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Die Finanzreform zwischen Bund, Ländern und Gemeinden | APuZ 30/1969 | bpb.de

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APuZ 30/1969 Die Finanzreform zwischen Bund, Ländern und Gemeinden

Die Finanzreform zwischen Bund, Ländern und Gemeinden

Franz Klein

Der Bundestag hat am 23. April 1969 mit großer Mehrheit, der Bundesrat am 9. Mai 1969 einstimmig das „ 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz)", das am 1. Januar 1970 in Kraft tritt, gebilligt. Das Gesetz ist am 12. Mai 1969 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. I S. 369). Damit ist die Diskussion um die Reform der Finanzverfassung, die so alt ist wie das Grundgesetz selbst, zu einem vorläufigen Abschluß gekommen.

Die Bestimmungen des Grundgesetzes über das Finanzwesen waren als wesentliche Grundnormen der bundesstaatlichen Verfassung bereits Gegenstand lebhafter Auseinandersetzungen zwischen den Fraktionen des Parlamentarischen Rates und zwischen dem Parlamentarischen Rat und den Besatzungsmächten. Höpker-Aschoff, einer der besten Sachkenner des Finanzwesens im Parlamentarischen Rat, hat einmal gesagt, daß es oft genug schien, als ob das ganze Grundgesetz an diesen Bestimmungen scheitern sollte. Die Bestimmungen trügen denn auch den Stempel des Kompromisses und seien an einigen Stellen ohne die Geschichte dieser Auseinandersetzungen kaum zu verstehen.

Die Verfassung eines Bundesstaates, in dem die öffentlichen Aufgaben zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten aufgeteilt sind, muß auch für die Einnahmen und Ausgaben Regelungen treffen, die entweder in der Verfassung selbst oder in einem föderalen Gesetz enthalten sein müssen. Nur wenn die staatlichen Funktionen richtig geordnet sind, wenn die Verteilung der Steuern sachgemäß geregelt ist, können die staatlichen Aufgaben wirkungsvoll erfüllt und die Steuerbelastung auf das notwendige Ausmaß begrenzt werden. Bestimmungen hierüber finden sich in den Verfassungen der USA, der Schweiz, der Reichsverfassung von 1870 und der Weimarer Verfassung. Das Bonner Grundgesetz hat hierüber in den Artikeln 105 ff. Bestimmungen getroffen, die bereits vom Beginn an als reformbedürftig angesehen wurden. Heute ist es bei aller Eigenständigkeit und Eigenstaatlichkeit der Länder eine grundlegende Forderung, alle Gebiete der Bundesrepublik auf einen wirtschaftlichen Stand zu bringen, der annähernd gleiche Lebensbedingungen garantiert.

Bildung der Kommission für die Finanzreform

Abbildung 1

Am 30. Oktober 1963 verständigten sich Bund und Länder darüber, daß eine umfassende Finanzreform gemeinsam in Angriff genommen werden sollte. Der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten der Länder beauftragten zu diesem Zweck eine Sachverständigen-Kommission mit der Ausarbeitung eines Gutachtens über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland. In dem Arbeitsprogramm für die Sachverständigen-Kommission, über das am 20. März 1964 zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten der Länder Einverständnis erreicht wurde, wurden folgende Ziele für die Finanzreform festgelegt: 1. Die allgemeinen Grundsätze, die für das finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Ländern in Art. 106 Abs. 4 GG normiert sind, sollen als allgemeine Richtlinien maßgebend bleiben. 2. Die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern soll unter Wahrung der föderativen Struktur der geltenden Verfassungsordnung mit dem Ziel überprüft werden, die finanzielle Verantwortung des Bundes und der Länder klar gegeneinander abzugrenzen. 3. In diesem Zusammenhang soll a) die Regelung der Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und den Ländern so ergänzt werden, daß die bestehenden \ Meinungsverschiedenheiten beseitigt werden; b) geklärt werden, in welchem Rahmen und nach welchen Regeln der Bund und die Länder für bestimmte Aufgaben gemeinsam die Verantwortung tragen und die Mittel aufbringen sollen (Gemeinschaftsaufgaben)

. 4. Der bundesstaatliche Finanzausgleich soll Bund, Länder und Gemeinden a) eine rechtsstaatlich gesicherte finanzielle Grundlage für die Erfüllung ihrer Aufgaben geben und b) sie innerhalb ihres Verantwortungsbereichs zu einer selbständigen Haushaltspolitik befähigen.

Der bundesstaatliche Finanzausgleich soll jedoch der Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben elastisch angepaßt werden können.

5. Die Aufteilung der Steuereinnahmen soll a) eine möglichst große Stabilität des Finanzausgleichs z. B. durch ein Verbund-system großer Überweisungssteuern für Bund und Länder gewährleisten;

b) die übrigen Steuern nach ihrer räumlichen Belastungswirkung, Aufkommensverteilung und Konjunkturabhängigkeit zuordnen. 6. Der horizontale Finanzausgleich soll auf seine subsidiäre Rolle beschränkt bleiben.

Für bestimmte Aufgabengebiete kann ein besonderer Lastenausgleich zwischen Bund und Ländern, gegebenenfalls auch Gemeinden (Gemeindeverbände) in Betracht kommen.

7. Die Gemeindefinanzreform soll die finanzielle Selbstverantwortung der Gemeinden stärken, die Konjunkturabhängigkeit der gemeindlichen Haushaltswirtschaft verringern, die gemeindlichen Steuerkraftunterschiede mildern und eine sinnvolle Raum-ordnung fördern. 8. Zur Sicherung der finanziellen Stabilität und eines in sich ausgewogenen Wirtschaftswachstums sollen die rechtlichen Voraussetzungen für eine aktive Konjunkturpolitik und eine langfristige Wachstums-

und Strukturpolitik der Bundesregierung geschaffen werden. Auch die übrigen Reformmaßnahmen sind an dieser Zielsetzung zu orientieren. 9. In diesem Zusammenhang soll das öffentliche Haushaltsrecht mit dem Ziel ergänzt werden, eine Haushaltspolitik der öffentlichen Hand auf längere Sicht zu ermöglichen.

Der Kommission gehörten als Mitglieder an:

Ministerialdirektor a. D. Fischer-Menshausen, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Esso-AG, Hamburg; Staatssekretär a. D. Dr. Loschelder, Düsseldorf; Ministerialrat a. D. Neuburger, Rechtsanwalt, Heidelberg; Prof. Dr. Dr. h. c. Neumark, Ordinarius für wirtschaftliche Staatswissenschaften, Frankfurt am Main; Staatsminister a. D. Dr. Troeger, Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, Frankfurt am Main.

Die Kommission wählte Dr. Troeger zu ihrem Vorsitzenden. Das Gutachten wurde später nach diesem Vorsitzenden auch „Troeger-Gutachten" genannt. Die Kommission hörte ständige Sachverständige an. Zu ihnen gehörte u. a.der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, Universitätsprofessor Dr. Karl Maria Hettlage.

Die Sachverständigen-Kommission hat ihr Gutachten am 10. Februar 1966 dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten (Bürgermeistern) der Länder überreicht.

Auf der Grundlage dieses Gutachtens, dessen Details während der Ausarbeitung mit einem von dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten beauftragten Ausschuß erörtert worden sind, hat der Bundesfinanzminister das Finanzreformprogramm der Bundesregierung ausgearbeitet.

Aus dem Fragenbereich des Gutachtens sind — außerhalb des Finanzreformprogramms — bereits folgende Gesetzentwürfe vorgelegt worden:

a) Zur Verbesserung des konjunkturpolitischen Instrumentariums:

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 109 GG, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität (BT-Drucks.

V/890);

b) Zur Harmonisierung der Beamtenbesoldung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 75 GG (BR-Drucks. 265/66).

Gesondert wurde ebenfalls die Neugestaltung des Haushaltsrechts und der damit zusammenhängenden Artikel des Grundgesetzes verfolgt

Grundvorstellungen der Reform

Die Bundesregierung hat die Finanzreform deshalb als die große innenpolitische Aufgabe bezeichnet, weil sie in der Neuordnung der Finanzverfassung eine tragende Säule für die weitere Entwicklung des freiheitlichen und sozialen Rechtsstaates im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts sah. Die Finanzverfassung bestimmt den finanziellen Spielraum der Gebietskörperschaften und sichert die rechtlichen und materiellen Grundlagen für die Tätigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden. Von der finanziellen Ordnung her beeinflußt sie Richtung und Möglichkeiten des politischen und insbesondere des wirtschaftspolitischen Handelns überhaupt. Hier gilt die simple Weisheit: „Am Golde hängt, nach dem Golde drängt doch alles."

Bundeskanzler Kiesinger und Bundesfinanzminister Strauß haben sich nie gescheut, ein Bekenntnis zum föderativen Staatsaufbau abzulegen. Sie sind überzeugte Anhänger des Bundesstaates. Die föderalistische Ordnung ist eine wesentliche Sicherung für den freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat. Sie sichert Freiheit, Mitveranwortung und Mitentscheidung. Es war der nicht nur zeitgeborene, sondern aus Erfahrung und Überzeugung entspringende Entschluß des Parlamentarischen Rates, dem Bund eine föderative Ordnung zu geben. Niemand in der Bundesregierung war jedoch bereit, föderativen Staatsaufbau gleichzusetzen mit provinzieller Rückständigkeit.

Im übrigen war die Ausgestaltung im einzelnen, soweit die Besatzungsmächte eingegriffen haben, nicht gerade von deutschfreundlichen Motiven getragen. Vielmehr sollte die Bildung wirtschaftlicher und politischer Macht in der kommenden Bundesrepublik erschwert oder unmöglich gemacht werden.

Mit Blick auf die außerdeutsche Entwicklung kann keiner glauben, daß ein voll durchorganisierter Einheitsstaat mit zentralistischer Kommandobürokratie die beste Lösung aller Probleme garantiert. Italien geht heute dazu über, regionale Regierungen zu schaffen und Aufgaben von der Spitze in Rom auf diese regionalen Instanzen zu verlagern. In Frankreich bemüht man sich, staatliche Aufgaben zu delegieren und den Pariser Mammutapparat zu entlasten. Die Sowjetunion sucht Wege, die Eigenverantwortlichkeit ihrer Gliedrepubliken im finanziellen Bereich zu ermöglichen.

Man kann aber für die Idee des Föderalismus in der Bevölkerung nur dann Unterstützung finden, wenn sich der Föderalismus als so reformfähig erweist, daß in diesem System die bestmögliche Erfüllung staatlicher Aufgaben im gesamten Bundesgebiet garantiert ist. Allenthalben hört man das häßliche Wort, „daß der Föderalismus nur vom Geist der Staats-kanzleien der Länder getragen sei". Das ist gewiß nicht richtig. Der Föderalismus hat aber nur dann Wert und Bestand, wenn er von der Überzeugung des Volkes getragen wird. Das Bekenntnis zum Föderalismus muß notwendig auch das Bekenntnis zu seiner Weiterentwicklung einschließen. Die dynamischen Kräfte des staatlichen Lebens dürfen nicht durch Festhalten an unzeitgemäß werdenden Formen zum Schaden des Ganzen gehemmt werden. Mit Recht ist daher die Finanzreform wiederholt als eine Bewährungsprobe unseres föderativen Systems bezeichnet worden.

Man muß sich nur einmal vor Augen halten, wie eine neue deutsche Verfassung aussehen würde, wenn legitim gewählte Mitglieder einer verfassunggebenden Nationalversammlung in Freiheit über eine neue deutsche Verfassung entscheiden könnten. Diese Verfassung würde nur dann eine föderalistische sein, wenn die Erfahrungen mit dem Grundgesetz und die Lehren aus dem Kampf um seine Weitergestaltung es beim Volk überzeugend modern gemacht hätten. Dann käme für manche, die heute zwischen den guten bayerischen Bayern und den bösen Bonner Bayern einen Trennstrich ziehen wie weiland die Rechtgläubigen zwischen sich und den Häretikern, ein böses Erwachen. Nur wenn der Beweis erbracht wird, daß im föderalistischen Staat die zweckmäßigste Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern möglich ist, brauchen die Föderalisten keine Angst vor einer verfassunggebenden Nationalversammlung zu haben. Darum ging es bei der Finanzreform. Die Bundesregierung war mit ihren Vorschlägen immer bestrebt, Formen des kooperativen Föderalismus zu erarbeiten, die eine bestmögliche Erfüllung aller öffentlichen Aufgaben im geregelten Zusammenwirken von Bund und Ländern garantieren.

Bei der Diskussion um die Finanzreform wurde immer wieder gefragt: Was haben die Länder schlecht gemacht, warum muß der Bund eine Zuständigkeit für die Wirtschaftsstruktur, für die Agrarstruktur oder für den Hochschulausbau haben? Hierzu ist nur zu sagen, daß jedes Land das getan hat, was nach seinen Kräften möglich und nach seiner politischen Auffassung richtig war. Aber darum ging es gar nicht. Es ging einfach darum, daß man zum Beispiel nicht eine Hochschulpolitik, Wirtschaftsstrukturpolitik oder Agrarpolitik betreiben kann, die sich allein an Daten und Möglichkeiten dieses Landes orientiert. Bei diesen großen Aufgaben müssen die politischen Entscheidungen aufgrund von Planungen getroffen werden, die sich auf das gesamte Wirtschaftsgebiet erstrecken. Diese Planungen können, sollen sie im Konkurrenzkampf der Nationen ausreichend sein, nur an den Maßen orientiert werden, die von der zweitgrößten Handelsmacht der Welt gesetzt werden. Wenn dieses Maß nicht genommen wird, werden wir 1980 handelspolitisch in der Welt einen Platz einnehmen, den heute vergleichsweise zu anderen Ländern Griechenland und Portugal innehaben. Man muß nur daran denken, daß Deutschland z. B. noch im Jahre 1944 über 200 Düsenflugzeuge baute, die sich mit denen

Amerikas messen konnten. Heute hat dieser Industriezweig aufgrund der harten Verbote und Demontagen keineswegs bereits wieder Weltrangniveau erreicht. Hier hat der Bund Aufgaben, die ganz gleich, wie man es betrachtet, nur der Bund als Gesamtstaat lösen kann. Derartige Probleme gibt es auch auf anderen Gebieten, wie beispielsweise bei der Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung, der Meeresbiologie und der Weltraumforschung. Mit der Finanzreform wird auf all diesen Gebieten die wirkungsvollste Lösung angestrebt, hier ist kein Feld, um im Freund-Feind-Verhältnis die Zuständigkeiten zu bereinigen, sondern hier ist nur eine sachgerechte Lösung möglich, wenn als Richtschnur das Gemeinwohl genommen wird. Niemand hat ein Interesse daran, daß die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, der Agrarstruktur oder des Hochschulwesens am Leistungsvermögen des einen oder anderen Landes gemessen wird. Der Bürger muß um der Zukunft unseres Staates willen darauf bestehen, daß Maßstab nur das Leistungsvermögen des gesamten Bundesstaates sein darf.

Abgrenzung der Zuständigkeiten

Eine der wesentlichsten Ziele der Finanzreform liegt in der Klärung der Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern.

Die planmäßige und wirtschaftliche Erfüllung der öffentlichen Aufgaben unter wirkungsvollem Einsatz der öffentlichen Mittel erfordert klare Verantwortungsverhältnisse. Im Vordergrund der Bemühungen um die Reform der bundesstaatlichen Finanzordnung steht deshalb die Schaffung klarer Zuständigkeiten für die Wahrnehmung und Finanzierung aller öffentlichen Aufgaben. Es bedarf insbesondere einer einwandfreien Klärung, welche Aufgaben in die Zuständigkeit des Bundes und der Länder fallen und welche Aufgaben nur gemeinschaftlich von Bund und Ländern wahrgenommen werden können.

Das Grundgesetz geht von der Trennung der öffentlichen Aufgaben in Bundes-und Landes-aufgaben aus. Die grundlegende Vorschrift für die Verteilung der staatlichen Aufgaben enthält Art. 30 GG. Danach ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt; der allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz in Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 GG verbindet diese Aufgabenzuständigkeit unmittelbar mit der Finanzverantwortung. Art. 30 GG stellt mithin eine Generalklausel für die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern dar und spricht gleichzeitig eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder aus. Diesen Grundsatz wiederholt und verdeutlicht das Grundgesetz in Art. 70 ff. für die Gesetzgebung, in Art. 83 ff. für die Verwaltung, in Art. 92 für die Rechtsprechung und in Art. 105 ff. für das Finanzwesen. Zwar sind die Zuständigkeiten von Bund und Ländern im Bereich der Gesetzgebung durch konkrete Vorschriften ausreichend festgelegt; dafür ist aber in dem weiten Bereich der Verwaltung im gesetzesfreien Raum trotz der Vorschrift des Art. 30 GG eine gewisse Unsicherheit entstanden.

Grundsätzlich darf der Bund im gesetzesfreien Raum nur solche Aufgaben finanzieren, die er nach dem Grundgesetz selbst wahrzunehmen hat oder wahrnehmen darf. Art. 30 GG gibt jedoch in Grenzfällen keine klare Antwort auf die Frage, ob die Finanzierung einer Aufgabe Sache des Bundes oder der Länder ist; das gilt insbesondere für den Bereich der ungeschriebenen Bundeszuständigkeiten.

Außer den ihm ausdrücklich zugewiesenen Zuständigkeiten im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung hat der Bund in der Vergangenheit weitere „ungeschriebene" oder „stillschweigend zugelassene" Kompetenzen unter dem Gesichtspunkt der Natur der Sache oder des Sachzusammenhangs für sich in Anspruch genommen. Im Bereich der Gesetzgebung hat das Bundesverfassungsgericht derartige Zuständigkeiten in ständiger Rechtsprechung anerkannt. Es hat darüber hinaus zu erkennen gegeben, daß es auch Verwaltungszuständigkeiten des Bundes aus der Natur der Sache geben kann. Dabei müssen Schlußfolgerungen aus der Natur der Sache begriffsnotwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend fordern. Auch „ungeschriebene" oder „stillschweigend zugelassene" Bundeszuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs kann es im Bereich der Verwaltung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geben. Im Rahmen der sogenannten gesetzes-freien Verwaltung haben sich infolgedessen zahlreiche Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern über die Finanzierungskompetenz ergeben, die die politischen und finanziellen Beziehungen innerhalb unseres Bundesstaates mit unfruchtbaren Auseinandersetzungen belasten.

Unklare Verantwortungsverhältnisse führen häufig zu unwirtschaftlicher Mittelverwendung. Die Aufgaben-und Finanzierungszuständigkeit bedarf deshalb in den Bereichen, in denen sich die Zuständigkeiten nicht unmittelbar aus bestimmten Verfassungsnormen ergeben und die staatliche Tätigkeit auch nicht gesetzlich geregelt ist, einer Klärung. Die hierzu notwendige Verständigung über die verfassungsrechtlich gegebene Abgrenzung soll im Wege einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt werden. Da sich eine vollständige Aufgabenabgrenzung im Grundgesetz als unmöglich erwiesen hat, erscheint gerade die Form der Verwaltungsvereinbarung als die zweckmäßigste Lösung, weil Verwaltungsvereinbarungen jeweils den Bedürfnissen des Einzelfalles angepaßt werden können. Die Fassung der Verwaltungsvereinbarung, über die noch mit den Ländern verhandelt wird, soll zunächst die Aufgabengebiete bestimmen, für die der Bund aufgrund des Sachzusammenhangs oder aus der Natur der Sache eine ungeschriebene Kompetenz besitzt. Diese Zuständigkeiten des Bundes sollen nach allgemeinen Kriterien umschrieben und die zulässigen Förderungsmaßnahmen nach dem Stande beim Inkrafttreten in einer Anlage der Vereinbarung festgelegt werden.

Die verschiedenen in der Verwaltungsvereinbarung erfaßten Zuständigkeiten des Bundes stellen Konkretisierungen der in der Rechts-lehre entwickelten Begriffe des Sachzusammenhangs und der Natur der Sache dar. Eine derartige Vereinbarung begründet mithin keine neuen Zuständigkeiten, sondern sie spricht aus, was nach dem Grundgesetz rechtens ist. Sie legt in zweifelhaften Fällen eine gemeinsame Rechtsauffassung von Bund und Ländern und eine von allen Beteiligten anerkannte Verdeutlichung des ungeschriebenen Verfassungswillens fest. Mit der Verwaltungsvereinbarung lassen sich für die meisten Fälle praktikable Lösungen erreichen, die die möglichen Streitpunkte in Zukunft auf Ausnahmefälle beschränken. Bei neuen Förderungsvorhaben soll künftig in Zweifelsfällen nach den Vorstellungen der Bundesregierung ein gemeinsamer Ausschuß von Bund und Ländern gutachtliche Feststellungen treffen. ‘

Die Verhandlungen über die Verwaltungsvereinbarung sind noch nicht abgeschlossen. Zu den einzelnen Paragraphen sind in den Verhandlungen im Detail einzelne unterschiedliche Auffassungen zu Tage getreten, die aber die Vereinbarung im ganzen nicht berühren. Die Vereinbarung regelt nur die Kompetenz des Bundes zur Finanzierung. Sie enthält keine Verpflichtung zur Finanzierung und ebenfalls keine Feststellung über Art und Ausmaß einer eventuellen Finanzierung.

Auch wenn nach der Verwaltungsvereinbarung eine ungeschriebene Kompetenz des Bundes nicht anerkannt wird, sollen Finanzierungen, die durch förmliche Bescheide bewilligt sind, durchgeführt werden (auslaufende Finanzierung).

Die Gemeinschaftsaufgaben

Für wesentliche Teilgebiete der Kooperation zwischen Bund und Ländern trifft das Finanzreformgesetz in Art. 91 a und 91 b besondere Regelungen. Schon jetzt läßt die Staatspraxis erkennen, daß in wichtigen Bereichen gesamtstaatliche Aufgaben des Bundes und einzelstaatliche Aufgaben der Länder mehr und mehr ineinandergreifen. Das gilt insbesondere für Sachgebiete, die für die wirtschaftliche Zukunftsentwicklung unseres Staates bedeutsam sind. Zur Erfüllung der ihrem Wesen nach für die Gesamtheit wichtigen und für die Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlichen Aufgaben, die schon wegen des enormen Kostenaufwandes einer Koordinierung und langfristigen Planung bedürfen, haben sich Bund und Länder, aber auch die Länder untereinander, in der Vergangenheit in vielfältigen Formen zusammengefunden. Das beste Beispiel für diese Entwicklung ist die Finanzierung des Hochschulausbauprogramms. An sich gehört das Hochschulwesen zur Zuständigkeit der Länder, aber es ist offensichtlich, daß die Investitionsaufgaben, die hier an den Staat herantreten, wegen ihrer gesamtpolitischen Bedeutung den Rahmen der regionalen Betrachtungsweise sprengen.

Die zunehmende Kooperation von Bund und Ländern ist eine Erscheinungsform des Verwaltungslebens, die sich mit der Formen-strenge des VIII. Abschnitts des Grundgesetzes nur mit Einschränkung in Einklang bringen läßt. Die Formen der Zusammenarbeit reichen von losen Bindungen bis zur institutionellen Verfestigung. Die bisher in den verschiedensten Formen vorgenommene gemeinsame Durchführung von Staatsaufgaben in der Verfassungswirklichkeit — trotz der im Grundgesetz vorgesehenen Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern — zeigt, daß eine Lösung der Frage gefunden werden muß, wie Bund und Länder bei diesen für den Bestand und die Fortentwicklung unseres Staates bedeutsamen Aufgaben am zweckmäßigsten zusammenarbeiten. Nach der derzeitigen Verfassungslage wird ein Zusammenwirken von Bund und Ländern auch dann erschwert, wenn es aus Gründen der Zweckmäßigkeit geboten ist. Selbst wenn beide Seiten die Zusammenarbeit als wünschenswert betrachten, stehen ihrer Verwirklichung Hindernisse entgegen, weil sich Vereinbarungen über verfassungsrechtliche Zuständigkeiten der Verfügungsfreiheit der Vertragschließenden entziehen.

Rechtlich drängte die Entwicklung nach einer verfassungsrechtlichen Regelung. In einem Rechtsstaat ist es auf die Dauer unhaltbar, daß Verfassungstexte und Verfassungswirklichkeit ein Eigenleben führen. Es ist daher das Ziel der Finanzreform, unter Wahrung des bundesstaatlichen Prinzips die entsprechend den tatsächlichen Bedürfnissen bereits in der Verfassungswirklichkeit gemeinsam geförderten wichtigen Aufgaben der Systematik des Grundgesetzes entsprechend zu regeln. Das Finanzreformgesetz hat solche Aufgaben als „Gemeinschaftsaufgaben" verfassungsrechtlich institutionalisiert und ein Verfahren für ihre Verwirklichung eröffnet. Der Begriff der „Gemeinschaftsaufgabe" im Sinne des Finanzreformgesetzes ist dem Grundgesetz bisher fremd. Die regelungsbedürftigen Fälle der Gemeinschaftsaufgaben haben zwei typische Merkmale. Einmal handelt es sich durchweg um Aufgaben, die herkömmlich von den Ländern vollzogen werden. Damit scheiden aus der Betrachtung alle Aufgaben aus, für deren Vollzug eine Bundesverwaltung besteht. Zum anderen sind es Daueraufgaben von wesentlicher Bedeutung für die zukünftige politische und wirtschaftliche Entwicklung der Gesamt-nation. Sie tendieren ihrem Wesen nach zur zentralen Koordinierung und Programmierung.

Um die Neuartigkeit der Zusammenarbeit von Bund und Ländern herauszustellen, wird die gemeinschaftliche Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Einfügung eines neuen Abschnitts VIII a in das Grundgesetz mit den Art. 91 a und 91 b geregelt. Das Finanzreformgesetz hat sich unter Würdigung der Bedenken der Länder auf drei Gemeinschaftsaufgaben beschränkt, die es für unbedingt notwendig für eine sachgerechte Zukunftssicherung ansieht.

Es sind dies die Aufgaben: — Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken — Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur — Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.

Auf diesen Gebieten wird ein Zusammenwirken an der Planung und Finanzierung auf gesetzlicher Basis für erforderlich gehalten, um die für die nationale Zukunftssicherung unentbehrlichen großen öffentlichen Investitionen mit den beschränkten zur Verfügung stehenden Mitteln vorrangig und schwerpunktmäßig fördern zu können.

Wesentlich ist bei den Aufgaben die gemeinsame Planung von Bund und Ländern, die Rahmenplanung sein soll und sich auf die programmatische Willensbildung beschränkt. Die Planung im einzelnen wie auch die Durchführung ist ausschließlich Sache der Länder. Neben der Rahmenplanung gehört es zum Wesen der Gemeinschaftsaufgaben, daß Bund und Länder gemeinsam die Kosten tragen. Die Bundesregierung hatte hier dem festen Beteiligungsverhältnis von 50 : 50 den Vorzug gegeben, um dem Grundsatz der partnerschaftlichen Gleichberechtigung, der dem Gedanken des kooperativen Föderalismus zugrunde liegt, Rechnung zu tragen. Lediglich für die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes soll eine Mindestbeteiligung des Bundes in Höhe von 50 v. H. verfassungsrechtlich festgelegt werden, um eine höhere Beteiligung des Bundes an der erheblichen Kostenlast, die mit diesem Aufgabengebiet verbunden ist und besonders die finanz-schwachen Länder trifft, zu ermöglichen. Die endgültige Festsetzung der Beteiligungsguote des Bundes wird in einem Gesetz über diese Gemeinschaftsaufgabe festzulegen sein.

Die vorgenannten Gemeinschaftsaufgaben werden durch folgende Ergänzung des Grundgesetzes geregelt: „VIII a. Gemeinschaftsaufgaben Artikel 91 a (1) Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist (Gemeinschaftsaufgaben): 1. Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken,

2. Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur,

3. Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. (2) Durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates werden die Gemeinschaftsaufgaben näher bestimmt. Das Gesetz soll allgemeine Grundsätze für ihre Erfüllung enthalten. (3) Das Gesetz trifft Bestimmungen über das Verfahren und über Einrichtungen für eine gemeinsame Rahmenplanung. Die Aufnahme eines Vorhabens in die Rahmenplanung bedarf der Zustimmung des Landes, in dessen Gebiet es durchgeführt wird. (4) Der Bund trägt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 die Hälfte der Ausgaben in jedem Land. In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 trägt der Bund mindestens die Hälfte; die Beteiligung ist für alle Länder einheitlich festzusetzen. Das Nähere regelt das Gesetz. Die Bereitstellung der Mittel bleibt der Feststellung in den Haushaltsplänen des Bundes und der Länder vorbehalten. (5) Bundesregierung und Bundesrat sind auf Verlangen über die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben zu unterrichten."

Zusammenwirken von Bund und Ländern im Forschungs-und Bildungsbereich

Neben den drei Gemeinschaftsaufgaben des Art. 91 a GG will das Finanzreformgesetz durch Einfügung eines Art. 91 b in den neuen Abschnitt VIII a des Grundgesetzes die Möglichkeit schaffen, daß Bund und Länder bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung und bei der Bildungsplanung zusammenwirken können. Insbesondere soll hiermit die Förderung der Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft (Deutsche Forschungsgemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft) verfassungsrechtlich legitimiert werden. Nach der derzeitigen Verfassungslage liegt die Förderung der Forschung — mit Ausnahme der Großforschung — im Zuständigkeitsbereich der Länder. Der Bedeutung der Aufgabe kann künftig aber nur entsprochen werden, wenn zu den Anstrengungen der Länder solche des Bundes hinzukommen, zumal die Kostenlast für die Forschungsaufgaben in unserer Zeit von den Ländern allein nicht mehr getragen werden kann. Schon deshalb ist in diesen Bereichen ein Zusammenwirken von Bund und Ländern unerläßlich. Das hat bereits der Parlamentarische Rat erkannt, der von einer ungeschriebenen Kompetenz des Bundes in diesem Bereich ausging (vgl. Steno-Protokoll Hauptausschuß 30. Sitzung). Ein Zusammenwirken im Forschungsbereich ist jedoch in einer weitergehenden Regelung als bei den übrigen gemeinsamen Aufgaben erforderlich. Hier muß jeweils für den Einzelfall die zweckmäßigste Form des Zusammenwirkens gefunden werden. Das ist am besten mit Vereinbarungen zu regeln, in denen auch das finanzielle Beteiligungsverhältnis festgelegt werden muß.

Die Schwerpunktförderung ist auf den in Art. 91 b GG aufgezeigten Gebieten für das Ansehen und den Stand der deutschen Wissenschaft im Vergleich zur übrigen Welt dringend erforderlich.

Artikel 91 b erhält folgenden Wortlaut: „Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen bei der Bildungsplanung und bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammenwirken. Die Aufteilung der Kosten wird in der Vereinbarung geregelt."

Die verfassungsrechtliche Regelung der Lastenverteilung

Der Parlamentarische Rat sah es als eine Selbstverständlichkeit an, daß Bund und Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Das ergibt sich daraus, daß der Parlamentarische Rat Bund und Ländern für ihre Ausgaben eigene Einnahmen zugeteilt hat. Sie reichten aber nur bei einem Teil der Länder zur Erfüllung der notwendigen Aufgaben aus. In welcher Weise der Bund den Ländern die Kosten ihrer Auftragsverwaltung vergütet, sollte durch Bundesgesetz bestimmt werden. Eine Zustimmung des Bundesrates zu diesem Gesetz war nicht vorgesehen. Auch hierüber glaubte der Parlamentarische Rat keine selbständige Regelung treffen zu müssen. Soweit die Länder ihre Aufgaben nicht mit ihren Mitteln hinreichend erfüllen konnten, sollte der Bund von sich aus Finanzierungshilfen geben können. Zu diesem Zweck dürfte der Bund durch Bundesgesetz, dem der Bundesrat zustimmen mußte, einen Teil der Einkommen-und Körperschaftsteuer in Anspruch nehmen (Art. 106 Abs. 3 a. F.).

Bei den Beratungen des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat ging man davon aus, daß der Bund „unter keinen Umständen gehindert sei, Zuschüsse an die Einrichtungen zu leisten, die er für unterstützungswert hält". Der Bund könne, „die geldliche Erschließung der Mittel vorausgesetzt, jedem Zweck nach seinem Ermessen geldliche Förderung geben". Hierfür bedürfe es nicht einmal der Gesetzgebungskompetenz; nur eines sei erforderlich, die haushaltsmäßige Bewilligung (vgl. insbesondere die Ausführungen von Dr. Laforet, CSU, und Dr. Höpker-Aschoff, FDP, in der 30. Sitzung des Hauptausschusses, Steno-Prot. S. 361 ff.). Diese Rechtsansicht entsprach dem in Art. 106 Abs. 3 a. F. GG niedergelegten Grundsatz, daß der Bund einen Teil der Einkommen-und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben, insbesondere zur Deckung von Zuschüssen, die Ländern zur Deckung von Ausgaben auf dem Gebiet des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens zu gewähren sind, in Anspruch nehmen konnte.

Hieraus geht klar hervor, daß das Recht des Bundes, Finanzhilfen an die Länder für ihre Aufgaben zu gewähren, von der Verfassung allgemein anerkannt wurde, ohne daß es einer besonderen Normierung bedurfte. Da das Recht in der Vergangenheit von den Ländern zum Teil bestritten wurde, hat die Finanzreform für Investitionen von besonderer Bedeutung dieses Recht ausdrücklich in den Verfassungstext ausgenommen. Damit wird die allgemeine Befugnis des Bundes, Zuschüsse an die Länder für Landesaufgaben zu gewähren, nicht unwesentlich eingeschränkt. Da es das Ziel der Finanz-reform ist, eine möglichst klare Aufgabenabgrenzung zu erreichen, ist diese Einschränkung vom Bund bewußt in Kauf genommen worden. Neben diesem Recht, Finanzhilfen zu gewähren, haben es Bundestag und Bundesrat für zweckmäßig gehalten, daß Geldleistungsgesetze entsprechend der bewährten Praxis der Vergangenheit auch eine gemeinschaftliche Finanzierung vorsehen können. So ist z. B. das Wohnungsbauprämiengesetz auch in der VerB gangenheit vom Bund und von den Ländern zu je 50 v. H. finanziert worden; das gleiche gilt für das Bundesentschädigungsgesetz und das Wohngeldgesetz und wird in Zukunft auch für neue Gesetze gelten können. Zu denken ist hier besonders an ein Gesetz zur Regelung der Ausbildungsförderung. In diesem Bereich haben Bund und Länder bereits heute die Förderungsmittel nach dem Honnefer Modell, das in das Ausbildungsförderungsgesetz eingehen wird, je zur Hälfte aufgebracht. Die in der Vergangenheit bewährte gemeinschaftliche Finanzierung nach Geldleistungsgesetzen wird nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses beibehalten.

Die Bestimmung sieht schließlich vor, das Bund und Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben selbst tragen, da auf die Einrichtung der Verwaltung und die Ausstattung der Behörden der Bund bei den Ländern und die Länder beim Bund keinen Einfluß haben. Der Grundsatz entspricht daher den Regeln über eine ordnungsmäßige Verwaltung. Das gleiche gilt für die Haftung, wie sie in dem Absatz 5 geregelt wird. Die näheren Ausführungen über die Abgrenzung der Verwaltungsausgaben und die Haftung sollen in einem Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates geregelt werden.

Artikel 104 a GG hat folgende Fassung: „Artikel 104 a (1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. (2) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben. (3) Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, können bestimmen, daß die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden. Bestimmt das Gesetz, daß der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, wird es im Auftrage des Bundes durchgeführt. Bestimmt das Gesetz, daß die Länder ein Viertel der Ausgaben oder mehr tragen, so bedarf es der Zustimmung des Bundesrates. (4) Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. Das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen, wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder auf Grund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. (5) Der Bund und die Länder tragen die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf."

Dieser Artikel steht am Anfang der Vorschriften über das Finanzwesen, weil er den Grundsatz für den ganzen Abschnitt enthält.

Steuergesetzgebung

Der im Auftrag der Ministerpräsidenten der Länder ausgearbeitete und den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates zugrunde gelegte Herrenchiemseer Entwurf behandelte die Steuergesetzgebung — im Zusammenhang mit der allgemeinen Gesetzgebung — in dem Abschnitt „Bund und Länder". Schon der Finanzausschuß überwies die entsprechenden Vorschriften in den Abschnitt „Finanzwesen".

In dem Herrenchiemseer Entwurf ist der Versuch unternommen, eine vollständige Aufteilung der Steuerquellen zwischen dem Bund und den Ländern in der Weise durchzuführen, daß bestimmte Steuern der Gesetzgebung des Bundes und bestimmte Steuern der Gesetzgebung der Länder unterworfen werden mit der Folge, daß dann natürlich auch das Aufkommen der der Gesetzgebung der Länder unterworfenen Steuern den Ländern zugefallen und auch die Verwaltung mindestens dieser Steuern den Ländern als eigene Angelegenheit zugewiesen worden wäre.

Der Finanzausschuß des Parlamentarischen Rates hatte mit großer Einmütigkeit dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung über Zölle und Finanzmonopole und die konkurrierende Gesetzgebung (damals hieß es noch Vorrangs-gesetzgebung) über die Verbrauch-und VerB kehrsteuern mit Ausnahme der Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis (insbesondere der Grunderwerbsteuer, der Wertzuwachs-steuer und der Feuerschutzsteuer), über die Steuern vom Einkommen, vom Vermögen, von Erbschaften und Schenkungen und die Real-steuern zugewiesen. Diese Beschlüsse hat der Hauptausschuß mit großer Einmütigkeit gebilligt.

Die konkurrierende Gesetzgebung war damals nur an die Bedingung geknüpft, daß der Bund nur das, was einheitlich geregelt werden müßte, einheitlich regeln sollte. Hier setzten die Einwendungen der Gouverneure ein, die dem Bund ein Gesetzgebungsrecht nur für diejenigen Steuern zugestehen wollten, die er ganz Teil für seine Ausgaben in oder zum eigenen Anspruch nehmen müßte. Es ist in langwierigen Verhandlungen, zuerst mit den Bonner Verbindungsstäben und ihren Steuersachverständigen, dann mit den Gouverneuren selbst, gelungen, eine Verständigung zu erreichen. Hiernach stand dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung zu, wenn er die Steuern ganz oder zum Teil zur Deckung von Bundesausgaben in Anspruch nahm oder wenn die für die konkurrierende Gesetzgebung überhaupt aufgestellten Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorlagen, das heißt, wenn ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung bestand (so Höpker-Aschoff, AöR 75 S. 316 und S. 320 f.).

Es ist dabei zu beachten, daß nach den Art. 121— 125 das bisherige Reichssteuerrecht und das von den Besatzungsmächten und dem Wirtschaftsrat gesetzte Steuerrecht als Bundesrecht fortgelten und die Länder daher in solches Recht nicht mehr aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebung eingreifen konnten. Die Einheitlichkeit der Gesetzgebung war hierdurch nicht in ausreichender Weise gewahrt. Gerade auf dem Gebiet der Grunderwerbsteuer war eine Vereinheitlichung dringend erforderlich. Mit der Neuregelung wird der stets unklar gebliebene Begriff der Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis beseitigt. Gleichzeitig wird aber eine Vereinfachung des gesamten Steuerrechts erreicht, denn mit der Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für alle Bundes-und Landessteuern erhält der Bund auch die ausdrückliche Gesetzgebungsbefugnis für das allgemeine Steuerrecht. Diese Zuständigkeit war dem Bund in der Vergangenheit von den Ländern immer wieder bestritten worden, weil das Grundgesetz in Art. 108 eine Bundeszuständigkeit nur für steuerliche Verfahrensvorschriften vorsah.

Artikel 105 Abs. 2GG erhält folgende Fassung: „(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen."

Unberührt von der Neuregelung bleibt die Gesetzgebungsbefugnis für die kleinen Gemeindesteuern, wie Vergnügungsteuer, Hundesteuer, Getränkesteuer, weil insoweit die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG nicht vorliegen.

Der Vermittlungsausschuß hat entsprechend dem Vorschlag des Bundesrates einen Absatz 2 a eingefügt, der in erster Linie das konkurrierende Gesetzgebungsrecht des Bundes für die herkömmlichen örtlichen Verbrauch-und Aufwandsteuern ausschließt, aber darüber hinaus auch das Steuererfindungsrecht der Länder allgemein für Gemeindesteuern erhält, soweit es nicht zu Parallelsteuern führt. Damit soll der bereits aus der Entstehungsgeschichte des Art. 105 GG bestätigten verfassungspolitischen Zielsetzung Rechnung getragen und die Verbrauch-und Verkehrsteuern, die an örtliche Gegebenheiten anknüpfen und herkömmlicherweise von den Gemeinden erhoben werden, aus der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes ausgenommen werden. Die Bundesregierung hatte in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates darauf hingewiesen, daß der Bund für diese Steuern kein Recht der konkurrierenden Gesetzgebung hat, weil die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 nicht vorliegen. Die Bundesregierung glaubte aus diesem Grunde, hierfür keine besondere Regelung treffen zu müssen. Bundestag und Bundesrat waren jedoch der Ansicht, daß diese Frage genau so klargestellt werden sollte wie die Verfassungsgarantie dieser Steuern für die Gemeinden in Art. 106 Abs. 6. Den Ländern wird damit verfassungsrechtlich das ausschließliche Gesetzgebungsrecht für die Steuern eingeräumt, die wegen der Begrenzung ihrer unmittelbaren Wirkungen auf das Gemeindegebiet nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle führen können.

Artikel 105 Abs. 2 a GG erhält folgende Fassung: „ (2 a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch-und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind.“

Steuerverteilung und Finanzausgleich

Bund und Länder sind darüber einig geworden, daß es einem modernen föderalistischen Geist entspricht, wenn die großen Steuern — die Einkommen-, Körperschaft-und Umsatzsteuer — in einem großen Steuerverbund zusammengefaßt werden. Dieser große Steuerverbund ist erforderlich, wenn eine gleichmäßigere Entwicklung der Einnahmen bei Bund und Ländern erreicht werden soll. Nur wenn der große Steuerverbund besteht, kann der Bund nicht durch Erleichterungen und Senkungen auf dem Gebiet der Einkommensteuer die Länder vor die Wahl stellen, entweder ein unpopuläres Nein zu sagen oder das Hauptgewicht des Einnahmeverlustes zu tragen. Steuerpolitische Maßnahmen, die der Bundesgesetzgeber mit Zustimmung des Bundesrates zu treffen hat, müssen sich auf Bund und Länder gleichmäßig auswirken.

Von der Idee her wäre es die beste Lösung gewesen, die Einkommen-und Körperschaft-steuer wie auch die Umsatzsteuer nach dem gleichen Anteilsverhältnis auf Bund und Länder aufzuteilen. Das hätte etwa eine Aufteilung im Verhältnis von 60 v. H. für den Bund zu 40 v. H. für die Länder bedeutet. 1967 hatten u. a. die Landesfinanzminister das auch noch einstimmig vorgeschlagen. Die Länder wollten später wegen des schnellen Wachsens möglichst stark an der Einkommen-und Körperschaftsteuer beteiligt bleiben. Hier bot sich im Kompromiß die Lösung an, die Einkommen-und Körperschaftsteuer im Verhältnis 50 : 50 auf Bund und Länder aufzuteilen. An der Umsatzsteuer mußte dem Bund dann ein entsprechend höherer Prozentsatz zustehen. Ich glaube, daß der auf dieser Basis gefundene Kompromiß eine gute Lösung für die Steuer-aufteilung zwischen Bund und Ländern ist, wenn dadurch auch nicht ganz das unterschiedliche Wachstum beseitigt wird.

Der Streit konzentrierte sich dann schließlich auf die eine Frage, nach welchen Grundsätzen der Länderanteil an den Gemeinschaftsteuern im Verhältnis der Länder untereinander aufzuteilen sei. Sollte hierfür das örtliche Aufkommen maßgebend sein oder sollte die Verteilung nach anderen Maßstäben vorgenommen werden?

Der Vermittlungsausschuß hatte zunächst vorgeschlagen, die Einkommen-und Körperschaft-steuer nach dem örtlichen Aufkommen zu verteilen, die Umsatzsteuer dagegen nach der Einwohnerzahl. Der Bundesminister der Finanzen hätte es für einen guten Kompromiß gehalten, wenn man die Körperschaftsteuer und die nicht veranlagte Einkommensteuer (Kapitalertrag-steuer) wie die Umsatzsteuer nach der Einwohnerzahl, die Lohnsteuer und veranlagte Einkommensteuer nach dem örtlichen Aufkommen verteilen würde. Das war nicht zu erreichen. Von den finanzschwachen Ländern war auch Bayern dagegen, obwohl es dadurch über 200 Mill. DM eigene Steuern mehr erhalten hätte.

Es gibt aber staatsrechtlich keinen Grund, daß dem Bundesstaatsprinzip gebietet, einem Land nur deshalb, weil aufgrund der zentralen Lage eine Banken-und Wirtschaftskonzentration innerhalb seiner Grenzen stattfindet, alle dadurch gegebenen Steuervorteile zu belassen. Man könnte dies nur dann als sinnvoll ansehen, wenn es der Erfolg der Wirtschaftspolitik dieses Landes wäre. Daß einem Land lediglich deswegen, weil zufällig in ihm eine Firmenleitung ihren Sitz hat, auch steuerlich der gesamte Erfolg zukommen soll, ist durch nichts begründet. Hier nur einige Beispiele für die dadurch entstehende Willkür:

Die Deutsche Bank unterhält in den elf Bundesländern 885 Geschäftsstellen: in Baden-Württemberg 104, in Bayern 70, in Berlin 48, in Bremen 19, in Hamburg 45, in Hessen 81, in Niedersachsen 93, in Nordrhein-Westfalen 332, in Rheinland-Pfalz 42, im Saarland 15 und in Schleswig-Holstein 36; Ausweislich des Geschäftsberichts für das Jahr 1967 hat sie 139 Mill. DM Steuern abgeführt. Die Steuern wurden am Sitz der Gesellschaft in Frankfurt/Main fällig mit Ausnahme der Gewerbesteuer und der Grundsteuer, obwohl im Land Hessen von den 885 Geschäftsstellen nur 81, also 1/10 beheimatet sind und davon ausgegangen werden kann, daß mindestens 9/io des Gewinns in anderen Bundesländern erwirtschaftet wurden und daher die Steuern auch wirtschaftlich den anderen Ländern in dieser Höhe zustehen würden.

Dies gilt für die Dresdner Bank, die Commerzbank und die Bank für Gemeinwirtschaft in gleicher Weise.

Die Commerzbank beabsichtigt, in Kürze ihren Sitz von Nordrhein-Westfalen nach Frankfurt zu verlegen. In diesem Fall wird das Land Hessen nach dem örtlichen Aufkommen Steuer-gläubiger sein, obwohl in Hessen nur 1/10 der Geschäftsstellen beheimatet sind. Der Karstadtkonzern, der seinen Sitz früher in Hamburg, dann in Berlin und heute in Essen hat, führte im Jahre 1967 109 Mill. DM Steuern ab, die Nordrhein-Westfalen zustehen. Die Karstadt-Kaufhäuser erstrecken sich auf das gesamte Bundesgebiet, erwirtschaften ihren Gewinn also in allen Bundesländern, Steuer-gläubiger ist aber allein das Sitzland. Sofern also die Tochtergesellschaften (Kepa-Kaufhaus GmbH Essen mit einem Kapital von 24 Mill. DM, Alka-Nürnberger Warenhandelsgesellschaft mbH Nürnberg mit einem Kapital von 100 000 DM, Erka-Handelsgesellschaft mbH Essen mit einem Kapital von 1 Mill. DM, Herbert Eklöh GmbH Köln-Ehrenfeld mit einem Kapital von 5 Mill. DM und Karstadt-Peters GmbH Köln mit einem Kapital von 2 Mill. DM) Ergebnisabführungsverträge mit der Karstadt AG haben, wird auch der Gewinn dieser Gesellschaften am Sitz der Muttergesellschaft versteuert. Er fließt also auch nach dem örtlichen Aufkommen Nordrhein-Westfalen in vollem Umfang zu. Das gleiche gilt für Hertie (Berlin), Kaufhof (Köln) und Horten (Düsseldorf) mit Filialen im gesamten Bundesgebiet.

Die AEG, die ihren Sitz im Jahre 1963 von Berlin nach Frankfurt/Main verlegt hat, hat aus-weislich ihres Geschäftsberichts für das Jahr 1967 Steuern vom Einkommen, Ertrag, Vermögen und von Lastenausgleichsabgaben in Höhe von 46 Mill. DM gezahlt, obwohl die Gesellschaft mit den Tochtergesellschaften Telefunken und Osram an 33 Gesellschaften beteiligt und im ganzen Bundesgebiet vertreten ist.

An diesen Beispielen wird klar, weshalb vorgeschlagen wurde, daß man wenigstens die Körperschaftsteuer und die nicht veranlagte Einkommensteuer (Kapitalertragsteuer) nach der Einwohnerzahl verteilt. Bei der Lohnsteuer und veranlagten Einkommensteuer gibt es zwar auch ähnliche Ungereimtheiten, aber sie erreichen noch keineswegs das Maß, das bei der Körperschaftsteuer gegeben ist.

Bei der Lohnsteuer war es insbesondere das Problem Hamburg. Hamburg hat ungefähr 200 000 Pendler aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die Lohnsteuer wird in Hamburg abgeführt. Die Wohnsitzländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen gehen leer aus; sie haben sogar noch einen Schaden, denn bei den Finanzämtern des Wohnsitzes in Schleswig-Holstein und Niedersachsen wird der Lohnsteuerjahresausgleich geltend gemacht. Diese Länder müssen also Lohnsteuer zurückzahlen, die Hamburg vereinnahmt hat.

Streuung der Einkommen-und Körperschaft-steuer nach dem örtlichen Aufkommen und dem Bruttosozialprodukt der Länder 1967 (Vergleich der Beträge je Einwohner in v. H.des Länderdurchschnitts)

Es wäre sicher auch eine Lösung denkbar gewesen, wie sie der Parlamentarische Rat zunächst in freier Entscheidung vorgesehen hatte, daß nämlich Bund und Länder aufgrund eines föderalen Gesetzes an allen Steuern — einem Steuertopf — in einem bestimmten Verhältnis beteiligt würden. Das hatte jetzt der Steuerbeamtenbund in einem Beitrag zur Finanzreform erneut vorgeschlagen. Die Staats-qualität des Bundes wie die der Länder wäre dadurch nicht in Frage gestellt worden. Dieses Ziel war aber einfach derzeit nicht zu erreichen. Man mußte sich damit begnügen, bei den großen Steuern zu einer vernünftigen Verteilung zu kommen, die zu keiner Mehrbelastung der Steuerpflichtigen führte. Der Vermittlungsausschuß hat sich dann schließlich dahin geeinigt, daß die Einkommen-und Körperschaft-steuer einschließlich der Lohnsteuer nach dem örtlichen Aufkommen verteilt wird, die Umsatzsteuer nach der Einwohnerzahl. Für die Körperschaftsteuer und die Lohnsteuer wurde eine Pflicht zur Zerlegung verfassungsrechtlich festgelegt. Die Zerlegung wird aufgrund eines Zerlegungsgesetzes vorgenommen, das bei der Körperschaftsteuer von den Daten ausgeht, die bei der Gewerbesteuer vorliegen, und bei der Lohnsteuer auf die Einkommensteuerstatistik zurückgreift, die für die Gemeindefinanzreform von den Statistischen Landesämtern alle drei Jahre erstellt werden muß. Dadurch wird erreicht, daß der Steuerpflichtige von der ganzen Zerlegung nichts spürt und bei der Veranlagung der Finanzämter keine zusätzliche Belastung auftritt. Die Finanzkassen müssen die abgeführte Körperschaftsteuer lediglich an mehrere Steuergläubiger abführen. Die Lohnsteuer wird zentral von der Landeszentralkasse an das Gläubigerland abgeführt. Diese Lösung ist in einem Punkt sogar besser als die zunächst angestrebte Verteilung pro Kopf. Hätte man eine Pro-Kopf-Verteilung vorgenommen, wäre das Interesse des Landes an Industrieansiedlung stark gesunken. Es wäre für das Steueraufkommen gleichgültig, ob ein Land für die Industrieansiedlung etwas tut oder nicht, denn bei den großen Steuern wäre es pro Kopf das gleiche geblieben. Bei der Zerlegung wird jedoch das Land begünstigt, das für Industrien in seinem Raum sorgte.

Artikel 106 und 107 GG erhalten folgende Fassung: „Artikel 106 (1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu: 1. die Zölle, 2. die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen, 3. die Straßengüterverkehrsteuer, 4. die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer, 5. die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben, 6. die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer, 7. Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.

(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:

1. die Vermögensteuer, 2. die Erbschaftsteuer, 3. die Kraftfahrzeugsteuer, 4. die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam zustehen, 5. die Biersteuer, 6. die Abgabe von Spielbanken. (3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 den Gemeinden zugewiesen wird. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt. Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: 1. Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln. 2. Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird. (4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt. Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen. (5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustim15 mung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen. (6) Das Aufkommen der Realsteuern steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch-und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebe-sätze der Realsteuern im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Real-steuern und der örtlichen Verbrauch-und Aufwandsteuern dem Land zu. Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Realsteuern und der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer als Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden. (7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt. (8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt. (9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände) ." „Artikel 107 (1) Das Aufkommen der Landessteuern und der Länderanteile am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer stehen den einzelnen Ländern insoweit zu, als die Steuern von den Finanzbehörden in ihrem Gebiet vereinnahmt werden (örtliches Aufkommen). Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sind für die Körperschaftsteuer und die Lohnsteuer nähere Bestimmungen über die Abgrenzung sowie über Art und Umfang der Zerlegung des örtlichen Aufkommens zu treffen. Das Gesetz kann auch Bestimmungen über die Abgrenzung und Zerlegung des örtlichen Aufkommens anderer Steuern treffen. Der Länderanteil am Aufkommen der Umsatzsteuer steht den einzelnen Ländern nach Maßgabe ihrer Einwohnerzahl zu; für einen Teil, höchstens jedoch für ein Viertel dieses Länderanteils, können durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Ergänzungsanteile für die Länder vorgesehen werden, deren Einnahmen aus den Landessteuern und aus der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer je Einwohner unter dem Durchschnitt der Länder liegen.

(2) Durch das Gesetz ist sicherzustellen, daß die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Ausgleichs-ansprüche der ausgleichsberechtigten Länder und für die Ausgleichsverbindlichkeiten der ausgleichspflichtigen Länder sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichsleistungen sind in dem Gesetz zu bestimmen. Es kann auch bestimmen, daß der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewährt."

Steuerverwaltung

Um die Entscheidung Bundesfinanzverwaltung oder Landesfinanzverwaltung ist bereits im Parlamentarischen Rat ein harter Kampf geführt worden. Der Gegensatz zwischen „Unitariern" und „Föderalisten" wurde an keiner Stelle so deutlich wie hier. Er entschied sich für eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung.

Der Parlamentarische Rat mußte sich jedoch schließlich dem Veto der Besatzungsmächte fügen, wenn er nicht das ganze Werk gefährden wollte, und in den sauren Apfel der geteilten Finanzverwaltung beißen. Da es nun aber nicht möglich war, in Deutschland neue Finanzverwaltungen ab ovo aufzubauen, wenn man nicht ein Chaos heraufbeschwören und die ungestörte Forterhebung der Steuern gefährden wollte, so ließ sich eine Aufteilung der Finanzverwaltung nur in der Form durchführen, daß die Verwaltung der Zölle, Finanzmonopole und Verbrauchsteuern dem Bunde, die Verwaltung der Besitz-und Verkehrsteuern den Ländern anvertraut wurde. Danach wurden die Hauptzollämter und Zollämter und die Abteilungen der Landesfinanzämter für Zölle und Verbrauchsteuern Bundesbehörden und die Finanzämter und die Abteilungen der Landes-finanzämter für Besitz-und Verkehrsteuern Landesbehörden; dieser Schnitt konnte ohne allzu große Organisationsänderungen vollzogen werden.

Bei der Gestaltung der Finanzverwaltung geht die Finanzreform von der durch die Besatzungsmächte verordneten geteilten Finanzverwaltung aus. Bundestag und Bundesrat haben sich bei der Reform jedoch von dem Gedanken leiten lassen, daß eine gleichmäßige Erhebung der wichtigsten öffentlichen Abgaben im Bundesgebiet sichergestellt werden muß. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt Art. 3 GG, daß im gesamten Bundesgebiet gleichartige Tatbestände auch gleich besteuert werden, sofern die Steuererhebung auf Bundesgesetzen beruht. Diese gleichmäßige Erhebung der öffentlichen Abgaben ist aber letztlich nur dann gesichert, wenn die Steuerverwaltung nach gleichen Weisungen handelt. Das ist besonders bedeutsam bei den Steuern, die tief ins Wirtschaftsleben eingreifen, wie der Einkommen-und Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer. Bei der Umsatzsteuer war bisher eine gleichmäßige Erhebung dadurch gesichert, daß sie von der Bundesfinanzverwaltung erhoben wurde, die sich der Finanzämter der Länder im Wege der Organleihe bediente. Der Bundestag hielt eine Auftragsverwaltung für die Einkommen-und Körperschaftsteuer wie für die Umsatzsteuer für erforderlich. Dem stimmte der Bundesrat schließlich zu. Durch diese Verwaltungsart ist im Rahmen der herkömmlichen Landesfinanzverwaltung die Einheitlichkeit der Erhebung hinreichend gesichert. Eine geteilte Verwaltung für die Einkommen-und Körperschaft-steuer und die Umsatzsteuer ist in der Praxis nicht möglich und würde auch den bestehenden Verwaltungsaufwand nur noch vergrößern. Die Auftragsverwaltung erschien dem Bundestag auch gegenüber den Ländern zumutbar, weil die Länder die bisher in bundes-eigener Verwaltung verwaltete Umsatzsteuer in Auftragsverwaltung übernehmen und dafür lediglich den bisher in eigener Verwaltung ausgeführten Teil der Einkommen-und Körperschaftsteuererhebung in Auftragsverwaltung geben sollten. Das Weisungsrecht soll grundsätzlich Art. 85 GG entsprechen, jedoch mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Bundesregierung in dringenden Fällen der Bundesminister der Finanzen tritt. Das in Art. 85 Abs. 3 geregelte Verfahren hat sich in der Vergangenheit als unpraktikabel erwiesen und sollte nicht in die Steuerverwaltung, die unbedingt auf Weisungen an die Mittel-und Unterbehörden in dringenden Fällen angewiesen ist, übernommen werden. Die Regelung nach Art. 85 stellt sich so dar, daß grundsätzlich die Weisungen von der obersten Bundesbehörde — hier dem Bundesminister der Finanzen — an die oberste Landesbehörde gehen. In dringenden Fällen können durch Beschluß der Bundesregierung Weisungen an die Mittel-und Unterbehörden ergehen. Es ist also so, daß in dringenden Fällen der umständliche Beschluß der Bundesregierung notwendig ist, um die dringenden Weisungen an die Mittel-und Unterbehörden geben zu können. Der Bundestag sah darin eine durch nichts gerechtfertigte Erschwerung des Weisungsrechts in dringenden Fällen, das in der Praxis wirkungslos wäre. Der Bundestag glaubte daher, die Regelung des Art. 85 Abs. 3 abändern zu müssen. Er hielt diese Abänderung auch deshalb für gerechtfertigt, weil nach der bisherigen Fassung des Grundgesetzes der Bundesminister der Finanzen jederzeit über die formlose Ernennung von Bundesbevollmächtigten nach Art. 108 Abs. 4 ein Weisungsrecht an Mittel-und Unterbehörden für den Bereich der Einkommensteuer schaffen konnte; im Bereich der Um-17 satzsteuer hatte der Bundesminister der Finanzen aufgrund des Art. 108 Abs. 1 das direkte Weisungsrecht an die Mittel-und Unterbehörden.

Die Absätze 4 bis 7 hat der Bundestag in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen, nachdem er eingehend geprüft hatte, ob die Möglichkeit der Übertragung von Zuständigkeiten, wie sie Abs. 3 enthält, vorgesehen werden sollte. Er hat diese Frage im Hinblick auf die Bedürfnisse der Steuerverwaltung bejaht.

Artikel 108 erhält folgende Fassung: „Artikel 108 (1) Zölle, Finanzmonopole, die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer und die Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften werden durch Bundesfinanzbehörden verwaltet. Der Aufbau dieser Behörden wird durch Bundesgesetz geregelt. Die Leiter der Mittelbehörden sind im Benehmen mit den Landes-regierungen zu bestellen. (2) Die übrigen Steuern werden durch Landes-finanzbehörden verwaltet. Der Aufbau dieser Behörden und die einheitliche Ausbildung der Beamten können durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates geregelt werden. Die Leiter der Mittelbehörden sind im Einvernehmen mit der Bundesregierung zu bestellen. (3) Verwalten die Landesfinanzbehörden Steuern, die ganz oder zum Teil dem Bund zufließen, so werden sie im Auftrage des Bundes tätig. Artikel 85 Abs. 3 und 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Bundesregierung der Bundesminister der Finanzen tritt. (4) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, kann bei der Verwaltung von Steuern ein Zusammenwirken von Bundes-und Landesfinanzbehörden sowie für Steuern, die unter Absatz 1 fallen, die Verwaltung durch Landesfinanzbehörden und für andere Steuern die Verwaltung durch Bundes-finanzbehörden vorgesehen werden, wenn und soweit dadurch der Vollzug der Steuergesetze erheblich verbessert oder erleichtert wird. Für die den Gemeinden (Gemeindeverbänden) allein zufließenden Steuern kann die den Landesfinanzbehörden zustehende Verwaltung durch die Länder ganz oder zum Teil den Gemeinden (Gemeindeverbänden) übertragen werden. (5) Das von den Bundesfinanzbehörden anzuwendende Verfahren wird durch Bundesgesetz geregelt. Das von den Landesfinanzbehörden und in den Fällen des Absatzes 4 Satz 2 von den Gemeinden (Gemeindeverbänden) anzuwendende Verfahren kann durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates geregelt werden. (6) Die Finanzgerichtsbarkeit wird durch Bundesgesetz einheitlich geregelt. (7) Die Bundesregierung kann allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, und zwar mit Zustimmung des Bundesrates, soweit die Verwaltung den Landesfinanzbehörden oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) obliegt."

Die Gemeindefinanzreform

Die Gemeindefinanzreform ist ein wesentlicher Schwerpunkt der Finanzreform überhaupt. Sie ist ein politisch hoch bedeutsames Teilgebiet der Gesamtreform.

Ziel der Gemeindefinanzreform ist es, die gemeindliche Finanzstruktur zu verbessern und die Finanzkraft der Gemeinden zu stärken, um eine leistungsfähige und eigenverantwortliche Selbstverwaltung zu erhalten.

Die Verstärkung der Gemeindefinanzmasse steht in engem Zusammenhang mit der Forderung, im Interesse des wirtschaftlichen Wachstums eine ausreichende Investitionsfähigkeit zu sichern. Sie berührt deshalb in besonderem Maße auch die Interessen der Industrie. Die Bundesregierung hat sich für eine Verstärkung der Investitionskraft der Gemeinden ausgesprochen und folgendes vorgeschlagen:

Aus dem Bundeshaushalt und den Länderhaushalten werden den Gemeinden ab 1. Januar 1970 zusätzliche Mittel über die Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer zur Verfügung gestellt. Sie werden 1970 etwa 1 500 Mill. DM betragen und in den folgenden Jahren automatisch weiter ansteigen. Im Vorgriff auf diese Maßnahme erhalten die Gemeinden bereits 1969 500 Mill. DM über den kommunalen Finanzausgleich der Länder. Der Bund wird auch in Zukunft Mittel in Höhe der Mehreinnahmen aus der Erhöhung der Mineralölsteuer um 3 Pf je Liter zusätzlich für die Finanzierung gemeindlicher Verkehrsausgaben zur Verfügung stellen (1970: 850 Mill. DM).

Die den Gemeinden damit zufließenden zusätzlichen Einnahmen von rd. 2, 3 Mrd. DM im Jahre 1970 ermöglichen eine wesentliche Stärkung der Investitionskraft der Gemeinden.

Eine Verstärkung der Gemeindefinanzmasse allein wäre keine Gemeindefinanzreform. Hinzu kommen muß eine Verbesserung des Gemeindesteuersystems, die allen Gemeinden stabile eigene Einnahmen erschließt. Eine solche Maßnahme ist nicht zuletzt aus folgenden Gründen notwendig: Bisher führt das Übergewicht der Gewerbesteuer unter den eigenen Einnahmen der Gemeinden zu einer unzureichenden Ausstattung industriearmer Gemeinden mit eigenen Steuereinnahmen. Das ist zum Teil nicht ohne Einfluß auf die Investitionstätigkeit in diesen Gemeinden. Bei den gewerbesteuerstarken Gemeinden wirkt sich wegen des Gewichts der Gewerbesteuer in ihren Haushalten die Konjunkturanfälligkeit dieser Steuer ganz besonders nachteilig aus. Das hat in der Zeit der Rezession gerade die Bauwirtschaft empfindlich zu spüren bekommen. Schließlich hat das Bemühen der Gemeinden um die Ansiedlung von Gewerbebetrieben zu Industrieballungen geführt, die wegen der Frage der Arbeitskräfte nicht im Interesse der Wirtschaft liegen kann.

Zur Behebung der von dem Übergewicht der Gewerbesteuer in den Gemeindehaushalten ausgehenden Mängel hat die Bundesregierung vorgeschlagen, in den Gemeindehaushalten einen Teil der Gewerbesteuer gegen eine Beteiligung der Gemeinden an der stabileren und gleichmäßiger streuenden Einkommen-und Lohnsteuer auszutauschen. Damit werden auch zugleich die drei Belastungsfaktoren einer Gemeinde, der Einwohner, die gewerbliche Wirtschaft und der Grundbesitz, in angemessenem Verhältnis unmittelbar zu den Gemeindelasten herangezogen.

Bei der Aufteilung des Gemeindeanteils an der Einkommen-und Lohnsteuer sollen zwar die Steuerleistungen der Einwohner der Gemeinde zugrunde gelegt werden. Das soll aber ohne zusätzliche Belastung für den Arbeitgeber geschehen, indem für die Aufteilung ein vereinfachtes Verfahren auf der Grundlage der bei der Einkommen-und Lohnsteuerstatistik ermittelten prozentualen Anteile aller Gemeinden an der Einkommen-und Lohnsteuer gewählt wird.

Eine Mehrbelastung beim Lohnabzug würde für den Arbeitgeber erst bei Einführung beweglicher Hebesätze für den Gemeindeanteil an der Einkommen-und Lohnsteuer eintreten. Das Hebesatzrecht ist gerade deshalb aus den Kreisen der Wirtschaft angegriffen worden. Die Bundesregierung unterschätzt die verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten keineswegs und ist der Auffassung, daß die damit verbundene Verwaltungsbelastung unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung zunächst noch sehr sorgfältig geprüft werden muß. Sie hat deshalb nur eine verfassungsrechtliche Ermächtigung vorgesehen, den Gemeinden durch Gesetz das Recht zu geben, für ihren Anteil an der Einkommen-und Lohnsteuer bewegliche Hebesätze festzusetzen.

Die Bundesregierung hatte vorgeschlagen, mit der Reform des Gemeindesteuersystems eine Reform der Gewerbesteuer durchzuführen. Die vorgeschlagene Senkung der Gewerbesteuer war aber nicht als eine Maßnahme zur Senkung der Steuerbelastung gedacht Vielmehr sollten die Mindereinnahmen aus einer Senkung der Gewerbesteuer durch Mehreinnahmen bei einer anderen Steuer ausgeglichen werden. Im Zuge der Beratungen der Gemeindefinanzreform in den Bundestagsausschüssen haben die Sozialdemokraten darauf gedrängt, die Frage der Senkung der Gewerbesteuer und der Erhöhung einer anderen Steuer zum Ausgleich der Mindereinnahmen erst im Rahmen der für die nächste Legislaturperiode vorgesehenen großen Steuerreform zu entscheiden.

Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Gemeindefinanzreform sind in dem Finanzreformgesetz (Art. 106 GG), die Regelungen zur Durchführung im einzelnen in dem den Bundestagsausschüssen zur Beratung vorliegenden Gemeindefinanzreformgesetz enthalten.

Die Haushaltsreform

Zur Finanzreform im weiteren Sinne gehört die Haushaltsreform; der verfassungsrechtliche Teil ist inzwischen ebenfalls verabschiedet. Durch die Haushaltsreform soll die aus dem Jahre 1922 stammende Reichshaushaltsordnung, die noch heute vom Bund und durchweg auch von den Ländern angewandt wird, mit dem Ziel abgelöst werden, die seit mehr als 40 Jahren geltenden Haushaltsgrundsätze den veränderten politischen, wirtschaftlichen, sozialen und technischen Verhältnissen anzupassen und im Sinne neuzeitlicher Erkenntnisse weiterzuentwickeln. Der wirtschaftliche und technische Fortschritt in den letzten Jahren hat an die öffentliche Haushaltswirtschaft Anforderungen gestellt, die bei der Regelung des überkommenen Haushaltsrechts noch nicht erkennbar waren. Die öffentlichen Aufgaben haben sich grundlegend gewandelt und erweitert. Das Bemühen, alle Teile der Bevölkerung an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben zu lassen, ließ die öffentlichen Haushalte zu maßgeblichen Gestaltungsfaktoren der Gesellschaftsordnung werden. Zugleich wurde deutlich, daß die öffentlichen Haushalte einen entscheidenden Einfluß auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ausüben. Die Haushaltsreform hat von diesen Tatsachen auszugehen.

Kernstück der Haushaltsreform sind Änderungen des Grundgesetzes. Die Verfassungsänderung ist in erster Linie notwendig, um eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlaß von Haushaltsgrundsätzen für Bund und Länder zu schaffen, überdies ließ sich eine grundlegende Neuordnung auch nur des Bundeshaushaltsrechts ohne Verfassungsänderung nicht verwirklichen, weil das derzeitige Haushaltsrecht des Bundes in wesentlichen Grundzügen verfassungskräftig festgelegt ist.

Ein wichtiger Schwerpunkt der Haushaltsreform ist die Änderung des Art. 113 GG. Zu den Notwendigkeiten einer langfristigen geordneten Haushaltsentwicklung gehört eine Neufassung des Art. 113, mit der die drei Schwächen der bisherigen Regelung beseitigt werden sollen. Einmal kann die Bundesregierung nach der derzeitigen Fassung einem Gesetz lediglich entweder voll zustimmen oder es voll ablehnen. Mit einer Ablehnung verzichtet die Bundesregierung auch auf den Teil des Gesetzes, der von ihr selbst eingebracht ist. Dieser unbefriedigende Zustand sollte nach der Regierungsvorlage dadurch beseitigt werden, daß die Bundesregierung die Befugnis erhält, anstatt sogleich über die Zustimmung entscheiden zu müssen, einen erneuten Beschluß des Bundestages oder die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen. Eine zweite Schwäche der bisherigen Regelung besteht darin, daß sie sich nur auf ausgabewirksame Gesetze erstreckt. Das Haushaltsgleichgewicht kann jedoch auch durch einnahmemindernde Gesetze beeinträchtigt werden. Deshalb sieht die Regierungsvorlage ein Zustimmungsrecht der Bundesregierung auch bei solchen Gesetzen vor. Schließlich steht der Bundesregierung zur Zeit ein Eingriffsrecht erst nach der abschließenden Entscheidung des Bundestages zu. Das Eingriffsrecht ist zu spät angesetzt; nach der Regierungsvorlage soll der Bundesregierung bereits vor der Entscheidung des Parlaments Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.

Die vom Bundestag vorgeschlagene Neufassung gestaltet den Regierungsentwurf in mehrfacher Hinsicht um. Insbesondere wird die Bundesregierung zur fristgerechten Abgabe einer Stellungnahme vor der Beschlußfassung des Bundestages über finanzwirksame Gesetze verpflichtet, wenn sie zuvor einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt hat. Ferner soll auf das im Regierungsentwurf vorgesehene Vermittlungsverfahren verzichtet werden, um den Gang der Gesetzgebung zu vereinfachen. Schließlich soll verhindert werden, daß die Bundesregierung ohne Vorankündigung im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nach dessen Abschluß die Zustimmung versagen kann.

Die vorgeschlagene Neufassung hat — wie die Regierungsvorlage — zum Ziel, die drei erwähnten Schwächen der derzeitigen Fassung des Art. 113 zu beseitigen, wenn auch in Einzelheiten gewisse Unterschiede bestehen.

Artikel 109 Abs. 3 GG erhält folgende Fassung: „ (3) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt werden.“

Die Artikel 110 bis 115 GG erhalten folgende Fassung:

„Artikel 110 (1) Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind in den Haushaltsplan einzustellen; bei Bundesbetrieben und bei Sondervermögen brauchen nur die Zuführungen oder die Ablieferungen eingestellt zu werden. Der Haushaltsplan ist in Einnahme und Ausgabe auszugleichen. (2) Der Haushaltsplan wird für ein oder mehrere Rechnungsjahre, nach Jahren getrennt, vor Beginn des ersten Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz festgestellt. Für Teile des Haushaltsplanes kann vorgesehen werden, daß sie für unterschiedliche Zeiträume, nach Rechnungsjahren getrennt, gelten. (3) Die Gesetzesvorlage nach Absatz 2 Satz 1 sowie Vorlagen zur Änderung des Haushalts-gesetzes und des Haushaltsplanes werden gleichzeitig mit der Zuleitung an den Bundesrat beim Bundestage eingebracht; der Bundesrat ist berechtigt, innerhalb von sechs Wochen, bei Änderungsvorlagen innerhalb von drei Wochen, zu den Vorlagen Stellung zu nehmen. (4) In das Haushaltsgesetz dürfen nur Vorschriften ausgenommen werden, die sich auf die Einnahmen und die Ausgaben des Bundes und auf den Zeitraum beziehen, für den das Haushaltsgesetz beschlossen wird. Das Haushaltsgesetz kann vorschreiben, daß die Vorschriften erst mit der Verkündung des nächsten Haushaltsgesetzes oder bei Ermächtigung nach Artikel 115 zu einem späteren Zeitpunkt außer Kraft treten." „Artikel 112 überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen. Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden. Näheres kann durch Bundesgesetz bestimmt werden." „Artikel 113 (1) Gesetze, welche die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgaben des Haushaltsplanes erhöhen oder neue Ausgaben in sich schließen oder für die Zukunft mit sich bringen, bedürfen der Zustimmung der Bundesregierung. Das gleiche gilt für Gesetze, die Einnahmeminderungen in sich schließen oder für die Zukunft mit sich bringen. Die Bundesregierung kann verlangen, daß der Bundestag die Beschlußfassung über solche Gesetze aussetzt. In diesem Fall hat die Bundesregierung innerhalb von sechs Wochen dem Bundestage eine Stellungnahme zuzuleiten. (2) Die Bundesregierung kann innerhalb von vier Wochen, nachdem der Bundestag das Gesetz beschlossen hat, verlangen, daß der Bundestag erneut Beschluß faßt. (3) Ist das Gesetz nach Artikel 78 zustande gekommen, kann die Bundesregierung ihre Zustimmung nur innerhalb von sechs Wochen und nur dann versagen, wenn sie vorher das Verfahren nach Absatz 1 Satz 3 und 4 oder nach Absatz 2 eingeleitet hat. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Zustimmung als erteilt." „Artikel 114 (1) Der Bundesminister der Finanzen hat dem Bundestage und dem Bundesrate über alle Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden im Laufe des nächsten Rechnungsjahres zur Entlastung der Bundesregierung Rechnung zu legen. (2) Der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, prüft die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts-und Wirtschaftsführung. Er hat außer der Bundesregierung unmittelbar dem Bundestage und dem Bundesrate jährlich zu berichten. Im übrigen werden die Befugnisse des Bundesrechnungshofes durch Bundesgesetz geregelt." „Artikel 115 (1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz. Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt. (2) Für Sondervermögen des Bundes können durch Bundesgesetz Ausnahmen von Absatz 1 zugelassen werden."

Schlußbemerkung

Mit diesen Änderungen soll die Finanzverfassung des Grundgesetzes, die durch nachdrückliche Einwirkung der Besatzungsmächte beeinflußt worden war, entsprechend der wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Entwicklung der beiden letzten Jahrzehnte fortentwickelt werden. Seit 1949 haben sich die Bedingungen, unter denen diese Regelung entstanden ist, in einer Reihe von Fragen beträchtlich geändert. Die Verfassungswirklichkeit ist gegenüber dem geschriebenen Verfassungstext in Teilbereichen der öffentlichen Finanzwirtschaft bereits eigene Wege gegangen, teilweise wurde auch die Verfassung selbst geändert.

Zahlreiche Aufgaben mußten von Bund und Ländern gemeinsam in Angriff genommen werden, wie z. B.der soziale Wohnungsbau, die Studentenförderung nach dem Honnefer Modell, der Ausbau von Hochschulen, die Förderung wissenschaftlicher Einrichtungen, die Förderung regionaler Wirtschaftsstrukturen und der Landwirtschaft, obwohl das Grundgesetz für ein derartiges Verfahren keine Norm vorsieht und der Bund zum Teil auch keinerlei Zuständigkeit in der Ausführung besitzt.

Durch dieses Gesetzgebungswerk ist eine Finanzverfassung geschaffen worden, die den neuen Wirklichkeiten staatlichen Lebens gerecht wird und den Forderungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts entspricht. Viele wichtige Staatsaufgaben verlangen heute die Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Verfassung und Verfassungsleben müssen daher aus dem Geist eines kooperativen Föderalismus verstanden und weiter entwickelt werden.

Die Neuordnung der bundesstaatlichen Finanz-verfassung betrifft in erster Linie die Finanz-beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Sie gewinnt aber auch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Wirtschaft und den Steuerzahler, weil nur bei richtiger Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern, einer klaren Regelung der Finanzverantwortung und einer verbesserten Steuerverteilung die gesamte Steuerlast gemeinsam verteilt werden kann.

Die technisch-industrielle Entwicklung in der Bundesrepublik erfordert in vielen Bereichen einheitliche Lösungen, um die großen staatspolitischen Aufgaben und Anforderungen, die an die öffentlichen Haushalte gestellt werden, zu erfüllen. In einem Bundesstaat setzt die verfassungsrechtliche Ordnung voraus, daß die öffentlichen Aufgaben und Befugnisse im Verhältnis zwischen Bund und Ländern möglichst klar gegeneinander abgegrenzt sind. Trotz der Zuständigkeitsvorschriften des Grundgesetzes hat die Praxis der letzten Jahre erkennen lassen, daß zahlreiche Fragen der Aufgabenverteilung ungeklärt geblieben sind, was zu Überschneidungen und Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern geführt hat. Das ungeordnete Nebeneinander öffentlicher Aufgabenerfüllung durch mehrere Träger birgt zudem die Gefahr einer unwirtschaftlichen Ausgabengebarung in sich und kann das Gefüge der bundesstaatlichen Ordnung gefährden.

Es ist das erklärte Ziel der Finanzreform, durch Ordnung und Rationalisierung die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben in Bund, Ländern und Gemeinden den Anforderungen unseres modernen Industrie-und Sozialstaates anzupassen. Dementsprechend muß die Finanz-reform die Voraussetzungen dafür schaffen, daß die von der Volkswirtschaft aufgebrachten und der öffentlichen Hand anvertrauten Mittel mit einem Höchstmaß von Wirtschaftlichkeit zur Wirkung kommen. Der insgesamt verfügbare Steuerertrag muß auf der Grundlage einer klaren Abgrenzung der Finanzverantwortung nach dem Verhältnis ihres Steuerbedarfs auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt werden. Diese Neuordnung soll zur Konsolidierung der Finanzverhältnisse zwischen Bund und Ländern beitragen und eine rationale Steuerpolitik erleichtern.

Die mit der Finanzreform beabsichtigte Fortbildung unseres Verfassungsrechts entspricht dem unabänderlichen föderalistischen Prinzip. Die entscheidende Fortbildung des geltenden Verfassungsrechts vermag das Finanzreformgesetz herbeizuführen, „ohne daß der Kern des bundesstaatlichen Systems angetastet wird und ohne daß sonstige Grundlagen des geltenden Verfassungsrechts erlassen werden“ (Maunz, NJW 1968, S. 2035).

Damit ist das erklärte Ziel der Großen Koalition, die Finanzreform einschließlich der Gemeindefinanzreform noch in dieser Legislaturperiode des Bundestages zu verabschieden, verwirklicht worden. Bei dem Ringen um die richtige Lösung haben sich alle Beteiligten immer wieder ins Gedächtnis gerufen, daß weder die Interessen des Bundes noch die der Länder und Gemeinden Selbstzweck sind. Letztlich steB hen sie alle im Dienste des Gemeinwohls, das mit Freiheit, Menschenwürde und sozialer Gerechtigkeit in einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat umschrieben werden kann. Die Beratungen im Bundestag haben gezeigt, daß bei diesem großen Werk alle Partikular-interessen im Interesse des Gemeinwohls zurückgestellt wurden. Es kam, wie immer bei solch großen Aufgaben, auch bei der Finanzreform auf eine der Allgemeinheit verpflichtete Verantwortung aller Träger des staatlichen Lebens an. Nur dadurch, daß Bund, Länder und Gemeinden zusammenwirkten im Geiste eines kooperativen Föderalismus, ist bei der Finanzreform der Erfolg erreicht worden. Die parlamentarische Demokratie hat gezeigt, daß sie trotz aller Kassandrarufe zu großen Reformen fähig ist.

Fussnoten

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Franz Klein, Dr. iur. utr., Ministerialrat, Generalreferent für die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, Finanzreform im Bundesministerium der Finanzen, geboren 1929 in Siegen in Westfalen, Studium der Rechts-und Staatswissenschaften an den Universitäten Freiburg, München und Bonn, seit 1960 im Bundesfinanzministerium, zunächst öffentlich-rechtliches Justitiariat — Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.