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Die Systemfunktion der Gemeinden | APuZ 47/1973 | bpb.de

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APuZ 47/1973 Die Systemfunktion der Gemeinden

Die Systemfunktion der Gemeinden

Wilhelm Ribhegge

/ 62 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Aufsatz untersucht die deutsche Kommunalgeschichte seit 1918 unter dem Gesichtspunkt der Systemfunktion der Gemeinden, insbesondere der Großstädte, innerhalb der übergeordneten politisch-gesellschaftlichen Systeme. Kommunalpolitik und Kommunal-geschichte werden bei diesem Ansatz nicht als von der allgemeinen Geschichte isolierte Lokalpolitik und Ortsgeschichte betrachtet, sondern unter dem Gesichtspunkt der Interdependenz von politisch-gesellschaftlichem und örtlichem System analysiert. Die durch Stein 1808 ins Leben gerufene kommunale Selbstverwaltung entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einer Form bürgerlicher Klassenherrschaft in den deutschen Städten, die die nichtbesitzenden Schichten aus der kommunalen Politik und Verwaltung ausschloß. Der Beginn der Geschichte der kommunalen Demokratie in Deutschland ist daher erst mit der durch die deutsche Revolution 1918/19 bewirkten Veränderung der kommunalen Machtstrukturen anzusetzen. Die Revolution von 1918/19 eröffnete erstmals der Arbeiterschaft in der Form der örtlichen Arbeiterräte einen entscheidenden Einfluß auf die kommunale Politik. Durch den Abbau der örtlichen Räte beraubte sich die Weimarer Demokratie eines wesentlichen demokratischen Potentials auf der örtlichen Ebene. Die kommunale Verwaltung der zwanziger Jahre blieb in den Händen einer bürgerlich-konservativen Beamtenschaft. In der Einführung des allgemeinen Wahlrechts zu den kommunalen Vertretungskörperschaften blieb allerdings ein wesentlicher Teil der Demokratisierung der Gemeinden erhalten. Aus der Abwehr der von der Privatwirtschaft eingeleiteten Angriffe gegen die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden entwickelten sich die Gemeinden in den zwanziger Jahren zu einer realen Stütze der Weimarer Demokratie, doch scheiterte der von dem Deutschen Städtetag betriebene Versuch, durch eine Reichsreform eine engere Verzahnung von Reich und Städten zu erreichen. Auch die konservative Staatsrechtslehre, vertreten durch Forsthoff, Köttgen, Peters und Schmitt bekämpfte die wachsende wirtschaftliche und politische Macht der Großstädte als eine Gefahr für Wirtschaft und Staat. Die Nationalsozialisten beseitigten die Ansätze zur Demokratisierung der Gemeinden und betrieben eine rigorose Säuberung der Verwaltung. Unterstützt von einem Teil der konservativen Beamtenschaft, an ihrer Spitze der Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler, reorganisierten sie die Kommunalverwaltung auf der Grundlage des Führerprinzips. Der von kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeitern getragene örtliche Widerstand war bis Mitte der dreißiger Jahre von der Gestapo zerschlagen. Das gesellschaftliche und kulturelle Leben der Gemeinden erstarrte in dem Zwangssystem des kommunalen Faschismus. Während des zweiten Weltkriegs fungierten die deutschen Kommunalverwaltungen als willfährige Vollzugsorgane der nationalen Kriegsmaschinerie. Nach 1945 erhielten die Gemeinden aufgrund ihrer überragenden wirtschaftlichen Funktion für kurze Zeit eine zentrale politische Bedeutung, die jedoch bald durch das Erstarken der überörtlichen politischen und wirtschaftlichen Systeme wieder zurückgedrängt wurde. Die Reduktion der politischen Funktion der Gemeinden bestimmt, bei Unterschieden im einzelnen, in ähnlicher Weise die Entwicklung in der BRD und DDR der fünfziger und sechziger Jahre. Erst in jüngster Zeit ist die Forderung lauter geworden, die kommunale Demokratie auszubauen und zu stärken.

Eine Untersuchung über die historische Systemfunktion der deutschen Gemeinden bedarf einiger Vorüberlegungen über die Stellung und Bedeutung der Gemeinden innerhalb politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Systeme. Zunächst läßt sich der Bereich der Gemeinde negativ abgrenzen. Die Gemeinde und die Kommunalpolitik erfassen nur einen Teilbereich des politisch-gesellschaftlichen Verhaltens. Charakteristisch für die Funktion der Gemeinde ist die Tatsache, daß eine eindeutige Unterscheidung zwischen der örtlichen Politik und der örtlichen Gesellschaft nicht möglich ist, was im deutschen Sprachgebrauch bereits in dem Wort „Gemeinde" bezeichnet wird, das sowohl die politisch-verfaßte Gemeinde als auch die Gemeinde als eine wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Einheit umschreibt. Die Konstruktion einer Trennung von „Staat" und „Gesellschaft" ist auch auf das örtliche System der Gemeinde nicht anwendbar.

Die Gemeinde ist ein Teilsystem innerhalb umfassenderer politisch-gesellschaftlicher Systeme. Andererseits nimmt die Gemeinde als örtlich begrenztes Teilsystem der Gesellschaft wesentliche gesamtgesellschaftliche Funktionen wahr. Ihr fällt die Aufgabe zu, auf der lokalen Ebene die Befriedigung der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Bedürfnisse ihrer Einwohner zu organisieren. Insbesondere die Großstädte stellen in sich außerordentlich komplexe gesellschaftliche Systeme dar, die bereits durch ihre städtebauliche Struktur ihre innere Komplexität widerspiegeln. Produktion und Konsum, Wohnen, Bildung, Gesundheit, Erholung vollziehen sich auch in einer „mobilen" Gesellschaft überwiegend auf der örtlichen Ebene. Diese Tatsache scheint so selbstverständlich zu sein, daß sie in dem öffentlichen Bewußtsein kaum registriert wird. Diese Nichtbeachtung liegt allerdings auch darin begründet, daß sich die örtlichen Lebensverhältnisse in den Gemeinden gleicher Größenordnung kaum voneinander unterscheiden. Von einer Individualität der Städte kann in dieser Beziehung kaum die Rede sein. Die Gemeinden sind funktionale Teilsysteme der Gesellschaft geworden.

Ebenso kann von einer politisch-gesellschaftlichen Autonomie der Gemeinde, wie sie von Heffter für die deutsche Selbstverwaltung des 19. Jahrhunderts beschrieben wurde nicht mehr gesprochen werden. Die Ursachen dieser Entwicklung lassen sich jedoch weniger aus einem Funktionsverlust, sondern eher aus einer Funktionsvermehrung der Gemeinden erklären, die aus der wachsenden Übertragung gesamtgesellschaftlicher Funktionen auf die Gemeinden und die Integration der Gemeinde in die übergeordneten gesellschaftlichen und politischen Systeme resultiert

Die Funktion der Gemeinde ergibt sich aus den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Systemen, in die sie integriert ist. In der kapitalistischen Gesellschaft ist die Stellung der Gemeinden zu dem vorherrschenden Wirtschaftssystem ambivalent: Da sich die kommunale Wirtschaft nicht auf dem Prinzip des Privateigentums und der Gewinnmaximierung organisieren läßt, stellen die Gemeinden in dem kapitalistischen Wirtschaftssystem systemfremde Gebilde dar. Andererseits sind die Gemeinden dem kapitalistischen System insofern systemkonform, als sie in einer Ergänzungsfunktion zahlreiche wirtschaftliche Leistungen erbringen, die sich privatwirtschaftlich nicht rentabel erbringen lassen und die für die Aufrechterhaltung des gesamten sozio-ökonomischen Systems unabdingbar sind. Dazu gehört der gesamte öffentliche Versorgungsbereich: das kommunale Verkehrswesen, die Versorgung mit Gas, Wasser, Elektrizität bis zu den kommunalen Einrichtungen für Gesundheit, Freizeit und Erholung. Ohne diese kommunalen wirtschaftlichen Leistungen ließe sich das wirtschaftliche Leben nicht aufrechterhalten. Kommunale und privatwirtschaftliche Interessen sind tendenziell einander entgegengesetzt, wenn auch faktisch koordinierbar, und bilden die Grundlage latenter oder offen ausgetragener Konfliktsituationen.

Von anderen Teilsystemen der Gesellschaft zeichnet sich die Gemeinde — zumindest in der Größenordnung der Mittel-und Großstädte — dadurch aus, daß sie alle sozialen Schichten in sich vereinigt. Nirgendwo wird die Klassenstruktur einer Gesellschaft und der Grad der Integration und Desintegration der sozialen Gruppen so deutlich wie in den Gemeinden. Lassen sich auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene die bestehenden gesellschaftlichen Gegensätze politisch und ideologisch verbrämen, so treten sie auf der kommunalen Ebene offen zutage. Das gesellschaftliche Leben der sozialen Klassen spielt sich weitgehend auf der örtlichen Ebene ab.

Die Gemeinden stellen die Basis des politischen Systems dar. Veränderungen des politischen Systems realisieren sich in den kommunalen Machtstrukturen, wie auch die Veränderung der kommunalen Machtstrukturen — das zeigt die deutsche Revolution von 1918 — die Umwälzung des politischen Systems herbeiführen kann. Auch in Zeiten politischer Stabilität ist die Gemeinde keineswegs so unpolitisch, wie sie oft dargestellt wird. Wer die Kommunalpolitik lediglich als einen technischen Verwaltungsablauf beschreibt, übersieht, daß sich in der „Verwaltung" der Gemeinde ein gesellschaftlicher Steuerungsprozeß auf der örtlichen Ebene vollzieht.

Aus der engen Verflechtung gesellschaftlicher und politischer Strukturen auf der örtlichen Ebene ergibt sich, daß jede Kommunalpolitik — bezogen auf die von ihr begünstigten oder benachteiligten Gruppen — Interessenpolitik ist. Hier stellt sich das für die Gemeinden zentrale Problem der kommunalen Demokratie. Sie muß die Verflechtungen zwischen den gesellschaftlichen Interessen und politischen Entscheidungsprozessen der Gemeinde sichtbar machen und allen örtlichen gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit verschaffen, ihre Interessen zu artikulieren und, soweit sie es vermögen, auf dem Wege von Mehrheitsentscheidungen durchzusetzen.

Aus diesen Überlegungen ist auch die Tradition der deutschen kommunalen Selbstverwaltung des 19. Jahrhunderts, von den Kommunalverwaltungen auch heute noch immer wieder als demokratische Legitimationsbasis beschworen, mit kritischen Augen zu sehen. Von dem konservativen preußischen Minister Freiherr vom Stein 1808 als Zugeständnis an das sich unter dem Eindruck der Französischen Revolution politisch emanzipierende deutsche Bürgertum gedacht, entwickelte sich die deutsche Selbstverwaltung insbesondere seit der Entstehung der großen Industriestädte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem ausgesprochenen Instrument bürgerlicher Klassenherrschaft. Das kommunale Wahlrecht schloß die nichtbesitzenden Schichten von den Stadtverordnetenversammlungen bis zum Ersten Weltkrieg weitgehend aus. Die Geschichte der kommunalen Demokratie in Deutschland beginnt daher erst mit der Beseitigung der kommunalen Klassenherrschaft des Bürgertums durch die deutsche Revolution von 1918.

I. Kommunale Demokratie in der Novemberrevolution

Bis 1918 hatte sich die bürgerlich-patrimoniale Selbstverwaltung der Städte zusammen mit der landrätlichen Kreisverwaltung als eine solide Stütze des deutschen Kaiserreichs erwiesen. Landräte und Oberbürgermeister repräsentierten das politische System auf der örtlichen Ebene und fungierten als fürsorgliche Oberhäupter des kommunalen Lebens, deren gesellschaftliche Autorität außer von den Sozialdemokraten nicht bestritten wurde. „Bürgerliche Freiheit und eine starke, in den gesetzlichen Bahnen sich haltende Selbstverwaltung sind die Grundlage eines blühenden Gemeinwesens und zugleich eine feste Stütze für König und Vaterland" erklärte 1906 in seiner Antrittsrede der neue Oberbürgermeister von Halle, Rive, ein typischer Repräsentant der Tradition der deutschen Selbstverwaltung.

Mit dem Ende des deutschen Kaiserreichs im November 1918 brach zugleich die kommunale Basis des Systems zusammen. Während des Ersten Weltkriegs war der Funktionsbereich der Gemeinden durch ihre Eingliederung in die Kriegsorganisation und durch die Ausweitung ihrer Aufgaben auf dem Gebiet der Fürsorge und der Arbeitsvermittlung wesentlich vergrößert worden. Die Anfang November 1918 einsetzende revolutionäre Bewegung richtete sich daher zunächst gegen die örtlichen militärischen und politischen Machtstellungen des Systems, die Stellvertretenden Generalkommandos und kommunalen Verwaltungsbehörden. Zwischen dem 5. und 10. November bildeten sich in allen größeren Städten des Reichs Arbeiter-und Soldatenräte In den mittleren und kleineren Städten der ländlichen Gebiete zog sich die Entstehung der Räte bis in die zweite Novemberhälfte hin. über die Entstehung, Funktion und Auswirkung der deutschen Rätebewegung 1918/19 liegen die Arbeiten von Tormin, Kolb und von Oertzen vor die ebenso wie die Publikation der Sitzungsprotokolle des Rats der Volksbeauftragten und des Zentralrats der Arbeiter-und Soldatenräte zu einer positiven Neubewertung der bis dahin in der westdeutschen Geschichtsschreibung weitgehend ablehnend behandelten deutschen Revolution von 1918/19 geführt haben.

Kolb unterscheidet zwei Modelle, nach denen sich die Gründung der örtlichen Räte vollzog. Nach dem ersten Modell wurde die Zusammensetzung des Arbeiterrats zwischen den örtlichen Leitungen der Mehrheitssozialisten (SPD), der Unabhängigen (USPD) und der Gewerkschaften ausgehandelt nach dem zweiten, vor allem in Großstädten praktizierten Modell wurden die Arbeiterräte auf großen Versammlungen von Betriebsdelegierten gewählt In den Provinzen wurden aus den örtlichen Räten Kreis-AR, Bezirks-AR und Provinzial-AR zur Kontrolle der Landratsämter, Regierungspräsidenten und Oberpräsidien gebildet. In den meisten überörtlichen Gremien der Rätebewegung bis in den Berliner Rätekongreß besaßen die gemäßigten Mehrheitssozialisten der Richtung Ebert-Scheidemann gegenüber den Unabhängigen und den Anhängern des Spartakusbundes die Mehrheit Zu einer Vorherrschaft der Linkssozialisten kam es nur in wenigen Städten, so in Bremen, Braunschweig, Leipzig, Halle, Zwickau, Gotha, Erfurt, Düsseldorf, Hamborn und Mülheim In dem Berliner Vollzugsrat bestand ein Gleichgewicht zwischen den Mehrheitssozialisten und den Linken. Die vereinzelt stattfindende Ausrufung von »Räterepubliken-in den Anfangsmonaten des Jahres 1919 kennzeichnet bereits das Ende der Rätebewegung. Räterepubliken konnten sich nur in Bremen (Januar 1919) und in München (April 1919) über einen Zeitraum von drei Wochen halten.

In Cuxhaven, Mannheim und Braunschweig bestanden sie nur wenige Tage

Abgesehen von diesen Fällen lag das Schwergewicht der Tätigkeit der örtlichen Arbeiter-räte in der Kontrolle der örtlichen Verwaltung. Die kommunalen Behörden wurden von den Räten nicht aufgelöst, sondern ihrer Kontrolle unterworfen. Anordnungen der Verwaltung wurden vom zuständigen Arbeiterrat gegengezeichnet. Die wichtigsten Aufgaben der örtlichen Arbeiter-und Soldatenräte lagen auf dem Gebiet der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Sicherstellung der Lebensmittelversorgung und der Durchführung der Demobilisierung des Heeres. Da die Bildung der Räte nicht zentral organisiert worden war, sondern aus sponta-nen örtlichen Aktionen erfolgte, gab es anfangs auch keine Räteideologie im eigentlichen Sinn. Die Mehrheit der Räte verstand sich als eine Einrichtung zur Regelung der dringenden Probleme des Augenblicks nach dem Zusammenbruch der alten Gewalten. In den Monaten November 1918 bis Januar 1919 stellten die örtlichen Räte unumstritten die einzig bestehende politische Autorität auf kommunaler Ebene dar. Sie sicherten auf der örtlichen Ebene den politischen und gesellschaftlichen Machtwechsel und begründeten dadurch die Basis für die Demokratisierung Deutschlands. Durch die Räte wurden erstmals breite Schichten der Arbeiterschaft an der Politik und Verwaltung der Gemeinden beteiligt. Sie bildeten ein demokratisches Potential, das es in diesem Umfang weder vorher noch nachher in der deutschen Geschichte gegeben hat. Die Auseinandersetzung über das neu zu errichtende politische System in Deutschland wurde nur in wenigen Fällen in den örtlichen Räten geführt. Sie spielte sich in erster Linie in Berlin ab, für dessen Räte sich eine „Polarität von lokaler Politik und einer Art Missionsbewußtsein für das ganze Reich" ergab

Der am 10. November gebildete Berliner Vollzugsrat verstand sich zunächst als oberstes Regierungsorgan des Reichs. Am November übertrug er die Exekutive an den Rat der Volksbeauftragten, der seinerseits den Vollzugsrat am 23. November in dessen Funktion als provisorische Kontrollinstanz bestätigte. Schließlich trat der Berliner Vollzugsrat seine Reichsfunktion an den auf dem Rätekongreß am 19. November 1919 gewählten Zentralrat ab. Auf dem Rätekongreß fiel die Entscheidung gegen die Institutionalisierung des Räte-systems und für die Überleitung der Revolution in die parlamentarische Demokratie. In dem mit großer Mehrheit gefaßten Beschluß des Kongresses, die Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 stattfinden zu lassen, kam die mehrheitssozialdemokratische Einstellung der Arbeiter-und Soldaten-räte zum Ausdruck, die die Rätebewegung als eine Einrichtung des revolutionären Systemwechsels, aber nicht als Grundlage des neu zu schaffenden politischen Systems verstanden.

Der neugebildete Zentralrat unterstützte die Bestrebungen Eberts und des Rats der Volks-beauftragten,die Rätebewegung schrittweise abzubauen. Die gleiche Zielrichtung verfolgte die sozialdemokratisch geführte Regierung in Preußen, dem größten Land des Reichs. Durch diese Wendung gegen die Räte betrieben die Revolutionsregierungen im Reich und in Preußen den Abbau ihrer eigenen machtpolitischen Positionen und brachten damit die konservative Beamtenschaft in verlorengegangene politische und gesellschaftliche Stellungen zurück. Man hatte sich „auf der einen Seite den Chefs der alten Bürokratie und des alten Heeres anvertraut und kämpfte auf der anderen Seite täglich im revolutionären Gewände um das Vertrauen (der) Anhänger" 13).

Mit den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 und den im gleichen Monat stattfindenden Wahlen zu den Verfassunggebenden Landesversammlungen in Preußen, Bayern, Württemberg und Baden zeichnete sich das Ende der Rätebewegung ab, ohne daß die entscheidenden gesellschaftlichen Machtfragen in Deutschland geklärt waren. In der Nationalversammlung war die Sozialdemokratie, die nur 37, 9 °/o der Stimmen erhalten hatte, auf die Unterstützung bürgerlicher Parteien angewiesen. Die Unabhängigen hatten 7, 6 °/o der Stimmen erhalten. In dem Wahlergebnis spiegelte sich bereits der Vertrauensschwund wider, den die ambivalente Haltung der sozialdemokratischen Führung zeitigte.

Den Wahlen zur Nationalversammlung und zu den Landesversammlungen folgte die Ausschreibung von Kommunalwahlen nach dem neuen demokratischen Wahlrecht, das erstmals auch den Frauen den Zugang zu den Gemeinderäten eröffnete. Die preußische Regierung löste durch die Verordnung vom 24. 1. 1919 die bis dahin noch formell bestehenden, nach dem alten Wahlrecht zusammengesetzten Gemeindevertretungen auf und ordnete Neuwahlen auf der Grundlage des Verhältniswahlrechts an. Seitdem gab es ein kommunales Doppelsystem, da neben den neugewählten Vertretungen die Räte weiter arbeiteten, wenn sie auch in ihrer faktischen Funktion zunehmend eingeschränkt wurden. Der eigentliche Gewinner dieses kommunalen Doppelsystems war die kommunale Beamten-schäft, die durch die politische Konkurrenz von Räten und Gemeindevertretungen zwangsläufig aufgewertet wurde. Da die örtlichen Räte in der Regel keine personellen Um-besetzungen vorgenommen hatten und entsprechende Bestrebungen von den kommunalen Aufsichtsbehörden verhindert wurden, hatte 1918/19 eine Demokratisierung der unteren Verwaltungsorgane nicht stattgefunden Die Weimarer Demokratie hatte es nicht verstanden, sich auf ihrer örtlichen Basis abzusichern.

Während die Regierungsstellen zunächst nur faktisch, aber nicht offen gegen die örtlichen Räte gearbeitet hatten, wurde schließlich im Laufe des Jahres 1919 die Beseitigung der Räte offiziell herbeigeführt. So hieß es in dem Runderlaß des preußischen Ministers des Innern vom 10. Juni 1919: „Eine Kontrolle der nach dem neuen Wahlrecht gewählten Gemeindevertretungen oder Stadtverordneten-versammlungen muß als mit dem Grundsatz der Demokratie im Widerspruch stehend abgelehnt werden." Bis Anfang 1920 waren die meisten Arbeiterräte aufgelöst. Lediglich auf dem wirtschaftlichen Gebiet hatte die Rätebewegung durch das Betriebsrätegesetz vom Februar 1920 eine partielle gesetzliche Institutionalisierung erfahren. Auf dem kommunalen Gebiet ist eine über die Revolution hinausgehende Wirkung ausgeblieben. Waren die Arbeiterräte 1918/19 „nicht nur die einzigen zur Verfügung stehenden, sondern auch die geeignetsten Instrumente zur Erringung und zum Ausbau der Machtorganisationen in der Verwaltung und damit zur Sicherung des demokratischen Charakters der jungen Republik" gewesen so blieb diese Chance zum Ausbau der kommunalen Demokratie und zur wirksamen Mitbestimmung der Arbeiterschaft in dem neuen Staat ungenutzt.

II. Die kommunale Entwicklung in der Weimarer Republik

Das Deutsche Reich gliederte sich 1919 in Länder und rund 65 000 Gemeinden. Auf diese Zahl der Gemeinden entfielen 50 Großstädte mit einer Einwohnerzahl von über 100 000, 45 Städte mit einer Einwohnerzahl zwischen 50 000 und 100 000 und 470 Städte mit einer Einwohnerzahl zwischen 10 000 und 50 000 17). Die überörtliche Verwaltungsstruktur in Kreise, Bezirke und Provinzen war in den einzelnen Ländern unterschiedlich geregelt. Die Auseinandersetzung in der Weimarer Republik über eine Reichsreform zur Neugliederung der politischen und Verwaltungsstruktur des Reichs hat nicht zu einem Ergbnis geführt. Der Kampf richtete sich vornehmlich auf die künftige Stellung der Länder, wobei sich die unitarische Richtung, die den dezentralisierten Einheitsstaat und die Reduzierung der Länder propagierte, und die föderalistische Richtung, die die Kompetenzen der Länder zu erhalten suchte, einander gegenüberstanden. Die Reichsverfassung von 1919 hatte im Gegensatz zur Verfassungskonstruktion von 1871 die Position des Reichs gegenüber den Ländem und damit zugleich gegenüber den Gemeinden gestärkt. Die Gemeinden blieben zwar staatsrechtlich von den Ländern abhängig, wurden jedoch als Ausführungsorgane der Gesetzgebung des Reichs stärker als vor 1919 in die Reichspolitik einbezogen.

Eine entscheidende Bedeutung für die Stellung der Gemeinden hatte die Erzbergersche Finanzreform von 1920, die die steuerpolitische Selbständigkeit der Gemeinden durch die Aufhebung des bisherigen Systems der gemeindlichen Zuschläge zur Einkommens-und Körperschaftssteuer erheblich einschränkte. Damit trug die Finanzreform der industriellen und großstädtischen Entwicklung Rechnung, die eine Lösung des kommunalen Finanzsystems von den besitzbürgerli-chen örtlichen Strukturen und reichseinheitliche Regelungen der kommunalen Finanzverhältnisse erforderlich machte, um eine gleichmäßigere Versorgung der Bevölkerung über die örtlichen Grenzen hinweg zu gewährleisten. Den Gemeinden verblieb die Grund-und Gewerbesteuer sowie die Erhebung kleiner Gemeindesteuern (Hundesteuer, Vergnügungssteuer, Beherbergungssteuer). Im übrigen waren die Gemeinden nach dem Landes-steuergesetz vom 20. 3. 1920 auf die Beteiligung an den den Ländern vom Reich zugewiesenen Steuerzuweisungen angewiesen, deren Höhe von den Ländern festgesetzt und im einzelnen sehr unterschiedlich geregelt wurde. Es bestand ein starkes Interesse der Städte, die intermediäre Stellung der Lände 3. 1920 auf die Beteiligung an den den Ländern vom Reich zugewiesenen Steuerzuweisungen angewiesen, deren Höhe von den Ländern festgesetzt und im einzelnen sehr unterschiedlich geregelt wurde. Es bestand ein starkes Interesse der Städte, die intermediäre Stellung der Länder zu umgehen und eine engere, unmittelbare Verbindung zwischen Reich und Gemeinden herzustellen.

Art. 127 der Weimarer Reichsverfassung gewährte den Gemeinden „das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Schranken der Gesetze". Art. 17 Abs. 2 kodifizierte die „allgemeine, gleiche, unmittelbare und geheime Wahl von allen reichsdeutschen Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl" und gliederte die Gemeinden in das System des demokratischen Parteienstaats ein. Die Einführung des VerhältnisWahlrechts bedeutete für das kommunale Verfassungsrecht die Aufhebung der bürgerlich-patrimonialen Selbstverwaltung, obwohl faktisch die aus der Selbstverwaltungstradition des 19. Jahrhunderts entstandene Vorstellung von der gemeindlichen Selbstverwaltung als einer dem Staat entgegengesetzten, eigenständigen „gesellschaftlichen Korporation" 18) auch in den zwanziger Jahren weiter fortbestand. Die Bestrebungen zur Demokratisierung der Gemeinden beschränkten sich nach der Beendigung der Revolution weitgehend auf die Einführung des demokratischen Wahlrechts. In Preußen, dem größten Land des Reichs, wurde die kommunale Verfassungsstruktur weiterhin durch die obrigkeitsstaatlichen Städteordnungen von 1856 bestimmt, die u. a. die Bestätigung der von den Stadtverordnetenversammlungen gewählten leitenden Kommunalbeamten durch die staatlichen Aufsichtsbehörden vorsahen 19). Das Bestätigungsrecht wirkte sich vor allem negativ bei der Besetzung kommunaler Stellen mit Vertretern der Links-parteien aus. Da die Sozialdemokratie, abgesehen von den letzten Kriegsjahren, keinen Zugang zu Beamtenstellungen gehabt hatte, konnte sie nach 1918 nur selten auf erfahrene Verwaltungsfachleute zurückgreifen. Den staatlichen Aufsichtsbehörden fiel es daher nicht schwer, die von den Linksparteien benannten Außenseiter, häufig Partei-und Gewerkschaftsfunktionäre, wegen mangelnder „fachlicher" Qualifikation zurückzuweisen 20).

Wesentliche Veränderungen bewirkte das neue Wahlrecht bei der Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen. An die Stelle der früheren Honoratiorengruppen zogen jetzt die örtlichen Vertreter der Weimarer Parteien in die Rathäuser ein. Neben den im Reichstag vertretenen Parteien SPD, USPD (bis 1922), KPD, Zentrum, DDP, DVP und DNVP und seit dem Ende der zwanziger Jahre der NSDAP bildeten sich auf der örtlichen Ebene'weitere Rathausparteien, wie Haus-und Grundbesitzer-parteien. Die heftigen Debatten, die in den kommunalen Parlamenten seit 1919 geführt wurden, ließen in der Öffentlichkeit den Eindruck entstehen, als habe sich die politische Struktur der Gemeinden grundlegend gewandelt. Tatsächlich aber bestanden die kommunalen Machtstrukturen der vorrevolutionären Zeit zum großen Teil weiter fort. Die Situation war jedoch insofern verändert, als die kommunalen Machtstrukturen jetzt öffentlich benannt wurden und die Oberbürgermeister und hauptamtlichen Stadträte gezwungen waren, die sich in den kommunalen Parlamenten artikulierenden Meinungen bei ihren Entscheidungen und Planungen zu berücksichtigen.

In den meisten Ländern wurden während der Weimarer Zeit drei Kommunalwahlen durchgeführt: 1919, 1924 und 1929. Seit 1924 gab es in den deutschen Städten nur noch wenige Stadtverordnetenversammlungen, in denen die bürgerlichen Parteien nicht die Mehrheit hatten. Die SPD lehnte auch auf der kommunalen Ebene ein Zusammengehen mit der KPD in der Regel ab und arbeitete mit den bürgerlich-demokratischen Parteien zusammen. Selbst in der 1920 durch die Schaffung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin zur 4-Millionenstadt angewachsenen „roten" Reichshauptstadt ergaben sich bei den Kommunalwahlen 1921 und 1925 bürgerliche Mehrheiten Im Januar 1921, als in Berlin SPD und USPD zusammen noch über die Mehrheit verfügten, stimmten die Sozialdemokraten bei der Oberbürgermeisterwahl gemeinsam mit den Stadtverordneten der DDP, DVP und des Zentrums für den bisherigen Stadtkämmerer Gustav Böß (DDP) und gegen die sozialistischen Kandidaten Weyl, den die USPD-Mehrheitsfraktion präsentiert hatte. Alle Großstädte des Reichs mit einer Einwohnerzahl von über 500 000 (Berlin, Hamburg, Köln, München, Leipzig, Essen, Dresden, Breslau, Frankfurt/Main und Dortmund) wurden in der Zeit der Weimarer Republik von bürgerlichen, in der Regel hauptamtlichen, Oberbürgermeistern geleitet, die zum Teil, so Adenauer (Zentrum) in Köln, Blüher (DVP) in Dresden und Eichhoff in Dortmund, schon vor 1918 in ihr Amt berufen worden waren. München hatte von 1919 bis 1924 in Eduard Schmid einen sozialdemokratischen ehrenamtlichen Oberbürgermeister, der von einer sozialistischen Mehrheit gewählt worden war. Aus der SPD kamen nur zwei führende und langjährige Oberbürgermeister der Weimarer Zeit:

Max Brauer (Altona) und Hermann Beims (Magdeburg) Beide gehörten dem Vorstand des Deutschen Städtetages an

In der Regel übten die leitenden Kommunal-beamten ihre Funktion hauptberuflich aus.

Sie hatten eine juristisch-akademische Ausbildung absolviert und eine Verwaltungslaufbahn im Staats-oder Kommunaldienst beendet. Im Gegensatz zu den politischen Ämtern im Reich und in den Ländern blieben die Oberbürgermeister, deren Wahlperiode sechs oder zwölf Jahre dauerte, über einen längeren Zeitraum in ihren Funktionen — eine Tatsache, die nicht wenig zur Festigung ihres örtlichen und überörtlichen politischen Einflusses beitrug In ihrer politischen Selbstdarstellung verstanden sich die Oberbürgermeister jedoch nicht als ihrer Partei oder der bürgerlichen Gesellschaftsschicht, der sie entstammten, verantwortlich, sondern unter Berufung auf die deutsche Selbstverwaltungstradition als über den Parteien und Klassen stehende verantwortliche Leiter der kommunalen Verwaltung. In der Figur des beamteten Oberbürgermeisters setzten sich vorrevolutionäre Traditionen auf der kommunalen Ebene der Republik weiter fort. Nur wenige Oberbürgermeister, wie die Sozialdemokraten Brauer und Beims und der Münchener BVP-und Mittelstandspolitiker Karl Scharnagl, traten in ihrer öffentlichen Selbstdarstellung betont als Repräsentanten ihrer Parteien auf. Charakteristisch für das überparteiliche Selbstverständnis der Weimarer Oberbürgermeister ist die Persönlichkeitsdarstellung des Essener Ober-bürgermeisters und späteren Reichskanzlers Hans Luther, der sich in seinen Erinnerungen als „Politiker ohne Partei" beschrieb

Hinter der nach außen zur Schau getragenen konservativen Selbstdarstellung der Weimarer Oberbürgermeister verbarg sich häufig jedoch ein modernes kommunales Management, das an Leistungsfähigkeit und Dynamik den Führungskräften der Wirtschaft nicht nach-stand und mit diesen im Kampf um die gesellschaftliche Macht konkurrierte. Der erfolgreiche Oberbürgermeister entsprach dem Typ des Sozialingenieurs, der das großstädtische System und die in ihm vorherrschenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräfte überschaute, sie zu koordinieren und zu len-ken verstand. Die Umstellung auf die demokratische Republik fiel den leitenden Kommunalbeamten nicht so schwer wie der Reichs-, Länder-und Militärbürokratie, zumal die Demokratisierung der Gemeindeparlamente die Stellung der kommunalen Spitzenbeamten — sofern sie sich den neuen Anforderungen gewachsen zeigten — nicht schwächte, sondern eher stärkte. Bei Verhandlungen mit den Landes-und Reichsbehörden konnten sich die Oberbürgermeister auf die Voten der Stadtverordnetenversammlungen berufen. Bereits im preußischen Herrenhaus war in der „Oberbürgermeisterfraktion" eine zunächst informelle Gruppenbildung der leitenden Kommunalbeamten entstanden, die zur Gründung des Preußischen Städtetags 1896 und schließlich des Deutschen Städtetags (DST) 1905 führte Mit der Einrichtung einer hauptamtlichen Geschäftsführung 1913 entwickelte sich der DST zu einer kommunalen Spitzenorganisation, wobei die bereits bestehenden Spitzenverbände der Industrie und Landwirtschaft als Vorbild dienten Während des Ersten Weltkriegs gewann der DST durch Berufung seiner Vertreter in die Kriegsbehörden wachsende Bedeutung als Interessenvertretung der Großstädte gegenüber dem Reich und den Einzelstaaten Als weitere kommunale Spitzenorganisationen entstanden 1910 der Reichsverband Deutscher Städte (ab 1918: Reichsstädtebund) als Organisation der kreisangehörigen Mittel-und Kleinstädte, der Deutsche Landgemeindetag und 1912 der Deutsche Landkreistag, deren politische Bedeutung jedoch hinter der des DST, der die Großstädte und größeren Mittelstädte vertrat, zurückblieb. Entsprechend der Zusammensetzung der Verbandsvorstände, in denen die Stadtverordneten nur in geringer Zahl vertreten waren, fungierten die Verbände als Organisationen der leitenden Kommunalbeamten.

In den zwanziger Jahren sah der DST seine Aufgabe vor allem darin, die Stellung der Gemeinden im Reich-Länder-Gemeinden-System zur Geltung zu bringen und möglichst verfassungsrechtlich abzusichern und die Interessen der Gemeinden gegenüber den konkurrierenden Interessen der Wirtschaft in der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs und der Länder zu vertreten. Auf diese Weise entstanden in den kommunalen Spitzenverbänden politische Machtfaktoren, die bald als eine „Gefahr" für Staat und Wirtschaft kritisiert wurden

Seit 1926 griff der DST unter dem neuen Geschäftsführer Oskar Mulert in immer stärkeren Maße in die verfassungspolitische Auseinandersetzung um die Reichsreform ein. Der DST verfocht mehrheitlich die Konzeption des dezentralisierten Einheitsstaats. Darin stimmte er im wesentlichen mit den verfassungspolitischen Zielen der SPD und DDP überein, die in der überkommenen Konstruktion der Länder und der ihnen zufallenden finanzpolitischen Schlüsselgewalt bei der Zuteilung der Überweisungen an die Gemeinden eine großstadtfeindliche Einrichtung sahen Die Jahreshauptversammlungen des DST 1927 in Magdeburg und 1928 in Breslau standen unter den Leitthemen „Reichspolitik und Städte" und „Reichsaufbau und Selbstverwaltung. Die in Magdeburg verabschiedete Resolution forderte eine „weitgehende Dezentralisierung der Verwaltung" und einen „unmittelbaren Zugang der Gemeinden zum Reich" Für die weitergehende Forderung einer unmittelbaren staatsrechtlichen Verbindung zum Reich etwa durch die Vertretung der Gemeinden neben den Ländern im Reichsrat, die von Mulert betrieben wurde, fand sich im Städtetag keine Mehrheit.

Die vom DST beklagte Verschlechterung der finanziellen und verwaltungsmäßigen Lage der Gemeinden war als Argumentation allerdings insofern irreführend, als es den aufstrebenden Großstädten weniger um die Wahrung kommunaler Besitzstandsgarantien, sondern vielmehr um die Ausweitung ihrer politischen, sachlichen und finanziellen Kompetenzen ging, um der dynamischen inneren Entwicklung der Großstädte gewachsen zu sein. Die Reichs-und Länderbürokratie brachte für deren Lage weder ein ausreichendes sachli-ches, geschweige denn politisches Verständnis mit. So wurden die Gemeinden weniger durch ihre innere politische Verfassung als vielmehr durch ihre tatsächliche Interessenlage zu einem realen Träger der Weimarer Demokratie auf der örtlichen Basis. Die Weimarer Rechte lenkte daher ihre Stoßrichtung außer gegen die demokratischen Parteien nicht zuletzt gegen die Gemeinden, insbesondere gegen die Großstädte und deren Spitzenverband. Diese Angriffe galten nicht nur den Gemeinden als politische Körperschaften, sondern vor allem der wachsenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Macht der Großstädte. 1929, nach dem Ausbruch der Wirtschaftskrise, führte der Duisburger Oberbürgermeister Karl Jarres auf der Jahresversammlung des Preußischen Städtetags aus: „Seitdem im Jahre 1926 der Reichsverband der Deutschen Industrie mit den anderen Unternehmerspitzenverbänden in die Offensive gegen die Gemeindeunternehmungen vorgegangen ist, und zwar in einer Form, daß man mit Recht von einem konzentrischen Angriff gegen die Gemeinden gesprochen hat, will es nicht mehr ruhig werden. Wie auf anderen Gebieten spricht man auch hier von einer Vertrauenskrise. Man sucht Prügelknaben, an denen man seine verständliche Verstimmung über die beklagenswerte deutsche Wirtschaftslage auslassen kann und findet sie in den Gemeinden und hier wiederum vornehmlich in den Städten." Jarres'Äußerung bezog sich auf eine Kampagne, die die Spitzenverbände von Industrie, Handel und Banken und die ihnen nahe-stehende Presse seit der Mitte der zwanziger Jahre gegen die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden betrieben, die mit den Schlagwörtern „kalte Sozialisierung", „Staatssozialismus" und „Staatskapitalismus" bedacht wurde

Die Sozialisierungforderung hatte in der Revolution, vor allem in den Arbeiterräten des Kohlebergbaus, eine zentrale Rolle gespielt, ihre Durchführung aber war nicht zuletzt an dem Widerstand der Volksbeauftragten bereits Anfang 1919 gescheitert. In der Inflationsphase Anfang der zwanziger Jahre verebbte die Sozialisierungsdebatte und wurde nach dem Einsetzen der Stabilisierung der deutschen Wirtschaft seit 1924 durch den Kampf der Wirtschaftsverbände gegen die Beteiligung der öffentlichen Hand an der Privat-wirtschaft erneut entfacht. Bei dieser Auseinandersetzung standen sich nicht nur sozialistische, liberale und konservative Auffassungen gegenüber, sie wurde auch entscheidend von der Interessenlage der staatlichen, kommunalen und privatwirtschaftlichen Bürokratien, die um eine Ausweitung ihrer Einflußsphären kämpften, geprägt wobei das kapitalistische Wirtschaftssystem als solches nicht in Frage gestellt wurde. Die Kritik der Privatwirtschaft betraf weniger die industrielle Betätigung des Staates, die etwa im Falle Preußens keineswegs unerheblich war Der Stein des Anstoßes bildete in erster Linie die wirtschaftliche Tätigkeit der Großstädte, die sich nicht ohne weiteres in das aus dem Ersten Weltkrieg gestärkt hervorgegangene nationale kapitalistische System, in welchem die Schwerindustrie eine bevorzugte Stellung einnahm, eingliedern ließ. Die kommunale Wirtschaft war nicht antikapitalistisch, doch sie orientierte sich in erster Linie an den örtlichen wirtschaftlichen Bedürfnissen der städtischen Bevölkerung. Die Vielzahl kommunaler Wirtschaftsunternehmen wirkte als ein systemfremdes Element gegenüber dem Konzentrationsprozeß der deutschen Wirtschaft in den zwanziger Jahren.

Das explosive Anwachsen der deutschen Städte vor allem in den Wirtschaftszentren des rheinisch-westfälischen Industriegebiets, Berlins, Mitteldeutschlands und Schlesiens seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts — das Deutsche Reich zählte 1871 acht, Ende der zwanziger Jahre fünfzig Großstädte mit einer Bevölkerung von über 100 000 Einwohner — hatte zwangsläufig zu einer Ausdehnung der kommunalen Verwaltungstätigkeit auf dem Wirtschafts-und Versorgungssektor geführt. Die überlokale und überregionale Gleichförmigkeit der städtischen Entwicklung hatte erstmals ein einheitliches Verständnis der Kommunalpolitik als ein auf den lokalen Bereich bezogenes, aber — überörtlich betrach-tet — gleichartiges politisches Handeln entstehen lassen. Die Weimarer Demokratie hatte die Selbstständigkeit des kommunalpolitischen Bereichs nicht nur faktisch hingenommen, sondern auch politisch legitimiert, wenn auch die neuen Lösungen noch nicht den Bedürfnissen der Gemeinden entsprachen. Die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden veränderte ihren Charakter von einer behelfsmäßigen Einrichtung zur Abdeckung unabweisbaren öffentlichen Bedarfs zu einer systematisch betriebenen eigenständigen Kommunal-wirtschaft, als deren Träger die demokratisch kontrollierten Verwaltungen der Gemeinden fungierten. Die Kommunalwirtschaft unterschied sich durch ihre Bindung an die politischen Körperschaften grundlegend von dem System der Privatwirtschaft, bediente sich jedoch in der Regel bei der Geschäftsführung kommunaler Unternehmen privatwirtschaftlicher, auf die Erzielung von Gewinn ausgerichteter Methoden.

Am 10. November 1926 veranstalteten die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft unter Führung des Reichsverbands der Deutschen Industrie, des Deutschen Industrie-und Handelstags und des Centralverbands des Deutschen Bank-und Bankiersgewerbes in Berlin eine Kundgebung gegen die „kalte Sozialisierung", die die Kampagne der Privat-wirtschaft gegen die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden einleitete. Die Vorwürfe, die gegen die Gemeinden erhoben wurden, betrafen die mangelnde Elastizität kommunaler Unternehmen, das Fehlen einer Rentabilität des eingesetzten Kapitals, die ungerechtfertigte Konkurrenz kommunaler Betriebe gegenüber dem örtlichen Gewerbe, die Errichtung ertragsabwerfender kommunaler Betriebe sowie die Überdehnung der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden durch die Aufnahme von Auslandskrediten Die Aufnahme von Ausländsanleihen durch die Großstädte, wodurch sie auf dem ausländischen Kapitalmarkt mit der deutschen Privatwirtschaft in Konkurrenz traten, bildete den hervorstechendsten Punkt der Auseinandersetzung. Bereits kurz vor der Kundgebung der wirtschaftlichen Spitzenverbände hatte der DST in einer Denkschrift vom Oktober 1926 „Städte, Staat, Wirtschaft" die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden gerechtfertigt.

1927 bildete der DST zur besseren Vertretung der kommunalwirtschaftlichen Interessen einen Wirtschaftsausschuß.

Den größten Teil der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden nahmen die städtische Versorgung mit Gas, Wasser, Elektrizität und die städtischen Verkehrsbetriebe ein. Die in diesen Unternehmen erzielten Überschüsse erhielten wachsende Bedeutung für die kommunalen Finanzen und erwiesen sich vor allem in den Krisenjahren seit 1929 als eine der wenigen stabilen Einnahmen der Gemeinden zum Ausgleich ihrer Haushaltsdefizite über die Sparkassen, die sich in der Trägerschaft der Gemeinden befanden, und dem 1924 gegründeten „Deutschen Sparkassen-und Giroverband" waren die Städte am Bank-und Kreditgeschäft beteiligt. Die Ausdehnung des Kreditgeschäfts der Sparkassen auf die Privatwirtschaft in den zwanziger Jahren rief den Protest des Centralverbands des Deutschen Bank-und Bankiersgewerbes hervor Auf Kritik stieß ebenfalls die Ausdehnung der städtischen’ Kulturpolitik und die Grundstücksvorratspolitik der Gemeinden, z. B.der Aufkauf von Rittergütern. Zu den Gegenständen kommunaler Wirtschaftstätigkeit zählten schließlich auch die Straßenreinigung, Wohnungsbau, Friedhofsbetriebe und gelegentlich Hotels, Gaststätten, Bäckereien und Blumengeschäfte. Als Konkurrenz des Einzelhandels erwiesen sich die von den Berliner Elektrizitäts-und Gasanstalten unterhaltenen Installationsabteilungen und Verkaufsstellen für elektrische und Gasgeräte

Auf Reichsebene resultierte der wirtschaftliche Einfluß der Gemeinden und ihrer Spitzen-verbände aus ihrer Mitgliedschaft im Reichsverband kommunaler und anderer öffentlicher Arbeitgeberverbände, im Verwaltungsrat und Vorstand der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenfürsorge, im Reichswirtschaftsrat sowie in zahlreichen Reichsanstalten, Reichsbeiräten und sonstigen öffentlichen Gesellschaften und Vereinigungen.

Zum Ausbau der städtischen Versorgungsanstalten gingen die Gemeinden seit 1924 ebenso wie Reich, Länder und Privatwirtschaft zur Aufnahme von Auslandskrediten, vorwiegend in den Vereinigten Staaten, über. Im Oktober 1927 kritisierte der Reparationsagent Gilbert Parker die in Deutschland vorherrschende „Tendenz zur übermäßigen Geldausgabe und übermäßiger Kreditbeanspruchung" insbesondere der Kommunen Die gleiche Kritik nahm Reichbankpräsident Schacht in einer aufsehenerregenden Rede am 18. November 1927 in Bochum auf, in der er gegen die „Luxusausgaben" und Auslandsverschuldung der Gemeinden polemisierte Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund warf daraufhin Schacht vor, er habe sich zum „Schrittmacher des Privatkapitals im Kampf gegen die öffentlichen Betriebe" gemacht Abgelehnt wurde die Argumentation Schachts ferner von der SPD und einigen überregionalen Tageszeitungen, lebhaft begrüßt von dem RDI und dem DIHT, da der Reichsbankpräsident auf die Anti-Großstadtkampagne der wirtschaftlichen Spitzenverbände eingeschwenkt war. Der DST führte gegen Schacht aus, daß die Auslandskredite ausschließlich für produktive Zwecke, insbesondere für die Modernisierung der Versorgungsbetriebe verwandt würden Der Anteil der Gemeinden und Gemeindeverbände an der gesamten deutschen Auslandsverschuldung in Höhe von 4, 4 Milliarden Mark des Jahres 1927 betrug 518 Millionen und lag erheblich unter den Anteilen der Privatwirtschaft, des Reichs und der Länder. Die Vorwürfe gegen die Auslandsverschuldung der Gemeinden und die „kalte Sozialisierung", die Schacht übernahm, müssen im Zusammenhang mit der von der bürgerlichen Rechten betriebenen Systemkritik an der Weimarer Demokratie und ihrer kommunalen Basis gesehen werden.

Gegenüber den Angriffen auf die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden erklärte der Wirtschaftsausschuß des DST im November 1929: „Die Universalität der Zuständigkeit der Gemeinden in ihrer wirtschaftlichen Betätigung muß unter allen Umständen aufrechterhalten bleiben. Die Aufstellung eines soge-nannten Katalogs erlaubter oder bedingt erlaubter wirtschaftlicher Tätigkeit der Kommuneu ist unbedingt abzulehnen." Entschieden befürwortet wurde die Kommunalwirtschaft von den freien Gewerkschaften. Der ADGB sah in den öffentlichen Unternehmen im Sinne der von ihm propagierten Wirtschaftsdemokratie eine Korrektur des kapitalistischen Wirtschaftssystems und eine „Keimzelle künftiger sozialistischer Wirtschaftsordnung" Die Kommunalpolitiker der KPD dagegen kritisierten an den kommunalen Unternehmen ihre „hemmungslose Profitwirtschaft" in der Preis-und Tarifgestaltung, die den Kleinverbraucher für den Großkonsumenten bezahlen lasse. Die Arbeiterschaft kommunaler Betriebe werde zur Erzielung von Überschüssen ebenso ausbeuterisch behandelt wie die Arbeiterschaft privatwirtschaftlicher Betriebe

Eine pragmatisch-kapitalistische Konzeption der Kommunalwirtschaft vertrat der Geschäftsführer des DST, Oskar Mulert, einer der profiliertesten Sprecher der Weimarer Kommunalpolitik. Mulert bewertete die kommunale Wirtschaft als ein „beachtliches und nicht mehr wegzudenkendes Glied der Volkswirtschaft", dem eine doppelte Aufgabe zufalle: „die Förderung der allgemeinen Produktion, auch der Privatwirtschaft, durch Unterhaltung privatwirtschaftlich nicht rentierlieher Anlagen und die Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit unentbehrlichen Lebensgütern, um die Arbeitskraft der Menschen als wichtigsten Faktor der Produktion zu erhalten" Der Boden, auf dem die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde erwachse, führte Mulert 1929 auf dem internationalen Gemeindekongreß in Sevilla aus, sei in allen Ländern „die kapitalistische Wirtschaftsordnung, die in ihrer Fortentwicklung Begleiterscheinungen hervorruft, zu denen die Ausbildung der wirtschaftlichen öffentlichen Körper gehört"

Die deutschen Gemeinden hatten, ebenso wie die Gesamtwirtschaft, von der wirtschaftlichen Stabilitäts-und Prosperitätsphase der Jahre 1924 bis 1928 profitiert. Um so härter traf sie die 1929 einsetzende Wirtschaftskrise. Die öffentlichen Lasten der Massenarbeitslosigkeit wurden von Staat und Wirtschaft auf die Gemeinden abgewälzt. Zwar hatte 1927 das Reich die Arbeitslosenversicherung eingeführt, die Ausgaben für die wachsende Zahl der aus der Arbeitslosenversicherung ausgesteuerten Erwerbslosen mußte aber von den kommunalen Wohlfahrtsämtern übernommen werden. Da für die kommunalen Wohlfahrtslasten keine ausreichenden Deckungsmittel vorhanden waren, arbeiteten zahlreiche Gemeinden seit 1930 mit defizitären Haushalten. Die Überschüsse aus den kommunalen Versorgungsunternehmen wurden zur Finanzierung der Wohlfahrtskosten verwandt. Die in der ersten Notverordnung Brünings vom 26. Juli 1930 vorgesehene Erhöhung der Biersteuer und Schankverzehrssteuer sowie die Einführung einer Bürgersteuer (Verwaltungskostenbeitrag) zur Verbesserung der kommunalen Finanzen brachte den Gemeinden keine wesentliche Erleichterung, zumal die Einführung der als „Kopfsteuer" verrufenen Bürgersteuer zu heftigen politischen Konflikten in den Stadtverordnetenversammlungen führte und von diesen häufig abgelehnt wurde. 1932 gingen einige Gemeinden dazu über, staatliche Steuern nicht mehr an das Reich abzuführen, um sie für die Erwerbslosenfürsorge zu verwenden Diese Situation veranlaßte einige Länder, so Preußen und Sachsen, zur Einsetzung von Staatskommissaren in den betreffenden Gemeinden mit weitgehenden Eingriffsrechten in die kommunale Finanzverwaltung

In diese außerordentlich prekäre Situation der Gemeinden platzte 1929/30 der Berliner Sklarek-Skandal, eine kommunale Korruptionsaffäre, in die mehrere städtische Beamte, darunter auch Sozialdemokraten, verwickelt waren und die zum Sturz des Berliner Ober-bürgermeisters Gustav Böß führte, obwohl Böß persönlich nur am Rande von der Affäre betroffen war. In der angespannten politischen Situation dieser Jahre trugen die Umstände des Sklarek-Skandals in der Reichshauptstadt, in dessen Mittelpunkt für die Öffentlichkeit ein führender demokratischer Kommunalpolitiker stand — Böß war seit 1921 Präsident des DST —, zu einer verstärkten Diskreditierung der kommunalen Demokratie und darüber hinaus des Weimarer Systems bei.

Zur gleichen Zeit, als in den Jahren 1930 bis 1933 die Gemeinden in eine politische und finanzielle Ohnmachtsstellung getrieben wurden, entstand in der wissenschaftlichen Literatur das Schlagwort von der „Krise der kommunalen Selbstverwaltung" In dieser , Krisenliteratur’ fand die seit Jahren von der bürgerlichen Rechten vorgetragene Kritik an der kommunalen Demokratie, der Kommunalpolitik und Kommunalwirtschaft ihren theoretischen Niederschlag Die Großstädte wurden darin als „pluralistische Sprengkörper im Gefüge des Staates" und die Politisierung der Gemeinden durch die Einführung des demokratischen Wahlrechts 1919 als „Denaturierung der Demokratie in den Parteienstaat" beschrieben Demokratie und kommunale Selbstverwaltung seien miteinander unvereinbar. Diese konservative Abwehrreaktion gegen die kommunale Demokratie muß auf dem Hintergrund der politisch-ökonomischen Gegensätze gesehen werden: „Zur Überwindung der Klassengegensätze", hieß es, „können die Gemeinden Wesentliches nicht beitragen." Der von den Gemeinden vertretene Grundsatz der Universalität des kommunalen Wirkungsbereichs ermögliche eine „fast grenzenlose Ausdehnung der Gemeindewirtschaft" Es drohe die Gefahr, daß sich die Gemeinden von „einer politischen in eine ökonomische Einheit" wandelten In dieser , Krisenliteratur’ spiegelt sich der Abbau des demokratischen Systems der Weimarer Republik nach dem Bruch der großen Koalition 1930, der die Wende zu dem autoritären Regierungssystem unter Brüning, Papen und Schleicher und der wachsenden Faschisierung Deutschlands bis zum Sieg des Nationalsozialismus 1933 markiert.

Die Gemeinden und kommunalen Spitzenverbände wurden in dieser Phase immer weiter entmachtet. Unter den Kabinetten Papen und Schleicher und nach der Absetzung der letzten demokratischen Regierung Preußens durch den Staatsstreich vom 20. Juli 1932 lag die staatliche Macht in den Händen der antidemokratisch-und großstadtfeindlich eingestellten Gruppe der Barone, Militärs und Industriellen. Die Nationalsozialisten haben schließlich im Zuge der politischen Gleichschaltung der öffentlichen Körperschaften die kommunale Demokratie vollends beseitigt.

III. Nationalsozialistische Kommunalpolitik

Die Entwicklung des kommunalen Faschismus 1933— 1945 ist durch drei Phasen gekennzeichnet. In die erste Phase fällt die politische Eroberung der kommunalen Machtpositionen und die Beseitigung der kommunalen Demokratie. Diese Phase war bereits nach wenigen Monaten abgeschlossen. Es folgte in den Jahren 1933 bis 1935 die organisatorische Eingliederung der Gemeinden in das wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische System des Faschismus. Der Erlaß der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 kennzeichnet das Ende dieser zweiten Phase, für die eine engere Zusammenarbeit zwischen Nationalsozialismus und konservativer kommunaler Bürokratie charakteristisch ist. Nachdem der in erster Linie von Sozialdemokraten und Kommunisten getragene örtliche politische Widerstand weitgehend unterdrückt war, setzte 1935 jene Entwicklung ein, die die Gemeinden in die nationalsozialistische Kriegsvorbereitung und seit 1939 in die Organisation der Kriegführung einbaute. Diese dritte Phase des kommunalen Faschismus endete mit der Zerstörung der deutschen Städte 1945.

Mit den Arbeiten von Matzerath, Bretschneider, Bludau, Görgen, Klotzbach, Roloff und Steinberg liegen inzwischen eingehende Detailuntersuchungen über die kommunale Machtergreifung der Nationalsozialisten vor 58a). Es gelang den Nationalsozialisten 1933 in kurzer Zeit, die Kommunen, insbesondere die Großstädte, in ihre Hand zu bringen und damit das faschistische System machtpolitisch auf der örtlichen Ebene abzusichern. In Preußen wurden bereits am 4. Februar 1933 die bestehenden kommunalen Vertretungskörperschaften aufgelöst und Neuwahlen für den 12. März — eine Woche nach den Reichstags-wahlen — ausgeschrieben Aus diesen Wahlen gingen in fast allen Großstädten die Nationalsozialisten als stärkste Fraktion hervor Entgegen der Großstadtfeindschaft in der proklamierten NS-Ideologie besaßen die Nationalsozialisten ein sicheres Gespür dafür, daß die politisch-gesellschaftlichen Zentralen nicht auf dem Lande, sondern in den großen Städten zu suchen waren. Die Mandate der in die neuen Stadtverordnetenversammlungen gewählten kommunistischen Vertreter wurden sogleich kassiert, ihre Träger in Schutzhaft genommen. Im übrigen blieb den neuen Kommunalparlamenten als einzige Aufgabe übrig, die Überleitung der Gemeinden in autoritär verfaßte kommunale Systeme sicherzustellen. Teilweise wurde die kommunale Macht, so in Dortmund und Essen, Staatskommissaren übertragen, denen die „Säuberung" der Verwaltung oblag Die Tätigkeit der Düsseldorfer Stadtverordnetenversammlung beschränkte sich auf eine einzige Sitzung am 4. April

Das besondere Augenmerk der Nationalsozialisten richtete sich auf die kommunale Verwaltungsspitze, wobei neben politischen Absichten auch der Bedarf an Positionen zur Versorgung der „alten Kämpfer" eine Rolle spielte. 1935 zählten von 2 228 städtischen Oberbürgermeistern und Bürgermeistern 1 049 (47%) zu den Altparteigenossen, 694 (31 %) zu den Neuparteigenossen und 485 (22%) zu den Nicht-Parteigenossen Dem Personal-schub von 1933 waren mit Ausnahme des Leipziger Oberbürgermeisters Carl Goerdeler alle bekannten kommunalen Spitzenbeamten der Weimarer Zeit, darunter auch Adenauer (Köln), Lehr (Düsseldorf) und Jarres (Duisburg) zum Opfer gefallen Als rechtliche Handhabe für die Amtsenthebungen in den örtlichen Magistraten, die zum Teil die gesamte Verwaltungsspitze umfaßte diente das neugeschaffene Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. 4. 1933 Darüber hinaus umfaßte die Säuberung auch den unteren Bereich des kommunalen Stellenkegels: kommunistische Arbeiter wurden aus dem öffentlichen Dienst entfernt Gegenüber der rigorosen Personalpolitik der Nationalsozialisten in den Kommunen 1933 erscheinen die personellen Maßnahmen der Arbeiter-und Soldatenräte von 1918/19 geradezu harmlos. Während die Räte 1918 die monarchisch-konservative Beamtenschaft weitgehend in ihren Ämtern belassen und sie lediglich der demokratischen Kontrolle unterworfen hatte, entfernten die Nationalsozialisten ohne Ausnahme sämtliche Anhänger der Linksparteien und die meisten Anhänger bürgerlich-demokratischer Parteien aus den kommunalen Verwaltungsstellen. Lediglich der nach wie vor nicht unerhebliche Teil der konservativen Beamtenschaft konnte sich auf der örtlichen Ebene wie auch in den Bürokratien der kommunalen Spitzenverbände behaupten.

Der örtliche Faschismus erstreckte sich jedoch nicht nur auf den Bereich der kommunalen Politik und Verwaltung, sondern erfaßte das gesamte gesellschaftliche und kulturelle Leben der Gemeinde Görgen stellt für den Fall Düsseldorf fest, daß im Leben der Stadt „kaum etwas dem Einflußstreben der Nationalsozialisten" entging. Die Nationalsozialisten setzten sich in allen örtlichen gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Vereinigungen fest, vom Haus-und Grundbesitzerverein, dem Arzteverein bis zu den städtischen Handwerkerinnungen Lediglich bei den örtlichen Gliederungen der Kirchen, insbesondere der katholischen Kirche, blieben die Versuche zur Gleichschaltung und personellen Umbesetzung häufig erfolglos. Der für die deutschen Gemeinden der Weimarer und Vor-Weimarer Zeit charakteristische Pressepluralismuswurde durch das Verbot der Blätter, Eingriffe in die Redaktionen und den Ausbau der lokalen NSDAP-Presse beseitigt. Zu den Maßnahmen der faschistischen Kulturpolitik zählte die Auflösung von Volkshochschulen und Abendhochschulen, an deren Stelle die neuen „Volksbildungsschulen" traten, sowie Bücherverbrennungen und die Säuberung der Volksbüchereien von „artfremden Kulturgut". Ein Erlaß des preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 2. 9. 1933 setzte fest, daß den „Volksbüchereien für die geistige und seelische Erneuerung unseres Volkes und seine künftige Erziehung im nationalsozialistischen Geiste eine wichtige Aufgabe zufällt"

Der wirksamste Einfluß auf die Gemeinden ging von den lokalen Organisationen der NSDAP selbst, der SA und seit 1934 der SS, sowie den NSDAP-Nebenorganisationen, der Deutschen Arbeitsfront, der NS-Volkswohlfahrt, dem NS-Frauenbund und der Hitlerjugend, aus. Während die NSDAP die allgemeine Linie der örtlichen Politik bestimmte, erwarben sich die Nebenorganisationen entsprechende Einflußmöglichkeiten in den sie betreffenden Fragen der Kommunalpolitik Die Inhumanität des örtlichen Faschismus fand seinen erschreckendsten Ausdruck in den antisemitischen Ausschreitungen, die sich vor allem gegen den örtlichen jüdischen Mittelstand richteten. Das Kesseltreiben gegen die jüdischen Mitbürger führte zur „Reichskristallnacht" 1938 und schließlich zu den Judendeportationen der Kriegsjahre, die sich ohne die passive Haltung der örtlichen Volksgenossen nicht hätten durchführen lassen. Der Faschismus hatte das Bewußtsein örtlicher Gemeinschaft, das Widerstand verlangt hätte, weitgehend zerstört.

Ernst zu nehmenden politischen Widerstand gegen die örtliche Herrschaft der Nationalsozialisten gab es in den ersten Jahren des NS-Systems lediglich aus den Kreisen der Arbeiterschaft. Der örtliche Widerstand wurde, wie es die Untersuchungen in den Fällen Dortmund, Essen und Düsseldorf zeigen, von der KPD, der RGO (Revolutionäre Gewerkschaftsopposition), dem KJVD (Kommunistischer Jugendverband) und von Sozialdemokraten getragen. Bis 1935/36 waren jedoch die örtlichen Organisationen des linken Widerstands von der Gestapo zerschlagen

Am 24. März 1933 führte der deutschnationale Oberbürgermeister von Leipzig, Goerdeler, auf einer Ratssitzung aus: „Zum ersten Male seit der Gründung des Reichs durch Bismarck ist die Möglichkeit gegeben, die Verfassung des Reichs und der Länder, das Recht der Gemeinden und sonstigen Selbstverwaltungskörperschaften so zu gestalten, wie es nach den Erfahrungen der letzten sechzig Jahre den Lebensinteressen des deutschen Volkes, seiner Eigenart, seinem nationalen Willen und seiner Ehre entspricht." Hinter diesen Worten stand die Erwartung führender konservativer Kreise aus Wirtschaft und Verwaltung, mit Hilfe der Nationalsozialisten ein staatsautoritäres System herzustellen, das an die Stelle der demokratischen Republik von 1919 treten sollte. Diese Vorstellung lief auf einen von konservativen Beamten, Militärs und Wirtschaftsführern geleiteten Technokratenstaat hinaus, als dessen Vorbild die Geschlossenheit des politischen und wirtschaftlichen Systems Deutschlands im Ersten Weltkrieg diente. Goerdeler, gleichzeitig ein führender Kommunalpolitiker im Vorstand des DST, fand sich nach der Machtergreifung bald zu einer Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten bereit.

Der Vorstand des DST suchte sich zunächst den neuen Gegebenheiten dadurch anzupassen, daß er sich am 17. 3. 1933 in einen Arbeitsausschuß umwandelte, in den auch einige Nationalsozialisten kooptiert wurden. Gleichzeitig gingen von den nationalsozialistischen Kommunalpolitikern unter Führung des Leiters des NSDAP-Hauptamts für Kommunalpolitik, Karl Fiehler (München), Bestrebungen zum Zusammenschluß aller kommunalen Spitzenverbände zu einem Einheitsverband aus, der eine wirksame politische Kontrolle des Verbands gewährleisten sollte Dieser Einheitsverband kam am 22. 5. 1933 unter dem Namen „Deutscher Gemeindetag" zustande. Fiehler wurde zum Vorsitzenden des Verbands, der Kommunalwissenschaftler Kurt Jeserich zum Geschäftsführer bestellt und der bisherige Geschäftsführer Oskar Mulert fristlos entlassen. Durch die Gleichschaltung der kommunalen Spitzenverbände wurde die „dritte Ebene" des Staatsaufbaus, das kommunale System, als eigenständiger politischer Willensträger entmachtet. Den neuen Verhältnissen trug schließlich das „Gesetz über den Deutschen Gemeindetag" vom 15. 12. 1933 Rechnung, das allen Selbstständigkeitsbestrebungen des kommunalen Spitzenverbands einen Riegel vorschob, indem es das Recht zur Bestellung des Vorstands, seine Einberufung und die Festsetzung der Tagesordnung der Sitzungen des Vorstands sowie die Genehmigung des Haushaltsplans dem Reichsminister des Innern übertrug. Auf dem Nürnberger Parteitag der NSDAP 1934, so konnte das Verbandsorgan des DGT berichten, habe sich erstmals das Bild der „Einigkeit von Staat und Gemeinde" gezeigt, das sich vorteilhaft von den früheren Klagen der Gemeinden gegenüber dem Staat abgehoben habe 74a). Eine wesentliche Funktion konnte der DGT allerdings über das Jahr 1933 hinaus bewahren. Er blieb weiterhin die Spitzenvertretung der leitenden kommunalen Beamtenschaft. In dieser Eigenschaft trat er zwangsläufig in eine Rivalität zu den im Hauptamt für Kommunalpolitik vertretenen Interessen der nationalsozialistischen Parteiorganisation. Der Interessenlage der leitenden kommunalen Beamtenschaft entsprach auch die Deutsche Gemeindeordnung von 1935, die unter maßgeblicher Mitwirkung Goerdelers zustande kam, der bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt des Leipziger Oberbürgermeisters im Jahre 1937 dem Vorstand des DGT angehörte. Bereits am 15. 12. 1933 hatte Preußen unter dem Einfluß der konservativen Ministerialbürokratie ein neues Gemeindeverfassungsgesetz erlassen, das die Abschaffung kommunaler Wahlgremien und ihre Ersetzung durch teils nach berufständischen Prinzipien ernannte Gemeinderäte vorsah. Die Berufung des „Leiters der Gemeinde" wurde der staatlichen Aufsichtsbehörde, nicht der Partei, übertragen. In dieser Konzeption trafen „autoritäre Vorstellungen und das nationalsozialistische Führerprinzip" zusammen, „um die Stellung des Bürgermeisters gegenüber den Gemeindevertretern und innerhalb der Lokalverwaltung als des ausschließlich verantwortlichen Leiters der Ortsbehörden auszubauen" Eine einheitliche Grundlage des kommunalen Verfassungsrechts für das gesamte Reich mit Ausnahme Berlins schuf schließlich die Deutsche Gemeindeordnung (DGO) vom 30. 1. 1935. Sie ersetzte sämtliche bis dahin auf der Länder-und Provinzialebene bestehenden Städte-und Gemeindeordnungen und faßte alle Gemeinden von der Großstadt bis zur Landgemeinde auf einer einheitlichen verwaltungsrechtlichen Basis zusammen. Die Konzentration der Verwaltung durch die DGO entsprach der auf die Zentralisierung aller gesellschaftlichen Kräfte ausgerichteten nationalsozialistischen Politik. „Die deutsche Gemeinde", so kommentierte das Verbandsorgan des DGT, fühle sich „durch die Deutsche Gemeindeordnung dem Führer noch unmittelbarer verbunden als bisher"

Die Verfassungskonstruktion der DGO beruhte auf dem Führerprinzip. Die „Führung" der Verwaltung wurde dem Bürgermeister in „voller und ausschließlicher Verantwortung übertragen" (§ 32). Zur Beratung, nicht zur Beschlußfassung, wurden ihm Gemeinderäte beigegeben, deren Rat er in bestimmten, ge-setzlich festgelegten Angelegenheiten einzuholen hatte. Die Gemeinderäte — Frauen waren von diesem Amt ausgeschlossen — wurden durch den örtlichen Beauftragten der NSDAP im Benehmen mit dem Bürgermeister berufen, nicht gewählt. Bei ihrer Berufung war auf „nationale Zuverlässigkeit, Eignung und Leumund zu achten und Persönlichkeiten zu berücksichtigen, deren Wirkungskreis der Gemeinde ihre besondere Eigenart oder Bedeutung gibt oder das gemeindliche Leben wesentlich beeinflußt" (§ 52). Der örtliche Beauftragte der NSDAP, in der Regel der Orts-gruppen-oder Kreisleiter, wurde vom Stellvertreter des Führers bestimmt. In Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von über 100 000 wurde der Oberbürgermeister vom Reichsminister des Innern, in Gemeinden darunterliegender Größenordnung von den Aufsichtsbehörden jeweils für eine Amtszeit von zwölf Jahren bestellt, wobei zuvor der örtliche Beauftragte einen Dreiervorschlag einzureichen hatte. Ähnliche Bestimmungen galten für die Bestellung der Beigeordneten.

In der Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden entsprach die DGO den Forderungen, die seit den zwanziger Jahren von der Privatwirtschaft gegen die Gemeinden erhoben worden waren Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden wurde auf jene Fälle eingegrenzt, in denen ein „öffentlicher Zweck" gegeben, das Unternehmen der Leistungsfähigkeit und dem Bedarf der Gemeinden entsprach und „der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch ein anderes (Unternehmen) erfüllt wird oder erfüllt werden kann" (§ 67 Abs. 1, 3)

Für die politische Auswirkung der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 ist ein Ausspruch Goerdelers aus dem Jahre 1944 charakteristisch, worin er resignierend feststellt: „Das Gemeindeleben ist verödet, die Selbstverwaltung tot, die Bürger kennen kaum noch den Namen ihres Bürgermeisters, geschweige denn die von der Partei ernannten, im Verborgenen blühenden Gemeinderäte." Die dringendsten Sachaufgaben, denen die Kommunen 1933 gegenüberstanden, bestanden in der Bewältigung der Arbeitslosigkeit und dem Abbau der kommunalen Verschuldung. Durch das Gemeindeumschuldungsgesetz vom 21. 9. 1933 wurden alle kurzfristigen Verbindlichkeiten der Gemeinden auf den „Umschuldungsverband Deutscher Gemeinden" übertragen, der seinerseits den Gläubigern Inhaber-schuldverschreibungen zu 4 °/o Zinsen und 3 % Tilgung gab. Seit 1935 nahm die defizitäre Entwicklung der Gemeinden spürbar ab.

1937/38 konnte die Finanzlage der Gemeinden als konsolidiert angesehen werden. Diese Entwicklung ging jedoch zu Lasten der kommunalen Wirtschaftstätigkeit und begünstigte den privatwirtschaftlichen Sektor. Die Gemeinden wurden zu radikalen Sparmaßnahmen, zu Grundstücksverkäufen und zum Verkauf von Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen gezwungen. Die Ausgabenentwicklung und damit zusammenhängend die Bautätigkeit der Gemeinden stagnierte. 1936 schrieb der Beigeordnete des DGT, Hettlage:

„Die Verwendung von Überschüssen zur Vermehrung der Ausgaben, z. B. für große Bauten — abgesehen von einzelnen Sonderfällen —, wäre nach wie vor verfehlt" Häufig wurden kommunale Überschüsse zur Unterstützung von NSDAP-Nebenorganisationen, so der NS-Volkswohlfahrt und HJ, verwandt

Die Realsteuerreform von 1936 gab den Gemeinden die Grund-und Gewerbesteuer als ausschließliche Gemeindesteuer zurück. Die 1936 mit dem Beginn des Vierjahresplans einsetzende Zusammenfassung aller wirtschaftlichen Kräfte für die Rüstungspolitik brachte den Gemeinden erneute Kreditrestriktionen, so daß sich die konsolidierte Finanzlage nicht in einer Wiederbelebung der kommunalpolitischen Aktivitäten auswirken konnte. Der 1936 im Zuge des Vierjahresplans verordnete generelle Preisstopp verhinderte Veränderungen der Gebühren und Entgelte.

Das Gesetz zur Änderung der Arbeitslosenhilfe vom 22. 9. 1933 brachte den Gemeinden, die bis dahin die Lasten der Erwerbslosenfürsorge zu tragen hatten, eine wesentliche Erleichterung. Die Arbeitslosigkeit selbst ging in den folgenden Jahren unter den Auswirkungen des Arbeitsbeschaffungsprogramms, des Reichsarbeitsdienstes und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht allmählich zurück, erreichte jedoch im Winter 1935/36 noch einmal einen Stand von zwei Millionen.

Die ersten Warnzeichen künftiger kommunaler Probleme deuteten sich 1935 mit dem Erlaß des Reichsluftschutzgesetzes und der Gründung des Reichsluftschutzbundes an, obwohl der Bau von Bunkern und Feuerlöschteichen erst nach Kriegsbeginn in Angriff genommen wurde. Stärker trafen die Gemeinden die Kriegsvorbereitungen im Zusammenhang mit dem Vierjahresplan. Den Gemeinden wurde eine vermehrte Rücklagenbildung als „Ehrenpflicht" auferlegt Rückblickend auf die Jahre 1936 bis 1939 schrieb das Verbandsorgan des DGT 1939: „Schon nach dem Vierjahresplan waren die Gemeinden nicht nur ausführende Werkzeuge, sondern auch wesentliche Träger der Maßnahmen, die zur Sicherung und Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft getroffen wurden. Ganz anders als im Jahre 1914 sind wir heute auf die Aufgabe vorbereitet, die sich aus der im Kriege notwendigen öffentlichen Wirtschaftsverwaltung ergeben." Die Gemeinden seien gewissermaßen als „Träger der gesamten Kriegswirtschaft" aufgebaut worden 82a).

Auf der Ausstellung „Die Deutsche Gemeinde", die vom 7. bis 13. Juni 1936 in Berlin im Zusammenhang mit dem dort tagenden Internationalen Gemeindekongreß ausgerichtet wurde, wurden die deutschen Kommunen dem in-und ausländischen Publikum als Muster eines geordneten Gemeinwesens vorgeführt. Kommunalpolitische Akzente trug auch die Reichsausstellung „Schaffendes Volk“ vom 8. Mai bis 17. Oktober 1937 in Düsseldorf, die mit ihren Abteilungen „Werkstoff-und Industrieschau", „Siedlungsbau" und „Lebensraum" der Propagierung des Vierjahresplans und der „Wehrhaftmachung des deutschen Volkes" diente.

Im Gegensatz zu der offiziellen NS-Ideologie, die die Großstädte als Brutstätten politischen und kulturellen Verfalls verfemte, richtete sich die nationalsozialistische Kommunalpolitik in erster Linie auf die Großstädte, die 1933 ein Drittel der deutschen Bevölkerung erfaßten. Abgesehen von der Propagierung und Förderung der Stadtrandsiedlungen und des Kleinsiedlungsbaus sind in der nationalsozialistischen kommunalpolitischen Praxis wenig Ansätze einer Anti-Großstadt-Politik zu finden. Matzerath bemerkt dazu: „Das Bedürfnis nach Selbstdarstellung durch großzügige, bisweilen monströse städtebauliche und verkehrstechnische Planungen, die besonders bei Hitler nachhaltiges Interesse und Förderung fanden, richtete sich geradezu auf die Großstädte und ihre Entwicklung."

Als besonders förderungswürdige Projekte wurden die Städte Berlin, München, Nürnberg und Hamburg im Rahmen des Gesetzes über die Neugestaltung deutscher Städte vom 5. 10. 1937 unterstützt, zu denen später noch weitere Städte, darunter die „Gauhauptstädte", hinzukamen Keineswegs an einer Förderung des ländlichen Raums orientiert waren die im Zuge der Raumordnungspolitik durchgeführten Eingemeindungen von Klein-und Mittelstädten in Großstädte, so in München, Leipzig, Kassel, Braunschweig, Hannover, Karlsruhe, Stuttgart, Nürnberg und anderen Städten Die sich in großräumigen Zielsetzungen bewegende Politik des Dritten Reichs gab der Stärkung der Leistungskraft der Verwaltung eindeutig den Vorzug, weil sie den faschistischen Eroberungsplänen eher entsprach als kleinteilige Förderungsmaßnahmen in den ländlichen Gemeinden und Städten. „Von vornherein mit , Blut und Boden'verknüpft und auch von konservativer Seite als der eigentliche Raum der Selbstverwaltung betrachtet", verloren die ländlichen Gemeinden „nicht nur zunehmend an Bedeutung, sondern es ergaben sich auch hier die meisten und stärksten Schwierigkeiten"

Der Funktionszusammenhang der nationalsozialistischen Kommunalpolitik zeigte sich sehr deutlich nach dem Anschluß Österreichs und der Besetzung der sudetendeutschen Gebiete 1938. Am 15. 9. 1938 wurde die Deutsche Gemeindeordnung in Österreich und am 10. 11. in den Sudetengebieten eingeführt. Die österreichischen und sudetendeutschen Gemeinden wurden im Dezember 1938 dem Deutschen Gemeindetag eingegliedert. Die deutschen Gemeinden wurden von Fiehler im Januar 1939 in seinem Aufruf „Großdeutsche Gemeindepolitik, Wille und Weg" aufgefordert, sich der Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung im übergeordneten „staatspolitischen Interesse" zu beugen

Nachdem die deutschen Gemeinden nach sechsjähriger nationalsozialistischer Kommunalpolitik ihrer politischen Eigenständigkeit beraubt waren, ließ sich die Überführung der Kommunalverwaltung in die Maschinerie der Kriegspolitik und Kriegswirtschaft reibungslos durchführen. Während der Kriegsjahre funktionierte der kommunale Apparat, obwohl durch Einberufungen von Beamten und Angestellten erheblich geschwächt, mit der Perfektion eines Uhrwerks. Unter diesen Umständen war es sogar möglich, daß der Führererlaß vom 28. 9. 1939 über die Vereinheitlichung der Verwaltung, der die Gemeinden den Weisungsbefugnissen der Aufsichtsbehörden unterstellt hatte, ein Jahr später durch den Erlaß vom 12. 2. 1940 wieder gelokkert wurde, indem die staatlichen Mittel-instanzen angewiesen wurden, „mehr noch als bisher der eigenverantwortlichen Tätigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände Spielraum zu lassen und sich bei der Handhabung der Aufsicht im allgemeinen nur der Mittel zu bedienen, die die Gemeindeverfassungsgesetze vorsehen" . Es hatte sich in der Zwischenzeit gezeigt, daß die Durchführung der kriegswirtschaftlichen Maßnahmen auf der örtlichen Ebene ohne die Ausweitung der Eigeninitiative der Kommunalverwaltungen kaum möglich war. So erlangten paradoxerweise die Gemeinden während der Kriegs-jahre faktisch einen Teil jener verwaltungsorganisatorischen Selbständigkeit zurück, die ihnen in den vorhergegangenen Jahren nationalsozialistischer Politik genommen worden war. Aber ihrer demokratischen Substanz beraubt, waren die Gemeinden nicht in der Lage, Widerstand gegen eine Kriegspolitik zu leisten, die schließlich zur Zerstörung der deutschen Großstädte führte. In diesem Werk der Selbstzerstörung fiel den Gemeinden die Aufgabe der „inneren ReichsVerteidigung" zu. „Die innere Front der Heimat", hieß es in dem Neujahrsaufruf Fiehlers 1940, „hat sich zu einer auf Leben und Tod verschworenen Gemeinschaft zusammengeschlossen, die zu allen Opfern bereit ist. Diese innere Front ist im neuzeitlichen Krieg nicht minder bedeutungsvoll als ein Schutzwall aus Beton und Eisen an den Grenzen des Reiches oder auch als ein Millionenheer kampfesmutiger Männer, die mit der Waffe in der Faust das Lebensrecht des deutschen Volkes erzwingen."

Der wichtigste kommunale Beitrag zur Kriegsorganisation bestand in der Versorgung der Bevölkerung durch die bei den Landkreisen und kreisfreien Städten geführten Wirtschafts-und Ernährungsämter, in deren Zuständigkeit die Ausgabe von Lebensmittelkarten und Bezugsscheinen für lebenswichtige Güter fiel und denen die örtliche Regulation des Verbrauchs und der Erzeugung oblag. Obwohl die Versorgung insgesamt den Kriegsverhältnissen entsprechend funktionierte, herrschte ein ständiger Mangel an Fleisch und Kohle. Zu den weiteren Kriegsaufgaben der Gemeinden zählte die Raumbeschaffung für die Wehrmacht, der Luftschutz, der Familienunterhalt, die Kriegshinterbliebenenfürsorge sowie die nur behelfsmäßig mögliche Aufrechterhaltung des Schulbetriebs, der 1944 faktisch zum Erliegen kam Die Tätigkeit der kommunalen Behörden beschränkte sich auf eine Art Notverwaltung. Für die Vorbereitung neuer kommunaler Projekte fehlte sowohl die Finanzkraft als auch das Personal.

Die Kriegsjahre sind das düstere Kapitel der deutschen Kommunalgeschichte. Unter den 1940 einsetzenden und seit 1943 sprunghaft anwachsenden Bombenangriffen sanken die deutschen Großstädte in Schutt und Asche.

IV. Kommunalgeschichtliche Entwicklung seit 1945

Die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz vom 17. 7. bis 2. 8. 1945 sahen für die künftige politische Entwicklung Deutschlands vor: „Die Verwaltung Deutschlands muß in Richtung auf eine Dezentralisierung der politischen Struktur und der Entwicklung einer örtlichen Selbstverwaltung durchgeführt werden." Dieser Linie entsprechend richteten die vier Besatzungsmächte 1945 in ihren Zonen von den Militärbehörden kontrollierte lokale Verwaltungen ein. Die nationalsozialistischen Ober-bürgermeister,Bürgermeister und Landräte wurden abgesetzt und interniert, sofern sie nicht bereits durch Flucht und einige durch Selbstmord aus dem Amt geschieden waren Diese erste Säuberungswelle, die den späteren Entnazifizierungsverfahren vor-ausging, traf in den drei westlichen Besatzungszonen in erster Linie die kommunalen Spitzenbeamten. Die mittlere und untere Ebene der kommunalen Beamtenschaft wurde von diesen Maßnahmen nicht erfaßt, da die Alliierten bestrebt waren, die „efficiency" der Verwaltung aufrechtzuerhalten. Bei der Neubesetzung der kommunalen Ämter bedienten sich die lokalen Militärbehörden des Rats örtlicher Honoratioren, insbesondere auch der Geistlichen der beiden als politisch integer geltenden christlichen Kirchen — ein Faktum, das zu den späteren Wahlerfolgen der CDU/CSU nicht unwesentlich beigetragen hat. Da die Gewerkschaften in dieser Anfangsphase der politischen Entwicklung noch keinen entscheidenden Einfluß besaßen, war die Personalpolitik der Besatzungsmächte der Westzonen an ausgesprochen konservativen Leitvorstellungen orientiert Den neuernannten Bürgermeistern wurden ohne beschließende Funktion Beiräte beigegeben, so daß die autoritäre Struktur der kommunalen Verwaltungen zunächst beibehalten wurde.

Das neue kommunale System des Jahres 1945, so stellt Rudzio in seiner Untersuchung der Kommunalreform in der britischen Zone fest, „ähnelte noch verzweifelt der formalen Struktur der DGO von 1935 mit ihrem Führerprinzip, nur daß die Militärregierung anstelle von Staatsaufsicht und NSDAP getreten schien" Den in verschiedenen westdeutschen Gemeinden entstandenen antifaschistischen Räten, die sich aus ehemaligen Häftlingen der Konzentrationslager, Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerlichen Demokraten zusammensetzten, standen die westlichen Besatzungsbehörden ablehnend gegenüber. Dagegen spielten in der sowjetischen Besatzungszone die antifaschistischen Komitees und die bereits am 10. Juni 1945 zugelassenen demokratischen Parteien und Gewerkschaften, die sich im „Demokratischen Block" zusammenschlossen, bei der örtlichen Personalpolitik der sowjetischen Militärbehörden eine bedeutendere Rolle, obwohl auch sie zunächst überwiegend bürgerliche Verwaltungsfachleute in die Leitung der Kommunen beriefen Nach einer Aufstellung des Personal-amts der Landesverwaltung von Mecklenburg gehörten am 10. 1. 1946 von den in den 20 Kreisen und 8 kreisfreien Städten des Landes tätigen Bediensteten 1. 508 der KPD, 1. 907 der SPD, 416 der CDU und LDPD und 7. 490 keiner Partei an Im Gegensatz zu den westlichen Besatzungsmächten verfolgten die sowjetischen Militärbehörden in der ersten Nachkriegsphase eine betont antifaschistische Per-sonalpolitik, die sich vor allem auf erklärte politische Gegner der Nationalsozialisten stützte.

Weder vorher noch nachher haben die deutschen Gemeinden im Bewußtsein der Bevölkerung eine derart überragende Stellung eingenommen wie in der Situation der Jahre 1945/46. In seiner ersten Ausgabe schrieb das Verbandsorgan des inzwischen neu gegründeten Deutschen Städtetags 1948: „Daß das deutsche Leben unter seinen derzeitigen Voraussetzungen noch nicht völlig zum Erliegen gekommen ist, zeugt von einer nach so viel Katastrophen fast erstaunlichen Kraft. Ausdruck dieser Kraft sind nicht zuletzt die Gemeinden, die sich seit dem Zusammenbruch als eine der wenigen Realitäten im Gespensterskat der Fiktionen bewährt haben und bewähren." Da das durch die Kriegswirtschaft eingeführte System der öffentlichen Wirtschaftsverwaltung nach 1945 zunächst weiterbestand, regelte das örtliche Bezugsscheinamt nicht nur die Zuteilung von Nahrungsmitteln, Kleidung, Haushaltsgegenständen für den Massenverbrauch, sondern auch die Zuteilung von Rohstoffen, Ersatzteilen und Waren für die örtlichen Betriebe. Die Hauptprobleme der Städte in der Nachkriegszeit bestanden in der Wiederbeschaffung von Wohnraum, dem Wiederaufbau der Versorgung mit Wasser, Gas und Elektrizität und der Wiederherstellung der örtlichen Verkehrseinrichtungen. Die überragende Bedeutung der Städte in dieser Zeit beruhte primär auf den von ihr wahrgenommenen wirtschaftlichen Funktionen. Die deutsche Wirtschaft der ersten Nachkriegsjahre bestand aus einem Netz kommunaler Wirtschaftszentralen. Erst die spätere politische und wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik und der DDR hat die Bedeutung der Kommunen als Verwaltungs-und Wirtschaftszentren wieder zurückgestuft und auch die praktische Erfahrung der Gemeinden als neuralgische Knotenpunkte des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens wieder mehr aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit verdrängt Durch die Kriegseinwirkungen hatte sich die Bevölkerungsstruktur der Gemeinden erheblich verändert. Die Großstädte Berlin, Düsseldorf, Nürnberg, Mannheim, Trier, Magdeburg, Chemnitz und Dresden hatten zwischen 20 °/o und 30 °/o der Bevölkerung, Köln, Aachen, Münster, Heilbronn, Darmstadt, Mainz zwischen 30 °/o und 40 °/o und Kassel, Würzburg, Frankfurt/O über 40% der Bevölkerung verloren Gleichzeitig hatte die Evakuierung der Bevölkerung aus den zerbombten Städten und der Zustrom der Flüchtlinge in einigen Gebieten zu einem sprunghaften Anwachsen der Bevölkerung in den ländlichen Gemeinden geführt, so daß die Struktur des ländlichen Raums, der bisher von der Außenwelt nahezu abgeschlossen war, grundlegend verändert wurde Der Bevölkerungszuwachs im Vergleich der Jahre 1939— 1946 betrug im Gebiet des Landes Schleswig-Holstein 62, 1 %, in Niedersachsen 37, 7 %, in Bayern 28, 3 °/o, in Mecklenburg 52, 2 % in Sachsen-Anhalt 20, 9% und in Thüringen 20, 4% Die Veränderung der Bevölkerungsstruktur bewirkte in den folgenden Jahrzehnten eine Dynamisierung und Urbanisierung des ländlichen Raums und trug zur wachsenden Bedeutung der Kommunalpolitik der Klein-und Mittel-städte bei.

Ende 1945 gingen die Besatzungsmächte dazu über, durch Erlaß von provisorischen Gemeindeordnungen den Kommunen eine neue verfassungsrechtliche Grundlage zu geben, die an die Stelle der DGO treten und das Führerprinzip durch die Wiedereinführung demokratischer Vertretungskörperschaften ablösen sollte. Am 1. April 1946 trat in der britischen Zone die sogenannte revidierte Deutsche Gemeindeordnung in Kraft, die erstmals in der deutschen Kommunalgeschichte die Trennung von politischer und administrativer Leitung der Gemeinden — den politischen Bürgermeister als Vorsitzenden der Gemeindevertretung und den Stadtdirektor als beamteten Leiter der den Beschlüssen der Vertretung unterworfenen Verwaltung — einführte, über die Absicht der neuen Gemeindeordnung hieß es in der Einführung: „Das Naziwesen auszutilgen, die politischen Ziele und Lehren der nationalsozialistischen Partei aus dem deutschen Recht auszumerzen, ordnungsgemäße Regierungsmethoden einzuführen und der Bevölkerung das Recht und die Verantwortung zur Führung ihrer eigenen Angelegenheiten zu geben...“ Einschränkend wurde dazu vermerkt: „Diese Politik kann nur schrittweise zur Ausführung gelangen, die Schaffung völlig demokratischer Einrichtungen, die auf dem Wahl-prinzip beruhen, muß in Stadien vor sich gehen."

Am weitesten wurde die Demokratisierung der Kommunalverfassung in der sowjetischen Besatzungszone durch die „Demokratische Gemeindeordnung" vom 30. 9. 1946 betrieben, die einheitlich in allen fünf Ländern der Zone eingeführt wurde. Kennzeichnend sei, so kommentierte der Kölner Oberbürgermeister Hermann Pünder (CDU) die Demokratische Gemeindeordnung im Vergleich zu den Gemeindeordnungen der westlichen Zonen, „daß diese neue Gemeindeverfassung die Grundsätze der Demokratie in einer Gemeindeverfassung wohl am schärfsten zum Ausdruck bringt, wobei nur die Frage offen bleibt, ob diese extreme Gestaltung ihre Funktionsfähigkeit in der Praxis wird erweisen können" Die Demokratische Gemeindeordnung setzte eine zweijährige Wahlzeit der Gemeindevertretung fest und sah die Möglichkeit einer vorzeitigen Abberufung der Vertretung durch einen Gemeindeentscheid vor. Als ausführendes Verwaltungsorgan fungierte der Gemeinderat, dem neben dem Bürgermeister bis zu vierzehn besoldete und unbesoldete Mitglieder angehörten. Seine Amtszeit wurde gleichfalls auf zwei Jahre beschränkt. Ferner wurde der Grundsatz eingeführt, daß der Bürgermeister zu seiner Amtsführung des Vertrauens der Gemeindevertretung bedürfe.

Bei den nach Kriegsende, Gemeindewahlen die im Januar 1946 in der amerikani-sehen Zone und im September 1946 in den drei anderen Zonen stattfanden, konnten die inzwischen neugebildeten Parteien, in den Westzonen die CDU und CSU, die SPD, die KPD und die liberalen Parteien, in der Ostzone die aus dem Zusammenschluß von KPD und SPD gebildete SED, die CDU und LDPD, ihre ersten kommunalen Schlüsselpositionen erobern. Mit dem Einzug der überörtlich organisierten Parteien in die Rathäuser endete die erste Phase der Nachkriegs-Kommunalpolitik. Die relative Selbstständigkeit der Kommunen trat wieder zugunsten ihrer übergeordneten politischen und gesellschaftlichen Systemfunktion zurück

Im Zuge der Bemühungen der Parteien um die Wiederherstellung zentraler staatlicher Organe dienten die Kommunen fortan als Ausgangsbasen zur Eroberung der politischen Macht. Auch die Neubildung der Länder, der Ausbau der Landesverwaltungen und die Wahlen zu den Landtagen und schließlich die Auswirkung des Ost-West-Gegensatzes auf die innenpolitische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands drängte die Bedeutung der Kommunen zunehmend in den Hintergrund. Die Einrichtung Zentraler Wirtschaftsverwaltungen, der Deutschen Wirtschaftskommission in Berlin und des Wirtschaftsrats in Frankfurt 1947 nahm den Gemeinden wieder die überragende wirtschaftliche Funktion, die ihnen nach dem Kriegsende zugefallen war Als einzige Stadt konnte Berlin, wenn auch unter problematischen Umständen, ihre überragende politische Bedeutung behaupten. Die ehemalige Reichshauptstadt geriet durch die Berliner Blockade 1948/49 in den Brennpunkt der deutschen und der Weltöffentlichkeit. Mit der Gründung der beiden deutschen Staaten endete schließlich die von einigen Kommunalpolitikern nach 1945 euphorisch berufene „Stunde der Selbstverwaltung"

Ungeachtet dieser Tatsache propagierten jedoch die in Westdeutschland 1946/47 wieder-begründeten kommunalen Spitzenverbände, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städtebund und der Deutsche Gemeindetag — die sich 1953 zur Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände zusammenschlossen —, auch weiterhin die herkömmliche Ideologie kommunaler Selbstverwaltung. Anknüpfend an die Tradition der bürgerlichen Selbstverwaltung im Deutschland des 19. Jahrhunderts und unter Berufung auf die preußische Städtereform des Freiherrn vom Stein hielt diese Selbstverwaltungsideologie an der Konstruktion eines Gegensatzes zwischen staatlicher Verwaltung und örtlicher Selbstverwaltung fest. Gegenüber dem demokratischen Verfassungssystem der Bundesrepublik mit gewählten Vertretungskörperschaften auf allen politischen Ebenen wirkte diese von den kommunalen Spitzenverbänden vertretene Selbstverwaltungsideologie ausgesprochen restaurativ und konservativ. Faktisch verteidigte diese Selbstverwaltungsideologie nicht die demokratischen Rechte der kommunalen Bürgerschaft zur Selbstbestimmung ihrer örtlichen Angelegenheiten sondern die Interessen einer sich bewußt unpolitisch gebenden und auf die Absicherung ihres sozialen Besitzstands bedachte kommunale Beamtenschaft. Eine Selbstverwaltung im Sinne einer inneren Politisierung und Demokratisierung der Gemeinden war jedenfalls nicht gemeint. Die kommunale Beamtenschaft suchte, nachdem das Entnazifizierungsverfahren überstanden war, Kontinuität und Stabilität. Die Beamtenschaft sei, so schrieb 1949 H. G. Wormit in seinem Beitrag „Der Beamte in der Selbstverwaltung" im Verbandsorgan des DST, gerade „in Zeiten politischer Unruhe, sozialer und wirtschaftlicher Spannungen für den Volkskörper lebensnotwendig", da er das „Element der Stetigkeit" verkörpere Um so notwendiger sei es, „die Kontinuität der Verwaltung, die sich in einem eingearbeiteten Beamtentum verkörpert, zu entwickeln und zu wahren und dies in Zukunft vor weiteren tiefgreifenden Erschütterungen zu schützen" Der kommunalen Beamtenschaft gelang es in den fünfziger Jahren, auch die gewählten Vertretungskörperschaften weitgehend zu entpolitisieren. Nach einigen Jahren kommunalpolitischer Neuorientierung arbeiteten die in den Rathäusern vertretenen politischen Parteien Westdeutschlands unter Wahrung des Proporzes bei den kommunalen Stellenbesetzungen in der Regel einträchtig zusammen. Die unter politischen Vorzeichen erfolgende Wahl der hauptamtlichen Oberbürgermeister und Bürgermeister bzw. Oberstadtdirektoren und Stadtdirektoren verdeckte die tatsächliche Entpolitisierung der kommunalen Verwaltung Die Große Koalition war in den westdeutschen Städten bereits eine ständige Einrichtung, bevor auf der bundespolitischen Ebene überhaupt jemand daran dachte. Wesentlich verstärkt wurde der Prozeß der Entpolitisierung der Kommunen durch den Prozeß der Pressekonzentration und dem seit dem Ende der fünfziger Jahre wachsenden Einfluß der überregionalen und vorwiegend bundespolitisch orientierten Fernsehanstalten. Die kommunale Öffentlichkeit der Großstädte wurde zunehmend reduziert und ist heute in vielen Gemeinden überhaupt nicht mehr vorhanden

Beide deutsche Verfassungen von 1949, die der Bundesrepublik und die der DDR, stellten für die Gemeinden den Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung auf. Art. 28 Abs. 2 GG besagt: „Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln." Art. 28 Abs. 1 GG setzte für die Wahl der Gemeindevertretungen den Grundsatz der allgemeinen, gleichen und geheimen Wahl fest.

Art. 139 der Verfassung der DDR von 1949 lautete: „Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Gesetze der Republik und der Länder. Zu den Selbstverwaltungsaufgaben gehören die Entscheidung und Durchführung aller öffentlichen Angelegenheiten, die das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben der Gemeinde oder des Gemeindeverbands betreffen. Jede Aufgabe ist vom untersten dazu geeigneten Verband zu erfüllen." Art. 140 setzte das demokratische Wahlrecht für die Vertretungskörperschaften fest. Das staatliche Aufsichtsrecht wurde durch Art. 142 auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Beachtung demokratischer Verwaltungsgrundsätze begrenzt. Art. 141 übernahm die Bestimmung der Demokratischen Gemeindeordnung von 1946, die die ausführenden Organe der Gemeinde bei ihrer Amtsführung an das Vertrauen der Vertretungskörperschaften band.

Entgegen den Bestimmungen der DDR-Verfassung wurde die politische und wirtschaftliche Selbstständigkeit der Gemeinden, die in der als antifaschistisch-demokratische Umwälzung bezeichneten Phase der Nachkriegszeit mit ihren aus freien Wahlen hervorgegangenen Vertretungskörperschaften eine bedeutende Rolle gespielt hatten, im Zuge des Aufbaus der zonalen und später der Staatsverwaltung nach den Grundsätzen des demokratischen Zentralismus systematisch abgebaut. Diese Entwicklung setzte 1948 mit der Eingliederung der Zentralverwaltungen der Sowjetischen Militäradministration in die Deutsche Wirtschaftskommission ein und führte zum Aufbau eines zentralen Systems der Planung von Wirtschaft und Verwaltung, das 1950 in dem Gesetz über die Reform des öffentlichen Haushaltswesens, das sämtliche Haushalte der Republik, der Länder, Landkreise und kreisfreien Städte zusammenfaßte, seine gesetzliche Grundlage fand. Damit war die Finanzhoheit der Kommunen aufgehoben. 1948 hatte der stellvertretende Vorsitzende der SED und spätere Justizminister Max Fechner, selbst langjähriger SPD-Kommunalpolitiker, in einem Beitrag in der Kommunal-zeitschrift „Demokratischer Aufbau" die Abschaffung der verwaltungsorganisatorischen Trennung von Staatsverwaltung und Selbstverwaltung und den Einbau der kommunalen Körperschaften in eine einheitliche Gesamt-verwaltung gefordert Ihren Abschluß fand die Zentralisierung des Verwaltungsaufbaus der DDR in der Verwaltungsgliederung von 1952, die die fünf Länder beseitigte und unter Berücksichtigung der regionalen Wirtschaftsstruktur 14 Bezirke schuf, die wiederum in 214 Kreise, davon 22 Stadtkreise, eingeteilt waren. Die Stadtkreise wurden in Stadtbezirke untergegliedert Zur Begründung der Verwaltungsreform hieß es in dem Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. 7. 1952: „Die Aufgaben der weiteren demokratischen und wirtschaftlichen Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik erfordern eine größtmögliche Annäherung der Organe der Staatsgewalt an die Bevölkerung und eine breitere Einbeziehung der Werktätigen in die Leitung des Staates. ... Deshalb ist die alte administrative Gliederung ... jetzt zu einer Fessel der neuen Entwicklung geworden. Die örtlichen Organe der Staatsgewalt müssen deshalb so reorganisiert werden, daß der Staatsapparat die Möglichkeit erhält, den Willen der Werktätigen, der in den Gesetzen der Deutschen Demokratischen Republik zum Ausdruck gebracht ist, unverbrüchlich zu erfüllen und, gestützt auf die Initiative der Massen, eine Politik des werktätigen Volkes durchzuführen."

Von einer verstärkten Initiative der Massen konnte allerdings keine Rede sein. Die Arbeit der Volksvertretungen und Räte der Kreise und Gemeinden beschränkte sich fast ausschließlich auf eine ausführende, von den übergeordneten Verwaltungsorganen kontrollierte Tätigkeit. Nach den 1950 aufgrund der Einheitslisten der Nationalen Front durchgeführten Wahlen zu den örtlichen Volksvertretungen fanden sieben Jahre lang überhaupt keine Kommunalwahlen mehr in der DDR statt. Die gesamte politische Administration und Wirtschaftsverwaltung wurde auf die staatliche Zentrale konzentriert. Die örtlichen Volksvertretungen der DDR sanken seit dem Anfang der fünfziger Jahre auf die Stufe politischer Bedeutungslosigkeit.

Auch in Westdeutschland fiel die Vorentscheidung über die künftige Systemfunktion der Gemeinden bereits Ende der vierziger Jahre. Die föderale Struktur der Bundesrepublik brachte die Gemeinden in eine weitgehende Abhängigkeit von der Landesverwaltung und Landesgesetzgebung und verhinderte eine bundeseinheitliche Regelung nicht nur des kommunalen Verfassungrechts sondern auch in dem entscheidenden Bereich der Gemeindefinanzen in Die Gemeinden waren und blieben das schwächste Glied im System der westdeutschen Verwaltung. Dementsprechend kritisch waren die Kommentare der Gemeinden zu dem neugeschaffenen Grundgesetz. „Bonn hat die Gemeinden verraten", erklärte Emst Böhme, von 1929 bis 1933 und von 1945 bis 1948 sozialdemokratischer Oberbürgermeister von Braunschweig: „Die glänzende Gelegenheit, einen klaren, einfachen, billigen Verwaltungsaufbau von unten nach oben, ein wirklich demokratisches Ganzes durch einen Instanzenzug Gemeinde — Land — Bund zu schaffen, ist verpaßt."

Die stärkste Benachteiligung entstand den Gemeinden jedoch durch die expansive Entwicklung der westdeutschen Privatwirtschaft, die die gemeinwirtschaftliche Funktion der Gemeinden als selbständig handelnder wirtschaftlicher Einheiten immer stärker eingrenzte. 1952 erklärte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter: „Es ist an der Zeit, in einem Augenblick, in dem sich die . Wirtschaft'als die alleinige Herrin des Schicksals unseres Volkes hinzustellen beliebt, der Welt und der Öffentlichkeit zu zeigen, daß es neben der Privatwirtschaft eine öffentliche Wirtschaft gibt, ohne die die Privatwirtschaft gar nicht leben und existieren könnte, und daß die öffentliche Wirtschaft sehr wohl einiges Positives zu sagen, zu lehren und mitzubringen hat." Da das Grundgesetz keine Regelungen der westdeutschen Wirtschaftsverfassung enthielt, blieb die Abgrenzung zwischen öffentlicher und privater Wirtschaft ungelöst — eine Tatsache, die seit dem Anfang der sechziger Jahre zu wachsenden Spannungen zwischen den Kommunen und dem kapitalistischen Wirtschaftssystem führte.

Die jüngste Entwicklung der deutschen Gemeinden in den letzten eineinhalb Jahrzehnten kann im Rahmen dieses historischen Überblicks nur kurz aufgezeigt werden. Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre endete die Phase des Wiederaufbaus der deutschen Städte. Inzwischen hatten die westdeutschen Gemeinden über dreizehn Millionen Ostvertriebene und Flüchtlinge aufgenommen. Danach setzte im Zuge der Hochkonjunktur der wachsende Zustrom der Ausländer in die deutschen Städte ein, die jedoch vom Wahlrecht zu den kommunalen Vertretungskörperschaften ausgeschlossen blieben. Allmählich wurde das bis dahin planlos und unkontrollierte Wachstum der Städte, das sich am stärksten im Bereich des Städtebaus und des innerörtlichen Verkehrs auswirkte, als das zentrale Problem der westdeutschen Kommunalpolitik erkannt. „Die Erneuerung unserer Städte" lautete das Leitthema der Hauptversammlung des Deutschen Städtetags in Augsburg 1960. Im Verlauf der sechziger Jahre zeigte sich immer deutlicher, daß die Gemeinden mehr noch als von der politischen Verwaltung in Land und Bund von der tatsächlichen konjunkturellen Entwicklung der Wirtschaft abhängig waren und daß für eine geregelte, an den gesellschaftlichen Bedürfnissen der Gemeinden orientierte langfristige

Investitionstätigkeit kaum Spielraum vorhanden war. Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. 6. 1967 und die gleichzeitige Änderung des Art. 109 GG zur Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts brachten den Gemeinden keine Verbesserungen ein, sondern machten die ungeklärte Stellung der Gemeinden im Wirtschafts-und im Verfassungssystem der Bundesrepublik nur noch deutlicher Eine wesentliche Bedeutung für die Kommunalpolitik kam dem Bundesbaugesetz von 1960 zu, das die örtliche Planungshoheit der Gemeinden bundesgesetzlich verankerte, aber in der Regelung des kommunalen Bodenrechts ebenso wie das spätere, auf den Bereich der Stadtsanierung beschränkte Städtebauförderungsgesetz von 1971 keine Lösung brachte. Eine insgesamt gesehen strukturelle Verbesserung der Verwaltungssituation der ländlichen Gemeinden ging von der 1968 begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Gebietsreform aus, die bis zum 1. 7. 1972 die Gesamtzahl der Gemeinden in der Bundesrepublik von 24 282 auf 15 857 verringerte und 8 730 Gemeinden mit einer Einwohnerzahl unter 5 000 auflöste Der Deutsche Städtetag hat seit seiner Münchener Hauptversammlung im Mai 1971, die unter dem Leitthema „Rettet unsere Städte jetztl" stand, die „Krise“ der westdeutschen Gemeinden, insbesondere der Großstädte, zum offiziellen verbandspolitischen Programmpunkt erhoben „Bei uns steht die große Krise der Stadt erst bevor", schrieb das Organ des DST im Januar 1972. „Der Stellenwert, den die Stadt in der Politik erhält, wird darüber entscheiden, ob und wann die Krise kommt."

Die strukturellen Probleme, wie sie sich aus dem unkontrollierten Wachstum der westdeutschen Städte ergaben, waren in diesem Ausmaß in der DDR nicht vorhanden. Der Flüchtlingsstrom aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland hat die Bevölkerungszahl der DDR seit 1949 nicht ansteigen lassen, sondern verringert. Die Bevölkerungsdichte der DDR betrug 1969 bei einer Gesamtbevölkerung von 17 Millionen 158 Einwohner/qkm, die der Bundesrepublik bei einer Einwohnerzahl von 61 Millionen 245 Einwohner/qkm Die private Motorisierung liegt erheblich unter dem Stand der Bundesrepublik. Ein Verkehrschaos wie in den westdeutschen Städten ist in den Städten der DDR, unter denen die Mittel-städte eine bedeutendere Position einnehmen als in der Bundesrepublik, nicht vorhanden. Die kommunalpolitischen Probleme der Städte der DDR unterscheiden sich daher wesentlich von denen ihrer westdeutschen Nachbarn. Eine „Krise" der Stadt in der DDR gibt es nicht, und nicht nur, weil es sie nicht geben darf. 1957 wurde durch das Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht, das die bis dahin formell noch bestehende Demokratische Gemeindeordnung von 1946 aufhob, die verfassungsrechtliche Situation der Gemeinden der DDR auf der Grundlage des Prinzips des demokratischen Zentralismus neu geregelt. Das Gesetz konstituierte die Gemeinden als staatliche Organe mit örtlich begrenzter Zuständigkeit und ordnete sie den Weisungsbefugnissen der übergeordneten Räte und des Ministerrats unter. Um eine stärkere Anteilnahme der Bevölkerung an den örtlichen Volksvertretungen zu erreichen, führte das Gesetz den Grundsatz der Ablösbarkeit der Abgeordneten ein und räumte den Bürgern die Möglichkeit ein, in den Sitzungen der Volksvertretungen das Wort zu ergreifen. Eine politische Aufwertung erfuhren die Gemeinden durch die Gründung des „Deutschen Städte-und Gemeindetags der DDR" im Frühjahr 1957.

Ungeklärt und auch in der neuen Verfassung der DDR vom 6. 4. 1968 nicht gelöst ist die Kompetenzabgrenzung zwischen Gemeinden und Betrieben. Art. 41 stellt die Gemeinden und Betriebe als funktional gleichgeartet nebeneinander: „Die sozialistischen Betriebe, Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände sind im Rahmen der zentralen staatlichen Planung und Leitung eigenverantwortliche Gemeinschaften, in denen die Bürger arbeiten und ihre gesellschaftlichen Verhältnisse gestalten." Den Gemeinden wird in Art. 43 die Gestaltung der „notwendigen Bedingungen für eine ständige bessere Befriedigung der materiellen, sozialen, kulturellen und sonstigen gemeinsamen Bedürfnisse der Bürger" in Zusammenarbeit mit den örtlichen Betrieben und Genossenschaften zugewiesen. Dagegen heben die Artikel 81— 85 die den anderen Gemeinschaften übergeordnete politische und Verwaltungsfunktion der Gemeindeorgane in dem örtlichen Zuständigkeitsbereich hervor. Art. 81 Abs. 1 besagt: „Die örtlichen Volksvertretungen sind die von den wahlberechtigten Bürgern gewählten Organe der Staatsmacht in den Bezirken, Kreisen, Städten, Stadtbezirken und Gemeindeverbänden." Sie haben das Recht, „in eigener Verantwortung über alle Angelegenheiten, die ihr Gebiet und seine Bürger betreffen", zu entscheiden. Der von den Volksvertretungen gewählte Rat ist ihnen gegenüber für seine Tätigkeit verantwortlich und dem übergeordneten Rat rechenschaftspflichtig. Für die Arbeitsweise des Rats gilt das Kollektivprinzip.

Gegenüber der Situation der fünfziger Jahre gewannen die örtlichen Organe zunehmend an politischer Bedeutung, zumal da die Volksvertretungen die örtliche Bürgerschaft im wachsenden Maße in das Verwaltungssystem integrierten. Im Zuge dieser Entwicklung wird von den Kommunalpolitikern mit wachsendem Nachdruck die Forderung nach dem „politischen Primat" der Gemeindeorgane gegenüber den anderen örtlichen Gemeinschaften erhoben. Eine kommunalpolitische Tagung der Deutschen Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft in Potsdam über die „gesellschaftliche Funktion der Stadt und Aufgaben der Stadtverordnetenversammlungen" 1968 stellte die „wachsende Bedeutung der sozialistischen Stadt im entwickelten gesellschaftlichen System des Sozialismus" heraus und forderte die Priorität der örtlichen Volksvertretungen gegenüber den Betrieben, denen aufgrund ihrer partikularen Funktion nicht die Totalität des örtlichen Wirkungsbereichs zukomme wie den städtischen Organen

Die faktische Situation der kommunalen Verhältnisse wird allerdings durch die auf derselben Konferenz geäußerte Klage beleuchtet, daß „noch Auffassungen zu überwinden" seien, welche die Städte „nur als Hilfsorgane der Betriebe für die Lösung von Wohnungsund Sozialfragen sehen" ’

Fussnoten

Fußnoten

  1. H. Heffter, Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert. Geschichte der Ideen und Institutionen, Stuttgart 1954.

  2. Zu neueren Ansätzen der Theorie der Stadt: R. R. Grauhan, Zur politischen Theorie der Stadt, in: Archiv f. Kommunalwissenschaften 4 (1965), S. 87 bis 111; W. Franke /R. Mand /K. H. Schöneberg /R. Stüber, Die Stadt als soziale und politische Gemeinschaft im entwickelten gesellschaftlichen System des Sozialismus, in: Staat und Recht 17 (1968), S. 1339— 1352.

  3. R. R. Rive, Lebenserinnerungen eines deutschen Oberbürgermeisters, Stuttgart 1960, S. 102 f.

  4. E. Kolb, Die Arbeiterräte in der deutschen Innenpolitik 1918- 1919, Düsseldorf 1962, S. 85.

  5. P. v. Oertzen, Betriebsräte in der Novemberrevolution. Eine politikwissenschaftliche Untersuchung über Ideengehalt und Struktur der betrieblichen und wirtschaftlichen Arbeiterräte in der deutschen Revolution 1918/19, Düsseldorf 1954. W. Termin, Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie Die Geschichte der Rätebewegung in der deutschen Revolution 1918/19, Düsseldorf 1954.

  6. Die Regierung der Volksbeauftragten 1918/19. Eingeleitet von E. Matthias, bearbeitet von S. Miller unter Mitwirkung von H. Potthof, 2 Bde., Düsseldorf 1969; Der Zentralrat der Deutschen Sozialistischen Republik. 19. 12. 1918- 8. 4. 1919. Vom ersten bis zum zweiten Rätekongreß. Bearbeitet von E. Kolb unter Mitwirkung von R. Rürup, Leiden 1968.

  7. So in Köln, Bielefeld, Karlsruhe, Offenbach, Magdeburg, Breslau, Leipzig, Braunschweig, Dortmund, Essen, Oberhausen. In den Städten Duisburg, Recklinghausen, Bottrop, Buer wurden auch Zentrums-vertreter und christliche Gewerkschaftler in die Räte aufgenommen (Kolb, S. 95 f.).

  8. So der Vollzugsrat der Arbeiter-und Soldaten-räte Groß-Berlins und die Räte in Bremen, Hamburg, Frankfurt/M., Leipzig, Braunschweig (Kolb, a. a. O.).

  9. Kolb, S. 113.

  10. Kolb, S. 97.

  11. Kolb, S. 327.

  12. F. Bey-Heard, Hauptstadt und Staatsumwälzung. Berlin 1919. Problematik und Scheitern der Räte-bewegung in der Berliner Kommunalverwaltung, Stuttgart 1969, S. 17.

  13. W. Elben, Das Problem der Kontinuität in der deutschen Revolution. Die Politik der Staatssekretäre und der militärischen Führung vom November 1918 bis Februar 1919, Düsseldorf 1965, S. 172.

  14. Bereits am 16. November 1918 hatte das preußische Innenministerium die örtlichen Räte davor gewarnt, Beamte, die sich der Kontrolle der örtlichen Räte widersetzten, aus dem Amt zu entfernen (Bey-Heard, S. 77).

  15. Nach: Kolb, S. 273.

  16. Kolb, S. 405.

  17. Zu der Zahl der 65 000 Gemeinden sind auch die zahlreichen Kleinstgemeinden mit weniger als 500 Einwohnern zu rechnen, von denen es in Preußen allein 17 000 gab. Neben den Gemeinden bestanden in Preußen noch 12 000 Gutsbezirke, die erst 1925 aufgelöst wurden. Zu den zehn größten Städten des Reiches zählten 1929 (nach der kommunalen Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets) folgende Städte: Berlin, Hamburg, Köln, München, Leipzig, Essen, Dresden, Breslau, Frankfurt/M., Dortmund.

  18. Ch. Engeli, Gustav Böß. Oberbürgermeister von Berlin 1921— 1930, Stuttgart 1971, S. 52— 66; W. Runge, Politik und Beamtentum im Parteienstaat. Die Demokratisierung der politischen Beamten in Preußen zwischen 1918 und 1933, Stuttgart 1965; H. Freske, Monarchisches Beamtentum und demokratischer Staat. Zum Problem der Bürokratie in der Weimarer Republik, in: Demokratie und Verwaltung, Berlin 1972, S. 197— 136.

  19. Engeli, S. 85.

  20. 1931 trat Ernst Reuter die Nachfolge des Magdeburger Oberbürgermeisters an.

  21. Die überwiegende Mehrheit der Oberbürgermeister der Weimarer Republik gehörte bürgerlichen Parteien an oder bekannte sich zu ihnen. Zu den führenden Oberbürgermeistern der DDP zählten außer Böß: Petersen (Hamburg), Lohmeyer (Königsberg), Luppe (Nürnberg) und Landmann (Frankfurt/M.); der DVP; Jarres (Duisburg), Brüher (Dresden), Hübschmann (Chemnitz); des Zentrums:

  22. W. Haus, Biographien deutscher Oberbürgermeister, in: Archiv f. Kommunalwissenschaften 4 (1965), S. 140.

  23. H. Luther, Politiker ohne Partei, Stuttgart 1960. — Zur Tradition der Oberbürgermeister: H. Lohmeyer, Die preußischen Oberbürgermeister und die Städtetage, in: H. Luther, Im Dienst des Städtetags, Stuttgart 1959, S. 7— 11. Biographien/Autobiographien: A. Behrendt, Wilhelm Külz. Aus dem Leben eines Suchenden, Berlin 1958; W. Brandt — R. Löwenthal, Ernst Reuter. Ein Leben für die Freiheit. Eine politische Biographie, München 1957; W. Först, Robert Lehr als Oberbürgermeister. Ein Kapitel deutscher Kommunalpolitik, Düsseldorf — Wien 1962; Walther Hensel, 3 x Kommunalpolitik 1926 bis 1964. Ein Beitrag zur Zeitgeschichte, 1970; Männer der deutschen Verwaltung. 23 biographische Essays, Köln—Berlin 1963; F. Hesse, Von der Residenz-zur Bauhausstadt. Erinnerungen an Dessau, 2 Bde., Bad Pyrmont/München 1963/64; G. Ritter, Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, München 1964; P. Weymar, Konrad Adenauer, München 1955.

  24. Lohmeyer, S. 10.

  25. Geschäftsführer des DST bis 1933: Hans Luther (1913— 1918), Heinrich Sahm (1918— 1919), Paul Mitzlaff (1919— 1926), Oskar Mulert (1926— 1933). — Zur Verbandsgeschichte des DST: W. Hofmann, Städtetag und Verfassungordnung. Position und Politik der Hauptgeschäftsführer eines kommunalen Spitzenverbands, Stuttgart 1966; O. Ziebill, Geschichte des deutschen Städtetages, Stuttgart 1956; Der Deutsche Städtetag. 25 Jahre Gemeinschaftsarbeit deutscher Städte, Berlin 1930.

  26. Vgl. Luther, Im Dienst des Städtetags, S. 40— 62.

  27. Peters, S. 264; E. Forsthoff, Die Krise der Gemeindeverwaltung im heutigen Staat, Berlin 1932, S. 62.

  28. So der Sprecher der SPD-Fraktion Lohmann (Berlin) auf der Hauptversammlung des DST in Magdeburg 1927 (7. Deutscher Städtetag, Magdeburg 23. September 1927, S. 92 f.)

  29. A. a. O„ S. 111.

  30. DST 23 (1929), Sp. 1242 f.

  31. C. Bohret, Aktionen gegen die „kalte Sozialisierung" 1926- 1930, Berlin 1966.

  32. E. Heimann, Stellung und Bedeutung der öffentlichen Unternehmung im Wirtschaftssystem des Kapitalismus, in: Moderne Organisationsformen der öffentlichen Verwaltung, hrsg. v. J. Landmann, Teil I München—Leipzig 1932, S. 14; Bohret, S. 18; O. Büsch, Geschichte der Berliner Kommunalwirtschaft in der Weimarer Epoche, Berlin 1960, S. 202.

  33. Konzerne des Staates Preußen in den zwanziger Jahren: 1923 Preussag (preußische Bergwerks-und Hüttenbetriebe), 1927 Preag (preußische Elektrizitätswerke), 1929 Veba (Zusammenschluß Preussag und Preag). Vgl. Bohret, S. 54.

  34. Böhret, S. 30.

  35. Büsch, S. 8.

  36. Böhret, S. 39.

  37. Böhret, S. 56.

  38. G. Schulz, Die Anfänge des totalitären Maßnahmenstaats, in: K. D. Bracher /W. Sauer /G. Schulz, Die Nationalsozialistische Machtergreifung, Köln-Opladen 1962, S. 570.

  39. Bohret, S. 176.

  40. Bohret, S. 127.

  41. Bohret, S. 176 f.; Büsch, S. 7; P. Steinborn, Grundlagen und Grundzüge Münchner Kommunalpolitik in den Jahren der Weimarer Republik. Zur Geschichte der bayerischen Landeshauptstadt im 20. Jahrhundert, München 1968, S. 391 f.

  42. Meyer-Lülmann, Kommunale Ausländsanleihen, in: DST 21 (1927), Sp. 291 f.

  43. Nach: Bohret, S. 32.

  44. Bohret, S. 30 f.

  45. KPD-Stadtverordneter Schwenk (Berlin) auf der Jahreshauptversammlung des Preußischen Städte-tags 1929 (DST 23 (1929) Sp. 1246. —Vgl. R. Wimmer, Charakteristika der Berliner Kommunalwirtschaft in der Weimarer Republik, in: Jahrbuch f. Wirtschaftgeschichte Teil I, 1969, S. 104.

  46. O. Mulert, Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, in: DST 23 (1929), Sp. 252.

  47. A. a. O., Sp. 251.

  48. W. Haus, Staatskommisare und Selbstverwaltung, in: DST NF 9 (1956), S. 97.

  49. Haus, S. 96 f.; Schulz, S. 443.

  50. W. Hofmann, Plebiszitäre Demokratie, S. 264 bis 281; H. Herzfeld, Demokratie und Selbstverwaltung in der Weimarer Epoche, Stuttgart 1957, S. 32— 37.

  51. Vgl. Forsthoff, a. a. O.; A. Köttgen, Die Krise der kommunalen Selbstverwaltung, Tübingen 1931; C. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, Tübingen 1931. — Zur Großstadtfeindschaft: K. Bergmann, Studien zur Großstadtfeindschaft und „Landflucht" — Bekämpfung in Deutschland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, Meisenheim/Glan 1971.

  52. Köttgen, S. 26.

  53. Köttgen, S. 47.

  54. Forsthoff, S. 70. -

  55. Schmitt, S. 92.

  56. Köttgen, S. 30. H. Matzerath, Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, Stuttgart 1970; K. Bludau, Gestapo - geheim! Widerstand und Verfolgung in Duisburg 1933- 1945, Bonn-Bad Godesberg 1973; H. Bretschneider, Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in München 1933- 1945, München 1968; H. P. Görgen, Düsseldorf und der Nationalsozialismus, Köln 1968; K. Klotzbach, Gegen den Nationalsozialismus. Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1930- 1945, Hannover 1969; E. A. Roloff, Bürgertum und Nationalsozialismus. Braunschweigs Weg ins Dritte Reich, Hannover 1960, H. J. Steinberg, Widerstand und Verfolgung in Essen 1933- 1945, Hannover 1969.

  57. Matzerath, S. 63.

  58. Matzerath, S. 65..

  59. Klotzbach, S. 110 f.; Steinberg, S. 44.

  60. Görgen, S. 47.

  61. M. Broszat, Der Staat Hitlers, in: Deutsche Geschichte seit dem ersten Weltkrieg Bd. 1, Stuttgart 1971, S. 720.

  62. DST 27 (1933), S. 226.

  63. Görgen, S. 54.

  64. H. Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, Stuttgart 1966, S. 39— 61.

  65. Klotzbach, S. 112; Görgen, S. 55.

  66. Vgl. W. S. Allen, „Das haben wir nicht gewollt". Die nationalsozialistische Machtergreifung in einer Kleinstadt 1930— 1935, Gütersloh, 1966.

  67. Steinberg, S. 56; Klotzbach, S. 226. — Zur kommunalen NS-Kulturpolitik: W. Rischer, Die nationalsozialistische Kulturpolitik in Düsseldorf 1933 bis 1945, Düsseldorf 1972; H. Müller-Werth, Geschichte und Kommunalpolitik der Stadt Wiesbaden. Unter besonderer Berücksichtigung der letzten 150 Jahre, Wiesbaden 1963, S. 189.

  68. DST 27 (1933), S. 506.

  69. Görgen, S. 207.

  70. Steinberg, S. 80; Görgen, S. 149.

  71. C. Goerdeler, Gemeinden als Teil des Reichs-ganzen, in: DST 27 (1933), S. 148.

  72. Matzerath, S. 102.

  73. Matzerath, S. 123.

  74. DGT 29 (1935), S. 62.

  75. Bohret, S. 121.

  76. Ähnliche oder gleichlautende Bestimmungen wurden nach 1945 in die meisten Gemeindeordnungen der westdeutschen Länder wieder übernommen.

  77. Nach Ritter, Goerdeler, S. 45.

  78. K. M. Hettlage, Gemeindefinanzen, in: DGT 30 (1936), S. 404.

  79. Matzerath, S. 370 ff.

  80. Matzerath, S. 365.

  81. Matzerath, S. 335.

  82. A. a. O.

  83. Matzerath, S. 339.

  84. K. Fiehler, Großdeutsche Gemeindepolitik. Wille und Weg, in: DGT 33 (1939), S. 1— 4.

  85. Nach: DGT 34 (1940), S. 65.

  86. K. Fiehler, Zum neuen Jahre, in: DGT 34 (1940), S. 1.

  87. Gemeindearbeit im Kriege, in: DGT 35 (1941), S. 1— 3.

  88. W. Rudzio, Die Neuordnung des Kommunalwesens in der Britischen Zone. Zur Demokratisierung und Dezentralisierung der politischen Struktur. Eine britische Reform und ihr Ausgang, Stuttgart 1968, S. 36.

  89. Rudzio, S. 38.

  90. Rudzio, S. 41.

  91. H. Winter, Die Ausbildung demokratischer Verwaltungsorgane in Chemnitz (Karl-Marx-Stadt), in: Staat und Recht 18 (1969), S. 740— 753.

  92. W. Wilheimus, Die Anfänge der Machtentfaltung des Volkes in den Jahren 1945/46. Untersucht an der Entwicklung in Mecklenburg, in: Staat und Recht 18 (1969), S. 760.

  93. DST NF 1 (1948), S. 6.

  94. Zum Wiederaufbau: D. J. Irving, Und Deutschlands Städte starben nicht. Ein Dokumentarbericht, Zürich 1963.

  95. deutsche Der Bestand. Bevölkerung und Fläche der vier Besatzungszonen und Berlins nach der Volkszählung vom 26. 10. 1946, in: DST NF 2 (1949), S. 37— 39.

  96. Einen instruktiven Einblick in das „working System" einer ländlichen Gemeinde der fünfziger und sechziger Jahre gibt: B. Luckmann, Politik in einer deutschen Kleinstadt, Stuttgart 1970.

  97. Der deutsche Bestand, a. a. O.

  98. Nach W. Loschelder, Die Gemeindeordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart u. a. 1965, S. 5.

  99. H. Pünder, Die deutschen Gemeinden gestern, heute und morgen, Köln 1948, S. 65.

  100. O. Ziebill, Politische Parteien und kommunale Selbstverwaltung, Stuttgart u. a. 1972.

  101. Zur Nachkriegsentwicklung einer westdeutschen Großstadt: H. Vietzen, Chronik der Stadt Stuttgart 1945— 1948, Stuttgart 1972.

  102. Vgl. Rudzio, S. 97.; A. Gasser, Gemeindefreiheit als Rettung Europas, Basel 1947; K. E. von Turegg, Politische Selbstverwaltung, Köln 1948.

  103. H. G. Wormit, Der Beamte in der Selbstverwaltung, in: DST NF 2 (1949), S. 6.

  104. A. a. O.

  105. R. R. Grauhan, Politische Verwaltung. Auswahl und Stellung der Oberbürgermeister als Verwaltungschefs deutscher Großstädte, Freiburg 1970.

  106. Eine Ausnahme im Prozeß der Entpolitisierung der Gemeinden stellten die 1958 von den SPD-regierten Städten Frankfurt/M., Offenbach, Darmstadt und den Stadtstaaten Hamburg und Bremen geplanten, allerdings nicht kommunalpolitisch motivierten Volksbefragungen im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die atomare Bewaffnung der Bundeswehr dar. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 30. Juli 1958 die Volksbefragungen für verfassungswidrig (H. Lilge, Deutschland 1945 bis 1963, Hannover 1967, S. 172 f.)

  107. M. Fechner, Selbstverwaltung als Teil der staatlichen Gesamtverwaltung, in: Demokratischer Aufbau 3 (1948), S. 145 ff.

  108. GBl. (1952), S. 613.

  109. J. Bertram, Staatspolitik und Kommunalpolitik, Stuttgart 1967.

  110. Die Welt, 5. 8. 1949. — Die am 1. 4. 1957 in Kraft getretene Änderung des Art. 106 GG brachte die grundgesetzliche Verankerung der Realsteuern (Grund-und Gewerbesteuer) als Gemeindesteuern und die prozentuale Beteiligung der Gemeinden an dem Aufkommen der Körperschafts-und Einkommenssteuer der Länder sowie die Verpflichtung des Bundes zur Gewährung eines finanziellen Ausgleichs bei der Entstehung von Sonderlasten für einzelne Gemeinden durch Auftragsangelegenheiten. Das Gemeindefinanzierungsreformgesetz vom 8. 9. 1969 setzte den Anteil der Gemeinden an dem Aufkommen der Einkommenssteuer generell auf 14°/o fest und kürzte den Anteil der Gemeinden an dem örtlichen Gewerbesteueraufkommen um 40 °/o. Die dadurch erzielte geringfügige Verbesserung der kommunalen Finanzlage wurde von den Gemeinden als „Tropfen auf den heißen Stein" bewertet.

  111. E. Reuter, Die kommunale Versorgungswirtschaft als Aufgabe unserer Zeit, in: Die demokraGemeinde 4 (1952), S. 218.

  112. Inzwischen wird auch in der verfassungsrechtlichen Literatur, wenn auch in zurückhaltender Form, eine neue rechtliche und politische Funktionsbestimmung der Gemeinden gefordert: U. Scheuner, Zur Neubestimmung der kommunalen Selbstverwaltung, in: Archiv f. Kommunalwissenschaften 12 (1973), S. 1— 44.

  113. S. Wimmer, Gebietsreform — Eine Zwischenbilanz zum 1. Juli 1972, in: DST NF 25 (1972), S. 641 f.

  114. Rettet unsere Städte jetztl Vorträge, Aussprachen und Ergebnisse der 16. Hauptversammlung des Deutschen Städtetags vom 25. — 27. 5. 1971 in München (Neue Schriften des Deutschen Städtetags H. 28), Stuttgart 1971.

  115. DST NF 25 (1972), S. 1.

  116. Bericht der Bundesregierung und Materialien zur der hrsg Bundesministerium Lage Nation 1971, v. f. innerdeutsche Beziehungen, S. 71.

  117. Gesellschaftliche Funktion der Stadt und Aufgaben der Stadtverordnetenversammlung. Funktion, Rechtsstellung und Arbeitsweise der Organe der Staatsmacht in kreisangehörigen Städten im entwickelten gesellschaftlichen System des Sozialismus, Bd. 1, Berlin 1969, S. 23.

  118. A. a. O., S. 24.

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Wilhelm Ribhegge, Dr. phil., geb. 1940; Studium der Fächer Geschichte, Englisch, Soziologie und Christliche Sozialwissenschaften; seit 1968 Wissenschaftlicher Assistent an der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe, Abteilung Münster; z. Z. Vertreter des Lehrstuhls für Didaktik der Geschichte an der Pädagogischen Hochschule Niedersachsen, Abteilungen Oldenburg. Veröffentlichungen: August Winning. Eine historische Persönlichkeitsanalyse, Bonn-Bad Godesberg 1973; Konservatismus. Versuch zu einer kritisch-historischen Theorie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 30/70.