Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Das Münchner Abkommen | APuZ 26/1971 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 26/1971 Artikel 1 Das Münchner Abkommen Zur Ungültigkeit des Münchner Abkommens Das Münchner Abkommen als Problem des Völkerrechts

Das Münchner Abkommen

Alfred Schickel

/ 66 Minuten zu lesen

Vorgeschichte, Inhalt und Problematik

Abbildung 1

Ende März 1971 haben in Prag die ersten Vorgespräche zur Normalisieruug des durch Hitlers Kriegspolitik zerstörten deutsch-tschechi-

schen Verhältnisses begonnen. Im Mittelpunkt der Beratungen stand dabei das Münchener Abkommen aus dem Jahre 1938 *). Die tschechoslowakische Regierung erwartet, daß die Bundesregierung den am 29. September 1938 von Hitler, Mussolini, Chamberlain und Daladier in München vereinbarten Vertrag über die Angliederung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich als von Anfang an („ex tune") ungültig erklärt. Sie begründet ihre Forderung mit dem Hinweis, daß die Tschechoslowakei am Abschluß dieses Abkommens nicht beteiligt gewesen sei und sich gegen ihren Willen dem Machtspruch der Münchener Konferenz beugen mußte. Der tschechische Völkerrechtler Jaroslav Zourek untermauert den Standpunkt seiner Regierung, indem er feststellt: „Das Münchener Abkommen ist von Anfang an ungültig auch aus dem Grunde, weil es der Tschechoslowakei mit Gewalt zu einer Zeit aufgezwungen wurde, als Nazideutschland bereits eine bewaffnete Aggression gegen sie eingeleitet hatte, sowie durch Androhung weiterer Gewaltakte, also mit vom Standpunkt des Briand-Kellog-Paktes und des Völkerbundpaktes widerrechtlichen Mitteln."

Im gleichen Sinne äußert sich auch Vaclav Michal vom „Institut für Staat und Recht der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften" in Prag. Er verweist darauf, daß nach der tschechoslowakischen Verfassung von 1920 Abkommen, welche eine Veränderung des Staatsgebietes zur Folge hatten, vom Präsidenten nur mit Zustimmung der Nationalversammlung abgeschlossen werden konnten; dazu sei es jedoch im September 1938 nicht gekommen

Für Vaclav Kräl, Direktor des „Instituts für die Geschichte der europäischen sozialistischen Staaten der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften" in Prag, war das Münchener Abkommen auch deswegen von Anfang an ungültig, weil sein „Signatant (Hitler) es mit der Absicht unterzeichnete, es nicht einzuhalten, und es ja auch in kürzester Zeit gebrochen hat" Zu einer ähnlichen Schlußfolgerung kommt auch Alexander Ort, stellvertretender Direktor des „Instituts für Internationale Politik und Ökonomie" in Prag. In seiner Studie „über die Ungültigkeit des Münchener Diktats" vertritt er darüber hinaus den Standpunkt, „daß die Frage der Ungültigkeit des Münchener Diktats weit mehr eine politische als eine juristische Frage ist"

I. Die Vorgeschichte des Münchener Abkommens

Werden die Ereignisse nach dem 29. September 1938 in der Diskussion um die Gültigkeit des Abkommens ausführlich gewürdigt, so bleibt die Tatsache, daß die 1938 in München getroffene Regelung eine tschechisch-deutsche Vorgeschichte hatte, weitgehend unberücksichtigt. Diese begann bereits im Jahre 1918.

Damals brach mit dem Ende des Ersten Weltkrieges der Habsburgische Vielvölkerstaat zu-sammen. Sein Untergang stellte die alliierten Siegermächte vor die Aufgabe, den in Mittel-osteuropa lebenden Völkerschaften eine neue staatliche Ordnung zu geben. Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson hatte dazu im Namen der Alliierten am 8. Januar 1918 in seinen „Vierzehn Punkten" programmatisch erklärt: „Den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz unter den Nationen wir gefestigt und gesichert zu sehen wünschen, soll die freieste Möglichkeit autonomer Entwicklung gewährt werden."

Dieses Versprechen faßten die Deutschen in Böhmen, Mähren, österreichisch Schlesien und der Slowakei, — jene Menschen also, die man später „Sudetendeutsche" nannte —, so auf, daß auch sie das Recht haben sollten zu bestimmen, zu welchem Staatsverband sie gehören wollten. Ihre gewählten Vertreter — mit dem Konservativen Rudolf Lodgman von Auen und dem Sozialdemokraten Josef Seliger an der Spitze — entschieden sich daher am 29. Oktober 1918 mit überwältigender Mehrheit für einen Anschluß an Deutschösterreich und erklärten die sudetendeutschen Gebiete zu einer Provinz Österreichs. Sie fanden dabei Unterstützung bei den deutschen Abgeordneten des österreichischen Reichsrates, welche in einem Beschluß feststellten: „Das deutsche Volk in Österreich ist entschlossen, seine künftige staatliche Ordnung selbst zu bestimmen, einen selbständigen deutsch-österreichischen Staat zu bilden und seine Beziehungen zu den anderen Nationen durch freie Vereinbarungen mit ihnen zu regeln. Der deutsch-österreichische Staat beansprucht die Gebietsgewalt über das ganze deutsche Siedlungsgebiet, insbesondere auch in den Sudetenländern. Jeder Annexion von Gebieten, die von deutschen Bauern, Arbeitern und Bürgern bewohnt werden, durch andere Nationen wird sich der deutsch-österreichische Staat widersetzen."

Am 12. November 1918 verabschiedete die Provisorische österreichische Nationalversammlung mit großer Mehrheit ein Gesetz, in welchem es hieß: „Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik."

Die am 16. Februar 1919 gewählte österreichische Konstituierende Nationalversammlung bestätigte am 12. März 1919 durch Gesetz über die Staatsform diesen Beschluß der Provisorischen Nationalversammlung und stellte fest: „Deutschösterreich ist ein Bestandteil des Deutschen Reiches."

Nachdem zuvor die deutschen Abgeordneten aus Böhmen das Sudetenland zu einer Provinz Deutsch-Österreichs deklariert hatten, schien durch diesen Beschluß der Konstituierenden Nationalversammlung die Angliederung der deutsch besiedelten Gebiete Böhmens und Mährens an das Deutsche Reich bereits vollzogen. Diese Auffassung vertrat auch die Deutsche Verfassunggebende Nationalversammlung in Weimar, als sie auf Antrag der Abgeordneten Paul Löbe {SPD), Hugo Haase (USPD), Adolf Gröber (Zentrum), Friedrich von Payer (DDP) und Dr. Gustav Stresemann (DVP) mit Zustimmung sämtlicher Fraktionen am 21. Februar 1919 erklärte: „Die Nationalversammlung nimmt mit lebhafter Genugtuung von den Beschlüssen Kenntnis, mit denen die Vertreter der Stämme Deutsch-Österreichs ihre Zugehörigkeit zu dem deutschen Gesamtvolk bekundet haben. Sie bestätigt den deutsch-österreichischen Brüdern, daß über die bisherigen staatlichen Grenzen hinweg die Deutschen des Reiches und die Deutschen Österreichs eine untrennbare Einheit bilden. Die Deutsche Nationalversammlung spricht die zuversichtliche Hoffnung aus, daß durch die von den Regierungen einzuleitenden Verhandlungen die innere Zusammengehörigkeit bald in festen staatlichen Formen einen von allen Mächten der Welt anerkannten Ausdruck finden wird."

Einen Monat später, am 21. März 1919, erklärte der Verfassungsausschuß der Deutschen Nationalversammlung, daß er es als bedeutenden Fortschritt auf dem Wege zur Vereinigung zwischen dem Deutschen Reiche und Deutsch-österreich begrüße, daß zwei Regierungsvertreter aus Deutsch-Österreich an seinen Verhandlungen teilnahmen. Als Delegierte der deutsch-österreichischen Regierung nahmen der Historiker Ludo Moritz Hartmann und der Legationsrat Ritter von Pozzi an den Verhandlungen des Verfassungsausschusses der Deutschen Nationalversammlung teil. Die Abgeordneten der Weimarer Nationalversammlung drückten in einer Entschließung des Plenums am gleichen Tage ihre feste Erwartung aus, daß die Besprechungen der Regierungen in Wien und in Berlin so rasch durchgeführt würden, daß auch Volksvertreter Deutsch-Österreichs an den Verhandlungen der Nationalversammlung „über die Verfassung des Gesamt. reiches“ beteiligt werden könnten Sie hatten gar keinen Zweifel, daß die Angliederung der deutschsprachigen Gebiete der ehemaligen Habsburger-Monarchie an das Deutsche Reich eine beschlossene Sache war. Entsprechend verabschiedeten sie den Artikel 61 der deutschen Reichsverfassung, in welchem es wörtlich hieß: „Deutsch-Osterreich erhält nach seinem Anschluß an das Deutsche Reich das Recht der Teilnahme am Reichsrat mit der seiner Bevölkerung entsprechenden Stimmenzahl. Bis dahin haben die Vertreter Deutsch-Osterreichs beratende Stimme."

Diese geschichtlichen Zusammenhänge machen deutlich, daß die demokratische Berechtigung der Sudetendeutschen, mit dem Deutschen Reich staatlich verbunden zu werden, zwanzig Jahre älter ist als das Münchener Abkommen.

II. Die Einverleibung des Sudentenlandes in die CSR

Obwohl die Sudetendeutschen und die Deutsch-Osterreicher ihre Zusammengehörigkeit wiederholt bekundeten, wurde ihr einstimmiger Wille von den alliierten Siegermächten ignoriert. Die Regierungen Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und der Vereinigten Staaten von Amerika erklärten in einer Note an die deutsche Reichsregierung vom 2. September 1919, daß die Angliederung Deutsch-Osterreichs an das Deutsche Reich nicht zugelassen werde. Unter Androhung von Waffengewalt verlangten sie die Streichung des Artikels 61 der Reichsverfassung, welcher die Zugehörigkeit Deutsch-Osterreichs zum Reichsrat aussprach Der deutsch-österrei-chischen Regierung in Wien untersagten sie den vom Parlament bereits beschlossenen Anschluß an Deutschland noch einmal ausdrücklich im Artikel 88 des Friedensvertrages von St. Germain Damit war der Grundsatz der freien Selbstbestimmung der Völker von seinen eigenen Verfechtern zuungunsten der Deutschen umgestoßen worden.

Wie aus den Verhandlungsprotokollen der Versailler Friedenskonferenz hervorgeht, wurde der Artikel 88 erst auf ausdrückliches Verlangen der tschechischen Regierung in den endgültigen dritten Entwurf des Friedensvertrages mit Deutsch-Osterreich eingefügt. Die alliierten Siegermächte hatten mit der Aufnahme dieser Bestimmung in den Vertrag von St. Germain ebenso einem Wunsch der Tschechen entsprochen wie mit ihrer Entscheidung, der Errichtung einer Tschechoslowakischen Republik zuzustimmen und diesem neuen Staat die deutschsprachigen Sudetengebiete zuzu-

schlagen. Der tschechische Unterhändler in Versailles, Dr. Eduard Benesch, gab für dieses Zugeständnis der Alliierten die Versicherung ab, die Autonomiewünsche der nicht-tschechi-schen Bevölkerungsteile zu respektieren und einen echten Nationalitätenstaat nach dem Muster der Schweiz schaffen zu wollen.

In Wahrheit aber wurde der neue Staat von seinen Schöpfern als zentralistischer Nationalstaat und nicht als föderalistischer Nationalitätenstaat aufgebaut. Dadurch entstand von Anfang an ein Widerspruch zwischen dem nationalstaatlichen Anspruch der Tschechen und der bestehenden Wirklichkeit. Denn es handelte sich bei der Tschechoslowakei um einen Natio-nalitätenstaat, um ein verkleinertes Abbild der Donaumonarchie; nur fehlte dem jungen Staat das ausgleichende Element und die jahrhundertealte Erfahrung, die in der Habsburger Monarchie, trotz vieler Mängel und Unzulänglichkeiten, die Gegensätze unter den Völkerschaften zu mildern gewußt hatte. Die Tschechen, die zur zahlenmäßigen Stärkung ihrer Majorität von 49, 8 Prozent der Gesamtbevölkerung mit den Slowaken, welche rund 17 Prozent der Gesamteinwohnerzahl stellten, eine Verbindung eingegangen waren — da-her auch der Name „Tschecho-Slowakei" — versäumten es, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Volksgruppen in der SR (= esko Slowenskä Republika) herbeizuführen. Denn neben den 3, 5 Millionen Sudetendeutschen und den 2, 5 Millionen Slowaken lebten 1919 noch 700 000 Ungarn, 500 000 Ukrainer und 100 00 Polen in der Tschechoslowakischen Republik und forderten Selbstverwaltung, wie sie von Präsident Wilson in seinen „Vierzehn Punkten" versprochen worden war.

Prag ignorierte jedoch ihre Wünsche und fragte die nationalen Minderheiten auch nicht, als es am 29. Februar 1920 die Verfassung des neuen Staates in Kraft setzte. Die Staats-sprache war Tschechisch. In der Beamtenschaft wurden Tschechen bis zu den untersten Stellen hinab bevorzugt. Der deutsche Grundbesitz wurde durch Bodenreformmaßnahmen erheblich gemindert. Neugeschaffene Güter blieben tschechischen Bauern und Angehörigen der ehemaligen tschechischen Legionen, die in Frankreich und Rußland für die Ententemächte gekämpft hatten, vorbehalten.

Das tschechische Staatsvolk fürchtete eine Abwertung seiner nationalen Bedeutung und Leistungsfähigkeit, wenn es seine Rechte mit den Nicht-Tschechen teilen sollte. „So entwickelte sich ein Geist von Unduldsamkeit, der den überkommenen Vorstellungen von Menschen-behandlung im alten Österreich widersprach."

Als stärkster politischer Kraft fiel im Sudetengebiet zunächst der Sozialdemokratischen Partei die Führungsrolle zu. Sie bekannte sich zu den Grundsätzen des Selbstbestimmungsrechts und trat auch für eine möglichst weitgehende Autonomie der Sudetendeutschen innerhalb des tschechoslowakischen Staates ein. Die bürgerlichen sudetendeutschen Parteien wie der „Bund der Landwirte", die „Deutsche Christlich-Soziale Volkspartei", die „Deutsche National-Sozialistische Arbeiter-Partei" und die „Deutsch-Demokratische Freiheitspartei“ schlossen sich diesem Programm an. Lediglich die „Deutsche National-Partei" lehnte es ab und forderte die unbedingte Durchführung des Selbstbestimmungsrechts; sie vermochte jedoch zunächst nicht an Boden zu gewinnen. Mitte der zwanziger Jahre schieden sich aber die deutschen Parteien in ihrem Verhältnis zum tschechoslowakischen Staat. Die soge-nannten „Aktivisten" blieben weiterhin za einer Verständigung mit den Tschechen bereit die extremen „Negativisten" lehnten sie ab Zu den „Aktivisten" gehörten neben der Sozialdemokratischen Partei der „Bund der Landwirte" und die „Deutsche Christlich-Soziale Partei", die 1926 sogar zwei Vertreter ins Prager Kabinett entsenden konnten und damit einen ersten Schritt zu einer deutsch-tschechischen Verständigung manifestierten.

Die beginnende Annäherung zwischen Prag und den Sudetendeutschen fand in der Weltwirtschaftskrise der ausgehenden zwanziger Jahre, von welcher die CSR später als andere europäische Staaten betroffen wurde, ein vorläufiges Ende. Die wirtschaftliche Rezession brachte für das sudetendeutsche Gebiet erhebliche Schwierigkeiten. Es setzte eine Massenarbeitslosigkeit ein, die sich in den hochindustrialisierten Regionen des Sudetenlandes besonders katastrophal auswirkte. Die tschechische Regierung beeilte sich nicht sehr, Hilfsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Die Arbeitslosigkeit wurde chronisch und lag viel höher als in den anderen Teilen der SR. Die Unterstützung der deutschen Erwerbslosen war unzureichend und niedriger als die der Tschechen. Die Subventionen, welche die Prager Regierung zur Behebung der Wirtschaftskrise genehmigte, wirkten sich in erster Linie auf die tschechischen Gebiete aus. Durch diese Benachteiligungen der deutschen Bevölkerung brach der sudetendeutsch-tschechische Gegensatz von neuem aus. Dazu kam, daß das Selbstbestimmungsrecht und die volle Autonomie den Sudetendeutschen weiterhin versagt blieben. Von tschechischer Seite trat lediglich die Kommunistische Partei (KP) für die totale Selbstverwaltung der Deutschen, ja sogar für ihren Anschluß an das Deutsche Reich ein. Auf ihrem VI. ordentlichen Parteitag vom 7. bis 11. März 1931 faßte die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei einen Beschluß, in welchem es hieß: „Für die gegenwärtige Phase des Kampfes der unterdrückten Nationen aus dem nationalen und sozialen Joch in der Tschechoslowakei stellt die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei folgende Hauptthesen auf: Gegen die Besetzung des deutschen Teiles von Böhmen durch die tschechische Okkupationsmacht. Für die Durchführung des Selbstbestimmungsrechts der Nationen bis zur Lostrennung vom Staate. Gegen die obligatorische Staatssprache. Für freie Verwendung der nichttschechischen Sprachen im amtlichen Verkehr und öffentlichen Leben. Gegen nationalistische Schulpolitik der tschechischen Bourgeoisie. Gegen Säuberung des staatlichen Apparates und der staatlichen Unternehmungen von Angehörigen der unterdrückten Nationen. Gegen die nationale Unterdrückung in der Armee."

Knapp drei Wochen nach dem Parteitag der KP, am 27. März 1931, erklärte der Parlamentsabgeordnete der KP und Chefredakteur des kommunistischen Zentralorgans „Rude pravo“, Vaclav Kopecky, vor dem tschechischen Abgeordnetenhaus zum Selbstbestimmungsrecht der Sudetendeutschen: „Wir tschechischen Kommunisten erklären, daß wir das Selbstbestimmungsrecht bis zur Abtrennung der vom tschechischen Imperialismus unterdrückten Teile des deutschen Volkes bis zur letzten Konsequenz wahren und durchsetzen werden. Wir erklären weiter, daß wir in gleicher Entschlossenheit das Recht schützen und durchsetzen werden, alle Teile des deutschen Volkes in einem Staat zu einigen."

Mit diesen Forderungen befand sich die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei in einer seltsamen Allianz mit der „Deutschen National-Sozialistischen Partei", welche ebenfalls seit ihrer Absage an eine Zusammenarbeit mit der Prager Regierung im Jahre 1922 eine Lostrennung der deutsch besiedelten Gebiete Böhmens und Mährens von der SR verlangt hat. Da beide Parteien verhältnismäßig kleine Gruppen im Staate repräsentierten, blieben ihre politischen Postulate aber ohne Einfluß auf die tschechoslowakische Politik. Die Prager Regierung bestand weiter auf ihrer bisherigen zentralistischen Linie und lehnte es ab, ihre Haltung gegenüber den nationalen Minderheiten zu ändern. Auf diese Weise entstand Anfang der dreißiger Jahre eine Lage, welche der britische Gesandte in Prag, Addison, als „unerfreulich und äußerst gespannt" bezeichnete.

In dieser Atmosphäre formierte sich in Gestalt verschiedener Gruppen und Vereine der Widerstand gegen die ständige Bevormundung und Benachteiligung der anderen Nationalitäten durch die Tschechen. Es wurde der parteilose „Turnerbund" gegründet, in dem sich besonders die jüngeren Generationen zusammenfanden. Dazu kam dann der soge-nannte „Kameradschaftsbund", in welchem sich die Intelligenzschicht sammelte, welche den Wiener Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen Othmar Spann als ihren geistigen Führer betrachtete. Spanns deutschbetonte universalistische Thesen, verbunden mit dem Gedanken eines Ständestaates, welcher das Volkstum in den Mittelpunkt stellte, wirkten vor allem auf die studierende Jugend aktivierend.

Aus dem „Turnerbund" und dem „Kameradschaftsbund“ gingen in der Folgezeit jene Männer hervor, die bald in den sudetendeutschen Organisationen führende Rollen übernahmen, wie Konrad Henlein und Heinz Rutha, der an die Spitze der „Jungmannschaft", einer Wandervogelbewegung, trat. Die Ereignisse des Jahres 1933 mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten in Deutschland beeinflußten gerade diese junge Generation des Sudetendeutschtums. Hitler hatte als gebürtiger Österreicher zu den Problemen des Grenzlanddeutschtums, welche er von vornherein in seine politischen Konzeptionen einzuspannen gedachte, eine ganz andere Einstellung als die Politiker der Weimarer Republik, die eng umrissene revisionistische Zielsetzungen hatten. Die „Deutsche National-Sozialistische Arbeiter Partei" in der Tschechoslowakei — sie war 1907 als „Deutsche Arbeiterpartei" gegründet worden und fügte die Bezeichnung „nationalsozialistisch" erst im Jahre 1918 hinzu — erschien dem neuen deutschen Reichskanzler in Berlin als ein geeignetes Mittel, seine über die Reichsgrenzen hinausgreifende Politik in die Tat umzusetzen, zumal ihre Mitgliederzahl wegen der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage im Sudetengebiet auf Kosten der anderen Parteien ständig gestiegen war. Wegen ihrer radikalen Autonomieforderungen und „subversiven Tätigkeit" wurde sie schließlich im Oktober 1933 von der tschechischen Regierung verboten.

Schon vorher hatte Konrad Henlein Vorbereitungen getroffen, eine neue, nicht so radikale Forderungen stellende und von der NSDAP in Deutschland innerlich unabhängige Organisation zu schaffen. Sie trat als „Sudetendeutsche Heimatfront“ am 1. Oktober 1933 ins Leben. In ihrem Gründungsaufruf erklärten ihre Führer: „Die . Sudetendeutsche Heimatfront'erstrebt die Zusammenfassung aller Deutschen in diesem Staate, die bewußt auf dem Boden der Volksgemeinschaft und der christlichen Weltanschauung stehen. Sie fordert eine gerechte Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Fragen aller Stände. Im besonderen erblickt sie in der sozialen und wirtschaftlichen Sicherung des Arbeiters eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Erhaltung unserer Volkskraft. Sie bekennt sich zu den demokratischen Grundforderungen, vor allem der Gleichberechtigung der Kulturvölker, und erblickt in dem friedlichen Ausbaue dieser Grundlagen — unter voller Achtung der Volkspersönlichkeiten — die sicherste Gewähr für eine gedeihliche Entwicklung der Völker und Staaten des mitteleuropäischen Raumes."

Konrad Henleins Bemühungen, den Sudetendeutschen eine größere politische Wirksamkeit zu verschaffen, fanden bei den Deutsch-böhmen bald Anklang. Obwohl er auf Druck der tschechischen Regierung seiner OrganisationdenNamen „SudetendeutschePartei" (SdP) geben mußte, um ihr auf diese Weise den Sammlungscharakter zu nehmen, gelang es ihr, bei den Parlamentswahlen am 19. Mai 1935 und den folgenden Landes Mai 1935 und den folgenden Landes-, Bezirks-und Gemeindewahlen einen eindrucksvollen Sieg zu erringen. Sie erhielt über die Hälfte der abgegebenen Stimmen der Sudetendeutschen und zog mit 44 Abgeordneten hinter der tschechischen Agrarierpartei als zweitstärkste Partei ins Prager Parlament ein.

Dieses für die tschechische Regierung überraschende Wahlergebnis und das sichtliche Erstarken des Deutschen Reiches trugen dazu bei, daß sich die Prager Regierung von den Sudetendeutschen zunehmend in die Defensive gedrängt fühlte. Aus einem Gefühl der Angst und Besorgnis heraus förderte sie die latente deutschfeindliche Stimmung in der tschechischen Bevölkerung. Durch den deutsch-polnischen Pakt vom 26. Januar 1934, der darauf folgenden unfreundlichen Haltung Polens gegenüber den Tschechen und namentlich seit der Verkündung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland glaubte sich die Prager Regierung besonders bedroht. An eine aufrichtige Zusammenarbeit mit der sudetendeutschen Volksgruppe war jetzt kaum mehr zu denken.

Am 28. Januar 1936 veröffentlichte der tschechoslowakische Kriegsminister Machnik einen Erlaß, der die wirtschaftlichen Lebensinteressen der Sudetendeutschen unmittelbar berührte. Er bestimmte, daß staatliche Rüstungsaufträge nur an Firmen gegeben werden dürften, in denen eine Belegschaft von „überwiegend tschechoslowakischer Nationalität und kein Personal beschäftigt ist, das sich zu staatsfeindlichen Parteien bekennt" 18). Mit diesen „staatsfeindlichen Parteien" war in erster Linie die Sudetendeutsche Partei gemeint. Am 24. April 1936 legte Konrad Henlein Beschwerde beim Völkerbund gegen diesen diskriminierenden Erlaß ein. Er erwähnte darin, daß bereits „über zwanzig Petitionen von tschechoslowakischen Staatsbürgern deutscher Nationalität an den Völkerbund gerichtet" worden seien 19).

Ungeachtet dieser Beschwerde ging die Prager Regierung am 23. Mai 1936 noch einen Schritt weiter. Sie erließ eine Verordnung, die alle kriegswichtigen Betriebe des Landes verpflichtete, „staatlich unzuverlässige" Angestellte und Arbeiter zu entlassen. Außerdem wurde die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit in den Grenzzonen jetzt allgemein von einer Genehmigung der tschechischen Militärbehörden abhängig gemacht. Da die Sudetendeutschen ausnahmslos das gesamte Grenzgebiet im Westen und Norden der SR bewohnten, wurde ihre gewerbliche Wirtschaft durch diese Verordnung am stärksten betroffen. Diese Politik der Prager Regierung stieß nunmehr auch im westlichen Ausland auf Kritik. So warnte der Staatssekretär im britischen Außenministerium, Lord Vansittart, das tschechische Kabinett vor einer weiteren ungerechtfertigten Benachteiligung des deutschen Bevölkerungsteils und legte ihm nahe, den Deutschböhmen mehr Rechte einzuräumen, wenn es sie nicht in die Arme Hitlers treiben wolle.

Der seit November 1935 amtierende neue tschechoslowakische Ministerpräsident Dr. Milan Hodza bemühte sich daraufhin um Wege der Verständigung mit der Sudetendeutschen Partei. Er traf sich am 16. September 1937 mit dem Vorsitzenden der SdP, Konrad Henlein, und erklärte sich bereit, den Sudetendeutschen auf dem Gebiet der Selbstverwaltung entgegenzukommen und auch in Zukunft mehr Deutsche in Beamtenstellungen aufzunehmen. Dafür sollten die Deutschböhmen jedoch ihren Wunsch aufgeben, mit dem Deutschen Reich vereinigt zu werden. Mitten in den sich anbahnenden Verständi gungsgesprächen kam es am 17. Oktober 1937 in der nordböhmischen Stadt Teplitz zu deutsch-tschechischen Zusammenstößen, welche das Verhältnis der Deutschen zu den Tschechen erneut schwer belasteten und die Reichs-regierung in Berlin veranlaßten, sich zum An-walt der Sudetendeutschen aufzuwerfen. Für Hitler bot sich hier die ersehnte Gelegenheit, seinen bereits gefaßten Plan, die Tschechoslowakei seinem Machtbereich einzugliedern, in die Tat umzusetzen.

III. Hitlers Eingreifen in den Volkstumskampf in der CSR

Um für seinen aggressiven Schritt notfalls auch militärisch gerüstet zu sein, gab er am 21. Dezember 1937 dem Oberkommando der deutschen Wehrmacht Anweisung, das sogenannte »Unternehmen Grün Dezember 1937 dem Oberkommando der deutschen Wehrmacht Anweisung, das sogenannte »Unternehmen Grün" zur Zerschlagung der SR vorzubereiten. Als „Kriegsziel" nannte er in seiner Anordnung „die rasche Besitznahme von Böhmen und Mähren unter gleichzeitiger Lösung der österreichischen Frage im Sinne der Einbeziehung Österreichs in das Deutsche Reich" 20).

Der Sudetendeutschen Partei fiel in den Plänen Hitlers die Aufgabe zu, mit den anderen unzufriedenen Minderheiten in der Tschechoslowakei Verbindung aufzunehmen, in erster Linie mit den rund 700 000 Ungarn, dann aber auch mit den Slowaken, unter denen sich eine starke Gruppe befand, die sich besonders in Fragen der Sprachenpolitik und der Religionsausübung benachteiligt fühlte. Sie wurde angeführt von dem katholischen Geistlichen Andrej Hlinka, der bereits im Jahre 1918 ein entschiedener Verfechter der slowakischen Autonomie war. Jetzt schien er der geeignete Mann zu sein, die slowakischen Selbständigkeitsbestrebungen mit den Zielen der Sudetendeutschen Partei zu koordinieren. Am 8. Februar 1938 trafen sich Vertreter der SdP in Rosenberg mit Hlinka, um eine künftige Zusammenarbeit zu vereinbaren. Wie aus einer geheimen Aufzeichnung hervorgeht, sprach sich der slowakische Politiker dabei nachdrücklich für eine „selbständige slowakische Nation" aus und berief sich auf einen Vertrag zwischen Tschechen und Slowaken aus dem Jahre 1918, in welchem den Slowaken volle Selbstverwaltung zugesichert worden war 21).

Die tschechische Regierung blieb jedoch in Fragen, die eine Autonomie ihrer Nationalitäten betraf, unnachgiebig und lehnte es ab, irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Das geht aus einem Vermerk des Kanzleichefs Dr. Premysl Samal über eine Unterredung zwischen dem Staatspräsidenten Dr. Benesch und dem deutschen Gesandten in Prag, Ernst Eisenlohr, vom 16. Februar 1938 hervor. Darin heißt es: „Aus der Unterredung mit dem Gesandten Eisenlohr folgt eindeutig, daß die Deutschen in bezug auf uns mehr Angst haben, und daß wir für sie ein schweres Problem sind. Deutschland wird alles tun, um zu einem Übereinkommen mit uns zu gelangen. Es wird wieder mit Anerbieten kommen und mit uns sehr korrekt handeln. Deutschland hat nur ein Verlangen: daß wir mit ihm über unsere deutsche Minderheit verhandeln. Es verlangt dies aus Prestigegründen, um seinem Volke zu zeigen, daß die Nationalsozialisten überall auf Deutsche Einfluß ausüben und daß sie auf Veranlassung Berlins auch auf die Deutschen bei uns Einfluß ausüben können. Der Präsident sagte Eisenlohr sein kategorisches Nein in dieser Angelegenheit. Es sei gänzlich ausgeschlossen, daß wir in dieser Angelegenheit mit Berlin verhandeln könnten. Und er werde auch weder mit Henlein noch mit der Sudetendeutschen Partei verhandeln, auch nicht mit den deutschen Aktivisten, mit den Herren Spina und zech, und er werde darüber auch nie mit Deutschland verhandeln."

Es erregte daher in Prag großes Aufsehen, als Hitler am 20. Februar 1938 vor dem Deutschen Reichstag in Berlin darauf aufmerksam machte, „zwei der an unseren Grenzen liegen-gen Staaten umschließen eine Masse von über zehn Millionen Deutschen“, die „gegen ihren eigenen Willen durch die Friedensverträge an 22 einer Vereinigung mit dem Reiche verhindert"

werden Diese Äußerung, die neben Österreich auch deutlich auf die Tschechoslowakei zielte, rief bei der tschechischen Regierung tiefe Beunruhigung hervor. In einem Vortrag traf der tschechoslowakische Außenminister Dr. Krofta die Feststellung, daß der deutsche Gesandte in Prag sich neuerdings immer mehr in Fragen, welche die inneren Verhältnisse der CSR betrafen, einschaltete und daß die Gesamtlage im Lande sich allgemein zugespitzt hätte. Im gleichen Sinne lehnte auch der amtierende Ministerpräsident Dr. Milan Hodza jede Einmischung in die innertschechischen Verhältnisse von außen ab, gab jedoch zu verstehen, daß er weiterhin bereit sei, den Sudetendeutschen ein Höchstmaß an Selbstverwaltung einzuräumen und auch die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, wieder mit Henlein zu verhandeln.

Durch den „Anschluß" Österreichs hatte sich die strategische Lage der Tschechoslowakei mit einem Schlag erheblich verschlechtert, weil sie an der österreichischen Grenze nur wenige provisorische Befestigungsanlagen besaß und durch die deutsche Annexion wichtige

Verkehrs-und Handelsverbindungen mit dem Ausland unterbunden waren.

Die Einverleibung Österreichs in das Deutsche Reich gab andererseits der Sudetendeutschen Partei großen Auftrieb. Ein Aufruf Konrad Henleins an die aktivistischen Parteien, welche noch eine 'Zusammenarbeit mit der Prager Regierung praktizierten oder für möglich hielten, die SdP als einzige Trägerin des Einheitswillens des gesamten Sudetendeutschtums zu betrachten, hatte Erfolg. Die bürgerlichen Parteien, „Bund der Landwirte" und „Cristlich-Soziale Volkspartei", lösten sich auf und* schlossen sich der Sudetendeutschen Partei an. Der deutsche Geschäftsträger in Prag versuchte, Henlein und seine Partei auf die Zusage zu verpflichten, nur diejenigen Richtlinien als bindend zu betrachten, die ihnen im Auftrag des Reichsaußenministeriums durch die deutsche Gesandtschaft übermittelt wurden. Der Sudetenführer lehnte es ab, diese Verpflichtung abzugeben, zumal er eigene Beziehungen zu Hitler unterhielt und auch Kontakte zu anderen einflußreichen Persönlichkeiten des Dritten Reiches hatte.

IV. Die Haltung Frankreichs und Großbritanniens 1938

Als sich durch Hitlers Drohungen und durch den „Anschluß" Österreichs an Deutschland im März 1938 die Lage der Tschechoslowakei immer mehr verschlechtert hatte, wandte sich die Prager Regierung um Hilfe an die Westmächte. Auf der Grundlage des französisch-tschechoslowakischen Freundschaftsvertrages vom 25. Januar 1924, dem durch Geheimnoten der Charakter eines defensiven Militärbündnisses gegeben worden war, glaubte sie, besonders von Paris Januar 1924, dem durch Geheimnoten der Charakter eines defensiven Militärbündnisses gegeben worden war, glaubte sie, besonders von Paris Unterstützung zu erhalten, zumal am 16. Oktober 1925 im Anschluß an das Vertragswerk von Locarno ein gegenseitiger Defensivpakt abgeschlossen worden war, der bei einer kriegerischen Verletzung der Locarno-Verpflichtungen Deutschlands gegenüber Frankreich oder der Tschechoslowakei gegenseitigen militärischen Beistand im Sinne der Völkerbundssatzung vorsah 24).

Daneben hatte die CSR am 16. Mai 1935 noch einen Defensivpakt mit der Sowjetunion geschlossen. Dieser Vertrag sah eine beschränkte gegenseitige Pflicht zur militärischen Hilfe-leistung vor, setzte jedoch voraus, daß Frankreich dem angegriffenen Land zuerst zu Hilfe kommen werde 25).

Folgerichtig setzte die tschechoslowakische Regierung ihr größtes Vertrauen auf Frankreich, welches sie als „Schöpfer und Garanten des Staates betrachtete" Die enge Verbundenheit zwischen Paris und Prag kam auch durch die Tatsache zum Ausdruck, daß sich eine starke französische Militärmission ständig in der tschechischen Hauptstadt aufhielt und den Aufbau und die Organisation der tschechoslowakischen Armee leitete. Mit Hilfe dieser französischen Militärberater gelang es der SR, zu der am modernsten ausgerüsteten Militärmacht im mitteleuropäischen Raum aufzusteigen. Der französische Ministerpräsident Leon Blum, der seit 1936 an der Spitze einer sogenannten Volksfrontregierung (Koalition zwischen Sozialisten und Kommunisten) stand, und sein Außenminister Joseph Paul-Boncour hatten sich bisher als konsequente Gegner des nationalsozialistischen Deutschland und als entschiedene Freunde Prags erwiesen. Das zeigte sich in den wiederholten Erklärungen Blums, in denen er betonte, daß Frankreich seinen Bündnisverpflichtungen gegenüber der Tschechoslowakei nachkommen werde. Dagegen bezweifelten sein Kriegsminister Eduoard Daladier und die maßgeblichen Militärs, daß Frankreich der SR im Ernstfälle eine wirksame Hilfe leisten könnte. Während sich der französische Generalstabschef, General Gamelin, über französische Offensivmöglichkeiten gegen Deutschland und einen militärischen Einsatz der Sowjetunion zugunsten der Tschechoslowakei nur pessimistisch äußerte, hielt Kriegsminister Daladier jede direkte Unterstützung Prags durch Frankreich für praktisch ausgeschlossen.

Noch hoffnungsvoller sah der britische Premierminister Neville Chamberlain die Lage der CSR. Er war von vornherein der Meinung, daß kein europäischer Staat die Tschechoslowakei retten könne, wenn Hitler sie überrennen wollte. Sein Land dürfe es daher auf keine Machtprobe mit Deutschland ankommen lassen. Er notierte darüber in sein Tagebuch unter dem Datum des 20. März 1938: „Die Russen ziehen insgeheim und verschlagen alle Fäden hinter der Szene, um uns in einen Krieg mit Deutschland zu verwickeln . . . Die Deutschen sind aufgebläht vor Triumph und ihrer Macht allzusehr bewußt. Die Aussichten sind in der Tat schwarz . .. Man braucht nur auf die Landkarte zu sehen, um zu erkennen, daß nichts, was Frankreich und wir tun können, möglicherweise die Tschechoslowakei davor bewahren kann, von den Deutschen überrannt zu werden, wenn das Deutsche Reich es will. Die österreichische Grenze ist praktisch offen, die großen Skoda-Werke sind innerhalb der Reichweite der deutschen Bomber, die Eisenbahnen gehen alle durch deutsches Gebiet. Rußland ist meilenweit entfernt. Wir können daher der Tschechoslowakei nicht helfen. Sie würde nichts als ein Vorwand für uns sein, Krieg mit Deutschland anzufangen. Daran aber dürfen wir nur denken, wenn wir eine vernünftige Aussicht haben darauf, Deutschland in einer angemessenen Zeit auf die Knie zu zwingen, und ich sehe dafür keinerlei Aussichten. Ich habe daher jegliche Idee fallen lassen, der Tschechoslowakei Garantien zu geben oder den Franzosen im Zusammenhang mit ihren Verpflichtungen gegenüber der Tschechoslowakei Versprechungen zu machen."

Im Sinne dieser Überlegungen ließ der britische Außenminister Viscount Halifax am 22. März 1938 der französischen Regierung eine Denkschrift übergeben, in welcher er die Weigerung seines Landes begründete, automatisch auf die Seite Frankreichs zu treten, wenn dieses für die Existenz der Tschechoslowakei einen Krieg gegen das Deutsche Reich beginnen würde, denn die Lge der SR sei aussichtslos.

Im Gegensatz zur Haltung Großbritanniens erklärte der sowjetische Volkskommissar des Äußeren, Maxim Litwinow, die Bereitschaft seiner Regierung, sofort mit anderen Mächten in Beratungen einzutreten, um die mögliche Kriegsgefahr in Mitteleuropa zu bannen. Dabei unterstrich er, daß die „Sowjetregierung im Falle eines Angriffs auf die Tschechoslowakei ihren Verpflichtungen nachkommen" würde

Premierminister Chamberlain, „der Frieden um jeden Preis wollte" zog dieses verschleierte Allianzangebot des Kreml überhaupt nicht in Erwägung, da sein Mißtrauen gegen das bisherige sowjetische Verhalten zu groß war. Er argwöhnte, daß die Sowjets nur den Plan verfolgten, die Westmächte in einen Krieg mit Hitler-Deutschland zu verwickeln, um am Ende in machtvoller Position das entscheidende Wort zu sprechen. Statt politische und militärische Vorkehrungen gegen einen etwaigen Angriff Deutschlands auf die SR zu treffen, konzentrierte sich die britische Regierung darauf, mäßigend auf das Prager Kabinett einzuwirken und die Empfehlung zu geben, ihr Verhältnis zu den Minderheiten zu harmonisieren und bestehende Differenzen zu beseitigen. In einem Gespräch, das der britische Botschafter in Berlin, Sir Neville Henderson, mit dem tschechoslowakischen Gesandten bei der deutschen Regierung, Vojtech Mästny, im März 1938 führte, wurde deutlich, daß die Londoner Regierung nur in einem baldigen Entgegenkommen Prags in Fragen der Selbstbestimmung der nationalen Minderheiten eine Möglichkeit zur friedlichen Lösung dieses Problems sah. Nach dem Bericht Mästnys an seine Regierung führte Henderson ihm gegenüber aus: „Es ist der Tschechoslowakei durch zwanzig Jahre nicht gelungen, die Fragen ihrer Minderheiten zu lösen. Durch eine solche dauernde Last bedroht die Tschechoslowakei ernsthaft ihre Zukunft; die Deutschen in der Republik haben seither ihre Rechte nicht erhalten. England hat darüber ernsthafte Informationen. Die Deutschen müssen in irgendeiner Form eine Autonomie erhalten. Warum nicht lieber rechtzeitig das schweizerische System mit einer eventuellen Änderung der Benennung des Staates nach dem Beispiel Jugoslawiens durchführen? Die Autonomie wünschen ja nicht nur die Deutschen, sondern auch die übrigen Minderheiten und namentlich die Slowaken."

Während man sich in britischen Kreisen Gedanken über die Lösung der Minderheiten-frage in der CSR machte, begann die Führung der Sudetendeutschen Partei eine politische Offensive gegen die bisherige Haltung der Prager Regierung. Am 24. April 1938 stellte Konrad Henlein auf einem Parteitag der SdP in Karlsbald folgende Forderungen auf:

„Volle Gleichberechtigung und Unabhängigkeit der sudetendeutschen Volksgruppe;

Feststellung und Anerkennung des deutschen Siedlungsgebietes;

Aufbau einer deutschen Selbstverwaltung im deutschen Siedlungsgebiet in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, soweit es sich um Interessen und Angelegenheiten der deutschen Volksgruppe handelt;

Schaffung gesetzlicher Schutzbestimmungen für jene Staatsangehörigen, die außerhalb des geschlossenen Siedlungsgebietes ihres Volkstums leben;

Beseitigung des dem Sudetendeutschtum seit 1918 zugefügten Unrechts und Wiedergutmachung der ihm durch dieses Unrecht entstandenen Schäden;

Anerkennung und Durchführung des Grundsatzes: Im deutschen Gebiet deutsche öffentliche Angestellte."

Henleins Programm stellte in einigen Punkten einen Rückgriff auf die Versprechungen dar, welche die tschechoslowakische Regierung in ihrer Note vom 20. Mai 1919 an die Pariser Friedenskonferenz gemacht hatte aber dann in der Praxis zu verwirklichen vergaß, lief jedoch im großen und ganzen auf die Schaffung eines Dreimächtestaates der Tschechen, Deutschen und Slowaken hinaus. Die Prager Regierung lehnte daher diese Forderungen als unerfüllbar ab. Erst als sich durch den Rücktritt Leon Blums und durch Hitlers Kriegsvorbereitungen an der deutsch-tschechischen Grenze die Lage der SR wieder bedrohlich verschlechterte, ließ sie sich auf Verhandlungen über die Karlsbader Forderungen Henleins ein. Am 28. und 29. April 1938 trafen sich der neue französische Ministerpräsident Edouard Daladier und sein Außenminister Georges Bonnet mit ihren britischen Kollegen in London, um eine gemeinsame Haltung in der tschechoslowakischen Frage zu erarbeiten. Sie einigten sich darauf, gemeinsam in Prag vorstellig zu werden und die tschechoslowakische Regierung zu einer Verständigung mit den Sudetendeutschen aufzufordern. Damit hatte sich die Richtung Neville Chamberlains durchgesetzt. Für ihn galt der traditionelle Grundsatz der englischen Außenpolitik, ohne zwingenden Anlaß keinerlei bindende Verpflichtungen gegenüber den Staaten einzugehen, welche jenseits des Rheins lagen. Der britische Premier glaubte mit dieser „no-committment-and-appeasement-policy" einen Weg gefunden zu haben, mit welchem ein kriegerischer Konflikt vermieden werden könnte.

Trotz wiederholter britischer Demarchen in Prag, auf dem Verhandlungswege eine Regelung des sudetendeutschen Problems anzustreben, blieb Staatspräsident Benesch, der praktisch die tschechische Innen-und Außenpolitik bestimmte, bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber den Autonomieforderungen der Sudetendeutschen Partei. Er hielt eine vorbehaltlose Erfüllung der Selbstverwaltungswünsche für gefährlich, da nach seiner Meinung die völlige Unabhängigkeit der Sudetendeutschen das gesamte tschechoslowakische Staatswesen auseinandersprengen würde. Mitten in diesen spannungsgeladenen Tagen des April 1938 tauchten in der SR Gerüchte auf, wonach es an der deutsch-tschechischen Grenze Truppenzusammenziehungen der deutschen Wehrmacht gäbe. Die tschechische militärische Führung wollte sich nach den Erfahrungen mit Hitlers plötzlichem Dsterreich-Einmarsch nicht überraschen lassen und forderte daher die sofortige Mobilmachung der Armee. Ein Jahrgang der Reserve und fünf Jahrgänge der Spezialwaffen (Luftwaffe, Panzer, Sicherheitsdienst und Heimatwehr), insgesamt etwa 180 000 Mann, wurden zusätzlich einberufen. In die gut ausgebauten Festungsanlagen und Verteidigungsstellungen an der nordböhmisch-deutschen Grenze rückten 300 000 modern ausgerüstete tschechische Soldaten. Neben der Abwehr eines befürchteten deutschen Angriffs sollte mit dieser Streitmacht auch die Stärke des Staates eindringlich vor Augen geführt und gleichzeitig auch die gerade anstehenden Gemeindewahlen im Sinne der Prager Regierung beeinflußt werden. Zudem konnte ein kurzfristig herbeigeführter Staatsnotstand die Regierung der Notwendigkeit entheben, den Sudetendeutschen weitere Konzessionen zu machen.

Die tschechoslowakische Teilmobilmachung war übrigens ohne Kenntnis der deutschen Angriffspläne („Unternehmen Grün") erfolgt. Obwohl Hitler zu diesem Zeitpunkt an keinen Angriff dachte, fühlte sich die durch die deutsche Propaganda beunruhigte Prager Regierung tatsächlich militärisch bedroht und hatte sich zu diesem vorbeugenden Schritt entschlossen. Die internationale Presse stellte die tschechischen Mobilmachungsmaßnahmen als einen großen Erfolg der Tschechoslowakei und eine schwere Niederlage Hitlers hin. Prager Regierungskreise machten sich diese Version zu eigen und gaben ihrer großen Genugtuung über den reibungslosen Ablauf der Mobilmachung Ausdruck, der sich alle Nationalitäten, auch die Sudetendeutschen, ohne Widerstand gefügt hatten. In der öffentlichen Meinung Europas entstand der Eindruck, als sei Hitler vor den Maßnahmen der tschechischen Regierung zurückgewichen. Dieser fühlte sich durch eine solche Auslegung der Ereignisse gekränkt und drängte auf eine baldige Aktion. Sein Entschluß, die Tschechoslowakei zu zerschlagen, wurde zwar nicht erst nach dem 20. Mai 1938 gefaßt aber die schon lange vorhandene Absicht erhielt dadurch neuen Auftrieb. Hatte die tschechische Regierung geglaubt, durch ihre Mobilisierungsmaßnahmen die sudetendeutsche Bevölkerung ein-schüchtern zu können, so sah sie sich in dieser Erwartung bald gründlich enttäuscht. Die im 22. Mai 1938 durchgeführten Gemeindewahlen erbrachten einen überwältigenden Sieg für die Sudetendeutsche Partei, welche über neunzig Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte.

Dieses Wahlergebnis blieb nicht ohne Wirkung auf die europäische Öffentlichkeit. Ein erstes Echo war in dem Leitartikel der angesehenen Londoner Zeitung „Times" enthalten. Darin hieß es in der Ausgabe vom 3. Juni 1938: „Die starre Anwendung des Grundsatzes der Selbstbestimmung ist offenkundig nicht überall möglich. Aber die Sudetendeutschen haben einen unbezweifelbaren Anspruch darauf, daß eine Ungerechtigkeit, wie sie der Versailler Vertrag begründete, korrigiert wird. Für das Plebiszit läßt sich auch aus einem anderen Grunde noch viel sagen. Denn es würde ein willkommenes Beispiel eines friedlichen Wandels in der Welt darstellen, immer vorausgesetzt, daß die Sudetendeutschen wünschen, mit Deutschland vereinigt zu werden. In der Vergangenheit ist man viel zu starr dabei gewesen, den Status quo aufrechtzuerhalten bis zu einem Ausmaß, daß nur die Gewalt ihn ändern kann. Es ist vielleicht verständlich, daß die Tschechische Regierung nicht gern in ein Plebiszit einwilligt, das wahrscheinlicherweise in die Forderung der Sudetendeutschen ausläuft, mit dem Reich vereinigt zu werden, und so den Verlust des Sudetengebietes für die tschechische Republik nach sich zieht. Trotz alledem könnten die Herrscher der Tschechoslowakei, wenn sie sich dazu verstehen könnten und eine ähnliche Wahl auch den anderen Minderheiten, den Ungarn und Polen freistellen, zuletzt doch die Gewinner insofern sein, als sie ein homogeneres und zufriedeneres Volk haben würden ... Es würde ein drastisches Heilmittel für die gegenwärtige Unruhe sein. Aber irgend etwas Drastisches muß wahrscheinlich getan werden."

Wenn auch die englische Regierung sofort offiziell dementierte, daß in dem Leitartikel ihre Ansichten wiedergegeben wurden, so hatte er doch die allgemeine Meinung zum Ausdruck gebracht, daß keine Neigung vorhanden war, für die Tschechoslowakei einen Krieg zu beginnen. Nachdem militärische Aktionen gegen eine deutsche Aggression auf die ÖSR damit endgültig aus dem Bereich der Möglichkeiten ausgeschieden waren, mußte ein Verhandlungsweg zur Beilegung der sudetendeutschen Krise gefunden werden.

V. Die Mission Lord Runcimans

Als sich im Juli 1938 die Meldungen über eine Verschärfung der Lage in der Tschechoslowakei mehrten, entschloß sich der britische Premierminister Chamberlain zu einer ungewöhnlichen diplomatischen Aktion. Er berichtete darüber vor dem Londoner Unterhaus:

„England hat im engsten Einvernehmen mit Frankreich alles getan, um eine friedliche Lösung des Streites zu erleichtern. Es wurde behauptet, daß die britische Regierung die tschechoslowakische Regierung zur Eile drängt; das Gegenteil ist richtig. Die Besorgnis Großbritanniens war es vielmehr, daß die tschechoslowakische Regierung eine so heikle Angelegenheit zu hastig behandelt und daß die beiden Parteien sich in eine Lage begeben, in der es kein Verhandeln mehr gibt. Falls eine Vereinbarung zwischen Herrn Henlein und der tschechoslowakischen Regierung zustande käme, bevor das Nationalitätenstatut dem Parlament vorgelegt wird, so wäre dies die beste Lösung. Da es zweifelhaft erschien, ob eine einvernehmliche Regelung ohne irgendeine Hilfe von außen zustande kommen wird, untersuchte die britische Regierung die Frage, wie sie ihre Hilfe anbieten könnte. Die britische Regierung hat daher der Bitte der tschechoslowakischen Regierung zugestimmt, daß eine Persönlichkeit mit entsprechenden Erfahrungen als Untersucher Und Mittler in voller Unabhängigkeit von der britischen Regierung und allen anderen Regierungen die Angelegenheit prüft. Lord Runciman hat bereits zugesagt, die Mission zu übernehmen. Er ist kein Schiedsrichter und kein Berater, sondern ein Untersucher und Mittler. Er wirkt als unabhängige und un-parteiliche Persönlichkeit."

Runciman, der mit einem Stab von Fachleuten in die Tschechoslowakei reiste,, nahm sofort Verbindung mit allen erreichbaren sudetendeutschen und tschechoslowakischen Persönlichkeiten Und amtlichen Stellen auf. Am 10. August 1938 gab Lord Runciman dem britischen Außenminister Lord Halifax einen Zwischenbericht. Darin schrieb er u. a.: „Inzwischen habe ich lange Unterredungen mit den hauptsächlichen Persönlichkeiten gehabt einschließlich des Präsidenten, des Minister

Präsidenten, der wichtigsten Kabinettsminister ebenso wie mit dem Kardinalerzbischof.., Wohin treiben wir? Die Antwort können Sie ebensogut wie ich geben. Der Erfolg hängt davon ab, ob der Führer Krieg will oder nicht... Es ist eine pathetische Seite der gegenwärtigen Krise, daß das gemeine Volk mich und meine Mission als die einzige Hoffnung ansieht, Frieden zu erreichen. Es erkennt nicht, wie schwach unsere Möglichkeiten sind, etwas zu erzwingen, und ich fürchte den Augenblick, wo es herausfinden wird, daß nichts es retten kann

Am 11. August 1938 richtete der Klub der Abgeordneten der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei ein Schreiben an Lord Runciman, in welchem er den britischen Sonderbotschafter über die Ursachen der damaligen wirtschaftlichen Notlage aufklärte. Zur Behebung dieser Krise schlugen die deutschen Sozialdemokraten eine spezielle wirtschaftlich-soziale Hilfeleistung für die außerordentlich hart betroffenen Sudetengebiete vor, um das Lebensniveau der Bevölkerung spürbar zu heben und damit dem politischen Radikalismus den Nährboden zu entziehen. Hinsichtlich der Möglichkeiten, zu einem Interessenausgleich zwischen Deutschen und Tschechen in der SR zu kommen, äußerten sie sich zuversichtlich, falls sich die tschechoslowakische Regierung dazu verstünde, die Gleichberechtigung der Nationalitäten in der Tschechoslowakei zu verwirklichen und die Lebensrechte der sudetendeutschen Bevölkerung in vollem Umfange zu respektieren. Wörtlich erklärten sie dann weiter: „Die gleichen (demokratischen) Prinzipien aber verlangen, daß in außenpolitischen Fragen die Lebensinteressen der kleinen Völker nicht dem Diktat ihrer großen Nachbarn ausgeliefert werden. Als deutsche Demokraten sind wir uns dessen bewußt, daß als Gegenleistung (zu den Forderungen an die tschechische Regierung) vom deutschen Standpunkte aus die Lebensinteressen des tschechischen Volkes anerkannt werden müssen. Es wäre ein Unglück für das gesamte deutsche Volk, wenn eine derzeit im Vordergrund stehende politische Richtung eine Lösung des sudetendeutschen Problems erzwingen würde, welche nicht vom Geiste der Gleichberechtigung getragen ist, sondern von dem Streben nach deutscher Vorherrschaft in Mitteleuropa bestimmt wird. Dadurch würden alle Möglichkeiten einer Verständigung zwischen Sudetendeutschen und Tschechen auf unabsehbare Dauer verschüttet."

In einem dem Brief angefügten Memorandum gaben die Sozialdemokraten Runciman einen detaillierten Überblick über die wirtschaftliche Situation in den Sudetengebieten und führten Möglichkeiten an, wie die Lebensgrundlagen der Sudetendeutschen verbessert werden könnten. Sie schließen mit der Feststellung: . Die Entscheidung, ob die sudetendeutsche Frage zum Ausgangspunkt eines nationalsozialistischen Expansionskrieges wird, liegt nicht in unserer Hand. Sie wird entscheidend von dem Einsatz der demokratischen Welt-kräfte gegen die faschistische Kriegspolitik bestimmt werden. Gelingt es dem Einsatz der Friedenskräfte, die kriegerische Eventualität zu bannen, dann sehen wir alle Voraussetzungen für eine positive innerpolitische Lösung des sudetendeutschen Problems gegeben. In dem Ausmaße der Normalisierung der Verhältnisse werden auch in der sudetendeutschen Politik die Tendenzen der Redernokratisierung die Oberhand gewinnen."

Mit dem Sprecher jener politischen Kraft, welche nach Aussage der Sozialdemokraten keine Einigung mit der tschechoslowakischen Regierung wünschte, der Sudetendeutschen Partei, traf sich Lord Runciman am 18. August 1938 auf Schloß Rothenhaus bei Görkau. Konrad Henlein versuchte dabei den britischen Sonderbotschafter davon zu überzeugen, daß die Nationalitätenprobleme der SR unlösbar seien, solange man sich in Prag nicht bereit finde, die nichttschechischen Bevölkerungsteile gleichberechtigt an der Staatsführung zu beteiligen oder ihr Selbstbestimmungsrecht zu respektieren. Der SdP-Führer übergab Runciman eine umfangreiche Dokumentation über die politische und wirtschaftliche Lage der Sudetendeutschen und stellte am Ende der Unterredung dem britischen Gast drei Vertreter der deutschen Bevölkerung von Brüx vor, welche als Augenzeugen von dem rücksichtslosen Eingreifen der tschechischen Staatspolizei in eine Versammlung der Sudetendeutschen Partei berichteten. Diese Schilderung machte auf die Engländer sichtlich großen Eindruck, zumal sie hörten, daß solche Vorfälle täglich vor-kämen. Wie aus einer Gedächtnisniederschrift über diese Begegnung Runcimans mit Henlein hervorgeht, erwog man innerhalb der britischen Mission daraufhin den Gedanken, eine internationale Armee zum Schutze der Sudetendeutschen nach Nordböhmen zu entsenden Zunächst wandten sich die Briten an den tschechoslowakischen Ministerpräsidenten Hodza und forderten in scharfer Form, daß alles getan werde, um den Schutz der sudetendeutschen Bevölkerung zu gewährleisten.

Um ihren guten Willen unter Beweis zu stellen und nicht als Schuldiger dazustehen, erklärte sich die Prager Regierung trotz erheblicher Bedenken in den eigenen Reihen zu weiteren Konzessionen gegenüber den Sudetendeutschen bereit. Sie ließ ihre Absicht erkennen, drei autonome deutsche Kreise einzurichten, tschechische gegen deutsche Beamte auszutauschen und eine wirtschaftliche Förde-rung für die Notstandsgebiete einzuleiten. Sie versprach sogar, die Staatspolizei zurückzuziehen, falls sich in den Unruhegebieten die Lage beruhige.

Noch während sich Lord Runciman in der Tchechoslowakei aufhielt, kam es darüber zu ersten Gesprächen zwischen der tschechischen Staatsführung und Vertretern der Sudetendeutschen Partei. Auf tschechischer Seite führte Staatspräsident Dr. Eduard Benesch die Verhandlungen selbst. In zwei ausführlichen Aussprachen mit den Parlamentsabgeordneten Emst Kundt und Wilhelm Sebekovsky entwickelte er seine Vorstellungen, um eine gemeinsame Grundauffassung zu schaffen. Benesch gab dabei zu, daß in der Vergangenheit seitens der Prager Regierung Fehler gemacht worden waren, hielt aber auch der Sudetendeutschen Partei Intoleranz und mangelnde Konzilianz vor. Besonders beschwerte sich der tschechoslowakische Staatschef über die Taktik der SdP, Übergriffe einzelner tschechischer Beamter absichtlich an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren und derartige Vorkommnisse als die Regel hinzustellen. Benesch spielte damit auf die Begleitumstände der Unterredung Henleins mit Runciman in Rothenhaus an. Da die sudetendeutschen Gesprächspartner auf den Forderungen des Karlsbader Parteitages der SdP beharrten und Benesch seinerseits keine konkreten Vorschläge zur Behebung der bestehenden Spannungen unterbreitete, verliefen die Verhandlungen ergebnislos.

Lord Runciman gewann unter dem Eindruck der sich verschärfenden Spannungen zwischen der tschechischen Regierung und der sudetendeutschen Bevölkerung die Überzeugung, daß der alte tschechoslowakische Staat nicht mehr lebensfähig sei. Er war bei allem Bemühen um Sachlichkeit Henleins Argumenten nicht gewachsen, der sich seinerseits ins beste Licht setzte und alle Schuld an den bestehenden Zuständen der Prager Regierung anlastete. Dazu kam, daß der britische Sonderbotschafter keine sonderlich gute Meinung von Staatspräsident Benesch und seinen politischen Absichten hatte. In seinem am 16. September 1938 Premierminister Chamberlain vorgelegten Schlußbericht kam er zu folgenden Feststellungen: „Es wurde für mich zur Selbstverständlichkeit, daß jene Grenzgebiete zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland, in denen die Sudetenbevölkerung eine bedeutende Mehrheit ausmacht, sofort das volle Selbstbestimmungsrecht erhalten müssen. Wenn, wie ich glaube, eine bestimmte Gebietsabtrennung unvermeidlich ist, so wäre es erwünscht, daß dies rasch und ohne Verzögerung geschieht. Jedwedes Plebiszit und Referendum bezüglich dieser hauptsächlich deutschen Gebiete wäre meiner Meinung nach eine reine Formsache. Der überwiegende Teil ihrer Bevölkerung wünscht eine Verschmelzung mit Deutschland."

Nach Meinung Runcimans sollten die deutsch besiedelten Grenzgebiete der CSR sofort an Deutschland abgetreten werden Uhd die Modalitäten der friedlichen Übergabe, „einschließlich einer Sicherheitsgatahtie für die Bevölkerung in der Übergangsperiode" durch eine Vereinbarung der beiden Regieruhgen geregelt werden. Diese Empfehlung Lord Runcimans und Hitlers drohende Rede auf dem Nürnberger Parteitag der NSDAP am 12. September 1938, in weicher der deutsche Diktator die Tschechoslowakei einen „ständigen Unruheherd" nannte und für die dortige deutsche Bevölkerung das Selbstbestimmungsrecht forderte, bewogen Staatspräsident Benesch neben einem weiteren offiziellen Verhandlungsangebot an die Sudetendeutsche Partei die Abtretung gewisser Gebiete, die überwiegend von Sudetendeutschen besiedelt und nach militärgeographisch-strategischen Gesichtspunkten abgegrenzt waren, ins Auge zu fassen. In einer

geheimen handschriftlichen Anweisung an den Minister für Soziale Fürsorge, Jaromir Neas, von Mitte Septembet 1938 führte er aus: „ 1. Niemals erlauben, daß gesagt wird, der Plan komme von den Tschechoslowaken. 2. Er muß äußerst geheim gehalten werden, veröffentlicht werden darf nichts. 3. Er müßte nach genauer Abgrenzung des Gebietes, das wir abtreten könnten, durch uns insgeheim zwischen Frankreich und England vereinbart werden, da die Gefahr besteht, daß sich jene beiden Mächte im Augenblick, da wir den Grundsatz der Gebietshingabe zulassen, Hitler gegenüber nachgiebig zeigen und alles gebeh. 4. Der ganze Plan muß Hitler als in sich geschlossene Einheit und letzte Konzession vor-gelegt und ihm, zusammen mit anderen KonZessionen, aufgewuhgen werden. 5. Das würde bedeuten, daß Deutschland so und so viel tausend qkm Gebiet (ich weiß nicht genau wie viel; aber es werden wohl 4— 6000 qkm sein; in dieser Hinsicht darf man sich nicht festiegen) unter der Bedingung erhält, daß es wenigstens 1, 5— 2 Millionen der deutschen Bevölkerung übernimmt. Das würde also eine Bevölkerungsumsiedlung bedeuten, bei der die Demokraten, Sozialisten, Juden bei uns bleibeh würden." Wie der frühere französische Ministerpräsident Lo Blum am 30. Juli 1947 vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß in Paris bestätigte, hatte Minister Necas diese Vorstellungen Beneschs am 17. September 1938 der französischen Regierung zur Kenntnis gebrächt. Er war im Auftrage Staatspräsident Beneschs in die französische Hauptstadt gekommen und hatte erklärt, daß der tschechoslowakische Staatschef mit gewissen Gebietsabtrtungen einverstanden sei, vorausgesetzt, die militärischen Befestigungsanlagen würden dadurch nicht in Mitleidenschaft gezogen. Behesch was es anscheinend klar, als er vor dem Besuch Chamberlains in München erfuhr, daß Ehpland und Frankreich eine Abtretung deutschbesiedelter Gebietsteile in Betracht ziehen würden. Er versuchte daher, durch gewisse Konzessionen diese Abtretungen in seinem Sinne zu regulieren

VI. Diplomatische Aktivitäten vor der Münchener Konferenz

Durch Hitlers Rede vom 12. September 1938, die daran sich anschließenden schweren Zusammenstöße im Sudetenland und die Verhängung des Standrechtes in einigen Bezirken Nordböhmens durch die tschechoslowakische Regierung hatte sich die Lage in der CSR noch weiter verschärft. Premierminister Chamberlain verfolgte mit Besorgnis den Lauf der Entwicklung und sichtete am 14. September 1938 einen Brief an Hitler. Darin führte er aus: „Im Hinblick auf die zunehmend kritische Lage schlage ich vor, sofort zu Ihnen herüberzukommen, um zu versuchen, eine friedliche Lösung zu finden. Ich schlage vor, auf dem Luftwege zu kommen, und bin morgen zur Abreise bereit."

Hitler lud Chamberlain daraufhin für den 15. September 1938 nach Berchtesgaden ein. Auf dem Obersalzberg forderte Hitler die sofortige Abtretung des Sudetenlandes an das " Deutsche Reich. Chamberlain versprach, diese und andere Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen.

Am gleichen Tage erließ der Führer der Sudetendeutschen Partei, Konrad Henlein, in Eger eine Proklamation, in welcher es hieß: „Ohne jemals auf das Selbstbestimmungsrecht verzichtet zu haben, haben wir unter schwersten Opfern alles versucht, im tschechischen Staat unser Dasein zu sichern. Alle Bemühungen, das tschechische Volk und seine Verantwortungsträger zu einem ehrlichen und gerechten Ausgleich zu bewegen, sind an ihrem unversöhnlichen Vernichtungswillen gescheitert. Mit dem Einsatz von Maschinengewehren, Panzerwagen und Tanks gegen das wehrlose Sudetendeutschtum hat das tschechische Volk aller Welt vor Augen geführt, daß ein Zusammenleben mit ihm in einem Staate endgültig unmöglich geworden ist. Im Jahre 1919 wurden wir bei Vorenthaltung des uns feierlichst zugesicherten Rechtes auf Selbstbestimmung gegen unseren Willen in den tschechischen Staat gezwungen. Die Erfahrungen einer zwanzigjährigen Gewaltherrschaft und vor allem die schweren Blutopfer der letzten Tage verpflichten mich zu erklären: Wir wollen als freie deutsche Menschen leben. Wir wollen heim ins Reich!"

Als Antwort auf diesen Appell gab die Prager Regierung die Auflösung der Sudetendeutschen Partei bekannt. Henlein antwortete mit dem Befehl, entlang der Grenze das „Sudetendeutsche Freikorps" aufzustellen. Daraufhin erließ die tschechoslowakische Regierung am 17. September 1938 für das Gebiet des gesamten Staates eine Verordnung, welche die bürgerlichen Rechte, die durch die Verfassung garantiert wurden, einschränkte oder ganz aufhob. Einen Tag später, am 18. September 1938, trafen sich Chamberlain und Daladier in London, um Hitlers Forderungen zu erörtern. Die tschechoslowakische Regierung wies die beiden Regierungschefs in einer Mitteilung darauf hin, daß sie keine Verantwortung für irgendwelche Beschlüsse übernehmen könne, wenn sie nicht vorher gefragt werde. Unter dem Eindruck der Denkschrift Lord Runcimans und des Gespräches mit Hitler schlug der britische Premierminister seinem französischen Kollegen eine Volksabstimmung im Sudetenland vor. Daladier lehnte jedoch diesen Vorschlag ab und befürwortete eine glatte Abtretung der fraglichen Gebiete an Deutschland, damit die Angelegenheit ohne Mitwirkung Frankreichs und Großbritanniens zwischen Deutschen und Tschechen allein bereinigt werden könnte. Der französische Ministerpräsident dachte bei seinem Lösungsvorschlag auch an das geheime Memorandum Staatspräsident Beneschs, das ihm durch Leon Blum und Minister Necas zugespielt worden war, und glaubte auf diesem Wege auch die Interessen der Prager Regierung gebührend zu wahren. Premierminister Chamberlain erklärte sich schließlich mit dem Vorschlag Daladiers einverstanden. In Achtung vor dem tschechischen Wunsch, über jeden Beschluß informiert und befragt zu werden, sandten die beiden Regierungschefs am 19. September 1938 eine gemeinsame Botschaft an Staatspräsident Benesch. In dieser Note hieß es wörtlich: „Wir sind davon überzeugt, daß nach den jüngsten Ereignissen jetzt ein Punkt erreicht ist, wo das weitere Verbleiben der hauptsächlich von Sudetendeutschen bewohnten Bezirke innerhalb der Grenzen des tschechoslowakischen Staates tatsächlich nicht mehr ohne Gefährdung der Interessen der Tschechoslowakei selbst und des europäischen Friedens möglich ist. Im Lichte dieser Erwägungen sind beide Regierungen zu der Schlußfolgerung veranlaßt worden, daß die Aufrechterhaltung des Friedens und die Sicherheit der Lebensinteressen der Tschechoslowakei nur dann wirklich und wirksam gesichert werden können, wenn diese Gebiete jetzt an das Deutsche Reich abgetreten werden. Die zu übertragenden Gebiete würden wahrscheinlich Gebiete mit über fünfzig vom Hundert deutschen Einwohnern enthalten müssen."

Außerdem benachrichtigten Chamberlain und Daladier die Prager Regierung noch über folgende Vorschläge, die sie Hitler zur Lösung der sudetendeutschen Frage unterbreiten wollten:

1. Grenzfestsetzung zwischen der CSR und Deutschland durch eine internationale Kommission auf der Grundlage der Ergebnisse der letzten Gemeindewahlen und Möglichkeit eines Bevölkerungsaustauschs.

2. Weitgehende Autonomie nach den letzten Vorschlägen der Prager Regierung für gemischtsprachige Gebiete.

3. Neutralisierung der Tschechoslowakei; Aufgabe der Hilfeleistungspakte mit Frankreich und der Sowjetunion.

4. Garantie der neuen Tschechoslowakei durch die Nachbarstaaten sowie England, Frankreich und Italien.

Das Prager Kabinett beriet ausführlich über diese Vorschläge und teilte am 21. September 1938 den Regierungen in London und Paris in einer Note mit: „Die tschechoslowakische Regierung akzeptiert diese Vorschläge; sie nimmt diese Vorschläge unter der Voraussetzung an, daß das fragliche Gebiet bis zu dem Zeitpunkt tschechoslowakisch bleibt, an dem es möglich sein wird, nach Festlegen der neuen Grenzen durch eine internationale Kommission eine Gebietsübertragung durchzuführen.

Als diese Zustimmung des Prager Kabinetts eingetroffen war, flog Chamberlain ein zweites Mal nach Deutschland, um Hitler die britisch-französischen Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Der deutsche Diktator traf sich diesmal in Bad Godesberg mit dem britischen Premierminister. Er überreichte ihm im Verlaufe des Gesprächs ein deutsches Memorandum in welchem die endgültige Abtretung der sudetendeutschen Gebiete bis zum 1. Oktober 1938 gefordert wurde. Chamberlain versprach für die Zusicherung Hitlers, in der Zwischenzeit keinerlei kriegerische Schritte zu unternehmen, das deutsche Memorandum der tschechoslowakischen Regierung zuzuleiten.

Wie aus einer dem Memorandum beigefügten Anlage hervorgeht, wünschte die deutsche Reichsregierung die Übergabe des geräumten sudetendeutschen Gebietes „ohne jede Zerstörung oder Unbrauchbarmachung von militärischen, wirtschaftlichen und Verkehrsanlagen"

Premierminister Chamberlain leitete die deutsche Denkschrift vereinbarungsgemäß an die Prager Regierung weiter. Diese war am 23. September 1938 umgebildet worden. Andie Stelle des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Milan Hodza hatte General Syrovy die politische Führung übernommen. Dieser erklärte in einer Note vom 25. September 1938 an die britische Regierung, daß sein Kabinett . die volle Verantwortung für den Entschluß seines Vorgängers übernehme, die harten Bedingungen des sogenannten englisch-französischen Plans anzunehmen" Zugleich machte Syrovy aber darauf aufmerksam, daß sich seine Regierung nicht in der Lage sehe, die im deutschen Memorandum aufgestellten Forderungen zu erfüllen.

Die französische Regierung ließ nach dieser Stellungnahme Prags erklären, daß sie im Falle eines deutschen Angriffs auf die Tschechoslowakei marschieren würde. Doch die öffentliche Meinung in Frankreich wandte sich gegen diese Absicht. Politische Gruppen der äußersten Linken wie der extremen Rechten veröffentlichten Aufrufe und Resolutionen gegen ein Eingreifen Frankreichs in den deutsch-tschechischen Konflikt. Ehemalige Regierungsmitglieder wiesen darauf hin, daß Frankreich die Hauptlast eines Krieges zu tragen hätte und nicht England, das nicht einmal über eine wehrpflichtige Armee verfüge.

Am 25. September 1938 traf sich Daladier ein weiteres Mal mit den englischen Ministern in London, um die neue Lage zu besprechen. Er erklärte auf dieser Konferenz die Forderungen Hitlers an die Tschechoslowakei für unannehmbar. Premierminister Chamberlain würdigte zunächst die honorige Einstellung seines französischen Kollegen, fragte aber dann, mit welchen Mitteln das nicht ausreichend ausge-rüstete Frankreich mit seiner schwachen und zu einem großen Teil unmodernen Luftwaffe der Tschechoslowakei helfen wolle. Schließlich kam man überein, das Urteil des Ober-kommandierenden der französischen Streitkräfte, General Gamelin, einzuholen. Dieser stellte in seiner Analyse fest, daß sich die tschechoslowakische Armee erfolgreich verteidigen könnte, wenn sie sich rechtzeitig in das Innere des Landes zurückziehe und Teile des Grenzgebietes freiwillig opfere. Gamelin rechnete aber fest damit, daß dann die Rote Armee eingreifen und in Polen einbrechen werde. In diesem Falle hätte man Polen, das sich in der tschechoslowakischen Krise wegen seiner Ansprüche auf das Gebiet von Teschen eindeutig auf Deutschlands Seite gestellt habe, als potentiellen Kriegsgegner zu betrachten. Diese Aussichten lähmten Daladiers Bereitschaft, für die Existenz der Tschechoslowakei in einen Krieg zu ziehen.

Andererseits schien Hitlers Rede am 26. September 1938 im Berliner Sportpalast die Kriegsstimmung wieder anzuheizen. Er erklärte vor fanatisch ergebenen Parteigenossen: „Und nun steht vor uns das letzte Problem, das gelöst werden muß und gelöst werden wird! Es ist die letzte territoriale Forderung, die ich in Europa zu stellen habe, aber es ist die Forderung, von der ich nicht abgehe und die ich, so Gott will, erfüllen werde ... Ebenso will ich nun vor dem deutschen Volk erklären, daß in bezug auf das sudentendeutsche Problem meine Geduld jetzt zu Ende ist. Ich habe Herrn Benesch ein Angebot gemacht, das nichts anderes ist als die Realisierung dessen, was er selbst schon zugesichert hat. Er hat jetzt die Entscheidung in seiner Hand! Frieden oder Krieg!"

Ungeachtet dieser unverhüllten Drohungen des deutschen Diktators erklärten Chamberlain und Daladier nach ihren Londoner Besprechungen in einem gemeinsamen Kommunique am 26. September 1938, daß sie nach wie vor auf eine friedliche Beilegung des deutsch-tschechischen Konfliktes hofften. Wörtlich hieß es in der Verlautbarung: „Es ist noch möglich, diese durch Verhandlungen zu erreichen. Das deutsche Verlangen nach Abtretung der Sudetengebiete wurde durch die französische, britische und die tschechoslowakische Regierung bereits zugestanden."

Inzwischen hatte die tschechoslowakische Regierung die Mobilmachung der Armee angeordnet und sich auf die Abwehr eines möglichen deutschen Angriffs vorbereitet. Viele Tausende Sudetendeutsche entzogen sich dem Einberufungsbefehl durch Flucht nach Deutschland. Bis zum 27. September 1938 waren über 21 000 Sudetendeutsche in das benachbarte Sachsen und Bayern geflohen. Die Prager Regierung betrachtete sie als Deserteure und Fahnenflüchtige und drohte entsprechende Maßnahmen an. In dieser angespannten Atmosphäre unternahm Chamberlain einen letzten Versuch, um den drohenden Krieg abzuwenden. Er schickte einen seiner vertrautesten Mitarbeiter, Sir Horace Wilson, mit einem persönlichen Schreiben an Hitler nach Berlin, in welchem er diesen über die ablehnende Antwort aus Prag unterrichtete und vorschlug, daß deutsche und tschechische Regierungsvertreter über die Art und Weise der Übergabe des Sudentengebietes beratschlagen sollten. Er erklärte auch die Bereitschaft seiner Regierung, bei einem solchen Übereinkommen Hilfestellung zu leisten. Nachdem sich am 26. September 1938 auch der amerikanische Präsident Roosevelt vermittelnd eingeschaltet hatte und Hitler von London deutlich gemacht wurde, daß bei einem etwaigen deutsch-tschechisch-französischen Krieg Großbritannien Frankreich zu Hilfe kommen würde, verstand sich der deutsche Diktator zu der Versicherung bereit, nur bis zu der in dem Memorandum angegebenen Linie vorrücken, jeden Zugriff auf rein tschechisches Gebiet unterlassen und die Rest-Tschechoslowakei in ihrem Besitzstand garantieren zu wollen.

Chamberlain gab sich mit dieser Erklärung zufrieden, zumal der italienische Regierungschef Benito Mussolini, von der britischen Regierung um Vermittlung gebeten, bei Hitler erreichen konnte, daß dieser die bereits angesetzte Mobilmachung um 24 Stunden verschob M). Sie wurde dann endgültig für den 29. September 1938 geplant. Am 28. September gab Premierminister Chamberlain vor dem britischen Unterhaus eine Erklärung über die sudetendeutsche Frage ab. Er ging darin auch auf den Bericht Lord Runcimans ein und sagte: „Lord Runciman informierte uns, daß, obwohl seiner Ansicht nach die Verantwortlichkeit für den endgültigen Bruch der Verhandlungen in Prag bei den sudetendeutschen Extremisten liege, nichtsdestoweniger angesichts der jüngsten Entwicklung in den Grenzgebieten zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland, in welchen die deutsche Bevölkerung die Mehrheit besitzt, sofort das volle Recht der Selbstbestimmung gegeben werden sollte. Er gab der Meinung Ausdruck, daß die Abtretung des Gebietes unvermeidlich sei und daß diese rasch erfolgen sollte."

Zur gleichen Zeit, am Vormittag des 28. September 1938, suchte der französische Botschafter in Berlin, Andre Francois-Poncet, Hitler in der Reichskanzlei auf und erklärte ihm: „Sie täuschen sich, Herr Reichskanzler, wenn Sie etwa glauben, den Konflikt auf die Tschechoslowakei lokalisieren zu können. Wenn Sie dieses Land angreifen, stecken Sie damit ganz Europa in Brand. — Aber warum wollen Sie überhaupt dieses Risiko eingehen, wo Sie doch ohne Krieg die wesentlichsten Forderungen erfüllt erhalten können?"

VII. Die Konferenz von München

Während Francois-Poncet in Berlin mit Hitler sprach, suchte der britische Botschafter in Rom, Lord Perth, im Auftrag seines Premierministers den italienischen Regierungschef Mussolini auf, um ihm die Bereitschaft Chamberlains zu einer Konferenz über die sudentendeutsche Frage zu bekunden und den Duce um eine Vermittlungsaktion bei Hitler zu bitten. Mussolini schien sichtlich erleichtert, als Perth ihm diese Bitte vortrug, war er doch zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht an einer kriegerischen Lösung des Sudetenproblems interessiert, da die italienische Armee noch nicht genügend gerüstet war, um erfolgreich an einem Waffengang an der Seite Deutschlands teilzunehmen. Er versprach daher dem britischen Botschafter, beim deutschen Führer vor-stellig zu werden und ihm die Annahme des englischen Konferenzvorschlages zu empfehlen. Kaum hatte der Engländer das Palazzo Venezia verlassen, telephonierte Mussolini mit seinem Botschafter in Berlin, Bernardo Attolico, und wies ihn an, unverzüglich einen Vorstoß bei Hitler zu unternehmen. Dieser begab sich sofort in die Reichskanzlei und suchte um eine Unterredung mit dem deutschen Diktator nach, die ihm auch umgehend gewährt wurde. Attolico begrüßte Hitler mit den Worten: „Soeben hat die britische Regierung in Rom durch ihren Botschafter mitteilen lassen, daß sie eine Vermittlung des Duce in der sudetendeutschen Frage annehmen würde. Die Differenzpunkte hat sie als gering bezeichnet. Was Sie auch beschließen mögen, Führer, das faschistische Italien steht hinter Ihnen, läßt der Duce mitteilen. Der Duce ist aber der Ansicht, daß die Annahme dieses englischen Vorschlages günstig wäre, und bittet Sie, von einer Mobilmachung abzusehen." Hitler erwiderte dem italienischen Botschafter, daß er den Vorschlag Mussolinis annehme. über die Einberufung der Viererkonferenz nach München liegen unterschiedliche Berichte vor. Ein Augenzeuge der Ereignisse in der Reichskanzlei spricht davon, daß Neurath, nach einem vertraulichen Gespräch mit Göring, den Diktator für das Unternehmen gewonnen habe Nach einer anderen Über-lieferung hat Hitler nach seiner Zustimmung zur Abhaltung einer internationalen Konferenz Mussolini die Wahl überlassen, ob das Treffen in Frankfurt am Main oder in München stattfinden solle. Mussolini soll sich daraufhin für München ausgesprochen haben Am Nachmittag des 28. September 1938 jedenfalls wurde die Einladung zur Konferenz in München an die Regierung in London, Paris und Rom telephonisch weitergegeben.

Chamberlain erstattete zu dieser Zeit gerade seinen Bericht über die sudetendeutsche Frage vor dem Unterhaus. Als ihm während seiner Rede ein Zettel mit der telephonischen Einladung der deutschen Regierung zu einer Vier-konferenz nach München zugesteckt wurde, unterbrach er seine Ausführungen und teilte den Abgeordneten mit: „Soeben hat mich Herr Hitler zu einer Besprechung nach München eingeladen, um die sudetendeutsche Frage zu erörtern. Ich brauche wohl nicht zu sagen, wie meine Antwort ausfallen wird."

Wie Keith Robbins in seinem Buch „München 1938" berichtet! erhoben sich daraufhin alle Abgeordneten des Unterhauses und applaudierten. Auch der Oppositionsführer Attlee gab seine Zustimmung zur Konferenz

Als Such vn der französischen Regierung die Zusage des Ministerpräsidenten, hach München zu kommen, in Berlin eingetroffen war, erging in der Reichshauptstadt folgende amtliche Bekanntmachung: „Berlin 28. September. Der Führer hat den italienischen Regierungschef Benito Mussolini, den englischen Premierminister Neville Chamberlain, sowie den französischen Ministerpräsidenten Daladier zu einer Aussprache eingeladen. Die Staatsmänner haben die Einladung angenommen. Die Besprechung wird am 29. September vormittags in München stattfinden."

Mussolini und sein Außenminister, Graf Ciaho, waren die ersten, die nach München abreisten. Sie verließen am Abend des 28. September Rom mit dem Zug. Hitler und Ribbentrop fuhren ihnen entgegen und begrüßten sie in Kufstein, wo die italienische Delegation in Hitlers Sohderzug umstieg, um auf der Weiterfahrt nach München alle anstehenden Fragen miteinander abzusprechen. Man kam überein, daß Mussolini auf der Konferenz einen von Deutschland bereits vorher gebilligten Lösungsvorschlag als eigenen Beitrag zur Bereinigung des deutsch-tschechischen Konfliktes vorbringen sollte. Wie Erich Kordt berichtet, war der sogenannte „italienische Vorschlag" in Wahrheit nur eine italienische Übersetzung des am Abend des 28. September von Göring, Neurath und Weizsäcker ausgearbeiteten Vertragsentwurfs

Während sich die deutsche und die italienische Delegation über ein gemeinsames Vorgehen verständigten, verzichteten die Briten und die Franzosen auf vorherige gegenseitige Konsultationen. Chamberlain verließ London am 29. September und traf kurz vor 12 Uhr mit dem Flugzeug in München ein. Ministerpräsi-dent Daladier war bereits kurz nach 11 Uhr in München gelandet und hatte sich sofort in sein Quartier, das Hotel „Vier Jahreszeiten", begeben. Um 12. 45 Uhr eröffnete Hitler die Konferenz im „Führerbau" des „Braunen Hauses". Er gab in seiner Einführung nochmals einen kurzen Abriß der Entwicklung in der Tschechoslowakei, wie sie sich in seinen Augen darstellte. Dabei betonte er besonders den Umstand, daß seit der tschechischen Mobilmachung am 23. September 1938 über 240 000 Sudetendeutsche nach Deutschland geflohen seien und eine rasche Lösung ihrer Frage erwarteten. Ein weiteres Zögern „würde ein Verbrechen sein"

Premierminister Chamberlain, der als Nächster das Wort ergriff, stimmte Hitlers Forderung nach rascher Bereinigung der Krise zu. Daraufhin unterbreitete Mussolini den mit Hitler abgesprochenen Lösungsvorschlag, der sowohl von Chamberlain als auch von Daladier als Diskussionsgrundlage akzeptiert wurde. Kurz nach 3 Uhr nachmittags wurde die Konferenz unterbrochen und auf 4. 30 Uhr vertagt. Die britische und die französische Delegation wollten sich um 3. 30 Uhr zu einer gemeinsamen Besprechung treffen, um die von Mussolini vorgelegten Lösungsvorschläge miteinander zu erörtern, doch fand sich die französische Abordnung nicht zu diesem Gespräch ein. Damit wurde eine weitere Chance vertan, durch ein einheitliches Auftreten gegenüber Hitler das eine oder andere Zugeständnis vom deutschen Diktator zu erhalten.

Die beiden Regierungschefs hatten sich freilich bereits in der ersten Beratung Hitler gegenüber allzu nachgiebig gezeigt, als sie ihren Wunsch, einen tschechoslawakischen Vertreter zu den Verhandlungen hinzuzuziehen, bald wieder fallen ließen. Die in der britischen Delegation mitgereisten tschechischen Diplomaten mußten daher in München ungefragt und unbeteiligt das Ergebnis der Konferenz abwarten. Um 4. 30 Uhr wurden die Beratungen fortgesetzt. Über den Punkt eins des italienischen Vorschlags: Beginn der Räumung des Sudetenlandes durch die Tschechen am 1. Oktober 1938 wurde sofort Übereinstimmung erzielt. Der zweite Punkt, betreffend die Garantie, daß die Räumung des gesamten Sudetengebietes „ohne Zerstörung bestehender Einrichtungen bis zum 10. Oktober durchgeführt ist", wurde erst nach längeren Diskussionen angenommen. Es ging dabei auch um die Frage der Entschädigung für die von den Tschechen den Deutschen zu übergebenden staatlichen Liegenschaften und Gebäuden, die besonders Premierminister Chamberlain geklärt wissen wollte. Eine Regelung dieser Frage wurde nicht getroffen. Ministerpräsident Daladier zeigte sich am meisten an der Festlegung der neuen deutsch-tschechischen Grenze interessiert und konnte Hitler das Zugeständnis abringen, daß die endgültige Grenzziehung von einem internationalen Ausschuß, in dem auch die Tsechoslowakei vertreten war, vorgenommen werden solle.

Die Verhandlungen lösten sich dann in Einzel-besprechungen auf, die insbesondere anhand von Karten die zu räumenden Zonen sowie das zur Abstimmung zu bezeichnende Gebiet zum Gegenstand hatten. Die aufgrund dieser Besprechungen festgelegten Vereinbarungen wurden dann von einem Redaktionsausschuß der vier Mächte unter Mitwirkung der juristischen Berater der Delegationen endgültig formuliert und gegen 10 Uhr abends den Regierungschefs zur Genehmigung vorgelegt Außer der Räumung des Sudentenlandes durch die Tschechen wurde auf der Konferenz auch das Problem der polnischen und ungarischen Minderheiten in der CSR erörtert und darüber eine Zusatzerklärung vereinbart. Sie wurde zusammen mit drei weiteren Anlagen zum Münchener Abkommen in der Nacht vom 29. zum 30. September 1938 veröffentlicht.

VIII. Der Text des Münchener Abkommens und seiner Zusatzerklärungen

Nachdem sich die vier Regierungschefs auf den endgültigen Vertragstext geeinigt hatten, unterschrieben sie um Mitternacht das in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache abgefaßte Abkommen. Es hatte folgenden Wortlaut:

„München, den 29. September 1938.

Deutschland, das VereinigteKönigreich, Frankreich und Italien sind unter Berücksichtigung des Abkommens, das hinsichtlich der Abtretung des sudetendeutschen Gebietes bereits grundsätzlich erzielt wurde, über folgende Bedingungen und Modalitäten dieser Abtretung und über die danach zu ergreifenden Maßnahmen übereingekommen und erklären sich durch dieses Abkommen einzeln verantwortlich für die zur Sicherung seiner Erfüllung notwendigen Schritte.

1. Die Räumung beginnt am 1. Oktober.

2. Das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien vereinbaren, daß die Räumung des Gebietes bis zum 10. Oktober vollzogen wird, und zwar ohne Zerstörung irgendwelcher bestehender Einrichtungen, und daß die Tschechoslowakische Regierung die Verantwortung dafür trägt, daß die Räumung ohne Beschädigung der bezeichneten Einrichtungen durchgeführt wird.

3. Die Modalitäten der Räumung werden im einzelnen durch einen internationalen Ausschuß festgelegt, der sich aus Vertretern Deutschlands, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs, Italiens und der Tschechoslowakei zusammensetzt.

4. Die etappenweise Besetzung des vorwiegend deutschen Gebietes durch deutsche Truppen beginnt am 1. Oktober. Die vier auf der anliegenden Karte bezeichneten Gebietsabschnitte werden in folgender Reihenfolge durch deutsche Truppen besetzt:

Der mit I bezeichnete Gebietsabschnitt am 1. und 2. Oktober, der mit II bezeichnete Gebietsabschnitt am 2. und 3. Oktober, der mit III bezeichnete Gebietsabschnitt am 3., 4. und 5. Oktober, der mit IV bezeichnete Gebiets-abschnitt am 6. und 7. Oktober. Das restliche Gebiet vorwiegend deutschen Charakters wird unverzüglich von dem obenerwähnten internationalen Ausschuß festgestellt und bis zum 10. Oktober durch deutsche Truppen besetzt werden.

5. Der im Paragraph 3 erwähnte internationale Ausschuß wird die Gebiete bestimmen, in denen eine Volksabstimmung stattfinden soll. Diese Gebiete werden bis zum Abschluß der Volksabstimmung durch internationale Formationen besetzt werden. Der gleiche Ausschuß wird die Modalitäten festlegen, unter denen die Volksabstimmung durchgeführt werden soll, wobei die Modalitäten der Saar-Ab-Stimmung als Grundlage zu betrachten sind. Der Ausschuß wird ebenfalls den Tag festsetzen, an dem die Volksabstimmung stattfin-det; dieser Tag darf jedoch nicht später als Ende November liegen. 6. Die endgültige Festlegung der Grenzen wird durch den internationalen Ausschuß vorgenommen werden. Dieser Ausschuß ist berechtigt, den vier Mächten Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien in bestimmten Ausnahmefällen geringfügige Abweichungen von der streng ethnographischen Bestimmung der ohne Volksabstimmung zu übertragenden Zonen zu empfehlen. 7. Es ist ein Optionsrecht für den Übertritt in die abgetretenen Gebiete und für den Austritt aus ihnen vorgesehen. Die Option muß innerhalb von 6 Monaten vom Zeitpunkt des Abschlusses dieses Abkommens an ausgeübt werden. Ein deutsch-tschechoslowakischer Ausschuß wird die Einzelheiten der Option bestimmen, Verfahren zur Erleichterung des Austausches der Bevölkerung erwägen und grundsätzliche Fragen klären, die sich aus diesem Austausch ergeben. 8. Die Tschechoslowakische Regierung wird innerhalb einer Frist von 4 Wochen vom Tage des Abschlusses dieses Abkommens an alle Sudetendeutschen aus ihren militärischen und politischen Verbänden entlassen, die diese Entlassung wünschen. Innerhalb derselben Frist wird die Tschechoslowakische Regierung sudetendeutsche Gefangene entlassen, die wegen politischer Delikte Freiheitsstrafen verbüßen.

Adolf Hitler Neville Chamberlain Ed. Daladier Mussolini"

Zusatz zu dem Abkommen über die Garantie Englands und Frankreichs und die bedingte Garantie Italiens . und Deutschlands: „München, den 29. September 1938

Seiner Majestät Regierung im Vereinigten Königreich und die Französische Regierung haben sich dem vorstehenden Abkommen angeschlossen auf der Grundlage, daß sie zu dem Angebot stehen, welches in Paragraph 6 der englisch-französischen Vorschläge vom 19. Sep-tember enthalten ist, betreffend eine internationale Garantie der neuen Grenze des Tschechoslowakischen Staates gegen einen un-provozierten Angriff.

Sobald die Frage der polnischen und ungarischen Minderheiten in der Tschechoslowakei geregelt ist, werden Deutschland und Italien ihrerseits der Tschechoslowakei eine Garantie geben."

Zusätzliche Erklärung über die Zusammensetzung des internationalen Ausschusses: „München, den 29. September 1938

Die vier anwesenden Regierungschefs sind darüber einig, daß der in dem heutigen Abkommen vorgesehene Ausschuß sich aus dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, den in Berlin beglaubigten Botschaftern Englands, Frankreichs und Italiens und einem von der Tschechoslowakischen Regierung zu ernennenden Mitglied zusammensetzt."

Zusätzliche Erklärung über polnische und ungarische Minderheiten in der Tschechoslowakei:

„München, den 29. September 1938

Die Regierungschefs der vier Mächte erklären, daß das Problem der polnischen und ungarischen Minderheiten in der Tschechoslowakei, sofern es nicht innerhalb von 3 Monaten durch eine Vereinbarung unter den betreffenden Regierungen geregelt wird, den Gegenstand einer weiteren Zusammenkunft der hier anwesenden Regierungschefs der vier Mächte bilden wird.“

Zusätzliche Erklärung über die Zuständigkeit des internationalen Ausschusses: „München, den 29. September 1938

Alle Fragen, die sich aus der Gebietsübernahme ergeben, gelten als zur Zuständigkeit des internationalen Ausschusses gehörig." Die Nachrichten von der Unterzeichnung des Abkommens löste bei der Münchener Bevölkerung große Freude aus. Sie jubelte Chamberlain in der Nacht und am nächsten Tag weit mehr zu als Hitler, weil sie der Überzeugung war, daß nur durch das Eingreifen des britischen Premiers der Krieg verhindert worden war. Ähnliche Sympathiekundgebungen bereiteten die Münchener auch dem französischen Ministerpräsidenten Daladier, von dem bekannt geworden war, daß er Hitler während der Verhandlungen wiederholt die Stirn geboten hatte.

Hitler selbst schien mit dem Ergebnis der Münchener Konferenz nicht sonderlich zufrieden. Er fühlte sich in München von Chamberlain „hineingelegt" und äußerte später einmal über den britischen Premierminister ärgerlich: „Chamberlain, dieser Kerl, hat mir meinen Einzug in Prag verdorben."

Daß Hitler in München hat Zugeständnisse machen müssen, war auch die allgemeine Auffassung innerhalb der Militäropposition. Helmuth Groscurth, ein führender Kopf des militärischen Widerstandes gegen Hitler, notierte unter dem Datum des 28. und 30. September 1938 in sein Tagebuch: „Admiral (Canaris) teilt mit, daß Führer in München Daladier, Chamberlain Mussolini am 29. 9. trifft. Man faßt diesen Wandel nicht. Führer hat nun endlich nadigegeben, aber gründlich. Münchener Besprechungsergebnis wird bekannt. Starke Konzessionen des Führers!"

Richtig war, daß Hitler seine am 23. September 1938 Chamberlain in Godesberg überreichten Forderungen nicht hat voll durchsetzen können. Statt der darin verlangten Übergabe des gesamten, in seinen Grenzen eigenmächtig bestimmten sudetendeutschen Gebietes bis zum 1. Oktober 1938 mußte er sich im Münchener Abkommen — neben der Inbesitznahme von vier getrennten Zonen zwischen dem 1. und 7. Oktober — mit der Besetzung eines von einer internationalen Kommission abzugrenzenden Gebietes vorwiegend deutschen Charakters begnügen. Auch gab er im Gegensatz zum „Godesberger Memorandum“ das förmliche Versprechen einer Garantie der Rest-Tschechoslowakei nach Befriedigung der polnischen und ungarischen Gebietsforderungen. Vor allem hatte er sein heimliches Ziel nach einer sofortigen gewaltsamen Beseitigung der gesamten Tschechoslowakei nicht erreichen können

IX. Der Vollzug des Münchener Abkommens

Sofort nach Unterzeichnung des Vertragswerkes durch die vier Regierungschefs wurde der tschechischen Regierung in Prag der Wortlaut des Textes vom französischen und deutschen Geschäftsträger mit dem Bemerken übermittelt, daß man bis zum Mittag des 30. September 1938 eine Antwort erwarte. Außenminister Krofta teilte daraufhin den Gesandten Großbritanniens, Frankreichs und Italiens mit, daß seine Regierung mit den gegen ihren Willen getroffenen Beschlüssen einverstanden sein müsse. Ministerpräsident Syrovy verlas den Text des Abkommens im Rundfunk und erklärte den 30. September 1938 zum nationalen Trauertag. Auf einer Sitzung des Prager Kabinetts unterrichtete Staatspräsident Benesch die Minister, daß nach Aussagen der militärischen Sachverständigen jeder Widerstand gegen die deutsche Wehrmacht aussichtslos wäre. Es käme jetzt nur darauf an, die Einheit des Reststaates zu erhalten und innere Unruhen zu verhindern. In einem Erlaß gab Außenminister Krofta den tschechischen Auslandsmissionen Weisung, die Regierungen darauf hinzuweisen, daß den Deutschen durch die Besetzung des Sudetenlandes unzerstörte Festungsanlagen sowie Waffen und Munition im Werte von Milliarden in die Hände fielen

Während sich in Berlin der im Münchener Abkommen vorgesehene internationale Ausschuß konstituierte, sandte die polnische Regierung eine ultimative Note an die Tschechoslowakei, in welcher die sofortige Abtretung der Bezirke Teschen und Freistadt an Polen gefordert wurde. Da sich die Prager Regierung gegenüber diesem Verlangen wehrlos sah, mußte sie in diese Forderung einwilligen und an den polnischen Nachbarn ein Gebiet mit rund 250 000 Einwohnern — darunter auch viele Tschechen — abtreten.

Unterdessen rückten die deutschen Truppen gemäß den Vereinbarungen von München etappenweise in die Sudetengebiete ein. Sie wurden von der einheimischen Bevölkerung als Befreier von der tschechischen Fremdherrschaft begrüßt und herzlich willkommen geheißen Das an Deutschland angegliederte sudetendeutsche Gebiet, das von deutschen Truppen bis zum 10. Oktober 1938 besetzt wurde, umfaßte eine Gesamtfläche von rund 28 000 Quadratkilometern mit einer Einwohnerzahl von knapp 3, 6 Millionen Menschen.

Am 1. Oktober 1938 erließ Hitler eine Verordnung „über die Verwaltung der sudetendeutschen Gebiete", in welcher er Konrad Henlein zum „Reichskommissar für die sudetendeutschen Gebiete" ernannte. Vier Tage später, am 5. Oktober 1938, trat Staatspräsident Dr. Eduard Benesch freiwillig von seinem Amt zurück, um den Weg für eine neue staatliche Ordnung freizugeben. Er wandte sich in einer Abschiedsbotschaft an die Nation und begab sich dann ins Exil nach Amerika. Nach einer kurzen Interimszeit, in welcher Ministerpräsident Syrovy die Geschäfte des Staatspräsidenten wahrnahm, einigten sich die tschechoslowakischen Parteien, mit Ausnahme der inzwischen verbotenen Kommunisten, auf Dr. Emil Hacha als Nachfolger, der bisher Präsident des Obersten Verwaltungsgerichts der Tschechoslowakei gewesen war. Hacha, eine allgemein geachtete Persönlichkeit, verfügte jedoch über keinerlei politische Erfahrungen. Als kränklicher Mann fühlte er sich auch selbst den schweren Aufgaben, die an ihn herantraten, nicht gewachsen, zumal sich die Lage innerhalb des Landes immer mehr zuspitzte und der schwelende Gegensatz zwischen Tschechen und Slowaken jetzt erst im vollen Ausmaß zum Ausbruch kam. Deutschland gegenüber trat Staatspräsident Dr. Hacha für strikte Befolgung der in München festgelegten Richtlinien ein. Er wurde dabei unterstützt vom neuen Ministerpräsidenten, Rudolf Beran, und dessen deutschfreundlichem Außenminister, Dr. Chvalkovsky, welcher Hitler ver-sprach, die einst von Benesch verfolgte Politik der Zusammenarbeit mit Frankreich und der Sowjetunion zu verlassen.

Am 13. Oktober 1938 legte der internationale Ausschuß die Demarkationslinie zwischen der Rest-Tschechoslowakei und dem Deutschen Reich fest und beschloß — damit einem deutschen Wunsch Rechnung tragend — einstimmig, auf die im Münchener Vertrag vorgesehene Volksabstimmung in Böhmen und Mähren zu verzichten. Die deutsche Reichs-regierung und die tschechoslowakische Regierung einigten sich am 20. November 1938 darauf, daß die vom internationalen Ausschuß festgelegte Demarkationslinie die endgültige Staatsgrenze zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei darstellen solle. Außerdem schlossen sie einen Vertrag über die noch offenen Staatsangehörigkeits-und Optionsfragen. Am 21. November 1938 erließ die deutsche Reichsregierung ein Gesetz „über die Wiedervereinigung der sudetendeutschen Gebiete mit dem Deutschen Reich“. Darin hieß es: „Artikel I.

Die heimgekehrten sudetendeutschen Gebiete sind Bestandteil des Deutschen Reiches.

Artikel II.

Durch die Wiedervereinigung sind die alteingesessenen Bewohner der sudetendeutschen Gebiete deutsche Staatsangehörige ..."

Mit diesen Vereinbarungen und Gesetzes-akten waren die Ausführungsbestimmungen des Münchener Abkommens erfüllt und das Sudetenland ein Teil des reichsdeutschen Staatsgebietes.

Genau diese Folgerung bestreiten jedoch die eingangs zitierten tschechischen Völkerrechtler und mit ihnen die jetzige Prager Regierung, welche den Standpunkt vertreten, daß das Münchener Abkommen von Anfang an (= „ex tunc") ungültig war, also nie Rechts-Wirksamkeit erhalten hat. Die Tschechoslowakei hat ihre diesbezügliche Auffassung in ihrem Freundschaftsvertrag mit der DDR vom 17. März 1967 eindeutig niedergelegt mit der Erklärung, „daß das Münchener Abkommen vom 29. 9. 1938 unter Androhung eines Aggressionskrieges sowie der Anwendung 78 von Gewalt gegenüber der Tschechoslowakei zustande gekommen ist, daß es Bestandteil der verbrecherischen Verschwörung des nazistischen Deutschlands gegen den Frieden und eine grobe Verletzung der bereits damals gel-tenden elementaren Regeln des Völkerrechts darstellt und daß deshalb dieses Abkommen von Anfang an Ungültig war, mit allen sich daraus ergebenden Folgen.“ (Artikel 7 des Freundschaftsvertrages)

X. Der Streit um die Gültigkeit des Münchner Abkommens

Schon bald nach seinem Weggang ins Exil kämpfte der ehemalige tschechoslowakische Staatspräsident Dr. Benesch für die Wiederherstellung des tschechoslowakischen Staates und damit für eine Annullierung des Münchener Abkommens von Anfang an. Seine Argumentation gegen den Vertrag (unter Kriegs-androhung aufgezwungen, von der Nationalversammlung in Prag nicht ratifiziert, Verletzung der Völkerbundssatzung) wurde später von der tschechischen Exilregierung in London übernommen und schließlich nach 1945 auch zum offiziellen Standpunkt der neuen Prager Regierung erhoben, wobei freilich manche Verordnungen aus dem Jahre 1945, welche das tschechische Staatsoberhaupt erließ, wie das Präsidialdekret vom Oktober 1945, die teilweise Gültigkeit der Münchener Vertragsbestimmungen unterstellen

Die Stellungnahmen der Signatarmächte

a) Frankreich Die französische Regierung nahm die Besetzung der Rest-Tschechoslowakei durch deutsche Truppen am 16. März 1939 zum Anlaß, das Münchener Abkommen für verletzt zu erklären. In einem Schreiben des französischen Außenministers, Georges Bonnet, an den Botschafter in Berlin, Robert Coülondre, vom 17. März 1939 legte die Pariser Regierung „ausdrücklichen Protest“ gegen die Liquidierung der Rest-Tschechoslowakei und die Errichtung des „Reichsprotektorates Böhmen und Mähren" ein. Wörtlich hieß es in der Note der französischen Regierung: „Die Regierung der Republik ist der Ansicht, daß das Vorgehen der Reichsregierung gegen die Tschechoslowakei eine klare Verletzung des Geistes und des Buchstabens der am 29. September 1938 in München unterzeichneten Verträge bedeutet."

Einen ersten Schritt praktischer Distanzierung vom Münchener Abkommen tat die Pariser Regierung mit ihrer Einwilligung, daß alle in Frankreich lebenden tschechoslowakischen Staatsbürger — auch die aus den mit französischer Hilfe an das Deutsche Reich übergebenen Gebieten — sich zur Musterung für die tschechoslowakische Auslandsarmee stellen durften. Die entscheidende Stellungnahme der französischen Regierung findet sich in einem Schreiben des Präsidenten des in London residierenden Komitees „Freies Frankreich“, Charles de Gaulle, an den Ministerpräsidenten der tschechoslowakischen Exilregierung in London vom 29. 9. 1942 — dem vierten Jahrestag der Unterzeichnung des Münchener Abkommens —, in welchem festgestellt wird: „Le Comite national frangais, rejetant les accords sig-nes ä Munich le 29 septembre 1938, proclame solennement qu'll considere ces accords comme nuls et non avenus, ainsi que tous les actes accomplis en application ou en consequence des dits accords."

Diese Erklärung wurde am 22. August 1944 in einer gemeinsamen Verlautbarung de Gaulles und des tschechoslowakischen Ministerpräsidenten wiederholt. * b) Italien Die italienische Regierung schloß sich inhaltlich der Erklärung des französischen Kabinetts an. In einer Verlautbarung der antifaschisti-sehen Regierung des Marschall Badoglio vom 26. September 1944 wurde die Ungültigkeit des Abkommens sowie der daraus resultierenden Übereinkommen und Entscheidungen ausgesprochen, „die gegen die Unabhängigkeit und Integrität der tschechoslowakischen Republik gerichtet waren". Professor Paolo Calcini vom „Institut für Internationale Angelegenheiten" in Rom erklärte in einem Gespräch, welches das „Zweite Deutsche Fernsehen“ am 20. Januar 1971 ausstrahlte, daß dieser Standpunkt des Badoglio-Kabinetts auch heute noch als verbindlich für die italienische Regierung angesehen werden müsse. c) Großbritannien Anders als Frankreich und Italien hat sich die britische Regierung verhalten. Sie protestierte zwar auch im März 1939 gegen die Eingliederung Böhmens und Mährens in das Deutsche Reich und bezeichnete diesen Schritt Hitlers als eine Verletzung des Münchener Abkommens, zog jedoch ihre Unterschrift formell nicht zurück. Winston Churchill, der Chamberlain 1940 im Amt des Premierministers nachgefolgt war, erklärte am 30. September 1940, „that the Munich Agreement had been des-troyed by the Germans“. Sein damaliger Außenminister, Anthony Eden, gab am 5. August 1942 vor dem britischen Unterhaus eine Erklärung ab, wonach sich die Regierung in einem Briefwechsel mit der tschechoslowakischen Exilregierung in London ihrer Verpflichtungen aus dem Münchener Abkommen entbunden betrachte

In dieser Note hatte die britische Regierung festgestellt: „As Germany has deliberately destroyed the arrangements ... reached in 1938 ... His Majesty’s Government regard themselves as free from any engagements in this respect. At the final Settlement of the Czechoslovak frontiers to be reached at the end of the war they will not be influenced by any changes effected in and since 1938." 1965 bezeichnete der britische Außenminister Michael Stewart das Münchener Abkommen als „verabscheuungswürdig und seit vielen Jahren tot“. Er erklärte: „Die bloße historische Tatsache, daß es einmal abgeschlossen wurde, kann keine zukünftigen Ansprüche gegen die Tschechoslowakei rechtfertigen.“

Hinsichtlich der Grenzregelung, die durch den Streit um die Gültigkeit des Münchener Abkommens formell noch offen ist, antwortete das britische Foreign Office auf eine entsprechende Anfrage am 24. April 1967 im Unterhaus: „Die endgültige Festlegung der tschechoslowakischen Grenzen im Verhältnis zu Deutschland und Polen kann nicht vor einem Friedensvertrag förmlich erfolgen. Die Regierung Ihrer Majestät erkennt die tschechoslowakischen Grenzen im Verhältnis zu Österreich, Ungarn und der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken de jure an.“

In einem Fernsehgespräch des ZDF wiederholte Michael Stewart im Januar 1971 seine Feststellungen vom Jahre 1965, fügte aber hinzu, daß die britische Regierung den Standpunkt der tschechoslowakischen Regierung, nach welchem das Münchener Abkommen nie gültig gewesen sei, nicht akzeptierenkönne Aus diesen Verlautbarungen geht hervor, daß Großbritannien das Münchener Abkommen heute für ungültig ansieht, jedoch nicht als null und nichtig von Anfang an. d) Bundesrepublik Deutschland Als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches nahm auch die Regierung der Bundesrepublik Deutschland zur Frage der Gültigkeit des Münchener Abkommens Stellung. Ihre Rechtsauffassung findet sich in einer Zirkularnote vom 23. März 1966, welche auch der Regierung der ÖSSR übermittelt worden ist. Darin wurde festgestellt: „Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das Münchener Abkommen aus dem Jahre 1938 von Hitler zerrissen wurde und keine territoriale Bedeutung mehr hat. Sie erhebt daher, wie sie mehrfach erklärt hat, gegenüber der Tschechoslowakei keine territorialen Ansprüche."

Darüber hinaus hat Bundeskanzler K. G. Kie-Singer in der Regierungserklärung der Großen Koalition am 13. Dezember 1966 erklärt: „Die Bundesregierung verurteilt die Politik Hitlers, die auf der Zerstörung des tschechoslowakischen Staatsverbandes gerichtet war. Sie stimmt der Auffassung u, daß das unter Androhung von Gewalt zustande gekommene Münchener Abkommen nicht mehr gültig ist."

Die sozial-liberale Regierung unter Bundeskanzler W. Brandt hat sich bisher auch der tschechoslowakischen Forderung verschlossen das Münchener Abkommen als von Anfang an für nichtig zu erklären. Willy Brandt kündigte in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 an, „daß wir gegenüber der uns unmittelbar benachbarten Tschechoslowakei zu den Abmächungen bereit sind, die über die Vergangenheit hinausführen"

Die unterschiedlichen Rechtsstandpunkte

a) Zur Frage nach der Gültigkeit des Münchner Abkommens Die Regierung der ÖSSR begründet ihre Forderung nach Annullierung des Münchener Abkommens von Anfang an im wesentlichen mit folgenden drei Argumenten: 1. Der Vertrag über die Abtretung der Sude-tengebiete an das Deutsche Reich sei niemals gültig gewesen, weil man ihn der Tschechoslowakei unter Kriegsdrohungen des Dritten Reiches aufgezwungen habe. 2. Die tschechoslowakische Verfassung von 1920 habe die Gültigkeit von Veränderungen des Staatsgebietes von der Zustimmung des Parlaments abhängig gemacht. Die Regierung in Prag habe das Münchener Abkommen zwar am 30. September 1938 unter ohnmächtigem Protest angenommen, aber die von der Verfassung vorgeschriebene Ratifizierung sei nie erfolgt. 3. Die Unterschriften unter das Münchener Abkommen seien unter Verletzung des Völker-rechts zustande gekommen, da Großbritannien und Frankreich dürch Artikel 10 des Völkerbundsstatuts verpflichtet waren, „die Unversehrtheit des Gebietes und die bestehende politische Unabhängigkeit aller Bundesmitglieder zu achten und gegen jeden äußeren Angriff zu wahren". Die Unversehrheit und politische Unabhängigkeit des Völkerbundsmitglieds Tschechoslowakei sei jedoch mit dem Münchener Abkommen verletzt worden.

Dagegen wird ins Feld geführt, daß in der Geschichte bisher viele Verträge geschlossen wurden, die unter Drude oder gar Kriegjandrohung zustande gekommen seien, jedech nichtsdestoweniger als gültig anerkannt würden. Als Beispiele werden die Verträge von Brest-Litowsk vom 3. März 1918 oder der Friedensvertrag von Versailles vom 28. Juni 1919 angeführt, die beide unter Kriegsdrohung unterschrieben wurden, aber nach allgemeiner Ansicht volle völkerrechtliche Gültigkeit erlangt haben. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß die tschechoslowakische Regierung am 21. September 1938, ohne unter militärischem Druck oder gar Gewaltandrohung seitens der Westmächte gestanden zu sein, selbst die Abtretung der Sudetengebiete ans Deutsche Reich zugestimmt habe Der Einwand, daß Großbritannien und Frankreich bei Abschluß des Münchener Abkommens unter militärischem Druck Deutschlands gehandelt hätten, folglich der Vertrag unter rechtswidrigem Zwang geschlossen worden sei, müsse ebenfalls zurückgewiesen werden, da die militärische Stärke der Westmächte seinerzeit größer gewesen sei als die Deutschlands

Dem Hinweis auf die fehlende Ratifizierung als Nichtigkeitsgrund wird entgegengehaltet, daß Staatspräsident Dr. Eduard Benesch selbst den Unterhändlern erklärt habe, er sei zum Vertragsabschluß befugt. Es sei im internationalen Völkerrecht keineswegs üblich, daß der eine Verttagspaftner die verfassungsrechtlichen Probleme des anderen Partners Vor einem Vertragsabschluß zu untersuchen habe Aüch sei keine Anfechtungsklage oder ier klärung seitens der Tschechoslowakei erfolgt vielmehr seien die Bestimmungen des Vertrages von tschechischer Seite erfüllt worden. Dafür sprächen auch eindeutig die Abkommen, die sich beispielsweise mit der Grenzziehung nach dem Münchener Abkommen beschäftigten. Der am 20. Novemebr 1938 abgeschlossene deutsch-tschechische Optionsvertrag sei vom tschechischen Parlament angenommen worden, wobei nochmals ausdrücklich auch das Münchener Abkommen anerkannt worden sei

Dem dritten angeführten Nichtigkeitsgrund — Verletzung des Artikels 10 der Völkerbundssatzung — wird gegenübergestellt, daß diese Annahme angesichts des seit 1935 wirksamen Austritts Deutschlands aus dem Völkerbund keineswegs die Nichtigkeit des Münchener Abkommens bedinge, da die in Artikel 20 der Völkerbundssatzung angeordnete Ungültigkeit der gegen das Völkerbundsstatut verstoßenden Verträge „nicht einen mit einem Nichtmitglied geschlossenen Vertrag treffen konnte" Aus diesen Einwänden sei jedoch nicht der Schluß zu ziehen, daß das Münchener Abkommen auch heute noch gültig sei. Da es bis auf die Abgabe der im Zusatzabkommen vorgesehenen Garantie erfüllt, in der Zwischenzeit aber von allen beteiligten Mächten als erledigt und ungültig erklärt worden sei, könnten aus ihm keinerlei Ansprüche an die SSR gefolgert werden. b) Zur Frage nach den Folgen einer Ungültigkeit „ex tune“

Die tschechoslowakische Forderung einer Ungültigerklärung von Anfang an „mit allen sich daraus ergebenden Folgen" entzündete eine weitere Kontroverse. Es geht dabei besonders um folgende Probleme:

1. die Staatsangehörigkeit der Sudetendeutschen, (im Inland und Ausland), 2. die Einbeziehung der Sudetendeutschen in die Dienste des Deutschen Reiches (Wehrdienst, sonstiger öffentlicher und Staatsdienst) und ihre rechtliche Würdigung, 3. die Gültigkeit der Hoheitsakte der deutschen Behörden im Sudetenland zwischen dem 1. Oktober 1938 bis zum Kriegsende (z. B. Gültigkeit von Gerichtsurteilen, Eheschließungen usw.), 4. die gegenseitigen finanziellen Forderungen 5. die Gültigkeit privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen dem 1. Oktober 1938 und dem 9. Mai 1945.

Während die einen darauf hinweisen, daß Staatspräsident Benesch in einem Dekret vom 2. August 1945 die Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft an die Sudetendeutschen durch das Gesetz vom 21. November 1938 ausdrücklich anerkannt und damit die Frage nach der Staatsangehörigkeit bereits geregelt habe machen die anderen darauf aufmerksam, daß laut Staatsangehörigkeitsregelungsgesetz vom 22. Februar 1955 die deutsche Staatsbürgerschaft der Sudetendeutschen ausschließlich auf dem Reichsgesetz vom November 1938 beruhe Umstritten ist auch die Frage, ob der seit 1938 geleistete Dienst der Sudetendeutschen in der deutschen Wehrmacht von den tschechoslowakischen Gerichten als Landesverrat verfolgt werden könnte, wenn das Münchener Abkommen von Anfang an ungültig gewesen wäre. In diesem Falle wären auch alle anderen Staatsbediensteten wie etwa die Post-und Eisenbahnbeamten nichts anderes als Kollaborateure der deutschen Besatzungsmacht gewesen und könnten dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Schließlich müßte noch geklärt werden, ob auch die Ungültigkeit aller zwischen dem 1. Oktober 1938 und dem Kriegsende im Sudetenland geschlossenen Ehen, strafund privatrechtlicher Gerichtsentscheidungen und welche unabsehbaren Schadensersatzforderungen des tschechoslowakischen Staates und von einzelnen seiner Bürger gegen die Bundesrepublik und deutsche Staatsangehörige zu allen aus der Ungültigkeit des Münchener Abkommens sich ergebenden Folgen gehören würden So reicht das Münchener Abkommen, dessen Vorgeschichte bereits im Jahre 1918 begann, mit seiner geschichtlichen Last und juristisdien Problematik bis in die Gegenwart hinein.

Es wird eine der schwierigsten, aber zugleich auch dringlichsten Aufgaben deutscher Politik sein, einen Weg zu finden, auf dem sich Tschechen und Deutsche nach Jahrzehntender Entzweiung wieder als gute Nachbarn begegnen können. Und dazu gehört auch eine zufriedenstellende Bereinigung aller mit dem Münchener Abkommen zusammenhängenden Fragen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Jaroslav Zourek, Unrichtige Ansichten über das Münchener Abkommen 1938, in: Zeitschrift für in-ternationales Recht, Tschechoslowakische Akademie “ er Wissenschaften, Jg. I, 1957, S. 68.

  2. Vaclav Michal in: Prävnik, Vdava Ustav prava CSAV, Rocnik XCV, 1956.

  3. Väclav Kräl, Münchener Abkommen — Gegenwart und Vergangenheit, in: Der neue Gedanke, XXI, 1967, Nr. 17 S. 20.

  4. Alexander Ort, Uber die Ungültigkeit des Münchener Diktates, in: Internationale Beziehungen, Prag, II, 1967, Nr. 3 S. 49.

  5. E. Marhefka, Der Waffenstillstand 1918/19. Das Dokumentenmaterial, Berlin 1928, Bd. I, S. 4.

  6. Vgl. Otto Bauer, Die österreichische Revolution, Wien 1923, S. 77 f.

  7. Vgl. Staatsgesetzblatt für den Staat Deutschösterreich, Jahrgang 1918, Nr. 5.

  8. Ebenda, Jahrgang 1919, Nr. 174.

  9. Vgl. Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 336, S. 115 •

  10. Vgl. Verhandlungen der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 336, S. 116.

  11. Vgl. Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1919, S. 1386.

  12. Vgl. Purlitz’ Deutscher Geschichtskalender, 1919, Bd. II, S. 35 f.

  13. Vgl. Bericht über die Tätigkeit der deutsch-österreichischen Friedensdelegation in St. Germain-en-Laye, Bd. II, Wien 1919, S. 432.

  14. H. Michaelis-E. Schraepler-G. Scheel, Ursachen und Folgen, 12. Band, Berlin, o. J., S. 4.

  15. Verhandlungen des VI. Ordentlichen Parteitages der KPC, Prag 1931, S. 437.

  16. Stenographische Protokolle der Sitzungen des Abgeordnetenhauses der Nationalversammlung der Tschechoslowakischen Republik, 3. Wahlperiode, t>. Sitzungsperiode, Prag 1931, S. 403 f.

  17. Vgl. P. Meier-Beneckenstein, Dokumente der deutschen Politik, Bd. 6/1, Berlin 1939, S. 274.

  18. Vgl. Werner Frauendienst (Hrsg.), Wetg schichte der Gegenwart in Dokumenten 1937/38 ‘ Bd. V, Essen 1944, S. 237 f.

  19. Yg 1, Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik Serie 97 f An Unter-18— 1945, D, Bd. II, s der redung nahmen folgende Mitglieder der Sudetenputschen Partei teil: Abg. K. H. Frank, Abg. Ing.

  20. Nach: Die Deutschen in der Tschechoslowakei 1933— 1947. Dokumentensammlung, Prag 1964, S. 152. Franz Spina vom „Bund der Landwirte“ und Ludwig Czech von den deutschen Sozialdemokraten gehörten dem Kabinett Hodza an.

  21. Vgl. Verhandlungen des Reichstages, Bd. 459, S. 21 f.

  22. Ebenda, S. 131.

  23. H. Michaelis-E. Schraepler-G. Scheel, Ursachen und Folgen, Bd. XII, S. 11. Die Herausgeber der Dokumentensammlung geben an dieser Stelle unk auf den folgenden Seiten einen gerafften Uberbe über die Entwicklung in der Tschechoslowakei sei dem Jahre 1933.

  24. Vgl. Keith Feiling, The Life of Neville Chamberlain, London 1947, S. 347 f.

  25. Vgl. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, S. 141 f.

  26. H. Michaelis -E. Schraepler -G. Scheel, a. a. O., S. 14.

  27. Jugoslawien nannte sich seit 1929 „Königreich Südslawien".

  28. Friedrich Berber (Hrsg.), Europäische Politik 1933— 1938 im Spiegel der Akten, Essen 1942, S. 102 ff.

  29. H. Michaelis -E. Schraepler -G. Scheel, a. a. O., S. 115f.

  30. Nach: München 1938. Dokumente sprechen, München 1965, S. 30/31.

  31. Wie bereits dargestellt, hatte Hitler in seiner Weisung vom 21. Dezember 1937 an das OKW schon auf eine Besetzung der CSR hingewiesen.

  32. Vgl. H. Michaelis -E. Schraepler -G. Scheel, a. a. O., S. 194.

  33. Ein von Ministerpräsident Hodza unterbreiteter Lösungsvorschlag.

  34. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. März 1971.

  35. Vgl. H. Michaelis -E. Schraepler -G. Scheel, a. a. O., S. 226.

  36. Yg 1. Die Deutschen in der Tschechoslowakei S 3251947 Dokumentensammlung, Prag 1964,

  37. Vgl. Die Deutschen in der Tschechoslowakei 1933-1947, a. a. O„ S. 261 ff.

  38. Vgl. H. Michaelis -E. Schraepler -G. Scheel, a. a. O., Bd. XII, S. 238.

  39. Vgl. Documents on British Foreign Policy, 1919— 1939. Dritte Serie, Bd. II, Anhang II, S. 678 f.

  40. Vgl. Documents on British Foreign Policy, S. 681.

  41. Vgl. Mnichöv v dökumtech (München in Dokumenten), Bd. II, Prag 1958, S. 209 ff.

  42. Vgl. Les Evenements survenus en France de 1933 ä 1945. Temoignages et ducuments recueillis paf la Commission d'enquete parlamentaire, Paris 1947, Bd. I S. 256.

  43. Vgl. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918 bis 1945, S. 601.

  44. Vgl. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918— 1945, Serie D, Bd. II, S. 639 f.

  45. Vgl. Documents on British Foreign Policy 1919— 1939, S. 404 f.

  46. Vgl. Neue Dokumente zur Geschichte des Münchener Abkommens, Prag 1959, S. 110 f.

  47. Ebd.

  48. Vgl. Dokumente zur Deutschen Auswärtigen Politik, S. 724 ff.

  49. Vgl. Documents on British Foreign Policy 1919— 1939, S. 518.

  50. Vgl, Max Domarus, Hitler-Reden 1932 bis 1945, Ed. I zweiter Halbband, München 1965, S. 930 f.

  51. Vgl. Documents., S. 520 f.

  52. Wie später bekannt wurde, wollte die deutsche Militäropposition um Generaloberst Beck Hitlers geplanten Einmarsch in die SR zu einem Staatsstreich nutzen und hatte auch schon entsprechende Vorkehrungen getroffen. Uber diplomatische Kanäle versuchte sie zusätzlich, Chamberlain zu einer festen Haltung gegenüber Hitler in der sudetendeutschen Frage zu veranlassen, fand jedoch beim britischen Premier kein Gehör.

  53. Vgl. F. A. Z. vom 30. März 1971.

  54. Vgl.den Bericht über die Unterredung zwishen Francois-Poncet und Hitler bei Paul Schmi Statist auf diplomatischer Bühne 1923— 1945, Bonn 1950, S. 419.

  55. Das Palazzo Venezia war der Amtssitz Mussolinis. _ 030

  56. Vgl. M. Domarus, Hitler-Reden, a. a. O., Sa

  57. Vgl. Fritz Wiedemann, Der Mann, der Feldhen werden wollte, Kettwig 1964, S. 177 ff.

  58. Vgl. M. Domarus, a. a. O., S. 940.

  59. Vgl. Keith Robbins, München 1938. Ursprünge und Verhängnis, Gütersloh 1969, S. 282.

  60. DNB-Text v. 28. 9. 1938.

  61. Ericht Kordt, Wahn und Wirklichkeit, Stuttgart 1948, S, 131 ff.

  62. Vgl. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918— 1945, Serie D, Bd. II, S. 804 ff.

  63. Vgl. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, S. 812 f.

  64. Vgl Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1938, Teil II,

  65. § 6 dieser Vorschläge lautete: „Demgemäß würde die Kgl. Britische Regierung bereit sein, ... einer internationalen Garantie der neuen Grenzen des Tschechoslowakischen Staates gegen einen nichtprovozierten Angriff beizutreten."

  66. Vgl. Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1938, Teil II, S. 853.

  67. Ebenda.

  68. Vgl. Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1938, Teil JI, S. 853.

  69. Ebenda.

  70. Vgl. M. Domarus, Hitler-Reden, S. 772.

  71. Helmuth Groscurth, Tagebücher eines Abwehr-offiziers 1938— 1940, Stuttgart 1970, S. 128. Bea®tenswert auch die von den Herausgebern H. Kraus nick und H. C. Deutsch angefügten Fußnoten au dieser Seite.

  72. Vgl. dazu auch die erwähnten Anmerkungen H-Krausnicks und H. C. Deutschs zu den Tagebuchnen Helmut Groscurths, S. 128. .

  73. Vgl. Friedrich Berber (Hrsg.), Europäische Ho tik 1933— 1938 im Spiegel der Prager Akten, Essen 1942, S. 139.

  74. Vgl. dazu den ausführlichen Reisebericht Hels. i 2Srpscurths in seinen Tagebüchern, a. a. O.,

  75. Vgl. Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1938, Teil I, S. 1641.

  76. Dieses Dekret des tschechoslowakischen Prsl denten regelte die Konfiskation des deutschen Vermögens im Sudetenland und in der CSR und ging von der Tatsache aus, daß es seit 1. 10. 1938 den sehe Werte dort gab. Ebenso respektiert „Tschechoslowakische Gesetz vom 19. Dezem 1945" über das Verfassungsdekret des Präsidente, „in der Zeit der Unfreiheit ergangene Entschet

  77. Vgl. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, S. 18.

  78. Vgl. Parliamentary Debates, Fifth Series, 2o 173, House of Commons, S. 203.

  79. uert nach J. Jurina-H. Mosler, Münchener Abkommen, in: Staatslexikon, 10. Band, 2. Erg. Bd., Freiburg 1970, Sp. 688.

  80. Vgl. „Augsburger Allgemeine“ v. 3. 4. 1971.

  81. Vgl. Parliamentary Debates, Fifth Series, Vol. 745, House of Commons, S. 203.

  82. Die Erklärung M. Stewarts wurde am 20. 1. 1971 im Rahmen der Sendung „ZDF-Magazin" ausgestrahlt.

  83. Vgl. Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 42/1966, S. 329 f.

  84. Vgl. Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 157/1966, S. 1265 ff.

  85. Vgl. DAS PARLAMENT v. 8. 111969.

  86. Otto Kimminich am 20. Januar 1971 mi

  87. Ders., ebenda.

  88. Ders., ebenda.

  89. Vgl. j, Jurina-H. Mosler, Münchener Abkom-men, in: Staatslexikon, Sp. 689.

  90. In einer Petition der sudetendeutschen Sozialdemokraten vom Frühjahr 1947 an die Siegermächte wurden die Eigentumsrechte der von der Ausweisung nach dem Krieg betroffenen Personen auf über 4 Milliarden Dollar beziffert.

  91. Diese Meinung vertrat beispielsweise Prof. Dr. Eberhard Menzel, Ordinarius für Völkerrecht an der Universität Kiel, in einer Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens, die am 20. 1. 1971 in der Sendung „ZDF-Magazin" ausgestrahlt wurde.

  92. Auf diese Schwierigkeiten und andere Folgen einer Nichtigerklärung des Münchener Abkommens „von Anfang an" wird in einem vom Sudetendeutschen Rat in München herausgegebenen „Gutachten zum Münchener Abkommen. Aus dem Blickpunkt allgemeiner Rechtsgrundsätze", München 1967, hingewiesen.

  93. Vgl. Gutachten zum Münchener Abkommen, hrsg. vom Sudetendeutschen Rat, München 1967, passim.

Weitere Inhalte

Alfred Schickel, Dr. phil., Historiker, geb. am 18. Juni 1933 in Aussig an der Elbe, 1954 bis 1960 Studium der Geschichte und Philosophie, Promotion in Geschichte. Zur Zeit Lehrer für Geschichte und Sozialkunde in Ingolstadt, freier Mitarbeiter verschiedener Tages-und Wochenzeitungen sowie historischer Fachzeitschriften. Veröffentlichungen u. a.: „Entschied Verrat den Zweiten Weltkrieg?"; „Die Weimarer Nationalversammlung“; „Der Friedensvertrag von Versailles"; „Wehrmacht und SS"; „ 50 Jahre umstrittene deutsche Ostgrenze"; „Die Kommunistische Internationale".