprache an die Delegierten des Deutschen Reiches. Der Stimmung der vom Krieg hart betroffenen Bevölkerung seines Landes Ausdruck gebend sprach er das vielzitierte harte Wort von der „Stunde der Abrechnung" welche nunmehr gekommen sei, und fuhr fort: „Wir übergeben Ihnen das Buch des Friedens. Jede Muße zu seiner Prüfung wird Ihnen gegeben werden. Ich rechne darauf, daß Sie diese Prüfung in dem Geiste der Höflichkeit vornehmen werden, welche zwischen den Kulturnationen vorherrschen muß; der zweite Versailler Friede ist zu teuer von uns erkauft worden, als daß wir es auf uns nehmen könnten, die Folgen dieses Krieges allein zu tragen."

Sodann eröffnete er den deutschen Vertretern, daß es keine mündliche Verhandlung mit ihnen geben werde. bekämen Be die -Vielmehr vollmächtigten des Reiches eine vierzehntägige Frist eingeräumt, innerhalb welcher sie Gelegenheit hätten, ihre schriftlichen „Bemerkungen" der Konferenz zu überreichen.

Die Antwort-Rede Brockdorff-Rantzaus Noch in Unkenntnis über die genaueren Bedingen des Vertrages antwortete Graf Brockdorff-Rantzau mit einer mehr die grundsätzlichen Fragen eines Friedensschlusses behandelnden Rede. Er ging dabei auch auf die inzwischen bekannt gewordene Absicht der Alliierten ein, Deutschland die Alleinschuld am Kriege zuzuschreiben, und erklärte, daß die frühere deutsche Regierung durch ihre Handlungen und Unterlassungen wohl mit zu dem Unheil beigetragen haben mag, daß jedoch das deutsche Volk im Jahre 1914 überzeugt war, einen Verteidigungskrieg zu führen.

Wörtlich stellte Brockdorff-Rantzau fest: „Keiner von uns wird behaupten wollen, daß das Unheil seinen Lauf erst in dem verhängnisvollen Augenblick begann, als der Thronfolger Österreich-Ungarns den Mörderhänden zum Opfer fiel. In den letzten fünfzig Jahren hat der Imperialismus aller europäischen Staaten die internationale Lage chronisch vergiftet. Die Politik der Vergeltung wie die Politik der Expansion und die Nichtachtung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker hat zu der Krankheit Europas beigetragen, die im Weltkrieg ihre Krisis erlebte."

Zum Vorwurf, die Deutschen hätten im Kriege Verbrechen begangen, bemerkte der Außenminister, daß auch die Alliierten gefehlt hätten.

Er wolle nicht Anschuldigungen durch Gegenanklagen beantworten, aber doch darauf hinweisen, daß seit dem 11. November 1918 — dem Abschluß des Waffenstillstandsvertrages — Hunderttausende von Nichtkämpfern an der von den Alliierten verhängten Blockade zugrunde gegangen seien Sodann erneuerte Brockdorff-Rantzau die frühere deutsche Forderung, das Maß der Schuld aller Beteiligten durch eine unparteiische Untersuchungskommission feststellen zu lassen. Unabhängig davon bekräftige die deutsche Regierung jedoch ihre Bereitschaft, sich am Wiederaufbau der von deutschen Truppen besetzt gewesenen Gebiete Belgiens und Nordfrankreichs nach Kräften zu beteiligen. Wörtlich sagte er: „Wir wiederholen die Erklärung, die bei Beginn des Krieges im Deutschen Reichstag abgegeben wurde: Belgien ist Unrecht geschehen, und wir wollen es wiedergutmachen."

Brockdorff-Rantzau warnte jedoch davor, diese Wiederaufbau-Arbeit durch die deutschen Kriegsgefangenen besorgen zu lassen, zumal man in Deutschland schon sehr darüber enttäuscht sei, daß die Alliierten die deutschen Gefangenen noch nicht in die Heimat entlassen hätten

Was die Regelung der von Deutschland zu entrichtenden Reparationen betreffe, so gehe die Reichsregierung von der Annahme aus, daß beiderseitige Sachverständige zu prüfen hätten, wie das Reich seiner finanziellen Entschädigungspflicht Genüge leisten könnte, ohne unter der schweren Last zusammenzubrechen. Der Außenminister schloß mit den Worten: „Das deutsche Volk ist innerlich bereit, sich mit seinem schweren Los abzufinden, wenn an den vereinbarten Grundlagen des Friedens nicht gerüttelt wird Ein Frieden, der nicht im Namen des Rechts vor der Welt verteidigt werden kann, würde immer neue Widerstände gegen sich ausrufen. Niemand wäre in der Lage, ihn mit gutem Gewissen zu unterzeichnen, denn er wäre unerfüllbar. Niemand könnte für seine Ausführung die Gewähr, die in der Unterschrift liegen soll, übernehmen. Wir werden das uns übergebene Dokument mit gutem Willen und in der Hoffnung prüfen, daß das Endergebnis unserer Zusammenkunft von uns allen gezeichnet werden kann."

Die Reaktion in Deutschland Sofort nach Rückkehr der deutschen Delegation nach Berlin ging die Reichsregierung daran, den Vertragsentwurf zu prüfen. Ihre erste Reaktion auf die harten Bedingungen war ein flammender Protest des amtierenden „Reichsministerpräsidenten" Philipp Scheide-mann. In einer Rede vor der Verfassunggebenden Nationalversammlung in der Neuen Aula der Berliner Universität am 12. Mai 1919 nannte der Regierungschef den Vertrag ein „Gitterwerk", hinter welchem 60 Millionen Deutsche als Gefangene schmachten müßten. Er zählte im einzelnen die unerträglichen Auflagen des Vertrages auf und kam zu dem Schluß: „Dieser Vertrag ist so unannehmbar, daß ich heute noch nicht zu glauben vermag, die Erde könne solch'ein Buch ertragen, ohne daß aus Millionen und aber Millionen Kehlen aus allen Ländern, ohne Unterschied der Partei, der Ruf erschallt: Weg mit diesem Mordplan! ... Würde dieser Vertrag wirklich unterschrieben, so wäre es nicht Deutschlands Leiche allein, die auf dem Schlachtfelde von Versailles liegen bliebe. Daneben würden als ebenso edle Leichen liegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die Unabhängigkeit freier Nationen, der Glaube an all’ die schönen Ideale, unter deren Banner die Entente zu fechten vorgab, und vor allem der Glaube an die Vertragstreue."

Die Kritik Lansings am Vertrag Aber nicht allein die deutsche politische Führung hielt diesen Vertrag für unannehmbar, auch unter den alliierten Staatsmännern stieß er auf harte Kritik. So vermerkte der amerikanische Staatssekretär Robert Lansing in einer Aufzeichnung vom 8. Mai 1919, daß der Eindruck.den der Vertrag mache, enttäuschend sei und Bedauern und Niedergeschlagenheit erwecke. Wörtlich notierte er: „Die Friedensbedingungen erscheinen unsagbar hart und demütigend, während viele von ihnen mir unerfüllbar scheinen ... Dieser Krieg wurde von den Vereinigten Staaten geführt, um für immer Zustände zu vernichten, die ihn hervorbrachten. Diese Zustände sind nicht zerstört worden. Andere Zustände, andere Bedingungen haben sie verdrängt, die nicht minder als jene den Haß, die Eifersucht, den Argwohn wekken."

Im Völkerbund, aus dem Deutschland nach dem Willen der Alliierten vorläufig ausgeschlossen bleiben sollte, sah Robert Lansing nur ein Werkzeug der Mächtigen mit dem Ziel, das normale Wachstum nationaler Macht und nationaler Bestrebungen bei jenen Völkern aufzuhalten, die durch die Niederlage machtlos geworden sind. „An Stelle des Dreibundes und der Entente hat sich der Fünfbund erhoben, der die Welt beherrschen soll. Die Sieger in diesem Kriege gedenken, ihren vereinten Willen den Besiegten aufzuzwingen und alle Interessen ihren eigenen unterzuordnen."

Fast visionär muten seine Worte an, die er über die Zukunft des eben geschaffenen Völkerbundes niederschrieb: „Der Bund, wie er jetzt besteht, wird der Habgier und Intrige anheimfallen; und die Bestimmung der Einstimmigkeit im Rate, die eine Schranke hiergegen bieten könnte, wird durchbrochen werden oder die Organisation machtlos machen."

Die Meinung Oberst Congers Zu einem ähnlich harten Urteil über die Bedingungen des Friedensvertrags gelangte auch der Chef der politischen Abteilung im amerikanischen Großen Hauptquartier, Oberst Arthur L. Conger. In einem Gespräch mit dem Historiker Hans Delbrück am 18. Mai 1919 gab er zu verstehen, daß man sich auch im Lager der Alliierten über die große Härte der gestellten Bedingungen im klaren sei. Er warnte jedoch davor zu glauben, Wilson sei mit den Friedensbedingungen unzufrieden und wünsche, daß Deutschland sie ablehne, damit er dem Reich zu besseren verhelfen könne. Was in Paris ausgearbeitet worden sei, müsse man als einen Kompromiß zwischen den Absichten Großbritanniens und Frankreichs einerseits und den Vereinigten Staaten andererseits be-* trachten. Clemenceau habe die deutsche Delegation zunächst nicht als eine Vertretung Deutschlands, sondern nur als eine Vertretung der Einzelstaaten, Bayerns, Preußens usw., empfangen wollen. Wilson sei es zu verdanken gewesen, daß die Alliierten überhaupt einen deutschen Gesamtstaat anerkannt hätten. Was die Härte der Friedensbedingungen betreffe, so habe Wilson nicht anders handeln können, da die öffentliche Meinung auch in Amerika für möglichst harte Bedingungen sei. Bei der Festsetzung der militärischen Stärke der künftigen deutschen Armee hätten Wilson und Lloyd George ihre eigenen General-stäbe nicht gefragt, sondern nur Marschall Foch um Auskunft gebeten, ob 100 000 Mann ausreichend seien, um in Deutschland die Ordnung aufrechtzuerhalten. Nachdem Foch diese Frage bejaht habe, sei die Streitmacht Deutschlands auf 100 000 Mann begrenzt worden

So aufschlußreich diese Darstellung des amerikanischen Obersten für die Erhellung der einen oder anderen in Paris diskutierten Frage auch sein mag, vorbehaltlos kann sie nicht übernommen werden. Zieht man nämlich die Ausführungen Lloyd Georges, die dieser am 27. März 1919 im Rat der Großen Vier gemacht hat, zum Vergleich heran, erkennt man, daß die Meinung des Marschalls Foch bei den Vertretern der USA und Großbritanniens auf Widerspruch gestoßen ist

Die Stimmung bei den deutschen Arbeitern

Nach den empörten Protesten gegen die von den Siegermächten gestellten Friedensbedingungen ging man in Deutschland daran, durch Ausarbeitung von Gegenvorschlägen eine Milderung der Vertragsbestimmungen zu erreichen. Aus einem Stimmungsbericht des Reichs-kommissars Carl Severing aus dem Ruhrgebiet vom 17. Mai 1919, der auf Ersuchen des Generalkommandos des VH. Armeekorps angefertigt worden ist, ging zudem hervor, daß die Masse der Arbeiter eine glatte Ablehnung des Friedensvertrags nicht befürwortete, weil man in diesem Falle fürchtete, daß die Alliierten entweder das deutsche Industriegebiet besetzen oder die Blockade gegen Deutschland fortsetzen würden, also Maßnahmen ergriffen, die Deutschland nach einiger Zeit doch zum Unterzeichnen — vielleicht unter noch härteren Bedingungen — zwingen würden. Nach Meinung der Arbeiterschaft — so hieß es im Bericht Severings — müsse versucht werden, die Gegner auf dem Wege der Verhandlungen zu einer Milderung ihrer Bedingungen zu veranlassen. Man gab sich dabei der Hoffnung hin, daß sich die Entente-Mächte unter dem Druck ihrer eigenen Arbeiterschaft zu einem versöhnlicherem Friedensschlüsse bereit finden würden. Sollte diese Erwartung nicht in Erfüllung gehen, bliebe immer noch die Möglichkeit, die Alliierten nach der Unterzeichnung des Vertrages von der Unmöglichkeit, alle seine Bestimmungen einzuhalten, zu überzeugen. Nur ein kleiner Teil der Arbeiter, darunter besonders die kommunistischen Kreise, war entschieden gegen die Unterzeichnung des Vertrages. Sie erhofften sich von der Revolution in den feindlichen Ländern die Beseitigung der dortigen Machthaber und damit im Gefolge einen Frieden des gerechten Ausgleichs Setzten die Arbeiter zum Teil große Hoffnungen auf die internationale Solidarität aller Proletarier, die in diesem Falle Deutschland zu Hilfe kommen würden, so vergaßen sie doch auch nicht, daß ihr eigener Protest gegen den Friedensvertrag von Brest-Li-towsk am 11. November 1917 und am 22. März 1918 nichts an den deutschen Forderungen, welche in Härte und Maßlosigkeit kaum jenen der Alliierten nachstanden, geändert hatte

Die deutschen Gegenvorschläge

Angesichts dieser Lage blieb Deutschland nur der Versuch übrig, auf diplomatischem Wege eine Verbesserung der Friedensbedingungen zu erreichen. Die von Clemenceau bei der Übergabe des Vertragsentwurfs am 7. Mai 1919 festgesetzte Frist von vierzehn Tagen war zwar schon überschritten, als die Mantelnote Graf Brockdorff-Rantzaus zu den deutschen Gegenvorschlägen in Versailles am 29. Mai überreicht wurde, doch sagten die Alliierten eine Prüfung der deutschen Gegen-vorstellungen zu. Im ersten Teil der deutschen Note wurde an Einzelbeispielen die Unmöglichkeit herausgestellt, die alliierten Forderungen zu erfüllen, und zugleich auf den demütigenden Charakter vieler Friedensbestimmungen hingewiesen. Im besonderen verwahrte man sich gegen die Abtrennung Westpreußens, von Teilen von Pommern und Danzigs sowie Oberschlesiens an Polen, gegen die Loslösung des Saargebietes ohne genügende Garantien für die Unabhängigkeit einer erst nachträglichen Abstimmung. Es wurde Einspruch erhoben gegen die Absicht der Alliierten, das Rheinland fünfzehn Jahre lang zu besetzen, Deutschland die Erstattung aller Kriegskosten aufzubürden, alle deutschen Vermögenswerte im Ausland einzuziehen, die deutsche Handelsflotte als Kriegs-beute zu fordern, die deutschen Kolonien der Verwaltung des Reiches zu entziehen, der internationalen Kommission für Wiedergutmachung diktatorische Vollmachten gegenüber allen Instanzen des Reiches einzuräumen und Deutschlands Souveränität durch die Internationalisierung seiner Ströme zu beschränken. Als besonders kränkend wurde es hingestellt, daß das Deutsche Reich aus dem Bunde der Völker ausgeschlossen bleiben solle. Zusammenfassend schrieb Brockdorff-Rantzau: „So soll ein ganzes Volk seine eigene Ächtung, ja sein Todesurteil unterschreiben."

Im zweiten Teil wurden die deutschen Gegen-vorschläge unterbreitet. Darin bot die Reichs-regierung die Verringerung der Streitkräfte auf insgesamt 100 000 Mann sowie den Verzicht auf Schlachtschiffe an. Die allgemeine Wehrpflicht sollte in Deutschland abgeschafft werden, um Frankreich keinen Grund zur Sorge vor einer militärischen Gefahr aus dem Osten zu bieten. Dafür erwartete die deutsche Regierung, daß Deutschland „sofort als gleichberechtigter Staat in den Völkerbund ausgenommen wird". Zur Frage der Grenzziehung bemerkte die Reichsregierung in ihrer Note, daß sie bereit sei, auf ihre Staatshoheit in Elsaß-Lothringen zu verzichten, daß sie aber wünsche, dort eine freie Volksabstimmung abhalten zu lassen. An Polen wolle sie „die unbestreitbar polnisch besiedelten Gebiete nebst Posen" abtreten und den Polen „durch Ein-räumung von Freihäufen in Danzig, Königsberg und Memel, durch eine Wechsel-Schifffahrtsakte und durch besondere Eisenbahnverträge freien und sicheren Zugang zum Meere unter internationaler Garantie gewähren" Zur französischen Forderung nach Abtrennung des Saargebietes bemerkte die Reichsregierung, daß sie bereit sei, die wirtschaftliche Versorgung Frankreichs mit Kohlen, besonders aus dem Saarbecken, bis zur Wiederherstellung der französischen Bergwerke zu sichern. Berlin erklärte sich weiterhin einverstanden, die deutschen Kolonien der Gemeinschaftsverwaltung des Völkerbundes zu unterstellen, wenn Deutschland als dessen Treuhänder eingesetzt würde. über die Reparationen führte die Note aus: „Deutschland ist bereit, die ihm nach dem vereinbarten Friedensprogramm obliegenden Zahlungen bis zur Höchstsumme von 100 Milliarden Mark Gold zu leisten, und zwar 20 Milliarden Gold bis zum 1. Mai 1926, alsdann die restlichen 80 Milliarden Mark Gold in unverzinslichen Jahresraten."

An der Wiederherstellung der zerstörten Gebiete in Belgien und Nordfrankreich wollte Deutschland „werktätig" mitarbeiten und bot an, für den Produktionsausfall der zerstörten Gruben Nordfrankreichs während der ersten fünf Jahre bis zu 20 Millionen Tonnen Kohle jährlich und während der nächsten fünf Jahre bis zu 8 Millionen Tonnen Kohle jährlich zu liefern. Als Ersatz für die in Belgien und Nordfrankreich vernichteten Flußschiffe wollte Deutschland Flußfahrzeuge aus eigenem Bestand stellen.

Abschließend wurde in der Note die Forderung erneuert, die Verantwortlichkeit für den Ausbruch des Krieges und die Schuld während des Krieges von einer unparteiischen Kommission untersuchen zu lassen.

Unterzeichnung oder Nichtunterzeichnung des Vertrags?

Während die deutschen Gegenvorschläge in Paris von den Alliierten geprüft wurden, stellte man in Berlin Überlegungen an, welche Folgelasten die Unterzeichnung des Friedensvertrages mit sich bringen würde und mit welchen Konsequenzen das Reich zu rechnen hätte, falls es die Unterschrift verweigerte. Matthias Erzberger fertigte für den Reichspräsidenten und das Kabinett eine Denkschrift an, in welcher er die Punkte zusammenfaßte, die für eine Unter-schrift sprachen, und jene, die sich gegen eine Annahme der alliierten Bedingungen ins Feld führen ließen. Die Reichsregierung legte dieses Memorandum ihres Finanzministers ihren Beratungen am 3. und 4. Juni 1919 zugrunde.

Danach war die Lage folgendermaßen zu beurteilen: 1. Wenn der Friedensvertrag nicht unterzeichnet wird, kündigen die Alliierten den Waffenstillstand und nehmen die Kampfhandlungen wieder auf. Da die deutsche Armee für einen erfolgreichen Widerstand zu schwach ist werden die feindlichen Streitkräfte innerhalb kurzer Zeit das gesamte Ruhrgebiet besetzen und bis in den Raum von Kassel vordringen. Die Blockade gegen Deutschland wird verschärft und damit im Reich bald allgemeine Le-ebensmittel-, Waren-und Rohstoffnot eintreten. Als Folge dieser katastrophalen Lage wäre eine bolschewistische Revolution nach russischem Muster zu befürchten. Nach kurzer Frist müßte doch Frieden geschlossen werden, aber nicht vom Reich, sondern von den Einzelstaaten, denen zur Bedingung gemacht würde, sich nicht mehr zu einem Gesamtstaat zusammenzuschließen. „Dieser Friede wäre ein noch schlimmerer als der jetzige", resümierte Erzberger. 2. Wenn der Friedensvertrag unterzeichnet wird, hört der Kriegszustand auf und wird die Blockade beseitigt. Die Grenzen öffnen sich, und es kommen wieder Lebensmittel und Rohstoffe ins Land. Die Kriegsgefangenen kehren endgültig in die Heimat zurück, Polen wird gezwungen, seine Angriffsabsichten aufzugeben, und die Einheit des Reiches bleibt bestehen. Im Innern des Reiches verliert der Bolschewismus an Werbekraft, und durch die vermehrte Kohlenproduktion wird auch die Verkehrslage wieder gebessert. Dann hieß es wörtlich in der Denkschrift Erzbergers: „Von rechts her und von einem Teil des liberalen Bürgertums wird ein erbitterter Kampf gegen die Regierung entbrennen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß es zu einem militärischen Putsch gegen die Regierung kommt. Die Aktion würde sehr wahrscheinlich von Osten ausgehen ... Die Bewegung wird aber wahrscheinlich an der vorbehaltlosen Friedenssehnsucht der großen Mehrheit des Volkes wie an der greifbar in Erscheinung tretenden Besserung der allgemeinen Lage durch den Friedenszustand bald verpuffen."

Diese durchaus realistische Einschätzung der Lage, in welcher sich das Reich befand, ließ eine Unterzeichnung des Friedensvertrags als das kleinere Übel erscheinen. Mag sein, daß sich Erzberger nach Überreichung der deutschen Gegenvorschläge noch spürbare Milderungen der gestellten Bedingungen erhoffte.

Die Antwort der Alliierten vom 16. Juni 1919

In dieser Erwartung wurde er jedoch getäuscht, als Clemenceau am 16. Juni 1919 die Antwort der Siegermächte übergeben ließ und darin fast alle deutschen Gegenvorstellungen zurückwies. Als größtes Zugeständnis der Alliierten konnte die von Deutschland verlangte Zulassung einer Volksabstimmung in Oberschlesien erreicht werden. Für das Saargebiet forderte Clemenceau nun endgültig eine 15 Jahre dauernde Verwaltung unter der Kontrolle des Völkerbundes. Nach Ablauf dieser Frist sollte die Bevölkerung die Gelegenheit erhalten zu entscheiden, ob sie die Vereinigung mit Deutschland oder mit Frankreich oder die „Fortsetzung des durch den Vertrag begründeten Regimes" vorzieht. Zur Frage der Wiedergutmachung bemerkte Clemenceau: „Die alliierten und assoziierten Mächte .. . stimmen mit der deutschen Delegation darin überein, daß es erwünscht ist, so bald wie möglich die von Deutschland zu zahlende Summe in Übereinstimmung mit den Alliierten endgültig festzusetzen. Es ist nicht möglich, diese Summen heute zu bestimmen, da der Umfang des Schadens und die Kosten der Wiederherstellung noch nicht festgestellt worden sind. Die alliierten und assoziierten Mächte sind daher bereit, dem Deutschen Reiche alle möglichen und angemessenen Erleichterungen zuteil werden zu lassen, damit es die zerstörten Gebiete besichtigen und daraufhin binnen vier Monaten nach Unterzeichnung des Vertrages Vorschläge machen kann für eine Regelung der Ansprüche auf Grund der verschiedenen Schadensar- ten, für die Deutschland verantwortlich ist." Den vorläufigen Ausschluß Deutschlands aus dem Völkerbund begründeten die Siegermächte in der Note mit der Rücksicht auf die gegenwärtige Stimmung unter jenen Völkern, die unter den Deutschen zu leiden gehabt hätten, welche es nicht zulassen würde, daß das Reich sofort als gleichberechtigter Partner in ihre Gemeinschaft ausgenommen werde.

Auf die deutschen Beschwerden gegen die fortgesetzte Blockade antworteten die Alliierten: „Wenn die alliierten und assoziierten Mächte Deutschland gegenüber eine Blockade von besonderer Strenge angewandt haben, welche sie in konsequenter Weise den Grundsätzen des Völkerrechts anzupassen suchten, so geschah dies wegen des verbrecherischen Charakters des von Deutschland angefangenen Krieges und wegen der barbarischen Methode, welche Deutschland in der Durchführung dieses Krieges angewandt hat."

Gemeint waren mit dieser „barbarischen Methode" u. a.der Einsatz von Giftgas im Krieg, die Bombardierung und Beschießung von Städten und der unbeschränkte U-Boot-Krieg

Abschließend wurde in der alliierten Antwortnote ultimativ verlangt: „Die alliierten und assoziierten Mächte fordern daher eine Erklärung der Deutschen Delegation binnen fünf Tagen vom Datum dieser Mitteilung, daß sie bereit ist, den Vertrag in seiner heutigen Gestalt zu unterzeichnen." Im anderen Falle würden die Alliierten alle geeigneten Schritte unternehmen, um die Erfüllung ihrer Bedingungen zu erzwingen.

Schwere Entscheidung Berlins Mit diesem Ultimatum war Deutschland die Möglichkeit genommen, weiter auf diplomatischem Wege für eine Milderung der Bedingungen tätig zu werden. Die Reichsregierung stand vor der Alternative: Unterschrift oder mögliche Wiederaufnahme des Krieges. Wie aus den Aufzeichnungen des Generalquartiermeisters Wilhelm Groener vom 18. bis 20. Juni 1919 hervorgeht, sprachen sich bei der Sitzung der Ländervertreter des Reiches mit Ausnahme Preußens und der drei Hansestädte alle anderen Delegierten der Länder für die Annahme des Friedensvertrages aus. Reichsministerpräsident Philipp Scheidemann, der sich in seiner Rede vom 12. Mai 1919 so leidenschaftlich gegen den Vertrag und seine Bedingungen verwahrt hatte, erklärte dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert seinen Rücktritt. Zwei Tage darauf, am 21. Juni, bildete der Sozialdemokrat Gustav Bauer ein neues Kabinett. Er hatte nun zusammen mit seinen Kollegen für die Regierung zu entscheiden, ob der Vertrag unterzeichnet werden sollte oder nicht. Als Parteigenosse des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Scheidemann hatte es Bauer nicht leicht, sich zu einem Ja (zur Unterzeichnung des Vertrages) durchzuringen, zumal Mitglieder der SPD-Fraktion in der Nationalversammlung in einer Erklärung vom 21. Juni 1919 die Friedensbedingungen ablehnten Eine ähnliche ablehnende Stellungnahme gaben auch die Fraktionen der Deutschnationalen Volkspartei, der Deutschen Volkspartei und der Deutschen Demokratischen Partei am 20. bzw. 21. Juni ab. Ausdrücklich für die Annahme des Vertrages sprach sich der Abgeordnete der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD), Hugo Haase, aus. Er sagte in einer Rede am 22. Juni 1919: „Die Regierung ... muß unterzeichnen ... Die Weltrevolution schreitet vorwärts . .. Und aus diesem Grunde muß der Friedensvertrag unterschrieben werden. Wir haben die volle Zuversicht und sind durch die lebhafte soziale Bewegung ... in Frankreich, Italien und England ... in dieser Zuversicht gestärkt worden, daß der Friedensvertrag schließlich durch die Solidarität des internationalen Proletariats, das überall zur Herrschaft kommen wird, abgeändert werden wird."

Die Regierungserklärung Bauers Am gleichen Tage gab Reichsministerpräsident Bauer eine Regierungserklärung vor der Nationalversammlung ab. Darin führte er zur Frage: Unterzeichnung oder Ablehnung des Friedensvertrages u. a. aus: „ ... die Ablehnung wäre keine Abwendung des Vertrages. Ein Nein wäre nur eine kurze Hinausschiebung des Ja! Unsere Widerstandskraft ist gebrochen, ein Mittel der Abwendung gibt es nicht. Wohl aber bietet der Vertrag selbst eine Handhabe, die wir uns nicht entreißen lassen können. Ich denke hier an die feierliche Zusage der Entente in ihrem Memorandum vom 16. Juli 1919, wonach eine Revision des heute vorliegenden Vertrages von Zeit zu Zeit eintreten und diesen neuen Ereignissen und neu eintretenenden Verhältnissen angepaßt werden kann. Das ist eines der wenigen Worte in diesem Friedensvertrag, das wirklichen Friedensgeist atmet. Im Namen der Reichsregierung . . . habe ich daher zu erklären, daß sie in Würdigung aller dieser Umstände und vorbehaltlich der Ratifikation durch die Nationalversammlung sich entschlossen hat, den uns vorgelegten Friedensvertrag unterzeichnen zu lassen."

Nach der nochmaligen Begründung seines Entschlusses, den Vertrag unterzeichnen zu lassen, kam Bauer auf die Artikel 227 bis 231 des Vertrages zu sprechen, um dazu festzustellen: „Wir legen . ..den größten Nachdruck auf die Erklärung, daß wir den Artikel 231 des Friedensvertrages, der von Deutschland fordert, sich als alleinigen Urheber des Krieges zu bekennen, nicht annehmen können und durch die Unterschrift nicht decken. Ebenso wenig kann es ein Deutscher mit seiner Würde und Ehre vereinbaren, die Artikel 227 bis 230 anzunehmen und auszuführen, in denen Deutschland zugemutet wird, Angehörige des deutschen Volkes, die von den alliierten und assoziierten Mächten der Verletzung internationaler Gesetze und der Vornahme von Handlungen gegen die Gebräuche des Krieges bezichtigt werden, zur Aburteilung auszuliefern. . . . Daher werden wir die Vollmacht zur Unterzeichnung in folgender Form geben: , Die Regierung der deutschen Republik ist bereit, den Friedensvertrag zu unterzeichnen, ohne jedoch damit anzuerkennen, daß das deutsche Volk der Urheber des Krieges sei, und ohne eine Verpflichtung nach Artikel 227 bis 230 des Friedensvertrages zu übernehmen'."

Diese Ausführungen Gustav Bauers wurden dem Inhalte nach den Alliierten in einer Note zur Kenntnis gebracht. Als Präsident der Friedenskonferenz antwortete Clemenceau noch am gleichen Tage in einer ultimativen Note an die deutsche Reichsregierung auf die deutschen Vorbehalte und forderte, binnen 24 Stunden die Bereitschaft zu einer vorbehaltlosen Unterschrift unter den Vertrag zu erklären. Nach Bekanntwerden dieser ultimativen Forderung gab die Nationalversammlung am 22. Juni 1919 mit 237 Ja-gegen 138 Nein-Stimmen bei 5 Enthaltungen ihre Zustimmung zur Unterzeichnung des Friedensvertrags. Gleichzeitig wurde der Regierung Bauer mit 236 gegen 89 Stimmen bei 68 Enthaltungen von der Nationalversammlung das Vertrauen ausgesprochen. Auch Generalquartiermeister Groener gab in einem Telegramm an den Reichspräsidenten Ebert den Rat, den Friedensvertrag unterzeichnen zu lassen Die deutsche Reichs-regierung erklärte sich dann am 23. Juni in einer Note an die Friedenskonferenz zur bedingungslosen Unterzeichnung des Friedensvertrags bereit

Der 28. Juni 1919 — Ort und Datum als Symbole Fünf Tage später, am 28. Juni 1919, fand sodann im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles die Unterzeichnungszeremonie statt. Unter den Blicken von rund tausend Zuschauern setzten die Vertreter der 27 alliierten und assozizierten Mächte und Deutschlands ihre Unterschrift unter das Vertragswerk. Für das Deutsche Reich unterschrieben die Minister Hermann Müller (SPD) und Dr. Johannes Bell (Zentrum). Obwohl der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau nicht alle seine Forderungen — wie die Rheingrenze und die Abtrennung des Saargebietes für immer — hatte durchsetzen können, soll er den 28. Juni 1919 „une belle journee" genannt haben” Man mag dieses Wort nicht nur als Triumph des Siegers deuten, sondern auch als Genugtuung über den Abschluß der mit dem Jahre 1914 begonnenen Kriegsepoche verstehen. Dies kommt auch durch das Datum der Unterzeichnung zum Ausdruck. Vor genau fünf Jahren, am 28. Juni 1914, war der Mordanschlag auf das österreich-ungarische Thronfolgerpaar verübt worden, welcher den Auftakt zu den späteren kriegerischen Ereignissen bildete. Der Tag der Eröffnung der Konferenz am 18. Ja-nuar wie der Ort der Unterzeichnung hatten für Frankreich allerdings auch einen bestimmten Symbolcharakter: Vor 48 Jahren, am 18. Januar 1871, war im gleichen Spiegelsaal von Versailles mit der Kaiserproklamation das Deutsche Reich gegründet worden. Dieser den französischen Nationalstolz verletzende Vorgang sollte nun symbolisch ausgelöscht werden. So empfand man es auch in Deutschland und war in weiten Kreisen verstimmt. Hitler glaubte im Jahre 1940, für diese „Schmach" Rache nehmen zu sollen, als er Befehl gab, die französische Waffenstillstandskommission im Wald von Compiegne in demselben Eisenbahnwagen die Kapitulation unterschreiben zu lassen, in welchem 22 Jahre zuvor die deutschen Unterhändler die Bedingungen der Alliierten entgegennehmen mußten Das in diesem Akt zum Ausdruck gekommene Revanchestreben kann als eine psychologische Folge des Friedens von Versailles angesehen werden Was jedoch über der Leidenschaftlichkeit, mit welcher der Vertrag später in Deutschland bekämpft worden ist, völlig vergessen wurde, war die Tatsache, daß das am 18. Januar 1871 geeinte Deutschland auch von den Siegermächten 1919 als ein Gesamtstaat weiter anerkannt und entgegen den Wünschen Clemenceaus nicht mehr in Einzelstaaten zerschlagen wurde. In dieser Beziehung verfuhren die Entente-Mächte mit Deutschland wohlwollender als das Deutsche Reich im Frieden von Brest-Litowsk gegen Rußland vorgegangen war.

Schlechtes Vorbild: Friedensschluß von Brest-Litowsk Damals, fünf Vierteljahre vor der Unterzeichnung des Versailler Vertrages, hatte das deutsche Kaiserreich nicht nur die Loslösung der russischen Randstaaten Kurland, Estland und Livland sowie Finnland durchgesetzt, sondern auch mit der Ukraine einen Sonderfrieden geschlossen. Die genannten Randstaaten wurden durch Personalunion mit Preußen verbunden, Wilhelm von Württemberg zum König von Litauen und Friedrich Karl von Hessen zum König von Finnland bestimmt Berlin konnte sich freilich bei dieser neuen Grenzziehung zum Teil auf das auch von Lenin deklarierte Selbstbestimmungsrecht der Völker berufen. Im ganzen gesehen — sowohl in der Art der Verhandlungsführung wie auch im Ausmaß der gestellten Forderungen — gab jedoch das Deutsche Reich mit dem Abschluß des Friedensvertrags von Brest-Litowsk seinen westlichen Kontrahenten kein gutes Beispiel. Allerdings waren jene Männer, die die harten Bedingungen von Brest-Litowsk stellten, inzwischen in Deutschland von der politischen Bühne verschwunden und hatten den gewählten Vertretern des deutschen Volkes Platz gemacht. Zudem konnten sich die Staatsmänner der Alliierten, die sich durch die 14 Punkte Wilsons moralisch festgelegt hatten, nicht gut auf die Handlungsweise von Männern berufen, die sie gemäß Artikel 227 bis 230 wegen ihrer Politik vor ein internationales Gericht stellen wollten.

Am 16. Juli 1919 trat der Versailler Friedensvertrag mit dem „Gesetz über den Friedensschluß zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten" in Kraft. Im ersten des nur zwei Artikel umfassenden Gesetzes hieß es: „Dem am 28. Juni 1919 unterzeichneten Friedensvertrage zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten und dem dazugehörigen Protokolle sowie der am gleichen Tage unterzeichneten Vereinbarung über die militärische Besetzung der Rheinlande wird zugestimmt."

Die wichtigsten Bestimmungen des Friedensvertrags Damit hatte die junge Weimarer Republik eine folgenschwere Last übernommen. Diese drückte sich zunächst in der Erfüllung der insgesamt 440 Artikel des Vertragswerkes aus. In 15 Teile gegliedert, behandelten sie im ersten Abschnitt den am 28. April 1919 gegründeten Völkerbund (Artikel 1 bis 26) In der Folge wurden die neuen Grenzen festgesetzt. Danach fiel Elsaß-Lothringen ohne Abstimmung an Frankreich, Moresnet und Eupen-Malmedy — nach einer umstrittenen Volksbefragung — an das Königreich Belgien. Das Saargebiet, dessen wirtschaftliche Nutzung Frankreich erhielt, wurde für 15 Jahre der Verwaltung des Völkerbundes unterstellt. Der größte Teil der Provinzen Westpreußen und Posen sowie der ostpreußische Kreis Soldau wurde Polen zugeschlagen. Danzig wurde als sogenannte „Freie Stadt" (mit polnischen Hafenrechten) der Administration des Völkerbundes übergeben. Von Ostpreußen, das durch den „Polnischen Korridor" vom übrigen Reichsgebiet abgeschnitten war, wurde das Gebiet nördlich der Memel abgetrennt und 1923 Litauen überlassen. In Ostoberschlesien sollte eine Abstimmung der Bevölkerung über die endgültige Zugehörigkeit des Landes abgehalten werden. Sie wurde am 20. März 1921 durchgeführt und brachte eine Mehrheit von 60 Prozent für den Verbleib bei Deutschland. Trotzdem teilte der Völkerbundsrat im Oktober 1921 das Abstimmungsgebiet so, daß Polen 90 °/o des Industriegebietes erhielt. Das Hultschiner Ländchen, ein Teil des schlesischen Kreises Ratibor, kam an die Tschechoslowakei. Aufgrund einer Abstimmung erfolgte die Abtrennung Nordschleswigs an Dänemark.

Insgesamt verlor das Reich — ohne Kolonien — über 73 000 Quadratkilometer mit rund 7, 3 Millionen Einwohnern. Die neue Grenzlinie im Osten und im Norden ließ bei der Vermischung der Völker auf beiden Seiten erhebliche Minderheiten zurück — ein Umstand, der später für von Hitler zum Vorwand seine Aggressionspolitik gegenüber der SR und Polen genommen wurde. Der im November 1918 gegründeten Republik „Deutsch-Osterreich" wurde der Anschluß an das Reich untersagt. Die deutschen Kolonien gelangten mit der bereits bekannten Begründung als Mandatsgebiete zur Verteilung an den Völkerbund.

Das Gebiet links des Rheins mit den Brückenköpfen Mainz, Koblenz und Köln sollte in drei Zonen jeweils auf 5, 10 bzw. 15 Jahre besetzt bleiben, wobei die Besatzungskosten vom Reich zu tragen waren. Eine 50 Kilometer breite Zone rechts des Rheins mußte entmilitarisiert werden. Die allgemeine Wehrpflicht und der Generalstab wurden abgeschafft, die Gesamtstärke des Landheeres auf 100 000 Mann begrenzt und der Bau schwerer Waffen ebenso verboten wie die Unterhaltung einer Panzer-, Luft-und U-Boot-Waffe. Die Marine mußte bis auf 15 000 Mann langdienende Soldaten vermindert und die Flotte bis auf wenige kleinere Einheiten den Alliierten ausgeliefert werden An Reparationen hatte das Reich erhebliche Sachlieferungen, vor allem Maschinen, Kohle und Vieh, zu leisten, wie den Verlust fast der gesamten Handelsflotte und der Uberseekabel sowie die Enteignung des deutschen Eigentums im Ausland hinzunehmen. Die deutschen Flüsse sollten internationalisiert werden. Die Endsumme aller deutschen Schuld-verpflichtungen blieb zunächst offen. Eine alliierte Kommission sollte laufend ihre Höhe festsetzen und den deutschen Zahlungswillen kontrollieren

Im sogenannten Kriegsschuldartikel 231 wurde Deutschland das Eingeständnis der Allein-schuld abgefordert. Kaiser Wilhelm II. und andere „Kriegsverbrecher" sollten ausgeliefert und verurteilt werden. Im Artikel 177 wurde sogar verlangt: „Unterrichtsanstalten, Hochschulen, Kriegervereine, Schützengilden, Sport-oder Wandervereine, überhaupt Vereinigungen jeder Art, ohne Rücksicht auf das Alter ihrer Mitglieder, dürfen sich nicht mit militärischen Dingen befassen..." Die vom Deutschen Reich abgeschlossenen Staatsverträge vom 26. Februar 1871 (Versailler Vor-frieden), 10. Mai 1871 (Frankfurter Friede mit Frankreich) und 2. Dezember 1899 über die Samoa-Inseln wurden außer Kraft gesetzt bzw. die für das Deutsche Reich aus ihnen hergeleiteten Vorrechte für ungültig erklärt.

Die Folgen des Vertrags Mit Ausnahme der Strafbestimmungen (Auslieferung und Verurteilung der „Kriegsverbrecher") wurde seit 1920 die Erfüllung der Vertragsbedingungen in die Wege geleitet. Seit der gleichen Zeit blieb der Kampf um eine friedliche Revision das Hauptziel der deutschen Außenpolitik. Als Grundlage ihrer Revisionsbestrebungen diente der deutschen Regierung der Artikel 19 des Vertrags, in welchem festgelegt war, daß eine Änderung der Friedensbedingungen durch den Völkerbund möglich ist Als diese Bemühungen aber nicht gleich zum Ziel führten, nahm Berlin Kontakt zur Sowjetunion auf und schloß dann im April 1922 den Rapallo-Vertrag mit Moskau Damit begann als eine weitere Folge des Versailler Vertrages die deutsch-russische Zusammenarbeit, die u. a. auch zu einer Umgehung der militärischen Bestimmungen des Friedensvertrags führte, da die deutsche Reichswehrleitung mit dem Einverständnis der Sowjetführung in Rußland insgeheim neue Waffen, besonders Flugzeuge, testen und bauen ließ

Der als Sanktionsmaßnahme gegen den deutschen Zahlungsverzug deklarierte Einmarsch französischer und belgischer Truppen in das Ruhrgebiet im Januar 1923 löste eine ungeheure nationale Erregung in Deutschland aus, an welche die nationalsozialistische Demagogie anknüpfte, um sie für ihre propagandistischen Ziele zu mißbrauchen. Die auf einen friedlichen Ausgleich mit den westlichen Nachbarn bedachte Reichsregierung wurde in den nachfolgenden Jahren von den rechtsradikalen Gruppen, besonders von der NSDAP, immer mehr als Erfüllungsgehilfin der Feinde von ehedem diffamiert.

Da das deutsche Volk den Friedensvertrag von Versailles als ein unzumutbares Diktat empfand und sich in seiner Ablehnung einig war, hinter Hitlers Kampagne gegen den Vertrag aber noch nicht dessen wahre Absichten erkannte, schenkte es seinen Reden und Versprechungen zunehmend mehr Gehör. So begünstigte der Vertrag von Versailles indirekt das Aufkommen des Nationalsozialismus. Hitlers demagogische Behauptung, Niederlage, Demokratisierung und Erfüllung der Versailler Friedensbestimmungen hingen innerlich miteinander zusammen, fand immer mehr Glauben, besonders als sich auch der Völkerbund als unfähig erwies, die vorgesehene internationale Abrüstung voranzutreiben und eine spürbare Revision des Friedensvertrages herbeizuführen. Dazu kam in den frühen zwanziger Jahren die schleichende Geldentwertung, die als wirtschaftliche Folge der Reparationsforderungen schließlich im Jahre 1923 zur Inflation führte.

In der Weltöffentlichkeit setzte sich auch bald die Auffassung durch, daß der Versailler Vertrag wegen einiger seiner Bestimmungen nicht* als ein gerechter Friede anerkannt werden könne und deshalb nicht unangetastet bleiben dürfe.

Der Senat der Vereinigten Staaten von Amerika lehnte die Ratifizierung des Vertrages ab so daß die USA am 28. August 1921 einen Sonderfrieden mit dem Deutschen Reich abschließen mußten. Ebenso verweigerte auch China seine Zustimmung zum Vertrag vom 28. Juni 1919 und vereinbarte am 20. Mai 1921 einen separaten Friedensschluß mit Deutschland. Abschließende Betrachtung Stellt man abschließend die Frage nach den wesentlichen Merkmalen dieses Friedensvertrags von Versailles, so stößt man auf einige wenige, nichtsdestoweniger aber fundamentale Unterschiede zu früheren Friedensschlüssen. Zu ihnen zählen a) der Ausschluß des besiegten Landes von den Friedensverhandlungen, b) die Erzwingung einer einseitigen Anerkennung der Kriegsschuld, c) die starke Berücksichtigung emotioneller Gründe bei der Aufstellung der Friedens-bedingungen, d) die Verletzung nationaler Gefühle des besiegten Volkes, e) die Maßlosigkeit mancher Friedensbestimmungen, f) die gewollte Unklarheit bezüglich der Höhe der Reparationsforderungen und g) das Verlangen der Alliierten, daß ein Artikel (178) in die Reichsverfassung von 1919 ausgenommen werde, der den Vorrang des Friedensvertrags von Versailles ausdrücklich festhält.

Wie Georg Kotowski zutreffend feststellt, widersprachen alle diese angeführten Merkmale des Friedensvertrages von Versailles der Tradition europäischer Friedensverhandlun-gen Das wird am deutlichsten erkennbar, wenn man den Friedenskongreß von Wien (1814/15) und die vor ihm abgeschlossenen Friedensverträge zum Vergleich heranzieht. Spielte dort der Vertreter des geschlagenen Frankreich, Charles-Maurice Talleyrand (1754 bis 1838), neben dem österreichischen Staats-kanzler Metternich eine der Hauptrollen, wurde der Vertreter des besiegten Deutschland im Jahre 1919 überhaupt nicht zu den Beratungen hinzugezogen. Diese und die anderen aufgezählten Tatsachen, so folgert Kotowski richtig, „sind es gewesen, welche den Friedensvertrag von Versailles weit über das Maß dessen, was jeder Friedensvertrag als ein aufgezwungenes Instrument des Siegers an Mißstimmung schaffen muß, diskreditierten"

Daß auch manche der alliierten Staatsmänner, die am Zustandekommen des Vertrages mitwirkten, über das Ergebnis von Versailles nicht glücklich waren, jedoch über ihrer Enttäuschung auch nicht das Positivum eines Friedensschlusses vergaßen, geht aus einer Erklärung Jan Christiaan Smuts'hervor, die dieser nach Unterzeichnung des Friedensvertrags zu Protokoll gab: „Ich habe den Friedensvertrag unterzeichnet, nicht weil ich ihn als ein zufriedenstellendes Dokument betrachte, sondern weil es eine gebieterische Notwendigkeit ist, daß der Krieg ein Ende finde; weil die Welt, mehr als alles andere, Frieden nötig hat und nichts verhängnisvoller sein könnte, als die Fortsetzung des ungewissen Zustandes zwischen Krieg und Frieden."

Dieses Wort von General Smuts — so scheint es — gewinnt in einer Zeit, da die Menschen vierundzwanzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch auf einen Friedensvertrag warten und in einem „ungewissen Zustand zwischen Krieg und Frieden" weiter um ihre Zukunft bangen müssen, eine besondere Bedeutung. Das sollte bei aller berechtigten Kritik an Konferenz und Vertrag von Versailles nicht ganz vergessen werden. War der Friedensvertrag von Versailles auch wahrlich kein Meisterwerk staatsmännischer Weisheit und Besonnenheit, so bleibt er doch die bislang letzte von der europäischen Diplomatie ausgearbeitete umfassende Friedensregelung. Auch daran sollte man am 50. Jahrestag seiner Unterzeichnung denken.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Heinrich Schnee, Deutsch-Ostafrika im Weltkriege, Leipzig 1919, S. 390.

  2. Vgl. Herbert Michaelis und Ernst Schraepler in: Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart, 2. Band (Der militärische Zusammenbruch und das Ende des Kaiserreiches), Berlin o. J., S. 471.

  3. Präsident Wilson forderte im ersten seiner bekannten „Vierzehn Punkte" „öffentliche Friedensverträge, öffentlich beschlossen, nach denen es keine privaten internationalen Abmachungen irgendwelcher Art geben darf".

  4. Wilson unternahm Schritte, die aus den von dauernden Revolten zerrissenen karibischen Klein-staaten Nicaragua, San Domingo und Haiti praktisch amerikanische Protektorate machten.

  5. William Jennings Bryan (1860— 1925) war bis zum Sommer 1915 Außenminister in der Regierung Wilsons.

  6. Vgl. J. Maret, Clemenceau spricht. Unterhaltungen mit seinem Sekretär, Berlin 1930.

  7. Italien sollte nach diesem Vertrag von 1915 u. a. das Gebiet des Trentino, ganz Süd-Tirol bis zum Brenner, Stadt und Gebiet von Triest, Istrien und Dalmatien erhalten.

  8. Das Abkommen wurde zwischen Rußland, Großbritannien, Frankreich und Italien abgeschlossen.

  9. Zum Beispiel konnte Orlando die italienischen Ansprüche auf Fiume nicht durchsetzen.

  10. Orlando war von Beruf Professor für öffentliches und Verfassungsrecht.

  11. Text in: G. Soldan, Zeitgeschichte in Wort und Bild, 1. Band, München 1931, S. 312.

  12. Ebenda.

  13. Ebenda.

  14. Vgl. Hilgenberg-Staudinger-Wagner, Unsere Welt — Unsere Geschichte, 3. Bd., München 1964, S. 105.

  15. Vgl. Paul Mantoux, Les Deliberations du Conseil des Quatre (24 mars — 28 juin 1919), 1. Bd., Paris 1955, S. 41 ff.

  16. Derselbe, ebenda, S. 42 ff. — Diese Ausführungen erklären zum Teil Inhalt und Form jener Rede, die Clemenceau am 7. Mai 1919 vor Aushändigung des Vertragstextes an die deutsche Delegation gehalten hat. Vgl. unten S. 15 f.

  17. Vgl. P. Mantoux, a. a. O., S. 43 f.

  18. Derselbe, ebenda.

  19. Vgl. Die Friedensverhandlungen in Versailles. Weißbuch des Auswärtigen Amtes, Berlin 1919, S. 24.

  20. Vgl. P. Mantoux, Les Deliberations du Conseil des Quatres, Bd. I, S. 47 f.

  21. Vgl. Die französischen Dokumente zur Sicherheitsfrage 1919— 1923. Amtliches Gelbbuch des Französischen Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten, Berlin 1924, S. 4 ff.

  22. Vgl. P. Mantoux, a. a. O., S. 48.

  23. Derselbe, ebenda, S. 48.

  24. Derselbe, ebenda, S. 48.

  25. Nach P. Mantoux, Les Deliberations du Conseil des Quatres, Band I, S. 47 ff.

  26. Derselbe, a. a. O., S. 47 ff.

  27. Ebenda.

  28. Ebenda.

  29. Ebenda.

  30. Vgl. P. Mantoux, a. a. O., S. 89.

  31. Nach: Die französischen Dokumente zur Sicherheitsfrage

  32. P. Mantoux, a. a. O., S. 90.

  33. Vgl. Der Waffenstillstand 1918/1919, Bd. I, S. 18 f.

  34. Vgl. J. Hohlfeld, Dokumente der Deutschen Politik und Geschichte von 1948 bis zur Gegenwart, Bd. I, S. 393 ff.

  35. Vgl. P. Mantoux, a. a. O„ S. 53 f.

  36. Ebenda.

  37. Vgl. Purlitz, Deutscher Geschichtskalender, Ergänzungsband: Vom Waffenstillstand zum Frieden von Versailles, S. 212.

  38. Vgl. Schultheß’ Europäischer Geschichtskalender, 1919, I, S. 145.

  39. Ebenda, S. 145.

  40. Vgl. Reginald H. Phelps, Deutsche Rundschau Jahrgang 76, S. 616 f.

  41. Vgl. H. Kantorovicz, Gutachten zur Kriegsschuldfrage 1914, Frankfurt/Main 1967, S. 369.

  42. Ders., ebenda.

  43. Derselbe, ebenda, S. 343.

  44. P. v. Kielmansegg, Deutschland und 1. Weltkrieg, Frankfurt 1968, passim.

  45. Vgl. Fritz T. Epstein, Zwischen Compiegne und Versailles, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 3 (1955) S. 420 ff.

  46. Derselbe, ebenda.

  47. Vgl. Fritz T. Epstein, Zwischen Compiegne und Versailles, S. 421.

  48. Vgl. Hilgenberg-Staudinger-Wagner, Unsere Welt — Unsere Geschichte, 3. Bd., München 1964, S. 102.

  49. Vgl. F. T. Epstein, a. a. O., S. 421.

  50. Vgl. Der Waffenstillstand 1918/1919, Bd. I, S. 19.

  51. Vgl. Epstein, a. a. O., S. 421.

  52. Derselbe, ebenda.

  53. Vgl. Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1919, mit dem Text des Friedensvertrages von Versailles, S. 710 f.

  54. Gemeint war der Friedensvertrag von Frankfurt

  55. Vgl. Fritz T. Epstein, Zwischen Compiegne und Versailles, S. 422.

  56. Derselbe, ebenda.

  57. J. Hohlfeld, Dokumente der Deutschen Politik und Geschichte von 1848 bis zur Gegenwart, Bd. II, S. 393 ff.

  58. Vgl. Reichsgesetzblatt 1919, S. 707.

  59. Vgl. Fritz T. Epstein, a. a. O., S. 423.

  60. Derselbe, ebenda.

  61. Vgl. Verfasser in Das Parlament vom 14. 4. 1969: „Vor 50 Jahren wurde der Völkerbund gegründet — Vom tragischen Scheitern einer großen Idee".

  62. Derselbe, ebenda.

  63. Vgl. Die Friedensverhandlungen in Versailles, Weißbuch des Auswärtigen Amtes, Berlin 1919, S. 24 f.

  64. Der erste Versailler Friede wurde 1871 geschlossen. Vgl. unten S. 24.

  65. Ebenda.

  66. Vgl. Graf Brockdorff-Rantzau, Dokumente und Gedanken um Versailles, Berlin 1920, S. 70 ff.

  67. Derselbe, ebenda.

  68. V. Brockdorff-Rantzau bezog sich damit auf die Erklärung, die der Reichskanzler von Bethmann Hollweg am 4. August 1914 im Reichstag abgegeben hatte.

  69. Vgl. v. Brockdorff-Rantzau, a. a. O., S. 76.

  70. Gemeint waren die 14 Punkte Wilsons.

  71. Vgl. v. Brockdorff-Rantzau, a. a. O., S. 77.

  72. Vgl. Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 327, S. 1082 ff.

  73. Vgl. R. Lansing, Die Versailler Friedensverhandlungen. Persönliche Erinnerungen, Berlin 1921, S. 205 f.

  74. Gemeint sind die Mächte Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und die USA.

  75. Vgl. R. Lansing, a. a. O., S. 207.

  76. Ders., ebenda.

  77. Vgl. Michaelis-Schraepler, Ursachen und Folgen, 3. Bd., S. 354 f.

  78. Vgl. unten S. 9.

  79. Vgl. Carl Severing, 1919/1920 im Wetter-und Watterwinkel, Bielefeld 1927, S. 94.

  80. Am 11. November 1917 erging ein „Aufruf der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands" gegen die deutschen Forderungen an Ruß-land, und am 22. März 1918 wandte sich der Abgeordnete der USPD, Hugo Haase, im Reichstag scharf gegen die Bestimmungen des Friedensvertrags von Brest-Litowsk.

  81. Vgl. v. Brockdorff-Rantzau, Dokumente, Berlin 1920, S. 82 ff.

  82. Vgl. v. Brockdorff-Rantzau, Dokumente, S. 85 ff.

  83. Derselbe, ebenda.

  84. Hindenburg und Groener hielten ebenfalls eine

  85. Vgl. Matthias Erzberger, Erlebnisse im Weltkrieg, Stuttgart und Berlin 1920, S. 371 ff. — Wie die Ereignisse der folgenden Monate und Jahre mit dem Kapp-Putsch 1920 und der späteren Agitation, besonders der rechtsradikalen Kreise um Hitler, beweisen, hatte Erzberger die Folgen sehr gut abgeschätzt.

  86. Vgl. Materialien betreffend die Friedensverhandlungen, Berlin 1919, Teil IV, S. 77 ff.

  87. Ebenda.

  88. Diese Vorwürfe wurden im einzelnen im ersten Abschnitt der Note ausführlicher dargelegt.

  89. Vgl. Materialien. — Die Frist (21. Juni 1919) wurde dann um zwei Tage verlängert.

  90. Vgl. Vossische Zeitung Nr. 312 vom 22. Juni 1919.

  91. Vgl. Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919, Bd. IV, S. 2756 ff.

  92. Vgl. Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 327, S. 1113 ff.

  93. Vgl. Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 327, S. 1113 ff.

  94. Vgl. Ericb-Otto Volkmann, Revolution über Deutschland, Oldenburg 1930, S. 303.

  95. Vgl. Materialien betreffend die Friedensverhandlungen, Berlin 1919, Bd. IX, S. 36.

  96. Vgl. Krummacher-Wucher, Die Weimarer Republik, München 1965, S. 80.

  97. Vgl. Raymond Cartier, Der Zweite Weltkrieg, 1. Bd„ München 1967, S. 187.

  98. Nach General Weygands Aussage hatte man allerdings die Unterzeichnung des Waffenstillstands am 11. November 1918 nur deswegen in einen Wald verlegt, um den deutschen Stolz nicht allzu-sehr zu verletzen. Andererseits wurde jedoch an der Stelle der Unterzeichnung ein Denkmal errichtet, auf welchem stand: „Hier wurde der Hochmut des deutschen Kaiserreiches gebrochen". Hitler ließ dieses Denkmal schleifen, stieg dann in den Eisenbahnwagen ein und setzte sich auf den Platz, den Marschall Foch 1918 eingenommen hatte. Vgl. R. Cartier, a. a. O., S. 187.

  99. Vgl. Hilgenberg-Staudinger-Wagner, Unsere Geschichte — Unsere Welt, 3. Bd., München 1964, S. 97.

  100. Vgl. Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1919, S. 687.

  101. Vgl. Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1919, S. 701 ff., und Verfasser in Das Parlament vom 19. 4. 1969,

  102. Die in Scapa Flow internierten deutschen Flotteneinheiten versenkten sich allerdings selbst.

  103. Die Gesamthöhe der deutschen Reparationen wurde 1921 auf 132 Milliarden Goldmark festgesetzt.

  104. Vgl. Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1919, S. 723.

  105. Ebenda.

  106. Der Vertrag von Brest-Litowsk wurde annulliert.

  107. Vgl. Karl-Heinz Völker, Dokumente und Dokumentarfotos zur Geschichte der deutschen Luftwaffe, Stuttgart 1968, passim.

  108. Zur Ablehnung des Vertragswerkes durch den US-Senat führten nicht allein deutschfreundliche Gefühle, sondern in erster Linie ein Wiederaufleben der isolationistischen Monroe-Doktrin und die Furcht, durch den zur Friedenswahrung verpflichtenden Artikel 10 der Völkerbundssatzung in europäische Konflikte hineingezogen zu werden.

  109. Vgl. Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1919, S. 1386 f.

  110. Vgl. Georg Kotowski, Die Weimarer Republik zwischen Erfüllungspolitik und Widerstand, in: Die Folgen von Versailles 1919— 1924, Göttingen 1969, S. 146.

  111. Derselbe, ebenda, S. 146/47.

  112. Vgl. Purlitz’ Deutscher Geschichtskalender, 1919, II. Anhang: Zwischen Waffenstillstand und Frieden, S. 1.

Weitere Inhalte

Alfred Schickel, Dr. phil., Oberstudienpräfekt und Lehrer für Geschichte und Sozial-kunde in Ingolstadt, geb. am 18. Juni 1933 in Aussig/Elbe, 1959— 1960 Landesvorsitzender der christlich-sozialen Studenten in Bayern, mehrere Veröffentlichungen zu historischen und politischen Fragen.