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Industrial Democracy Zur Struktur der englischen Sozialbeziehungen | APuZ 46/1975 | bpb.de

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APuZ 46/1975 Industrial Democracy Zur Struktur der englischen Sozialbeziehungen

Industrial Democracy Zur Struktur der englischen Sozialbeziehungen

Bernd-Jürgen Wendt

/ 113 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In den Diagnosen der „englischen Krankheit“ als Inbegriff einer schon permanenten Wirtschaftskrise wird stets die unheilvolle Rolle der Gewerkschaften, ihrer Militanz und ihrer syndikalistischen Anmaßungen herausgestellt. Funktion und Handeln dieser Gewerkschaften sind jedoch nur aus einer mehr als hundertjährigen, nahezu ungebrochenen Tradition zu verstehen. Diese Kontinuität ist uns Deutschen so ungewohnt, daß uns im allgemeinen auch zugleich mit ihr das tiefere Verständnis für Staat und Gesellschaft in England abgeht. Die Untersuchung zur „Industrial Democracy" will deshalb in einer Verbindung von geschichtlichem Rückblick und Gegenwartsdeutung einen kleinen Beitrag zum Begreifen der sozialen Probleme im heutigen England liefern. Sie konfrontiert in einem ersten Abschnitt, um gleich einleitend Mißverständnisse auszuräumen, zwei scheinbar gleichbedeutende Zauberworte der englischen wie der deutschen Gegenwartsdiskussion — „Industrial Democracy" und „Wirtschaftsdemokratie" — miteinander, um jedoch sehr bedeutsame nationale Wesensunterschiede vor einem jeweils ganz anders gearteten historischen Entstehungshintergrund herauszustellen. „Industrial Democracy" findet seit etwa hundert Jahren ihren zentralen Anwendungsbereich im kollektiven Tarifvertrag und in der teils ungebundenen, teils institutionalisierten tariflichen Auseinandersetzung; „Wirtschaftsdemokratie“ dagegen zielt etwa im Betriebsverfassungsoder im Mitbestimmungsgesetz primär auf die Betriebsund Unternehmensverfassung, um hier gesetzlich die unterschiedlichen Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen zu verankern. In einem zweiten Abschnitt werden Ideologie und Praxis der Mitbestimmung unter dem Aspekt des sozialen Konfliktes einander gegenübergestellt. Die Spannweite der theore-tischen Konflikt-Diskussion wird — ähnlich wie in Deutschland — angedeutet zwischen den Polen einer antikapitalistischen Systemüberwindung auf der einen und einer sozialintegrativen Harmonisierungsstrategie auf der anderen Seite. Die Frage nach der Realisierung bestimmter ideologischer Positionen führt auf zwei freilich nur idealtypisch voneinander unterschiedene, in der Praxis aber oft kongruente Anwendungsformen der Mitbestimmung (participation): die mehr unverbindliche und eine grundsätzliche Interessenidentität von „Arbeit" und „Kapital" postulierende „gemeinsame Beratung" (Joint Consultation) und die in der Regel zu Entscheidungen führenden „Kollektivverhandlungen" (Colle'ctive Bargaining). Die abgestuften Bereiche des „Collective Bargaining" vom Arbeitsplatz über die Arbeitsgruppe, den Betrieb, das Unternehmen bis hinauf zum umfassenden Industriezweig werden im dritten Abschnitt im Zusammenhang mit der Rolle der „Shop Stewards" auf ihren formellen und informellen Charakter überprüft. Traditionell haben Staat und Recht innerhalb der Sozialbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in England — verglichen mit Deutschland — viel stärker eine „subsidiäre“ oder „komplementäre", also mehr eine den Schwächeren ergänzende und unterstützende als eine interventionistische Altemativfunktion. Dieses von beiden Tarifparteien herkömmlicherweise geachtete Prinzip der „abstention of Law and of State“ wird in einem vierten Abschnitt auf seine Vereinbarkeit mit den Ansätzen staatlicher Einkommenspolitik vor allem seit 1945 hin überprüft. Im Mittelpunkt dieser Analyse steht die These von John Corina/Oxford, nach der staatliche Einkommenspolitik in England gerade infolge der betont „obrigkeitsfernen“ Ausgestaltung der Tarifbeziehungen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert „ein sozioökonomisches Instrument von extremer Instabilität“ ist. In einem abschließenden fünften Abschnitt werden an vier Punkten die — teilweise gescheiterten, teilweise aber noch erst in der Diskussion befindlichen — Ansätze zur Weiterentwicklung der „Industrial Democracy" in den letzten Jahren skizziert: a) die mißlungene staatliche Intervention mit der „Industrial Relations Act" von 1971; b) privatwirtschaftliche Produktivitätsabkommen nach dem Vorbild der Esso-Raffinerie in Fawley; c) der „Sozialkontrakt“ der Regierung Wilson mit den Gewerkschaften zur Inflationsbekämpfung; d) Pläne zur wirtschaftlichen Mitbestimmung auf Unternehmensebene (co-determination) nach deutschem Vorbild.

I. Einleitung

Nach einem Wort des Zwischenkriegspremiers Stanley Baldwin darf sich ein englischer Regierungschef mit drei Instanzen nicht anlegen: dem Vatikan, seinem Schatzkanzler und den Gewerkschaften. Edward Heath hat diese Regel nicht befolgt und dafür nicht nur mit dem Scheitern seiner Regierung 1974, sondern auch mit dem persönlichen Sturz von der politischen Rampe seiner eigenen Partei zahlen müssen. Sein Nachfolger Harold Wilson scheut mit der ihm eigenen taktischen Wendigkeit — als Labourpremier aber auch ungleich stärker als sein konservativer Vorgänger eingeengt durch die Fesseln parteiinterner Rücksichten —, selbst um den Preis einer Teuerungsrate von 26 °/o, bis jetzt an der lohnpolitischen Front die offene Konfrontation mit den Gewerkschaften; statt dessen setzt er in der Inflationsbekämpfung auf den gerade wieder regenerierten „Sozialkontrakt" und die freiwillige Kooperation mit dem „General Council", dem Generalrat der gewerkschaftlichen Dachorganisation TUC (Trades Union Congress), und seinem Generalsekretär Lionel Murray.

Mit Erstaunen haben wir Deutschen — an eine gewerkschaftliche Disziplin gewohnt, die einmalig in den westlichen Industrienationen sein dürfte — im Winter 1973/74 beobachtet, wie eine zwar mächtige, insgesamt aber eben doch nur eine gesellschaftliche Minderheit, die Bergleute repräsentierende pressure group, die „National Union of Mineworkers", unterstützt von den Elektrizitätsingenieuren und den Eisenbahnern, in der Lage war, nicht nur die politische Exekutive zu Fall zu bringen, ohne daß das Unterhaus wesentlich an den Willensbildungsprozessen Anteil hatte, sondern auch die nationale Produktion auf drei Tage in der Woche zu drosseln und dadurch das Land über längere Zeit nahezu „unregierbar" zu machen. Der nunmehr schon über Jahrzehnte schwelende soziale Konflikt mit seinen zeitweise — wie 1973/74 — besonders heftigen Eruptionen hat England inzwischen den Ruf eingetragen, der „kranke Mann Europas" zu sein. Ihn allerdings auf die gespannten Sozialbeziehungen oder die Militanz einiger Gewerkschaften zu reduzieren, würde bedeuten, „ein Symptom der englischen Krankheit" für die Sache selbst zu nehmen und dabei das Wesentliche zu vergessen. „Die eigentlichen Ursachen liegen tiefer." Sie sind untrennbar verwoben in die englische Sozialgeschichte der letzten hundert Jahre, die sich wie das Land selbst noch heute mit ihren Archaismen, Anachronismen und Wunderlichkeiten in einer ungebrochenen Kontinuität vor uns entfaltet, wie wir sie nach den diver-sen Brüchen unserer eigenen jüngeren Geschichte oft für unbegreiflich halten. „Mit der längsten Geschichte einer kontinuierlichen Entwicklung hat England nicht die Möglichkeiten für eine umfassende“ Rekonstruktion gehabt, die Kriege und Revolutionen in einigen anderen Ländern geschaffen haben."

Einer Ursachenanalyse sei zur Veranschaulichung der sozialökonomischen Dauerkrise einiges vergleichendes Zahlenmaterial über die Verlangsamung des Wachstumsprozesses und die unterschiedliche Arbeitsproduktivität vorangestellt 1965 lag der reale Nettoproduktionswert pro Kopf der Beschäftigten (bezogen auf England = 100) in der Bundesrepublik bei 130, 6 und in den USA bei 184, 1. England rangierte unter den führenden Industrienationen an 9. Stelle hinter Dänemark und knapp vor Italien und der UdSSR; ähnlich negativ lag der Vergleichswert bei der Leistung pro Arbeitsstunde: Bundesrepublik 129, 6 und USA 188, 0. Zwischen 1959 und 1968 wuchs das Bruttosozialprodukt in England real um 32 ’/o, in Frankreich und Italien um 64 %. Während also in den sechziger Jahren die reale Steigerungsrate des Bruttosozialprodukts zu Marktpreisen noch im Jahresschnitt bei 3, 2% gelegen hatte (Höhepunkt 1964: 5, 3 °/o), sank sie 1971 auf 1, 1 %. Die jährliche Inflationsrate kletterte von dem Jahresschnitt von 3, 2 % in den sechziger Jahren (Höhepunkt 1965: 4, 9 %) 1971 bereits auf 7, 6 %.

Eindrucksvoll werden die Wachstumsver-Schiebungen in den letzten hundert Jahren, die England aus seiner führenden Position als „workshop of the world" in die strukturelle Dauerkrise geführt haben, auch durch folgende internationale Vergleichszahlen beleuchtet: 1870 lag der reale Nettoproduktionswert zu Faktorkosten pro Beschäftigten in England bei 1, 725, in Deutschland bei 1, 192, in den USA bei 1, 453 (1871). 1938 hatten England und Deutschland mit 2, 985 resp. 2, 826 fast gleichgezogen (USA: 4, 432); 1965 lag die Bundesrepublik mit 6, 003 bereits zu 30 % über England mit 4, 598 (USA: 8, 417). Innerhalb eines knappen Jahrhunderts zwischen 1870 und 1965 hatte Deutschland also eine Steigerungsrate von 400 %, die USA sogar von knapp 500% zu verzeichnen, England — bei einer höheren Anfangsziffer — nur von 166 %. 1870 unter den Industrienationen noch unangefochten an der Spitze, rutschte England in den folgenden hundert Jähren auf den schon erwähnten 9. Rang.

Hinter diesen alarmierenden Ziffern verbirgt sich ein komplexes Bündel von ökonomischen Problemen: sinkende Wachstumsraten in einst blühenden Industriezweigen (Kohle, Eisen und Stahl, Maschinenbau, Baumwolle und Wolle usf.), versiegende Investitionsneigung auf dem privaten Sektor, teilweise Überalterung und mangelnde Effizienz des Produktionsapparates, lohnkosteninduzierte Verteuerung der Arbeitsplätze bei einem nicht entsprechenden Produktivitätszuwachs, hohe Zahl von Arbeitskämpfen, Rückgang der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, permanenter Kursverfall des Pfundes mit periodisch wiederkehrenden Währungskrisen usf. Diese drückende Negativbilanz wird seit einigen Jahren, spätestens aber seit Erscheinen des Abschlußberichtes der 1965 von Wilson eingesetzten „Royal Commission on Trade Unions and Employers'Associations" unter Lord Donovan (Donovan-Report) im Jahre 1968, überwiegend in Verbindung gebracht mit sehr tiefgreifenden, da geschichtlich teilweise schon im 19. Jahrhundert wurzelnden strukturellen Defekten in den britischen Sozialbeziehungen. „Sozialbeziehungen“ umschreiben im folgenden im engeren Sinne die „industrial relations" als Interaktionssystem zwischen Arbeitnehmern (und ihren Organisationen), Arbeitgebern (und ihren Organisationen) und dem Staat sowie die Einbettung dieser Interaktion in die soziale und ökonomische Umwelt, wie sie etwa bestimmt wird durch Bewegungen auf den nationalen und internationalen Arbeitsund Warenmärkten. Angelegt ist dieses System der „industrial relations" darauf, ein „Netzwerk oder Gewebe von Regeln" zu etablieren und zu handhaben, „das den Prozeß der Arbeitsregulierung bestimmt". Es geht hier also um „das Studium von den Institutionen und Prozessen der Arbeitsregu-lierung (job regulation), seien sie formal oder informell, strukturiert oder unstrukturiert". Bei den zahlreichen Versuchen einer Diagnose und Therapie der „englischen Krankheit" spielt der Begriff „industrial democracy" im Positiven wie im Negativen eine zentrale Rolle. So sprach Allan Flanders, einer der besten Kenner der „industrial relations", schon 1965 in diesem Zusammenhang von einer „Fülle von dringenden und ungelösten Problemen" wie die Struktur der Gewerkschaften, die Organisation der Arbeitgeberverbände, die Pläne zur Einkommenspolitik oder die Häufigkeit wilder Streiks und stellte zugleich mit Unbehagen die Frage, „ob nicht die Probleme deshalb ungelöst geblieben sind, weil das System der industriellen Beziehungen, das in der Vergangenheit als so anpassungsfähig gepriesen worden ist, an seinen äußerst starren Institutionen krankt. Entsprechend den technologischen und ökonomischen Erfordernissen werden die Beziehungen selbst zwar ständig umgeformt, sie bleiben aber nach wie vor an allzu enge Institutionen gebunden, die sich be-harrlich gegen jede Reform sperren, obwohl sie überholt sind". Im Verlauf seiner Analyse weist er die Richtung zur Behebung der „Mängel unseres Systems der industriellen Beziehungen" dahin gehend, „daß es mehr Planung von oben und mehr Demokratie von un-ten zuläßt"

Das Dilemma, das sich aus dieser scheinbar widersprüchlichen Forderung nach Planung und Demokratie ergibt, will er gelöst wissen durch „die Unterscheidung zwischen den Zielen überbetrieblicher und betriebsinterner Regelungen" womit bereits auf zwei unterschiedliche Ebenen der „industrial relations" angespielt wird. „Die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände werden in ihrem eigenen Haus Ordnung schaffen, wenn sie bahnbrechenden ünd vernünftigen Forderungen nach Planung und nach Betriebsdemokratie zu entsprechen haben."

Wenn sich also für den Betrachter der bizarren englischen Szenerie heute von der Insel selbst her uns so geläufige, aber auch verschwommene Begriffe wie Betriebsdemokratie (workshop democracy), industrielle Demokratie (industrial democracy) oder Mitbestimmung (participation) in den Vordergrund schieben, so kann es sich in der folgenden Analyse mit Flanders freilich nur um ein Aufweisen von „Grundzügen" der englischen Industriegesellschaft und des sie strukturierenden Beziehungsgeflechtes handeln, nicht aber um einen auch nur annähernd erschöpfenden Überblick über die den Kontinentaleuropäer immer wieder verwirrende, geschichtlich gewachsene und evolutionär fortentwickelte Vielfalt der sozialen Erscheinungen.

II. Nationale Unterschiede: „Industrial Democracy" und „Wirtschaftsdemokratie"

Vor einer voreiligen Gleichsetzung von „industrial democracy" und „Wirtschaftsdemokratie" mit ihren jeweils sehr unterschiedlichen historischen Wurzeln sollte das knappe Diktum eines englischen Gewerkschaftsfunktionärs warnen. Angesprochen auf den Vergleich zwischen englischen und deutschen Mitbestimmungsmodellen, erklärte er ebenso informiert wie treffend: „Participation yes, partnership no!" — Hier artikulierte sich exemplarisch das tiefe Mißtrauen des englischen Gewerkschafters gegen jede harmonisierende Partnerschafts-und Betriebsgemeinschaftsideologie, wie sie deutsche Mitbestim-mungsvorstellungen seit 1918 vielfach bestimmt. Während der deutschen Mitbestimmung und Wirtschaftsdemokratie zumindest in ihren neueren Ansätzen seit dem Vaterländischen Hilfsdienstgesetz vom Dezember 1916 und der Etablierung der Zentralarbeitsgemeinschaft im November 1918 überwiegend der Charakter gesetzlicher Institutionalisierung und obrigkeitlicher Sanktionierung anhaftet mit einer sehr deutlichen Tendenz auch zur Formalisierung der Sozialbeziehungen, zeichnet sich die „industrial democracy" seit ihren Wurzeln in der Genossenschaftsbewegung in einer bis heute nahezu ungebrochenen Tradition von mehr als hundert Jahren stärker aus durch „seif government" und „voluntarism", gesellschaftliche Autonomie und Gegenmachtkonzeption sowie durch eine bemerkenswerte „abstention of law and of Sta-te" „Das eine bestimmende Merkmal der gesamten Geschichte der industriellen Beziehungen in Deutschland ist, daß diese eine Serie von reformierenden Eingriffen in die Struktur industrieller Unternehmungen und Betriebe darstellt ... Statt um industrielle Beziehungen geht es bei den Auseinandersetzungen zwischen Unternehmern und Arbeitern in der deutschen Industrie immer wieder um die Verfassung industrieller Unternehmungen. Man muß sich die Alternative vergegenwärtigen, um das Besondere dieses Verfahrens zu erkennen. Industrielle Beziehungen bedeuten, daß man die bestehenden Eigentumsverhältnisse, Unternehmensverfassungen und Betriebsstrukturen, wie sie nun einmal sind, zwar hinnimmt, aber die aus ihnen erwachsenden Interessengegensätze in Institutionen der Verhandlung, Vermittlung und (freiwilligen) Schlichtung (wie in England, d. Verf.) auffängt. Das deutsche Verfahren geht einen ganz anderen Weg. Hier werden Mittel und Wege für die Veränderung der inneren Struktur wirtschaftlicher Unternehmungen gesucht, von denen die Beteiligten sich einen mindestens mildernden Einfluß auf die Arbeitskämpfe versprechen."

Geschichtliche Wurzeln

Selbsthilfe und antikapitalistisch-sozialistische Gesellschaftsreform bestimmten als leitende Prinzipien die genossenschaftlichen Zusammenschlüsse von Produzenten und Konsumenten und die in ihnen angestrebten Ziele der „industrial democracy". Dabei lag der organisatorische und programmatische Schwerpunkt entweder — wie bei den Gildensozialisten den Syndikalisten besonders vor und im Ersten Weltkrieg, der Shop-Steward-Bewegung oder den Industriegewerkschaftern — eindeutig auf der Produzentenseite (Association of Producers), d. h. auf der Forderung nach Klassenkampf, direkter Aktion, wor-kers’ control und Machtübernahme durch die Gewerkschaften (guilds) oder — wie beim po-litisch wesentlich wirkungsvolleren Fabianismus — auf der evolutionären Gesellschaftsreform mit Hilfe von „voluntary associations of consumers" und mit einer eindeutigen Einbeziehung des Staates als Gesamtrepräsentanz (der evolutionäre Weg läßt sich in drei Schlagworte zusammenfassen: Gradualism — Parliament — Constitution). Das gesamte Gemeinwesen (community) sollte, in seiner umfassenden Funktion als Verbraucherschaft (consumers) wahrhaft demokratisch in verschiedenen Abstufungen repräsentiert und organisiert (Co-operative Societies, Municipal Government, National Boards), dem Produzentenegoismus der Gewerkschaften ein Gegengewicht entgegensetzen.

Die vielfach noch bis heute nachwirkenden Programmpunkte des Fabianismus wurden bereits 1897 in dem wegweisenden Buch „Industrial Democracy" von Sidney und Beatrice Webb niedergelegt „Industrial Democracy" stellt sich für die Webbs dar als „sorgfältige gegenseitige Abstimmung der Macht und Funktionen zwischen den Produzentenund den Verbrauchergenossenschaften", die ihren Niederschlag in einer kooperativen Bestellung, Ausübung und Kontrolle des Management auf Unternehmensebene finden soll. Als Instrument zur evolutionären Umgestaltung der kapitalistischen Eigentumsund Produktionsverhältnisse auf der Basis einer ausgebildeten und funktionsfähigen innerbetrieblichen und kommunalen Selbstverwaltung (Municipal Socialism) läßt sich die „industrial democracy" hier durchaus vergleichen mit der „Wirtschaftsdemokratie", wie sie programmatisch richtungweisend 1928 von Fritz Naphtali im Auftrag des ADGB formuliert worden ist Strikt abgelehnt wird von den Webbs dagegen jede „Co-partnership of Trade Unions with Associations of Capitalists", wie sie vielfach dann im und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg unter dem noch zu klärenden Stichwort „Whitleyism" praktiziert wurde. Demokratie, verstanden als der einzige Weg, um in der Gesellschaft Existenzbedingungen herzustellen, die „ein Höchstmaß an Entwicklung der jedem einzelnen Menschen innewohnenden Gaben" garantieren, soll auf Betriebsebene dadurch realisiert werden, daß in vergesellschafteten Unternehmen die überholte Eigentümer-und Management-

. Autokratie" abgelöst wird durch eine „ständig wachsende Sphäre . ..der Beratung unter allen betroffenen Berufsgruppen und Betriebs-einheiten" auf Ausschußebene, komplementiert durch einen stetigen Informationsfluß aus der Konsumenten-Gesellschaft. Daraus werden sich dann „durch gemeinsame Übereinstimmung die Ansichten und Entscheidungen herausschälen".

Wir wissen, daß sich diese Hoffnungen der Fabianer auf eine demokratisch-genossenschaftliche Weiterentwicklung der „industrial democracy“ nicht erfüllten, daß vielmehr nach dem Zweiten Weltkrieg in den nationalisierten Industrien der Staat eine zentrale Funktion übernehmen sollte; es wird zu überprüfen sein, ob und wieweit sich auch hier demokratische Mitbestimmungsvorstellungen haben durchsetzen können. Wir wissen weiter, daß sich die schon 1897 von den Webbs beschworenen Gefahren eines mehr oder weniger unkontrollierten „Produzentenegois-mus" der Gewerkschaften zu Lasten gesamtgesellschaftlicher Bedürfnisse in einer Weise heute zugespitzt haben, daß mancher Engländer bereits das Gespenst des syndikalistischen Gewerkschaftsstaates an die Wand malt.

Wichtig für das Verständnis dieser Entwicklung sind die drei Methoden, die die Webbs in der „industrial democracy" der kapitalistischen Übergangsgesellschaft als konstitutiv für den gewerkschaftlichen Kampf um die drei Hauptziele — Verbesserung der Lohn-und Arbeitsbedingungen, Statusverbesserung des Arbeiters als „Industriebürger", Erweiterung und Teilhabe an der sozialen Kontrolle des nationalen Wirtschaftslebens — herausstellen: 1 . Method of Mutual Insurance: gemeint ist die innergewerkschaftliche Stärkung durch den autonomen Ausbau eines sozialen Sicherheitsnetzes für die einzelnen Mitglieder in der Tradition der alten „Trade Clubs" und Friendly Societies" (solidarische Unterstüt-zungsfunktion);

2 Method of Collective Bargaining: Kollektivverhandlungen zwischen Arbeitnehmer-und Arbeitgebervertretern (ökonomische Schutzfunktion);

3 Method of Legal Enactment: gesetzliche Absicherung der gewerkschaftlichen Stellung. Weser letzte Punkt ist entwicklungsgeschicht-ich nur zu verstehen als Niederschlag der Er-lolge, die Arbeiter im Zusammenwirken mit beralen Unterhausmehrheiten seit 1871 in der gesetzlichen Absicherung der Gewerkschaften zu verzeichnen hatten. Während die Methoden 1 und 3 beim weiteren Ausbau der „industrial democracy" im 20. Jahrhundert keine oder nur — wie die gesetzlichen Maßnahmen — eine komplementäre Rolle spielten, sich hier also ein deutlicher Unterschied zur gesetzlichen und institutioneilen Ausgestaltung der „Wirtschaftsdemokratie" in Deutschland abzeichnete, entwickelten sich die von den Gewerkschaften getragenen freiwilligen Kollektivverhandlungen (voluntary collective bargaining oder auch laissez-faire bargaining) bis heute zum zentralen Instrument der englischen Wirtschaftsdemokratie und zum eigentlichen Machtquell der Arbeiterbewegung. „Richtig geführte Kollektivverhandlungen" sind nach Feststellung des Donovan-Report „das wirkungsvollste Mittel, den Arbeitern das Recht auf Vertretung bei Entscheidungen zu verschaffen, die ihr Arbeitsleben berühren, ein Recht, welches das Vorrecht jedes Arbeiters in einer demokratischen Gesellschaft ist oder-sein sollte". Hier ist deutlich faßbar der Einfluß des TUC-Posi-tionspapiers für die Donovan-Kommission: „Kollektivverhandlungen sind die wichtigste Gewerkschaftsmethode. Sie sind in der Tat mehr als eine Methode, sie sind das zentrale Wesensmerkmal der Gewerkschaftsbewegung." Nach Ansicht des amerikanischen Arbeitswissenschaftlers John T. Dunlop stellt das „collective bargaining" die „Ausdehnung der demokratischen Idee in die betriebliche Gemeinschaft" dar Dabei garantiert das Freiwilligkeitsprinzip (voluntary principle) bei den Kollektivverhandlungen nach allgemeiner Ansicht ein Höchstmaß an Verantwortlichkeit (responsibility) und Kompromißbereitschaft (readiness to compromise) bei den Tarifparteien sowie an Flexibilität (flexibility) und Anpassung (adaptibility) bei der Formulierung und Handhabung der Vertragsbedingungen an die jeweils besonderen betrieblichen oder zeitlichen Umstände.

Klassengebundenes Konfliktdenken

Eine genauere Analyse des „collective bargaining" weiter unten wird deutlich machen, daß es zwar auf höchster Ebene als „industry-wide or industrial bargaining" zu weitgehend schriftlich vereinbarten, wenn auch rechtlich nicht einklagbaren Abmachungen (legally non binding and non enforceable agreements) führt und auch gewissen prozeduralen Regeln unterliegt (procedures), sich aber auf unterer, betrieblicher oder Unternehmensebene (workshop or domestic bargaining) einer schriftlichen und formalisierten Regulierung im allgemeinen entzieht. Absprachen sind hier in der Regel mündlich und halten sich im Rahmen des Hergebrachten (custom and prac-tices). Während also die Mitbestimmung in Deutschland in ihren verschiedenen Formen und Stufen vom Betriebsrat bis zum halbparitätischen Aufsichtsrat und Arbeitsdirektor, verbunden mit einem sehr ausgebauten Arbeits-und insbesondere Tarifrecht, dem industriellen System bewußt gesetzlich fixierte und legitimierte Ordnungsstrukturen einzieht und im Grunde auch integrativ darauf abzielt, für eine rechtzeitige Abstimmung gegensätzlicher Positionen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wirkungsvoll arbeitende und verbindlich institutionalisierte Konfliktlösungsmechanismen bereits im „Vorhof" der eigentlichen Entscheidungen einzubauen, bevor sich ein sozialer Konflikt voll entlädt hat sich im „collective bargaining" wie überhaupt in der militanten Verteidigung der Tarifautonomie gegenüber staatlichen Eingriffen oder einer Partnerschaftsideologie durch die englischen Gewerkschaften bis heute ein aus der bewußten Klassenkonfrontation gespeistes „Gegenmachtdenken" erhalten. Die volle Verantwortung für die Austragung und Regulierung eines Sozialkonfliktes soll möglichst bei den Sozialparteien bleiben. „Das zentrale Problem der industriellen Beziehungen liegt darin, wie man bei geringst möglicher Zuflucht zu rechtlichen Sanktionen einen Satz von Verfahrensregeln (a set of rules and procedures) für die Regulierung der Einkommen und Arbeitsbedingungen und für die gesittete (civilized) Auflösung von Konflikten entwickeln kann."

Fischer-Antze führt dieses klassengebundene Konfliktdenken, wie es sich im „collective bargaining" als Kernbereich der „industrial democracy“ . viel intensiver artikuliert als in der deutschen Wirtschaftsdemokratie, zurück auf die in England noch sehr lebendi-ge Locke'sche Tradition der gewaltenteilenden Demokratie, nach der Macht nur durch Gegenmacht kontrolliert werden kann. Ergänzend sollte man hinzufügen, daß sich in dem Land, in dem nach Aussage des Bonner Ti-mes-Korrespondenten „die Klassengegensätze am stärksten ausgeprägt sind", jedenfalls viel auffälliger und verkrusteter als in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, der soziale Konflikt nach wie vor sehr intensiv aus dem schon vor hundert Jahren von Disraeli beschworenen Bild von den „two na-tions" herleiten läßt, aus dem Bewußtsein eines tiefen und letztlich unaufhebbaren Grabens zwischen „them" and „us“, „denen da oben" und „uns hier unten". Die sicher kaum in Verdacht einer übermäßigen Gewerkschaftsfreundlichkeit stehende Financial Times schreibt: „Die britische Krankheit ist der Klassengegensatz. Unsere Probleme werden erst dann gelöst, wenn wir von Männern regiert werden, die dies begriffen haben.“ Und der Times-Korrespondent pflichtet ihr bei: „Aber die Teilung Großbritanniens in zwei Nationen wird erst dann überwunden sein, wenn alle unverdienten Privilegien beseitigt sind und ein neues gesellschaftspolitisches Konzept zu einer echten Umverteilung des Vermögens führt. Englands weltweiter Ruf als demokratisches Land gilt nur für 90 Prozent der Bevölkerung. Die übrigen zehn Prozent haben ohne Abstimmung beschlossen, daß sie gleicher sind als die anderen." „Dem Mißtrauen bei den Gewerkschaften", schreibt Heinz Michaelis im gleichen Zusammenhang unter dem treffenden Titel „Arbeitskampf statt Arbeitsrecht", „ihre Gegenmachtposition zugunsten reglementierter Konflikt-lösungen abzubauen, entspricht ein Mißtrauen bei den Unternehmern gegenüber den Unions, Diese Situation erzwingt bei allen, auch bei kleineren Konflikten, Machtproben. Und so arbeiten Gewerkschaften und Unternehmer Hand in Hand, eine notwendige Modernisierung der Industrie zu verhindern." Die soziale Landschaft, in die die „industrial relations" eingebettet sind und die sich heute noch eindrucksvoll in den alten Bergbaugebieten von Wales und Mittelengland nacherleben läßt, nährt ein „Klassenbewußtsein, das dazu beiträgt, die Gruppensolidarität unter den Arbeitergruppen innerhalb der Gesellschaft zu stärken" und gibt damit eine der Grundvoraussetzungen für das erfolgreiche Durchstehen der Machtproben im „collective bargai-* ning" ab: eine aus einer spezifischen Arbeiterkultur und einer antibürgerlichen Gegen-ideologie gespeiste Militanz und innere proletarische Konsistenz vieler Gewerkschaften.

„Die Trennung zwischen , uns hier'und .denen dort'", schreibt Asa Briggs, einer der führenden englischen Sozialhistoriker, „ist der zentrale Punkt in den industriellen Beziehungen in einer Zeit, die nicht nur die ökonomischen Institutionen von . Arbeit'und . Kapital'akzeptiert hat, sondern die auch bereit ist, sozialistische Regierungen zu wählen und zu ertragen."

Wenn H. -U. Wehler als einen der sechs charakteristischen Subprozesse im Modernisierungsprozeß der westlichen Industriegesellschaften seit dem 18. Jahrhundert — mit aller Skepsis freilich gegenüber dem globalen und undifferenzierten Erklärungsanspruch der im Augenblick in der Geschichtswissenschaft so modischen Modernisierungs-Theorie — die «Institutionalisierung von (sozialen) Konflikten" hervorhebt, d. h. die Herausbildung einer «Vermeidungsstrategie", „die Konflikte dadurch einhegt, daß sie sie organisations-und verfahrensabhängig gemacht" und sie damit gleichsam „gezähmt" werden, so mag dies auf die Tarifbeziehungen wie auf die Sozialbeziehungen in Deutschland allgemein weitgehend zutreffen, England aber entpuppt sich, was übrigens dort selbst durchaus empfunden wird, unter diesem Aspekt als geradezu „anti-modern“ und anachronistisch. Gerade das oft sehr ungeregelte und anarchische „collective bargaining“ auf Betriebsebene (work-floor bargaining oder auch workshop democracy) wird vielfach als ein Haupthindernis für die Modernisierung und Effektivierung der britischen Wirtschaft gesehen.

Man wird hier stets zu berücksichtigen haben, daß sich die englischen Sozialbeziehungen den deutschen im zu bereits unter den Bedingungen der Frühindustrialisierung ausgeformt haben in einer Industrie-landschaft, die noch bestimmt war durch den handwerklich ausgerichteten Klein-und Mittelbetrieb, durch einen starken Regionalis-mus in der Ausbildung der Produktionszentren niedrigen sowie durch einen Organisations-und Konzentrationsgrad sowohl in der Herstellung als auch in den gesellschaftlichen Beziehungen. Auffallende Relikte dieser frühindustriellen Periode wie die „Bunt-scheckigkeit" im Gewerkschaftswesen (multi-unionism) mit den diversen Abgrenzungskonflikten (demarcation disputes), die Handwerkstradition (craft System) mit ihrem zünf-tischen Status-quo-Denken in der Beschik-kung von bestimmten Arbeitsvorgängen (job regulation), die allgemeine Abneigung gegen das Industrieverbandsprinzip (industrial unio-nism) sowie die heute noch starke Stellung lokaler Gewerkschaftszentren (districts and branches) haben sich bis in die Gegenwart erhalten und stellen vielfach ein unüberwindbares Hindernis dar für die notwendige Mobilität und Anpassungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Die englischen Sozialbeziehungen haben sich in ihren Grundzügen, was besonders für das „collective bargaining" und die Anfänge im Verbandswesen gilt, herausgebildet, lange bevor England in die Phase des „organisierten Kapitalismus" eintrat, in eine Periode kapitalistischer Entwicklung also, die nach Kocka gekennzeichnet ist u. a. durch Kon-zentrationsund Zentralisationsbewegungen in Industrie, Handel und Bankwesen sowie auf dem Arbeitsmarkt durch „das Prinzip der bewußten kollektiven Organisation", das „zunehmend das individuelle Konkurrenz-, Tausch-und Vertragsprinzip, das sog. .freie Spiel der Kräfte'" verdrängte. Das System der „kollektiven Organisation" ist in England teilweise noch bis heute trotz der gewerkschaftlichen Zusammenschlüsse nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg viel stärker als auf dem Kontinent zersplittert und in sich heterogen; es hat unter dem Widerstand der „vested interests" den allgemeinen Trend zur Konzentration und Zentralisation sehr viel später und auch dann nur zögernd mitgemacht, und die Einzelgewerkschaften genießen gegenüber dem Dachverband ein viel höheres Maß an Autonomie und Bewegungsfreiheit als ihre deutschen Pendants. Schließlich wird man nie übersehen dürfen, daß in England die Arbeiterpartei ein Geschöpf der Gewerkschaftsbewegung ist und sich daraus auch das selbstbewußte Auftreten der Gewerkschaftsführer erklären läßt, während in Deutschland umgekehrt sich die Gewerkschaften erst mühsam von ihren politischen „Geburtshelfern" in den großen Massenstreik-und Revisionismusdebatten des beginnenden 20. Jahrhunderts emanzipieren mußten. Der Tarifvertrag Selbst wenn man von einer gemeinsamen Zielsetzung von „industrial democracy“ und „Wirtschaftsdemokratie“ ausgeht, wie sie sich etwa terminologisch in der übereinstimmenden Forderung nach dem „industrial Citizen" resp.dem „Industriebürger* und inhaltlich in dem Verlangen nach „kollektiver Durchsetzung größerer Kontrolle über die Arbeitssituation durch die Arbeiterschaft" niedergeschlagen hat, so ergeben sich doch in den Instrumentarien und Ebenen der Durchsetzung wie in den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erhebliche Unterschiede. Sie sind nur wieder aus den voneinander abweichenden geschichtlichen Traditionen zu erklären. In England hat sich der frei ausgehandelte kollektive Tarifvertrag als Kern der „industrial democracy* schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts — zunächst nur auf lokaler und erst unmittelbar vor und im Ersten Weltkrieg auf nationaler Ebene — zusammen mit einer Ausformung und Stärkung von kollektiven Arbeitnehmer-und Arbeitgeberorganisationen entwickelt, bevor ihn der Staat über das Parlament gesetzlich abstützte (s. u.) oder gar überhaupt so etwas wie ein Arbeitsrecht oder eine Sozialgesetzgebung im umfassenden Sinne erließ. In Deutschland verhielt es sich, worauf Biedenkopf mit Recht hinweist wiederum umgekehrt: „Ein ausgebildetes Tarifvertragssystem setzt neben der rechtlichen Anerkennung vor allem die Organisation als Kontrahenten des Unternehmers voraus. In den unabhängigen, auf der Facharbeiterschaft und dem Handwerk aufbauenden Trade Unions Englands und der Vereinigten Staaten waren sie vorhanden. Die Stellung und Funktion der deutschen Gewerkschaften dagegen waren bis nach der Jahrhundertwende ungeklärt .. Der Tarifvertrag wurde (in Deutschland) ... nicht nur in Parteikreisen, sondern zunächst auch in der Gewerkschaft mit Mißtrauen als vertragliches Übereinkommen betrachtet, das von der Idee des Klassenkampfes abwich... Die Folge der durch diese und andere Gründe bedingten Verzögerung war es, daß die ersten größeren Tarifverträge in Deutschland bereits auf eine, wenn auch noch nicht ausgebildete, so doch in den Grundzü-gen festliegende und bis heute verbindliche staatliche Arbeitsschutz-und Sozialgesetzgebung trafen. Als sich die Gewerkschaften entschlossen, den Tarifvertrag zum Gegenstand ihrer Politik zu machen, hatten die Konsequenzen des Frühkapitalismus den Staat bereits veranlaßt, einzugreifen.“ Der Tarifvertrag erfuhr in Deutschland „keine dem Gesell-schaftsoder Kartellvertrag ähnliche Entwicklung und Vervollkommnung. Er blieb ein vergleichsweise rudimentäres Instrument zur Regelung wesentlicher Arbeitsbedingungen“. Das Verhältnis von staatlichen Schutzmaßnahmen und kollektiver Selbsthilfe hat sich in Deutschland — in diametralem Gegensatz zu England — nicht „zugunsten einer Subsidiarität des staatlichen Eingriffes" verändert. „Die deutschen Gewerkschaften sahen es — im Gegensatz zu ihren angelsächsischen Schwesternorganisationen — nicht als eine Bedrohung ihrer Wirksamkeit und Notwendigkeit an, daß der Staat weite Teile des arbeitsrechtlichen Bereiches durch seine Gesetzgebung ordnete; sie fordern vielmehr noch heute in ihren Programmen mit der Schaffung eines Gesetzbuches eine umfassende gesetzliche Kodifikation des Rechts der abhängigen Arbeit — obgleich eine solche Kodifikation den Wirkungsbereich der kollektivvertraglichen Regelung beeinträchtigen müßte.“

Gegen Staatsinterventionismus

Wir begegnen hier in dem traditionellen Beharren auf „abstention of law and of State“ einem weiteren Charakteristikum der „industrial democracy". Freilich zeichnet sich hier seit etwa zehn Jahren ein grundlegender Wandel in Richtung auf mehr Staatsinterventionismus und -omnipotenz ab. Noch 1954 konnte der bekannte englische Arbeitsrechtler Otto Kahn-Freund stolz feststellen: „Es gibt vielleicht kein größers Land in der Welt, in dem das Recht in der Ausformung der (industriellen) Beziehungen eine weniger bedeutsame Rolle gehabt hat als Großbritannien und in dem heute noch Recht und Rechtswissenschaft mit den Arbeitsbeziehungen weniger zu tun haben. Nach Ansicht des Autors ist dies ein Zeichen, daß diese Beziehungen von Grund auf gesund sind. Der Verlaß auf Gesetzgebung und gesetzliche Sanktionen für die Durchsetzung von Rechten und Pflichten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern mag Symptom eines wirklichen oder bestehenden Zusammenbruches und besonders seitens der Gewerkschaften häufig ein Zeichen von Schwäche, sicher aber nicht eines der Stärke sein." Unter diesem Aspekt der Stabilität und eines „reibungslosen Funktionierens der Arbeit-Management-Beziehungen" unter einem „effektiven System von Kollek-tivverhandlungen" (Kahn-Freund) wurden auch bis vor wenigen Jahren noch die Mitbestimmungsregelungen in Deutschland und insbesondere die paritätische Mitbestimmung, mit der man sich sehr intensiv auseinandersetzte außerordentlich kritisch und sogar als Zeichen gewerkschaftlicher Schwäche, auf jeden Fall aber als dem britischen industriellen System völlig inadäquat beurteilt. Bis sich hier seit etwa 1966 jedenfalls im TUC und in der Labour Party ein — noch unten zu analysierender — Wandel in Richtung auf das deutsche Mitbestimmungsmodell auf Unternehmensebene (co-determination) abzeichnete, beharrten die britischen Gewerkschaften in ihrer konfliktorientierten Haltung: „Die traditionelle Haltung der britischen Gewerkschaften gegenüber Entwürfen für eine . Mitbestimmung'im Management der Privatindustrie war ablehnend. Man ging davon aus, daß der grundlegende Interessenkonflikt (ba-sic conflict) zwischen den Arbeitern und den Kapitalbesitzern und ihren Bevollmächtigten jede Mitbestimmung von Gewicht bei Managemententscheidungen verhindert. “

Distanz zum deutschen Modell

1954 sah H. A. Clegg, einer der besten Kenner der „industrial relations", in der Tatsache, daß sich die westdeutschen Gewerkschaften drei Jahre vorher im Mitbestimmungsgesetz von 1951 ausdrücklich „by Law" eine institutionalisierte Mitwirkung an den Entscheidungen auf Unternehmensebene hätten einräumen lassen, „ein Zeichen von Schwäche" während es in England die Tarifparteien vorzögen, „sich auf ihre eigene Stärke zu verlassen“ Drei Jahre später war derselbe Clegg in einer eingehenden Würdigung der deutschen Mitbestimmung in den „Gewerkschaftlichen Monatsheften" höchstens be-reiteinzuräumen, die deutschen Gewerkschaften könnten nach ihren leidvollen Erfahrungen mit den kapitalistischen Steigbügelhaltern des Nationalsozialismus einigen Grund haben, an die Fesselung unternehmerischer Macht durch wirtschaftliche Mitbestimmung zu glauben, im übrigen aber habe die britische Gewerkschaftsführung „für sich selbst in der britischen Industriff eine Machtposition errungen, ohne eine rechtlich verankerte Autorität über Betriebe oder in den Be-, trieben zu haben. Sie braucht die Mitbestimmung nicht. Mehr noch, ihre Macht könnte durch deren Einführung gefährdet werden. Denn es könnte dann den Gewerkschaftsmitgliedern erscheinen, als ob sie Bindungen zu den Betriebsleitungen eingehe, und sie könnte dadurch in eine schwierige Lage kommen, wenn sie sich gegen linksradikale Revolten in den Gewerkschaften verteidigen muß." Die Mitbestimmung werfe zwei Grundprobleme auf: „Das erste ist das bekannte Problem, ob solche paritätischen Institutionen wirklich das Machtmittel der Massenaktion ersetzen würden oder ob sie es nicht hur den Gewerk-

schaftsführern aus der Hand nehmen, die sich an solche Institutionen binden, und es inoffiziellen Gruppen zuspielen. Diese Frage ist in Großbritannien von größerer Bedeutung als in der Bundesrepublik. Das zweite und mehr allgemeine Problem ist, ob das traditionelle Machtmittel überhaupt durch etwas anderes ersetzt werden sollte. Die Gewerkschaften sind ja doch die Organisationen derer, denen es an genügender Kraft fehlt, die normalen Kanäle gesellschaftlich wirksamer Macht zu benutzen. Das Mittel der Massenaktion stellt den Ausgleich dar. Im Vergleich mit den geschliffenen und subtilen Formen der Gesetzgebung und althergebrachter Konventionen ist es der Natur der Sache nach ein grobes und unbeholfenes Mittel. Je weniger es angewendet wird, desto besser ist es — aber können wir wirklich eine Gesellschaft wollen, in der es dieses Mittel nicht mehr gibt?" Abschließend wirft Clegg noch einmal die — jeden englischen Gewerkschaftsführer bewegende — Frage auf, wieweit eine gesetzliche Verankerung und Formalisierung von bestimmten Rechten nicht die originären Machtträger auf einen reinen Funktionärsstatus innerhalb der neuen Regulierungsmechanismen denaturiert oder sie doch zumindest in ihrer über mehr als hundert Jahre dem Klassenstaat abgetrotzten Machtvollkommenheit dermaßen beschneiden könnte, daß sie nur noch ein Schatten ihrer selbst sind:

„... Könnte das, was erreicht wird, nicht in höherem Maße als Erfolg der gesetzlich verankerten Rechte der Gewerkschaften durch die Mitbestimmung erscheinen, statt als Errungenschaften unabhängiger gewerkschaftlicher Macht?“

Als Beweis dafür, wie kritisch auch die Arbeitgeber in England einer zu starken rechtlichen Fixierung der „industrial relations" gegenüberstehen, sei noch folgendes Zeugnis der Maschinenbau-Arbeitgeber in Coventry angeführt: „Der stark legalistische Rahmen der deutschen Industriebeziehungen ist vielleicht mehr in Übereinstimmung mit den teutonischen Charakterzügen von Ordnung und Disziplin als mit der angelsächsischen Laissez-Faire-Philosophie. Die Deutschen lieben es, ein wohlreguliertes System zu haben.“

Gerade in der Gegenüberstellung mit den Problemen der deutschen Mitbestimmung, die übrigens auch in der westdeutschen Arbeiterbewegung immer wieder selbstkritisch gesehen und diskutiert worden sind hebt sich das Selbstverständnis der britischen Gewerkschaftsbewegung besonders plastisch heraus.

Wir werden weiter unten sehr genau die Ursachen zu prüfen haben, die die Labour Party und den TUC seit nunmehr einigen Jahren in einer bemerkenswerten und in den Einzelgewerkschaften noch keineswegs überall akzeptierten Schwenkung auf einmal mit wohlwollendem Interesse auf die deutsche Mitbestimmung blicken lassen. Neben den bisher aufgeführten Gründen dafür, daß „das britische System der industriellen Beziehungen auf freiwillig vereinbarten Regeln basiert, die prinzipiell nicht durch das Recht aufgezwungen werden“ und daß auch Arbeitgeber-wie Arbeitnehmerorganisationen bisher wenig Neigung zeigten, in eine institutionalisierte Mitverantwortung und Selbstbindung einzutreten, wird man zum Verständnis der „ab-stention of law and of State“ noch einmal Tradition und Geschichte bemühen müssen.

Gewerkschaft und Common law Der Freiraum gewerkschaftlicher Aktivität, Immunität und Streikrecht wurden, beginnend mit der „Trade Union Act" von 1871, in einem nahezu fünf Jahrzehnte währende „dramatischen Konflikt zwischen commo law und Gesetzgebung" dem bürgerliche Klassenstaat und einer durch ihn etablierte und gestützten besitzbürgerlichen Klassenj stiz abgetrotzt. „Das Recht entwickelte sic stückweise in dem Maße, wie unannehmbare richterlichen Entscheidungen korrigierend Gesetze (remedial Statutes) folgten; einer de Hauptgründe für den irgendwie chaotische Zustand des gegenwärtigen Gesetzesrecht liegt darin, daß dieses Recht größtenteil mehr verabschiedet wurde, um die Unzuläng lichkeiten des common law (common law dis abilities) zu beseitigen, als deshalb, um positi ves Recht zu schaffen."

Orientiert am Schutz der persönlichen Entfal tung, an der Vertragsfreiheit und am uneinge schränkten Eigentumsgebrauch als de Grundwerten der bürgerlichen Gesellschaf entwickelte die Rechtsprechung (judge-mad law) im common law des 19. Jahrhunderts zu nächst im „law of criminal conspiracy" (mi strafrechtlicher Haftung) und dann nach de „Conspiracy and Protection of Property Act von 1875 im „law of civil conspiracy“ (mit zi vilrechtlicher Haftung — aufgehoben durcl die „Trade Disputes Act“ von 1906) ein aus geklügeltes System von antigewerkschaftli chen Sanktionen, um „die volle Freiheit de Person in der Verfügung über ihre eigene Ar beitskraft und ihr eigenes Kapital nach ihren eigenen Willen" zu schützen und „jede Ein mischung in das Gewerbe, das Geschäft ode das Beschäftigungsverhältnis einer anderer Person oder in das Recht dieser Person, übei eigenes Kapital und eigene Arbeitskraft nach Gutdünken zu verfügen", unter Strafe zu stellen

Unterstützt von einer bürgerlich-radikalliberalen Parlamentsmehrheit und dem ersten Kabinett Gladstone konnten die Gewerkschaften dann mit Hilfe der Legislative durch die „Trade Union Act" von 1871 und die nicht minder berühmte „Conspiracy and Protection of Property Act" von 1875 in das common law wichtige Breschen schlagen, in-dem die Gesetzgebung zum erstenmal den bisherigen Rechtsgrundsatz der unbedingten „freedom of trade" durchbrach und die Gewerkschaftsarbeit „in restraint of trade" und „in contemplation or furtherance of a trade dispute" legalisierte, d. h. entsprechende Immunität gegen Strafverfolgung zusicherte. Wichtig bis heute ist, daß die Section des Gesetzes von 1871 die Gerichte aus der kollektiven Gestaltung der Arbeitsbeziehungen ausdrücklich ausschloß. Seitdem führen die Kollektivverhandlungen abweichend zum deutschen Arbeitsrecht nicht zu rechtlichen Zwangsnormen (legally non binding and non enforceable), denen sich beide Kontrahenten bei Androhung von Strafe für eine vereinbarte Zeit unterwerfen müssen, und auch nicht zu gerichtlich einklagbaren „contracts", sondern lediglich zu einem „gentlemen’s agree-ment binding in honour" und nur durchsetzbar mit „sozialen Sanktionen". „Soziale Sanktionen“ (strike, go-slow, work-to-rule, overtime ban, restriction of Output, withdrawal of goodwill) stehen nach englischer Vorstellung traditionell höher als „rechtliche Sanktionen".

Bei diesem historischen Befund dürfte es nicht verwundern, daß sich das Festhalten der Gewerkschaften am geheiligten Prinzip des . voluntarism" und am Postulat autonomer Selbstbestimmung bis heute auch auf ein nie ausgeräumtes Mißtrauen gegenüber dem Staat als Klassenstaat und dem Recht als Klassenrecht gründet. Dies klingt auch an in dem Positionspapier der Law Society für die Donovan-Kommission, wo es unter der Frage: „Wie weit sind die Gewerkschaften der Kontrolle durch die Gerichte zugänglich" heißt: , Es ist wohlbekannt, daß die Gewerkschaften gegenüber dem Recht und den Gerichten außerordentlich mißtrauisch sind, dies nicht so sehr, weil sie meinen, die Richter seien ihnen gegenüber voreingenommen (obwohl zweifellos dieses Gefühl in einigen Kreisen bestehen mag), sondern eher deshalb, weil die Gewerkschaftsmitglieder wissen, daß Tradition und Hintergrund der Juristen gegenüber ihrem eigenen sehr verschieden sind, und weil ein Gerichtshof von seiner Natur her nicht ein angemessenes Tribunal ist, um viele alltägliche Probleme zu entscheiden, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Kollegen entstehen, überdies muß man zugeben, daß die ganze Gewerkschaftsidee in gewisser Weise im Widerspruch steht zu den Grund-voraussetzungen des common law mit seiner Tendenz gegen , restraint of trade’ und , con-spiracies'und .combinations'und seinem Beharren auf der Heiligkeit des Vertrages. Infolge dieser Grundvoraussetzungen, die sich durch das gesamte common law ziehen, wurden bestimmte Klauseln verschiedener Ge-Werkschaftsgesetze manchmal von den Gerichten in einer Weise interpretiert, die zwar den Juristen überhaupt nicht überrascht, den Gewerkschaftern aber ganz erstaunlich erscheint."

Unternehmerische Entscheidungsfreiheit

Die traditionelle Abneigung gegen eine gesetzliche Sanktionierung und damit Einzementierung sozialer Regeln und Normen wie auch die Angst vor wachsender Staatsomnipotenz bei einem gleichzeitigen Rückgang der Flexibilität in der Lösung gesellschaftlicher Konflikte sind in England so tief verwurzelt, daß hier zumindest noch Mitte der sechziger Jahre der industrielle Dachverband „Confederation of British Industry" (CBI) in der Verteidigung des „voluntarism" mit den Gewerkschaften an einem Strang zog. Unter den Einwänden, die die CBI gegen eine schon damals diskutierte Einführung der gerichtlichen Einklagbarkeit von Tarifverträgen vorbrachte, heißt es im einzelnen: 1. Die Gewerkschaften könnten davor zurückschrecken, gewisse Verpflichtungen, die sie jetzt freiwillig eingingen und im allgemeinen auch honorierten, dann unter dem Aspekt der rechtlichen Verbindlichkeit einzugehen; 2. eine rechtliche Einklagbarkeit von Verträgen würde die Verantwortlichkeit der Vertragsparteien „unterminieren" und die jeweils unzufriedene Partei dann veranlassen, „sich beständig an die Gerichte zu wenden“; 3. die Einklagbarkeit von Verträgen würde „fast sicher einen Schwanz von weiteren rechtlichen Vorkehrungen nach sich ziehen", und den Arbeitgebern widerstrebe ein System sehr, „unter dem sie selbst regelmäßig als Prozeßkläger in Verfahren gegen ihre Arbeitnehmer oder die Gewerkschaften, mit denen sie verhandeln, auftreten würden"; 4. das Verlangen der Arbeitgeber „nach der bereitwilligen Verrichtung der täglichen Arbeit" lasse sich nicht auf dem „Rechtswege" durchsetzen. Zum tieferen Verständnis auch der unternehmerischen Abneigung gegen eine rechtliche Formalisierung des Regel-und Normensystems der „industrial relations" wird man noch einmal hundert Jahre zurück in die Periode des besonders heftigen Konfliktes zwischen den Wertvorstellungen der bürgerlich-kapitalistischen Unternehmergesellschaft mit ihrer rechtlichen Garantierung individueller Selbstverwirklichung einerseits und den Forderungen nach freier Entfaltung kollektiver Gewerkschaftsmacht andererseits gehen müssen. Seit dieser Zeit hat sich im Management bis heute, wie eine entsprechende Umfrage zeigt die Vorstellung verfestigt, der Inhalt von „collective agreements" stelle im Grunde nur eine der unternehmerischen Allgewalt (managerial prerogatives) unter dem Druck sozialer Sanktionen und kollektiver Gegen-macht gleichsam nur auf Zeit abgezwungene und insofern auch bei einer Änderung der Machtverhältnisse jederzeit wieder aufhebbare Konzession dar. Formalisierte Vereinbarungen haben nach dieser Einschätzung als „de jure rights" einen allzu unwiderruflichen Charakter, denn auf ihnen lasse sich dann praktisch „unbegrenzt" (indefinitely) ein unzerstörbares Gebäude von extensiven Arbeitnehmerrechten aufbauen. „können Schließlich einige de-facto-Konzessionen nicht niedergeschrieben werden, weil das Management vor allem auf der Direktorenebene nicht bereit sein würde, öffentlich zuzugeben, daß damit solche es unter Zwang Modifikationen in seiner unternehmerischen Prärogative akzeptiert und sich formal in seiner Führungsgewalt an die Kette hat legen lassen". Man fühlt sich hier noch heute an das Wort des berühmten englischen Sozialhistorikers R. H. Tawney erinnert, nach dem das Management eine „durch Aufstand eingeschränkte Selbstherrschaft" darstellt.

Nicht zufällig hat sich der Akzent der vergleichenden Betrachtung, der zunächst unter dem Eindruck der spezifisch deutschen Formen von „Wirtschaftsdemokratie“ mehr auf der Institution lag, am Ende ganz verschoben auf den Tarifvertrag und das „collective bargaining" als eine mehr informelle und insofern typisch britische Ausgestaltung von „participation" und „industrial democracy“. Damit dürfte auch verständlich werden, warum die Engländer mit einiger Skepsis auf das numerische Paritätengerangel blicken, auf das sich die Mitbestimmungsdiskussion in Deutschland zuzuspitzen droht.

1968 gab die Donovan-Kommission in ihrem Abschlußbericht — gerade auch im Blick auf Deutschland, Schweden und die USA — allen Reformern der „industrial relations" bei der Frage, es überhaupt ob möglich ist, „den ganzen Trend unserer Industriegeschichte umzukehren und dem Recht eine Funktion zu geben, die es in der Vergangenheit nie gehabt hat", berechtigte mit auf den die Warnung Weg: „Es ist manchmal unmöglich, rechtliche Institutionen und Prinzipien, die ihre zeitliche haben, Bewährungsprobe bestanden von einem Land in das andere zu verpflanzen. Dies aber kann auch nutzlos oder sogar schädlich sein, wenn die sozialen Bedingungen des Landes, das diese Institutionen und Prinzipien übernehmen will, von denen abweichen, die ihr Wachstum in ihrem Ursprungslande verursacht haben."

III. Ideologie und Praxis der Mitbestimmung: „Joint Consultation“ und „Collective Bargaining"

Es wird dem Engländer oft nachgesagt, er gehe an die Lösung von sozialen Problemen und so auch an die Ausgestaltung und Prakti-zierung der „industrial democracy“ ausgesprochen pragmatisch und flexibel heran und habe deshalb wenig Verständnis für die ideologischen Diskussionen, mit denen die Themen . Mitbestimmung'und Wirtschaftsdemokratie'seit dem Ersten Weltkrieg in Deutschland belastet seien. Diese Teilwahrheit darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß s auch in England insbesondere vor und im Ersten Weltkrieg und dann wieder in den dreißiger Jahren in der Arbeiterbewegung und in der Labour Party heftige theoretische Debatten zwischen Fabiern, Gildensozialisten, Anarcho-Syndikalisten, Industriegewerkschaften! und Shop-Steward-Bewegungen, zwischen marxistischen und reformistischen Flügeln über den rechten Weg zum Sozialismus, über die Rolle des Staates und der Gewerkschaften wie auch über den Charakter der „industrial democracy" und der „workers'control“ im unaufhebbaren Zielkonflikt zwischen revolutionärer oder evolutionärer Systemüberwindung und integrativer Systemstabilisierung gegeben hat. Diese Grundsatzdiskussionen sind auch immer wieder auf die tägliche Praxis des Arbeitskampfes und der Gewerkschaftspolitik durchgeschlagen. Die historische Bedeutung des Fabianismus und die wichtige Rolle der 1938 erneuerten Fabian Society als eines intellektuellen Arbeitskreises innerhalb der Labour Party für empirisch-sozialwissenschaftliche Forschung und breite Öffentlichkeitsarbeit unterstreichen zu-dem, daß Theorie und Praxis in der Labour Party stets eng aufeinander bezogen waren und sind.

Die Funktion des sozialen Konflikts

Das industrielle System wird nach Ansicht des Amerikaners J. T. Dunlop „zusammengehalten durch eine Ideologie oder ein Einvernehmen, das alle teilen" Der Engländer Allan Flanders spricht in seiner theoretischen Studie von „einigen normativen Prinzipien", die die Wirkungsweise des Systems der industriellen Beziehungen bestimmt haben das freilich „alles andere als einheitlich" ist. „Es ist niemals bewußt geplant worden, noch hat die Theorie jemals einen spürbaren Einfluß auf seine Struktur gehabt. Vielmehr ist es allmählich und scheinbar zufällig im Lauf eines Jahrhunderts entstanden und spiegelt noch heute vieles aus seiner Vergangenheit wider." Aber die Tatsache, daß die „industrial democracy" bereits Gegenstand eines recht umfangreichen theoretischen Schrifttums der angelsächsischen Industriesoziologie ist (wie überhaupt die „industrial relations" eine eigene Disziplin an englischen Universitäten darstellen!), rechtfertigt hinreichend schon die Frage, wieweit sich gewisse theoretische Positionen in der wirtschaftsdemokratischen Praxis niedergeschlagen haben.

In seinem theoretischen Kapitel über „Conflict and Joint Regulation" beschreibt der Industriesoziologe Alan Fox im Zusammenhang mit der „Institutionalisierung des Konfliktes“ das „collective bargaining“ als sowohl einen . konfliktlösenden" (conflict-resolving) als auch „normenschaffenden" (norm-generating) Prozeß. Damit bezieht er konflikttheoretisch eine — bis in die Gewerkschaftspolitik hinein überwiegend repräsentative — Mittelposition, um es zunächst auf einen kurzen Nenner zu bringen, etwa zwischen Marx und Sorel auf der einen, Parsons und Mayo auf der anderen Seite.

Fox erkennt einerseits den sozialen oder Klassenkonflikt grundsätzlich als Motor des gesellschaftlichen Wandels an und distanziert sich damit ausdrücklich von Parsons und seiner strukturell-funktionalen Systemtheorie, der er vorwirft, den Sozialkonflikt als primär dysfunktionell, zersetzend (disruptive) und auflösend (dissociating), d. h. also als einen effektivitätsund leistungshemmenden Defekt im industriellen System abzuqualifizieren, sowie von gleichgerichteten theoretischen Bemühungen der Industriesoziologie um den Amerikaner Elton Mayo, dessen Wirkung auf die Bewertung der „human relations in industry“ und die Herausbildung einer harmonisierenden und einseitig autoritätsorientierten „Manager-Ideologie" nach Clegg in der Zwischenkriegszeit erheblich gewesen ist.

Nach Mayo und seinen „klinischen Industrieuntersuchungen“ in der Western Electric Company darf „die Zusammenarbeit in einer industriellen Gesellschaft nicht dem Zufall überlassen bleiben" (S. 30); es ist vielmehr Pflicht der „Zivilisation" (oder besser: der zu Autorität und Herrschaft Berufenen), neben der materiellen Vorsorge „ein Leben in der Zusammenarbeit sicherzustellen“ (S. 175), zumal da „der Wille zur Zusammenarbeit in der Menschheit verwurzelt ist" (S. 179). Es kann jedoch keine Zusammenarbeit ohne Organisation geben: „Jede industrielle Organisation ist zugleich eine Art des Arbeitens — die technisch geschickt und wirksam sein muß — und eine Art des Zusammenlebens vieler Menschen, ein kooperatives System, das leistungsfähig und als Lebensform befriedigend sein muß“ (S. 92). In jeder Abteilung der industriellen Organisation haben sich nun die Arbeiter, deren „kooperative Anlagen" nach Mayo unbestritten sind, selbst wenn, wie er mißbilligend feststellt, „die moderne Zivilisation ungefähr zwei Jahrhunderte nichts getan hat, die kooperativen Anlagen im Menschen auszuprägen und fortzuentwikkeln" (S. 173), bewußt oder unbewußt zu Arbeitsgruppen zusammengeschlossen, deren Leitung „in demselben Maße erfolgreich (oder nicht erfolgreich) ist, wie sie ohne Vorbehalt von der Gruppe als Autorität und führende Instanz anerkannt wird“ (S. 128).

Die Begriffe „leistungsfähig", „kooperativ", „Autorität“ und „führende Instanz" werden uns noch weiter unten im Zusammenhang mit einer Mitbestimmungsregelung beschäftigen, die unter dem Namen „joint consultation" oder „Whitleyism“ als Alternative zum „collective bargaining“ ebenfalls eine längere geschichtliche Tradition hat. * Andererseits sieht Alan Fox, und hier durfte er eine breite Zustimmung bis in die Arbeiterbewegung hinein finden, im sozialen Konflikt grundsätzlich die Möglichkeit zu einem — wenigstens vorübergehenden — Konsensus angelegt und im „collective bargaining" das konfliktregulierende Instrument par excellen-ce, um diesen Konsensus zwischen den Sozialparteien durch die gemeinsame Etablierung neuer Normen und Regeln wiederherzustellen. Damit distanziert er sich ausdrücklich vom Marxismus, der politisch in England seit jeher nur eine geringe Chance hat, und auch vom Syndikalismus Sorels, wonach der industrielle Konflikt als Ausdruck einer permanenten Klassenkampfsituation nur Mittel zur proletarischen Selbstverwirklichung ist und insofern alle Versuche zu seiner Uberbrükkung und Harmonisierung durch Kompromiß und Verhandlung von vornherein als systemstabilisierend abgelehnt oder nur als taktische Variante zum Klassenkampf gebilligt werden.

Fox umschreibt seine eigene theoretische Position der Mitte, wie sie heute auch noch trotz einer fortschreitenden Militanz in mehreren Einzelgewerkschaften und an der Basis von der TUC-Führung eingenommen werden dürfte, folgendermaßen: „Der Weg von Marx zu Mayo führt uns von einem Punkt, an dem der Konflikt das dynamische Element jedes konstruktiven sozialen Wandels ist, hin zu einem anderen Punkt, an dem er als die Zerstörung der sozialen Hoffnung fungiert. In den vergangenen Jahren (d. h. vor 1970, d. Verf.) hat sich die theoretische Position der meisten Industriesoziologen wieder zurück auf die Mitte eingependelt. Im offenen Konflikt sieht man einen konstruktiven Beitrag zu dem, was man als . gesunde'gesellschaftliche Ordnung definiert. Unter der Voraussetzung entsprechender Institutionen zur Regulierung und Kontrolle behebt die offene und aktive Manifestation des Konfliktes Unzufriedenheit, reduziert Spannungen, klärt die Machtrelationen, gleicht die sozialen Strukturen entsprechend an, schafft wenigstens so viele solidarische Gruppen, wie er sie auch trennt, und verankert • die Prinzipien der Selbstbestimmung, die die Grundlage einer freien Gesellschaft sind" (S. 145 f.).

Fox unterscheidet zusammenfassend zwischen einer „unitarischen Struktur" (unitary structure) des industriellen Systems, die, aus-gehend von Mayo, durch eine „Basisharme nie" (basic harmony) oder eine „Harmoni der Kooperation" (harmony of co-operatioi gekennzeichnet ist und dementsprechend m „eine wahre Quelle der Autorität und eine Brennpunkt der Loyalität" anerkennt va einer „pluralistischen Struktur" (pluralist frame of reference) oder einer „Mentalität de zwei Parteien" (two-sides mentality). Wäl rend die harmonisierende „Ganzheits" -PhilSophie im Grunde das „collective bargaining ebenso wie alle Ansätze zur „wo: kers'control" und gewerkschaftliche Gegei machtpositionen sowie soziale Sanktione wie den Streik als destruktive Relikte de Klassenkampfes und illegale Eingriffe in di Leitungsautorität des Management (illegal ei croachment in managerial prerogatives) au; schließt und höchstens ein letztlich unver bindliches Verfahren der „argumentativen Be einflussung des Management" und der ge meinsamen Beratung (joint consultation) zi läßt, um eine Kooperation mit der Arbeite: schäft im Interesse der betrieblichen Produk institutionalisieren, el tivitätssteigerung zu kennt die „pluralistische Konzeption“ nac Fox nicht nur „die Legitimität und Berechti gung der Gewerkschaften in unserer Gesell schäft" an, sondern auch die „Realität von Ai beitsgruppeninteressen" und „restriktive Arbeitspraktiken" (restrictive labour practi ces), die ganz legitim mit dem Management ii Konflikt liegen.

Die theoretische Gegenüberstellung eine mehr partnerschaftlich ausgerichteten und ai der postulierten Identität von Arbeitgeber und Arbeitnehmerinteressen orientierten „join consultation" und eines mehr konflikt orientierten, den grundsätzlichen Interessen Widerstreit heraushebenden „collective bar gaining" als zwei Gegenpositionen innerhalt der „industrial democracy" kann in diese: Form natürlich nur idealtypischen Charakte haben. Denn in der Realität sind beide Positionen organisatorisch wie inhaltlich oft kei neswegs so säuberlich voneinander zu trennen. So kann z. B. das Ergebnis gemeinsamer Beratung durchaus unmittelbar in eine Entscheidung des Management einmünden und damit die „joint consultation" den Charakter des „decision-making" annehmen. Immerhin sind aber hier doch zwei wirtschaftsdemokratische Entwicklungslinien festzustellen, die in der englischen Sozialgeschichte der letzten Jahre in ihrem Spannungsverhältnis zueinander einen bedeutsamen Stellenwert haben.

Joint consultation" im Sinne partnerschaftlicher Kooperation beschreibt einen Grad von Mitbestimmung (workers'participation), der ausdrücklich Gegenstände des „collective (Löhne, Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen) ausschließt und dem Arbeiter im gegenseitigen Kommunikationsfluß die Chance geben soll, entweder seinerseits ihn unmittelbar berührende Probleme wie innerbetriebliche Sicherheit und Wohlfahrt oder auch Verbesserungsvorschläge und Effektivitätsüberlegungen dem Management vorzutragen oder von diesem über den Gang der Produktion und andere betriebliche Vorgänge informiert zu werden, und der höchstens zu einem „Consensus", nicht aber zu einem formalen oder informellen „agreement" führen kann. „Joint consultation" soll „ein Gefühl der Identifikation und Loyalität zur Firma" 60) bei den Arbeitnehmern sicherstellen, ohne an der souveränen Entscheidungsgewalt des Management auch nur einen Deut zu rütteln. „Joint consultation" kann eine Vielzahl von Formen annehmen: Sie wird praktiziert auf Betriebs-ebene in — oft halbparitätisch zusammengesetzten — „works committees", „Whitley committees" (im Öffentlichen Dienst), „works councils" oder auch — wie im Zweiten Weltkrieg — in „joint production committees"; auf Industrieebene in „joint industrial councils" oder den „joint consultative committees" besonders der nationalisierten Industrien; auf nationaler Planungsebene in „Economic Development Committees", in denen Gewerkschafts-, Industrie-und Regierungsvertreter zusammen mit unabhängigen Mitgliedern sitzen und die — nach Industrien gegliedert — unter der Ägide des 1962 gegründeten . National Economic Development Council" arbeiten.

Naturgemäß fand und findet diese partnerschaftliche Ausprägung der „Betriebsdemokratie" beim Management, wie das Positionspapier der CBI für die Donovan-Kommission zeigt weitaus mehr Resonanz als bei den Gewerkschaften oder auch den Shop Stewards, die die Quelle ihrer gesellschaftlichen Macht mehr im „collective bargaining" sehen. Gegenüber der Privatindustrie hat sich hier nie das Mißtrauen verloren, daß „joint consultation" primär darauf zielt, den Arbeiter dem gewerkschaftlichen Klassenkollektiv in einer* Form von „house unionism“ zu entfremden, um ihn dann um so fester an den Betrieb binden zu können. Anklänge an die Betriebsgemeinschaftsideologie der Weimarer Republik sind hier unverkennbar. Insofern ist auch erklärbar, daß der Höhepunkt der „joint consultation" jeweils in Zeiten äußerer Bedrohung lag und daß nach den beiden Kriegen — 1918 unter dem Eindruck der Depression und schwerer sozialer Konflikte sehr viel schneller, nach 1945 langsamer — der Enthusiasmus für „joint con’sultation" bei den Gewerkschaften wieder abflaute.

Heute ist die „joint consultation" im gewerkschaftlich relativ weniger organisierten öffentlichen Dienst sowie vor allem in den na-, tionalisierten Industrien fest etabliert, wo sie durch die Nationalisierungsgesetze ausdrücklich neben dem „collective bargaining" eingeführt wurde. Auf dem privaten Sektor spielt „joint consultation" — vor 20 Jahren noch überschwenglich gefeiert als eigentlich angemessene Institution der „industrial democracy" zur Sicherstellung wachsender Produktivität und zur aktiven Teilhabe (participation) der Arbeitnehmer am Betriebsgeschehen, ja sogar als Mittel zur Überwindung der Entfremdung im anonymen Großbetrieb — kaum noch eine Rolle. Sie ist in der Privatwirtschaft „mehr oder weniger ein Überbleibsel aus der Vergangenheit" Wenn man heute die prekäre Situation des 1974 zwischen Wilson und den Gewerkschaften vereinbarten „Sozialkontraktes" — eine Form der „joint consultation" auf nationaler Planungsebene — als Symptom nimmt, dürfte eine Renaissance dieser Form der „industrial democracy“ unter den gegebenen . allgemeinwirtschaftlichen Umständen wohl kaum in Aussicht stehen. An zwei Problemkomplexen der jüngeren britischen Sozialentwicklung läßt sich der Niederschlag der oben kurz skizzierten theoretischen Diskussion über die „industrial democracy" und vor allem auch ihre angedeutete Ambivalenz in der praktischen Ausgestaltung der industriellen Beziehungen beispielhaft aufweisen: im Whitleyism und in der innergewerkschaftlichen Sozialisierungsdebatte der dreißiger und vierziger Jahre.

Der Whitleyism Der Erste Weltkrieg brachte den Gewerkschaften mit dem Einbau ihrer Führung (wenn auch nur als Juniorpartner) in den staatlichen und rüstungswirtschaftlichen Lenkungsapparat zum erstenmal ein hohes Maß an offiziell anerkannter Mitbestimmung. Dabei ergaben sich freilich, als die Gewerkschaftsführer im sogenannten Schatzamtsabkommen vom März 1915 (Treasury Agreement) mit dem damaligen Schatzkanzler Lloyd George in den Rüstungsbetrieben auf soziale Kampfmaßnahmen während des Krieges und bestimmte Praktiken der Arbeitsplatzbesetzung (Ersetzung der gelernten durch un-oder angelernte Arbeitskräfte im Rahmen der „dilution") verzichteten und sogar in eine staatliche Zwangsschiedsgerichtsbarkeit einwilligten (compulsory arbitration), sofort schwere Spannungen zwischen der höchsten nationalen Ebene der „co-operation" und „joint consultation" sowie den nunmehr sehr stark integrierten gewerkschaftlichen Führungsgruppen auf der einen und den innerbetrieblichen Organen der Mitbestimmung, den „work groups" und ihren Arbeitsgruppensprechern, den „shop Stewards", auf der anderen Seite. Während die Führung in den Konsultativmechanismen eine willkommene Gelegenheit sah, Gewerkschaftsmacht überhaupt im kapitalistischen Staat als voll anerkannt zu verankern, im übrigen aber in tradeunionistisch-reformistischer Tradition dieses System und vor allem seine politischen Verfassungsorgane als letzte Entscheidungsträger nicht revolutionär in Frage stellte, sahen die „industrial demo-crats" an der betrieblichen Basis, vertreten durch die Shop Stewards, unter dem Eindruck einer zunehmenden sozialen Kampfstimmung vor allem in den Rüstungsfarbriken und auch unter dem Einfluß syndikalistischer Ideen in den „joint committees" mit dem Management vielfach nur ein willkommenes Werkzeug, um über sie die „workers'control" und die Sozialisierung der Privatindustrie von her weiter voranzutreiben.

Diese ideologische Ambivalenz der „joint consultation" und ihre spannungsgeladenen Zielkonflikte, die weitgehend aus der kritischen Situation ihrer Einführung während des Krieges und auch von den Ausstrahlungen der russischen Oktoberrevolution her zu erklären waren und die übrigens in der deutschen Mitbestimmungsdiskussion damals ihre Parallele hatten, sollten auch den sogenannten „Whitleyism" von Beginn an in einer Weise belasten, daß er in seiner ursprünglich konzipierten Form bereits Anfang der zwanziger Jahre an den schweren sozialen Unruhen vor allem auf dem privaten Sektor scheiterte. Der nach seinem Vorsitzenden, dem Unterhausabgeordneten Whitley, benannte parlamentarische Untersuchungsausschuß war Mit-te des Krieges einberufen worden, um zu überprüfen, wieweit die neuen Ansätze gewerkschaftlicher Kooperation auch in die Friedenszeit hinein gerettet, formalisiert und institutionalisiert und damit für die anstehenden großen Probleme der Demobilisierung und friedenswirtschaftlichen Umrüstung der britischen Industrie nutzbar gemacht werden könnten. überdies — und hier lag im „Whitleyism" für die Gewerkschaftsführung zugleich ein gewisser Anreiz, aber auch eine existenzielle Gefahr — schien sich in der Etablierung von Mitbestimmungsinstitutionen die Möglichkeit zu bieten, das in der Arbeiterschaft im Kriege erwachte Streben nach Teilhabe an den betrieblichen und ökonomischen Entscheidungen und nach Komplementierung der politischen durch die „industrielle Demokratie“ unter Gewerkschaftskontrolle zu kanalisieren und dabei den radikalen syndikalistischen Elementen in den Betrieben mit ihrer Forderung nach „workers’ control" das Wasser abzugraben.

England stand also am Ende des Ersten Weltkrieges vor ganz ähnlichen Problemen wie die „Wirtschaftsdemokratie“ und die „Zentralarbeitsgemeinschaft" 1918/19 in Deutschland Charakteristisch für beide Länder ist aber der unterschiedliche Weg zur Behebung der In England verzichtete Schwierigkeiten:

die Regierung im Gegensatz zu Deutschland bewußt auf eine gesetzliche Ausformung der Mitbestimmung, überließ dieses Problem dem freien Spiel der gesellschaftlichen Kräfte in der Tradition des „voluntarism" und beschränkte sich nur (mit auf Empfehlungen Ausnahme der noch zu behandelnden „Trade Boards Act“ von 1918 und der „Industrial Courts Act" von 1919), selbst um den Preis, wie sich schnell herausstellte, eines Scheiterns des „Whitleyism" in weiten Teilen der Privätindustrie. Ähnlich unterschiedlich war die Entwicklung in der Zwangsschlichtung: Während in England die staatliche Zwangsschlichtung (compulsory arbitration) als vorübergehende Notstandsmaßnahme nach Kriegsende sofort wieder abgebaut und die Schlichtung selbst wieder den traditionellen „voluntary conciliation and arbitration boards in den verschiedenen Industrien überantwortet wurde — wobei der Staat nur wie bisher eine unterstützende Hilfsfunktion durch Bereitstellung seines eigenen Schlichtungsinstrumentariums auf Anforderung seitens der Tarifparteien behielt-—, entwickelte sie in Deutschland der Gesetzgeber unter Zustim-mung der Sozialparteien in den zwanziger Jahren zu einem ebenso umstrittenen wie letztlich wohl verhängnisvollen, da die Tarif-autonomie aushöhlenden Dauerinstrument tariflicher Konfliktregulierung.

Das Whitley Committee empfahl in seinem . Interim Report on Joint Standing Industrial Councils" von 1917 und seinem „Supplemen-tary Report on Works Committees" von 1918 für die Nachkriegszeit ein gestuftes System von paritätischen Konsultativ-und Verhandlungsgremien vom Einzelbetrieb bis zur gesamtvolkswirtschaftlichen Ebene, bei dem freilich die gegenseitige Verklammerung der verschiedenen Ebenen jederzeit gewährleistet werden sollte: Workers'Committees — District Joint Councils — Joint Industrial Councils — National Industrial Conference. Diese Konstruktion findet ihre Parallele im Räteartikel 165 der Weimarer Reichsverfassung. Die „Joint Industrial Councils“ in den bereits gut organisierten Industrien sollten dabei die Doppelfunktion des „collective bargaining" und der „joint consultation" übernehmen. Alle Organe sollten, wie es ausdrücklich hieß, unter voller Einbeziehung der Gewerkschaften „immer die Idee einer konstruktiven Kooperation in den Vordergrund rücken" — möglicherweise ein Hieb gegen revolutionäre Shop Stewards. Denn auch in England ergaben sich Abgrenzungsprobleme, wie wir sie in Deutschland damals zwischen den offiziell anerkannten Gewerkschaften und inoffiziellen Arbeiter-und Betriebsräten 1918/19 kannten. Als Funktion der „Joint Industrial Councils" und der anderen Mitbestimmungsgremien wurden im Report ausdrücklich erwähnt „die bessere Ausnutzung praktischer Kenntnisse und Erfahrungen in der Arbeiterschaft", Hebung der organisatorischen und erzeugerischen Leistungsfähigkeit in den Betrieben und Verbesserung der Beziehungen zum Management, die „volle Berücksichtigung des Arbeitnehmerstandpunktes bei technologischen Innovationen" (zweifellos hier der Versuch, die „restriktiven Arbeitspraktiken" gegenüber technischen Neuerungen durch „participa-tion" der Arbeitnehmer zu eliminieren) sowie betriebliche Wohlfahrt und Sicherheit vor allem während der Demobilisierung.

Das Urteil über den „Whitleyism" war im Grunde schon mit dem Sondervotum der Labour-Ausschußmitglieder gesprochen. Es macht noch einmal die prekäre Lage der Arbeiter-führung im Spannungsfeld zwischen voller Integration in das kapitalistische System und systemsprengenden oder doch zumindest -transformierenden Tendenzen an der Basis deutlich: So sehr die Empfehlungen geeignet seien, „freundschaftliche Beziehungen" herbeizuführen, so blieben doch „die ernsteren Interessenkonflikte in der Wirkungsweise des ökonomischen Systems, das primär von Motiven des privaten Profites regiert und gelenkt werde". Auf der 1919 dann von der Regierung zusammengerufenen „National Industrial Conference" erklärten die Gewerkschafter in einem Memorandum über die sozialen Unruhen, ihre Ursachen seien nur zu beseitigen, wenn „das Motiv des Dienstes an der Öffentlichkeit" erst in der gesamten Industrie dominieren würde. „Dies kann nicht geschehen, solange die Industrie weiterhin für den privaten Profit betrieben wird, und die weitestmögliche Ausdehnung öffentlichen Eigentums und demokratischer Kontrolle der Industrie ist deshalb die notwendige Vorbedingung für eine Beseitigung der industriellen Gärung". Der „Anteil an Kontrolle", den die Arbeiterführer forderten, ging also weit über den „Whitleyism" hinaus.

Dieses Mitbestimmungsmodell wurde, wie bereits erwähnt, realisiert in den Regierungs-und öffentlichen Betrieben mit einem noch sehr niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und feierte dann nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auf breiter Basis auch im Privatsektor eine sehr wirkungsvolle Renaissance in den paritätischen Produktionsausschüssen von der Fabrik-bis zur Regierungsebene, zumal da kommunistische und linkssozialistische Militanz diesmal im Zeichen der „Unholy Alliance" zwischen kapitalistischen und kommunistischen Mächten gegen Hitler keinen rechten Nährboden fand.

Nach 1918 aber zogen sich die Gewerkschaften wieder auf das bewährte „collective bargaining" und den Streik als wirkungsvollste Waffen gesellschaftlicher Konfrontation zurück, die Unternehmer auf ihre „managerial prerogatives", die sie sowieso schon zu sehr durch die Whitley-Empfehlungen tangiert sahen, und der Staat auf seine (scheinbare) Neutralität — scheinbar deshalb, weil sich im großen Generalstreik 1926 zeigen sollte, wo die Sympathien einer konservativen Regierung lagen.

Versuche der TUC-Führung, nach der schweren gewerkschaftlichen Schlappe von 1926 nunmehr direkt mit den Unternehmer-und Industrieverbänden ohne Beteiligung des Staates ins Gespräch zu kommen, wie sie in die Geschichte nach den Namen der beiden Prot-agonisten als „Mond-Turner-Talks" eingegangen sind, scheiterten an der Desavouierung des kooperationsbereiten Chemieindustriellen Sir Alfred Mond durch seine eigenen, viel weniger aufgeschlossenen Spitzen-verbände.

Mitbestimmung und Nationalisierung

Die neue gewerkschaftliche Stoßrichtung in der „industrial democracy" kündigte sich schon 1919 auf der erfolglosen „National Industrial Conference" an: „the widest possible extension of public ownership and democratic control of industry". Damit aber rückte nun der Staat, rückten Regierung und Parlament als Ebenen zur politischen Durchsetzung von Sozialisierung und demokratischer Kontrolle des Wirtschaftslebens verstärkt in das Zentrum gewerkschaftlicher Aufmerksamkeit, dies aber in einer Periode, als nach dem Rücktritt der zweiten Labour-Regierung Mac-donald 1931 und der anschließenden Spaltung der Labour Party der Traum von der parlamentarischen Machtergreifung durch die Arbeiterklasse für lange ausgeträumt schien.

Der fast zehnjährige Ausschluß von der Macht 1931— 1940 erwies sich jedoch für den englischen Sozialismus als eine fruchtbare Zeit der programmatischen und theoretischen Regeneration, in der dann bereits die Weichen für das Nachkriegsengland unter Attlee gestellt wurden. Im Mittelpunkt der intensiven Programmdiskussionen in den Gewerkschaften stand die heikle Frage, die schon die Webbs beschäftigt hatte, wie sich „public ownership" und „workers'control” in einer Weise würden vereinbaren lassen, daß einerseits das öffentliche Interesse gewahrt, andererseits aber auch eine gewisse Gegenmachtposition und Tarifautonomie der Gewerkschaften garantiert blieben, zumal da sich die Labour Party nicht für den dezentralisierten demokratischen Genossenschaftssozialismus nach Webbschen Vorstellungen, sondern für die staatlich-zentralistische Lösung, d. h. die Übernahme der entsprechenden Industrien durch den Staat und ihre Leitung durch „National Boards", deren Vertreter vom zuständigen Ressortminister eingesetzt werden sollten, ausgesprochen hatte.

Die Antwort auf die Frage nach „industrial democracy" in den nationalisierten Industrien ist bis heute gültig und offenbart in der Kompromißstruktur eines „dual System" von „joint consultation" und „collective bargaining" den englischen Sinn für pragmatische Lösungen

Gegen den heftigen Widerstand von Einzelgewerkschaften — so wurde der entsprechende Bericht des General Council: „Trade Union-ism and the Control of Industry" 1932 noch vom Jahreskongreß abgelehnt — setzten Labour-und Gewerkschaftsführung schließlich im Interesse gewerkschaftlicher Tarifautonomie den Verzicht auf „direct workers'control" und „co-determination" in den Füh-Tungsorganen der zu verstaatlichenden Industrien (National Boards) durch. Dieser Verzicht steht in einem gewissen Gegensatz zur Mitbestimmungspolitik der westdeutschen Gewerkschaften 1945 und der von ihnen erstrebten vollen Parität in den Aufsichtsräten von Kohle, Eisen und Stahl. Hier wird erneut ein schon mehrfach aufgezeigter und nur aus verschiedenen Traditionen erklärbarer Unterschied faßbar: Wo sich deutsche Gewerkschaftsmacht auf offizielle Institutionen und gesetzliche Regelungen stützt, verläßt sich die englische Gewerkschaftsbewegung auf ihre autonome Entscheidungsgewalt, ihre organisatorische Konsistenz und Stärke sowie ihre sozialen Sanktionsmittel. Sie legte die Regierung zwar darauf fest, in die „National Boards" auch Gewerkschafter zu berufen, diese aber mußten nach der Berufung sofort alle Bindungen an ihre Gewerkschaft aufgeben und sollten allein „on grounds of their fitness for the position" bestellt werden — eine Regelung, die bis heute strikt eingehalten wird. So hieß es in dem richtungweisenden „Report on Reconstruction" des TUC 1944 ausdrücklich: „Die leitende Körperschaft einer in öffentliches Eigentum überführten Industrie soll. . . ihre Entscheidungen ausschließlich im öffentlichen Interesse treffen und der Öffentlichkeit durch den Minister verantwortlich sein, der seinerseits wieder dem Parlament verantwortlich ist.“ Jeder zu einer solchen Körperschaft ernannte Gewerkschafter „soll jede gewerkschaftliche Funktion und jede formelle Verantwortung der Gewerkschaft gegenüber niederlegen"

In allen verstaatlichen Industrien wurden dann nach 1945 per Gesetz paritätische „Joint Consultative Councils" eingerichtet, die jedoch den Tarifbereich strikt ausklammern mußten. So hatten die britischen Gewerk-schäften scheinbar Verzicht geleistet auf eines ihrer wesentlichen herkömmlichen Anliegen: die Durchsetzung der „workers’ control", jedenfalls auf dem verstaatlichten Sektor. Sie hatten sich aber dafür im „collective bargain-ing" ein Maß an Autonomie und Tariffreiheit erhalten, das ihnen einen um so intensiveren Ausbau ihrer Gegenmachtposition gestattete, wie sich selbst im Verhältnis der gegenwärtigen Labour-Regierung zu den mächtigen Einzelgewerkschaften immer wieder zeigt. Es dürfte mehr als ein reines Gedanken-spiel sein, einmal zu überlegen, ob die „National Union of Mineworkers" wirklich im März 1975 einen absolut stabilitätswidrigen Abschluß von 32 °/o (bei einer Teuerungsrate von damals 20 °/o) gegen Wilson hätte durchsetzen können, wenn sie nicht mit rücksichts-loser Härte ihre Sanktionsmittel entweder — wie im Jahr zuvor unter Heath — eingesetzt oder doch zumindest angedroht hätte, sondern durch ihre Vertreter voll verantwortlich und paritätisch im „National Coal Board" repräsentiert gewesen wäre. Zusammenfassend lassen sich mit Clegg zur Begründung des Verzichts auf „co-determination", d. h. auf das, was wir in Deutschland „wirtschaftliche Mitbestimmung" nennen, folgende drei Punkte nennen:

1. In den dreißiger und vierziger Jahren standen die Gewerkschaften schon nicht mehr unter dem Druck von links, Forderungen nach Teilhabe an der Leitungsmacht oder gar nach völliger Übernahme der Leitung wirtschaftlicher Unternehmen vertreten zu müssen, „die ihnen im Grunde gar nicht zusagten".

2. Die Gewerkschaften sahen sich damit auch der Notwendigkeit enthoben, in Leitungsfunktionen während einer Periode der strukturellen Dauerkrise etwa im Bergbau oder auch bei Eisen und Stahl einen Teil der Verantwortung „für Lohnkürzungen und Entlassungen, die durch den sich verengenden Markt nötig wurden", übernehmen zu müssen.

3. Noch bis heute wirkt in den englischen Gewerkschaften trotz des Abflauens der Militanz an der Basis selbst unter La-

bour-Regierungen das Trauma aus dem Ersten Weltkrieg nach, durch eine zu starke Integration als „Teil des Staatsapparates" angeblich die Mitglieder verraten zu haben und damit in einem unaufhebbaren Loyalitätskonflikt der „dual responsibility" ihrem eigentlichen Aufgabenfeld als Arbeitnehmervertretung untreu geworden zu sein. „Dadurch, daß die Gewerkschaftsführer keine offizielle Verantwortung für die Pläne der Regierung übernahmen und keine offiziellen Posten akzeptierten, erhielten sie sich die Freiheit, Druck auf die Regierung auszuüben und deren unpopuläre Maßnahmen zu kritisieren. Sie behielten sich außerdem das Recht vor, in Opposition zu treten, wenn sie fühlen sollten, daß ihnen die Unterstützung durch die Mitgliedschaft entschwindet. Dies war, in großen Umrissen, seither die Strategie der britischen Gewerkschaften. Dies ist eine Politik, die hervorragend in das allgemeine System der britischen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen paßt. Die britischen Gewerkschaften haben immer ihr Bestes getan, um eine gesetzliche Festlegung ihrer Rechte und Pflichten zu verhindern."

Damit liegt auch diese Politik in der „joint consultation" ganz auf der traditionellen Linie der „abstention of law and of State", wie sie weiterhin im nicht durchsetzungsfähigen Kollektivvertrag und in der Verteidigung des freiwilligen Schlichtungswesens zum Ausdruck kommt.

IV. Strukturprobleme der „Industrial Democracy'': Formales und informelles System

Die Donovan-Kommission hat in ihrem Abschlußbericht von 1968, der von den Arbeitgeber-und Arbeitnehmerorganisationen nahezu uneingeschränkt begrüßt, von den Politikern, der Presse und der öffentlichen Meinung jedoch als enttäuschend zahm und traditionell in seinen Therapievorschlägen empfunden wurde, die schweren Defekte im „collective bargaining" als dem Kernbereich der . industrial democracy" im wesentlichen mit für die ökonomische und monetäre Dauerkrise verantwortlich gemacht, in der sich England schon seit Jahrzehnten befindet und für die die eingangs gegebenen Vergleichszahlen im OECD-Rahmen eindrucksvoll Zeugnis ablegen. Im „collective bargaining" überlagern sich schon seit dem 19. Jahrhundert — etwas vereinfacht ausgedrückt — zwei Strukturgitter: das „workshop“, „domestic" oder auch „shop-floor bargaining'(man spricht hier auch von „workshop democracy" und „democracy of grass roots") als Inbegriff betriebs-und unternehmensinterner Kollektivverhandlungen und andererseits das „national" oder besser „industry-wide bargaining"; es umfaßt in der Regel einen ganzen Industriezweig und hat sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert (einen Meilenstein bedeutete hier das industrieweite Abkommen in der metallverarbeitenden Industrie 1898) und dann vor allem im Ersten Weltkrieg aus dem ursprünglich örtlich lokalisierten, heute aber weitgehend abgebauten „district or branch bargaining" entwickelt

Industrieabkommen Das „industry-wide collective bargaining“ ist — wie in Deutschland — formalisiert in meist paritätisch zusammengesetzten und im allgemeinen auch in Permanenz bestehenden Tarif-kommissionen (Boards oder Councils); es hat sich entwickelt aus einem ausgeklügelten System von lokalen und nationalen Schlichtungsinstanzen (conciliation and arbitration boards) auf der " Basis einer freiwilligen Schlichtung (voluntary arbitration), führt in der Regel zu schriftlich fixierten, wenn auch nicht einklagbaren Kollektivverträgen und wird getragen von den offiziellen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen. Geschichtlich läßt sich der industrieweite Kollektivvertrag zurückführen auf das Bestreben der Produzenten bereits , im ausgehenden 19. Jahrhundert, über eine Vereinheitlichung der Tarife ein Lohndumping und damit Wettbewerbsverzerrungen auf den Binnenund

Außenmärkten auszuschließen. Er hatte seinen ersten Höhepunkt im Ersten Weltkrieg im Zeichen einer staatlich geförderten Systematisierung und Konzentration der Rüstungsanstrengungen und dann in der Zwischenkriegszeit, als die Gewerkschaften während der Zeit der Massenarbeitslosigkeit und einer dadurch bedingten sehr schwachen Stellung der Arbeitnehmer in ihm ein willkommenes Mittel sahen, in den krisengeschüttelten Industriezweigen wenigstens ein bilateral garantiertes Mindestlohnniveau zu halten.

Man unterscheidet zwei Arten von Kollektivverträgen: „substantive agreements“ regeln einheitlich die materiellen Rahmenbedingungen wie Ecklöhne, Normalarbeitswoche (heute 40 Stunden bei einer tatsächlichen Arbeitszeit von durchschnittlich 46— 47 Wochenstunden), Überstundentarif, Urlaub, Schichtarbeit; die „procedure agreements“ bestimmen die Schlichtungsund Einigungswege im Konfliktfall sowohl für einen ganzen Industriezweig als auch — und hier liegt die Klammerfunktion der „procedure agreements" zwischen „industry-wide" und „domestic bargaining" — auf innerbetrieblicher Basis. Industrieweite Kollektivverträge sind zwar formalrechtlich für keine der beiden Tarifparteien verbindlich, enthalten aber dennoch oft Laufzeiten und Kündigungsfristen, nach denen sich dann auch der Charakter eines Streiks richtet: Streiks nach Ausschöpfung aller in den „procedure agreements" niedergelegten Schlichtungsmodi (wobei sich die Arbeitgeber meist ihrerseits verpflichten, während der Schlichtungsperiode den Status Quo zu bewahren) sowie unter Innehaltung bestimmter Notifikationsfristen sind „constitu-tional and official strikes" und genießen die volle Unterstützung der Gewerkschaften. Sie machen aber in England nur 5 °/o aller Streiks aus.

Betriebsabkommen Unter dem Einfluß der Vollbeschäftigung und einer zunehmenden konjunkturbedingten Anspannung des Arbeitsmarktes, wie sie sich zuerst im Rüstungsboom 1938/39 und dann in den zwei Jahrzehnten nach 1945 abzeichnete, wurde das „industry-wide collective bargaining" materiell und prozedural ausgehöhlt durch das „workshop or domestic bargaining". „Domestic bargaining" kann stattfinden auf Unternehmens(Company), Betriebs(plant oder factory) oder Arbeitsplatz(workshop) ebene; ist es insofern „largely informal, largely fragmented and largely autonomous" vielfach sogar „chaotic" als es meist nicht aus explizit niedergelegten gar vom oder offiziell Management anerkannten Regelungen besteht, sondern aus mündlichen ad-hoc-Vereinbarungen, die sich zudem oft auf jahrelange Gewohnheit und Betriebspraxis (custom and practices) gründen, und damit zu einer sehr starken und konfliktreichen Zersplitterung und Heterogenität der betrieblichen Lohnstrukturen (fragmentation) je nach Verhandlungsgeschick und -gewicht ein-zelner Arbeitsgruppen (work groups) und Arbeitsgruppensprecher (shop Stewards) führt, überdies werden die Betriebsabschlüsse von den Firmen selbständig (autonomous) und sogar gegebenenfalls unter Mißachtung der industrieweiten Abkommen getätigt.

Ausgehandelt werden Betriebsabschlüsse, wie gesagt, zwischen Management und Arbeitsgruppensprechern, den Shop Stewards. Diese vertreten in der Regel eine „work group“ von 30— 40 Arbeitnehmern, der sie nach den Bedingungen der echten Basisdemokratie (democ-racy of grass roots) jederzeit Rede und Antwort stehen müssen; aus ihrer Mitte bestimmen sie dann einen Senior Steward oder Convener. Infolge des „multi-unionism" in den meisten Betrieben und einer allgemein viel zu geringen Zahl von hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionären (district or branch officers) sind die Shop Stewards — selbst Gewerkschafter, deren Position aber nirgendwo gesetzlich fixiert ist und die dementsprechend auch nicht die verbürgten Rechte wie die deutschen Betriebsratsmitglieder haben — als innerbetriebliche Koordinations-und Integrationsorgane quer zur buntscheckigen Gewerkschaftsstruktur gerade auch im „domestic bargaining" in eine Schlüsselposition gerückt. Dabei stehen sie aber stets in einem sehr komplexen Spannungsfeld zwischen Belegschaftsinteressen, Weisungs-und Kontrollbefugnissen ihrer Gewerkschaften und unternehmerischen Loyalitätserwartungen Shop Stewards waren zwar im Ersten Weltkrieg vielfach Träger anarchosyndikalistischer Bestrebungen, heute jedoch wird ihre Kooperationsbereitschaft und Betriebsloyalität selbst vom Management allgemein hervorgehoben. „Domestic bargaining" regelt innerbetrieblich Überstunden (angesichts der relativ niedrigen Stundenlöhne in vielen Industrien ein zentraler Faktor für die Einkommensbemessung, wobei dann oft die normale Tagesarbeit gestreckt wird, um Raum für Überstunden künstlich zu schaffen!), Akkordzuschläge und andere betriebliche Leistungen, die Festsetzung von Akkordsätzen bei der Einführung neuer Produktionsgänge, Arbeitsplatzbeschreibungen und in diesem Rahmen innerhalb der betrieblichen Beschäftigungsstruktur die Abstufung der jobs (grading) und die Lohnbemessung (rating), die Einstellung und Ausbildung von Lehrlingen (apprenticeship — bis heute vielfach ein monopolartiges Privileg der exklusiven alten „craft unions"), Beförderungen (up-grading), Bandgeschwindigkeit, die Besetzung von Maschinen (manning of machines) sowie die Einführung neuer Maschinen, personelle Umgruppierungen sowie Disziplinarangelegenheiten.

Selbstverständlich findet dieser umfangreiche Katalog individuell in den einzelnen Betrieben verschieden Anwendung. Immerhin aber dürfte aus ihm deutlich werden, daß er in der Tat, insbesondere unter Arbeitsmarkt-und Produktionsbedingungen, die bestimmten Facharbeitergruppen und ihren Shop Stewards eine Schlüsselposition verleihen, eine erhebliche Einschränkung der „managerial prerogatives" bedeuten und daß dann vielfach auch die „joint regulation" in ein „unilateral enforcement“ seitens der Shop Stewards unter Einsetzung gestufter Sanktionen vom go-slow bis zum punktuellen Streik umschlagen kann.

In der Regel sind derartige Streiks, die oft nur von ganz kurzer Dauer sind und sich etwa an Abgrenzungskonflikten zwischen den einzelnen Gewerkschaften im Betrieb (demar-cation disputes) entzünden können, aber 95 Prozent der Gesamtzahl ausmachen und sich auch gerade durch ihren punktuellen Schwerpunktcharakter für weite Bereiche der Volkswirtschaft verheerend auswirken können, als „unconstitutional and unofficial" oder auch „wild-cat strikes" durch keine „procedure agreements" und auch keine gewerkschaftliche Genehmigung gedeckt. Sie sind auch rechtlich als Bruch des Arbeitskontraktes jederzeit einklagbar. Das Management steht ihnen jedoch bei angespannter Auftrags-und Arbeitsmarktlage meist hilflos gegenüber, da es eher dem innerbetrieblichen Druck an der Basis im Interesse des Betriebsfriedens nachgibt und auf Strafverfolgung verzichtet, als einen Auftragsverlust oder Konventionalstrafen der Auftraggeber zu riskieren. Vor allem ließ sich ja bisher der Kostendruck bequem auf die Preise abwälzen.

Restriktive Arbeitspraktiken

In diesem Zusammenhang der „domestic de-mocracy" gehören auch die immer wieder als produktivitätsund wachstumshemmend sowie fortschrittsfeindlich beschworenen „re-strictive labour practices": Restriktive Arbeitspraktiken werden definiert als „Regeln oder Gewohnheiten, die die effiziente Ausnutzung der Arbeitskraft unangemessen behindern" „Unangemessen" ist der Bereich, in den nicht gewisse notwendige Sicherheits-oder Gesundheitsbestimmungen oder andere Vorkehrungen fallen, die der Arbeitskraft im Interesse ihrer Erhaltung und ihres Schutzes Schonung auferlegen. „Die Formen der industriellen Beziehungen, die dem letzten Jahrhundert und der Tradition, die es schuf, angemessen waren, passen nicht notwendigerweise auf die Kernprobleme unserer Zeit“

„Unsere gegenwärtigen Probleme sind größtenteils deshalb erwachsen, weil unsere Verfahren zur Regulierung der Arbeitsplatzbeziehungen hinter den ökonomischen und technischen Entwicklungen hergehinkt sind. Die große und wachsende Komplexität der Produktionsprozesse und die Geschwindigkeit, mit der Produkte und Prozesse sich wandeln, haben, wenn man sie zusammennimmt mit den archaischen Lohnzahlungssystemen und den prähistorischen Methoden der Arbeitsplatzbewertung und der Einrichtung von Lohndifferentialen, die Zahl und Häufigkeit der Konfliktgelegenheiten vervielfacht."

Die oft archaische, buntscheckige und chaotische Struktur der industriellen Beziehungen hat also vielfach in keiner Weise mehr Schritt gehalten mit den modernen Erfordernissen von Produktivität und Technologie und ist damit zu einem echten Investitionshindernis geworden. Von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Sozialbeziehungen, die angeblich mit dem vielbeschworenen „volun-tarism“ besonders garantiert seien, kann hier keine Rede mehr sein.

Es drängt sich hier der Eindruck auf, als versteckten sich die Engländer oft besonders emphatisch hinter so liebgewordenen Gewohnheiten wie dem Freiwilligkeitsprinzip, um seine Inadäquanz und seinen Anachronismus auf vielen Sektoren nicht eingestehen zu müssen. Hierfür ein Beispiel: Da es im allgemeinen an einer effektiven staatlichen Vollbeschäfti-gungs-oder auch Regionalplanungspolitik (wie etwa im deutschen Ruhrbergbau) fehlt und auch das soziale Auffangnetz in England nicht so dicht geknüpft ist wie in Deutschland, ist vor allem die Vollbeschäftigung und viel weniger — wie in Deutschland — die Währungsstabilität „das A und O (keystone) der gewerkschaftlichen Wirtschaftspolitik“ Ein Shop Steward oder hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionär wird also in der Regel der Einführung einer neuen Maschine oder einer technologischen und arbeitssparenden Verbesserung nur zustimmen, wenn dabei gleichzeitig die Arbeitsplätze der betroffenen Belegschaftsmitglieder gesichert bleiben oder gleichrangige Ausweichmöglichkeiten — möglichst im selben Betrieb oder am selben Ort — vom Management bereitgestellt werden. Dies kann — wie etwa im Zeitungsviertel der Fleet Street oder bei dem verstaatlichten Auto-Konzern British Leyland Motor Corporation oder auch bei der ebenfalls verstaatlichten British Steel Corporation — zu einem solchen Grad von personeller Überbesetzung (in Fleet Street mit durchschnittlich 4O°/o bei Spitzen von 300%) in manchen Industriezweigen und Unternehmen führen, daß für den Unternehmer eine Neuinvestition, Modernisierung, Rationalisierung und Sanierung seines Produktionsapparates unrentabel wird und er den Betrieb eher eingehen oder notgedrungen so tief in die roten Zahlen rutschen läßt, daß er vom Staat ohne Rücksicht auf die hohen Belastungen, die damit auf den Steuerzahler zukommen, schon im Interesse der Beschäftigungslage übernommen werden muß.

Auf jeden Fall stellt die „workshop democracy“, die bei einer übermäßigen Machtverlagerung auf die Arbeitnehmerseite eigentlich gar nicht mehr als solche bezeichnet werden kann, eine permanente Herausforderung an die Autorität der beiderseitigen Spitzenverbände und auch des Managements infolge ihres autonomen und unregulierten Charakters dar. So wenig man den humanen Aspekt der sozialen Sicherheit und Arbeitsplatzerhaltung bei den Gewerkschaften und Shop Stewards geringschätzen darf, so wenig kann man jedoch auch übersehen, daß sich hier bisweilen ein „Produzentendiktat" zu Lasten der Verbraucher wie der gesamtvolkswirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit durch das Fehlverhalten staatlicher Behörden, gewerkschaftlicher und unternehmerischer Kreise herausgebildet hat, wie es sich die Webbs kaum schwärzer hätten ausmalen können.

Besonders aufgeschreckt sind Staat und Öffentlichkeit seit etwa zehn Jahren durch den inflationstreibenden Charakter des „domestic bargaining", das sich selbst bei bestem Willen der Spitzenverbände einer regulierenden und restriktiven staatlichen Einkommenspolitik weitgehend entzieht. Im Zeichen der Vollbeschäftigung und voller Auftragsbücher war das Management stets geneigt, dem Lohn-druck an der Basis nadizugeben, unbeschadet der überbetrieblichen Tarifabschlüsse und unbeschadet auch der Tatsache, daß derartige Lohnzugeständnisse ohne einen entsprechenden Produktivitätszuwachs, der aber meist an den oben erwähnten Hindernissen scheiterte, voll auf die Preise durchschlagen mußten. Die Lohndrift, d. h. die Differenz zwischen tariflich ausgehandelten Ecklöhnen und tatsächlich gezahlten Effektivlöhnen, die vor dem Krieg praktisch Null war, hat sich seit 1945 rapide vergrößert; sie kann heute schon bei 200% liegen. So entfielen z. B. 1967 während der Vollbeschäftigung von einem Wochenlohn für einen gelernten Maschinenschlosser auf Zeitlohnbasis von insgesamt £30 s 19 d 2 nur etwa ein Drittel, also £11 s 1 d 8 auf den industrieweit von den Tarifparteien ausgehandelten Ecklohn, ein weiteres knappes Drittel auf Überstundenbezahlung (£4 s 8 d 8) und Nachtschichtprämie (£3 s 13 d 11) — beide Tarife waren auch industrieweit vereinbart — und das restliche Drittel (£11 s 14 dll) auf betriebsinterne, zwischen Shop Stewards und Management festgelegte Zuschläge. Das hier vermittelte Bild ist aber insofern immer noch zu rosig zugunsten des „industry-wide bargaining", als zwar Überstunden-und Nachtschichtsätze durchaus einheitlich zentral ausgehandelt werden können, die Zuteilung dieser Überstunden und Nachtschichten dann aber dezentralisiert in die Zuständigkeit der Shop Stewards fällt und es hier vielfach vorkommt, daß Tagesarbeit künstlich gestreckt wird, um das niedrige Gehalt dann durch (an sich überflüssige) zusätzliche Arbeitsstunden und Schichten aufbessern zu können. So liegt, wie erwähnt, die Zahl der tatsächlich gearbeiteten Wochenstunden mit 46— 47 fast 20% über der Normalarbeitswoche von 40 Stunden. Lohnzuschläge, die bis zur Einführung von „Produktivitätsabkommen" (productivity agreements — s. u.) infolge gewerkschaftlichen Widerstandes nicht an eine Verbilligung der Produktion durch höhere Neuinvestitionen, eine rationellere Auslastung des Produktionsapparates oder andere

Rationalisierungsmaßnahmen gebunden werden konnten, setzten bei gleichbleibenden oder sogar noch steigenden Unternehmergewinnen mit die verhängnisvolle Lohn-Preis-Spirale der letzten Jahre in Gang. Die immer stärkere Passivierung der Handelsbilanz und die Dauerschwäche des Pfundes haben in diesem nicht produktivitätsorientierten Lohnzuwachs mit ihre Ursachen.

Wie ein Alarmsignal wirkte 1968 das Resümee der Donovan-Kommission: „Es ist eine Angelegenheit von entscheidender Bedeutung, daß die Praktiken des formalen (d. h. industrieweiten) Systems in steigendem Maße wirkungslos geworden sind, während die Praktiken des informellen Systems immer größeren Einfluß auf die Regulierung der industriellen Beziehungen im Lande gewonnen haben, daß die beiden Systeme miteinander in Konflikt liegen und daß eine Anpassung des informellen an das formale System nicht erzwungen werden kann." Freilich wurde der Kommission natürlich von den Gewerkschaften, aber auch teilweise von der Publizistik vorgeworfen, sie habe den Konfliktcharakter zwischen beiden Systemen überbetont, statt ihren mehr ergänzenden Charakter stärker herauszustellen.

Immerhin stellen sich angesichts dieser düsteren Prognose aus dem Jahre 1968, der sich selbst führende Labourkreise nicht mehr entzogen, zwei für den Fortgang der Analyse entscheidende Fragen: 1. Welche Interventionsmöglichkeiten ergeben sich bei dieser anarchischen Struktur des „collective bargaining" als Kern der „industrial democracy" und vor allem bei dieser Form von „workshop democracy" überhaupt für eine stabilitäts-und produktivitätsorientierte nationale Wirtschafts-und Finanzpolitik?

2. Welche Schlußfolgerungen hat man in den letzten Jahren aus dem Donovan-Report und der allgemeinen Wirtschaftsmisere für eine Neustrukturierung der „industrial relations" gezogen?

V. Die Rolle des Staates: „Industrial Democracy“ und staatliche Einkommenspolitik

Stellen wir zunächst die Frage: Wie kann ein industrielles System, das „einen Flickenteppich aus formalen, informellen Abkommen sowie Sitte und Gewohnheit" (custom and practice) bildet und an dessen Buntschekkigkeit alle Versuche zur Systematisierung und Formalisierung seitens des Gesetzgebers oder der richterlichen Gewalt bisher gescheitert sind, einem Planungsprozeß zugänglich gemacht werden, der sich hinreichend an dem „Gesichtspunkt der ökonomischen und sozialen Konsequenzen" des „collective bargain-ing" orientiert, ohne dabei zugleich mit der Planung auch die Tarifautonomie und -frei-heit ganz zu ersticken? „In den industriellen Beziehungen wie auch in anderen Aspekten unseres gesellschaftlichen Lebens besteht das Problem in der Versöhnung von Planung und Freiheit, wobei sich die Waagschale im Laufe unserer Geschichte eindeutig zur Freiheit hin gesenkt hat. Mehr und mehr sehen wir die Notwendigkeit für Planung, aber wir zucken zurück vor der Einführung des Zwanges, der ebenso wie Anreize notwendig ist, um das Planen zu mehr als einem leeren Schein zu machen."

Formulieren wir unter dem Eindruck dieser sorgenvollen Diagnose von Allan Flanders die eingangs gestellte Frage um: Wie hat sich staatliches Planen. bisher in den „industrial relations" geltend gemacht, welche Möglichkeiten und auch Grenzen haben sich dabei aufgetan? Der TUC unterscheidet in seinem Positionspapier für die Donovan-Kommission von 1966 zwischen staatlichen Funktionen, „die alternativ zur bilateralen Regulierung (der Arbeitsbeziehungen) durch Verhandlungen" sind, und solchen, die „komplementär zum Verhandeln sind und das Verhandeln als solches stärken"

Alternative und komplementäre Interventionen Mit diesem Begriffspaar „alternative" — „complemehtary" (oder auch häufig „subsidi-ary") können wir nun den schon mehrfach als konstitutiv für die Ausbildung der „industrial democracy" herausgestellten Grundsatz der „abstention of law and of State" differenzierter in seinem historisch-genetischen Ent-

Wicklungszusammenhang analysieren und dabei auch den dritten Faktor im Dreiecksverhältnis der „industrial relations" (employees — employers — State) in seinen Funktionen noch deutlicher bestimmen. „Komplementäres" oder „subsidiäres" staatliches Verhalten ist darauf abgestellt, die „industrial democracy" dadurch funktionsfähig zu halten, daß dem jeweils schwächeren Teil (in der Regel den Arbeitnehmern und Gewerkschaften) nur so lange Hilfe gewährt wird (subsidiary), bis er selbst durch Ausbau seiner kollektiven Gegenmachtposition eine „soziale Symmetrie“ schaffen oder wiederherstellen kann.

Diese idealtypische Fixierung der „industrial democracy" als ein sich stets wieder einpendelndes Gleichgewicht, wie sie in der Literatur immer wieder auftaucht, kann freilich in einer konfliktgeladenen kapitalistischen Klassengesellschaft, wo sich die Verfügungsgewalt über Produktionsmittel und auch über Menschen am Arbeitsplatz aus privaten Besitztiteln herleitet, eher Annäherungswerte für die Maximen staatlicher Sozialpolitik als für die Beschreibung der gesellschaftlichen Realität liefern. Immerhin stellt sie traditionell in England eine feste Größe nicht nur im unternehmerischen, sondern auch im gewerkschaftlichen Selbstverständnis dar: „Wo Gewerkschaften nicht kompetent sind und auch anerkennen, daß sie es nicht sind, um eine Funktion zu übernehmen, begrüßen sie es, wenn der Staat wenigstens bei der Durchsetzung von Minimalstandards eine Rolle spielt,'aber in England empfindet man diese Rolle nur als die zweitbeste Alternative gegenüber der Entwicklung von Organisation, Kompetenz und repräsentativer Fähigkeit zum Verhandeln und zur Erlangung befriedigender Arbeitsbedingungen durch die Arbeiterschaft selbst. Weil diese Kompetenz im allgemeinen vorhanden ist, steht der Staat abseits, ist seine Haltung die des Verzichts und der formalen Indifferenz." Nur wo der notwendige Schutz der Arbeitnehmerschaft fehlt, da der gewerkschaftliche Organisationsgrad niedrig und infolgedessen auch das „collective bargaining" gar nicht oder nur rudimentär ausgebildet ist, „interveniert der Staat". In Großbritannien, schrieb Otto Kahn-Freund 1954 als begeisterter Verfechter des „voluntarism", „versucht das Gesetz, die Kollektivverhand-Jungen und die Anwendung von Kollektivvereinbarungen eher durch indirekte Anreize als durch direkten Zwang zu stimulieren, und wo dies fehlschlägt, Ersatzmaßstäbe aufzustellen, die sich dann durch rechtliche Sanktionen durchsetzen lassen ... Gesetzlicher Mindestlohn ist der wichtigste Ersatz für Kollektivverhandlungen."

Institutionelle Lohnfestsetzung Als eine gesetzlich sanktionierte „Kreuzung aus Schlichtung und Schiedsgerichtsbarkeit" (corss between conciliation and arbitra-tion)

stellen die „Wages Councils" den Prototyp institutioneller und gesetzlich garantierter Lohnregelung dar. Ursprünglich als „Trade Boards" durch die „Trade Boards Act“ von 1909 geschaffen, um in den Industrien mit Hungerlöhnen, den sogenannten „sweated in-dustries", wenigstens einen gesetzlich abgesicherten Mindestlohn einzuführen, wurde ihr Geltungsbereich dann nach dem Ersten Weltkrieg (Trade Boards Act, 1918) und am Ende des Zweiten Weltkrieges (Wage Council Act, 1945) sehr stark ausgedehnt auf alle Industriezweige, in denen — wie etwa in der Tex-til- und Bekleidungsindustrie, in der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, in der Metallwarenindustrie oder auch in der Landwirtschaft (Agricultural Wages Boards) — infolge betriebsstruktureller Zersplitterung die Arbeitnehmer nur relativ schwach organisiert und deshalb die Gefahren einer Unterbezahlung sehr hoch sind.

„Wages Councils" werden vom Arbeitsminister paritätisch aus Arbeitgeber-und Arbeit-nehmervertretern in einem bestimmten Gewerbe sowie aus drei unabhängigen Mitgliedern unter Einschluß des Vorsitzenden gebildet. Sie legen diesem dann ihre — gegebenfalls nur mit dem Votum des Chairman zustande gekommenen — „collective agree-ments" vor, und er kann sie entweder per Verordnung rechtsverbindlich in Kraft setzen oder an den Council zurückverweisen, nicht aber selbständig ändern. Obwohl in der „Wages Councils Act“ von 1959 ausdrücklich vorgesehen ist, daß sich die Wages Councils auf Antrag sofort auflösen sollen, sobald die betroffene Industrie aus eigenen Kräften eine leistungsfähige Tarifmaschinerie aufgebaut hat, haben vor allem die Arbeitgeber, aber auch schwache Gewerkschaften von dieser Möglichkeit in den letzten Jahren kaum Gebrauch gemacht, wobei das ganze System si-cher auch wenig Anreiz für die Etablierung eines „voluntary collective bargaining“ gibt und „tariffaul" macht.

Zusammenfassend wird man sagen müssen, daß dieser institutionalisierte Tarifsektor, von dem 1968 immerhin 4 Mill. Arbeitnehmer bei insgesamt etwa 23 Mill. Lohnund Gehaltsabhängigen erfaßt wurden, vergleichbare Defekte wie das traditionelle „collective bargaining" aufweist: Obwohl von industrieweiten Abschlüssen durch „Wages Councils" für 4 Millionen sicher eine gewisse lohnpolitische Signalwirkung ausgehen kann, hat die Regierung doch auf die Verhandlungen selbst relativ wenig Einfluß, und es werden auch hier nur Mindestlohn-und Rahmenbedingungen ausgehandelt, die jederzeit auf lokaler Ebene unterlaufen werden können. In diesen Bereich staatlicher Intervention in das Tarifwesen, deren Auswirkungen auch nicht überschätzt werden dürfen, gehören, beginnend mit 1891, die zahlreichen „fair wages resolutions" des Unterhauses. In ihnen werden jeweils, freilich ohne Gesetzeskraft, Mindestarbeitsbedingungen festgelegt, die bei Regierungsaufträgen unter Androhnung des Entzuges von privatwirtschaftlichen Kontraktpartnern innegehalten werden müssen.

Die Legalisierung der Gewerkschaften

Ein weiterer wichtiger Bereich der staatlichen „Subsidiarität“ wurde bereits angesprochen: Die zwischen der Trade Union Act, 1871, und der Trade Union Act, 1913, mit Unterstützung der Liberalen und dann in enger Kooperation zwischen Liberaler und Labour Party gegen konservativen Widerstand verabschiedeten . Gesetze (Conspiracy and Protection of Property Act, 1875; Trade Disputes Act, 1906; ergänzt durch eine weitere Trade Disputes Act, 1965) gegen die — vielfach bis heute anhaltenden — Versuche der Gerichte, auf Grund des Common Law die gewerkschaftliche Aktivität und Immunität, vor allem das wichtige „Streikpostenstehen" (picketing) einzuschränken und zu kriminalisieren sowie die engen finanziellen Bande zwischen Gewerkschaften und Labour Party durch den Parteibeitrag der Gewerkschafter aufzulosen (vgl.den Usborne Case von 1910; die Trade Union Act von 1913, die den Gewerkschaftsbeitrag an die Partei praktisch legalisierte; die Trade Disputes and Trade Union Act von 1927, die die Legalität wieder aufhob, und die Trade Disputes and Trade Union Act von 1946, die die Legalität nunmehr endgültig bestätigte). Die parlamentarische Gesetzgebung fungierte also stets hier als ein „Schild gegen straf-und zivilrechtliche Verfahren".

Das Schlichtungswesen

Ein dritter Teilbereich, in dem der Staat wirkungsvoll bis heute seine „Subsidiarität" geltend macht, ist die Bereitstellung einer zentral und lokal gegliederten Schlichtungsmaschinerie auf freiwilliger Basis für Industrien, die eine solche nicht bereits autonom entwikkelt haben. Gesetzliche Grundlage sind die „Conciliation Act" von 1896 und die „Industrial Courts Act“ von 1919 mit der Einsetzung von Gewerbegerichten (Industrial Courts). Hier wurde das der „Subsidiarität“ zugrunde liegende Prinzip der Freiwilligkeit nur zweimal unter dem Druck des nationalen Notstandes durchbrochen zugunsten einer „Alternative" zum „voluntary collective bar-gaining", und zwar beidemal mit ausdrücklicher Zustimmung der Tarifparteien: in der staatlichen Zwangsschlichtung (compulsory arbitration) im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Das 1940 auf Grund der „Conditions of Employment and National Arbitration Order" (Order No. 1305) eingesetzte Schiedsgericht für die staatliche Zwangsschlichtung (National Arbitration Tribunal) arbeitete mit Rücksicht auf die gewaltigen wirtschaftlichen Nachkriegsschwierigkeiten der Labour-Regierung Attlee bis 1951, worauf die Zwangsschlichtung sogar — freilich unter Aufhebung des Streik-und Aussperrungsverbotes — mit Zustimmung aller gesellschaftlichen Gruppen durch die „Industrial Disputes Order" (Order No. 1376) unter einem „Industrial Disputes Tribunal" bis 1959 fortgeführt wurde. Aber auch dieses — an sich der „industrial demo-cracy" wesensfremde — Zwangsmittel eines staatlichen Interventionismus ist heute Geschichte, wenngleich Gegner der Gewerkschaften immer wieder mit seiner Einführung liebäugeln. Der Vollständigkeit halber seien als weitere „subsidiäre" Maßnahmen zum Schutz der Schwächeren noch erwähnt die diversen Fabrikschutzgesetze (Factories Acts) im 19. und 20. Jahrhundert, die gesetzliche Regelung der Normalarbeitszeit (Achtstundentag) und vor allem, beginnend mit der berühmten „National Insurance Act" von 1911, der Ausbau des staatlichen Versicherungswesens, besonders auf dem Gebiet der Arbeitslosenfürsorge. In dem erwähnten Positionspapier des TUC von 1966 wird mit Recht darauf verwiesen daß die „subsidiären" resp. „komplementären" Einwirkungen des Staates in die industriellen Beziehungen nicht den Grad an Flexibilität, Mobilität und Anpassungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt haben herbeiführen können, der für das wirtschaftliche Wachstum notwendig ist, und daß der Staat infolgedessen hier neue, „alternative" Wege einschlägt. Auch die Lohndrift mit ihrem inflationären Effekt entzieht sich, wie wir sahen, staatlicher Einflußnahme. Überdies haben die schweren Tarifkonflikte im Bergbau 1973/74 sowie im Eisenbahnwesen mit dem Schwerpunktstreik der „signalmen" im Winter 1974/75 und der Lahmlegung weiter Teile des Streckennetzes einmal in der Woche immer wieder gezeigt, daß der Staat auch dort, wo er direkt oder indirekt als Arbeitgeber auftritt, von lohnpolitischem Druck ebenso-wenig verschont bleibt wie die Privatindustrie. Schließlich verfügt der General Council des TUC selbst bei gutem Willen zur Kooperation mit der Regierung im Sinne einer gemeinsamen Stabilitätspolitik über ein weit geringeres Maß an Autorität über die angeschlossenen Gewerkschaften wie der deutsche DGB. Gleiches gilt für einen Autoritätsvergleich zwischen CBI auf der einen und BDA auf der anderen Seite.

Alternative Regierungseingriffe

Unter dem Eindruck dieser strukturellen Defekte, erheblicher Lohn-und Preissteigerungen, permanenter Kursverluste des Pfundes und zunehmender „wilder" Streikbewegungen schlug die Regierung Wilson in enger Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Unternehmern Mitte der sechziger Jahre einen „alternativen" Kurs ein, „alternativ" insofern, als eine interventionistische Arbeitsmarkt-und Einkommenspolitik nunmehr die geheiligte Tarifvertragsfreiheit und -autonomie einschränkte oder sogar zeitweise außer Kraft setzte. Auch hier wird man nicht von einem strikten Nacheinander der Methoden sprechen können, sondern eher von einem ständigen überlagern und überlappen, ebensowenig wie von einem endgültigen und abrupten Bruch mit dem „voluntarism". Immerhin aber sind wir seit zehn Jahren doch Zeugen eines früher unbekannten Ansteigens staatlicher Kontrolle und Einflußnahme, konkret faßbar etwa in der Verstaatlichung immer weiterer Bereiche der Privatindustrie, im zunehmenden Auswuchern der staatlichen Bürokratie und in der Zentralisierung der politisch-ökonomischen Entscheidungen. Dieser Trend wird das politische und wirtschaftlich-soziale System Englands mit seiner reichen Tradition der „basic democracy" und'des dezentralisierten „local government" im allgemeinen und die „industrial democracy" im besonderen auf längere Sicht doch einem grundlegenden Wandel unterwerfen. „Es kann keinen Zweifel geben", schrieb der TUC schon 1966 warnend über die Rolle der Regierung als „eco-nomic manager and co-ordinator of the eco-nomy", „daß die neuen Verantwortlichkeiten der Regierung auf diesem Gebiet und besonders die Beschäftigung der Regierung mit Produktivität, Preisen und Einkommen sehr schwierige Fragen widerstreitender Funktionen aufwirft. In diesem allgemeinen Bereich sind die neuen Funktionen, die im Augenblick hinsichtlich der Produktivität, der Preise und Einkommen diskutiert werden, . alternative'Funktionen im Gegensatz zu den . komplementären', und die Gewerkschaftsbewegung beobachtet sie natürlich mit einiger Besorgnis."

Als Beispiele wichtiger „Alternativfunktionen" führt das Memorandum das Ausbildungsförderungsgesetz von 1964 (Industrial Training Act) und das Unterstützungsgesetz für Arbeitskräfte, die infolge von Betriebsumstellungen freigesetzt würden (Redundancy Payments Act), von 1965 an. Dadurch, daß der Staat einen Teil des Ausbildungswesens, insbesondere die Lehrlingsausbildung (apprenticeship) — nach Clegg einer der „wichtigsten, die gegenwärtige Form der britischen Industriebeziehungen bestimmenden Tätigkeitsbereiche" und seit altersher meist ein Monopol exklusiver „craft unions" zwecks Regulierung des Arbeitskräfteangebotes und damit auch der Lohnhöhe —, an sich zog und bei Verlust der Arbeitsplätze durch Freisetzung von überzähligen Arbeitskräften (redundancy) eine Entschädigung garantierte, konnte sicher an zwei besonders verwundbaren Punkten des industriellen Systems das Prinzip des „Voluntarismus“ ersetzt werden durch eine mobilitätsund flexibilitätsför-dernde staatliche „Alternative". Zu ergänzen wäre hier noch die „Contracts of Employment Act" von 1963, die eine Mindestzeit für Kündigungen festlegt und den Arbeitgeber zwingt, dem Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Zeit eine Niederschrift der Beschäftigungsbedingungen auszuhändigen.

Staatliche Einkommenspolitik

Der heikelste Punkt staatlichen Interventionismus war jedoch die Lohn-und Einkommenspolitik (incomes policy). Denn sie berührte die Tarifautonomie unmittelbar. „Der Kern von Englands Wirtschaftsproblem besteht darin, eine Reihe von Zielen auf einen Nenner zu bringen, die zwar interdependent sind, aber doch oft miteinander in Konflikt liegen: Erhaltung der Vollbeschäftigung, Eindämmung der Inflation, Ausbalancierung der Zahlungsbilanz und Sicherung des Pfundwertes gleichzeitig mit der Erhaltung des wirtschaftlichen Wachstums." Es ging also im wesentlichen darum, die lohninduzierte Verteuerung der Arbeitsplätze und der Produkte aufzufangen bei gleichzeitiger Stabilität der Arbeitsmarktlage und Garantie des wirtschaftlichen Wachstums, oder mit einem Wort: Lohnerhöhungen künftig nur noch strikt an einen echten Produktivitätszuwachs zu binden — eine Aufgabe, die nach eigener Aussage des TUC einen hohen „Grad von Selbstdisziplin gegenüber von Tarifabschlüssen beinhaltet, die nicht diese weiteren Gesichtspunkte berücksichtigen, freilich unter der Voraussetzung, daß auch die anderen diese Selbstdisziplin praktizieren"

Unter dieser vielfältig gebündelten und in sich nicht widerspruchsfreien Zielsetzung von Wachstum und Stabilität leitete die Regierung Wilson nach drei vergeblichen Ansätzen zu einer staatlichen Regulierung der Tarifabschlüsse 1948/50 („wage restraint" unter Attlee), 1956/57 („price freeze") und 1961/62 („pay pause") dann Ende 1964 eine „Prices and Incomes Policy" ein, die im Grunde bis heute an ihrem charakteristischen Schwanken zwischen offiziellen Maßhalteappellen und freiwilliger Kooperation der Spitzenverbände (nach dem Prinzip des Whitleyism) auf der einen sowie exekutiven Drohgebärden und gesetzlicher Lohnregulierung auf der anderen Seite krankt und gerade durch diese widersprüchliche Mischung voluntaristischer und komplementärer mit alternativen und zwang-haften Elementen den strukturellen Defekten der „industrial democracy" nicht wirklich beizukommen vermag. Dabei versagt freilich auch die öffentliche Hand immer wieder durch stabilitätswidrige Haushaltsaufblähungen bei der gemeinsamen Inflationsbekämpfung. In einer im Dezember 1964 von Vertretern der Regierung, des General Council und der zentralen Unternehmerorganisationen unterzeichneten Absichtserklärung (Declaration of Intent) einigte man sich darauf, 1. die Produktivität in Industrie und Handel zu erhöhen 2. das Geldeinkommen in Überein-stimmung zu halten mit dem realen Produktivitätszuwachs und 3. ein stabiles Preisniveau aufrechtzuerhalten. Eine allseitig vereinbarte zentrale Lohnleitlinie von 3— 3. 5 °/0 Steigerung jährlich maximal sollte unter Kontrolle des 1962 gegründeten „National Economic Development Council" (NEDC) und des 1965 gebildeten „National Board for Prices and Incomes" (NBPI oder einfach PIB) stehen. In beiden Gremien, die nach den Prinzipien des Whitleyism als Planungs-und Konsultativorgane der Regierung konzipiert waren, hatte die Gewerkschaftsführung ein entsprechendes Mitspracherecht, jedoch ohne Entscheidungskompetenz, die niemand der politischen Gewalt abnehmen konnte. „Exceptional pay increases" — und hier war ein gefährlicher „Durchschlupf"! — sollten nur zugelassen werden 1. bei einem offenkundigen Produktivitätszuwachs durch veränderte Arbeitspraktiken (also bei Produktivitätsabkommen zwischen Management und Gewerkschaften); 2. wo es im nationalen Interesse liegt, durch relativ hohe Lohnzugeständnisse eine höhere Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt herbeizuführen; 3. wo Löhne und Gehälter unter einem als vernünftig anerkannten Lebensstandard liegen; 4. wo ein Beschäftigungssektor sehr weit hinter ein vergleichbares Niveau zurückgefallen ist.

Angesichts dieser vier Kautschukklauseln und der Tatsache, daß dem PIB jede rechtliche Eingriffsmöglichkeit gegenüber steigenden Einkommen und Preisen fehlte und überdies das ganze Restriktionssystem, was die Arbeitnehmer stark verbitterte, weder nach der Preis-noch nach der Gewinnseite entsprechend symmetrisch ausgebaut war, mußte es scheitern: Zwischen April 1965 und April 1966 stiegen die Einzelhandelspreise um 5, 5 °/o, Löhne und Gehälter bis zu 8 0/0. Ein im November 1965 eingeführtes freiwilliges „Frühwarnsystem", nach dem bevorstehende Preis-und Lohnerhöhungen dem PIB angezeigt werden sollten, schlug ebenfalls fehl.

Gestützt auf ihren überlegenen Wahlsieg, aber auch unter dem Eindruck einer weiteren schweren Zahlungsbilanz-und Pfundkrise, in der das Ausland einen offenkundigen Beweis für den Mißerfolg der restriktiven Einkommenspolitik sah und die es mit offenkundiger Zurückhaltung gegenüber dringenden neuen Anleihewünschen Englands beantwortete, griff die zweite Regierung Wilson zunächst mit schweigender Zustimmung des TUC im Sommer 1966 zu ihrem stärksten und bisher nur im Kriege angewandten Mittel: Am 20. Juli verkündete der Premier einen — gesetzlich dann am 12. August durch die „Prices and Incomes Act" abgestützten — totalen Preis-, Lohn-und Dividendenstop für sechs Monate (complete freezing) und für weitere sechs Monate eine Periode „strenger Zurückhaltung" (severe restraint). Damit war die gewerkschaftliche Tarifhoheit zum erstenmal seit dem Krieg aufgehoben. Der Erfolg war durchschlagend: Von April 1966 bis April 1967 stiegen die Löhne nur um 2 °/o, und dies auch nur infolge der noch vor dem Juli getätigten Abschlüsse.

Obgleich die „Incomes Act" 1967 und 1968 jeweils auf der Basis der Absichtserklärung vom Dezember 1964 erneuert wurde und nur eine Zuwachsrate von 3, 5 % maximal jährlich vorsah, sollten sich doch die tief eingewurzelten Strukturmängel der industriellen Beziehungen nach Auslaufen der einjährigen Still-haltung 1967 schon wieder als stärker erweisen als das staatlich-gesetzliche Interventionsinstrumentarium: Bereits auf dem Jahreskongreß im September 1967 versagten die Einzelgewerkschaften dem General Council die Gefolgschaft und beschlossen, „daß die , Prices and Incomes Acts'den berechtigten Interessen der Gewerkschaften zum Nachteil gereicht" hätten und dementsprechend aufgehoben werden sollten. Ausgedehnte Streiks und Lohnbewegungen unter den Dockern und technischen Zeichnern (1967) sowie in der Maschinenbauindustrie (1968) signalisierten die Unruhe an der Basis und den bekannten Autoritätsverfall der gewerkschaftlichen Dachorganisation. Auch der 1965 aus dem Zusammenschluß der „Federation of British Industries", „British Employers'Confederation" und der „National Association of British Manu-facturers" entstandene Dachverband „Confederation of British Industry" (GBl) verweigerte eine aktive Mitarbeit an der Preiskon-trolle und der restriktiven Lohnpolitik im Rah-men des „Frühwarnsystems". Hinzu kamen als wesentliche Störfaktoren schwere Auseinandersetzungen um Wilsons „counterinflation policy" und ihre — wie es hieß — besonders nachteiligen Rückwirkungen für die einkommensschwachen Schichten innerhalb der Labour Party, die den Premier sogar zur betonten Herausstellung der verfassungsmäßigen Souveränität der Exekutive gegenüber, der Partei zwangen, sowie zwischen Kabinett und TUC. Auf ihrem Jahreskongreß 1969 versagten die Einzelgewerkschaften dem General Council erneut und sehr dezidiert ihre Zustimmung und erklärten sich nicht nur gegen die gesetzliche Kontrolle der Löhne, sondern auch generell gegen das NBPI, an dessen Gründung der TUC doch gerade vier Jahre vorher selbst mitgewirkt hatte.

Zusammenfassend ist festzuhalten daß die angestrebte Harmonisierung von Produktivitätszuwachs (1967: 5, 9 0/o; 1968: 6, 9 ’/o) und Lohnauftrieb (1967: 5, 3 °/o; 1968: 8, 1 %) sowie Anstieg der Einzelhandelspreise (1967: 2, 5°/»; 1968: 5, 6 “ /•) nicht zuletzt auch infolge der Welle von Produktivitätsabkommen im Zeichen der staatlichen Preis-und Einkommenspolitik 1965— 1969 besser als vorher und vor allem dann in den siebziger Jahren geklappt und daß diese Politik, auch wenn sie im Zeichen des Wahlkampfes von 1970 schließlich an unüberwindbaren innenpolitischen Schwierigkeiten scheiterte, insgesamt doch einen inflationsdämpfenden Effekt gehabt hat. Dennoch ist grundsätzlich John Corina zuzustimmen, daß staatliche Einkommenspolitik „ein sozioökonomisches Instrument von extremer Instabilität“ ist* Auch ist seine Wirkung stark abhängig von der gesamtpolitischen Konstellation. Deshalb wandte sich die Aufmerksamkeit bei den Konservativen und in der Labour Party vor allem nach Erscheinen des Donovan-Report 1968 verstärkt einer „radikalen Überprüfung der Struktur des , collective bargaining'“ und mithin also der „industrial democracy" selbst zu. Ansätze und Versuche einer Umstrukturierung bis in die Gegenwart sollen Gegenstand des letzten Abschnittes sein.

V. Ansätze zur Weiterentwicklung der „Industrial Democracy"

1. Die mißlungene staatliche Intervention: Industrial Relations Act, 1971

Die Donovan-Kommission machte 1968 nach einer sehr gründlichen Diagnose Therapievorschläge zum „collektive bargaining", die sich freilich zur allgemeinen Enttäuschung in den Parteien und in der Öffentlichkeit alle sehr eng noch an die überkommenen Prinzipien des „voluntarism" und an die Vorstellung anlehnten, gesellschaftliche Gruppen müßten sich grundsätzlich autonom gegenüber staatlichen und gerichtlichen Einwirkungen entfalten: „Was man zuallererst benötigt, sind ein Wandel in der Natur des britischen , collec-tive bargaining'und eine geordnete Methode für die Ausübung des Einflusses in der Fabrik durch die Arbeiter und ihre Repräsentanten." Nach dieser eindeutigen Gewichtung des „domestic bargaining" als zentralem Ansatzpunkt für die Reformarbeit kommt das ebenfalls immer wieder von der Kommissionsmehrheit vertretene Credo: die Reformen müßten, „wenn möglich, erreicht werden ohne Zerstörung der britischen Tradition, nach der die Industriebeziehungen außerhalb der Gerichte zu halten seien".

Therapievorsch/äge der Donovan-Kommission

Ausgehend von der Beobachtung, daß „der zentrale Defekt" des industriellen Systems „in der Regellosigkeit (disorder) der Beziehungen auf Fabrikund Arbeitsplatzebene sowie in den Lohnstrukturen liegt, die gefördert wird durch den Konflikt zwischen formalen und informellen Systemen" verlangt die Kommission „eine geordnete und effektive Regulierung der Industriebeziehungen in den Unternehmen und Fabriken" also die Einführung einer umfassenden und übersichtlichen Tarifmaschinerie auch für das „domestic bargaining", die von beiden Seiten hinreichend legitimiert ist und auch stets sorgfältig die industrieweit ausgehandelten Rahmenbedingungen und Leitlinien im Auge behält. Eine Formalisierung wird also ausdrücklich gefordert, Strafen und Sanktionen werden aber ebenso eindeutig abgelehnt. Kollektivabkommen sollen möglichst präzise niedergeschrieben und auch, soweit es sich um die als besonders wichtig herausgestrichenen „proce-dure agreements" handelt, beim Arbeitsminister registriert werden. Dabei ist auf „einsehbare und kohärente Lohnstrukturen" gerade auch an der betrieblichen Basis, bisher ein wesentliches Konfliktpotential, unbedingt zu achten. „Wohlregulierte Unternehmens-und Betriebsvereinbarungen" schaffen erst die Grundlage für eine „effektive Lohnkontrolle" seitens der Unternehmensführung und einen Abbau der Lohndrift

In ihrem Kern zielen die Reformvorschläge immer wieder auf die Notwendigkeit von „Produktivitätsabkommen" (productivity agreements) auf Firmenebene zwischen Management und Gewerkschaften resp. Shop Stewards, die einen Abbau der produktivitätshemmenden restriktiven Arbeitspraktiken, eine Vereinheitlichung der Lohnstrukturen und eine Bindung von Lohnerhöhungen an eine Steigerung der Arbeitsleistung bewirken sollen. „Unsere Vorschläge für eine Reform des kollektiven Verhandlungssystems sind deshalb grundlegend für eine bessere Ausnutzung der Arbeitskraft. Sie werden aufräumen mit den Anmaßungen und Einstellungen beim , collective bargaining', die ein Anwachsen der restriktiven Arbeitspraktiken und ein Erschlaffen der Leistungsfähigkeit bewirkt ha-ben. Sie werden in die Hand des Management ein Instrument — das Firmenabkommen — le-gen, das, recht genutzt, zu einer viel höheren Produktivität beitragen kann ... Der direkte Nutzen wird nicht nur bei den Arbeitgebern, sondern auch bei ihren Arbeitnehmern fühlbar werden, und indirekt wird die Gesellschaft insgesamt gewinnen."

Als weiteres Element der Stabilisierung soll dem „collective bargaining" ein System von schnell und eindeutig, umfassend und wirkungsvoll arbeitenden Regulierungsmechanismen im Konfliktfall (procedures) eingezogen werden, um die hohe Zahl „wilder Streiks" zu reduzieren. Im übrigen, so wurde betont, müßten Arbeitgeberverbände und Management mit in die Verantwortung genommen werden, „um ein geregeltes und leistungsfähiges .collective bargaining'auf Unternehmens-und Betriebsebene zu erleichtern" Weitere Vorschläge zielten auf eine organisatorische Straffung innerhalb der Gewerkschaften, auf die Formalisierung ihres Status als „Körperschaften öffentlichen Rechts", auf eine Autoritätssteigerung an der Gewerkschaftsspitze, einen Abbau des „multi-unionism" auf Betriebsebene, eine eindeutigere rechtliche Fixierung der Stellung der Shop Stewards sowie auf eine Registrierpflicht für Gewerkschaften zum Schutz ihrer Immunität. Letztere Empfehlung wurde gegen ein gewichtiges Minderheitsvotum innerhalb der Kommission und bei heftigem Widerstand des TUC verabschiedet, stand sie doch auch in einem gewissen Widerspruch zu dem immer wieder herausgestellten Freiwilligkeitsprinzip. Gegen starke Kritik in der streikmüden Öffentlichkeit setzte die Kommission mehrheitlich in der Bekämpfung der Streikursachen und in der Heilung der Defekte des industriellen Systems in echt liberaler Manier auf die traditionellen Selbstheilungskräfte der englischen Gesellschaft und lehnte jeden Zwang wie etwa die mehrfach von konservativer Seite geforderte Einklagbarkeit von Tarifverträgen ebenso als den britischen Traditionen zuwiderlaufend ab wie — hier in ausdrücklicher Übereinstimmung mit den Gewerkschaften — ein System der Gewinn-und Kapitalbeteiligung (profitsharing and co-partnership) seitens der Betriebsangehörigen 3. Denn derartige Beteiligungspläne lösten den Verdacht aus, sie seien „in einigen Fällen nur entworfen worden, um die Loyalität der Arbeiter auf Kosten der Gewerkschaften auf die Arbeitgeber zu konzentrieren." Im übrigen seien sie kein akzeptabler Ersatz für die Reform der Industriebeziehungen durch umfassende Fabrik-, Unternehmensoder Konzernabkommen.

„In Place of Strife“

Interessanterweise warf ausgerechnet die Labour-Regierung der Kommission in ihren Empfehlungen zu große Milde und Unverbindlichkeit vor und-präsentierte ihrerseits in einem Weißbuch „In Place of Strife" der Arbeitsministerin Barbara Castle 1969 unter dem Druck der durch die vielen „wilden" Streiks erbitterten öffentlichen Meinung und der ho-hen Arbeitslosenziffern Reformvorschläge, die im Gegensatz zum Report der Donovan-Kommission sehr viel stärker auf staatlichem Interventionismus und rechtlichen Sanktionen aufbauten und auf eine eindeutige Disziplinierung der Gewerkschaften „von oben" hinausliefen. Empfehlungen der auf Vorschlag der Donovan-Kommission 1969 gebildeten „Commission on Industrial Relations" (CIR), zur Behebung der zwischengewerkschaftlichen Abgrenzungsstreitigkeiten (demarcation dis-putes), zur Festlegung einer verhandlungsfähigen Tarifeinheit (bargaining unit), zur Gewerkschaftsreform und zur Reform des „col-lective bargaining" mit Hilfe eindeutiger „procedures“ sollten nunmehr mit Hilfe des Arbeitsministers verbindliche Rechtskraft bekommen können. Arbeitskonflikte sollten vor Ausbruch eines Streiks unter Androhung von Geldstrafen strikt den vereinbarten „procedures" und gegebenenfalls bei Bedrohung der Wirtschaft und des öffentlichen Interesses auf Anweisung des Arbeitsministers sogar einer Schlichtungspause (conciliation pause) und einer Urabstimmung unterworfen werden. Bei der Registrierung von Gewerkschaften und Kollektivabkommen ging das Weißbuch hinter die Donovan-Vorschläge auf das Freiwilligkeitsprinzip zurück. Der TUC wandte sich vor allem gegen die Androhung von Geldstrafen sowie gegen Urabstimmungen und Still-haltungen als untragbare Eingriffe in das Streikrecht. Der General Council kam insofern der Regierung in seinem als Antwort auf das Weißbuch veröffentlichten „Programme of Action" entgegen, als er seinerseits Maßnahmen zur Stärkung der Dachorganisation gegenüber den angeschlossenen Einzelgewerkschaften wie etwa die Informationsund Beratungspflicht vor der Aufnahme von Arbeitskämpfen und bei zwischengewerkschaftlichen Streitigkeiten bei Androhung des Ausschlusses aus dem TUC im Falle der Nichterfüllung in Aussicht stellte. Als Gegenleistung für einen Wegfall der Sanktionsbestimmungen versprach die Gewerkschaftsführung weitere Schritte zur Eindämmung der „wilden" Streikaktivitäten an der Basis. Nachdem die Regierung Wilson zur Abwendung eines drohenden Konfliktes innerhalb der Partei, wo 100 Labour-Abgeordnete das Weißbuch ablehnten, und zu den Gewerkschaften einer Abmilderung des Gesetzentwurfes in Richtung auf das Freiwilligkeitsprinzip der Kommission bereits zugestimmt hatte, nahm ihr der Wahlsieg von Edward Heath 1970 die Chance zur Realisierung ihres Programmes.

„Fair Deal at Work“

Damit gewann ein Alternativprogramm „Fair Deal at Work" an Aktualität, das die Konservativen bereits 1968 noch vor Erscheinen des Donovan-Report ausgearbeitet hatten. Er sah im einzelnen die rechtliche Verbindlichkeit von Tarifverträgen, die zwangsweise Registrierung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden als Voraussetzung für die zivilrechtliche Immunität unter hohen Anforderungen an die, wie es hieß, demokratische Satzungsgerechtigkeit der betreffenden Gewerkschaft, das Verbot von Sympathie-und Abgrenzungsstreiks (demarcation strikes), eine Einschränkung des „closed shop", die Verweisung eines Streiks an den neu zu schaffenden „Industrial Court" durch den Arbeitsminister und seine zeitweise Unterbrechung von 60 Tagen nach amerikanischem Vorbild (cooling-off-period) bei Gefahr für die nationale Volkswirtschaft, eine Urabstimmung vor Streikbeginn sowie eine Verantwortlichkeit der Gewerkschaften für die Aktionen ihrer Mitglieder vor. Dies war eindeutig ein Bruch mit einer hundertjährigen Tradition, denn nunmehr sollten die „industrial re-lations“ zum erstenmal wieder gesetzlichem und richterlichem Befehl unterworfen und teilweise in eine obrigkeitlich verordnete Zwangsjacke gesteckt werden.

„Industrial Relations Act'

Die aufgeführten Empfehlungen von „Fair Deal at Work" bekamen 1971 durch die „Industrial Relations Act" Gesetzeskraft. Die einzelnen Bestimmungen dieses so umstrittenen Gesetzes, das die innenpolitischen Leidenschaften während der vierjährigen Amtszeit von Heath so sehr erhitzen sollte, können hier kurz zusammengefaßt werden, da sie inzwischen nach ihrer Boykottierung durch den TUC und nach der Wahlniederlage der Konservativen im Frühjahr 1974 auch schon wieder Geschichte sind. Entscheidend für die allgemeine Ablehnung auf Gewerkschaftsseite war, daß das Gesetz nach Clegg „eine tief-greifende Wirkung auf die britischen industriellen Beziehungen" haben mußte „Es wird“, schrieb Clegg 1972, „das freiwilligste System der Industriebeziehungen in der Welt transformieren in ein System, dessen formale Aspekte größtenteils durch die Gerichte reguliert werden. Gerichte und Juristen werden eine viel größere Rolle in den Angelegenheiten von Gewerkschaften und Arbeitgebern und in ihren Verhandlungen untereinander spielen".

Im einzelnen konkretisierte sich diese totale Abkehr von den herkömmlichen Grundsätzen der „industrial democracy", wie sie 1968 im Donovan-Report noch einmal mit Nachdruck niedergelegt worden waren, in folgenden Bestimmungen: 1. Die Gewerkschaften mußten sich unter genauer Überprüfung ihrer „Rule Books" einer Registrierpflicht unterwerfen; nur dann genossen sie in einem ausgeklügelten System doppelten Rechts als „trade unions" im Ge-gensatz zu den nicht registrierten „organisati-ons of workers" noch zivilrechtliche Immunität, gewisse Steuerprivilegien sowie den Anspruch, vom Arbeitgeber bei einem Abgrenzungskonflikt als „bargaining unit“ anerkannt zu werden. Der TUC beantwortete diese besonders umstrittene Regelung, in der die Gewerkschaften wohl nicht zu Unrecht den Versuch ihrer obrigkeitlichen Disziplinierung und Spaltung sahen, damit, daß er den ihm angeschlossenen Organisationen die Registrierung bei Strafe des Ausschlusses aus dem Dachverband untersagte. Da sich daraufhin nur 10 °/o der Gewerkschaften eintragen ließen, 90 °/o aber die gesetzliche Aufforderung boykottierten, blieb sie praktisch wirkungslos. 2. Einschränkung des „closed shop“: Der „geschlossene Betrieb“, in den auf Grund einer Abmachung zwischen Management und Gewerkschaft nur organisierte Arbeitnehmer eingestellt werden durften, gehörte seit dem 19. Jahrhundert zu den traditionellen Instrumenten gewerkschaftlicher Macht-und Organisationsentfaltung und sicherte überdies bestimmten Handwerkergenossenschaften (craft unions) zugleich über ihre Mitglieder monopolartigen Einfluß auf die Ausbildungsund Anstellungsverhältnisse innerhalb eines „closed shop" und damit auch auf Arbeitsmarkt und Lohnstrukturen allgemein. Der „pre-entry closed shop" mit der Gewerkschaftszugehörigkeit bereits als Einstellungsbedingung wurde ganz aufgehoben; der „post-entry closed shop" wurde unter den Bedingungen weiter erlaubt, daß auch in einem „geschlossenen Betrieb" niemand gegen seine Überzeugung zum Gewerkschaftseintritt gezwungen werden konnte (er hatte dann eine gewisse Ausgleichsabgabe zum Gewerkschaftsbeitrag zu leisten) und daß vor der Einrichtung eines solchen Betriebes das Votum der Beschäftigten (approved closed shop) eingeholt werden müsse. 3. Den tiefsten Einschnitt in die Prinzipien des „voluntarism" stellte wohl die Einführung der gerichtlichen Durchsetzbarkeit von Tarifverträgen (legally binding and enforceable) dar, es sei denn, die Tarifparteien handelten gemeinsam eine schriftlich zu fixierende Ausnahmeklausel aus. Die Regierung erhoffte sich damit eine Stärkung der Verantwortlichkeit bei den offiziellen gewerkschaftlichen Tarifkontrahenten und zugleich einen disziplinierenden Einfluß auf die betriebliche Basis, besonders auf die Shop Stewards. Aber auch diese Regelung ging wie viele andere an den historischen Gegebenheiten vorbei, denn in der Regel honorieren die Gewerkschaften Tarifverträge auch ohne gesetzlichen Zwang und halten im Streitfall die vereinbarten „pro-cedures" auch ein; die ihnen vielfach entglittene Kontrolle über das „domestic bargaining" und die ungeregelten Streikbewegungen in den Betrieben (wild-cat strikes) ließen sich jedoch auch mit Hilfe des Gesetz-gebers nicht zurückgewinnen, zumal sich die Streikenden meist in solidarischen Aktionen den gerichtlichen Verfolgungen entzogen und auch das Management im Interesse des Betriebsfriedens an derartigen Sanktionen kein Interesse hatte. 4. Auf eine Einschränkung des Streiks zielten weiterhin die Verfügung einer Stillhaltuhg (cooling-off-period) von 60 Tagen nach amerikanischem Vorbild durch den neuen „National Industrial Relations Court" (NIRC) auf Antrag des Arbeitsministers, die Verpflichtung zur Urabstimmung vor Streikbeginn und dann der bewußt kautschukartig gehaltene Bereich der verbotenen „unfair industrial practices". Zu ihnen sollten u. a. Sympathiestreiks und Streiks zur gewaltsamen Durchsetzung von „approved shops" zählen, seit langem ein probates Mittel, um dem Management im eigenen „geschlossenen Betrieb" die Macht gewerkschaftlicher Monopolstellung zu demonstrieren. 5. Im Interesse einer Stärkung und Formalisierung des „collective bargaining“ sollten „procedure agreements" nicht nur — wie schon nach dem Donovan-Report — bei Androhung von Strafe amtlich registriert, sondern gegebenenfalls auch ihre gerichtliche Durchsetzbarkeit erzwungen werden. In dieselbe Richtung gingen Vollmachten der „Commission on Industrial Relations", im Zusammenwirken mit dem NIRC bei Abgrenzungskonflikten selbständig eine tariffähige „bargaining unit" festzusetzen und für diese Tarif-partei, in der Regel dann eine registrierte „trade Union", gegenüber dem Arbeitgeber die Anerkennung und auch eine Informationspflicht zur Erleichterung des „bargaining" zu erzwingen.

Institutionell ausgefüllt wurde dieser neue, stark formalisierte Rahmen der „industrial relations" durch den NIRC mit dem Status und den Befugnissen eines High Court: Er konnte im Streikfall bei Ausrufung des nationalen Notstandes zusammen mit dem Arbeitsminister eine Stillhaltung und eine Urabstimmung verfügen, Strafen verhängen, Zeugen vorladen, Eidesleistungen veranlassen und mußte seine Zustimmung zu einem „approved closed shop" geben. Die Gewerkschaften versagten freilich ihre an sich vorgesehene Mitarbeit. Weiterhin wurden die Befugnisse der seit 1964 bestehenden „Industrial Tribunals“ zum Schutz der einzelnen Arbeitnehmer gegenüber Gewerkschaften und Arbeitgebern erweitert, ebenso wie die Rechte der im März 1969 bereits auf Vorschlag der Donovan-Kommission eingerichteten „Commission on Industrial Re-lations" zwecks Untersuchung, Beobachtung und Förderung des „collective bargaining".

Zwar wird man der „Industrial Relations Act“ angesichts der katastrophalen Situation Berechtigung und Sinn ihrer Grundintention nicht absprechen können, den englischen Wirtschaftsprozeß von seinen strukturellen Defekten zu heilen und durch Elemente einer rationaleren und effektiveren Sozialverfassung zugleich inund ausländischem Anlagekapital neue, renditeträchtige Chancen zu eröffnen. Dieser Versuch geschah jedoch mit untauglichen, da quer zur britischen Tradition der „industrial democracy" stehenden Mitteln und zudem recht einseitig zu Lasten der Arbeitnehmerorganisationen und ihrer seit hundert Jahren erkämpften Privilegien. Insofern stieß der Ansatz zu einer umfassenden Kodifikation des Arbeitsrechts in einem einzigen Gesetz nicht nur bei den Gewerkschaften und der Labour Party auf harte Ablehnung. Er wurde auch in Unternehmerkreisen als wenig förderlich für das allgemeine soziale Klima überwiegend skeptisch aufgenommen. Während sich der Generaldirektor der CBI, Campbell Adamson, noch wenige Tage vor der Wahl 1974 öffentlich gegen das Gesetz erklärte, meinte ein anderer leitender Funktionär, Heath habe „zu viel auf einmal gewollt" und dabei schwere taktische Fehler begangen. Das Schicksal der „Industrial Relations Act" war schon mit dem Boykott durch den TUC praktisch und dann auch de jure und endgültig mit den beiden Wahlniederlagen der Konservativen 1974 besiegelt.

2. Produktivitätsabkommen (productivity agreements)

Als wesentlich in der „Declaration of Intent" vom Dezember 1964 wurde bereits die gemeinsam von Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgebern bekundete Absicht herausgestellt, überdurchschnittliche Lohnerhöhungen nur noch als Ergebnis gesteigerter Produktivität „in einer bestimmten Firma oder Industrie“ zuzulassen. Aus diesem Text lassen sich bereits sechs zentrale und auch neue Elemente der „industrial democracy“, wie sie seit etwa zehn Jahren mit den Begriffen „productivity deals" und „productivity agree-35 ments“ verbunden sind und wie sie auch von der Donovan-Kommission als wichtigstes Instrument zur Einführung von „geregelten Lohnstrukturen auf Unternehmens-und Fabrikebene" empfohlen wurden 9, herausarbeiten: 1. Die Spitzenverbände einigen sich zum erstenmal auf staatlich empfohlene nationale Lohnleitlinien, bis zur Gegenwart ein bevorzugtes Mittel der Inflationsbekämpfung, freilich ohne viel Wirkung. 2. überdurchschnittliche Lohnerhöhungen werden ebenfalls zum erstenmal offiziell nicht mehr an den Lebensstandard, an eine Verteuerung der Lebenshaltungskosten oder gar an eine radikale Umverteilungspolitik zwischen Löhnen und Gewinnen gebunden, sondern, um ein Abwälzen auf die Preise, wie bisher, zu verhindern, an eine Senkung der Produktionskosten durch eine rationellere und effektivere Ausnutzung von Arbeit und Kapital. 3. Die Gewerkschaften stimmen mit diesem „radikalen Abgehen von den traditionellen Methoden des , collective bargaining'“ auch entsprechenden Schritten zur Bemessung, Kontrolle und Durchsetzung des Produktivitätszuwachses und damit zugleich einem Verzicht auf ihre eigenen, oft produktivitätshemmenden „restriktiven Arbeitspraktiken" zu. So werden Arbeitsplätze und Produktionsvorgänge nunmehr nach rational bestimmbaren Qualifikationen und nicht mehr auf Druck gewerkschaftlicher Machtentfaltung besetzt, werden Überstunden und Schichtarbeit allein den Produktionsbedürfnissen der Firma und nicht mehr lohnpolitischen Zielen der Shop Stewards angepaßt, wird der ganze Wildwuchs von „custom and practice" in ein klar und übersichtlich, von den Tarifparteien vereinbartes System eingeordnet und wird vor allem die Lohndrift dadurch abgebaut, daß alle betrieblichen Sonderzahlungen von vornherein bei Abschluß eines Produktivitätsabkommens in die — freilich dann erhöhten — Normalstundenlöhne einbezogen werden. Ziel ist der Aufbau eines einheitlich und durchsichtig strukturierten und damit auch jederzeit kontrollierbaren Lohnsystems auf Firmenebene, wodurch gleichzeitig einer der Hauptgründe für „wilde" Streiks ausgeräumt wäre. 4. Basis der Produktivitätsabkommen ist der Konzern (wie z. B. ICI), das Unternehmen oder in ihm oft sogar der einzelne Betrieb. Die Firmenabkommen sind also weitgehend losgelöst vom Industrievertrag (industry-wide collective bargaining) und vom Prinzip der „joint consultation"; es handelt sich hier im Unterschied zum bisherigen „domestic bargaining“ um schriftlich genau fixierte Verträge zwischen Management und Gewerkschaftsvertretern mit in der Regel beigeordneten Shop Stewards.

5. Das Management gesteht, wenigstens formal, den Vertretern aller im Betrieb vertretenen Gewerkschaften sowie den Shop Stewards beim Abschluß und bei der Verwirklichung der Verträge zum erstenmal offiziell ein Recht zur Mitsprache und Mitentscheidung (joint regulation) in Produktionsfragen als dem Kembereich der „managerial prerogatives“ zu; „domestic bargaining" und „workshop democracy" gewinnen einen förmlichen Charakter und überdies eine beiderseits anerkannte und formalisierte Ausdehnung in Bereiche, die den Arbeitnehmern bis-her wenigstens de jure als Verhandlungsobjekt verschlossen waren; gleichzeitig aber wird die einseitige Machtdemonstration der Shop Stewards in der Festlegung der Entloh-nungs-und Arbeitsbedingungen (unilateral regulation) nahezu unterbunden und werden diese selbst in einer deutlichen Formalisierung ihrer Position wieder näher an die hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionäre herangerückt.

6. Der hohe Grad von Formalisierung und Systematisierung der „industrial relations" auf Unternehmens-und Betriebsebene soll an sich erreicht werden unter Beibehaltung von zwei traditionellen Gestaltungsprinzipien: keine Gewerkschaft oder Betriebsvertretung kann zum Abschluß eines Produktivitätsabkommens gezwungen werden (voluntarism), und der Staat unterstützt die Abschlüsse nur durch wohlwollende Absichtserklärungen, greift aber nicht direkt ein (abstention of law and of State).

Rein technisch orientieren sich die „Produktivitätsabkommen" — das klassische Vorbild in England lieferte 1960 die Esso-Raffinerie in Fawley inzwischen folgten weitere Raffinerien, chemische Unternehmen wie ICI, Transportunternehmen und die Elektrizitätswirtschaft — ähnlich wie das deutsche Refa-System und im Anschluß an F. W. Taylors „Principles of Scientific Management" an einem „Lohnsystem mit festen Stundenlohnsätzen, das quantifizierbare Leistungsnormen zur Grundlage hat, die nach Techniken der analytischen Arbeitsplatzbewertung bestimmt werden" (Measured Day Work = MDW) Einer analytischen Bewertung des Arbeitsplatzes nach Qualifikation, Leistung, Arbeitsbedingungen etc. (job evaluation) folgt auf Grund einer Punktbewertung seine Einordnung in ein differenziertes Arbeitsplatzsystem (grading) und schließlich die entsprechende Lohneinstufung (rating). Ziel dieses Vorganges sind auch Abbau und Einbeziehung der Überstunden und Akkordzuschläge in den Normallohn sowie eine Lohnstruktur, die nichts mehr gemein hat mit dem früheren „autonomen“ und „fragmentarischen" „domestic bargaining".

Fischer-Antze weist an fünf anschaulichen Beispielen — Überstundenregelung (overtime regulation), Arbeitsplatzabgrenzung (job demarcation), Uberbesetzung (overmanning), Handlangerproblem (craftsmen's mates) und Lohnstrukturen (pay structures and wage drift) — nach 3, wie hier zentrale Wirkungsfelder der „restriktiven Arbeitspraktiken" und innerbetrieblicher Tätigkeiten der Shop Stewards dem freien Spiel der Kräfte entzogen und durch Produktivitätsabkommen unter betriebswirtschaftlichen Aspekten in einen „vertraglichen Arbeit-Lohn-Regelungszu-sammenhang“ gebracht, d. h. aber konkret als nicht produktivitätsgerecht eliminiert werden. In einem Weißbuch des Arbeitsministeriums waren 1969 3 500 Produktivitätsabschlüsse registriert für mehr als 6 Mill. Arbeitnehmer (25 °/der arbeitenden Bevölkerung), und zwar vor allem aus dem Angestelltenbereich.

Trotz ihres raschen Vordringens insbesondere in den sechziger Jahren sind die Produktivitätsabkommen vor allem bei der Linken heftiger Kritik ausgesetzt. Sie sieht in ihnen eine unangemessene Verstärkung der „unternehmerischer Verfügungsmacht über den Gebrauch der Arbeitskraft" im Interesse betrieblicher Rentabilität und unter falscher Vorspiegelung scheinbar wissenschaftlicher Kriterien den „Ausverkauf der betrieblichen Verhandlungsstärke der Shop Stewards" an das Management durch das gewerkschaftliche Establishment verankert Danach, haben die Gewerkschaften ihr „Erstgeburtsrecht“ einer kräftigen Entfaltung von antikapitalistischer Gegenmacht an der Betriebsbasis verkauft für das „Linsengericht" einmalig ausgehandelter und im Zuge der Inflation schon bald aufgezehrter Lohnzuschläge. In der Tat liegt die Vermutung nahe daß manche Gewerkschaftsführer bewußt den Vorwurf einer zu starken Einbindung in Management-Interessen und auch die Gefahr einer überspannten Interessenidentität von „Arbeit* und „Kapital“ — vielfach steht hinter den Abkommen die PartnerschaftsideologieI — auf sich genommen haben, um in den Betrieben erneut Fuß zu fassen und ihre durch das „shop-floor bargaining" angeschlagene Autorität gegenüber den autonomen Shop Stewards und ihren work groups wieder zur Geltung zu bringen. Freilich haben die Gewerkschaften auf ihre eigentlichen Druckmittel wie Streiks, Uber-Stundenverweigerungen oder Arbeit nach Vorschrift auch in den Produktivitätsabkommen nie verzichtet.

Schwerer dürften Bedenken wiegen, ob nicht durch die Zunahme von Finnenabschlüssen mit individuellen Lohnerhöhungen die Lohn-strukturen in England noch unübersichtlicher geworden sind, solange sich nicht diese Einzel-abschlüsse einheitlich, was bisher nicht geschieht, in industrieweite Produktivitätsabkommen einpassen, und ob nicht dadurch die alte Kluft zwischen „industry-wide" und „do-mestic bargaining" nur formalisiert und zementiert würde — Bedenken, die vom TUC und von der CBI in gleicher Weise geltend gemacht werden. Nachweislich hatten die „productivity agreements'in den sechziger Jahren teilweise auch einen inflationären Sog auf branchengleiche Betriebe, in denen die Arbeiterschaft sofort eine Anpassung ihrer Löhne forderte, ohne dann jeweils auch eine entsprechende Gegenleistung an Produktivitätszuwachs zu erbringen. Und noch ein drittes Bedenken, das bereits schon vor mehr als 50 Jahren gegen den Taylorismus erhoben wurde: den theoretischen Überlegungen, die den Produktivitätsabkommen zugrunde liegen, haftet ein starker Schematismus und eine übergroße Wissenschaftsgläubigkeit gegenüber der rationalen Erfassung, Planung und Steuerung nicht maschineller, sondern menschlicher Arbeitskraft an, ein hoher Grad von Vertrauen in die Planbarkeit und manipulative Steuerungsfähigkeit der Industriebeziehungen — eine Hoffnung, die bisher stets in der Geschichte der „industrial democracy" getrogen hat! Ein abschließendes Urteil über die Produktivitätsabkommen kann also erst dann gefällt werden, wenn differenziert nachgewiesen ist, welchen Anteil sie überhaupt an einer gesamtvolkswirtschaftlichen Wachstumsrate neben vielen anderen Komponenten haben.

3. Der „Sozialkontrakt 0 der Regierung Wilson Unter den Maßnahmen der Regierung Wilson zur Bekämpfung der Inflation (counterinfla-tionary measures) rangiert nach dem überraschenden Wahlerfolg der Labour Party im Februar 1974 der „social contract“ ganz vorn, jener Stabilitätspakt, mit dem die Labour-Regierung nach vier Jahren interventionistischer Experimente ihrer konservativen Vorgängerin (staatliche Lohnkontrolle nach dem Heathschen Drei-Stufen-Modell, „Industrial Relations Act") gegenüber den Gewerkschaften erneut in die Bahnen des „voluntarism“ zurücklenkte und die im September 1973 bereits auf dem Jahreskongreß des TUC erhobene Forderung nach Wiederherstellung des „voluntary collective bargaining" erfüllte. Verbunden war dieses Verlangen mit weiteren Forderungen nach Preiskontrollen und Subventionen für Grundnahrungsmittel, nach Maßnahmen zur Steigerung der sozialen Gerechtigkeit und der ökonomischen Expansion sowie nach einem geplanten Wachstum des Realeinkommens Gleichzeitig wurde auf dem TUC-Kongreß das „Geburtsdokument" des „social contract", die im Februar 1973 vom Verbindungsausschuß des TUC und der Labour Party verabschiedete Erklärung „Economic Policy and the Cost of Living", abgesegnet. Hier wurde zur Bekämpfung der Inflation eine „kohärente Wirtschafts-und Sozial-strategie" gefordert, „um die schweren Wirt-Schaftsprobleme der Nation zu bewältigen und die Grundlage für eine Kooperation zwischen Gewerkschaften und Regierung zu legen“. Weiterhin nahm die Erklärung u. a. eine direkte gesetzliche Preiskontrolle zur Beeinflussung des Tarifklimas, eine umfassende Umverteilung von Reichtum und Einkommen, höhere Sozialausgaben sowie eine Investitionskontrolle in Aussicht.

Nichts wäre irreführender — schon von den Umständen der Entstehung her —, als den „Sozialkontrakt“ in die Nähe zur „Konzertierten Aktion" zu rücken. Denn erstens fehlt ihm als informelle Vereinbarung zwischen Gewerk-Schaftsführung und Parteiführung der Labour Party — auch hier ist er typisch für die „industrial relations" — jede gesetzliche Grundlage, wie sie die „Konzertierte Aktion" durch den Paragraphen 3 des „Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" vom 8. Juni 1967 erhielt; weiterhin sind in ihm nur die Gewerkschaften und die Regierung, nicht aber — wie in Deutschland — die Spitzenverbände aus Industrie, Handel und Banken repräsentiert, wobei hier nicht entschieden werden soll, ob die CBI nicht, wie sie mehrfach betont hat, zur Mitarbeit aufgefordert ist oder sich einer Aufforderung der Gewerkschaften, so lautet deren Vorwurf, versagt hat. Jedenfalls erscheint es geradezu absurd, von diesem „Sozialpakt" eine „kohärente Wirtschafts-und Sozialstrategie", also eine erfolgreiche und stabilitätsgerechte Globalsteuerung für die Gesamtwirtschaft, zu erwarten, wenn dabei die Privatwirtschaft nicht repräsentiert ist. So formulierte Campbell Adamson, Geschäftsführer der CBI, schon im Herbst 1974 die Wünsche seines Spitzenverbandes: Auch er begrüße die auf lohnpolitische Mäßigung zielenden Punkte des „Sozialvertrages“, erwarte aber, daß die Regierung „die Wirtschaft ihre eigenen Angelegenheiten regeln läßt, Unternehmen nicht auf Grund fiktiver Inflationsgewinne besteuert und sie ferner faire Preise verlangen läßt“.

Aber genau hier tat sich die Kluft zwischen Wirtschaft und Gewerkschaften schnell auf: Jede Seite erkannte das Freiwilligkeitsprinzip nur für sich selbst als Vorbedingung für stabilitätsgerechtes Handeln an, nicht aber für die andere Seite. Forderten die Gewerkschaften als Voraussetzung für lohnpolitische Enthaltsamkeit verstärkte staatliche Eingriffe in den Wirtschaftsprozeß wie Preis-und Investitionskontrollen, so erwartete die Wirtschaft ihrerseits von der Regierung, daß sie die Arbeitnehmerorganisationen an die kurze lohnpolitische Leine legen werde. Vergleichen lassen sich „Sozialkontrakt" und „Konzertierte Aktion" vielleicht nur in der allgemeinen Ernüchterung, in die die einst hochgespannten Hoffnungen auf eine „konzertierte" Stabilitäts-und Wachstumspolitik an einem institutionalisierten „runden Tisch" inzwischen in England wie in Deutschland eingemündet sind. Sicher aber darf man wohl der „Konzertierten Aktion" angesichts der unterschiedlichen gesellschaftlichen Voraussetzungen in beiden Ländern auch heute noch eine höhere Chance als dem „Sozialkontrakt" einräumen. Zudem darf man bei einem lohnpolitischen Vergleich zwischen beiden Ländern nie vergessen, daß der „Kuchen", den es bei den Lohnrunden jeweils zu verteilen galt und gilt, in England angesichts der niedrigen Zuwachsraten im Sozialprodukt schon seit Jahrzehnten viel kleiner gewesen ist als in Deutschland und daß auch infolgedessen die Lohnsteigerungen bei uns Jahr für Jahr mit einem gewissen Automatismus gleichsam als Gewohnheitsrecht erfolgten, Wobei man sich dann mir noch um einige Prozentpunkte „zusammenraufen" mußte, während diese Erhöhungen in England immer wieder hart erkämpft wurden. Im „Sozialkontrakt" machten die Gewerkschaften eine stabilitätsgerechte Lohnpolitik zur Erhaltung wenigstens des Reallohnes und damit auch des Lebensstandards und der allgemeinen Konsumkraft sowie Bemühungen um eine Eindämmung der Streikbewegungen abhängig von einem Bündel sehr weitreichender Zusagen seitens der Labour-Führung: Beilegung des Arbeitskonfliktes im Bergbau (was unmittelbar darauf durch die noch von Heath strikt abgelehnte Erfüllung der Lohnforderungen geschah), Mietenstopp, Rentenaufstockung auf wöchentlich £10 für Ledige und £16 für Verheiratete (ebenfalls längst durchgesetzt), verschärfte Preis-und Gewinnkontrollen, Subventionen für Grundnahrungsmittel, Rücknahme von einseitigen Steuervergünstigungen für die Reichen, Garantie des Reallohnes und des Lebensstandards, Kürzung der Verteidigungsausgaben, staatliche Investitionskontrolle (von Wilson bis heute hartnäckig und mit Erfolg abgelehnt) sowie Neuverhandlungen mit der EG.

Für den Erfolg des „Sozialkontraktes" erwies sich jedoch schon bald eine bereits mehrfach angesprochene Strukturschwäche des britischen Gewerkschaftswesens als ein großes Hindernis: In dem Maße, wie die Gewerkschaftszentrale im General Council gegenüber der politischen Exekutive ihre Macht ausbauen konnte und dabei dann auch gegenüber Wilson auf Kooperationskurs ging, verlor sie an Einfluß sowohl gegenüber den angeschlossenen Einzelgewerkschaften als auch vor allem gegenüber der betrieblichen Gewerkschaftsbasis. Dies zeigte sich bereits auf dem Jahreskongreß in Brighton im September 1974, als der gemäßigte, wendige und pragmatische neue Generalsekretär Lionel Murray — pikanterweise im taktischen Zusammenspiel mit Ken Gill, dem Sekretär einer der Sektionen der Metallarbeitergewerkschaft, der am Tage zuvor von der Jahresversammlung als erster erklärte Kommunist seit mehr als zehn Jahren in den Vorstand des gewerkschaftlichen Dachverbandes gewählt worden war — das Stillhalteabkommen mit Wilson, der seinerseits zusammen mit seinem linken Arbeitsminister Michael Foot und seinem mehr gemäßigten Außenminister James Callaghan in die Redeschlacht gegangen war, nur mit Mühe gegen den heftigen Widerstand der zweitstärksten Einzelgewerkschaft AUEW (Amalgamated Union of Engineering Workers, 1, 4 Mill. Mitglieder) und ihres mächtigen Bosses Hugh Scanlon durchsetzte. Scanlon lehnte das „Erfüllungsmandat" der TUC-Führung gegenüber der Regierung scharf ab und forderte eine einschneidende Vermögensumverteilung, höhere Sozialleistungen und ein viel weitergehendes Verstaatlichungsprogramm, als es die Labour Party — möglicherweise angesichts der für Oktober bevorstehenden Neuwahlen aus taktischen Erwägungen — damals zuzugestehen geneigt war. Die Metaller drohten bei der Rückkehr einer konservativen Regierung ein „wirtschaftliches Chaos" an. Demgegenüber stellte Murray die Relationen, die sich damals unter dem Einfluß militanter Kräfte allzu sehr in Richtung auf eine gewerkschaftliche Erpressung von Legislative und Exekutive, also hin auf einen Gewerkschaftsstaat zu verschieben drohten, wenigstens verbal wieder her: „Diese Regierung ist nicht unser Gefangener und wir nicht in ihrer Tasche."

Unter einem geschickten Zusammenspiel von Generalsekretär und Regierung rief Callaghan den Kongreß unter Beifall der Mehrheit auf, sich bei der Lösung der unmittelbar anstehenden politischen und ökonomischen Probleme mitten im Wahlkampf einig hinter die Regierung und ihr Stabilitätsprogramm zu stellen. Denn noch einmal wollte die Labour Party nicht wie 1969 bei den Auseinandersetzungen um das Weißbuch „In Place of Strife" ein Bild innerer Zerrissenheit bieten und sich damit selbst um ihre Wahlchancen bringen. Dennoch konnten die Metallarbeiter in den Entschließungen und Absichtserklärungen von Brighton ihre Forderungen festschreiben: Fortsetzung der bereits eingeleiteten „massiven Umverteilungspolitik"; Beseitigung des privaten Mietwohnmarktes; dauerhafte Preis-kontrollen; wesentliche Erweiterung des verstaatlichten Wirtschaftssektors „bei gleichzeitiger Respektierung einer gemischten Wirtschaft"; Ablehnung der EG; Verurteilung der multinationalen Unternehmen als „wesentliche Ursache für wirtschaftliche Instabilität und Arbeitslosigkeit"; mehr Mitbestimmung für die Gewerkschaften auf unternehmens-und allgemeinpolitischer Ebene; Mindestlohn von £30 für eine 40-Stunden-Normalwoche.

Mächtige Gewerkschaften wie die Bergarbeiter (National Union of Mineworkers), die Metaller (AUEW) und die Transportarbeiter (Transport and General Workers Union) gaben zu erkennen, sie würden den „social con-tract“ als Stillhaltung auf Zeit nur solange respektieren, als er ihren Interessen diene, lehnten aber im übrigen eine Beschneidung ihrer Tarifautonomie grundsätzlich ab. Demgegenüber appellierte Callaghan auf dem Labour-Parteitag im November 1974 noch einmal an die Nation, dem „Sozialvertrag" zum Erfolg zu verhelfen: „Jene, die entschlossen sind, diesen Vertrag zu Fall zu bringen, werden diesem Land noch mehr Inflation und Arbeitslosigkeit bringen, als es bisher der Fall war.“ übereinstimmend prognostizierten Wilson, Callaghan und Schatzkanzler Denis Healy — Vertreter einer deflationären Haushaltspolitik —, der „Sozialvertrag" werde bei strikter Innehaltung dem Land zwar vorerst (etwa für zwei Jahre) keine Erhöhung seines Lebensstandards, aber immerhin doch eine Erhaltung des jetzigen Standes garantieren.

Die eigentliche Bewährungsprobe für die Antiinflationspolitik Wilsons und mithin auch für den „Sozialvertrag“ kam im . Frühjahr 1975, nachdem der Premier in den Oktober-wahlen des Jahres vorher seine parlamentarische Mehrheit verbreitert und dann Anfang Juni 1975 auch die leidige EG-Frage mit dem Referendum erfolgreich vom Tisch bekommen hatte. Der 32-0/0-Abschluß im Bergbau im März 1975 bei einer Teuerungsrate von damals 20 °/o hatte eine deutliche Signalwirkung für weitere Lohnforderungen, wenngleich der Arbeitsminister Michael Foot ihn unter Hinweis auf die besonderen Bedingungen im Bergbau hartnäckig als „innerhalb des Sozial-vertrages" und „gut für das Land" verteidigte. Im öffentlichen Dienst wurden Tarifab-Schlüsse von rund 30 °/o die Regel — eine gewaltige zusätzliche Belastung für den Staatshaushalt. Der amtliche Index wies von März 1974 bis März 1975 eine Steigerung der Lohnsätze von durchschnittlich 32, 5 °/o und eine Teuerung bei den Einzelhandelspreisen um 21 °/o aus (bei Nullwachstum des Sozialproduktes!). Im Juli 1975 lag die Arbeitslosenziffer mit 1, 25 Mill, bei etwa 5% der Beschäftigten; bis Ende des Jahres wurden 1, 5 Mill, vorausgesagt, die hohe Zahl der Kurzarbeiter und der „verdeckt" Arbeitslosen gar nicht mitgerechnet.

Die Alarmnachrichten aus der Wirtschaft häuften sich im Juni/Juli in einer derart bedrohlichen Weise, daß die Regierung nunmehr vor der Nation mit ihrer Stabilitätspolitik und dem vielgelobten „Sozialkon-trakt“ im Wort stand. Das private, traditionell vor allem in Versicherungsgesellschaften, Bausparkassen und Pensionsfonds akkumulierte Anlagekapital drohte einen Investitionsstreik an oder suchte den Weg in die renditeträchtigeren Staatsobligationen — die einseitige Belastung des Kapitalmarktes durch den Staat war ein weiteres AlarmzeichenI — mit dem Hinweis, der enorme Kostendruck, das Damoklesschwert der Sozialisierungen, eine schlechte Ertragslage und uferlose Lohnforderungen garantierten keine »fair retums“ in der Privatwirtschaft mehr. Anfang Juli erreichte das Pfund Sterling die bisher höchste Abwertungsrate von knapp 30°/0 gegenüber 1971, ein sichtbares Zeichen für das schwindende Vertrauen auch des Auslandes in die Stabilitätspolitik Wilsons. Hierzu die Bank von England: »Der dramatische Verfall des Außenwertes des Pfundes Sterling war die marktwirtschaftliche Ant-wort auf die Tatsache, daß sich der Inflationsabstand zwischen Großbritannien und den meisten Industrienationen ständig verbreitert hatte. Zuletzt war das Inflationstempo in Großbritannien um 10 bis 15 °/o schneller als in den Vereinigten Staaten und in der Bundesrepublik

Gerade der Vertrauensschwund auf den internationalen Finanzmärkten war bei einem für 1975 bereits vorausgesagten Zahlungsbilanzdefizit von 15 Mrd. Mark — das teilweise auch auf die verteuerten Olimporte zurückgeführt wird, aber immerhin durch weitere Kreditaufnahmen im Ausland abgedeckt werden muß — nicht ungefährlich. Die Inflationsrate bewegte sich im Juli mit 26, 1 °/o ebenfalls auf einer Rekordmarke. Healy warnte Anfang Mai, die Nation leiste sich einen Lebensstandard, dem keine angemessene wirtschaftliche Leistung entspreche. Für jedes ausgegebene Pfund würden fünf Pence ins Ausland zur Bezahlung der Schulden gepumpt. Wenn Großbritannien nicht Schritte unternehme, das eigene Haus in Ordnung zu bringen, „wird die Geduld unserer Gläubiger bald erschöpft sein". „Wir würden dann mit der schrecklichen Vorstellung konfrontiert, uns in ein paar Wochen mit öffentlichen Diensten und einem privaten Lebensstandard abfinden zu müssen, die wir allein aus dem bestreiten könnten, was wir verdienen. Ich glaube nicht, daß unser politisches und soziales System eine sol-che Anspannung aushalten kann." Das unabhängige „Nationale Wirtschaftsforschungsinstitut“ in England stellte fest: „Unsere Inflation kann man inzwischen als nahezu völlig hausgemacht ansehen. Sie wird vorangetrieben durch Lohn-und Gehaltssteigerungen, die den tatsächlichen Preissteigerungen längst davongelaufen sind."

Unter dem Eindruck dieser Daten über die „Slumpflation" und zur Hebung der internationalen Kreditwürdigkeit Englands schoß Wilson im Mai seine ersten Warnschüsse ab, daß er nunmehr gegenüber den Gewerkschaften eine schärfere Gangart einzuschlagen gedenke: Er unterstellte den streikenden Chrysler-Arbeitern, die um eine Lohnerhöhung von £8 wöchentlich in den Ausstand getreten waren, unter heftiger Empörung politische Motive: „Wenn Sie glauben, durch einen Streik eine Verstaatlichung des Unternehmens zu erreichen, dann liegen Sie falsch. Meine Regierung ist nicht bereit, auch nur einen Pfennig für Streikaktionen mit politischem Hintergrund auszugeben." Den Gewerkschaften empfahl der Premier am 22. Mai im Unterhaus mit Nachdruck stärkere lohnpolitische Selbstdisziplin.

In dem dramatischen Kampf um die Rettung bzw. Erneuerung des „Sozialvertrages" zwecks Eindämmung der Inflation in der ersten Julihälfte 1975 entfaltete sich noch einmal — auf zehn Tage zusammengedrängt — die jahrhundertalte Problematik der englischen „industrial relations" Am 1. Juli eröffnete Denis Healy im Unterhaus das Ringen mit einem sehr ernst formulierten Antiin-flationsprogramm: Lohnund Dividendensteigerungen sollten unter Androhung einer „Batterie von Waffen" bei Nichtbeachtung durch die Tarifparteien für ein Jahr auf 10 °/o beschränkt werden, um die Inflationsrate in derselben Zeit auf ebenfalls 10% und dann bis Ende 1976 auf eine einstellige Zahl zu drükken. Innerhalb von zehn Tagen sollten Industrie und Gewerkschaften „freiwillig“ ihrerseits Vorschläge zur Beschneidung der Kosteninflation ausarbeiten.

Offenbar war nicht wie unter Heath an eine Beschränkung der Tariffreiheit durch gesetzliche Lohnkontrollen gedacht, die Wilson als „unsozialistisch" ablehnte, sondern nur daran, beide Parteien an Lohnleitlinien zu binden, wobei freilich die Strafandrohungen konkret nur auf die Arbeitgeber zielten, sofern sie höhere Lohnzugeständnisse machten. Dennoch witterten die militanten Gewerkschaftsführer hinter Wilsons Beharren auf dem „volunta-rism" nur einen vernebelnden Trick und warfen dem Premier vor, mit seinen Leitdaten und Sanktionsdrohungen betreibe er „Sabotage" und „Verrat am Wahlmanifest". Scanlon drohte, unter diesen Bedingungen seien die Gespräche über die Beteiligung der Gewerkschaften an der „freiwilligen“ lohnpolitischen Selbstdisziplin „fast unmöglich" geworden. Aber überraschenderweise signalisierten die Bergarbeiter unter ihrem Präsidenten Joseph Gormley, zugleich Vorstandsmitglied der Labour Party, bereits am 3. Juli auf ihrem Jahreskongreß in Scarborough gegenüber Wilson, der sich selbst in die „Höhle des Löwen" begeben hatte, Kooperationsbereitschaft: Sie nahmen eine für den 1. November geforderte Lohnerhöhung auf £100 wöchentlich vorerst auf unbestimmte Zeit zurück — eingedenk des dramatischen Appells Wilsons: „Wenn Ihr auf dieser Forderung besteht, kann der Preis der Zusammenbruch der Demokratie in Großbritannien sein." Am 9. Juli billigte der Generalrat des TUC unter energischem Einsatz seines Generalsekretärs Len Murray für die nationale Stabilitätspolitik mit einer knappen Mehrheit von 19 : 13 eine obere lineare Lohnzuwachsgrenze von £6 wöchentlich für die nächsten 12 Monate, abweichend zu den von Healy vorgeschlagenen 10 %.

Der „Sozialkontrakt" war mit Hilfe der Gemäßigten um Murray vorbehaltlich der Zustimmung durch den Jahreskongreß gerettet. Am 11. Juli legte die Regierung in ihrem Weißbuch „The Attack on Inflation" dem Unterhaus ein Antiinflationsprogramm vor, das sich wesentlich an die Vorstellungen des General Council anlehnte und am 1. August in Kraft treten sollte: Von dem 6-Pfund-Zuwachs wurden alle Einkommen von über 8 500 Pfund jährlich ausgenommen (der Generalrat hatte ein Limit von 7 000 vorgeschlagen). Die Regierung stellte bereits zur Verabschiedung durch das Unterhaus vorbereitete gesetzliche Sanktionen zur Einhaltung der Zuwachsgrenze — freilich nur gegenüber den Arbeitgebern, nicht jedoch geyenüber den Gewerkschaften — in Aussicht; eine. Preisstop lehnte Wilson als unrealistisch ab, kündigte aber neue Preiskontrollvorschriften an. Drohend prophezeite er bei Einbringung der Vorlage im Parlament: „Dies ist ein Plan, unser Land zu retten. Wenn wir in den nächsten 12 Monaten unsere Inflationsrate nicht drastisch reduzieren, werden wir einer wirtschaftlichen Katastrophe von unberechenbaren Ausmaßen ausgeliefert sein."

Das Unterhaus stimmte nach einer zweitägigen Debatte am 23. Juli mit 262 : 54 Stimmen bei Stimmenthaltung der konservativen Opposition zu. Aus Protest gegen die Einschränkung der gewerkschaftlichen Tarifautonomie, in der er einen Verstoß gegen die Wahlplattformen von 1974 sah, erklärte der Staatssekretär im Schottlandministerium, Roger Hughes, seinen Rücktritt; der Arbeitsminister und Verbindungsmann zwischen Regierung, Parteilinker und Gewerkschaften, Michael Foot, deutete denselben Schritt an, falls die Regierung zur gesetzlichen Einkommenspolitik übergehen werde. Der Industrieverband lehnte die 6-Pfund-Grenze als zu hoch ab, bedeute sie doch bei niedrigen Einkommen eine stabilitätswidrige Zunahme von 20 °/o. Auf heftigen Widerstand stieß hier natürlich auch die einseitige Strafandrohung, wobei noch die delikate Frage im Raume stand, was geschehen werde, wenn die Arbeitgeber gegen überspannte Forderungen ihrer Arbeitnehmer und etwaige Streikaktionen vor ein Arbeitsgericht ziehen würden. Am 3. September 1975 stimmte auch die in Blackpool tagende Jahreskonferenz des britischen Gewerkschaftsdachverbandes TUC mit 2 : 1 dem zwischen General-rat und Regierung im Juli ausgehandelten Stabilitätspakt zu, wobei allerdings hier insofern schon eine Verwässerung eingetreten war, als die Gewerkschaften von einer allgemeinen Erhöhung um wöchentlich £6 ausgingen, während die Regierung hierin ein oberes Limit sah. Jack Jones, mächtiger Führer der mitgliedsstärksten Transportarbeitergewerk-schaft, der zusammen mit den Bergarbeitern dem Generalsekretär Murray zu seinem überzeugenden Abstimmungssieg verhalf, erklärte seine gemäßigte Haltung damit, bei einem Zusammenbruch des Antiinflationsprogrammes, einem weiteren Ansteigen der Arbeitslosigkeit und einer Verschärfung der Spannungen zwischen Regierung und Gewerkschaften könne Wilson sich zur Ausschreibung von Neuwahlen gezwungen sehen, deren Ergebnis für Labour noch gar nicht abzuschätzen sei.

Aber wiederum wurden „Zeitzünder" im „Sozialpakt" eingebaut, die ihm nur eine Lebensdauer auf Zeit und auf Gnaden der Gewerkschaften verleihen: Für den kommunistischen Metallarbeiterführer Kenn Gill war die Vereinbarung über die Lohnbeschränkung nur „so freiwillig wie eine Vergewaltigung“. Len Murray prophezeite eine neue Situation, sollte die Arbeitslosenziffer von gegenwärtig 1, 25 MÜL (5, 4 %) im Winter auf 1, 5 Mill, rücken, was für die Gewerkschaften untragbar sei: „Arbeitslosigkeit ist keine Zusatzoption für die 6-Pfund-Lohnzuwachsgrenze". Weiterhin forderte der Kongreß wiederum ein ganzes Bündel von Stützungsmaßnahmen von massi-ven öffentlichen Bauaufträgen über gezielte Importkontrollen bis zur zwangsweisen Um-lenkung von privaten Anlagemitteln der Wirtschaft in Kanäle, die Arbeitsplätze sichern und neue schaffen sollen (Jones-Plan). Einfuhrkontrollen stoßen jedoch bei der Regierung bisher noch auf ebenso harten Widerstand wie eine staatliche Investitionslenkung, gegen die das Schatzamt bereits seine Bedenken angemeldet haben soll.

Auf dem Jahreskongreß der Labour Party in Blackpool Ende September/Anfang Oktober 1975 gelang es den drei Architekten des „Sozialpaktes", dem Premier Wilson, seinem Arbeitsminister Michael Foot und dem Chef der Transportarbeiter, Jack Jones, unterstützt u. a. von den Bergleuten unter Joe Gormley und den Postarbeitern, das Antiinflations-Bündnis zwischen der Regierung und den Gewerkschaften gegen die „sogenannten linken Extremisten" (Wilson) an der Parteibasis und ihre Forderungen nach Wiederherstellung der vollen Tarifautonomie, nach erweiterter Arbeiter-kontrolle in der Industrie sowie nach einer inflationären Reflationspolitik des Schatzamtes erfolgreich zu verteidigen. Gormley unterstrich jedoch selbstbewußt noch einmal, daß es sich nur um ein Stillhalteabkommen auf Zeit handeln konnte, das die Regierung in den nächsten 12 Monaten an der Front der Inflationsbekämpfung und der Arbeitslosigkeit auf Biegen und Brechen „zum Erfolg verdammte": „Wir haben die Regierung Heath vor zwei Jahren gestürzt und Labour an die Macht gebracht. Wir müssen dieser Regierung jetzt auch eine Chance geben". Michael Foot, lange Liebling der Partei-Linken, nunmehr jedoch unversehens in der undankbaren Rolle eines der aktivsten Krisen-Manager der Wilson-Regierung, beschwor in einem rhetorisch ebenso wie brillanten inhaltlich farblosen Plädoyer für lohnpolitische Enthaltsamkeit und eine Kürzung der öffentlichen Ausgaben die historisch-politische und organisatorische Einheit von Partei und Gewerkschaften: „Dies ist nicht die Stunde der Konfrontation, sondern der Allianz zwischen Gewerkschaften und Regierung."

Die Tarifabschlüsse im Herbst 1975 und Frühjahr 1976 werden also den „social contract", vor allem aber auch die Autorität des Dach-verbandes und seines Generalsekretärs auf eine harte Bewährungsprobe bei der Zügelung der Einzelgewerkschaften stellen, von denen immerhin ein Drittel gegen die Vereinbarung gestimmt haben. Im übrigen ist die Vorbehalts-klausel der Arbeitslosenziffer, deren Zunahme die Regierung bereits für den Winter einkalkuliert, ebensowenig zu übersehen wie die Palette von einschneidenden wirtschaftspolitischen Forderungen, mit deren Präsentation Jones und seine Anhänger den Burgfrieden jederzeit in Frage stellen können. Versuchen wir unter dem Vorbehalt, daß die Entwicklung noch voll im Fluß ist und deshalb jedes Urteil nur vorläufig sein kann, eine Zwischenbilanz: Der „Sozialkontrakt" hat innerhalb des Beziehungsdreiecks Gewerkschaften — Staat — Wirtschaft eindeutig die Gewichte noch weiter hin zum Staat und zu den Arbeitnehmerorganisationen verschoben und damit einen Trend beschleunigt, der sich bereits seit 1945 abzeichnet. Gewerkschaften und Regierung stehen sich in ihrem Bündnis auf Zeit nahezu wie zwei souveräne und gleichgewichtige Gewalten gegenüber, so daß sich wichtige nationale Entscheidungsprozesse vielfach schon — wie die mehrmonatige Agonie der Regierung Heath im Winter 1973/74 deutlich machte — von den verfassungsmäßigen Organen weg auf die unkontrollierte Ebene interessenpolitischer Konfrontation zwischen gesellschaftlichen Machtgruppen verschoben haben.

England ist unregierbar geworden — dieses harte Wort begegnete dem Englandbesucher im Frühjahr 1975 überall. Wenn Wilson, wie zitiert, vor den Bergarbeitern bereits den „Zusammenbruch der Demokratie in Großbritannien" als Gefahr beschwor und sein Schatzkanzler Healey wenige Wochen vorher mit gleichem Tenor angesichts eines Lebensstandards, der von der wirtschaftlichen Leistung der Nation nicht mehr getragen werde, Zweifel äußerte, ob „unser politisches und soziales System eine solche Anspannung aushalten kann“, stellt sich doch die Frage, ob England nicht wirklich jetzt ökonomisch-gesellschaftlich politisch an einer Schwelle steht,

hinter der sich die Defekte in den „industrial relations" in der Tat als irreparabel und systemgefährdend erweisen könnten.

4. Wirtschaftliche Mitbestimmung auf Unternehmensebene

Es gehörte bis vor etwa zehn Jahren zu den Prinzipien britischer Gewerkschaftspolitik, sich ein Höchstmaß an Kontrolle über die Arbeitsbedingungen bei einem Mindestmaß an formalisierter Verantwortung und „collabora-tion" mit dem „Kapital" zu sichern. Deshalb wurden „collective bargaining" und „joint consultation" als mehr unverbindliche Formen der „joint regulation" allen gesetzlich institutionalisierten Ebenen der Mitbestimmung in unternehmerischen Entscheidungsorganen (co-determination) nach deutschem Vorbild vorgezogen. Hier ist zumindest in der Gewerkschaftsführung seit etwa Mitte der sechziger Jahre ein Wandel in Richtung auf das deutsche Mitbestimmungsmodell festzustellen, der freilich bei den Einzelgewerkschaften heute noch auf betonte Zurückhaltung stößt.

Zwar zielen neuere Mitbestimmungsforderungen nach wie vor primär auf einen umfassenden Ausbau des „collective bargaining“ in seinem Themen-wie auch in seinem Geltungsbereich: Einstellung; Ausbildung; Beschickung von Maschinen; Arbeitstempo; Bildung von autonomen Arbeitsgruppen, Produktionsprogrammen und Gruppenmontage nach dem Volvound Olivetti-Prinzip (job-rotation, job-enrichment, job-enlargement); Disziplinfragen; Freisetzung und Entlassung von Arbeitskräften; Pensionsrechte; Krankengeld; Mindestlohn usf. Darüber hinaus jedoch soll die „joint consultation" als eine allgemein zu schwach empfundene Form der Mitwirkung abgelöst werden durch direkte Teilhabe an den Entscheidungen in unternehmerischen Führungsorganen. Das würde freilich eine gesetzliche Umwandlung des britischen Unternehmensrechts von einem „single-board-System", in dem ein Leitungsorgan (board of directors or of management) direkt der Hauptversammlung verantwortlich ist, zu einem „System of two-tier boards" mit Aufsichtsrat (supervisory board) und abhängigem Vorstand (management board) voraussetzen.

Bei der Realisierung dieser Forderung, die gegenwärtig noch überall im Diskussionsstadium ist (Kritiker meinen, sie werde das Parlament nie erreichen), sollte man freilich bedeutsame Unterschiede zum deutschen System nicht übersehen: 1. Der Generalrat fordert von vornherein volle Parität für alle Unternehmen mit mehr als 2 000 Beschäftigten. 2. Alle Arbeitnehmervertreter im paritätischen Aufsichtsrat sind in ihrer Bestellung und Abberufung fest an das Weisungsrecht der im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft resp. Gewerkschaften (hier liegt im multi-unionism noch ein ungeklärtes Problem) zu binden und gleichsam mit einem imperativen Mandat auszustatten: „... Die Arbeitervertreter sollten nicht durch eng gezogene Erfordernisse der Vertraulichkeit unnötig daran gehindert werden, ihrer Wählerschaft Bericht zu erstatten." Der Generalrat wendet sich auch deshalb gegen die Bildung von Betriebsräten (works councils) nach deutschem Vorbild, weil diese sich entweder zu sehr von ihren Gewerkschaften zu emanzipieren drohten. und insofern dann für die gewerkschaftliche Einheit eine Gefahr darstellten oder, wenn nicht, einfach als Doppelkonstruktion zur Gewerkschaftsvertretung überflüssig sein. 3. Auch bei der Einführung der „co-determination" beharrt der Generalrat — zunächst jedenfalls noch — im privatwirtschaftlichen Sektor auf dem Prinzip des Experimentierens und der freiwilligen Vereinbarung zwischen den Tarifparteien, während der Staat nur in den nationalisierten Industrien, im öffentlichen Dienst und bei der Änderung des Unternehmensrechts die gesetzlichen Grundlagen schaffen müsse. 4. Offenbar viel schwerer als die deutsche tut sich die britische Gewerkschaftsführung mit dem Vorwurf und der Gefahr des Interessen-und Loyalitätskonfliktes gewerkschaftlicher Aufsichtsratsmitglieder zwischen Management und Wählerschaft an der betrieblichen Basis. „Das Ziel ist es, eine Form der Repräsentation und der Partizipation am Entscheidungsprozeß auf dem Privatsektor zu finden, die zwar die Teilhabe an bedeutenderen Entscheidungen ermöglicht, aber die Linie der Verantwortung der Arbeitervertreter gegenüber ihren Wählern bestehen läßt."

Hier mögen sich die Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg mit der tiefen Vertrauenskrise zwischen Gewerkschaftsführung und Anhängerschaft, aber auch die antikapitalistische Militanz in zahlreichen Einzelgewerkschaften geltend machen, wie sie auf den Jahreskongressen immer wieder gegen eine allzu „kollaborierende" und integrationistische Kooperationspolitik des Generalrates durchbricht. Der General Council glaubt, das mehr konflikt-orientierte „collective bargaining“ und die mehr partnerschaftliche „co-determination" dadurch miteinander vereinbaren zu können, daß er etwas künstlich Verhandlungsgegenstände überbetrieblicher Tarifkommissionen strikt meint trennen zu können von Führungsaufgaben auf Unternehmensebene

Welche Ursachen liegen diesem Sinneswan-del zumindest an der Gewerkschaftsspitze zu -grunde, der sich 1966 mit dem Positionspapier des TUC für die Donovan-Kommission und 1967 mit dem Report der Labour Party über „Industrial Democracy" ankündigte? Hier sind vier Gründe zu unterscheiden: 1. Eine große Rolle spielt die Enttäuschung über den geringen Grad an gewerkschaftlicher Einflußmöglichkeit im Rahmen des „Whitleyism" allgemein und in den Organen der „joint consultation" sowie den Boards der nationalisierten Industrien im besonderen. So erschien die vom TUC ausdrücklich damals gebilligte Regelung der „joint consultation" von 1945 21 Jahre später nur noch als „Interimslösung", die jetzt in der gegenwärtigen Situation ergänzt werden muß“ „Man erkennt jetzt immer mehr, daß wenigstens in den Industrien in Gemeineigentum auf jeder Stufe in der Managementstruktur für Gewerkschaftsvertreter der in diesen Industrien Beschäftigten eine Vorkehrung getroffen werden muß, daß sie an der Formulierung der Politik und an der täglichen Führung dieser Industrien teilhaben können." 2. Mit der ansteigenden und immer mehr die nationalen Grenzen überschreitenden Größe industrieller Unternehmen, der immer ausgeprägteren Kapitalkonzentration, einer ebenso zunehmenden Aufteilung, Spezialisierung und Verwissenschaftlichung von Management-funktionen und schließlich auch mit einer „wachsenden Entfernung der eigentlichen Entscheidungsprozesse von der betrieblichen Basis" stellte sich heraus, daß „fundamentale" Aufgabenbereiche der unternehmerischen Prärogative wie Investitionsentscheidungen, Massenentlassungen, Betriebsumstellungen, -Verlagerungen, -Zusammenlegungenoder -Stilllegungen, Rationalisierungen, die Fertigungs-und Verkaufspolitik oder auch die Einführung technischer Neuerungen — alles Punkte, die das einzelne Arbeitnehmerschicksal nachhaltig bestimmen können — einer Kontrolle weder von den Konsultativmechanismen noch vom „collective bargaining" oder von den Betriebsobleuten her wirklich zugänglich sind, zumal da Kollektivverhandlungen und Shop Stewards überhaupt nicht in der Unternehmensverfassung verankert sind. Daraus wurde die Forderung nach einer gestaffelten Gewerkschaftsvertretung „auf den verschiedenen Ebenen, auf denen die unterschiedlichen Typen von Entscheidungen fallen", bis hinauf zum höchsten Leitungsorgan sowie nach Einsetzung eines Gewerkschafters als Arbeitsdirektor hergeleitet, wie sie bereits 1967 in der Stahlindustrie vertraglich zwischen dem Stahlausschuß des TUC und der staatlichen British Steel Corporation vereinbart worden war.

3. Eine gesetzlich und unternehmensrechtlich verankerte Mitbestimmung der Gewerkschaften auf allen Unternehmensebenen bietet die Möglichkeit, „die Organisation der Shop Stewards, wo sie besteht, in die eigene Struktur zu integrieren" Damit ließe sich dann auch dem erwähnten Autoritätsverfall der offiziellen Arbeitnehmerorganisation an der betrieblichen Basis erfolgreich entgegenwirken. „Es ist wesentlich, daß sich alle Wege zur Ausdehnung der industriellen Demokratie auf die Gewerkschaftsmaschinerie gründen, und dies sollte parallel laufen zu einem wachsenden Grad von Mitbestimmung in der Gewerk-Schaftsdemokratie"

4. Seit 1972 macht sich in der englischen Mitbestimmungsdiskussion im Zuge der Debatten über die Zugehörigkeit zur EG verstärkt der Einfluß Brüssels und über ihn gleichzeitig der der kontinentaleuropäischen Modelle geltend, insbesondere des deutschen. Von der Europäischen Kommission liegen seit 1972 einander sehr ähnliche Vorschläge vor a) für eine Harmonisierung des europäischen Unternehmensrechts (Draft Fifth Directive on Company Law) und b) für das Statut einer Europäischen Aktiengesellschaft. Beide Entwürfe gehen von einer Angleichung des englischen an das deutsche oder niederländische Gesellschaftsrecht mit einem „System of two-tier boards" aus, sehen aber im Gegensatz zu den Vorstellungen der englischen Gewerkschaften für die Arbeitnehmervertreter in grenzüberschreitenden Unternehmen nur eine Drittelparität im Aufsichtsrat vor. Die beiden anderen Drittel sollen durch Vertreter der Anteilseigner und solche des öffentlichen Interesses gestellt werden, wobei letztere gleichberechtigt von Anteilseignerund Arbeitnehmerseite zu benennen sind. Während diese institutionalisierte Fassung der Mitbestimmung heute noch sehr umstritten und in der Schwebe ist, haben zwei weitere flankierende und vom Generalrat schon seit Jahren geforderte Maßnahmen zum Ausbau der „industrial democracy" bereits in der „Industry Bill" ihren Niederschlag gefunden, die Wilson dem Unterhaus am 17. Februar 1975 zur zweiten Lesung vorlegte: a) eine sehr extensive Fassung der unternehmerischen Informationspflicht gegenüber den Gewerkschaften und b) die Möglichkeit von „Planungsabkommen" (planning agreements) zwischen Unternehmensführung, Gewerkschaften und Regierung. Gerade der Punkt a) wäre nach Vorstellung des TUC „ein Schritt zur Demokratisierung wie auch ein wesentliches Element im Prozeß des , collective bargaining'" 131).

Für das weitere Schicksal der unternehmens-rechtlichen Lösung der Mitbestimmungsfrage dürfte wahrscheinlich wichtig sein, daß nicht nur, wie erwartet, die „Confederation of British Industry" dem TUC-Modell heftigen Widerstand leistet, sondern auch aus den Einzel-gewerkschaften inzwischen Bedenken laut geworden sind. So wurde auf dem Jahreskongreß in Brighton 1974 ein Antrag der Metallarbeitergewerkschaft AUEW, unterstützt von einer Postgewerkschaft sowie der mächtigen „General and Municipal Workers’ Union“

(GMWU) und der „Electrical Electronic Telecommunication Union" (EETU), durchgebracht, nach dem „jede Ausweitung der gewerkschaftlichen Mitbestimmung im industriellen Management als Ausdehnung des , collective bargaining’ erfolgen soll und keineswegs die definierte Rolle der Gewerkschaften (d. h. die Förderung der Mitgliederinteressen) kompromittieren darf". Der „beste Weg zur Stärkung der industriellen Demokratie“ sei eine Konsolidierung und Erweiterung des Anwendungsbereiches des „collective bargaining". „Der Kongreß weist die verbindliche Einrichtung von Aufsichtsräten mit Arbeitsdirektoren zurück und fordert eine flexible Lösung, die zwar das Recht zum Verhandeln über wichtige Fragen (wie technologische Umstellungen, Rationalisierungen, Beschäftigungsplanung, Entlassungen etc.) gesetzlich abstützt, aber die Kontrolle unmittelbar auf die Maschinerie des .collective bargaining'überträgt". Auch hier hat sich also wieder der traditionelle Grundsatz gewerkschaftliche Mitbestimmungspolitik durchgesetzt, ein Maximum an Kontrolle von außen zu verbinden mit einem Minimum an direkter und verbindlicher Verantwortung von innen.

Härter noch ist der Widerstand von Unternehmerseite, der schon im Positionspapier der CBI für die Donovan-Kommission und dann u. a. in den zwei eindeutigen Erklärungen „The Responsibilities of the British Public Company“ (September 1973) und „Employee Participation" (Oktober 1974) seinen Niederschlag gefunden hat. Den Gewerkschaften wird hier eindeutig der notwendige Wille zur Teilhabe an der unternehmerischen Verantwortung im Interesse des Gesamtuntemehmens — in der Tat ein wunder Punkt der gewerkschaftlichen Argumentation! — abge-sprachen und jede Konzeption einer gesetzlich verankerten „co-determination" wie einer Änderung des Unternehmensrechts energisch verworfen als unnötige „Einmischung des Staates und des Gesetzes in die delikate Angelegenheit der Arbeitnehmerbeziehungen" und als Ansatz zum Gewerkschaftsstaat. Die Vorschläge der CBI für eine Erweiterung der „participation" halten sich freilich ganz im traditionellen Rahmen: a) Kommunikation (communication) als „Hinund Rückfluß von Ideen und Informationen", b) Konsultation (consultation) als Mechanismus zur Einfütterung von Ansichten und Vorschlägen der Belegschaft vor einer Entscheidung, „über die so weit wie möglich eine Einigung erzielt werden soll, über die aber das Management die letzte Autorität behält", c) Kollektivverhandlungen (collective bargaining) als „natürliche und potentiell erfolgreichste Methode für die Steigerung der Mitbestimmung auf Arbeitnehmerseite". „Communication“, „consultation“ und „nego-tiation arrangements“ auf Unternehmensebene, heißt es in der Erklärung von 1973 sehr vage „ sollen so sein, daß die Arbeitnehmer Vertrauen haben werden, daß ihre Ansichten über die sie selbst betreffenden Angelegenheiten voll vom Direktorium berücksichtigt werden". „Es ist nicht , co-determination'oder ein Arbeitnehmerveto, das vorgeschlagen wird, sondern ein Vorgang, um die Arbeitnehmer in den Konsultativprozeß zu bringen, damit ihre Ideen vor einer Entscheidungsfindung berücksichtigt werden können. Dies setzt offenkundig voraus, daß sie die notwendigen Kenntnisse haben müssen, um von ihnen aus ihre Ideen und Vorschläge zu formulieren. Dieser Prozeß (der Konsultation) sollte die Entscheidungsfindung des Direktoriums unterstützen, indem er seine Entschlüsse mit dem größtmöglichen Maß an Zusammenarbeit im gesamten Unternehmen abstützt." Hier treffen sich also der mehr konfliktorientierte Flügel der Gewerkschaftsbewegung und der sozialpartnerschaftlich ausgerichtete Unternehmerverband in ihrem beiderseitigen tiefen Mißtrauen gegen eine gesetzlich institutionalisierte Mitbestimmung, deren Ambivalenz in dem Spannungsfeld zwischen Gegenmachtund Integrationsmodell auch in Deutschland besonders in den fünfziger Jahren sehr diskutiert wurde.

Die Donovan-Kommission zeigte angesichts derartig widersprüchlicher Positionspapiere aus beiden Lagern sowie ähnlich uneinheitlicher Erfahrungen bei ihren Erkundigungen in Deutschland keine eindeutige Haltung Entsprechend ihrer Gesamtkonzeption beharrte sie, unterstützt von TUC und CBI, auf den Vorzügen einer „freiwilligen Regelung" und auf der Herausstellung des „collective bargain-ing" als wirkungsvollster Form der „industrial democracy“. Der Arbeitsdirektor wurde mehrheitlich abgelehnt, da er bei dem Zwang, schwierige Entscheidungen verantworten zu müssen, in einen unüberwindbaren Loyalitätskonflikt zwischen Belegschafts-und Firmeninteressen kommen könnte. Eine Kommissionsminderheit sprach sich dafür aus, in dieser Richtung doch wenigstens auf freiwilliger Basis Experimente zu ermutigen, da die gegenwärtige Unternehmensverfassung den Aktienbesitzern alle Rechte und den möglicherweise viel direkter betroffenen Belegschaftsmitgliedern keine einräume.

Ein kurzer abschließender Blick auf das erwähnte Industriegesetz, das noch mit vielen Abänderungsanträgen die Gesetzgebungsmaschinerie durchläuft, mag den gegenwärtigen Stand der Mitbestimmungsdiskussion in England noch einmal verdeutlichen. Mit dieser Vorlage steht Wilson bei den Gewerkschaften im Wort, die bei den gemeinsamen Wahlplattformen 1974 nicht nur die Aufhebung der verhaßten „Industrial Relations Bill" von 1971, sondern auch einen Ersatz forderten, der ihre Machtpositionen auf allen Ebenen von der gesamtvolkswirtschaftlichen bis hinunter zur betrieblichen verankern sollte. Das Ziel der Bill, erklärte der linke und inzwischen abgelöste Industrieminister Anthony Wedgwood Benn bei der zweiten Lesung am 17. Februar 1975, mit ausgesprochen klassenkämpferischem Akzent, ist es, „die industrielle Demokratie zu erweitern ... und so daran mitzuhelfen, die Verlagerung der Macht zugunsten der Arbeiterschaft herbeizuführen".

An drei zentralen Punkten hat sich die Kontroverse seit Februar besonders entzündet: 1. National Enterprise Board: Die unter Kontrolle der Regierung stehende Unternehmensbehörde soll — unter der Auflage, einen „angemessenen" Gewinn zu erzielen—, ausgestattet mit einer Verfügungsgewalt über £700 Mill., die auf £1 Mrd. erhöht werden können, die britische Wirtschaft unterstützen, die industrielle Leistungsfähigkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit Englands fördern sowie Arbeitsplätze sichern und neue schaffen. Mit diesem Ziel kann sie selbst neue Unternehmen gründen, bestehende subventionieren oder ihre Reorganisation in die Wege lei-ten, sogar gewinnträchtige Industrieunternehmen in öffentlichen Besitz überführen und auch in die Privatwirtschaft durch Aktienaufkauf einsteigen. Die CBI sieht in diesen sehr extensiv auslegbaren Befugnissen des NEB den Ansatz zu einer „massiven Expansion des öffentlichen Sektors" sowie zu einer „konsequenten Erosion der freien Unternehmerwirtschaft" und zu einer „Versteinerung (fossilisation) der englischen Industriestruktur'

durch Herausnahme aus dem marktwirtschaftlichen Wettbewerbssystem. Erhaltung der Arbeitsplätze und Sicherung der internationalen Leistungsund Wettbewerbsfähigkeit könnten in Widerstreit geraten; dann werde, prophezeite die CBI, die Regierung politisch unpopulären Entscheidungen ausweichen und sich unter Einsatz von Steuergeldem für den Arbeitsplatzerhalt und gegen die Effektivitätssteigerung durch Rationalisierung aussprechen. Noch umstrittener sind die folgenden beiden Punkte:

2. Planning Agreements: Entsprechend den seit Jahren schon vom TUC vorgetragenen Forderungen können sich auf freiwilliger Grundlage Regierungsbeamte, Unternehmer und Gewerkschaften zusammenfinden zu Planungsabsprachen über die Lage neuer Fabriken, über Investitionsentscheidungen oder Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Bestellung und Auswahlmodus für die Arbeitnehmervertreter in Unternehmen mit mehreren Gewerkschaften (multi-unionism) sind noch umstritten; die Initiative zu einem „planning agreement" kann ausgehen a) von der Regierung selbst, b) von einem Angebot einzelner Firmen, c) von den Gewerkschaften, d) unter dem Druck finanzieller Schwierigkeiten, bei denen sich die betroffene Firma dann an die Regierung um Hilfe wendet und einem Planungsabkommen zustimmen muß.

3. Disclosure oi Information: Eine Firma kann auf Antrag des Industrieministers gesetzlich verpflichtet werden auf Offenlegung ihrer Daten über Kapitalausstattung und -auf-Wendungen, über Produktionsausstoß und Produktivität, über Verkauf, Export und Besitztitel sowie über andere wichtige Punkte ihrer Geschäftspolitik. Diese weit über nor-male Geschäftsberichte für die Aktienbesitzer hinausgehenden Informationen, gegen deren Herausgabe die Unternehmen vor einem unabhängigen Ausschuß Widerspruchsrecht ha-ben, müssen den Gewerkschaften als Basis für „planning agreements" und auch für das „collective bargaining" weitergegeben werden, es sei denn, der Industrieminister verfügt im nationalen Interesse über eine Geheimhaltung. Die Industrie befürchtet hier einen Mißbrauch mit geheimen Geschäftsinformationen zu La-sten der eigenen Firma und zum Vorteil der in-und ausländischen Konkurrenz. Insofern konnte auch hier im Laufe der Beratungen durch Änderungsanträge das Freiwilligkeitsprinzip wieder stärker zur Geltung gebracht und vor allem dadurch eine extensive Interpretation zum Nachteil, unternehmerischer Geschäftspolitik abgeblockt werden, daß das Schatzamt gleichsam Zug um Zug ebenfalls auf eine Veröffentlichung seiner Globalrechnungen über die Erwartungen beim Sozialprodukt, auf dem Arbeitsmarkt, bei der Zahlungsbilanz, bei den durchschnittlichen Verdiensten und bei allen anderen ökonomischen Variablen festgelegt wurde. Damit haben die Unternehmen die Möglichkeit, unter Verweis auf staatliche Informationsversäumnisse jederzeit auch die eigenen Offenlegungen hinauszuschieben. Auch hier konnten, da noch alles im Fluß ist, nur Trends aufgezeigt werden, die freilich alle in dieselbe Richtung weisen: verstärkte staatliche Reglementierung des Wirtschaftslebens und immer weitere Expansion des öffentlichen Sektors mit dem Ziel einer volkswirtschaftlichen Stabilisierung und Konsolidierung „von oben", nachdem die „voluntaristischen" Selbstheilungskräfte „von unten" nicht mehr wirkungsvoll genug greifen. Abschließend sei ausdrücklich davor gewarnt, die sehr tief sitzenden und geschichtlich bedingten Strukturdefekte in den „industrial relations" allein für die Wirtschaftsmisere verantwortlich zu machen oder gar mit ihnen einseitig die Gewerkschaften zu belasten. Eklatante Versäumnisse im Management, in der Absatz-und Werbungsstrategie, in der Investitionspolitik und in vielen anderen Entscheidungsbereichen privaten Unternehmertums, des Handels und der Banken haben mit-geholfen, England in bestimmten Industrie-zweigen und auch gesamtvolkswirtschaftlich innerhalb von hundert Jahren vom ersten auf einen der unteren Ränge unter den führenden Industrienationen absacken zu lassen.

Dies meinte auch Helmut Schmidt, wenn er in einer im liberalen , Guardian'vom 30. September 1975 veröffentlichten „Diagnose der englischen Krankheit" den britischen Gewerkschaften einerseits zwar zuviel Klassenkampf, zu viele Streiks und eine „abwegige" Organisation im Vergleich zu den 16 Industriegewerkschaften in Deutschland vorwarf und ihnen zugleich vorhielt, trotz ihrer Militanz für den englischen Arbeiter „real ausgedrückt weniger erreicht (zu haben) als die deutschen Gewerkschaften für die deutschen Arbeitnehmer", andererseits jedoch auch zugab, nur schwer unterscheiden zu können, ob das schläfrige Management in Großbritannien oder die in engstirnigem insularem Denken befangenen Gewerkschaften die schlimmeren Übeltäter seien. Angeblich soll der Bundeskanzler sogar empfohlen haben, das britische Spitzenmanagement und die Gewerkschafts-führung als völlig ineffektiv gleich gemeinsam in die Nordsee zu werfen. Ausdrücklich strich er dagegen in dem Interview mit dem , Guardian‘-Kolumnisten Peter Jenkins den hohen Wert der Mitbestimmung in Deutschland, der die meisten englischen Gewerkschaften gar nichts abgewinnen könnten, und seine Abneigung gegen eine Ausdehnung staatlicher Omnipotenz auf dem wirtschaftlichen Sektor heraus: „Ich glaube nicht an ein Anwachsen der Bürokratie und an die ökonomische Weisheit des Staates im industriellen Management.“

Auch wird man die Industriebeziehungen mit all ihren Krisensymptomen eingebettet sehen müssen in eine Gesamtentwicklung, die seit dem Zweiten Weltkrieg für England gekennzeichnet ist durch den Verlust seiner einstigen politischen und kommerziellen Weltmachtstellung, durch den Rückgang der überseeischen Kapital-und Dienstleistungserträge mit dem Zwang, die Gegenleistungen für den traditionellen Einfuhrüberhang sowie die nach wie vor vorgenommenen privaten Kapitalexporte nunmehr viel stärker als einst aus eigener Produktivität erwirtschaften zu müssen, durch die Rüstungsbelastung, die „östlich von Suez" erst mit dem Debakel von 1956 langsam abgebaut wurde, und endlich durch die ständigen Zahlungsbilanzdefizite und die hohe Außenverschuldung, die das Pfund international viel empfindlicher gegen Spekulationen als früher gemacht haben.

Inmitten dieses komplexen politisch-ökonomisch-monetären Krisensyndroms konnten sich die negativen Auswirkungen der beschriebenen Strukturdefekte sicher sehr viel nachhaltiger als unter den einstigen Bedingungen nationaler und internationaler wirtschaftlicher Blüte und Stabilität geltend machen? Als Kontinentaleuropäer haben wir allen Anlaß, uns mit den Problemen Englands in voller Solidarität und Kooperationsbereitschaft auseinanderzusetzen. Denn im „Europa der Neun" gilt verstärkt das, was J. M. Keynes einst nach dem Ersten und der amerikanische Außenminister Byrnes nach dem Zweiten Weltkrieg über das besiegte Deutschland geäußert haben: Europa kann nicht gesunden ohne England und England nicht ohne Europal

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dan van der Vat (Bonner Times-Korrespondent), in: DIE ZEIT Nr. 6, 1. 2. 1974, S. 25.

  2. H. A. Clegg, The System of Industrial Relations in Great Britain, Oxford 1972, S. 58 (zit. Clegg, Industrial Relations).

  3. Die Zahlen sind aus: Royal Commission on Trade Unions and Employers'Associations, Selec-ted Written Evidence Submitted to the Royal Commission (Confederation of British Industry, the Trades Union Congress and others) London 1968, S. 637 ff. (zit. Evidence) und D. Albers/W. Gold-schmidt/P. Oehlke, Klassenkämpfe in Westeuropa, rororo 1502, darin: P. Oehlke, Großbritannien, S. 193 ff. (zit. Oehlke).

  4. Zur Herstellung eines einheitlichen Vergleichs-wertes wird hier ausgegangen von dem relativen Preisniveau von 1965, ausgedrückt in U. S. -Dollar.

  5. Vgl. dazu H. Möhring, Struktur und Problematik des britischen Systems der Beziehungen zwischen den Sozialpartnern (Industrial Relations), unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitnehmervertreter auf Firmenebene (Shop Stewards), Diss. Erlangen-Nürnberg 1973, S. 5 ff. (zit. Möhring), und A. Flanders, Konflikt und Kooperation. Eine theoretische Studie über das System der Industrial Relations', Frankfurt 1968 (dt. übers.), S. 5 (zit. Flanders, Konflikt). Aus der Fülle der Lit. zu den „Industrial Relations" seien hier neben den Büchern von Clegg, Industrial Relations, und Albers/Goldschmidt/Oehlke, Klassenkämpfe (materialreich, aber ideologisch recht einseitig!) u. a. erwähnt: A. Flanders/H. A. Clegg, The System of Industrial Relations in Great Britain. Its History, Law and Institutions, Oxford 1954 (zit. Flanders/Clegg, System); E. Bandholz, Die englischen Gewerkschaften. Organisationstypen, Zielsetzungen, Kampfesweisen von der Gründung bis zur Gegenwart, Köln 1961 (zit. Bandholz); Royal Commission on Trade Unions and Employers'Associations 1965— 1968, Chairman: The Rt. Hon. Lord Donovan, Report, London 1968, Cmnd. 3623 (zit. Donovan-Report); W. E. J. McCarthy (Ed.), Trade Unions, Penguin Books, 1972; Ben Hooberman, An Intro-duction to British Trade Unions, Penguin Books, 1974; J. -M. Fischer-Antze, Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen in englischen Betrieben. Ein Beitrag zum Thema Mitbestimmung, Diss., Göttingen 1974 (zit. Fischer-Antze); zur frühen englischen Arbeiterbewegung vgl. die beiden Standardwerke E. P. Thompson, The Making of the English Working Class, London 1963, H. A. Clegg/A. Fox/A. F. Thompson, A History of British Trade Unions since 1889, Vol. I 1889— 1910, Oxford 1964. Jüngst als wichtige Monographie erschienen; G. Brandt: Gewerkschaftliche Interessenvertretung und sozialer Wandel. Eine soziologische Untersuchung über die Entwicklung der Gewerkschaften in der britischen Eisen-und Stahlindustrie 1886— 1917, Frankfurt 1975.

  6. Flanders, Konflikt S. 6.

  7. Flanders, Konflikt S. 56.

  8. Flanders, Konflikt S. 76.

  9. Flanders, Konflikt S. 80.

  10. B. -J. Wendt, Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft in der Weimarer Republik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 26/69, S. 27 ff.

  11. Hiermit wird nicht die These vertreten, als habe sich die englische Wirtschaft im 19. Jh. überhaupt in einem staatfreien Raum entwickelt. Vgl. dazu u. a. Ph. Deane, Die Rolle des Staates, in: R. Braun/W. Fischer/H. Großkreutz/H. Volkmann, Industrielle Revolution, Köln/Berlin 1972, S. 272 ff.

  12. R. Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965, S. 194 f.

  13. G. D. H. Cole, Guild Socialism, London 1920; ders., Trade Unions as Co-Managers of Industry, in: McCarthy, Trade Unions, S. 61 ff.

  14. R. Kuda, Arbeiterkontrolle in Großbritannien. Theorie und Praxis, Frankfurt 1970, ed. suhrkamp 412.

  15. Vgl. auch S. and B. Webb, The History of Trade Unionism, London 1894, zweite, erweiterte Auflage London 1920; vgl. weiter H. A. Clegg, Industrial Democracy and Nationalization, Oxford 1951; ders. A New Approach to Industrial Democracy, Oxford 1960; P. Blumbeig, Industrial Democracy: The So ciology of Participation, London 1968.

  16. F. Naphtali, Wirtschaftsdemokratie. Ihr Wesen, Weg und Ziel, Neuauflage Frankfurt 1969.

  17. Donovan-Report S. 54, § 212.

  18. Trades Union Congress, First Memorandum: Trade Unionism, in: Evidence S. 127, § 125.

  19. Zit. nach Flanders/Clegg, System, S. 316.

  20. Confederation of British Industry, First Memorandum, in: Evidence, S. 295, § 187; A. Flanders, Memorandum, in: Evidence, S. 556 f.; H. A. Turner, Memorandum, in: Evidence, S. 661, §§ 6 u. 7.

  21. W. Tegtmeier, Wirkungen der Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Eine sozial-ökonomische Analyse potentieller und faktischer Wirkungen der Mitbestimmung im Unternehmen und im unternehmensexternen Bereich, Göttingen 1973 (Wirtschaftspolitische Studien 30).

  22. T. Lupton, Memorandum, in: Evidence, S. 612.

  23. Fischer-Antze, S. 72 f.

  24. Vgl. Anm. 1.

  25. Vgl. Anm. 1.

  26. DIE ZEIT, Nr. 6 v. 1. 2. 1974, S. 26,

  27. Clegg, Industrial Relations, S. 29.

  28. A. Briggs, Social Background, in: Flanders/Slegg, System, S. 25.

  29. H. -U. Wehler, Modernisierungstheorie und Geschichte, Göttingen 1975, S. 17.

  30. J. Kocka, Organisierter Kapitalismus oder Staatsmonopolistischer Kapitalismus? Begriffliche Vorbemerkungen, in: H. -A. Winkler (Hrsg.), Organisierter Kapitalismus. Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 9, Göttingen 1974, S. 20 f.; vgl. in demselben Band: H. Medick: Anfänge und Voraussetzungen des organisierten Kapitalismus in Großbritannien 1873— 1914, S. 58 ff., und B. -J. Wendt, War Socialism — Erscheinungsformen und Bedeutung des Organisierten Kapitalismus in England im Ersten Weltkrieg, S. 117 ff.

  31. A. Fox, A Sociology of Work in Industry, London 1971, S. 154 (zit. Fox, Sociology); Flanders/Clegg, System, S. 316.

  32. Industrial. Democracy. Report by the TUC General Council to the 1974 Trades Union Congress, July 1974, S. 27, § 62 (zit. Industrial Democracy).

  33. K. Biedenkopf, Sozialpolitik und Arbeitsrecht, in: H. Mommsen/D. Petzina/B. Weisbrod, Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1974, S. 296 ff.

  34. 0. Kahn-Freund: Legal Frame Work, in: Flanders/Clegg, System,'S. 44.

  35. Literatur bei Fox, Sociology, S. 67.

  36. Industrial Democracy, S. 14, § 24.

  37. H. A. Clegg/T. E. Chester, Joint Consultation, in: Flanders/Clegg, System S. 361.

  38. Flanders/Clegg, System, S. 363.

  39. H. A. Clegg, Mitbestimmung und gewerkschaftiche Macht. Eine britische'Stellungnahme zum deutschen Mitbestimmungsrecht, in: Gewerkschaftshe Monatshefte 8, 1957, S. 615 ff. (zit. Clegg, Mitbestimmung); ders., Die Demokratisierung der Wirtschaftspolitik in Großbritannien, in: A. F. Utz/F B. Streithofen (Hrsg.), Demokratie und Mitbe-

  40. Zit. nach THE SUNDAY TIMES v. 16. 2. 1975, S. 57.

  41. B. -J. Wendt, Wirtschaftliche Mitbestimmung — ein Problem unserer Wirtschaftsund Sozialordnung, in: Schriften der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1969.

  42. Donovan-Report, S. 203, § 751.

  43. O. Kahn-Freund, Legal Frame Work, in: Flanders/Clegg, System, S. 105.

  44. Donovan-Report, S. 204, § 754.

  45. O. Kahn-Freund, Lega! Frame Work, in: Flan ders/Clegg, System, S. 112 f.

  46. Kahn-Freund, Legal Frame Work, in: Flan-ders/Clegg, System, S. 57 ff.

  47. The Law Society: The Law Affecting the Activities of Trade Untons and Employers’ Associations. Memorandum of the Council of the Law Society, in: Evidence, S. 510, § 20. .

  48. Donovan-Report, S. 28, § 108.

  49. Donovan-Report, S. 122 f., §§ 460/461.

  50. Zit. nach Fox, Sociology, S. 152.

  51. Flanders, Konflikt, S. 22.

  52. Vgl. Flanders, Konflikt; Fox, Sociology; Clegg, Industrial Relations — alle Werke mit weiterführender Literatur.

  53. T. Parsons, Beiträge zur soziologischen Theorie, hrsg. und eingeleitet v. D. Rüschemeyer, Darmstadt 1973’; ders., Das System moderner Gesellschaften, München 1972.

  54. Clegg, Industrial Relations, S. 188 ff.

  55. E. Mayo, Probleme industrieller Arbeitsbedingungen, Frankfurt 1949 (dt. übers.).

  56. A. Fox, Industrial Sociology and Industrial Re-lations. Royal Commission on Trade Unions and Employers’ Associations, Research Paper No. 3, S. 3— 14.

  57. Fox, Sociology, S. 126.

  58. Fischer-Antze, S. 26.

  59. Zur „Joint Consultation" vgl. H. A. Clegg/T. E Chester, Joint Consultation, in: Flanders/Clegg, System, S. 323 ff.; Fischer-Antze, S. 20 ff. et passim.

  60. T. Lupton, Memorandum, in; Evidence, S. 615.

  61. Confederation of British Industry, First Memorandum, in: Evidence, S. 270, § 97.

  62. Fischer-Antze, S. 32.

  63. Vgl. Wendt, Anm. 30.

  64. Vgl. Wendt, Anm. 10.

  65. Vgl. G. W. McDonald/H. F. Gospel, The Mond-Turner Talks, 1927— 1933: A Study in Industrial Co-operation, in: The Historical Journal, XVI, 4, 1973, S. 807— 829.

  66. Vgl. Clegg, Mitbestimmung, S. 615 ff.; ders., Demokratisierung, S. 157 ff.

  67. Zit. nach Clegg, Mitbestimmung, S. 617.

  68. Clegg, Mitbestimmung, S. 615 ff.

  69. Clegg, Mitbestimmung, S. 618.

  70. Zu dem Doppelsystem vgl. Donovan-Report, S. 12 f., §§ 46— 52; S. 18 f., §§ 65— 68; S. 36 f„ §§ 143— 154; S. 261 f., §§ 1007— 1018; Clegg, Industrial Relations, S. 200 ff.; 243 ff.; A. Flanders, Memorandum, in: Evidence, S. 552 ff.

  71. Flanders, Memorandum, in: Evidence, S. 552; Donovan-Report, S. 18, §§ 65— 68; Clegg, Industrial Relations, S. 289 f.

  72. Donovan-Report, S. 120, § 454.

  73. Möhring, S. 204.

  74. Donovan-Report, S. 77, § 296.

  75. A. Briggs, Social Background, in: Flanders/Clegg, System, S. 40.

  76. T. Lupton, Memorandum, in: Evidence, S. 612.

  77. Trades Union Congress, First Memorandum: Trade Unionism, in: Evidence, S. 129, § 136.

  78. Vgl. W. Kratz, Lohn für den „toten Mann', in: DIE ZEIT Nr. 16, 11. 4. 1975, S. 39.

  79. Vgl. W. Kratz, Konfetti für die Staatsbetriebe. Warum die nationalisierte Industrie in einer Dauerkrise steckt, in: DIE ZEIT Nr. 36, 29. 8. 1975, S. 26.

  80. Donovan-Report, S. 9, § 36; kritisch zu diesem Teil des Kommissionsberichtes Clegg, Industrial Relations, S. 138 ff.

  81. Donovan-Report, S. 37, § 154.

  82. Donovan-Report, S. 126, § 472.

  83. A. Flanders, Memorandum, in: Evidence, S. 558.

  84. A. Flanders, Memorandum, in: Evidence, S. 551.

  85. Trades Union Congress, First Memorandum: Trade Unionism. in: Evidence, S. 140 ff.; §§ 174 bis 180 bes. S. 141, § 177; vgl. auch Clegg, Industrial Relations, S. 441 ff., bes. 447.

  86. Trades Union Congress, First Memorandum: Trade Unionism, in: Evidence, S. 140, § 174.

  87. O. Kahn-Freund, Legal Frame Work, in:. Flanders/Clegg, System, S. 65 f.

  88. D. J. Robertson, Additional Memorandum on Wages Councils, in: Evidence, S. 654, § 2 (e).

  89. Donovan-Report, S. 37, § 151; von dem Rest werden 5 Mill, überhaupt nicht von Tarifverträgen erfaßt, 1 Mill, durch reine Unternehmens-und Betriebsabkommen, 7 Mill, durch industrieweite Abkommen mit enger Anpassung auf Unternehmensund Betriebsebene, 6 Mill, durch industrieweite Abkommen, wo freilich Betriebsabkommen den Effektivlohn bestimmen.

  90. Trades Union Congress, First Memorandum: Trade Unionism, in: Evidence, S. 141 f., §§ 178 bis 180.

  91. Trades Union Congress, First Memorandum: Trade Unionnism, in: Evidence, S. 142, § 180.

  92. Clegg, Industrial Relations, S. 346.

  93. Trades Union Congress, First Memorandum: Trade Unionism, in: Evidence, S. 146 f., § 200.

  94. Vgl. Anm. 93.

  95. Clegg, Industrial Relations, S. 418 ff.

  96. Die reale Wachstumsrate des Bruttosozialproduktes lag 1965 mit 2, 5 % nur halb so hoch wie die Inflationsrate mit 4, 9 ’/o.

  97. Oehlke, S. 243.

  98. Zit. nach Clegg, Industrial Relations, S. 438.

  99. Clegg, Industrial Relations, S. 440.

  100. Donovan-Report S. 46 f„ § 190.

  101. Donovan-Report S. 40, § 162.

  102. Donovan-Report S. 45, § 182.

  103. Donovan-Report S. 50, § 203 (5).

  104. Donovan-Report S. 53, S. 210.

  105. Donovan-Report S. 85, § 329.

  106. Donovan-Report S. 196, § 729.

  107. Donovan-Report S. 260, § 1006; vgl. auch zum Profit-Sharing H. A. Turner, Memorandum, in: Evidence, S. 668— 670, §§ 27— 32 und Bandholz S 120: Das profit sharing System'als neues Lohnsystem in der Kohlenindustrie (nach dem Ersten Weltkrieg).

  108. Clegg, Industrial Relations, S. 481; sehr kritisch auch Hooberman, An Introduction, S. 87 ff.

  109. Vgl. ausführlich dazu Fischer-Antze, S. 171 ff.

  110. Donovan-Report, S. 22 f„ §§ 85, 86; S. 39, § 158; S. 44 f„ § 181; S. 76 f., §§ 293— 295; S. 78 f., § 303; S. 83 ff., §§ 318— 329.

  111. Donovan-Report, S. 39 § 158.

  112. Vgl. dazu A. Flanders, The Fawley Productivity Agreement, 1964.

  113. Oehlke, S. 235.

  114. Fischer-Antze, S. 181 ff.

  115. Oehlke, S. 235, 237.

  116. Fischer-Antze, S. 180.

  117. Trades Union Congress, First Memorandum: Trade Unionism, in: Evidence, S. 158, § 252.

  118. Confederation of British Industry, First Memorandum, in: Evidence, S. 269, §§ 90— 92; S. 275, § 112: S. 278, § 124; Clegg, Industrial Relations, S. 152; A. Flanders, Memorandum, in: Evidence, S. 576— 580; T. Lupton, Memorandum, in: Evidence, S. 612 ff.

  119. Trades Union Congress: Collective Bargaining and the Social Contract, 26. 6. 1974, S. 4, §§ 1— 4.

  120. Zit. nach DIE WELT, Nr. 151, 3. 7. 1975, S. 6.

  121. Zit. nach einem in der WELT, Nr. 149, 1. 7 1975, S. IV abgedruckten Times-Artikel von David Spanier.

  122. Zit. nach DIE WELT, Nr. 117, 23. 5. 1975, S. 4.

  123. Der Ablauf der Ereignisse ist den Tagesmeldungen in der Presse nachgezeichnet, ohne daß hier jeweils genaue Nadiweise gegeben werden.

  124. Industrial Democracy, S. 37, § 89.

  125. Vgl. Anm. 124.

  126. Industrial Democracy, S. 37— 40, §§ 89— 92; Trades Union Congress, First Memorandum: Trade Unionism, in: Evidence, S. 164 f., §§ 276— 282.

  127. Trades Union Congress, First Memorandum, Trade Unionism, in: Evidence, S. 160, § 262; S. 164 bis 168, §§ 275— 290; vgl. auch H. A. Turner, Memorandum, in: Evidence, S. 667 f., §§ 24— 26.

  128. Trades Union Congress, First Memorandum: Trade Unionism, in: Evidence, S. 160, § 262.

  129. Industrial Democracy, S. 7, § 2.

  130. Industrial Democracy, S. 28, § 65.

  131. Confederation of British Industry, First Memorandum, in: Evidence, S. 243, § 18; S. 270 ff., §§ 94 bis 104.

  132. The Responsibilities of the British Public Company S. 19— 21, §§ 54, 56.

  133. Donovan-Report, S. 257 ff., §§ 997— 1006.

  134. Teile des Interviews mit dem . Guardian'sind wiedergegeben in der . Frankfurter Rundschau'Jg. 3t Nr. 227 v. 1. 10. 1975, S. 1.

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Bernd-Jürgen Wendt, ’ Prof., Dr. phil., geb. 1934 in Hamburg; 1969 Habilitation in Mittlerer und Neuerer Geschichte; 1971 Wiss. Rat und Professor am Historischen Seminar der Universität Hamburg; 1972 o. Professor für Neuere Geschichte an der Gesamthochschule Kassel. Veröffentlichungen: München 1938 — England zwischen Hitler und Preußen, Frankfurt 1965; Appeasement 1938 — Wirtschaftliche Rezession und Mitteleuropa, Frankfurt 1966; Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft in der Weimarer Republik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 26/69, 28. 6. 1969; Wirtschaftliche Mitbestimmung — ein Problem unserer Wirtschaftsund Suzialordnung, in: Schriften der Bundeszentrale für politische Bildung, 1969; Economic Appeasement. Handel und Finanz in der britischen Deutschlandpolitik 1933— 1939, Düsseldorf 1971; Geiss/Wendt (Hrsg.), Deutschland in der Weltpolitik des 19. und 20. Jahrhunderts, Düsseldorf 1974; weitere Aufsätze zur jüngeren deutschen und englischen Geschichte; regelmäßige Rezensionen in der Wochenzeitung DAS PARLAMENT.