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Moderne Wissenschaftslehre und marxistische Kapitalismustheorie | APuZ 39/1970 | bpb.de

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APuZ 39/1970 Die Aktionskategorien der sowjetischen Außenpolitik im Lichte der „Breschnew-Doktrin" Moderne Wissenschaftslehre und marxistische Kapitalismustheorie

Moderne Wissenschaftslehre und marxistische Kapitalismustheorie

Peter Urban

/ 41 Minuten zu lesen

I. Wissenschaftstheoretische Einführung

Solange wir die Idealgesellschaft nicht erreicht haben — und es gibt gute Gründe, daran zu zweifeln, ob dies jemals der Fall sein wird —, sind gesellschaftliche Reformen notwendig, um unbefriedigende soziale Zustände zu beseitigen. An Beispielen für solche Zustände mangelt es nicht. Zu nennen wären z. B. die Misere des Bildungswesens, das Verkehrsproblem, die Situation der alten Menschen und der kinderreichen Familien in der heutigen Gesellschaft. In den Massenmedien werden tatsächliche oder auch nur vermeintliche Mißstände oft lauthals angeprangert, und es wird nach Abhilfe verlangt. Daneben gibt es zahlreiche Reformbegehren, die wahre oder falsche Gründe für Mißstände nennen und Maßnahmen zu deren Beseitigung vorschlagen. Es werden also Reform-programme für bestimmte Probleme angeboten. Diese müssen auf ihre Brauchbarkeit kritisch geprüft werden, wenn sie nicht einfach als eine Art Offenbarung hingenommen werden sollen. Man steht vor der generellen Frage, wie man dabei verfahren will und vor allem kann.

Wie ist es möglich, sich in dem ständigen Bombardement von miteinander konkurrierenden — sich also gegenseitig widersprechenden — Tatsachenbehauptungen, Theorien und politischen und moralischen Wertungen und emotionalen Appellen ein selbständiges Urteil zu bilden? Die angestrebten Ideale sind oft von einer Art, daß — zumindest öffentlich — sich kaum jemand gegen sie aussprechen könnte. Wer ist nicht für Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden und Wohlfahrt? Wem und wessen Reformvorschlägen soll man aber Glauben schenken?

Unsere Möglichkeiten für eine Urteilsbildung sind offenbar recht begrenzt. Wir können nicht alle Fakten nachprüfen; unsere eigenen Erfahrungen reichen nicht sehr weit. Trotzdem sind wir oftmals gezwungen, Stellung zu beziehen, zu urteilen und zu entscheiden. Das ist ein allgemeines Merkmal menschlicher Lebenssituation. Aber es ist kein Grund, vor der Aufgabe einer rationalen Umweltorientierung zu resignieren.

Im Folgenden wird zunächst in Anlehnung an einige Ergebnisse der modernen Wissenschaftslehre oder -theorie aufzuzeigen versucht, wie man trotz der einschränkenden Bedingungen zu rationalen Entscheidungen und Stellungnahmen über Argumente und Reform-programme kommen kann. Die Wissenschaftstheorie als Kodex rationalen Forschens in den Erfahrungswissenschaften scheint hierfür einen wichtigen Beitrag leisten zu können.

Reformargumente und -programme können grundsätzlich folgende Bestandteile enthalten: 1. Tatsachenbehauptungen. 2. Theorien oder empirische Gesetze über allgemeine Zusammenhänge in der Realität. So z. B. über die Beziehung, die möglicherweise zwischen Vollbeschäftigung und Geldwertstabilität in einer Volkswirtschaft besteht. 3. Moralische Wertungen, wie beispielsweise die Behauptung, das Bildungssystem der BRD sei ungerecht.

Wie kann man kritisch zu Tatsachenbehauptungen Stellung nehmen? Widerlegbar sind diese offenbar nur durch den Beweis des Gegenteils. Das ist in den meisten Fällen aber wohl nicht unmittelbar möglich. So ergibt sich in kontroversen Diskussionen oft die unerquickliche Situation, daß sich bloße Fakten-aussagen unversöhnlich gegenüberstehen.

Als Beispiel für die „Ohnmacht" des einzelnen gegenüber derartigen Faktenbehauptungen kann man vielleicht die Meldungen über die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und den arabischen Staaten anführen. Die Darstellungen der Beteiligten — z. B. über die Zahl der abgeschossenen feindlichen und der verlorenen eigenen Flugzeuge — widersprechen sich in der Regel diametral. Der Zeitungleser oder Nachrichtenhörer ist auf Vermutungen angewiesen. Ein solcher Fall „nackter" Tatsachenbehauptung scheint fast aus-sichtslos zu sein. Die einzige Kritikmöglichkeit besteht dann in der Logik.

Ihre Kriterien sind das allgemeinste und zugleich schärfste Mittel, um kontrollieren zu können, ob ein Argument korrekt ist. Jeder Satz, der einen logischen Widerspruch enthält, muß als unbrauchbar verworfen werden Das bedeutet dann wohlgemerkt kein Urteil über empirische Tatbestände, sondern über ein Argument. Wenn es in sich widersprüchlich ist, dann kann man nicht eindeutig ermitteln, was es überhaupt ausdrücken soll.

Viele Tatsachenbehauptungen sind zum Glück jedoch nicht „nackt". Mit ihnen wird vielmehr ein ganz bestimmter Argumentationszweck verfolgt. Daraus ergeben sich weitere Ansatzpunkte: 1. Unabhängig von ihrer empirischen Wahrheit oder Falschheit — die ja meist nicht direkt zu ermitteln ist — kann man nämlich prüfen, ob der mit einer Behauptung angestrebte Zweck logisch schlüssig erreicht wird. Wenn z. B. jemand erklärt, eine Person seiner Bekanntschaft sei ein großer Kunstliebhaber, und zur Begründung lediglich anführt, daß er dieser Person gestern in einer Gemäldeausstellung begegnet sei, dann reicht diese Faktenaussage offenbar nicht aus, um die geäußerte Vermutung schlüssig zu begründen. Wichtiger und schwieriger ist die zweite Form der zweckgerichteten Verwendung von Tatsachenaussagen. Gemeint sind solche empirischen Sätze, die zur Begründung von Theorien oder Gesetzen angeführt werden. Diese wurden vorhin als zweite Art von möglichen Bestandteilen eines Reform-arguments genannt. Unter Theorien oder empirischen Gesetzen sind Aussagen wie z. B. die folgenden zu verstehen: „Alle Metalle dehnen sich bei Erwärmung aus" oder:

„Wenn die Löhne in einer Volkswirtschaft über den Produktivitätszuwachs hinaus er-höht werden, dann steigt das Preis-niveau" 2).

Die Frage nach dem Verhältnis von Faktenbehauptungen zu Theorien (oder allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Realität) führt zu wissenschaftstheoretischen Problemstellungen im engeren Sinne. Unter dem Gesichtspunkt der Themenstellung dieses Aufsatzes folgen jetzt einige Bemerkungen, die das Verständnis der späteren Kritik an marxistischen Theorien und Auffassungen erleichtern sollen.

Kann man eine der beispielhaft genannten Theorien durch eine Tatsache begründen, das heißt endgültig als wahr erweisen? Genügt es z. B., ein Stück Eisen zu erhitzen und bei dessen tatsächlicher Ausdehnung die erwähnte Theorie „Alle Metalle dehnen sich bei Erwärmung aus" als bewahrheitet einzustufen? Das ist offenbar nicht zulässig. Dafür gibt es zwei Gründe. (Vor ihrer Erörterung soll noch darauf hingewiesen werden, daß das gewählte Beispiel inhaltlich-völlig ohne Bedeutung ist. Es kommt nur darauf an, logische Zusammmen-hänge mit dessen Hilfe zu untersuchen.)

1. Die Theorie spricht von allen Metallen; Eisen ist nur eines davon. Das Experiment schließt also nicht aus, daß andere Metalle sich bei Erwärmung nicht ausdehnen. Nun könnte man vorschlagen, alle Metalle zu prüfen, um Sicherheit darüber zu erlangen.

Das ist jedoch auch nicht möglich. Man kann nämlich immer nur die bekannten Metalle testen, vermag aber nicht auszuschließen, daß es noch andere — bisher unbekannte — Metalle gibt, die die behauptete Eigenschaft nicht aufweisen, die Theorie also widerlegen. Dieses und beliebig viele andere Experimente können deshalb die Theorie nie endgültig bewahrheiten oder verifizieren. 2. Der zweite Grund dafür, daß Tatsachen nicht die Wahrheit von Theorien begründen können, beruht auf einer logischen Regel, die die Rückübertragung der Wahrheit einer Konklusion auf ihre Prämissen verbietet. Zur Verdeutlichung des letztgenannten Punktes müssen wir den Test mit dem erhitzten Eisen einmal logisch analysieren. Warum kann dieser Vorgang überhaupt als Überprüfung der Theorie angesehen werden? Offenbar einfach deshalb, weil er festzustellen versucht, ob das eintrifft, was nach der Formulierung der Theorie immer und überall dann eintreten wird, wenn man Metall erhitzt. Es wird also geprüft, ob eine Prognose tatsächlich eintrifft. Man kann den Vorgang mit Hilfe des sogenannten Hempel-Oppenheimschen Deduktionsschemas folgendermaßen darstellen

A (Antezedens-Bedingung = Erhitzen des Eisens)

G (Gesetz = Alle Metalle dehnen sich bei Erwärmung aus)

P (Prognose = Das erhitzte Stück Eisen wird sich ausdehnen)

Logisch liegt ein Deduktionsschluß vor. Er wird durch den Pfeil symbolisiert. Man leitet P aus den Voraussetzungen (oder Prämissen) A und G logisch deduktiv ab. Im Eisen-Beispiel dehnte sich das Metall tatsächlich aus, P kann also als wahr bezeichnet werden. Was bedeutet das aber für G, das allgemeine Gesetz? Dieses soll doch mit Hilfe einer Tatsache (P) bewahrheitet werden. Hier setzt die erwähnte logische Regel ein. Sie verbietet es, von der Wahrheit der prognostizierten Tatsache (P) auf die Wahrheit des Gesetzes (G) zurückzuschließen. Demnach können auch aus logischen Gründen Tatsachen niemals eine Theorie endgültig bewahrheiten.

Das ist nicht ohne weiteres einleuchtend. Den Sinn der logischen Regel erkennt man aber durch folgende Überlegungen: Es ist in logisch korrekter Weise möglich, von falschen Voraussetzungen zu wahren Ergebnissen zu kommen. So kann man aus dem falschen Satz 1. „Amsterdam liegt in Asien" und dem falschen Satz 2. „Asien liegt in Europa" den offenbar wahren Satz 3. „Amsterdam liegt in Europa" ableiten. In schematischer Schreibweise:

1. Amsterdam liegt in Asien 2. Asien liegt in Europa 3. Amsterdam liegt in Europa Wollte man von der Wahrheit der Konklusion (Satz 3) auf die Wahrheit der Prämissen (Satz 1 und 2) zurückschließen, hätte dies zur Folge, daß zwei falsche Sätze als wahr bezeichnet werden müßten. Wegen dieser untragbaren Konseguenz besteht die logische Regel zu Recht, die den Rücktransfer der Wahrheit von der Konklusion auf die Prämissen ausschließt. Bei wissenschaftlichen Prognosen stehen — im Gegensatz zu dem vorgeführten Beispiel — allgemeine Gesetze in den Prämissen. Deren Falschheit kann nicht ohne weiteres festgestellt oder angenommen werden. Die Prognose ist vielleicht ein kritischer Test, der über Wahrheit oder Falschheit des Gesetzes erst entscheiden soll. Daß sich auch dann beim Rücktransfer der Wahrheit eine unhaltbare logische Situation ergibt, wenn nicht von vornherein falsche Sätze in den Prämissen stehen, wird durch eine weitere Überlegung deutlich: 1. Amsterdam liegt in Australien 2. Australien liegt in Europa 3. Amsterdam liegt in Europa In diesem zweiten Beispiel sind ebenfalls die Prämissen falsch, die Konklusion ist wahr. Wäre die Rückübertragung der Wahrheit von der Konklusion auf die Prämissen zulässig, dann wären Satz 1 und 2 als wahr zu bezeichnen. Aber das gilt gleichzeitig auch für Satz 1 und 2 des ersten Beispiels. Die jeweiligen Prämissen 1 des ersten und des zweiten Beispiels widersprechen sich jedoch. Amsterdam kann nicht in zwei verschiedenen Erdteilen liegen. Selbst wenn man nichts über die Wahrheit oder Falschheit von Satz 1 im ersten und im zweiten Beispiel wüßte, kann nur einer von beiden wahr sein; denn beide Sätze widersprechen sich ja.

Daraus ergibt sich, daß die Rückübertragung der Wahrheit von der Konklusion auf die Prämissen dazu führt, daß einander widersprechende Sätze, unter denen sich schon aus logischen Gründen falsche befinden, als wahr angesehen werden müßten. Das logische Verbot des Rücktransfers der Wahrheit ist also auch hier notwendig, um irrationalistische Konsequenzen zu vermeiden.

Die vorstehenden Erörterungen waren logischer Natur. Die methodologische Begründung für die These, daß Theorien nicht durch Tatsachen bewahrheitet werden können und dürfen, wäre anhand des Eisenbeispiels folgendermaßen zu begründen: Das Eisen hat sich zwar beim Erhitzen ausgedehnt, wie die Theorie es voraussagte. Woher wissen wir aber, daß die „Ursache" dafür in der Erwärmung liegt? Die Theorie behauptet es. Diese soll aber erst geprüft werden. Man könnte sie also nicht als wahr unterstellen, ohne in einen logischen Zirkel zu geraten. Wäre eis aber nicht möglich und daher prinzipiell nicht auszuschließen, daß sich das Eisen aufgrund einer ganz anderen Gesetzmäßigkeit ausgedehnt hat, und zwar aufgrund einer „Ursache", die während des Versuchs unbemerkt wirksam war? Bei naturwissenschaftlichen Experimenten wird dem durch möglichst perfekte Isolierung der Versuchsanordnung zu begegnen versucht. Unbekannte Einflüsse sind trotzdem nie auszuschließen. Ja, man ist oft nicht einmal in der Lage, die bekannten zu vermeiden.

Weil also immer ein anderes als das gerade zur Überprüfung anstehende Gesetz den prognostizierten Effekt — im Beispiel: die Ausdehnung des Metalls — herbeigeführt haben könnte, erweist sich die logische Regel als sehr zweckmässig, von der Wahrheit einer Konklusion nicht auf die Wahrheit der Prämisse — das heißt einer bestimmten Theorie — zurückschließen zu dürfen. Beachtenswert ist auch, daß dieses logische Verbot Scharlatanerie und Okkultismus aus der Wissenschaft fern-hält bzw. fernhalten soll. Denn wenn es für die Wahrheit einer Theorie nur auf den Erfolg der aus ihr abgeleiteten Prognosen ankäme, dann müßte auch die Astrologie als Wissenschaft zugelassen werden, weil nicht auszuschließen ist, daß die mit Hilfe ihrer „Theorien" gemachten Prognosen eintreffen, also „wahr" sind. Die anhand des Eisenbeispiels gewonnenen Einsichten lassen sich verallgemeinern: keine Tatsache vermag eine Theorie zu bewahrheiten oder zu verifizieren. Die daraus resultierende praktische Nutzanwendung für die Beurteilung von Argumenten besteht offenbar darin, daß behaupteten gesetzmäßigen Zusammenhängen, die unter Hinweis auf eine oder mehrere bestätigende Tatsachen als wahr unterstellt werden, mit Skepsis zu begegnen ist. Solche Tatsachen beweisen nichts. Für jede Theorie lassen sich positive Fälle finden. Wenn man z. B. eine Hypothese des Inhalts „An Sonntagen scheint immer die Sonne den ganzen Tag“ behauptete, dann wäre es doch sehr verwunderlich, wenn sich dafür nicht ein paar positive Fälle in jedem Jahr fänden. Das gleiche gilt aber auch für die entgegengesetzte Hypothese: „An Sonntagen regnet es immer den ganzen Tag." Dafür könnte man sicher ebenfalls bestätigende Fälle finden. Können aber beide Theorien gleichzeitig wahr sein, obwohl sie sich widersprechen? Das ist der entscheidende Punkt. Das Verfahren der Bewahrheitung von Theorien führt zu logischen Situationen, die nicht geduldet werden können.

Es ist ein Kriterium erforderlich, das eine Entscheidung zwischen konkurrierenden Theorien ermöglicht. Man stelle sich einmal vor, im Contergan-Prozeß hätte die Anklage die Theorie „Contergan führt zu Mißbildungen" und die Verteidigung die Theorie „Contergan führt nicht zu Mißbildungen" vertreten und auch durch bestätigende Fälle „bewahrheitet". Wenn das Gericht bei seiner Entscheidung diese Bewahrheitungsmethode anwendete, dann befände es sich in einem ausweglosen logischen Dilemma.

Für die praktische Entscheidungssituation bedeutet dieser skizzierte logische Sachverhalt, daß man sogar als völliger Laie in einem bestimmten Fachgebiet derartig strukturierte Argumente und Begründungen als untauglich zurückweisen kann. Der Mensch scheint demnach doch nicht so sehr bloßer Spielball und ohnmächtiger Adressat aller möglichen Behauptungen und Ideologien sein zu müssen, wie das manchmal den Anschein hat. Die hier dargelegten und noch zu ergänzenden Kriterien zur Beurteilung von Aussagen wirken wie eine Art Sieb oder Filter, das grobe Ungereimtheiten und Denkfehler auffängt und sichtbar macht.

Die These, daß Theorien nicht durch Tatsachen endgültig bewahrheitet werden können, besitzt natürlich sehr weitreichende Konsequenzen. Sie ist keinesfalls allgemein anerkannt, wie die seit Jahrzehnten andauernden wissenschaftstheoretischen Kontroversen über das Induktionsproblem zeigen. Zahlreiche Theorien und Thesen in wissenschaftlichen Werken leiten ihren Schein der Wahrheit aus einem Verstoß gegen die logische Regel ab, die die Rückübertragbarkeit der Wahrheit von einer Konklusion auf die Prämissen ausschließt.

Das gilt auch für Theorien und ganze Werke marxistischer Autoren mit ihrer Fülle von faktischen Behauptungen, geschichtlichen Darstellungen, Zahlen, Statistiken und anderen Belegen, die z. B. „beweisen" sollen, daß der soge-nannte Kapitalismus nach wie vor ausbeuterisch und innerlich widersprüchlich ist, seine Krisen immer schwerer werden, die Konzentration und Zentralisation des Kapitals immer größer wird, kurz: daß der von Marx vorhergesagte Untergang des Kapitalismus sich in den Tatsachen immer deutlicher abzeichnet. Moralische Empörung und starkes emotionales Engagement scheinen oft mit im Spiele zu sein, wenn solche Behauptungen unkritisch geglaubt oder widerspruchslos hingenommen werden. Die bisherigen Ausführungen über das Verhältnis von Tatsachenbehauptungen zu Theorien haben zumindest eine dringende Frage aufgeworfen: Wenn mit Hilfe von bestätigenden Fakten eine Theorie oder ein Gesetz nicht als wahr erwiesen werden kann, welches 'Wahrheitskriterium steht uns dann überhaupt zur Verfügung? Nach wie vor sind es die Tatsachen, an denen sich Theorien bewähren müssen. Diese Tatsachen werden jedoch nicht danach ausgesucht, ob sie die zu prüfende Theorie stützen, sondern man sucht bewußt nach Fakten, die die Theorie widerlegen sollen. An die Stelle des logisch unhaltbaren Verifikationskriteriums tritt das Falsifikationskriterium

Das ist also ein kritisches Verfahren, eine kritische Einstellung gegenüber Theorien, die eigenen eingeschlossen. Es ist durch die folgende logische Überlegung zu begründen: Vorhin wurde das logische Verbot diskutiert, das es nicht gestattet, von der Wahrheit einer Prognose auf die Wahrheit der Theorie zurückzuschließen. Im Gegensatz dazu ist es jedoch erlaubt, von der Unwahrheit einer Prognose auf die Unwahrheit oder Falschheit der Theorie zurückzuschließen. Das bedeutet für das Eisenbeispiel: Wenn das erhitzte Stück sich nicht — wie von der Theorie behauptet — ausgedehnt hätte, dann wäre die Theorie damit als falsch erwiesen oder mit anderen Worten falsifiziert worden. Dies ist die einzige logisch korrekte Möglichkeit, etwas über die Wahrheit von Theorien in Erfahrung zu bringen. übersteht eine Theorie einen solchen Widerlegungsversuch, dann ist sie damit jedoch keineswegs als wahr erwiesen. Strenggenommen kann man von ihr nur sagen, sie sei bisher noch nicht widerlegt. Nach einer Reihe von erfolgreich überstandenen strengen Tests ist es möglich, ihr das Prädikat „bisher bewährt" zu verleihen. Absolut wahre Theorien kann es offenbar bei diesem Verfahren ebensowenig geben wie bei dem schon diskutierten und abgelehnten Verfahren zur „Bewahrheitung" einer Theorie durch positive Fälle. Während jenes aber keine Entscheidung zwischen konkurrierenden, das heißt sich gegenseitig widersprechenden Theorien ermöglicht, sondern einen solchen logisch unhaltbaren Zustand zu tolerieren gezwungen ist, ist die Sachlage hier völlig anders.

Wenn man eine der Theorie widersprechende Tatsache findet, dann kann diese damit als widerlegt gelten. Von zwei Theorien ist diejenige der anderen überlegen, die einen kritischen Test übersteht, bei dem die andere versagte. Zwischen ihnen ist also eine Auswahl und Entscheidung aufgrund von Tatsachen herbeiführbar. Auf diese Weise nähert man sich der Wahrheit durch die Ausmerzung von falschen Theorien — also auf indirektem Wege. Die bisher bewährten Theorien gelten als die jeweils besten Annäherungen an die Wahrheit, bis auch sie widerlegt und durch bessere ersetzt werden.

Die hier recht grob skizzierte Forschungsstrategie hat formenden Einfluß auf die gesamte Wissenschaftsauffassung, zu deren Bestandteilen sie gehört. Eine so verstandene Wissenschaft ist vor allem ein kritisches Unternehmen. Sie stellt die Idee der Kritik in den Vordergrund, nicht die Begründung und Rechtfertigung. Sie will und kann keine Sicherheiten und absoluten Wahrheiten liefern, weil dem logische und erkenntnistheoretische Prinzipien entgegenstehen Es sind deshalb immer nur kritische Leistungen, die in einer solchen Wissenschaftskonzeption zählen. Deren wichtigste Maxime lautet, daß wir aus unseren Fehlern — das heißt widerlegten Theorien — lernen. Alles ist nur vorläufig, hypothetisch. Meinungen, Thesen und Theorien sind immer wieder in Frage zu stellen. Sie bleiben stets der Kritik offen. Der wissenschaftliche Fortschritt ist ein dialektischer Prozeß von Versuch und Irrtum. Er verlangt riskante Vermutungen in Form von neuen Theorien, die immer so konstruiert sein müssen, daß sie prinzipiell durch Tatsachen widerlegbar sind. Theorien, die nicht an der Erfahrung scheitern können oder die man nur durch bestätigende Fälle zu bewahrheiten sucht, denen also die Chance der Bewährung in der Kritik überhaupt nicht gegeben wird, sind nutzlos für den Erkenntnisfortschritt.

II. Zur Kritik der marxistischen Verelendungstheorie

Die folgende exemplarische Kritk der marxistischen Verelendungstheorie wird gleichzeitig wissenschaftsstheoretische Gesichtspunkte für die Beurteilung von Theorien und Argumenten enthalten, die sich für Reformdiskussionen als nützlich erweisen werden. Diese Kritik orientiert sich hauptsächlich an Ausführungen des polnischen Marxisten Oskar Lange in dessen Buch „Entwicklungstendenzen der modernen Wirtschaft und Gesellschaft"

Eine Darstellung der Theorie, mit der Marx seine Voraussage begründet, daß der soge-nannte Kapitalismus für die Arbeiterklasse notwendigerweise mit zunehmendem Elend verbunden sein müsse, kann hier nicht gegeben werden. Auf diese kommt es auch nicht in erster Linie an. Viel wichtiger ist deren Ergebnis, die Prophezeiung der zunehmenden Verelendung. Dazu ein Zitat aus dem ersten Band des „Kapitals": „Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. . . . Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber die Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschicht der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Pauperismus. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation.“

Die Marxsche Verelendungstheorie geriet jedoch im Laufe der Zeit in Schwierigkeiten, weil die zunehmende Verelendung einfach nicht stattfinden wollte. Da gleichzeitig die von Marx genannte Bedingung, die zunehmende Kapitalakkumulation, realisiert war und ist, muß die Theorie strenggenommen als widerlegt angesehen werden. Wie reagierten die Marxisten auf diese für sie mißliche Lage?

Weit entfernt davon, gegenüber der Marx-

sehen Theorie eine wissenschaftlich-kritische Haltung einzunehmen, versuchten sie vielmehr die Verelendungstheorie zu retten. Diese apologetische Einstellung beabsichtigt logisch nicht, die Wahrheit einer Theorie zu prüfen, sondern deren vorausgesetzte Wahrheit zu beweisen. Damit versperrt sie sich jedoch selbst den Zugang zur Wahrheit, weil sie Tatsachen jetzt nicht mehr als Prüfungsinstanzen, sondern nur als Illustrationen benutzen kann.

Die Marxisten versuchen, den widerlegenden Fakten durch ein Exegese-Argument die Spitze zu nehmen. Der Versuch bestand und besteht in der Behauptung, Marx habe nicht eine absolute, sondern lediglich eine relative Verelendung gemeint. (Relative Verelendung besagt nur noch, daß die Arbeiter einen geringeren prozentualen Anteil am Volkseinkommen — bei steigendem absoluten Einkommen des einzelnen — erhalten sollten, ihr Lebensstandard absolut aber nicht sinkt.) Nun-sind Exegese-Argumente in den theoretischen Erfahrungswissenschaften allenfalls von biographischer Bedeutung, wenn sie nicht — wie im vorliegenden Falle — zur stillschweigenden Umformulierung einer an der Erfahrung gescheiterten Theorie benutzt werden. Hier liegt eine lmmunisierungs-und Alibi-Strategie vor, die das Versagen der Theorie kaschieren und ihren unerschütterlichen Wahrheitsanspruch aufrechterhalten soll.

Es ist wohl einleuchtend, daß man auf diese Weise jede beliebige Theorie beim Auftreten von widerlegenden Tatsachen retten kann. Solche Aussagensysteme aber dann noch für wahr oder irgendwie bedeutsam zu halten, ist intellektuelle Selbsttäuschung. Der Gutgläubige mag unbewußt zu derartigen Immunisierungsstrategien Zuflucht nehmen, weil er zuerst glaubt und erst dann kritisch denkt. Theorien gleichen Fragen, die der Wissenschaftler an die Realität stellt. Er muß sich vor Suggestivfragen hüten, weil er dann nur solche Antworten erhält, die in den Fragen schon nahegelegt werden.

Den an der Erkenntnis und Wahrheitssuche interessierten kritischen Wissenschaftler zeichnet aus, daß er auf das falsche Ideal unwiderlegbarer Theorien verzichtet und seine und anderer Vermutungen über Zusammenhänge der Wirklichkeit bewußt dem Risiko des Scheiterns aussetzt. Selbst eine vollständig widerlegte Theorie ist einer gegen die Tatsachen immunisierten und deshalb nichtssagenden bei weitem vorzuziehen. Die widerlegte Theorie enthält nämlich die äußerst wertvolle Information, daß der von ihr behauptete Zusammenhang eben nicht besteht.

Das deutet die positive Rolle des Irrtums in der Wissenschaft an und steht in scharfem Gegensatz zur noch zu erörternden marxistischen Ideologienlehre. Die Wissenschaft ist ja nach der hier vertretenen Auffassung ein Prozeß von Versuch und Irrtum. Würde z. B. die vorhin verwandte Hypothese „Alle Metalle dehnen sich bei Erwärmung aus" experimentell als falsch erwiesen, dann wüßte man, daß die Erhitzung des Eisens ein untaugliches Verfahren wäre, um dessen Form zu verändern. Man brauchte auch zwischen den einzelnen Stücken von Eisenbahnschienen keine Lücke zu lassen, weil keine Gefahr bestünde, daß sie sich durch die Hitze im Sommer ausdehnen und wölben.

Doch zurück zur Verelendungstheorie und dem immunisierenden Exegese-Argument. Oskar Lange bemerkt entgegen den landläufigen marxistischen Auffassungen, daß sich bei Marx sowohl Zitate für die absolute als auch für die relative Variante der Verelendungstheorie finden ließen. Marx sei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aber von der absoluten Verelendung der Arbeiter im Kapitalismus überzeugt gewesen Dieser Disput unter Marxisten soll hier nicht weiter vertieft werden. Interessant ist nur die Art, wie Lange — nach dem Vorbild von Marx — den Gesetzes-und Theoriebegriff auffaßt.

Dieser wird damit nämlich ein für allemal der empirischen Kritik und Überprüfung entzogen. Die Verelendungstheorie braucht streng-genommen nicht einmal mehr stillschweigend uminterpretiert zu werden, wenn sie versagt hat Die Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Verelendung wird überflüssig. Das Zauberwort für diese Manipulation heißt „Tendenz". Schon Marx hatte über sein „absolutes, allgemeines Gesetz der kapitalistischen Akkumulation" gesagt: „Es wird gleich allen andren Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert, deren Analyse nicht hierher gehört."

Was wird mit der Aussage erreicht, die kapitalistische Produktion enthalte die „Tendenz" zur absoluten Verelendung der Arbeiterklasse? Offenbar kann man jetzt etwas behaupten, ohne durch Tatsachen widerlegt werden zu können. Wenn jemand sagt, es herrsche augenblicklich eine „Tendenz" zum Regnen, und es regnet nicht, dann wird er sagen, daß er ja auch nur eine „Tendenz" behauptet, nicht aber tatsächlich und definitiv Regen prophezeit habe. Andererseits: Wenn es wirklich regnen sollte, dann vermag der Wetterprophet immer darauf hinzuweisen, daß er die „Tendenz" dazu ja festgestellt habe, er im Grunde also schon lange wußte, daß es regnen würde. Treffer nimmt er für sich in Anspruch, Fehlschläge treffen ihn nicht.

Wenn das nicht „fröhliche Wissenschaft" ist, dann ist es zumindest Prophetie ohne Risiko. Den Grenzfall dieser vergnüglichen Strategie stellt ein tautologischer Satz — also ein Satz, der aus logischen Gründen immer wahr ist —, dar, wie ihn der Volksmund formuliert: Wenn der Hahn krähet auf dem Mist, dann ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist. Mit Meteorologie oder Landwirtschaft oder Wissenschaft überhaupt hat das natürlich nichts zu tun.

Oskar Lange bietet in seiner Analyse die verschiedensten „Faktoren" und „Gegentendenzen" als „Erklärung" dafür an, warum sich die „Verelendungstendenz" jeweils nicht gezeigt hat Es sind u. a. die „Einsicht in herrschenden Kreisen der kapitalistischen Gesellschaft", daß die Verelendung der Arbeiter das System selbst bedroht die fortschreitende „Organisation der Arbeiterklasse" — gemeint ist wohl die Bildung von Gewerkschaften — und ihr Klassenkampf der „Imperialismus", die Konkurrenz mit den sozialistischen Gesellschaftssystemen die Erhöhung der Arbeitsproduktivität Dem Problem, ob Lange mit seinen „Faktoren" nicht wesentliche marxistische Positionen preisgegeben hat — denn er scheint die Möglichkeit demokratischer Reformen ohne Revolution, ohne Umsturz des gesamten „Systems" zu konzedieren —, soll hier nicht weiter nachgegangen werden.

Offenbar ist es nur eine Frage der Phantasie und gewisser historischer und sozialökonomischer Grundkenntnisse, ob einem jeweils eine neue „Tendenz" oder ein neuer „Faktor" ein-fallen, die eine Pseudo-Erklärung für das Ausbleiben der Verelendung liefern. Aber selbst wenn hier einmal ein Engpaß auftreten sollte, könnte man ruhigen Gewissens zugeben, noch nichts gefunden zu haben und auf weitere Forschungen verweisen.

Irgendein „hemmender Faktor" muß nach dieser abenteuerlichen Logik doch einfach vorhanden sein, wenn keine Verelendung zu beobachten ist! Man muß nur fest an das „absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation" glauben, dann wird man mit Hilfe eines solchen Zirkelschlusses mit allen widerspenstigen Tatsachen fertig. So kann man, wie Oskar Lange, ohne jedes Risiko behaupten:

„Abschließend stellen wir fest, daß die kapitalistische Akkumulation tatsächlich die Tendenz zur absoluten Verelendung der Arbeiterklasse . . enthält. Diese Tendenz trat jedoch nur in den Anfangsphasen des Kapitalismus voll in Erscheinung, später wurde sie kompensiert und überkompensiert ..."

„So also ist die Theorie der wachsenden absoluten Verelendung der Arbeiterklasse als Prognose und Verallgemeinerung falsch, richtig ist sie dagegen als Feststellung einer der kapitalistischen Produktionsweise innewohnende Tendenz, die . . . überall dort wirkt, wo sich keine ihr Zuwiderhandelnden gesellschaftlichen Kräfte geltend machen."

Durch eine derartig doppelbödig konstruierte Theorie gewinnt man offenbar einen totalen Spielraum gegenüber der Realität, der sich politisch recht gut verwenden läßt und gegen den „Kapitalismus" auch weidlich verwandt worden ist.

Schon im „Kommunistischen Manifest" ist nichts von der vorsichtigen Einschränkung der Verelendungstheorie auf eine „Tendenz" zu spüren, wodurch die Tendenz allerdings nur noch deutlicher wird. Es heißt dort: „Der moderne Arbeiter dagegen, statt sich mit dem Fortschritt der Industrie zu heben, sinkt immer tiefer unter die Bedingungen seiner Klasse herab. Der Arbeiter wird zum Pauper, und der Pauperismus entwickelt sich noch schneller als Bevölkerung und Reichtum. Es tritt hiermit offen hervor, daß die Bourgeoisie unfähig ist, noch länger die herrschende Klasse zu bleiben . . . Sie ist unfähig, zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo sie ihn ernähren muß, statt von ihm ernährt zu werden. Die Gesellschaft kann nicht mehr unter ihr leben, d. h. ihr Leben ist nicht mehr verträglich mit der Gesellschaft."

Man kann nicht mit Sicherheit behaupten, die marxistischen Verelendungstheoretiker hätten ihr hundertjähriges Rückzugsgefecht gegen die Tatsachen inzwischen eingestellt. Hin und wieder, meist bei aktuellen Anlässen, wenn irgendwelche sozialen Mißstände bekanntwerden, taucht der alte Vorwurf erneut auf, die Arbeiterklasse verelende eben doch, und der Kapitalismus habe seine brutale Fratze wieder einmal enthüllt. Zur logischen Problematik derartiger „Beweise" von umfassenden Theorien durch passende Tatsachen braucht hier wohl nichts mehr gesagt zu werden.

Zumindest die westlichen Marxisten scheinen die Verelendungstheorie unter dem repressiven Druck der Fakten außer Dienst gestellt zu haben. Das besagt aber nicht, daß sie sie nicht in anderer Form beibehalten. Man braucht den Begriff der Verelendung ja nur weit genug zu fassen, damit er alle sozialen Übel einschließt, die dann dem „Kapitalismus" angelastet werden können. So machte die Verelendungstheorie einen qualitativen Sprung in das andere Extrem durch. Meinte Marx ein Elend des Mangels, so scheint nach Ansicht moderner Marxisten jetzt das Elend im Überfluß zu liegen. Um nicht im eigenen Überfluß zu ersticken, muß der sogenannte Kapitalismus unter Aufgebot seines raffinierten Manipulationsapparates die Arbeiterklasse zum Konsum seiner Güter zwingen, indem er ihren Mitgliedern alle möglichen Bedürfnisse suggeriert, die sie in Wahrheit gar nicht haben. Mit einer Wendung, die das Comeback der alten Verelendungstheorie andeutet, wird dann gern behauptet, daß die „wahren" oder „wirklichen" Bedürfnisse des Arbeiters, die in seinem „wohlverstandenen Interesse" liegenden, nicht oder nur ungenügend befriedigt würden. So entsteht ein „Elend im Überfluß" (Gorz).

Wer ein Monopol für die Kenntnis dieser „wahren" Bedürfnisse zu besitzen glaubt, kann darüber natürlich leicht urteilen Das an-genehm gruselige Thema von den „geheimen Verführern", die die Menschen gegen ihren Willen zum Kauf von überflüssigem Tand und wertlosem Plunder nötigen, findet gegenwärtig ja das offene Ohr des Publikums Zumindest damit scheint also ein öffentliches Bedürfnis im „Kapitalismus" befriedigt zu werden.

Derartige Theorien kommen ja auch den sehr populären Verschwörungstheorien der Gesellschaft und Politik entgegen, wie sie auch vom Vulgärmarxismus verbreitet wurden und werden. Nach ihnen betätigt sich eine listige Verschwörergruppe, die sich je nach Variante aus Faschisten, Christen, Juden, Monopolisten, Imperialisten, Kommunisten, Kapitalisten, Engländern, Freimaurern, Jesuiten usw. rekrutiert, planmäßig als Drahtzieher und Kulissenschieber von Weltpolitik und Weltgeschichte. Mit dem Handeln dieser jeweiligen Verschwörer-gruppe werden dann alle Ereignisse scheinbar recht plausibel erklärt. Unglücklicherweise „passen" die sogenannten Tatsachen auf alle Varianten von Verschwörungstheorien, so daß sie demnach als gleich wahr angesehen werden müßten, obwohl sie einander doch ausschließen. Das zeigt die Unhaltbarkeit eines solchen methodischen Vorgehens.

Der angeblich erzwungene Konsum und das ungeheuer aufgeblähte Vertriebs-und Verkaufsförderungssystem vermögen aber nach Auffassung moderner westlicher Marxisten den enormen Ausstoß der kapitalistischen „Produktionsmaschinerie" noch nicht zu absorbieren. Deshalb sind noch gezielte staatliche Vernichtungs-und Vergeudungsaktionen zur Beseitigung des erdrückenden Überflusses erforderlich Dazu zählen z. B. Rüstungsund Militärausgaben, Weltraumforschung und nach Kozlik sogar die Entwicklungs-und Auslandshilfe

Den Höhepunkt der Verelendungstheorie des Überflusses — um nicht zu sagen: Überdrusses — markieren die Arbeiten von Herbert Mar-cuse Bei ihm zeigt sich der nackte Ekel vor der Konsumgesellschaft, der aber wohl mehr einem Kulturpessimismus und der irrationalistischen Feindschaft gegenüber der modernen Industriezivilisation zuzurechnen ist, wie er sich auch bei konservativen Kulturkritikern und Verfalls-und Untergangspropheten findet Marcuse ist als Neu-Romantiker einzustufen. Das ist inzwischen von Marxisten und anderen Linken erkannt und literarisch ausgiebig diskutiert worden so daß der ohnehin großen Verschwendung auf diesem Gebiet hier nicht noch eine neue hinzugefügt zu werden braucht.

Bemerkenswert und besorgniserregend zugleich ist aber die Tatsache, daß Marcuses marxistisch auffrisierter Romantizismus so lange das Programm der linken Studentenbewegung sein konnte. Das von Sigmund Freud analysierte „Unbehagen in der Kultur" scheint wieder virulent geworden zu sein

Auf einen Studenten oder anderen Staatsbürger eines Entwicklungslandes muß es geradezu gespenstisch wirken, wenn er Zeuge davon wird, wie die gegenwärtige sozialökonomische Lage in den Industriestaaten von den Marxisten und Marcuse als „Verelendung im Überfluß" verdammt wird Genau solch einen Wohlstand zur Beseitigung von Hunger, Krankheit und Unwissenheit wünscht er sich und muß jetzt erfahren, daß damit alles nur noch schlimmer würde.

Zu der naiven Vorstellung vom „Überfluß" in der heutigen Gesellschaft ist zu sagen, daß sie Fehlinvestitionen und Fehlproduktionen für den anonymen Markt mit Überfluß verwechselt. Das wirkliche Ärgernis der Agrarüberschüsse in der EWG ist jedoch in keiner Weise dem sogenannten Kapitalismus in die — nicht vorhandenen — Schuhe zu schieben. Die Überschüsse sind vielmehr Folge agrarprotektionistischer Interventionen der Mitgliedstaaten. Hätte man die sogenannten Gesetze des Marktes frei spielen lassen, dann wären die überzähligen Bauern schnell und erbarmungslos in die Arbeitsplätze der Industrie gebracht worden, die heute in der Bundesrepublik von Gastarbeitern ausgefüllt werden. Nicht zuletzt aus menschlichen Gründen hat der „Spät-Kapitalismus" diesen Weg aber gerade nicht beschritten

Die Ablehnung der marxistischen Verelendungstheorie aus wissenschaftstheoretischen Gründen, wie sie hier vertreten wurde, ist weitgehend unabhängig von Fakten und faktischen Behauptungen. Der Vorwurf gegen diese Theorie besteht ja vor allem darin, daß sie mit Hilfe einer apologetischen Immunisierungs-und Alibistrategie vor Widerlegungen abgeschirmt und folglich mit allen nur denkbaren Sachverhalten vereinbar gemacht wird. Wenn also hin und wieder Tatsachenargumente eingeflochten wurden, so geschah dies mehr zu Illustrationszwecken.

Die empirische Unwahrheit der Verelendungstheorie scheint darüber hinaus recht offensichtlich zu sein, wenn man die Verhältnisse in den „kapitalistischen" Ländern berücksichtigt. Trotzdem sollen aus den eingangs dargelegten Gründen und wegen der Themenstellung dieses Aufsatzes empirische Argumente nicht überbetont werden. Hier geht es vor allem darum, logische und wissenschaftstheoretische Kriterien zu entwickeln. Andererseits ist es wohl gestattet, auf marxistische Theoretiker hinzuweisen, die die Verelendungstheorie ebenfalls aus faktischen Gründen für falsch halten.

Als Beispiel mag dafür das Büchlein „Anmerkungen zu Marx — heute" von Fritz Sternberg dienen Sternberg gibt seine marxistische Grundposition keineswegs auf. Nach seiner Ansicht ist Marx bei der Verelendungstheorie lediglich ein Kunstfehler unterlaufen. Stern-bergs Fazit lautet: „Es ist die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion, den durchschnittlichen Normallohn zu heben, und nicht, ihn zu senken." (Diese Formulierung leidet übrigens an ähnlichen Mängeln wie Marxens „absolutes, allgemeines Gesetz der kapitalistischen Akkumulation". Auch in methodologischer Hinsicht verleugnet Stern-berg also nicht, daß er Marxist geblieben ist.) — Als Marxisten, die die Verelendungstheorie für falsch halten, wären des weiteren Baran, Sweezy und Kozlik zu nennen. Ebenso gehört Oskar Lange im Grunde zu dieser Gruppe.

Gibt es im sogenannten Spät-Kapitalismus also gar kein Elend mehr? Diese Frage muß man wohl verneinen, und es wäre ein großes Mißverständnis, wenn den wissenschaftstheoretischen Ausführungen in diesem Aufsatz etwas Derartiges entnommen worden wäre. Paradiesische Zustände herrschen in der Gegenwartsgesellschaft bei weitem noch nicht. Aber wie der französische Marxist Andre Gorz mit Recht ausführt, gehören die Benachteiligten in der heutigen Gesellschaft keiner homogenen Bevölkerungsschicht oder sogar Klasse an Es sind vielmehr Menschen in bestimmten benachteiligten Regionen eines Landes, in schrumpfenden Wirtschaftszweigen sowie Kleinbauern, Alte, Arbeitslose und Arbeiter ohne Berufsausbildung

Um deren mißliche Lage wissenschaftlich zu erklären, braucht man keineswegs auf die unhaltbare marxistische Verelendungstheorie zurückzugreifen. Die genannten Fälle können nicht einmal zur Illustration dieser Theorie benutzt werden, denn sie bezieht sich auf die ganze Arbeiterklasse, die „Lazarusschicht", die nach und nach die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung ausmachen sollte.

Der naheliegende Trick, die Theorie entsprechend umzuinterpretieren, passend zu machen und damit zu retten, braucht hier wohl nicht weiter diskutiert zu werden, nachdem bereits genügend Beispiele für eine solche Alibi-Strategie vorgeführt wurden. — Soviel zum Elend der Verelendungstheorie.

Die exemplarische wissenschaftstheoretische Kritik hatte die Funktion, zu zeigen, welche rationalen Kritik-Möglichkeiten gegenüber politisch-sozialen Konzeptionen und Reform-argumenten auch ohne besondere Kenntnisse von Tatsachen zur Verfügung stehen. Logik und Wissenschaftstheorie erweisen sich als scharfe Waffen.

III. Eine Notiz zur Imperialismustheorie

Aus Raumgründen können nur einige wenige Bemerkungen zur marxistischen Imperialismustheorie angeschlossen werden Um es vorwegzunehmen: Die Imperialismustheorien müssen wissenschaftstheoretisch wie die dargelegten Manöver der Verelendungstheoretiker als Immunisierungsund Alibi-Strategien betrachtet werden. Sie sollen — wie bei der Behandlung von Lange schon erwähnt — nicht nur die Verelendungstheorie retten, sondern auch die gesamte Marxsche Prophezeiung vom Untergang des „Kapitalismus".

Dieser ist bekanntlich noch immer nicht untergegangen und wird nach Sweezy auch noch viele derartige Prophezeiungen überleben Dem „tendenziellen Fall der Profitrate" und der Verelendung der Arbeiterschaft im Kapitalismus wird nach den Imperialismustheorien durch Auslandsinvestitionen in den Kolonial-ländern entgegengewirkt. Die Arbeiter in den entwickelten Industriestaaten profitieren indirekt von der Ausbeutung der Kolonialländer und verbürgerlichen zunehmend.

Mit dieser Theorie schlagen die Marxisten gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Das Versagen der Verelendungstheorie wird scheinbar bedeutungslos, der Fehlschlag der Untergangstheorie wird entschärft und für das Versickern des Klassenkampfes in den Industriestaaten wird eine Entschuldigung gefunden. Der Klassenkampf innerhalb des soge-nannten Spät-Kapitalismus erfährt eine Um-deutung in einen Kampf zwischen Industrie-und Entwicklungsländern. Man ersetzt den Antogonismus von Klassen kurzerhand durch einen Antagonismus von Staaten, umschreibt dies aber euphemistisch mit der Behauptung, der Klassenkampf sei in unserer Zeit völlig international geworden Die innerstaatlichen Klassengegensätze scheinen für Baran und Sweezy zum Teil in Rassenkonflikte übergegangen zu sein, obwohl sie darauf hinweisen, daß die Rassenprobleme der USA keine Schöpfung des „Monopolkapitalismus" seien

Angesichts dieser Argumentationsweisen fühlt man sich zu der Vermutung provoziert, daß — solange es irgendwelche unbefriedigenden sozialen Zustände gibt — die Marxisten diese jeweils als die neuesten Auswüchse des neuesten Bindestrich-Kapitalismus und als Bewahrheitung ihrer Theorien betrachten werden.

Auch die wissenschaftstheoretische Kritik an der marxistischen Imperialismustheorie richtet sich natürlich nur gegen den Anspruch, eine wissenschaftlich fundierte Aussage über das Phänomen „Imperialismus" zu machen und deren Verwendung als Alibi-Instrument. Keineswegs soll hier geleugnet werden, daß es so etwas wie „Imperialismus" gegeben hat oder gibt.

Imperialistisches Handeln kann man schon im alten Ägypten und im Rom der frühen Kaiser feststellen. Der Imperialismus der Sowjetunion vor dem Hintergrund der panslawistischen, großrussischen und nationalistischen Expansionstraditionen dieses Landes ist auch nicht zu verkennen Gerade dieses Beispiel läßt jedoch starke Zweifel an der auf den angeblichen ökonomischen Erfordernissen des „entwickelten" Kapitalismus beruhenden marxistischen Imperialismustheorie aufkommen

IV. Die marxistische Ideologienlehre und ihre Konsequenzen

Eingangs ist davon gesprochen worden, daß wir uns ein kritisches Urteil über den Wert von politischen und gesellschaftlichen Argumenten, Theorien und Reformprogrammen bilden müßten. Zu diesem Zweck wurden einige logische und wissenschaftstheoretische Kriterien erörtert. Die stillschweigende Voraussetzung dabei war offenbar, daß dem Menschen dies auch möglich ist. Das erscheint selbstverständlich, wird aber bestritten. Dies hauptsächlich von Anhängern des weltanschaulichen Determinismus, unter ihnen auch den Marxisten. Der Determinismus, der Glaube an historische Entwicklungs-,, Gesetze", scheint strukturell einen erkenntnistheoretischen Relativismus nach sich zu ziehen. Ein „bürgerliches" Beispiel hierfür ist die Mannheimsche Wissenssoziologie.

Die marxistische Ideologienlehre bricht mit dem erkenntnisdemokratischen Postulat der Aufklärung, nach dem alle Menschen in gleicher Weise zur Wahrheitserkenntnis in der Lage sind, eine gewisse Schulung und Ausbildung natürlich vorausgesetzt. Für den Marxisten hat alle Erkenntnis ideologischen Charakter und ist durch die Klassenposition des einzelnen Menschen determiniert. Ernst Bloch formuliert diesen Sachverhalt folgendermaßen: „Das Denken muß parteilich sein und ist es immer gewesen. Heute leugnen das nur noch diejenigen ab, die ihre Farbe verstecken müssen oder sich über sie nicht klar sind. Auch die bürgerliche Wissenschaft war nie eine neutrale, obwohl sie sich darüber in falschem Bewußtsein wiegt. Es ist nicht schwer, diese Selbsttäuschung zu beheben. — Der einsamste Forscher kann nicht umhin, ein Sohn seiner Zeit zu sein. Er teilt mit seiner Klasse die wirtschaftlichen Voraussetzungen, er erhält von diesen den sozialen Auftrag, er bewegt sich in der ideologischen Weite, aber auch Grenze seiner Gesellschaft. . . . Die herrschenden Gedanken einer Zeit entsprechen der Denkweise der in ihr herrschenden Klasse, und noch wo sie ihr widersprechen, sind sie auf sie bezogen. — Das Bild einer sogenannten reinen Wissenschaft ist also subjektiver Schein. Dieser Schein entstand nur, weil die ökonomisch-sozialen Voraussetzungen der jeweils geübten Methode nicht reflektiert worden sind."

Was ist dazu zu sagen? Eine solche Position zerstört die Vernunft und etabliert den Irrationalismus in der Wissenschaft. Das zeigt sich schon daran, daß diese erkenntnistheoretische Position sich logisch selbst widerspricht und damit auch selbst zerstört.

Zur Darstellung dieses logischen Arguments soll das relativistische Erkenntnisprinzip einmal in folgendem Satz formuliert werden: „Kein Satz ist absolut wahr, alle Sätze sind unvermeidlich relativ auf den sozialen . . . Standort ihrer Urheber."

Nach dieser Aussage würden also — wie schon erwähnt — die hier angestellten wissenschaftstheoretischen Überlegungen und die damit verbundene Kritik am Marxismus keinerlei Wahrheitsanspruch stellen können. Sie wären relativ — Klassenideologie.

Nun sagt der formulierte Satz etwas über alle Sätze aus. Folglich auch über sich selbst und seinen eigenen Wahrheitswert. Wenn alle Sätze unvermeidlich relativ auf den sozialen Standort ihrer Urheber sind, dann ist es auch dieser Satz. Er kann also nicht wahr sein. Der Satz, der das relativistische Erkenntnisprinzip ausdrückt, ist deshalb als erkenntnistheoretisches Grundpostulat wegen innerer Selbst-widersprüchlichkeit unbrauchbar

Setzt man erkenntnistheoretisch das Sein vor das Bewußtsein, die Klassenzugehörigkeit vor das Denken, so ergeben sich notwendigerweise Selbstwidersprüche. Dies kann auch an folgender Überlegung klargemacht werden: Wenn die These von der sozialen Standortgebundenheit des Denkens als wahr akzeptiert wird, dann tut man das doch offenbar durch irgendeinen Denkakt Dieser ist also die Voraussetzung dafür, daß wahre Erkenntnisse überhaupt formuliert werden können. Sogar wenn sich das Denken selbst die Erkenntnisfähigkeit abspricht, wird es gebraucht. Es soll demnach erkennen, daß es gar nicht zur Erkenntnis befähigt ist!

Das ist offensichtlich ein eklatanter Widerspruch. Er kommt dem Ansinnen gleich, einer Person, die wegen Geistesschwäche entmün-digt werden soll, die Kompetenz zuzusprechen, das Entmündigungsurteil gegen sich selbst zu fällen oder als Schöffe daran mitzuwirken.

Der erkenntnistheoretische Ideologieverdacht, der die Möglichkeit objektiver Erkenntnis verneint, bedeutet daher intellektuellen Selbstmord, daß heißt reine Irrationalität. Soweit das logische Argument. Es ist übrigens in gleicher Weise auf die Marcusesche Behauptung von der totalen Manipulation und Repression anzuwenden, soweit diese erkenntnistheoretisch gemeint ist

Eine Wissenschaft kommt nicht ohne wahre Aussagen aus, wenn sie sich nicht selbst aufgeben will. Der erkenntnistheoretische Relativismus ist schon rein psychologisch auf die Dauer keine tragbare Position und muß deshalb überwunden werden. Der Marxismus hat sich durch die Denunziation der Vernunft als Ideologie jedoch den Rückweg zu den erkenntnistheoretischen, das heißt demokratischen Prinzipien der Aufklärung versperrt. Seine Lösung des Erkenntnis-und Wahrheitsproblems soll durch ein Zitat des russischen Marxisten I. S. Kon demonstriert werden: „Das Klasseninteresse der fortschrittlichen, revolutionären Klasse, die die Arbeiterklasse ist, deckt sich mit der objektiven Tendenz der gesellschaftlichen Entwicklung. Sie, die Arbeiterklasse, ist brennend an der richtigen Erkenntnis der gesellschaftlichen Verhältnisse interessiert, deshalb ist ihre Ideologie, ohne damit aufzuhören, der Ausdruck ihrer Klasseninteressen zu sein, objektiv wahr, ihrem Charakter nach wissenschaftlich."

Alle Erkenntnis ist also Ideologie, aber es gibt eine „wahre Ideologie". Sie ist identisch mit der Wahrheit.

An dieser Lösung sind folgende zwei Aspekte zu kritisieren: 1. Man kann nach dieser Ideologieauffassung der Wahrheit nur noch mit Hilfe der marxistischen Geschichtstheorie feststellen, ob eine Aussage wahr ist oder nicht. Mit anderen Worten: Das Wahrheitskriterium steht und fällt mit der marxistischen Theorie, es setzt deren Wahrheit schon voraus.

Was ist aber, wenn man diese Theorie selbst einmal auf ihre Wahrheit kritisch prüfen will?

Dafür gibt es im Marxismus kein Kriterium. Es ist überhaupt nicht vorgesehen. Ein Marxist kann folglich die Grundlagen seiner Lehre nicht ernsthaft kritisch reflektieren, sie nicht mit einem unabhängigen Wahrheitstest konfrontieren. Sie ist ein dogmatisches System, an das man nur glauben kann.

Hier rächt sich die Entmündigung der Vernunft durch die ideologische Totaldenunziation. Eine rationale Erkenntnistheorie ist im Marxismus nicht möglich. Vor jeder rationalen Überlegung steht die dogmatisierte Geschichtstheorie, die den Vernunftgebrauch reglementiert. (So wird auch verständlich, warum Marxisten ihre Theorien immer nur durch Tatsachen bewahrheiten wollen und sie nicht kritisch testen. Die Wahrheit und Unantastbarkeit ihrer Theorien ist ihnen selbstverständlich.)

Jede Kritik, die nicht von der unumstößlichen Wahrheit der marxistischen Lehre ausgeht — womit sie ihren Charakter als Kritik ja von vornherein verlieren würde —, kann nur als Klassenideologie „entlarvt" werden. Eine rationale Diskussion zwischen Mitgliedern verschiedener Klassen ist unmöglich, die Kluft unüberbrückbar. Der Partner ist ja der Klassenfeind. So degeneriert der wissenschaftliche Disput und Dialog zu einem ideologischen Schlagabtausch 2. Das Wahrheitskriterium für wissenschaftliche Aussagen wird mit deren Herkunft gekoppelt. Die Aussagen der kapitalistischen Ideologen sind falsch, die der proletarischen dagegen wahr. Man hat diese aristokratische Erkenntnisauffassung treffend als Elitetheorie der Wahrheit bezeichnet Wahr ist nicht, was den Tatsachen entspricht, sondern was sich in „Übereinstimmung" mit den sogenannten Entwicklungstendenzen der Geschichte befindet, die von der fortschrittlichen Arbeiterklasse repräsentiert werden. Damit ist die „Klassenwahrheit" geboren.

Hier ist anzumerken, daß sich eine derartige Elitetheorie der Wahrheit nicht nur im Marxi-mus findet. Hauptsächlich alle deterministischen Systeme sind zu ähnlich personalistischen Lösungen gezwungen. So mußte Karl Mannheim seine sogenannte Freischwebende Intelligenz einführen, die vom totalen Ideologieverdacht befreit wird. Außerdem gibt es Rassentheorien der Wahrheit. Ein Beispiel aus der neueren Zeit wird im folgenden zitiert. Es stammt von Carl Schmitt, aus dessen Buch „Staat, Bewegung, Volk", das im Jahre 1933 erschien: „Es ist eine erkenntnistheoretische Wahrheit, daß nur derjenige imstande ist, Tatsachen richtig zu sehen und Eindrücke von Menschen und Dingen richtig zu bewerten, der in seiner seins-mäßigen, artbestimmten Weise an der . . . Gemeinschaft teilhat und existentiell ihr zugehört. Bis in die tiefsten, unbewußtesten Regungen des Gemüts, aber auch bis in die letzte Gehirnfaser hinein, steht der Mensch in der Wirklichkeit dieser Volks-und Rassenzugehörigkeit. . . Ein Artfremder mag sich noch so kritisch gebärden und noch so scharfsinnig bemühen, mag Bücher lesen und schreiben, er denkt und versteht anders, weil er anders geartet ist, und bleibt bei jedem entscheidenden Gedankengang in den existentiellen Bedingungen seiner eigenen Art. Das ist die objektive Wirklichkeit der , Objektivität'."

Angesichts dieser Haltung verwundert es kaum noch, daß die Relativitätstheorie einmal nur als eine „jüdische Wahrheit" galt, weil Einstein Jude war.

Es ist keineswegs beabsichtigt, den Marxismus mit der NS-Rassenlehre vergleichen zu wollen. Hier geht es nur um erkenntnistheoretische Strukturidentitäten, die in der Tat nicht zu leugnen sind. Eine Erkenntnistheorie, die von privilegierten — nicht allgemeiner Überprüfung durch alle Menschen unterliegenden — Erkenntnissen ausgeht und das Erkenntnis-monopol einer selbsternannten Elite überläßt, ist nicht akzeptierbar. Wie sollte man auch wissen, welches die „richtige" Elite ist? Die Freischwebende Intelligenz, eine Klasse oder eine Rasse?

Aber diese personalistische Lösung des Wahr-heiss-und Objektivitätsproblems ist nicht der Hauptkritikpunkt. Sie ist nur ein Symptom, wenn auch ein charakeristisches. Das Hauptargument besteht darin, daß die marxistische Theorie in dogmatischer Form von vornherein als wahr unterstellt wird. Von der Vernunft kann sie nicht kritisch reflektiert, sondern nur akzeptiert werden. Diese wird demnach als abhängig und determiniert durch äußere Sachverhalte gedacht. Das kommt der Preisgabe der Rationalität gleich. Denn nun entscheiden auch faktische Verhältnisse über den Erkenntnis-charakter von Aussagen. Die Vernunft wird als ein Teil dieser Verhältnisse vom histori-45 sehen Entwicklungs-,, Gesetz" relativiert. Dieser erkenntnistheoretische Antirationalismus hat verhängnisvolle Konsequenzen

Das Beispiel, an dem dies gezeigt werden soll, demonstriert gleichzeitig die engen Beziehungen zwischen erkenntnistheoretischen und politischen Grundsatzfragen Der amerikanische Marxist Paul M. Sweezy schreibt in seinem Buch „Die Zukunft des Kapitalismus und andere Aufsätze zur politischen Ökonomie"

folgendes:

„Sind die Marxisten berechtigt zu dem Schluß, sie hätten, weil der Marxismus eine Sozialwissenschaft ist, das Recht — angenommen, sie hätten die Macht —, oppositionelle Meinungen zu unterdrücken? Die Antwort lautet: nein.

Nicht Unterdrückung anderer Meinungen, sondern Aufklärung ist die wissenschaftliche Intention des Marxismus. Aber Menschen aufzuklären und zu erziehen ist nur dann möglich, wenn die Bedingungen, die Unwissenheit, Aberglauben und falsche Theorien begünstigt haben, abgeschafft sind — das heißt, wenn die Gesellschaft auf das rationale Prinzip geplanter Produktion für die allgemeine Wohlfahrt gegründet ist."

Man kann also nicht vor dem Umsturz darüber diskutieren, ob der Umsturz überhaupt sinnvoll ist. Die Theorie, nach der dieser erforderlich ist, um die Bedingungen für Rationalität erst herzustellen, unterliegt keiner rationalen Kontrolle oder Kritik. Wer kritisiert, zeigt höchstens sein falsches Bewußtsein. Verstand und Vernunft sind damit auch im politischen Bereich weitgehend ausgeschaltet. Irrationalismus in der Politik bedeutet aber Gewaltanwendung. Das zeigt das nächste Zitat von Sweezy mit aller Deutlichkeit:

„Es ist offenkundig, daß der Marxismus sich nicht auf die Wissenschaft beruft als eine Rechtfertigung, um oppositionelle Meinungen zu unterdrücken. Unglücklicherweise jedoch ist damit das Problem nicht erledigt. Es gibt Zeiten, insbesondere in Revolutionen, in denen Meinungen so sehr in gesellschaftliche Konflikte einbezogen sind, daß sie zu Waffen werden. Die Marxisten sind Revolutionäre (wenn auch nicht Verschwörer, wie ihre Gegner immer noch glauben), und wann immer sie Erfolg haben, berufen sie sich auf das revolutionäre Recht, die neue Gesellschaft vor der Konterrevolution zu schützen. In verschiedenem Maß, je nach den Bedingungen und dem historischen Hintergrund, kann die Verteidigung einer Revolution die zeitweilige Unterdrückung von Meinungen mit sich bringen. Das ist bedauerlich, und ich meine, alle Marxisten sollten es in der gleichen Weise bedauern, wie sie es bedauern, daß im Verlauf von Revolutionen Menschen ihr Leben verlieren. . . . und sie sollten natürlich nicht Unterdrückung durch selbstgerechte Appelle an die Wissenschaft zu legitimieren suchen."

Ein Kommentar ist dazu wohl kaum noch notwendig. Was hier euphemistisch als „zeitweilige Unterdrückung von Meinungen" bezeichnet wird, ist die Unterdrückung von Menschen im Namen eines irrationalistischen Dogmas über historische „Notwendigkeiten", und die Berufung auf das „revolutionäre Recht, die neue Gesellschaft vor der Konterrevolution zu schützen", ist die Berufung auf das Recht des Stärkeren und ein Blankoscheck für die Anwendung von Gewalt auch in der sogenannten neuen Gesellschaft Liberale Demokratie und Meinungsfreiheit scheinen mit einer solchen Lehre grundsätzlich nicht vereinbar zu sein.

V. Bemerkungen, zum Entwicklungsgesetz und zum Spät-Kapitalismus-Begriff

Abschließend noch einige kritische Bemerkungen zur Konzeption des historischen Entwicklungsgesetzes und zum Begriff „Spät-Kapitalismus" — zentrale Kategorien in der gegenwärtigen neomarxistischen Literatur.

Marx sah die Aufgabe der Sozialwissenschaft in historischen Großprognosen, in der Voraussage zukünftiger Entwicklungen. Weil man die Zukunft aber offenbar nur dann vorhersagen kann, wenn sie auch vorherbestimmt ist, führte ihn dies zu einem strengen Determinismus, zu dem Glauben an eherne Geschichtsgesetze Sein Ziel war es, „das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu entnüllen". Das brachte ihn in bedenkliche Nähe zu den französischen Positivisten und Materia-

isten 3er Begriff des Entwicklungs-oder Geschichts(Gesetzes" scheint von Anfang an einen Wiierspruch zu enthalten. Der Gesetzesbegriff wird dabei nämlich zweckentfremdet verwandt. Man versteht normalerweise unter einem empirischen Gesetz eine theoretische (oder allgemeine) Aussage über strukturelle Zusammenhänge in der Realität. Dieses kann — weil es allgemein formuliert und gemeint ist — beliebig oft experimentell überprüft und — wenn es sich bewährt — immer angewandt werden. Demgegenüber beschreibt oder behauptet ein sogenanntes Geschichts-„Gesetz" einmalige zukünftige Ereignisse mit mehr oder minder exakten Worten. So z. B.den Übergang vom „Kapitalismus" zum „Sozialismus". Viele angebliche Entwicklungsgesetze entpuppen sich bei näherem Hinsehen auch als bloße Trends

Derartige Scheingesetze sind nicht intersubjektiv auf ihre Wahrheit überprüfbar. Man kann nur passiv warten, bis die Prophezeiung, um die es sich ja nur handelt, eintrifft. Wenn deren Zeitpunkt geschickt offengelassen wurde, dann dauert das möglicherweise recht lange. Ebenso halten aber deren ideologische Wirkungen an. Der Gesetzesbegriff wird dabei jedoch mißbraucht.

Er soll vielleicht nur eine Bekräftigung des Determinismus sein oder der Prophetie von der „nahen" Herankunft des Sozialismus den Anschein naturgesetzlicher Notwendigkeit und Sicherheit verschaffen. Als Bestandteil einer theoretischen Erfahrungswissenschaft, die nach intersubjektiv überprüfbaren allgemeinen Gesetzen sucht, kann das Marxsche Geschichtsdogma nicht akzeptiert werden.

Das Wort „Spät-Kapitalismus" ist die kürzeste Aussage des Marxismus über das Schicksal der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung. Sie ist allerdings ebenso suggestiv wie vage und nichtssagend. Der „Kapitalismus" ist als eine Art Kollektivsubjekt Gegenstand der Entwick-lungs-„Theorie". Der lapidare Zusatz „Spät" ist die theoretische Aussage. Er deutet an, daß die Tage dieses „Individuums" irgendwann gezählt sind. Es scheint zu altern wie biologische Organismen.

Organizismus und Entwicklungsidee sind in ihrer heutigen Form vor allem ein Erbe der Romantik und erhielten durch den Historismus und den Darwinismus im 19. Jahrhundert großen Auftrieb. Aber diese Denkmuster reichen erheblich weiter zurück. Sie sind als Erklärungsprinzipien Bestandteil einer vorwissenschaftlichen Weltauffassung im Mythos, die schon im Frühlicht der Geschichte in den archaischen Hochkulturen des Vorderen Orients und Chinas erkennbar ist und wahrscheinlich weit in die Vorgeschichte zurückgeht. Topitsch hat das wiederholt analysiert und dargelegt

Das wesentliche Kennzeichen mythischen Denkens besteht darin, daß der Mensch ihm Fremdes, Neuartiges, Fernliegendes, Rätselhaftes und Geheimnisvolles dadurch zu „erklären" sucht, 'daß er es in Analogie zum Alltäglichen, Bekannten und Vertrauten auffaßt. Worte wie Weltenmantel, Himmels-und Sternenzelt weisen noch darauf hin. Der unmittelbare Lebens-und Erfahrungskreis dient so als Modell für die gesamte Weltaüffassung und -erklärung. Topitsch unterscheidet Modelle, die auf bio-, sozio-oder technomorphen Analogien basieren. Biomorphistisch ist z. B. die Übertragung der grundlegenden Lebensvorgänge von Zeugung und Geburt, Wachstum und Reife, Altern und Vergehen auf Sachverhalte, die durch abstrakte Begriffe gekennzeichnet werden. Sie werden damit unvermerkt verdinglicht oder personalisiert. Trotz des Fortschritts der Wissenschaftstheorie finden solche Erklärungsmodelle auch heute noch Zuspruch.

Friedrich Meinecke hat die organizistische Behandlung von sozialen „Ganzheiten", wie z. B.

Völkern, Staaten, Kulturen und Zivilisationen als Lebensaltertheorie bezeichnet. Die Marxisten befinden sich bei ihrer Verwendung in bester Gesellschaft. Oswald Spengler hat sie für sein System einmal folgendermaßen formuliert: „Jede Kultur durchläuft die Altersstufen des einzelnen Menschen. Jede hat ihre Kindheit, ihre Jugend, ihre Männlichkeit und ihr Greisentum."

Die deutschen Marxisten Georg Klaus und Hans Schulze drücken das in einem neueren Werk so aus: „Geschichte ist Bewegung von Gesellschaftsordnungen — ihre Entwicklung, ihr Aufstieg und Untergang. Von dieser These, die eine der bedeutendsten Entdeckungen der Klassiker des Marxismus-Leninismus beschreibt, gehen wir aus."

Die Zitate wären nahezu beliebig vermehrbar.

Kommt der Lebensaltertheorie als biomorphem Erklärungsmodell im Falle des sogenannten Spät-Kapitalismus, abgesehen von der Signal-für tion und Aufforderung, das sinkende Schiff zu verlassen, sonst noch eine Bedeutung zu? Das ist in wissenschaftlicher Hinsicht kaum der Fall.

Erklärungen mit Hilfe von Gleichnissen, Analogien und Metaphern sind ein Rückfall in verwissenschaftliche Methoden. Gegenüber den abstrakten Theorien der modernen Wissenschaft haben sie wegen ihrer scheinbar unmittelbar einsichtigen Wahrheit, die eine kritische Prüfung überflüssig zu machen scheint, leichteren Zugang zum Denken der Menschen. Deshalb hält man auch wohl so zäh an ihnen fest.

Die Pseudo-Erklärung mit der organizistischen Metapher eines biologischen Lebenszyklus verwechselt den dabei auftretenden psychologischen Effekt des „Verstehens" mit dem Vorgang der wissenschaftlichen Erklärung In der modernen Wissenschaftstheorie werden solche naiv-animistischen Vorstellungen natürlich nicht mehr toleriert. Erklärungen, die in ihrem Sinne korrekt sein sollen, müssen ein unabhängig überprüfbares allgemeines Gesetz enthalten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Diese Ansicht ist umstritten. Besonders von der „Frankfurter Schule" der Soziologie werden in neuerer Zeit kontradiktorische Sätze als nützliche und sogar notwendige Aussagen der Wissenschaft betrachtet. Vgl. z. B. Theodor W. Adorno, Einleitung, in: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, hrsg. v. Th. W. Adorno, Neuwied und Berlin 1969, S. 28, 32 f., 43 f. Vgl. zur Kritik dieser Auffassung, die den Zusammenbruch der Rationalität herbeiführen müßte, Karl R. Popper, Was ist Dialektik?, in: Logik der Sozialwissenschaften, hrsg. v E. Topitsch, Köln-Berlin 1965, S. 262 ff.

  2. Vgl. zum Theorie-und Gesetzesbegriff Hans Albert, Probleme der Theoriebildung. Entwicklung, Struktur und Anwendung sozialwissenschaftlicher Theorien, in: Theorie und Realität. Ausgewählte Aufsätze zur Wissenschaftslehre der Sozialwissenschaften, hrsg. v. Hans Albert, Tübingen 1964, S. 22 ff.

  3. Vgl. dazu Carl G. Hempel und Paul Oppenheim, Studies in the Logic of Explanation, in: Philosophy of Science, Vol. 15 (1948), S. 135 ff.; Wiederabdruck in: Carl G. Hempel, Aspects of Scientific Explanation. And Other Essays in the Philosophy of Science, New York — London 1965, S. 245 ff.

  4. Vgl. dazu grundlegend Kar] R. Popper, Logik der Forschung, 2. erw. Ausl., Tübingen 1966, S. 15 ff. und S. 47 ff.

  5. Vgl. dazu Karl R. Popper, On the Sources of Knowledge and of Ignorance, in: ders., Conjectures and Refutations. The Growth of Scientific Knowledge, London 1965, S. 3 ff.; sowie Hans Albert, Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 1968, passim.

  6. „Dialektisch" im Sinne seiner ursprünglichen Bedeutung in der griechischen vorsokratischen Philosophie gemeint, also nicht im Hegeischen Sinne. Vgl. dazu Hans Albert, a. a. O., S. 41 ff.

  7. Vgl Oskar Lange, Entwicklungstendenzen der modernen Wirtschaft und Gesellschaft. Eine sozialistische Analyse, Wien-Köln-Stuttgart-Zürich 1964, S 110 ff.

  8. Karl Marx, Das Kapital, Bd. I, Berlin 1965, S. 673 (Hervorhebung im Original).

  9. Vgl. Oskar Lange, a. a. O., S. 114.

  10. Vgl. dazu auch Paul M. Sweezy, Theorie der kapitalistischen Entwicklung. Eine analytische Studie über die Prinzipien der Marxschen Sozialökonomie, Köln 1959, S. 6 ff.

  11. Karl Marx, a. a. O., S. 674.

  12. Vgl. Oskar Lange, a. a. O., S. 116.

  13. Vgl. ebd., S. 117.

  14. Vgl. ebd., S. 118.

  15. Vgl. ebd., S. 119.

  16. Ebd., S. 119.

  17. Ebd., S. 120.

  18. Karl Marx, Die Frühschriften, hrsg. v. Siegfried Landshut, Stuttgart 1964, S. 538.

  19. Vgl. z. B. Ernest Mandel, Marxistische Wirtschaftstheorie, Frankfurt a. M. 1968, S. 704 ff.

  20. Vgl. Vance Packard, Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewußten in jedermann, Düsseldorf -Wien 1958. Vgl. zur Kritik: Willi Bongard, Männer machen Märkte. Mythos und Wirklichkeit der Werbung, Oldenburg/Hamburg 1964, S. 9 ff., 19 ff. und passim.

  21. Vgl. dazu Paul A. Baran/Paul M. Sweezy, Monopolkapital, Frankfurt 1967.

  22. Vgl. Adolf Kozlik, Der Vergeudungskapitalismus, Wien -Frankfurt -Zürich 1966, S. 359 ff.

  23. Vgl. z. B. Herbert Marcuse, Der eindimensionale Mensch, 5. /6. Ausl., Neuwied und Berlin 1967; ders., Befreiung von der Überflußgesellschaft, in: Dialektik der Befreiung, hrsg. v. D. Cooper, Reinbek 1969, S. 90 ff.

  24. Vgl. dazu Fritz Stern, Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland, Bern -Stuttgart -Wien 1963. — Eine Analyse der gängigen Werke des „linken" Kulturpessimismus steht leider noch aus.

  25. Vgl. dazu: Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Revolutionärer Eros, in: Merkur, 21 (1967); Jürgen Habermas (Hrsg.), Antworten auf Herbert Marcuse, Frankfurt 1968; Hans Heinz Holz, Utopie und Anarchismus. Zur Kritik der kritischen Theorie Herbert Marcuses, Köln 1968; Ulrich Geisler und Helmut Seidel, Die romantische Kapitalismuskritik und der utopische Sozialismusbegriff H. Marcuses, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 17 (1969), S. 409 ff.; Robert Steigerwald, Herbert Marcuses dritter Weg, Köln 1969.

  26. Vgl. Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur, Frankfurt und Hamburg 1965.

  27. Vgl. dazu Rolf Hochmuth, Der alte Mythos vom „neuen" Menschen, in: Club Voltaire IV, hrsg. v. G. Szczesny, Reinbek 1970, S. 112 ff.

  28. Vgl. Fritz Sternberg, Anmerkungen zu Marx — heute, Frankfurt 1965.

  29. Fritz Sternberg, a. a. O., S. 8.

  30. Vgl. Andre Gorz, Zur Strategie der Arbeiterbewegung im Neokapitalismus, Frankfurt 1967, S. 7.

  31. Vgl. ebd., S. 8.

  32. Vgl. zu einem kurzen Überblick über die verschiedenen Varianten von Imperialismustheorien Lutz Köllner, Der Imperialismus in marxistischer Sicht, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 30/64 vom 22. Juli 1964.

  33. Vgl. Paul M. Sweezy, Die Zukunft des Kapitalismus und andere Aufsätze zur politischen Ökonomie, Frankfurt 1970, S. 7.

  34. Vgl. Paul A. Baran/Paul M. Sweezy, Monopol-kapital, a. a. O., S. 18.

  35. Vgl. ebd., S. 239.

  36. Vgl. Lutz Köllner, a. a. O., S. 3 f.

  37. Vgl. zur Kritik auch Arthur Salz, Das Wesen des Imperialismus, Leipzig und Berlin 1931, S. 38 ff.

  38. Ernst Bloch, Parteilichkeit in Wissenschaft und Welt, in: ders., Philosophische Aufsätze zur objektiven Phantasie, Gesamtausgabe Bd. 10, Frankfurt 1969, S. 330 f.

  39. Karl R. Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Bd. II: Falsche Propheten. Hegel, Marx und die Folgen, Bern 1958, S. 455.

  40. Vgl. ebd., S. 453 ff.

  41. Vgl. dazu auch Ernst Grünwald, Das Problem der Soziologie des Wissens, (Nachdruck d. Ausg. Wien 1934), Hildesheim 1967, S. 228 ff.

  42. Vgl. dazu Christian Watrin, Spätkapitalismus?, in: Die Wiedertäufer der Wohlstandsgesellschaft, hrsg. v. E K. Scheuch, Köln 1968, S. 50 ff.

  43. I. S. Kon, Die Geschichtsphilosophie des 20. Jahrhunderts, Bd. II, Berlin 1966, S. 126.

  44. Vgl, Christian Watrin, a. a. O., S. 52.

  45. Zitiert nach Ernst Topitsch, Mythos — Philosophie — Politik. Zur Naturgeschichte der Illusion, Freiburg 1969, S. 159.

  46. Vgl. auch Hans Barth, Wahrheit und Ideologie, Erlenbach-Zürich und Stuttgart 1961, S. 289 f.

  47. Vgl. zum Zusammenhang von Erkenntnistheorie und Politik: Karl R Popper, On the Sources of Knowledge and Ignorance, a. a. O., S. 3 ff.; J. W. N.

  48. Paul M. Sweezy, Die Zukunft des Kapitalismus und andere Aufsätze zur politischen Ökonomie, a. a. O., S. 90.

  49. Ebd., S. 91.

  50. Vgl. zur zweideutigen Einstellung des Marxis-nus zum Problem der Gewaltanwendung und der Bedeutung dieses Sachverhalts für die Entstehung les Faschismus: Karl R. Popper, Die offene Gesell-»chaft und ihre Feinde, Bd. II: Falsche Propheten.

  51. Vgl. ebd., S 106 ff.

  52. Vgl. zur Kritik am Positivismus in der Marx; chen Geschichtsphilosophie neuerdings auch: Jürjen Habermas, Erkenntnis und Interesse, Frankfurt 968, S. 59 ff.; Albrecht Wellmer, Kritische Gesell-ichaftstheorie und Positivismus, Frankfurt 1969, 5. 69 ff.

  53. Vgl. dazu Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, Tübingen 1965, S. 90 ff. und S. 100 ff.

  54. Vgl. Ernst Topitsch, Vom Ursprung und Ende der Metaphysik, Wien 1958, S. 5 ff.; ders., Mythos -— Philosophie — Politik. Zur Naturgeschichte der Illusion, a a. O., passim.

  55. Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, Bd. I, 48. — 52. Ausl., München 1923, S. 29.

  56. Georg Klaus/Hans Schulze, Sinn, Gesetz und Fortschritt in der Geschichte, Berlin 1967, S. 64.

  57. Vgl. auch Wolfgang Stegmüller, Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Bd. I, Berlin-Heidelberg-New York 1969, S. 131 f.

Weitere Inhalte

Peter Urban, Diplom-Volkswirt, geboren am 17. September 1941 in Martinsberg/Schle-sien, Studium der Wirtschafts-und Sozialwissenschaften an der Universität Köln, 1966 bis 1968 Stipendiat der Stiftung Volkswagenwerk, 1968/69 Verwalter einer planmäßigen Assistentenstelle an der Ruhruniversität Bochum, arbeitet zur Zeit an einer Dissertation zum Thema: „Entwicklungsgesetze des Kapitalismus?"