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Berufsausbildung in der Bundesrepublik 1975. Reform der Misere oder Misere der Reform? | APuZ 47/1975 | bpb.de

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APuZ 47/1975 Berufsausbildung in der Bundesrepublik 1975. Reform der Misere oder Misere der Reform? Probleme der demokratischen Legitimation politischer Herrschaft

Berufsausbildung in der Bundesrepublik 1975. Reform der Misere oder Misere der Reform?

Reinhard Crusius/Manfred Wilke

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Zusammenfassung

Die eindeutig dominierende Form beruflicher Qualifikationen ist in der Bundesrepublik Deutschland das sogenannte duale System: Lehrbetrieb bzw. staatliche Verwaltungsstellen einerseits, die Berufsschule nebenher andererseits bilden aus. An dieser Ausbildung wird seit Jahren Kriitk geübt, deren Berechtigung inzwischen auch von wissenschaftlichen Untersuchungen gestützt wird. Fazit: Der Lehrling ist eine „vergessene Mejorität", außerdem gibt es innerhalb dieser Schülergruppe noch Chancenungleichheiten wie in keinem anderen Bildungszweig. Fachleute und Betroffene, aber auch alle Parteien fordern seit Jahren eine Reform. Wissenschaftler haben dazu konkrete Vorschläge gemacht. Die aktuelle Situation — Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellen-mangel — hat die Schwächen des „dualen" Systems in einer Weise bloßgelegt, die keinen Reformaufschub mehr duldet. Eine eingehende Analyse zeigt, daß diese Entwicklungen kein Konjunktur-, sondern ein Strukturproblem sind. Änderungen sind also nur zu erwarten, wenn das neue BBiG auch eine Strukturreform bringt, deren wesentliche Elemente sein müssen: die Korrektur der Marktsteuerung des beruflichen Bildungsangebots in Umfang und Qualität durch einen überbetrieblichen Finanzierungsfonds und die Ablösung der „Selbstverwaltung" der Wirtschaft, jedoch nicht durch eine staatliche Bürokratie, sondern durch eine Selbstverwaltung, an der alle beteiligten Gruppen mitwirken. Alle bisher in Bonn ernsthaft diskutierten Vorlagen sind nicht geeignet, die Misere zu beheben, da sie an den Strukturen vorbei „reformieren" wollen. Es besteht noch die Chance des Umdenkens angesichts neuerer Einsichten; es besteht aber auch die Chance, daß die Tarifpartner tätig werden, um das Schlimmste zu verhüten.

Reform der Misere oder Misere der Reform?

Die Berechtigung vorgebrachter Reformforderungen und die innere Logik und politische Machbarkeit vorgeschlagener Reformkonzeptionen für gesellschaftliche Teilbereiche sind nur rational zu diskutieren auf dem Hintergrund einer Feststellung von Defiziten, über die gesicherte Daten vorliegen und/oder über die weitgehende gesellschaftliche Übereinstimmung vorliegt. Da die Notwendigkeit von Reformen der beruflichen Bildung kaum von jemandem ernstlich bestritten wird, scheint dieser Konsens auf den ersten Blick vorzuliegen. Dies täuscht jedoch, wenn wir die Kritik an und den Streit um die praktische Reform im einzelnen verfolgen.

Die gesellschaftspolitisch umstrittenen, aber wissenschaftlich weitgehend belegten Defizite les jetzigen beruflichen Bildungssystems wollen wir im folgenden ausdifferenzieren. Dabei beziehen wir uns auf den Teil organisierter beruflicher Erstausbildung, der bei uns „dual" neißt und ca. 80 % aller Berufsausbildungs-Verhältnisse umfaßt: Jene Form der Berufsauspildung, die aufgrund eines Ausbildungsverrages überwiegend in einem Privatbetrieb oder auch öffentlichem Betrieb/Verwaltungseil) und begleitend in sog. Berufsschulen stattfindet. Um diesen Sektor geht es auch bei lern aktuellen Streit um die Neufassung des 3erufsbildungsgesetzes von 1969. Die gesellschaftspolitisch umstrittenen Zustände und Entwicklungen inter dem Streit um Details und Strukturen stehen drei bestimmende Strukturelemente des mutigen Systems beruflicher Bildung bzw.seiler Zuordnung im Bildungssystem, die Grundage der eigentlich bildungspolitischen Kontroverse sind: • Die eindeutige Dominanz einer gesellchaftlichen Interessengruppe — hier der Unternehmer — in diesem Bildungsbereich, und die Fragwürdigkeit des mit diesen Interessen verknüpften wesentlichen Strukturelementes des „dualen" Ausbildungssystems: der Markt-Steuerung des Bildungsangebots in der Berufsausbildung — akut geworden vor allem in der Frage des Lehrstellenrückgangs und der steigenden Jugendarbeitslosigkeit; die materielle und rechtliche Benachteiligung der Jugendlichen im Berufsausbildungssystem gegenüber ihren Altersgenossen im staatlich organisierten Bildungsbereich, besonders in bezug auf ihre Lern-und Weiterbildungschancen (Berufsausbildung als Sackgasse), sowie die schichtspezifische „Zuteilung", also die Häufung von Defiziten für bestimmte Gruppen von Jugendlichen durch Gesellschaftsstruktur und Bildungspolitik; die fast direkte Verkoppelung der Hierarchie im Beschäftigungssystem mit der Hierarchie im Bildungssystem mit der Folge unterschiedlicher sozialer. Orientierungen und sozialer Chancen 1) — und den dadurch verursachten steigenden Druck auf die höheren Bildungsgänge mit der Folge gesellschaftspolitischer Kollapserscheinungen in den getrennt organisierten Bildungsbereichen oberhalb der Sekundarstufe I. Dieser Zusammenhang wird i. d. R. viel zu wenig beachtet, oder, da er gesellschaftspolitisch brisant ist, verschwiegen. Auf diesem Hintergrund — daß nämlich die einigermaßen menschenwürdigen und sowohl materiell wie sozial gut „ausgestatteten" Arbeitsplätze in unserem Beschäftigungssystem im allgemeinen nur über höhere und längere Schulwege zu erreichen sind — gibt es langfristig nur zwei mögliche Strategien: expansive Bildungspolitik und aktive Humanisierungspolitik im Beschäftigungssystem, oder restriktive Politik in beiden Bereichen mit der Gefahr einer wachsenden Legitimitätskrise unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. 2. a)

Institutioneile und juristische Grundlagen der Berufsausbildung Institutionen und Träger der betrieblichen Beruisausbildung Um die Kritik und die diskutierten Reform-maßnahmen verständlich und beurteilbar zu machen, wollen wir hier die Strukturen des jetzigen „dualen" Berufsausbildungssystems grob nachzeichnen:

Die Berufsausbildung erfolgt überwiegend in einer handwerklich-gewerblichen, industriell-gewerblichen, kaufmännischen oder Verwaltungslehre. Die betriebliche Lehre wird begleitet durch mindestens einen Berufsschultag in der Woche. Das bezeichnet man als das „duale System" — im Gegensatz zur Ausbildung nur im Betrieb oder nur in der Schule. Die Lehre dauert in der Regel zwei bis dreieinhalb Jahre. Grundlage ist der Lehrvertrag (Ausbildungsvertrag) zwischen dem ausbildenden Betrieb, dem Lehrling und seinen Erziehungsberechtigten, der in die „Lehrlingsrollen" (Ausbildungsverzeichnisse) der Kammern eingetragen wird, wobei bestimmte organisatorische und rechtliche Bedingungen erfüllt sein müssen (BBiG § 32).

Im Handwerk sind 45 Handwerkskammern (HK) als öffentlich-rechtliche Körperschaften die Träger der Selbstverwaltung; sie sind überwiegend Arbeitgebereinrichtungen (ein Drittel Gesellenvertreter in der Vollversammlung). Als Unterbau der HKn bestehen die Innungen für die jeweiligen Berufe. Meistens übernehmen sie im Auftrag der Kammer die Durchführung der Ausbildung und die Prüfungen. Spitzenorganisation des Handwerks ist der Deutsche Handwerkskammertag (DHT).

In Industrie und Handel sind 81 Industrie-und Handelskammern (IHK) als öffentlich-rechtliche Anstalten die Träger der Berufsausbildung, und zwar direkt. Sie sind reine Arbeitgeberinstitutionen. Die Spitzenorganisation ist der Deutsche (DIHT). b) und Handelstag Weitere Träger sind die Landwirtschaftskammem, Ärzte-und Rechtsanwaltskammern u. ä. staatliche und private Berufsfachschulen, kommunale Betriebe und Ausbildungszentren, Bundesbahn und Bundespost, Deutsche Lufthansa, staatliche Verwaltung, Institutionen im Sozialbereich, Bergbau, Flaß-und Seeschiff-fahrt und private Haushalte.

Die Berufsausbildung in Schulen Vor„beruflicher" Unterricht findet kaum systematisch statt. Betriebspraktika und -besicltigungen, Vorträge der Berufsberatung, beginnende Experimente mit einer „Arbeitslehre“ (in der Regel für das 7. — 10. Hauptschuljahr) sind derzeit fast alles.

Die Berufsschulen begleiten den praktischen unterricht in den Betrieben und Verwaltungen bzw. bestehen als "allgemeine Berufsschulen" für die Ungelernten. Sie vermitteln berufstheoretische und algemeinbildende Kenntnisse, und sind die wichtigsten schulischen Einrichtungen im System der Berufsausbildung und in diesem Katalog die einzigen Pflichtschulen. Der Unterricht erfolgt an 1 oder 2 Tagen in der Woche oder in zusammengefaßten Blökken. In breitangelegtem Experimentierstadium befindet sich in einigen Ländern das sog. „Berufsbildungsgrundjahr", das als 10. Haupt-schuljahr und gleichzeitig als 1. Ausbildungsjahr gedacht ist. Es ist berufsfeldorientiert und überwiegend an die Berufsschule gebunden.

Die Beruisfachschulen sind Vollzeitschulen (gewerblich, frauenberuflich, in der großen Mehrzahl kaufmännisch). Sie bieten theoretische und praktische Ausbildung, und zwar ein-oder zweijährig als Berufsvorbereitung mit entsprechender Anrechnung auf die Lehre oder als voller Lehrersatz oder auch nur als; Vorbereitung auf eine Lehre.

Die Berufsaufbauschulen (BAS), die als Abendund/oder Tagesschulen mit dem Erwerb der Fachschulreife abschließen, welche den Zugang zu einigen Berufswegen bzw. zu den Höheren Fachschulen öffnet, die Fachschulen, die sich an die Lehre anschließen und ganztags oder abends für bestimmte Berufe weiterbilden (z. B. Technikerschulen) und die Höheren Fachschulen bzw. Akademien, die in einem sechssemestrigen Studium für mittlere Führungspositionen ausbilden, sind die spezifischen Einrichtungen des „Zweiten Bildungsweges". Die Höheren Fachschulen bzw. Akademien sind jetzt zu Fachhochschulen aufgewertet und in den Hochschulbereich eingegliedert. Die dadurch erfolgte Anhebung der Eingangs-voraussetzungen machte die Einrichtung von Fachoberschulen (FOS) über den Berufsaufbauschulen notwendig, die ein bis zwei Jahre dauern sollen. Die FOS bieten keinen berufs-qualifizierenden Abschluß, dafür aber einen generellen Übergang zu den Fachhochschulen (zwischen Mittlerer Reife und Abitur).

Ergänzt wird diese Skala durch Schultypen, die berufsbezogen auf die Hochschulen vorbereiten, wie technische Gymnasien, Wirtschaftsgymnasien, Berufsoberschulen usw. :) Die rechtliche Situation der Berufsausbildung Das „duale" System bedeutet eine Trennung in zwei Rechtsbereiche: den privatrechtlichen, jewerberechtlichen Lehrvertrag für die Gesamtlehre und die öffentlich-rechtliche, schulrechtliche Ergänzung durch die Berufsschulen. Jeder dieser Bereiche zerfällt wieder in sich: Die schulrechtliche Seite ist differenziert nach eweiligem Länderrecht, der Lehrvertrag hat verschiedene gesetzliche Grundlagen, die zusätzlich noch nach den jeweiligen Trägern der Ausbildung differieren. Diese Situation wurde ab 1969 durch das Berufsbildungsgesetz etwas jebessert, obwohl diese „einheitliche Rechtsyrundlage" immer noch viele Ausnahmen entlält (z. B. für den gesamten handwerklichen lereich, §§ 73, 74, 100 BBiG). Außer in Berin gab es bis zum BBiG kein einheitliches Gesetz.

Der Lehrvertrag wird von der Rechtsprechung lefiniert als ein „Arbeitsvertrag besonderer Art" Wichtig ist noch die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Streitigkeiten aus dem Lehrvertrag (§ 5 1 Arbeitsgerichtsgesetz — ArbGG), vorgeschaltet ist dabei allerdings noch ein kammerinterner Schlichtungsausschuß d) Finanzierung, Ausbilderausbildung, Ordnungsmittel, Forschung Die Finanzierung der Berufsausbildung erfolgt entsprechend der „dualen" Struktur überwiegend aus zwei Quellen: durch die Träger der betrieblichen Ausbildung (einschließlich Ausbildungsbeihilfen) für die praktische und durch die öffentlichen Haushalte für d. e schulische Ausbildung (nur bei den Verwaltungslehrlingen voll). Zur öffentlichen Finanzierung gehören noch die individuelle Förderung nach dem neuen Ausbildungsförderungsgesetz und evtl, öffentlich Zuschüsse zu Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (BfA, wie Berufsberatung u. ä.) bzw. aus Mitteln der Gewerbeförderung bzw. die jüngsten Sonderzulagen der Bundesregierung für überbetriebliche Lehrwerkstätten.

Die Ausbilderausbildung erfolgt für die Berufsschullehrer heute weitgehend in den Universitäten bzw. Hochschulen, teilweise unterschiedlich nach Bundesländern. Eine systematische Ausbildung der betrieblichen Ausbilder gibt es nicht. Im Handwerk schließt die Meisterausbildung das mit ein, da sie Voraussetzung zur Lehrbefugnis ist. Tatsächlich bilden jedoch meistens Gesellen aus. In der Industriewerden verschiedene oder gar keine Anforderungen gestellt, je nach Branche oder Kammerbezirk; die Einhaltung ist aber wenig kontrolliert bzw. kontrollierbar. Ab 1973 gibt es für Ausbildungsverantwortliche in der Industrie eine „Ausbildereignungs-Verordnung", die aber bisher ohne durchgreifende praktische Folgen geblieben ist.

Die Ordnungsmittel für die Berufsausbildung bestehen zuerst aus einem Berufsbild, das bundeseinheitlich verbindlich ist durch Erlaß des Bundeswirtschaftsministeriums. Für die IHKn entwickelte bis 1969 die „Arbeitsstelle für betriebliche Berufsausbildung" (ABB, Träger BDA, BDI, DIHT) in Bonn die Ordnungsmittel (unterstützt vom Deutschen Verband für das kaufmännische Bildungswesen), für das Handwerk half dabei das „Institut für Berufserziehung im Handwerk" in Köln und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Im Handwerk heißen die Ordnungsmittel „fachliche Vorschriften" (zwingend) und „fachliche Grundsätze" (empfehlend). Als Ergänzung werden Berufseignungsanforderungen, Prüfungsanforderungen, Berufsbildungspläne (Zeitpläne) sowie Lehrmittel erarbeitet. Nach dem BBiG erfolgen diese Dinge jetzt durch das Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung (BBF) in Berlin (§§ 60 ff BBiG).

Forschung (Berufsforschung, Berufsbildungsforschung) dient als Grundlage für Berufsberatung und alle Maßnahmen der Ausbildung. Erst seit 1967 arbeitet das „Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung" der BfA in Erlangen (heute Nürnberg), jedoch an direkten Fragen der Berufsbildung nur nebenher. Eine koordinierte, konzentrierte Berufsbildungsforschung besteht erst seit 1972 in dem bereits erwähnten Berliner Institut (BBF). e) Kontrolle und Mitbestimmung in der Berufsausbildung Die Kontrolle über die Einhaltung der Sicherheits-und Jugendarbeitsschutzbestimmungen üben die Gewerbeaufsichtsämter aus. Der Betriebsrat und die Jugendvertretung sollen dabei helfen. Der Betriebsrat muß laut Betriebsverfassungs-Gesetz auch an der „Durchführung" der Berufsausbildung beteiligt werden. Die Lehrlinge können über die Jugendvertretung den Betriebsrat dabei unterstützen.

Die Beteiligung von Lohnabhängigen (Gewerkschaften) am System der Berufsausbil-B düng beschränkt sich rechtlich auf die Prüfungsausschüsse (hier gehören auch Berufs-schullehrer dazu, § 37 BBiG) und auf die Beiräte für Berufsausbildung (Berufsbildungsausschuß der zuständigen Stelle, §§ 56 ff. BBiG) Hier sind sie paritätisch vertreten, bei der Handwerkskammern jedoch, wie die Lehrei überall, nur mit beratender Stimme. Außerdem sind Gewerkschaftsvertreter in zahlreicher Gremien vertreten, die beratend auf verschiedenen Ebenen an der Berufsausbildung teilnehmen (z. B. die Landesausschüsse unc der Bundesausschuß für berufliche Bildung §§ 50 ff. BBiG).

Die Kontrolle über die Lehrbetriebe und übei die Ausbildung üben die Kammern aus; es handelt sich um eine Art „Selbstkontrolle“ dei Unternehmer, die im wesentlichen auf sehi lückenhaften, globalen und unpräzisen Vor Schriften des BBiG beruht (Eignung des Betriebes, der Ausbilder, Einhaltung des Berufsbil des, das wenig Aussagekraft hat, usw.). Diese „Selbstkontrolle" wird nur durchbrocher durch die Berufsbildungsausschüsse mit ihrer sehr geringen Kompetenzen. 1) Die berufliche Bildung der Erwachsenen Eine geregelte, durchstrukturierte berufliche Erwachsenenbildung existiert nicht. Die wich tigsten Organisationen auf diesem Gebiet sine die IHKn und HKn (vor allem für die Ausbil düng der Ausbilder), Techniker-und Abend schulen, Volkshochschulen, Berufsbildungs einrichtungen der Gewerkschaften, kommer zielle Fernlehrinstitute, Umschulungszentrer und Einrichtungen der BfA, sowie betrieblich« Maßnahmen. Dazu kommen im weiteren Kreis natürlich noch die aufgeführten Institutioner des Zweiten Bildungsweges. Die Finanzierung erfolgt durch die entsprechenden Träger, teil weise auch indirekt über Zuschüsse bzw. Mit tel der BfA, entweder als Zuschüsse an die In stitutionen oder als individuelle Unterstüt zung der Schüler. 3. Inhaltsbestimmung der Reformdiskussion Im Oktober 1973 meldeten sich — ein bishei in der Wissenschaft sehr seltener Vorgang — über 40 mit Fragen der Berufsausbildung be faßte und anerkannte Fachwissenschaftler de: Bundesrepublik in einem „Manifest zur Re form der Berufsausbildung" gemeinsam z Wort Die wesentlichen Reformforderungen dieser Wissenschaftler beschreiben und begründen wir hier noch einmal: a) Grundberufe müssen entwickelt und erprobt werden, vor allem auf der Basis erweiterter theoretischer Kenntnisse:

Unser Berufsausbildungssystem ist zu spezialisiert. Es gibt 465 Einzelberufsausbildangen. Der Optimismus, durch wissenschaftliche Forschung die War'hingen in der Nachfrage nach beruilicher Cualifikation exakt prognostizieren zu können, ist inzwischen längst gewichen. Gerade auch von den Arbeitsmarkt-forschern wird die Forderung erhoben, Berufsausbildung so breit anzulegen, daß der einzelne sehr wohl in der Lage ist, innerhalb eines abgesteckten Berufsfeldes seinen Arbeitsplatz zu wechseln (Querschnittqualifikation), als auch den sich im Laufe der Zeit ergebenden „molekularen" Änderungen des Arbeitsinhaltes seiner Berufstätigkeit durch ständigen technischen Wandel gewachsen zu sein (Längsschnittqualifikation). Diese Anforderungen bedeuten eine inhaltliche Verlagerung der Qualifizierungsprozesse von den Fertigkeiten zu den Fähigkeiten (Anpassungsfähigkeit, Lernfähigkeit usw.).

Es ist klar, daß solche Qualifikationen nur in einem systematischen, durchdachten Lernprozeß zu erwerben sind, und daß eine wesentliche Grundlage dazu eine breit angelegte theoretische Grundlagenausbildung ist. Die Systematik bezieht sich vor allem auch darauf, daß der Lernprozeß vom Allgemeinen zum Speziellen ablaufen muß, also in Stufen, oder wie man heute eher sagt, in Phasen. Der Begriff Phasenausbildung ist insofern exakter, als heute unter dem Begriff Stufenausbildung alles mögliche verstanden und praktiziert wird, in der Regel in der Art, daß der Lernstoff nicht nach dem Prinzip vom Allgemeinen zum Speziellen und nach einer lerntheoretisch begründeten Systematik aufgegliedert wird, sondern daß in den ersten Stufen die „stumpfsinnigen" Fertigkeiten des jeweiligen Berufs („qualifizierter Hilfsarbeiter") zusammengepackt werden. Das ist nicht nur „unpädagogisch", es zementiert bzw. begründet dadurch, daß Zwischenabschlüsse, die als betriebsspezifische Selektionsfilter dienen, vorgeschrieben sind, noch Benachteiligungen und Diskriminierungen gerade derer, die gefördert werden müßten. b) Neue Lernformen, z. B. Projektunterricht, sollen entwickelt und erprobt werden 6):

Es geht, wie eben schon gesagt, nicht nur um eine neue Zuordnung der Fertigkeiten und Fähigkeiten, die zu erlernen sind, sondern zwangsläufig damit verbunden ist die Notwendigkeit modernerer Lehr-und Lernformen, z. B.des Projektunterrichts, in dem systematisch theoretische und praktische Ausbildung verbunden werden können mit dem lernmotivierenden Praxisbezug, also dem allgemein bekannten Sachverhalt, daß Lernen mehr Spaß macht, wenn es mit einer konkreten Aufgabe verbunden ist. Außerdem kann in solchen Lernformen Selbsttätigkeit, „Lernen lernen" geübt werden.

Bei dieser und den folgenden Forderungen spielt die Vorstellung mit, daß Berufsausbildung nicht nur sich (bzw.den Schüler) jeweils anzupassen hat an die wechselnden Anforderungen, die „die Technik", „der technische Wandel“ und wie diese und ähnliche zu Natur-erscheinungen hochstilisierten und damit entpolitisierten Entwicklungen heißen mögen, jeweils stellen, Sondern daß berufliche Qualifizierung „die Erwerbstätigen" auch dazu befähigen soll, als Aktivbürger in die Gestaltung des Arbeits-und Wirtschaftslebens eingreifen zu können. Insofern sind diese und die folgenden Forderungen auch Nagelproben auf den gesellschaftspolitischen Standort der jeweiligen Parteien-oder Gruppenvertreter, die sich an der Auseinandersetzung um die Neugestaltung beruflichen Bildung heute beteiligen. , c) Verschiedene Lernorte sollen in eine lerntheoretisch begründete Kooperation und Abfolge treten, besonders die Theorie-Praxisvermittlung muß verbessert werden:

Lernorte sind hier der Betrieb oder die Verwaltungseinheit, die Berufsschule und die betriebliche oder überbetriebliche Lehrwerkstatt. Keiner dieser Lernorte soll und kann abgeschafft werden. Im Gegenteil: Jeder Lernort hat eine notwendige und spezifische Funktion im beruflichen Qualifizierungsprozeß. Es kommt nur darauf an, gründlicher als bisher diese jeweilige Funktion herauszuschälen, d. h.den einzelnen Lernorten spezifische Ausbildungsaufgaben zuzuweisen und das Ganze sinnvoll zu koordinieren. Eine Reihe von Argumenten für diese Notwendigkeit sind in den Punkten a) und b) bereits genannt worden. Wir greifen hier vor allem noch einmal die Notwendigkeit einer sinnvolleren Vermittlung von theoretischem und praktischem Lernen heraus.

Es ist bei Praktikern und Theoretikern unumstritten, daß eine sinnvolle Vermittlung den Lernerfolg wesentlich erhöht, das Begreifen des zu Lernenden erheblich verbessert, die Lernlust steigert und besonders den Lernschwachen bessere Möglichkeiten gibt, noch in einen Lernprozeß integriert zu werden. Vor allem der Lemort „Lehrwerkstatt“ oder „Labor", der als Bindeglied zwischen praktischer Lehrausbildung, also Ausbildung in der Praxis, und theoretischer Ausbildung gelten kann und der ideale Lernort z. B. für den Projektunterricht wäre, ist hier bedeutsam. Das gilt vor allem, weil gerade die von den Unternehmern immer so positiv hervorgehobene „Ernstsituation" als entscheidender Pluspunkt des dualen Ausbildungssystems immer mehr an Bedeutung verliert, weil moderne technisierte Arbeitsprozesse immer weniger erlauben, Lehrlinge dieser Ernstsituation auszusetzen. Sie lernen also zunehmend die praktischen Handgriffe in Lehrwerkstätten, oder aber ihr „Lernen in der Praxis" verkümmert zu untergeordneten Handreichungen für die jeweiligen Gesellen bzw. Gehilfen. d) Lehrer und Ausbilder sollen integrierter und besser als bisher qualifiziert werden, und es soll mehr von ihnen geben 7):

Was für die Lehrlinge gilt, muß auch für ihre Ausbilder gelten. Diese müssen breiter als bisher qualifiziert werden, um erstens mobiler zu sein als Lehrkraft, und zweitens den so gewandelten Anforderungen an die Ausbildung nachkommen zu können. Aus den ganzen vorgenannten Punkten ergibt sich vor allem, daß die bisher völlig getrennte Ausbildung der „Lehrer" für theoretische und der „Ausbilder" für praktische Ausbildung aufgehoben werden muß zugunsten einer stärker integrierten, nach einheitlichen Prinzipien organisierten Ausbildung des Ausbildungspersonals im Berufsausbildungssystem, allerdings nach Schwerpunkten getrennt. Grundberufe, Projektunterricht, Blockunterricht an den Berufsschulen und ähnliche Neuerungen erfordern* vom Ausbildungspersonal auch stärker die Fähigkeit, Lernprozesse zu organisieren und die politischen und sozialen Dimensionen von Technik, Arbeitsorganisation und Wirtschaftsabläufen zu kennen und weiterzugeben. Dazu gehört allerdings auch, die zunehmende Praxisfremdheit der Berufsschullehrer im Zuge ihrer Akademisierung zu stoppen und rückgängig zu machen. Weiterhin gehört hierzu eine Angleichung der Rechtsstellung des Ausbildungspersonals, vor allem also eine Verbesserung der Rechtsstellung der Ausbilder in den Betrieben und Lehrwerkstätten. e) Neue Lernziele sind zu entwickeln; Kenntnisse über physische und psychische Prozesse in der Arbeit, in der Arbeitsorganisation, über Gesetze, über Betriebsaufbau und Wirtschaftsstrukturen müssen Bestandteile beruflicher Bildungsprozesse sein

Diese Forderung erfordert nicht nur anders und besser qualifiziertes Ausbildungspersonal und eine unabhängige Rechtsposition desselben, sowie systematischere und stärker theoretisch fundierte Ausbildungsprozesse, wie im Vorhergehenden schon ausführlich belegt, sondern diese Forderung ist vor allem so selbstverständlich, daß das einzig Erstaunliche ihre bisher fast totale Nichterfüllung im Rahmen der Berufsausbildung und in einer Gesellschaft, die sich als demokratische versteht, ist. Außerdem ist zu fragen, ob nicht im Rahmen zunehmender internationaler Verflechtung und Mobilität (z. B. EG) eine Fremdsprache zum erwünschten beruflichen Qualifikationsprofil gehört. f) Ausbildungsplätze sollen überprüft, verbessert und neu geschaffen werden:

Es ist klar, daß die vorgenannten Forderungen veränderte Anforderungen an die Qualität der Ausbildungsplätze sowohl in Schulen, Lehrwerkstätten, vor allem aber auch in der Praxis, d. h. in den Betrieben und Verwaltungen, stellt. Vor allem müssen diese Ausbildungsplätze ein ausreichendes Angebot an unterschiedlichen Ausbildungsstellen für jeden Jugendlichen, egal wo er wohnt, garantieren, und eine gleichbleibende Qualität sicherstellen. Angesichts der aktuellen Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellen-rückgangs, aber auch im Hinblick auf die Forderung nach verstärkten Praktika in der Sekundarstufe I und Integrationsschritten von allgemeiner und beruflicher Bildung in der Sekundarstufe II ist diese Forderung von brennender Aktualität. d) Das Heer der jugendlichen Ungelernten ist abzubauen

Zu der in den letzten Jahren wieder gestiegenen Zahl der Ungelernten (ca. 260 000) muß man auch jene noch dazu zählen, die durch eine falsche oder schlechte Berufsausbildung sofort nach der Lehre gezwungen sind, einen ungelernten Arbeitsplatz anzunehmen. Vor allem kommen jetzt jene dazu, die als jugendliche Arbeitslose nach der Berufsausbildung oder gleich nach der Schule gar keinen, oder, wenn überhaupt, nur einen Arbeitsplatz erhalten, der keine Qualifikation verlangt.

Es ist einsichtig, wenn man die vorhergehenden Forderungen daraufhin noch einmal betrachtet, daß in ihnen schon eine ganze Reihe von Schritten zur Realisierung dieser Forderung enthalten sind.

Natürlich werden die sog. Ungelernten eher von den allgemeinbildenden vorberuflichen Schulen und anderen sozialen Faktoten „produziert", als daß sie allein Opfer des gegenwärtigen Berufsausbildungssystems sind. Andererseits ist klar, daß ohne eine Reform der beruflichen Erstausbildung vor allem in bezug auf die Gestaltung der Lernprozesse und der Einmündungsmöglichkeiten das Heer der Ungelernten und auch der jugendlichen Arbeitslosen nicht spürbar abgebaut werden kann. Es gilt, diese Personengruppe nicht in „Ausbildungsghettos'1 einzuschleusen, sondern für eine normale Berufsausbildung zu befähigen und zu motivieren.

Alle Maßnahmen an einer Reform der Berufsausbildung vorbei dienen eher dazu, das öffentliche Gewissen zu beruhigen, als die Lebenschancen dieser Jugendlichen wirklich zu verbessern. Wenn es noch eines quantitativen Argumentes bedarf, so weisen wir darauf hin, daß die hier angesprochene Gruppe Jugendlicher wesentlich größer ist, als die Gruppe der gewerblichen Lehrlinge, die in der Industrie ausgebildet werden. h) Berufswahl-und Ausbildungsberatung sollen intensiviert und in das Berufsbildungs-

System integriert werden:

Berufswahl darf nicht nur ein zufälliges und punktuelles Ereignis sein, das zudem von vielen Irrationalitäten und Unkenntnissen überwuchert ist. Wenn man weiß, was ein falscher Beruf (über-oder Unterforderung, völlig andere Interessen, physisch ungeeignet usw.) für die Arbeitsfreude, die Lernmotivation, die Gesundheit des einzelnen bedeutet, und damit auch, welche unermeßlichen volkswirtschaftlichen Schäden dadurch entstehen, daß eben in der Regel nicht der richtige Mann an den richtigen Platz kommt, erscheint diese Forderung erst in der richtigen Beleuchtung. Berufsberatung, auch als berufsbegleitende Ausbildungs-und Berufswegberatung, muß mit dem System der Berufsausbildung engstens verbunden sein, um die notwendigen Informationen, Änderungsprozesse, Möglichkeiten „mitzukriegen“ und weitergeben zu können. Das erfordert natürlich auch größere Anstrengungen der Schule in bezug auf die Vorbereitung der Schüler (vgl. weiter unten die entsprechende Forderung zur Sekundarstufe I) i) Erste Schritte einer realen Integration von allgemeinen und beruflichen Inhalten sollen für die Schüler der Sekundarstufe II erprobt werden:

Die vielbeschworene „Überwindung der Trennung von allgemeiner und beruflicher Bildung" ist ja eine Forderung, die an beide Bildungszweige der Sekundarstufe II geht. Sie erfordert Änderungsprozesse sowohl im Bereich der beruflichen als auch der gymnasialen Ausbildung. Konkrete und nützliche Angebote an Praxiserfahrung bis hin zur Möglichkeit der Doppelprofilierung für Gymnasiasten und nützliche und integrierbare Möglichkeiten verstärkter Allgemeinbildung für Lehrlinge (z. B. Teilnahme am Fremdspracheunterricht) erfordern, vor allem im Bereich der jetzigen beruflichen Ausbildung,, die Systematisierung, die Befreiung von den Zufälligkeiten, die Ausbildungsangebot, Ausbildungsqualität, Ausbildungsverlauf und Ausbildungsergebnis heute im beruflichen, das heißt im „dualen" Ausbildungssystem weitgehend bestimmen j) Es soll das Kennenlernen der Arbeitswelt für die Schüler der Sekundarstufe I organisiert werden

Im Punkt Berufsberatung wurde schon auf die Notwendigkeit hingewiesen, in der Sekundarstufe I wesentlich intensiver und systematischer als bisher die Jugendlichen auf die Berufswahl vorzubereiten. Das erfordert z. B. ein wesentlich systematischeres, breiteres und flexibleres Angebot an Betriebspraktika. Hier gilt dasselbe, was wir eben zur Integration in der Sekundarstufe II sagten. Erforderlich ist auch hierfür eine Berufsberatung, die aufs engste mit den regionalen und aktuellen Ausbildungsmöglichkeiten vertraut ist. Langfristig wird ein Steuerungsprozeß, der im Bereich beruflicher Qualifikation bzw. im weitesten Sinne des Arbeitsmarktes „individuelle" und „gesellschaftliche" Ansprüche „auf Gegenseitigkeit" tendenziell auf einen Nenner bringen soll, polytechnische Ausbildungselemente in der Sekundarstufe I erfordern. k) Alle am beruflichen Ausbildungsprozeß Beteiligten müssen lernen, ihre Konflikte zu regeln und im Ausbildungsprozeß miteinander zu kooperieren:

Wenn Mitbestimmung ernst gemeint ist, muß Kooperation und nicht Unterordnung das Organisationsprinzip von Bildungsprozessen sein. Das gilt besonders für die berufliche Bildung, in der unterschiedliche Gruppen und unterschiedliche Interessen wesentlich direkter aufeinanderstoßen als im allgemeinen Bildungsbereich. Neben dieser politischen Forderung ist hier auch noch anzuführen, daß die Effizienz von Organisationen heute zunehmend davn abhängt, ob der vorhandene Sachverstand bei allen Beteiligten mobilisiert wird. Auf diesen Punkt kommen wir im weiteren Verlauf des Aufsatzes noch ausführlich zurück. 4.

Organisatorische und materielle Konsequenzen Inhaltlich war dieser Forderungskatalog der Fachwissenschaftler nur insofern neu, als er versuchte, die von den politisch Verantwortlichen aller Parteien aufgestellten Postulate für eine stärkere Berücksichigung der beruflichen Bildung in der Bildungspolitik in reale Reformschritte umzusetzen. Selbst beiunterschiedlichstem Bedeutungsgehalt vieler Begriffe, wie z. B.dem der „Gleichrangigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung", oder der politischen Mündigkeit auch der Berufsschüler, gibt es auf dem Hintergrund konkreter gesellschaftlicher Strukturen eine "Minimallogik" (im Sinne der inhaltlichen Stringenz des logischen Strukturzusammenhangs und des materiellen Gehalts) von Begriffen und Forderungen, die es überhaupt erst ermöglicht, „Politiker beim Wort zu nehmen" Der oben aufgeführte Forderungskatalog der Fachwissenschaftler ist der Versuch, diese „Minimallogik" zu formulieren und damit die Reformdiskussion auch im Sinne der Klärung eindeutiger Interessenstandpunkte zu versachlichen.

Dieses Bemühen wird auch darin deutlich, daß die Wissenschaftler weiterhin versuchten, ein diesen inhaltlichen Reformforderungen entsprechendes Verfügungs-und Finanzierungsmodell vorzuschlagen. Der Vorschlag lief auf ein Selbstverwaltungsmodell unter gleichberechtigter Beteiligung der am Ausbildungsprozeß Beteiligten hinaus (Lehrer/Ausbilder, Lehrlinge/Unternehmer bzw. Staatl. Verwaltung/Gewerkschaften) ; ihr Finanzierungsmodell auf einen Fonds, der als überbetrieblicher Finanzierungsausgleich zwischen den betriebengedacht war, quasi als Lastenausgleich und als „Minderheitenschutz" für jene 16 Prozent der Betriebe, die heute überhaupt nur ausbilden, und deren Interessen vielleicht im Konzert der unternehmerischen Verbandsbürokratien nicht so recht zu Worte kommen. Die Vorschläge zur Finanzierungsregelung wurden auch durch die sog. „Edding-Kommission" und durch eine Infas-Untersuchung bei Unternehmen nachdrücklich bestätigt Mit den Stichworten Verfügungsstruktur und pinanzierungsregelung sind auch die Kernpunkte der politischen Auseinandersetzung um das neue Berufsbildungsgesetz genannt. Wir werden auf die Brisanz dieser beiden zentralen Strukturfragen der Reform noch zu sprechen kommen. Es sollte nur bisher klar werden, daß Reform ein diffiziler Prozeß von notwendigen „Gleichzeitigkeiten" und notwendigen Schrittfolgen ist, da Reform innerhalb vorfindlicher gesellschaftlicher Strukturen stattfindet. Die oben zitierte „innere Sachlogik" orientiert sich natürlich zuerst einmal am Gegenstand und nicht schon an dem, was — i. d. R.sehr kurzatmig — das „politisch Mögliche" genannt wird. Das vielzitierte Wort, daß der sog. „Realpolitiker" sich nicht dadurch auszeichnet, daß er das Mögliche tut, sondern daß er das Notwendige möglich zu machen versucht, wird hier konkret.

Der Forderungskatalog der Wissenschaftler war und ist der Versuch, den öffentlichen Diskussion diese „Meßlatte" des Notwendigen zu liefern. Da kein politischer Diskussionsbereich so sehr in Gefahr ist, für die Betroffenen hinter einer Nebelwand von Phrasen unkenntlich zu werden, wie der Bereich der „Bildungs" -Politik, ist das sehr nützlich. Das Abgreifen dieses Katalogs wird sehr schnell erkennen lassen, was wirklich von dieser oder jener Seite gewollt ist bzw. praktisch erreicht wird. Wer — um ein Beispiel zu geben — vom „mündigen Staatsbürger" redet und nicht mit aller Kraft die Durchsetzung der Forderung e) betreibt, will nicht den „Staatsbürger" regieren, sondern „an Bürgers statt" regieren, will nicht den „mündigen Bürger", sondern den „Bürger als Mündel".

Da die Berechtigung von Reformforderungen jedoch erst in zweiter Linie aus ihrer logischen Stringenz resultiert, sondern in erster Linie aus der empirischen Bestandsaufnahme des zu reformierenden gesellschaftlichen Zustandes, seien die wichtigsten kritisierten und belegten Elemente der jetzigen Realität beruflicher Ausbildung noch einmal in Stichworten aufgeführt:

II. Empirische Daten zur Kritik an der Berufsausbildung

1. Zur Aktualität empirischer Forschungsergebnisse In der gegenwärtigen Diskussion dominieren die Probleme des Lehrstellenmangels und der Jugendarbeitslosigkeit so eindeutig, daß der Eindruck entstehen kann, dieses seien die einzigen Probleme des beruflichen Bildungssystems. Gerade deshalb ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt wichtig, die zusätzlichen wissenschaftlich belegten Defizitbefunde immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das ist um so wichtiger, da diese wissenschaftlichen Befunde, obwohl inzwischen drei bis vier Jahre alt, an Aktualität gewonnen haben dürften: Die durchaus zu verzeichnende positivere Entwicklung der Lehrlingsausbildung in Betrieb und Berufsschule in den Jahren nach der Verabschiedung des Berufsbildungsgesetzes 1969 wird durch die aktuelle Entwicklung nach unseren Beobachtungen nicht nur teilweise gebremst, sondern wieder rückgängig gemacht.

Die in den Jahren 1968 bis 1973 durch die öffentliche Diskussion der Berufsausbildung bei allen Beteiligten gestiegene Sensibilität gegenüber kritischen Zuständen im Berufsbildungsbereich ist, vor allem angesichts der Angst von Lehrlingseltern und zukünftigen Lehrlingen, überhaupt einen Ausbildungsplatz zu bekommen bzw.der Angst von Lehrlingen, später einen Arbeitsplatz zu erhalten, fast völlig zusammengebrochen. Aber auch im staatlichen Bereich beruflicher Bildung hat die Finanznot der öffentlichen Haushalte weitgehend zum Stillstand gebracht, was in den Jahren vorher an Ausbauprogrammen für den berufsschulischen Bereich geplant und angefangen wurde.

Die Untersuchungen, die hier zitiert werden, sind die einzig vorliegenden. Sie stammen aus den Jahren 1971— 1972 (Erhebung der Daten), sind alle sehr breit angelegt in der Thematik und der zugrundeliegenden Größe der befragten Gruppe. Alle Untersuchungen wurden im Auftrag oder mit Unterstützung parteipolitisch unterschiedlich besetzter Regierungsstellen durchgeführt * 2. Daten zur Berufsausbildung in den berufsbegleitenden Teilzeitberufsschulen Ca. 80 v. H. aller Jugendlichen, die eine berufliche Grundausbildung erhalten (Facharbeiterniveau), also ca. 60 v. H. aller Jugendlichen der Altersgruppe 15 bis 20 Jahre überhaupt, lernen im sogenannten „dualen" System, also in der Hauptsache im Lernort Betrieb, in der Nebensache im Lernort Berufsschule. In der Berufsschule findet überwiegend die theoretische Ausbildung statt, in den Betrieben die praktische. Auch dem in der Pädagogik Unkundigen wird einleuchten, daß diese „Trennung" so rigoros nicht funktionieren kann. Sie wird auch in der Praxis vielfältig durchbrochen (Labors und Werkstätten in Berufsschulen, Betriebsunterricht in vielen Lehrbetrieben). Hier ist das Problem der Koordinierung theoretischer und praktischer Unterweisung angesprochen, das sich im „dualen" System mit aller Schärfe stellt. Zuerst ist jedoch festzuhalten, daß nach den jeweiligen Landesschulgesetzen mindestens 8 Wochenstunden theoretischer Berufsschulunterricht pro Woche zu erteilen sind. Dieser Unterricht kann, wie es in allen betroffenen Ländern teilweise oder experimentell geschieht, auch in Blöcken gegeben werden (jeweils einige Wochen zusammenhängender Berufsschulunterricht).

Stundenzahl: In Hamburg erreichen 40 v. H.der Schüler schon nach ihren Stundenplänen das vorgeschriebene Soll von 8 bzw. 12 Wochenstunden nicht, darüber hinaus fällt noch pro Schüler und Woche ungefähr eine Unterrichtsstunde außerplanmäßig aus. Ähnlich liegen die Zahlen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sowie Hessen. Insgesamt liegt der Stundendurchschnitt in Hamburg aber deutlich höher: Nur 14 v. H.der Hamburger Schüler erhalten weniger als 8 Wochenstunden Unterricht, in NRW/Hessen sind das 45 v. H„ in Rheinland-Pfalz 28 v. H.

Synchronisation : Hamburg hat darüber hinaus günstigere Schulbedingungen, weil durch das wirtschaftliche Ballungsgebiet fast durchweg die Bildung von Fach-und Jahrgangsklassen ermöglicht wird. Die günstigere Größenstruktur der Hamburger Lehrbetriebe dürfte gleichfalls zu einer homogene-ren Schülerstruktur in den Klassen führen (in Rheinland-Pfalz setzen sich z. B. über drei Viertel der Klassen aus Schülern aus jeweils über 10 Lehrbetrieben zusammen). Mehr als alle Lehrpläne sind es diese Strukturdaten, die über die Möglichkeit zur sinnvollen Vermittlung beider Lernbereiche entscheiden. Um so alarmierender wirkt es, wenn selbst in Hamburg drei Viertel aller Schüler keine Verbindung zwischen ihrer schulischen und betrieblichen Ausbildung sehen Das erschwert jedes Lernen an beiden Lernorten, zerstört die Lernmotivation. „Lernen lernen" als Befähigung zur Anpassung und ebenso als Voraussetzung auch emanzipatorischer Bildungsprozesse wird verhindert. „Schuld“ trägt nicht so sehr die Berufsschule, sondern das Ausbildungschaos in den Betrieben (vgl. das folgende Kapitel).

Klassenstärke: Ein weiterer Grund erfolgloser Berufsschularbeit sind neben der Zusammengewürfeltheit zu große Klassen (bzw. ungünstige Schüler-Lehrer-Relationen, schlechter als in jedem anderen Schulzweig!). In Hamburg wird die selbstgesetzte Richtzahl von max. 20 Schülern pro Klasse von vier Fünfteln der Schüler überschritten, in Rheinland-Pfalz „nur“ von 60 bis 70 v. H. (bedingt durch die ländliche Struktur gegenüber Hamburg).

Arbeit im Betrieb am Schultag: Nach oder vor dem Schulunterricht müssen in Rheinland-Pfalz noch ein Viertel, in Hamburg zwei Fünftel der Schüler im Betrieb arbeiten. (Die schlechteren Hamburger Zahlen erklären sich daraus, daß in Hamburg viele Schüler einen zweiten Berufschultag pro Woche haben.) Ein Drittel dieser Schüler bzw. 14 v. H.der Gesamtheit der Schüler (Hamburg) werden dazu noch bei sechs und mehr Schulstunden gezwungen, also gesetzeswidrig (§ 13 JArbSchG). Unabhängig vom Gesetz mindert dieser betriebliche Zugriff auf alle Fälle die Lernfähigkeit der Schüler.

Da bei 90 v. H.der Schüler noch Schularbeiten von mindestens zwei bis drei Wochenstunden üblich sind (NRW/Hessen), und Lehrlinge im Durchschnitt einen erheblich längeren Weg zu ihrer Lehrstätte bzw. Schule haben als andere Schüler, kann man sich die zeitliche Belastung der Lehrlinge vorstellen — die 40-Stunden-Woche des JArbSchG wird hier zu einer Scheinzahl.

Ausstattung der Berufsschule: Diese wird von 58 v. H.der Lehrlinge für gut bis hinreichend gehalten, von 40 v. H. für mäßig bis schlecht (Hamburg). Die Befragung der Lehrer in Rheinland-Pfalz ergibt sogar noch kritischere Ergebnisse: 76 v. H.der Lehrer beklagen Raumnot und bauliche Mängel, 70 v. H. schlechte Ausstattung und 60 v. H. Lehrermangel. Der Stundenausfall wird von den Lehrern ebenfalls höher beziffert als von den Lehrlingen.

Die Meinung der L e h r 1 i n g e ü b e r die Leistung der Berufsschule: Die bisher genannten negativen Ergebnisse spiegeln sich auch in der allgemeinen Beurteilung der Schule durch die Lehrlinge wider: Da bei den meisten Lehrlingen (in allen drei Untersuchungen) das Bewußtsein vorhanden ist, daß eine breitere, vor allem theoretische Qualifizierung für das spätere Berufsleben notwendig ist, kritisieren sie entsprechend die Leistungen der Berufsschule: Ein Viertel der Lehrlinge glaubt, nicht genug für die Prüfung zu lernen, aber bereits zwei Fünftel meinen, zuwenig für die Berufspraxis zu lernen, im 3. Lehrjahr sogar 50 v. H. (Hamburg). Hier wird auch deutlich, daß mit der Dauer der Lehrzeit Einsicht und Kritik häufig sehr stark ansteigen. Nähme man nur die Ergebnisse des 3. Lehrjahres, sähe das Bild noch alarmierender aus.

Im Gegensatz zu dieser kritischen Beurteilung der Schule insgesamt schneiden die Lehrer im Urteil der Schüler gut ab (Hamburg und Rheinland-Pfalz): Ca. vier Fünftel der Schüler sind mit den fachlichen Leistungen der Lehrer weitgehend zufrieden. Das ist auch ein Hinweis auf das differenzierte Urteilvermögen der befragten Lehrlinge, da hier persönliches Können und organisatorische Mängel sehr wohl unterschieden werden.

Die Haltung der Lehrlinge gegenüber der Berufsschule: Die Lehrer (Rheinland-Pfalz) bestätigen entgegen vielen „Alltagsmeinungen" den guten Lernwillen der Schüler, beklagen allerdings die mangelhafte Vorbildung und das ungenügende Ausdrucksvermögen der Lehrlinge. Das trifft sicher generell zu, wirkt sich aber in Rheinland-Pfalz besonders kraß aus wegen des dortigen Schulsystems. So haben in Rheinland-Pfalz nur; 8 v. H.der Lehrlinge die mittlere Reife, in NRW/Hessen 16 v. H., in Hamburg 26 v. H. Diese regional bedingten Unterschiede schlagen auch bei der Haltung gegenüber der Berufsschule in vielen Punkten deutlich durch: Die Mehrheit der Lehrlinge wünscht eine Ausweitung des Berufsschulunterrichtes (im 3. Lehrjahr in Rheinland-Pfalz 59 v. H., in Hamburg 66v. H.). Diese Forderung nach Ausweitung trifft zuerst den Fachunterricht. Aber eine starke Minderheit — parallel zu den Lehrern — wünscht auch weitere Fächer wie Sport, Fremdsprachen, mehr Deutsch usw. (Hamburg und Rheinland-Pfalz). In Rheinland-Pfalz sind aber auch 22 v. H.der Schüler der Meinung, für sie sei die Berufsschule eigentlich überflüssig.

Diese Abweichungen werden noch deutlicher bei den Weiterbildungsplänen: In Rhein-13 land-Pfalz und NRW/Hessen hegt ein Fünftel der Lehrlinge schulische Weiterbildungspläne, in Hamburg fast die Hälfte. Augenscheinlich ist dank besserer Vorbildung, qualifizier-terem Berufsangebot, besseren Informationsund Vergleichsmöglichkeiten und auch dank besserem konkreten Angebot die Lernmotivation im Theoretischen in Hamburg deutlich größer. Das gilt auch für das Anspruchsniveau, worauf wir später noch eingehen, und für die Beurteilung des Politikunterrichts: Während in Hamburg 8 v. H. keinen Politikunterricht wollen, sind es in Rheinland-Pfalz 13 v. H. In Rheinland-Pfalz wollen nur 10 v. H. mehr Politikunterricht, in Hamburg aber 52 v. H. (3. Lehrjahr wie in Rheinland-Pfalz).

SMV und Politikunterricht: Die Schülermitverwaltung (SMV) ist im Bewußtsein der Lehrlinge weitgehend kein Organ echter Mitbestimmung. Die Information über ihre Arbeit ist gering, ihr Einfluß wird gering-geschätzt (Hamburg und Rheinland-Pfalz). Das spiegelt wohl auch die Realität wider, zumal der zeitlich auseinandergerissene Unterricht an den Berufsschulen die SMV-Arbeit ungemein erschwert.

Der Politikunterricht ist überwiegend noch Frontalunterricht. Für den Lehrling bedeutsame gesellschaftspolitische Themen, wie z. B. die Auseinandersetzung der Tarifparteien, Schuldemokratie, die soziale Realität in den Betrieben, werden meistens nur flüchtig behandelt, für fast ein Drittel der Lehrlinge überhaupt nicht erwähnt (Hamburg) 3. Daten zur Berufsausbildung in den Betrieben Kriterien, nach denen sich — auf der Basis des „dualen" Systems — die fachliche und pädagogische Qualität der praktischen Berufsausbildung messen lassen, sind das Vorhandensein und der reale Einfluß von Ordnungsmitteln, die Ausstattung, die Anleitung, theoretischer Unterricht auch im Betrieb, das Vorkommen von Routine-und Nebenarbeiten, die Einhaltung der Gesetze (speziell JArbSchG). das „pädagogische Klima" und die Möglichkeiten der Mitgestaltung.

Ordnungsmittel: Zwei Drittel der Lehrlinge geben an, ein Berufsbild zu haben, aber nur ein Drittel, auch danach ausgebildet zu werden. Einen spezifischen Ausbildungsplan (nach BBiG vorgeschrieben) haben nur 44v. H., nur ein Drittel wird danach auch ausgebildet (Hamburg). In Rheinland-Pfalz haben höchstens die Hälfte der Lehrlinge diese Ordnungsmittel, in NRW/Hessen nur ein Drittel. Ausstattung: Keinerlei produktionsunabhängige Ausbildungsplätze (Lehrecke, Lehrwerkstatt, überbetriebliche Ausbildung) haben in allen drei Untersuchungsgebieten ca. die Hälfte der Lehrlinge, bei den anderen ist der Zeitanteil für diese Einrichtungen sehr unterschiedlich (von zwei Wochen bis zu einem Jahr der Gesamtausbildungszeit). Drei Viertel der Hamburger Lehrlinge arbeiten (unter der Gesamtheit der Lehrlinge rotierend) überwiegend bis ausschließlich in der Produktion.

Anleitung: Die im BBiG geforderte qualifizierte Anleitung bzw. Anleitung durch qualifizierte Personen erhalten in Hamburg nur ein Drittel der Lehrlinge, in NRW/Hessen die Hälfte (stärkere Kleinbetriebsstraktur — Meister); ein Viertel der Lehrlinge wird fast ausschließlich von anderen Lehrlingen oder Hilfsarbeitern betreut (Hamburg und NRW/Hessen).

Theoretischer Betriebsunterricht: Unabhängig von der Qualität und Quantität des schulischen Unterrichts ist eine systematische praktische Ausbildung in den Betrieben nicht denkbar ohne begleitende zusätzliche theoretische Unterweisung. Darauf müssen aber in Hamburg und Rheinland-Pfalz die Hälfte, NRW/Hessen sogar zwei Drittel aller Lehrlinge verzichten.

Routine-und Nebenarbeiten: Routinearbeiten sind Arbeiten, die zum Beruf gehören, in der Ausbildung aber einen über den Lernzweck meist weit hinausgehenden Raum einnehmen. Meistens handelt es sich dabei gleichzeitig um „dreckige" oder „anspruchslose" Tätigkeiten, z. B. Feilen, Ölwechsel oder Ablage. Nebenarbeiten sind Arbeiten, die gar nichts mit dem Ausbildungsziel zu tun haben, z. B. Kaffeekochen, die Straße fegen u. ä. Man könnte evtl, noch so etwas tolerieren, wenn der Zeitumfang bescheiden bliebe (unter 1 Stunde pro Woche) und solche Arbeiten reihum von allen gemacht würden, also auch von den Gesellen/Gehilfen. Andererseits möchten wir, als „Signalillustration" für die unterschiedlichen Maßstäbe, ein-I mal vorschlagen, daß die Schüler der Unterprimen z. B. in Zukunft ihre Schule selber sauberhalten — auf Kosten des Unterrichts natürlich: statt Mathematik Flure wischen.

I Das Ausmaß dieser ausbildungsschädlichen I Arbeiten ist einer der deutlichsten Hinweise 'auf die Erfüllung der Ausbildungspflicht bzw.

auf die Betrachtung der Lehrlinge als Arbeits-I kräfte. In NRW/Hessen machen 63 v. H.der Lehrlinge häufig ausbildungsfremde Nebenarbeiten, vier Fünftel der Lehrlinge beklagen zuviel Routinearbeiten; für Rheinland-Pfalz lauten diese Zahlen 50 bzw. 55 v. H., für Hamburg 45 bzw. 35 v. H. Bei dem weit überwiegenden Einsatz der Lehrlinge in der „normalen Arbeit" deutet das nicht auf die Nützlichkeit und den Lernwert der sogenannten „Ernstsituation“ hin, sondern darauf, daß die Lehrlinge dort mit den „Zuarbeiten" beschäftigt werden. Im Kapitel I unter Punkt 3 verwiesen wir ja bereits auf die steigende Ungeeignetheit der normalen Produktion bzw. Verwaltungsorganisation für berufliche Lernprozesse, ein Sachverhalt, der ja auch von der „Wirtschaft" durch steigende Einrichtung von produktionsfernen Lernorten (Lehrwerkstätten, Labore) indirekt zugegeben wird.

JArbSchG: Nehmen wir als beste Kontrolle die Frage der Überstunden, dann stellen wir fest, daß das Gesetz in NRW/Hessen und Hamburg bei mehr als einem Drittel, in Rheinland-Pfalz bei der Hälfte der Lehrlinge übertreten wird. Zusätzlich erinnern wir hier noch einmal an die Arbeit im Betrieb am Schultag.

DieMeinung der Lehrlinge über die Ausbilder und die Ausbildung im Betrieb: Die mit der Ausbildung im Betrieb betraute Person wird von 62 v. H.der Lehrlinge für fachlich, aber nur noch von 30 v. H. für pädagogisch gut geeignet gehalten (Hamburg). In ihrem Lehrbetrieb ausgebeutet fühlen sich in Rheinland-Pfalz 45 v. H., in Hamburg 60 v. H. (im 3. Lehrjahr 71 v. H.). Das wird bei der Nachprüfung deutlich durch die Fakten bestätigt, hier schlägt also kein gesellschaftspolitisches, gar „oktroyiertes" Vorurteil durch, wie Unternehmer bzw.

ihre Verbände diese Aussagen oft „weginterpretieren"

Es ist überhaupt ein zusätzlicher kritischer Punkt, daß all diese Mißstände meist kumulativ auftreten, daß es also bei den generell schon Benachteiligten (Lehrlinge) größere Untergruppen gibt, „für die es besonders dicke kommt". Dabei schneiden Mittelbetriebe (tendenziell) am schlechtesten ab, Kleinbetriebe nicht ganz so schlecht, Großbetriebe etwas besser; Hauptschüler sind gegenüber Real-schülern benachteiligt, Mädchen gegenüber Jungen — die Berufsausbildung verschärft also oft noch diese Unterschiede (Ergebnis aus allen Untersuchungen). Die aktuelle Situation mit Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenknappheit verstärkt diese negativen Tendenzen sogar noch. „Pädagogisches Klima" und Mitgestaltungsmöglichkeiten:

Mit diesen Begriffen umschreiben wir Aspekte der „Erziehungsfunktion" der betrieblichen Lehre. Die schlechte Beurteilung der pädagogischen Eignung der Ausbilder durch die Lehrlinge ist schon ein Hinweis auf das eher restriktive, lernfremde „Milieu" des Betriebes Hinweise auf die weit verbreitete Angst der Lehrlinge vor Repressalien der „Betriebe" finden sich zur Genüge in allen drei Untersuchungen. (Die Entlassungswelle engagierter Jugendvertreter 1972/74 bis zur entsprechenden Novellierung des BetrVerfG spricht eine deutliche Sprache). Beschwerden von Lehrlingen kommen denn auch selten vor, die Folge ist oft Gegendruck und/oder folgenloses Vertrösten. Die Lehrlinge sehen die Erziehungsziele der Ausbilder bzw.der Betriebe wesentlich in der Aneignung firmennützlicher praktischer Fer, tigkeiten und in der Verinnerlichung herrschaftskonformer Sekundärtugenden (Fleiß, Ordnung, Unterordnung, „anständiges Benehmen") da ja wenig mit den eingangs geforderten neuen „Fähigkeiten", z. B. Selbständigkeit, Lernfähigkeit u. ä., zu tun haben. Die Ausbilder (Rheinland-Pfalz) bestätigen ihrerseits das Bild: Trotz deutlicher Kritik an Einzelerscheinungen der betrieblichen Lehre (z. B. Planlosigkeit) identifizieren sie sich doch mit den betrieblichen Ausbildungszielen und hegen großes Mißtrauen gegen die Berufsschule bzw. gegen eine stärkere Theoretisierung der Ausbildung. Nun ist das nicht ihre „Schuld": Ihre Stellung ist sehr undankbar, ein gewerkschaftliches Programm für Ausbilder, z. B. für Tarifverhandlungen, ist bisher erst vage in der Diskussion. Die betrieblichen Ausbilder sind die — auf sich allein gestellten und i. d. R. nicht speziell qualifizierten — „Prellböcke" des objektiven und subjektiven Interessenkonfliktes in der Ausbildung, der sich gerade in den Betrieben verdeutlicht!

Der Mangel an konkreten Ausbildungsplänen sowie die mangelhafte Unterrichtung in den juristischen Grundlagen der Ausbildung erschweren gleichfalls eine aktive Mitgestaltung der Lehrlinge in ihrer Ausbildung. Nur eine Minderheit kennt wenigstens die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen. Die disproportionale Größenstruktur der Lehrbetriebe (überwiegend Kleinbetriebe — auch in Hamburg) bewirkt, daß nur ein Drittel bis die Hälfte der Lehrlinge in ihrem Lehrbetrieb über einen Betriebsrat „verfügen", nur ein Drittel über eine Jugendvertretung, nur ganz wenige so etwas wie Lehrlings-und Jugend-versammlungen im Betrieb kennen. Dazu kommt, daß der Betriebsrat als juristisch kompetente Vertretungsinstanz nur von einer Minderheit der betroffenen Lehrlinge positiv bewertet bzw. anerkannt wird (Hamburg; vgl.

zum Gesamtkomplex Mitwirkungschancen auch Zahlen zum Politikunterricht im vorhergehenden Abschnitt über die Berufsschulen). 4. Einige Schlußfolgerungen der Lehrlinge Die Misere der Berufsausbildung und die regionalen Verzerrungen in den realen jetzigen und zukünftigen Lebensgestaltungschancen der Jugendlichen treten in den folgenden Fragen noch einmal deutlich zutage:

Ihren Lehrbetrieb würden sicher oder ziemlich sicher nicht noch einmal wählen: in Hamburg 47 v. H., in NRW/Hessen 39 v, H. und in Rheinland-Pfalz 40 v. H. Ihren Lehrberuf würden sicher oder ziemlich sicher nicht noch einmal wählen: in Hamburg 37 v. H., in Rheinland-Pfalz 35 v. H. Diese Ergebnisse werden — auch in ihrer regionalen Differenzierung — noch deutlicher, wenn wir das Meinungsbild über die Lehrjahre hinweg verfolgen (Hamburg): l. Lehr-2. Lehr-3. Lehrjahr jahr jahr Keine Wiederwahl des Lehrbetriebes 36 v. H. 51 v. H. 55 v. H. Keine Wiederwahl des Lehrberufs 22 v. H. 39 v. H. 51 v. H.

Die „Zufriedenheit" der besonders Diskriminierten, auf die wir bei Vergleichen zwischen Rheinland-Pfalz und Hamburg schon einma hinwiesen, wird auch deutlich bei der Frage welchen Bildungsweg die Betroffenen heut wählen würden, könnten sie noch einmal ent scheiden: in Rheinland-Pfalz würden 10 v. F der Lehrlinge, in Hamburg dagegen 35 v. I (3. Lehrjahr wie in Rheinland-Pfalz) heu'den „höheren" Bildungsweg einschlagen.

Was an Frustrationen, Arbeitsleid, psych scher Quälerei und zerstörter Motivitatio hinter diesen Zahlen steckt, sollten sich alle vor Augen führen, wenn sie zur Berufsausbildung Stellung nehmen. Der Mangel an theoretischer Grundausbildung, die persönliche Unterdrückung und die langweiligen Routinearbeiten stehen dann auch weit an der Spitze der von den Lehrlingen beklagten Zustände, noch vor der mangelhaften Bezahlung (NRW/Hessen).

III. Von der vergessenen zur verlassenen Majorität?

1970 prägte der Bildungsforscher W. D. Winterhager das Schlagwort von den Lehrlingen als der „vergessenen Majorität". Dieses „Vergessen" war das Produkt einer Mischung aus Strukturblindheit der Bildungspolitik und bestimmten Interessen, die den geschilderten Zustand als — für diese besagten Interessen — gut befanden Inzwischen haben die «Vergessenen" sich ja deutlich selber in Erinnerung gebracht (Lehrlingsbewegung 1968 bis 1972 und Demonstrationen). Lehrstellenmangel und Jugendarbeitslosigkeit haben nun aber die Situation weit hinter den Stand von 1969 (Verabschiedung des BBiG) zurückgeworfen. Und Besserung scheint kurzfristig nicht in Sicht — auf die irrige oder propagandistische Hoffnung, eine Konjunkturbelebung könnte das Schlimmste reparieren, gehen wir noch ein. Abgesehen davon scheint ja die „Konjunkturkrise" zunehmend in den Augen der Fachleute eine auf Dauer sich stellende Anpassung der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland an „säkulare" weltwirtschaftliche Tendenzen zu sein. Auf diesem Hintergrund, der sich gerade in den letzten Monaten immer deutlicher offenbarte, gewinnt die Auseinandersetzung um den Inhalt des neuen BBiG einen neuen und grundsätzlicheren Charakter. Der Mut zu neuem Nachdenken muß gefunden werden. Sonst bleibt die vergessene Majorität das, was sie inzwischen geworden zu sein scheint: Eine verlassene Majorität! 1. Lehrstellenmangel und Jugendarbeitslosigkeit Die vor allem seit 1974 zu den oben genannten Defiziten hinzutretenden Probleme des Lehrstellenmangels und der Jugendarbeitslosigkeit addieren sich nicht einfach nur zu dieser Problemliste, sondern verschärfen das Problem beruflicher Ausbildung in unserem Land generell — vor allem aal dein Hintergrund gemeinsamer struktureller Ursachen für die bisher auigezeigten Probleme, die es im folgenden zu analysieren gilt, um für die aktuelle Reformdiskussion einen politischen Bewertungsrahmen zu erhalten.

Einen „Numerus clausus" für Lehrlinge hat es schon immer gegeben: — durch das regional unterschiedliche Angebot an Lehrstellen;

— durch die geschlechtsspezifische Vororientierung in sog. „Mädchen-und Jungenberufe"; — durch die nach der vorberuflichen Schulbildung vorbestimmte prinzipielle Teilung der Berufschancen für leitende und ausführende Tätigkeiten (Vorbestimmung deshalb, weil die eigentliche Bestimmung dazu im Beschäftigungssystem entsteht);

— und — auf der hier zur Diskussion stehenden Berufsausbildung für die untere Etage der Hierarchie im Beschäftigungssystem — durch die Verteilung von Schulbildung auf das unterschiedliche qualitative Angebot von Lehrstellen im sog. „dualen" Ausbildungsbereich.

Das Ergebnis dieser Verteilungsmechanismen war die jeweilige Verlängerung und Verschärfung von Diskriminierungen, die im vorberuflichen Sozialisationsprozeß bereits angelegt und institutionalisiert waren und sind.

War dieser „Numerus clausus" bisher relativ in dem Sinne, daß jeder eine Lehre anfangen konnte, wenn auch nur irgendeine, so ist das neue Element jetzt, daß das reelle Angebot an Lehrstellen im Bundesdurchschnitt unter die Nachfrage sinkt, also ein absoluter Mangel auftritt. Das Absinken des reellen Lehrstellen-angebots unter die absolute Zahl der Nachfrage schwankt natürlich regional. Es macht sich besonders in strukturschwachen Wirtschaftszonen bemerkbar, dringt aber auch in die industriellen Ballungsräume vor.

Dieser für das gesamte Bundesgebiet mit Schwankungen anzutreffende Sachverhalt blockiert zuerst einmal, stellt er sich auf Dauer, jede positive Veränderung der Lehr-und Lernsituation in der Sekundarstufe I, da die Schüler dort aus existentiellen Ängsten heraus das Interesse entwickeln müssen und werden — wenn sie nicht völlig resignieren—, jenes Wissen zu „bimsen", das bei der Lehrstellensuche von den Unternehmern verlangt und in Einstellungsgesprächen „getestet" wird. Das wird nicht gerade das an Lehrinhalten und -verhalten sein, das wir landläufig mit der Hoffnung auf Emanzipation verknüpfen. 2. Die Ursachen der Lehrstellenverknappung a) Strukturell wirtschaltliche Gründe Grundlegend für alle hier aufgeführten Argumente ist der Sachverhalt, daß Berufsausbildung im Umfang ihres Angebots und in der Struktur ihrer Qualität und Verwendbarkeit am Arbeitsmarkt unmittelbar abhängt von der Einzelentscheidung von Unternehmern, konkret: von den unterschiedlichen aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen der Betriebe einschließlich eventueller tradierter „betrieblicher Verhaltensmuster" und auch „Publicrelations-Strategien" von Betrieben oder Branchen. Daraus ergeben sich strukturbedingte Entwicklungen auf dem Lehrstellen-markt. Die Linie dieser Entwicklung zeigt sich darin, daß sich das Angebot an Lehrstellen seit 15 Jahren in der Tendenz kontinuierlich um die Hälfte verringert hat. Heute bilden nur noch 16 % aller Betriebe und selbständigen Verwaltungseinheiten aus. Dieser Verringerung steht ein relativ gleichbleibender Teil an nachfragenden Jugendlichen gegenüber. Hinter dieser Entwicklung stehen einige Prozesse, die wir im folgenden aufzählen:

Der Hauptgrund dieser Entwicklung und ihrer tendenziellen Kontinuität liegt im wirtschaftlichen Konzentrationsprozeß, der überproportional Klein-und Mittelbetriebe verschluckte oder sterben ließ und läßt. Das sind aber die ausbildungsintensivsten Betriebsgrößen: 400 000 Lehrlinge, also 30 0/0, lernen in Betrieben bis zu 10 Beschäftigten, 700 000, also deutlich über die Hälfte aller Lehrlinge im „dualen" System, in Betrieben bis zu 50 Beschäftigten. Wenn also in diesem Bereich z. B. 50 000 Betriebe sterben, sterben „en passent" auch 15 000 bis 20 000 Ausbildungsbetriebe. Es ist klar, daß dieser Prozeß auch wieder am stärksten die strukturschwachen Regionen trifft.

Hier und bei allen noch folgenden Ursachen zeigt sich, daß die Verknappungstendenz die aufgeführten Chancenverzerrungen zwischen Regionen, Geschlechtern und Schulbildungen noch verschärft, wie sich an jedem Punkt im einzelnen nachzeichnen ließe. b) Beruisbildungspolitische Ursachen Neben diesem außerhalb des Einflusses der Berufsausbildung stehenden Rückgang gibt es eine Reihe von Gründen, die die Ausbildungsbetriebe zur Verringerung oder Einstellung ihrer Ausbildung veranlaßt haben bzw. veranlassen, die, das ist wichtig, im Zusammenhang mit den jeweiligen Entwicklungen in der Berufsausbildung selber stehen:

Nach der Verabschiedung des BBiG 1969 beschleunigte sich 1970/71 der Abwärtstrend. Das BBiG hatte zwar keine wesentlichen Änderungen gebracht, doch es wirkte, auch im Zusammenhang mit der erstmals sehr breiten öffentlichen Diskussion, präventiv: Die ungeeignetsten Betriebe zogen sich jetzt aus dei Ausbildung zurück

Die Kosten der Ausbildung sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen: einmal, als Folge des BBiG, durch die Überarbeitung dei Ordnungsmittel für ca. 700 000 Ausbildungsverhältnisse, was erhöhte personelle und materielle Aufwendungen verursachte; zum anderen stiegen durch die Tarifpolitik der Gewerkschaften die Ausbildungsvergü Lungen. Dieser Punkt ist deshalb wichtig, weil die Hälfte der von der sog. „Edding-Kommission" ermittelten Nettokosten der betrieblichen Berufsausbildung hier entstehen (einschl.der Folgekosten wie Rentenversicherungsbeiträge u. ä.).

Die genannten neuen Ausbildungspläne haben neben der Kostensteigerung an die potentiellen Lehrbetriebe auch erhöhte Anforderungen in bezug auf die Ausbildungseignung gestellt, also an die Organisationen des Betriebes, sein Produktionsprogramm, die Erlernbarkeit breiterer Fähigkeiten und Kenntnisse Auch das hat viele Ausbildungsbetriebe gezwungen oder veranlaßt, die Ausbildung zu reduzieren oder einzustellen.

Der relativen und absoluten Kostensteigerung kam entgegen ein gesteigertes Kostenhewußt sein der Betriebe, vor allem der Klein-und Mittelbetriebe. Allgemeine Markttendenzen zwangen und zwingen dazu, auch hier über-haupt oder verstärkt betriebswirtschaftliche Kostenermittlung zu betreiben, erleichtert durch den steigenden Einsatz von EDV-Anlagen bzw. die Möglichkeit, sich EDV-Zentren anzuschließen. Eine weitere Verstärkung erfuhr diese Tendenz nun durch den Abschlußbericht der sog. „Edding-Kommission", durch den viele Betriebe, die bisher aus Tradition und/oder Gewohnheit oder in der Meinung ausbildeten, das bringe etwas ein bzw. koste zumindest nichts, nun erfuhren, daß es doch etwas kostet.

Schwer zu schätzen, aber nicht zu unterschätzen, ist die (wenn auch noch unzureichende) gesteigerte Sensibilität gegenüber der Berufsausbildung. Eltern und Schüler suchten stärker aus, nicht jeder „Krauter" fand mehr einen Dummen, der bei ihm „lernte". Aber auch viele „Lehrherren" selber merkten, daß nicht mehr alles ging, daß es z. B. ihrem Image schadete, das Lehrmädchen jeden Tag vor dem Geschäft die Straße fegen zu lassen. Was also sollte dann noch die Ausbildung, wenn sie „nur noch" Verpflichtungen mit sich brachte?

Ein weiterer Grund ist der wachsende Numerus clausus an den Hochschulen. Der hat nun in steigendem Umfang zur Folge, daß Abiturienten sich vorweg (zum „überwintern" oder als sinnvolles „Propädeutikum") einen Lehrplatz suchen, zumal sie die Lehre früher beenden können. Sie besetzen so Lehrstellen, die den traditionellen Anwärtern aus den Haupt-und Realschulen zusätzlich fehlen — and das sind oft die besten Ausbildungsplätze. Eindeutig ist natürlich auch, daß die aktuelle konjunkturelle Situation verschärfend und beschleunigend auf fast alle oben genannten Faktoren einwirkt, z. B. Sterben der Kleinand Mittelbetriebe, Kostendruck usw.

Als letzteres sei genannt, daß die langfristig strukturbedingte, aber auch durch die letzte Konjunktur verstärkte Notwendigkeit des Staates zum Sparen bei seinem „Eigenver-orauch" dazu führt, daß auch die vom Staat ingebotenen Ausbildungsmöglichkeiten in ier Verwaltung, bei Post, Bahn usw. sich verringerten. Alle hier aufgeführten Tendenzen, vor allem iuch das Eindringen der Abiturienten in ih-len traditionell fernliegende „untere" Billungsangebote, führt zu einer durchgängigen Herunterstufung der Ausbildungschancen für iie andern Gruppen der nachfragenden Jujend. Den letzten beißen auch hier die Hunie: Die große Zahl der Hauptschüler ohne Abschluß, von denen bisher ein großer Teil noch eine relativ nützliche Ausbildungsstelle fand, findet jetzt nicht nur kaum noch eine Lehrstelle, sondern häufig nicht einmal mehr einen Arbeitsplatz als jugendlicher Ungelernter. Die Kosten ihrer höheren Vergütung, der weitere Berufsschulbesuch und die Grenzen, die das Jugendarbeitsschutzgesetz ihrem Arbeitseinsatz steckt, veranlassen mehr und mehr Firmen, für die entsprechenden Arbeiten z. B. Gastarbeiter einzustellen. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt; Gelder, die zur Reform der Berufsausbildung (auch im Sinne einer Verhinderung oder eine Milderung des Jugendarbeiterproblems) bisher fehlten oder nicht mobilisiert wurden, müssen jetzt als Arbeitslosenunterstützung gezahlt werden. c) Verschiedene weitere Gründe Ein weiteres Beispiel für den Fehleinsatz öffentlicher Gelder durch Planlosigkeit, aber auch ein weiterer Grund für die Verknappung von Lehrstellen, ist der steigende Umfang der beruflichen Umschulungsfälle. 1969, als das „Arbeitsförderungsgesetz" erlassen wurde, machten 60 000 Beschäftigte von ihm Gebrauch, 1974 waren es bereits 300 000, die jährlichen Ausgaben sind auf 1, 5 Mrd. DM gestiegen. Dieses Geld wird häufig und dazu manchmal noch mit geringem Nutzen für die Lösung vor allem individueller Probleme ausgegeben, die bei einer besseren beruflichen Grundausbildung gar nicht erst aufgetreten wären. Und: Viele Firmen oder Innungen stellen die Lehrlingsausbildung ein oder reduzieren sie, weil sie zuviel kostet, und bilden auf den Plätzen in ihren Lehrwerkstätten und überbetrieblichen Einrichtungen zunehmend Erwerbstätige aus bzw. schulen sie um, da die Bundesanstalt für Arbeit dafür gut bezahlt. Die Plätze fehlen jenen, die jetzt eine berufliche Erstausbildung wollen.

Die Bedeutung der Geldfrage tritt auch in einem anderen Punkt hervor, der mit dem Lehrstellenangebot unmittelbar zusammenhängt: Der Ausbau der überbetrieblichen Lehrwerkstätten, der die betriebliche Ausbildung entlastet und deshalb sehr wichtig ist für die Steigerung der Bereitschaft von Betrieben, überhaupt oder mehr auszubilden, wird ja — was die Kammern und Innungen, die damit Reklame machen, meistens zu erwähnen vergessen—, überwiegend bis ganz aus öffentlichen Geldern finanziert. Da die öffentliche Hand aber bis 1975 nur die Investition bezahlte (heute ca. 50 000 DM pro Ausbildungsplatz), nicht aber die Folgekosten (heute ca. 10 000 DM pro Ausbildungsplatz und Jahr), konnten sich das nur potente Wirtschaftsverbände oder Innungen leisten und die öffentlichen Gelder abrufen. Das verkehrt den eigentlichen Zweck, nämlich gerade in strukturschwachen Gebieten zusätzliche Ausbildungsangebote zu schaffen, fast in sein Gegenteil: die „schon haben", bekommen noch mehr dazu.

Schließlich: Der Lehrstellenmangel zwingt immer mehr Jugendliche, nach einer Ersatzausbildung Ausschau zu halten. Ließen sich die vollschulischen Berufsbildungseinrichtungen schnell ausbauen, wäre das Ganze kein Problem. Das ist aber finanziell, technisch und personell nur langfristig möglich. Die Betroffenen weichen also auf die BAS (Berufsaufbauschule) und FOS (Fachoberschule) aus, da hier Kapazitätserweiterungen finanziell und organisatorisch eher möglich sind. Die Folge ist nicht nur ein Druck auf die Teilzeitberufsschule (Entzug von materiellen Ressourcen und Lehrkräften), sondern später, da diese Bildungsgänge keine Berufsqualifikation vermitteln, ein verstärkter Andrang auf die Fachhochschulen.

Dazu kommen nun auch noch die geburten-starken Jahrgänge: Hatten wir 1974 450 000 Jugendliche, die eine Lehrstelle suchten, so werden es 1978 520 000 Jugendliche sein (in Hamburg: 1974: 53 000, 1980 69 000 Nachfrager). Dazu kommt, daß selbst bei absolutem Stillhalten auf der Gesetzesebene auch in Zukunft die Kosten der Ausbildung relativ steigen werden und damit der potentielle Druck auf das Lehrstellenangebot: Weitere neue Ordnungsmittel, die Ausbildung der Ausbilder, steigende Ausbildungsvergütungen und Nebenkosten usw. d) Jugendarbeitslosigkeit und Ungelernten-Problem als Thema der Berufsbildungsreform Wenigstens stichwortartig muß noch dem Versuch entgegengetreten werden, das Berufsausbildungsproblem und das Problem der Jugendarbeitslosigkeit, aber auch das Problem der ungelernten Jugendlichen voneinander unabhängig zu lösen. Ein Großteil der letztgenannten Probleme resultiert aus der Struktur der jetzigen Berufsausbildung und Berufsvorbereitung: — Mangelndes Angebot am Orte, fehlende Vorbereitung, geschlechtsspezifische Berufs-vorbereitung u. a. sind wesentliche Momente für die wachsende Zahl jugendlicher Ungelernter, die inzwischen mit ca. 260 000 wieder die Zahl der industriellen gewerblichen Lehrlinge übersteigt!

— Schlechte Ausbildung, Ausbildung in Lehrberufen ohne spätere Arbeitsplatzchance und „Lehrlingszüchterei" (Ausbildung von viel mehr Lehrlingen, als Nachwuchs gebraucht wird, z. B. im Kfz-Handwerk) sind Gründe für Jugendliche mit Gehilfenbrief, aber häufig faktischen Ungelernten-bzw. Arbeitslosen-Status. — Zu spezialisierte, unpädagogische Ausbildung sind Gründe für nichtvorhandene Berufschancen von Lernbehinderten oder Unmotivierten, für die hohe Zahl von Abbrechern. — Das alles sind zusammen mit dem Rückgang der Lehrstellen und mit der um sich greifenden Resignation unter den Schulabgängern, in Zeiten konjunktureller und struktureller wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Betriebe gleichzeitig auch Gründe einer steigenden Jugendarbeitslosigkeit.

Klar ist, daß ohne Reform der Berufsausbildung das Heer der Ungelernten und jugendlichen Arbeitslosen nicht oder nur teilweise abgebaut werden kann. Damit ist es politisch unumgänglich, die Probleme immer im Zusammenhang zu diskutieren und nicht Aktivitäten auf einem Sektor , z.B. dem der Jugendarbeitslosigkeit Aktivitäten in anderen Bereichen zu opfern 3. Die aktuellen Schwierigkeiten Was feststeht ist: Wir haben vor uns keinen generellen oder breit organisierten Lehrstellen-Boykott der Wirtschaft, sondern was politisch viel verfänglicher ist, den Bankrott der Marktsteuerung in diesem Bildungsbereich und der unternehmerischen „Selbstverwaltung". Das macht vor allem deutlich, daß alles steht und fällt mit einer umfassenden regelung der Finanzierung, und daß damit eine andere Vergütungsstruktuer zusammenhängen muß. Jene die trotz Einsicht in die Strukturen auf ihren Interessenpositionen beharrten oder heute die Achselns zucken und die Schuld den reformern zuschieben, können einfach nicht mehrin Zukunft das alleinige Sagen haben, wenr nicht immer wieder dasselbe passieren soll. Hier scheint aber auch eine Desillusionierung angebracht. Ohne die intensive weitere Diskussion der inhaltlichen Reform aufzugeben, ist klar, daß inhaltliche Reformen über den Standard des BBiG hinaus momentan nicht denkbar sind, es sei denn, man wolle den Kollaps des dualen Systems provozieren. Da nichts an dessen Stelle „aus dem Ärmel gezaubert“ werden kann, kann das nur eine Strategie auf dem Rücken der Schulabgänger, also ganzer Jahrgänge zukünftiger Arbeit„nehmer" sein.

Die Realität ist heute die, daß das bildungspolitische Handeln von der Formel „Mehr Qualität = Weniger Ausbildungsplätze" diktiert wird. Diese Realität sehen heißt aber nicht, den Kopf in den Sand stecken, sondern angesichts dieser Schwierigkeit jene radikalen Einschnitte in die Struktur der jetzigen Berufsausbildung vorbereiten, ohne die sich auf die Dauer nichts lösen läßt — das aber so, daß wir jetzt nicht die Situation noch verschlimmern. Das Problem gleicht der „Quadratur des Kreises".

Dabei müssen die Reformer das Folgende erkennen: Die Unternehmer sind die einzige Gruppe in unserer Gesellschaft, die von der hier dargelegten Situation der Berufsausbildung nicht negativ betroffen ist. Der gegenwärtige Zustand bringt ihnen, ob gewollt oder ungewollt, sogar Vorteile: Blockieren einer demokratischen Entwicklung in der Sekundarstufe I, tendenzielle Dequalifizierung der zukünftigen Arbeitnehmer mit günstigen Folgen für die Lohnentwicklung und das Verhalten; brave Lehrlinge, die dankbar sind, überhaupt eine Lehrstelle gefunden zu haben, und die Angst haben, nach der Lehre keinen Job zu finden; jugendliche Ungelernte, die von sich aus das Jugendarbeits-Schutz-Gesetz „in den Papierkorb werfen" oder, wie das jetzt in Baden-Württemberg geschieht, auf den Berufs-schulbesuch „verzichten", um überhaupt einen Arbeitsplatz zu erhalten. Auch eine Änderung dieser Zustände, sollte sie sich für die unternehmerischen Interessen als nützlich erweisen, wollen die jetzigen und/oder zukünftigen Lehr„herren" in eigener Regie behalten. Das ist ihr in der aktuellen Diskussion mit seltener Klarheit formulierter Interessenstandpunkt 4. Wie hätte ein neues Berufsbildungsgesetz aussehen müssen?

Wir formulieren das hier einmal „naiv", also als von der politischen, aktuellen gesetzgeberischen Situation abgehobenen Forderungskatalog: a) Grundstrukturen einer „juristischen" Re-iormpolitik Wenn jede Milderung der Lehrstellenverknappung, jeder Abbau und die Verhinderung dieses Defizits in Zukunft sowie jede weitere qualitative Verbesserung der Berufsausbildung abhängt von einer grundlegenden Veränderung der Finanzierung und einer neuen Verfügungsstruktur, dann muß dies also der wesentliche Inhalt des neuen Gesetzes sein. Da die aktuelle Konjunktursituation nicht außer acht gelassen werden kann, muß die Finanzierung stufenweise geregelt werden, vielleicht auch in der Erhebung differenziert, z. B. für eine bestimmte Zeit unter Auslassung der Kleinbetriebe. Außerdem können in diesen Topf die ganzen staatlichen Gelder fließen, die jetzt schon von verschiedenen staatlichen Instanzen in die Berufsausbildung gesteckt werden, vor allem für die überbetrieblichen Lehrwerkstätten. Dies muß dann aber unter Einbeziehung der Folgekosten geschehen, so daß man damit wirklich Struktur-und im Hinblick auf die Sekundarstufe II Integrationspolitik machen kann.

Da jeder übertrieben neue Verwaltungsaufwand finanziell und organisatorisch erstickt, was jetzt entwickelt werden muß, ist nur eine weitgehende Selbstverwaltung denkbar, die die Betroffenen in Gestaltung und Kontrolle der Ausbildung einbezieht, damit zugleich auch den notwendigen Sachverstand mobilisiert. Wir wollen nur einen Hinweis geben: Im beruflichen Bildungssystem haben wir weit mehr Lernorte als im gesamten übrigen Bildungssystem, nämlich weit über eine halbe Million. Allein die Kontrolle würde — obrigkeitlich-bürokratisch organisiert — einen Riesenapparat erfordern. Sinnvoller ist hier also die Selbstkontrolle durch die Betroffenenl Diese neue Entscheidungs-und Verwaltungs-Struktur ist auch wichtig, da alle inhaltlichen Reformen nur in einem langfristigen Prozeß zu regeln sind. Das Gesetz kann sowieso inhaltlich nicht mehr machen, als Untergrenzen der Qualität zu fixieren, Ziele und auch Zeiten zu formulieren und als Kern eine Finanzierungsund Verfügungsstruktur zu begründen, die die notwendigen Prozesse materiell und personell tragen kann. Die notwendige Zerstörung jener Illusion, im Augenblick sei materiell-inhaltlich mehr zu erreichen als die Absicherung eines ausreichenden Angebots an Lehrstellen, ist also gleichzeitig eine notwendige Zerstörung jener strukturblinden und staatsgläubig-bürokatischen Illusion, ein neues Gesetz und wenn möglich auch gleich eine neue Bürokratie sei schon die Reform. Den eigentlich inhaltlich anzusteuernden Prozeß haben wir ja eingangs aufgeführt!

An diesen Punkten wird deutlich, daß die Desillusionierung über die Funktion von Gesetzen — die Reduzierung ihres Auftrags auf das Schaffen von Bedingungen für die Organisierung eines Reformprozesses, für die Zurück-verlagerung von Gestaltungs-und 'Verwaltungsfunktionen in die gesellschaftlichen Teilbereiche —, nicht nur unumgängliche Voraussetzung von Demokratisierung ist, sondern funktionale Voraussetzung des Gelingens inhaltlicher Veränderung überhaupt und gleichzeitig, unter dem tendenziellen Sparzwang der öffentlichen Hände, die finanzielle Voraussetzung von Reformen

Dies in die Diskussion einzubringen ist prinzipiell wichtig, um das ständige Kostenargument nicht als Kapitulationsgrund zu mißbrauchen oder akzeptieren zu müssen, sondern darüber zu diskutieren, ob es nicht auch billiger und dabei gleichzeitig effektiver geht.

Gewiß müssen hier noch Erfahrungen hinzukommen und Lernprozesse weitergehen; das Modell der Wissenschaftler ist ein erster Konkretisierungsversuch. Immerhin wird zunehmend deutlicher, daß die überkommene obrigkeitliche staatliche Verwaltung die wachsende Komplexität der Probleme nicht „in den Griff'bekommt, nicht einmal als Verwaltung des Mangels Gerade auf dem Bil-dungssektor wird das deutlich: der Allzuständigkeitsdrang der staatlichen Bürokratien wächst reziprok zu ihrer Problemlösungsinkompetenz. Zumal auf dem Gebiet der Berufsausbildung die Probleme wesentlich „molekularer", flexibler sind (viel mehr Lemorte, andauernder qualitativer und quantitativer Wandel usw.), scheint es uns unmöglich, die eingangs begründeten Reformprozesse allein von einer staatlichen Bürokratie organisieren zu lassen. Das ist auch bisher nicht glaubhaft gemacht worden. b) Zur Notwendigkeit juristischer „Vermei-dungsimperative“

Zurück zum Gesetz: Neben Finanzierung und Verfügungsstruktur muß geklärt sein, welche inhaltlichen Ziele anzustreben sind, etwa im Sinne unseres eingangs aufgeführten Katalogs, aber eben nur mit Zielfunktionen. Es muß noch einmal gesagt werden: Wesentlicher Auftrag eines Gesetzes wäre die Begründung einer Verfügungsstruktur und einer materiellen Absicherung, nicht die Aufreihung perfektionistischer Inhaltsvergaben, die dann „mangels Masse" juristische Verzierungen einer für die Betroffenen weiterhin untragbaren gesellschaftlichen Teilrealität bleiben. Hier wäre vor allem an weitreichende Öffnungsklauseln für Innovationen zu denken, gedeckt durch zusätzliche Finanzierungszusicherungen! Direkt im Sinne juristischer Verfügung muß durch gesetzliche Regelungen verhindert werden, daß eine Normalisierung des Lehrstellen-angebots auf Kosten der Qualität geht. Dazu gehört vor allem die Unterbindung jeder Stufenausbildung, die Zwischenabschlüsse verbindlich macht, wie z. B. im Einzelhandel, in der Bau-und Elektroindustrie usw., und die konzeptionell nur das Scheinangebot qualifizierter Berufschancen eröffnet, realiter jedoch unter der Hand die alten Angelerntentätigkeiteh wieder für die Masse der Lehrlinge übrigläßt. Die Stufenausbildung im Elektrobereich ist ein Musterbeispiel für solche gutgemeinten Versuche, die sich angesichts der Strukturgesetze unseres „dualen" Systems in ihr Gegen-teil verkehren: Die 2. Stufe bieten kaum Lehrbetriebe an, die Masse der Lehrlinge lernt 2 Jahre, also weniger als vorher! ! Da das sofortige Unterbinden dieser organisierten De-Qualifizierung zu einem Rückgang des Lehrstellenangebots führen würde, ist auch eine solche Regelung nur stufenweise und im Gleichschritt mit dem Ausbau der Finanzierung zu realisieren. Zu diesen juristischen „Vermeidungsimperativen" gehören aber auch genaue Akkreditierungsvorschriften, die die jetzt zu beobachtende Wiederbelebung ausbildungspolitischer „Leichen" auf dem Lehrstellenmarkt verhindern, bei denen das Problem dann nur — auf Kosten der Jugendlichen — um drei Jahre verschoben wird (Beispiel: Bäcker).

Natürlich sollte geprüft werden, ob das neue BBiG nicht zumindest die Möglichkeit für bestimmte Gremien eröffnet, eine Ausbildungspflicht zu verfügen. Auch diese Sache wird heute gefordert ohne ausreichendes Nachdenken über die Strukturbedingungen, als wäre es das Sesam-öffne-Dich aus dem dunklen Verlies der gegenwärtigen Nöte. Dazu soll später noch etwas gesagt werden. c) Bemerkungen zu einigen „Patentrezepten“Es ist nach dem zuletzt genannten Punkt notwendig, einige Schlagwortrezepte der Diskussion kurz zu kritisieren, da sie nur von den zentralen politischen Forderungen ablenken:

Ein rascher Ausbau der vollschulischen Berufsausbildung ist illusorisch, zumindest in der Weise nicht, daß in absehbarer Zeit das Defizit auch nur spürbar ausgeglichen werden könnte. (Außerdem gäbe es noch einige inhaltliche Bedenken gegen eine vollschulische Berufsausbildung.)

Die Ersetzung der direkten Finanzierung (Umlage und direkte Verteilung durch Steuererleichterungen der Ausbildungsbetriebe übersieht, daß Großbetriebe ihre Bildungsausgaben schon weitgehend abschreiben, Klein-und Mittelbetriebe gerade in konjunkturschwachen Zeiten, wo es besonders das Ausbildungsangebot zu stabilisieren gilt, kaum etwas an solchen Steuern zu zahlen haben, von denen sie ihre Netto-Ausbildungskosten abschreiben können über das hinaus, was sie heute schon abschreiben. Die Wirksamkeit vom Steuererleichterungen wird zumindest kurzfristig, also auch wieder gerade in konjunktursdiwachen Zeiten, wo schnelle Hilfe not tut, durchkreuzt dadurch, daß Steuererleichterungen i. d. R. jährlich, Kosten aber laufend anfallen. Der wesentlichste Einwand gegen dieses „Steuerungsinstrument" ist jedoch, daß Steuererleichterungen vor allem keinerlei strukturelle Steuerung erlauben, also keinen Einfluß haben auf die Frage, ob der Betrieb überhaupt ausbilden kann, sondern nur, ob er überhaupt will. -

Eine ausgesprochene oder durch die Hintertür (z. B. Stufenausbildung) geduldete Verschlechterung des jetzigen Ausbildungsstandards, um Betriebe ausbildungswilliger zu machen, ist eine Möglichkeit, die überhaupt nicht diskutiert werden kann, allerdings in der Realität beobachtet werden muß. (Dazu gehört auch die Reaktivierung schlechter oder/und zukunftsloser Ausbildungsplätze, wie sie jetzt zum Scheinabbau der Lehrstellenknappheit betrieben wird und jener Erlaß des Kultusministers von Baden-Württemberg, der es Betrieben erlaubt, Jugendliche als Ungelernte zu beschäftigen, wenn diese auf den Berufsschulbesuch „verzichten", also auf das letzte noch erhaltbare Minimum an Bildung vor ihrem 50jährigen Arbeits„leben".)

Schließlich wird die Zauberformel von der Ausbildungsverpflichtung herumgereicht. Wir wollen hier nicht in die Diskussion der Juristen eingreifen, aber unbestritten ist, daß solche Möglichkeiten juristisch nicht generell unmöglich wären. Wir sind auch der Meinung, daß in einem neuen BBiG diese Frage geklärt werden sollte dergestalt, daß, wenn alles andere keinen Erfolg zeitigt, verordnet werden muß, um relativ gleichmäßige Ausbildungschancen zu garantieren. Auf dem Hintergrund von Finanzierungsmöglichkeiten und einer entsprechenden orts-und problemnahen Selbstverwaltung wäre das auch machbar. Aber kurzfristig ist von dieser Maßnahme, selbst, wenn sie jetzt politisch durchsetzbar wäre, nichts zu erwarten, vor allem nicht ohne Finanzierungsregelung:

Wen will man dann verpflichten? Alle Betriebe? Soviel Nachfrage ist bei weitem nicht vorhanden, es sei denn, jeder Betrieb erhielte einen Lehrling — eine absurde Vorstellung! Man muß also schon quantitativ und regional selektieren, aber nach welchen Kriterien, mit welchem Personal? Wer setzt kurzfristig die Firmen in die Lage, auch wirklich ausbilden zu können? Wer kontrolliert, ob die verpflichteten Betriebe sich ihrer unliebsamen Pflicht nicht durch Schlamperei entledigen? Wer will bei nachgewiesenen Kosten der Ausbildung die Querelen meistern, die entste23 hen, wenn der Betrieb auf seine Konkurrenzsituation verweist? Und wer will und kann erst jenen Ärger schlichten, der dann auch von den Beschäftigten kommt, wenn die Ausbildungsverpflichtung auf ihre soziale Situation und ihre Arbeitsplatzsicherheit durch-schlägt? Wer will eigentlich unter den gegenwärtigen Umständen einem jungen Menschen zumuten, unter solchen Vorzeichen ausgebildet zu werden? Diese Liste ließe sich verlängern. 5. Gegenwärtige Politik und Ausblick auf die Zukunft Diese aktuelle politische Auseinandersetzung um ein neues BBiG läßt es aber als sicher erscheinen, daß nur wenig — zu wenig — von dem bisher Diskutierten eintreten wird: Das jetzt in der Beratung stehende Gesetz wird, voraussgesetzt, es wird so verabschiedet, an der Realität der Berufsausbildung nicht viel ändern. Diese pessimistische Einschätzung gründet sich neben den folgenden Punkten vor allem auf die schon zitierte Desillusionierung über die Entwicklung unseres Arbeitsmarktes. Diese Desillusionierung sollte auch für diesen Gesetzentwurf Folgen haben und zum überdenken führen, vor allem da, wo vor dem Horizont damaliger optimistischer Prognosen dieses oder jenes, vor allem die Finanzierungsregeln, von Optimisten noch für ausreichend gehalten wurden, weil man für ein Konjunkturproblem hielt, was in Wahrheit ein Strukturproblem ist! Zur Einzel-kritik: Die Kammern behalten die alten Zuständigkeiten; auch in den höheren Entscheidungsebenen gibt es nicht mehr Mitbestimmung der Gewerkschaften und der Betroffenen. Damit scheitert schon der Versuch weitgehend, inhaltliche Berufsausbildungsreform als Prozeß v'on der Verfügungsstruktur her zu ermöglichen.

Aber auch die materielle bzw. finanzielle Basis fehlt weiterhin und damit eine Realisierungschance der wenigen inhaltlichen Verbesserungen, die der Gesetzentwurf aufweist: Die Achillesferse jeder quantitativen und qualitativen Verbesserung der Berufsausbildung, nämlich ihre direkte und indirekte Abhängigkeit vom unternehmerischen Kalkül, bleibt voll erhalten, da eine durchgehende überbetriebliche Finanzierung nicht vorgesehen ist. Die Finanzierung ist nur als Notfond gedacht.

In der öffentlichen Diskussion ist inzwischen von kompetenter Seite eindringlich genug klargelegt worden, daß schon organisatorisch diese Lösung ein Unding ist (vgl. die Anlage Wichtiger ist jedoch, daß damit jede systematische Struktur-und Reformpolitik im Bereich der beruflichen Erstausbildung unmöglich wird. Es ist sogar fraglich, ob der Zustand von 1969, also der Inkraftsetzung des jetzigen BBiG, wieder erreicht werden kann. Angesichts der inzwischen eingetretenen Entwicklung und dem, was sonst in Bonn noch an Vorstellungen zur Reform der beruflichen Bildung kursiert — soweit sie eine fraktionelle oder gar parlamentarische Chance hat —, kann die Hoffnung auf ein gründliche gesetzliche Lösung kaum noch aufrechterhalten werden.

Selbst die wenigen positiven Ansätze des jetzt von der Koalition vorgelegten Gesetz-entwurfes werden wahrscheinlich scheitern, weil die Strukturbedingungen des „dualen" Systems, die doch gerade jetzt so schmerzhaft „durchschlagen", kaum beachtet werden. Was wird z. B. die löbliche Absicht bringen, die Prüfungsaufgaben nicht mehr von den Kammern, sondern staatlich festsetzen zu lassen? Wenn man damit wirklich Druck auf die Ausbildungsqualität ausüben will, wird durch strukturbedingtes Sinken des Lehrstellenangebots der Gegendruck „der Wirtschaft" immer stärker sein. Und ehe man in solchen Fällen den im Gesetz konstruierten „Finanzierungsklapperatismus" in Gang setzt — der ja als ad-hoc-System viel aufwendiger und schwer-fälliger ist als eine Finanzierungsdauerregelung—, wird man lieber nachgeben: Die „Kinder" brauchen eine Lehrstelle, die „Jungen und Mädchen" einen Gehilfenbrief! Gerade diese menschenfreundlichen Argumente zwingen zur permanenten Kapitulation vor den Auswirkungen einzelwirtschaftlicher Marktrationalität auf die Quantität und Qualität der Berufsausbildung.

Nicht nur das bereits zitierte Anwachsen der Nachfrage nach Lehrstellen durch die steigenden Zahlen von Schulabgängern, sondern vor allem die ungewisse konjunkturpolitische Entwicklung und die angesichts der internationalen Entwicklungen sich auf Dauer zu stellen drohende arbeitswirtschaftliche Labilität bedeutet die Gefahr, daß das Problem der Jugendarbeitslosigkeit und das Problem des Lehrstellenmangels ein Dauerproblem auf dem Rücken der sowieso schon benachteiligten Gruppen unserer Jugend wird. Das gilt um so eher, als aus der Entwicklung des Beschäftigungssystems in unserem Wirtschaftsordnung und/oder von seifen der Unternehmer bzw. ihrer Verbände, die weiterhin über die Struktur des Berufsausbildungssystems bestimmen, kein Anstoß oder gar Druck auf eine Änderung dieser Situation ausgehen wird — es sei denn, es treten schwerwiegende Legitimationsprobleme auf.

Dieser Zwang zur Veränderung ist auch deshalb nur gering, weil die Folgelasten dieser Entwicklung wie auch bisher weitgehend den Lohnabhängigen aufgebürdet werden bzw. Instanzen wie der Bundesanstalt für Arbeit, die in Zukunft mit einer überproportionalen Inanspruchnahme finanzieller gesellschaftlicher Ressourcen wird ausgleichen müssen, was gesellschaftspolitische Versäumnisse bei der beruflichen Erstausbildung bisher verursachten und auch weiterhin zu verursachen drohen — aber das zahlen, vor allem nach der geplanten Beitragserhöhung, die Beschäftigten ja auch weitgehend selber.

Die Frage stellt sich also noch einmal, ob aus der bisher so apostrophierten „vergessenen Majorität" die „verlassene Majorität" wird.

IV. Reformmöglichkeiten „außerhalb" des Berufsbildungsgesetzes

Verständliche Resignation angesichts dieser aktuellen Entwicklungen wäre das Schlechteste, was gesellschaftspolitisch für die Zukunft passieren könnte. Weiterhin bleibt notwendig vor allem eine steigende öffentliche Diskussion, eine Aufklärung und Mobilisierung der von dieser Entwicklung Betroffenen und der am Reform-und Demokratisierungsprozeß dieser Gesellschaft Interessierten. Dieser Auftrag geht vor allen Dingen auch an Wissenschaft und Forschung, an die Eltern der zukünftigen Lehrlinge, an die politischen Jugendverbände. Es darf kein Davonschleichen aus der öffentlichen Verantwortung für die Misere geben.

Tine Reihe von Möglichkeiten haben natürich die Länder in dem ihnen zustehenden Bereich beruflicher Bildung, vor allem also im schulischen Für den entscheidenden betrieblichen Teil der beruflichen Ausbildung sind jedoch die Tarifparteien mit einer Reihe von Möglichkeiten ausgestattet, Berufsausbildung anders als bisher zu organisieren. Das bezieht sich nicht nur auf ihre Mitwirkungsrechte nach altem bzw. eventuell neuem Berufsbildungsgesetz und nach dem Betriebsverfassungsgesetz, sondern auf ihre tarifrechtlichen Möglichkeiten und auf ihre Rolle als gestaltende Faktoren des Beschäftigungssystems, da „Verbesserung der Berufsausbil-düng" und „Humanisierung der Arbeit" — wie wir schon ausführten, zwei Seiten einer Medaille sind Beschränken wir uns zum Abschluß aber auf die Darstellung der direkten Möglichkeiten der Tarifparteien zur Gestaltung der Berufsausbildung. Das wichtigste Instrument einer „außergesetzlichen“ Reform der Berufsausbildung sind Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge. Prof. Dr. R. Hoffmann hat dazu als renommierter Arbeits-und Verfassungsrechtler Stellung genommen. Er führt als Möglichkeiten u. a. auf: „Durch Tarifvertrag können, ebenso wie die allgemeinen Bedingungen des einzelnen Arbeitsverhältnisses, auch die allgemeinen Bedingungen des einzelnen Ausbildungsverhältnisses geregelt werden (soweit nicht bereits eine gesetzliche Regelung besteht). So kann beispielsweise tariflich festgelegt werden, daß der Auszubildende an Berufsschultagen nicht mehr in den Betrieb zu gehen braucht, und daß er darüber hinaus (in bestimmtem zeitlichen Umfang) von der Arbeitsleistung im Betrieb freigestellt wird zur Erledigung der ihm aufgetragenen Lernleistungen. Zu solchen Arbeits-bzw. Ausbildungszeit-Regelungen gehört auch die Ausdehnung des Urlaubs der Auszubildenden in Angleichung an die allge“) meinen Schulferien. Ferner kann durch Tarifvertrag ein Anspruch des einzelnen Auszubildenden auf . Weiterbeschäftigung'nach Ausbildungsabschluß, also auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Lehrbetrieb begründet werden.

In der zweiten Hinsicht kann durch Tarifvertrag auch die Gestaltung und damit die Qualität der betrieblichen Ausbildung bestimmt werden. So können bestimmte Qualifikationsanforderungen an die betrieblichen Ausbilder tariflich vorgeschrieben werden und gleichzeitig diesen Betriebsausbildern ein fester Anspruch auf Schulung, Fortbildung und Erfahrungsaustausch bei Fortzahlung des Verdienstes gesichert werden. Durch Tarifvertrag kann vereinbart werden, daß eine finanzielle Mindestausstattung für die betriebliche Ausbildung aufgebracht werden muß, daß etwa ein bestimmter Prozentsatz der betrieblichen Lohnsumme für diesen Zweck aufgewendet werden muß.

Die Mitbestimmung des Betriebsrats und in Anbindung an diese auch eine Mitbestimmung der Auszubildenden selbst (bei Klärung des Verhältnisses zur Jugendvertretung) können über die §§ 96 ff. BetrVG hinaus erweitert werden, so daß nicht nur die . Durchführung'der Berufsausbildungsmaßnahmen des Betriebs mitbestimmt wird, sondern die Gesamtheit der betrieblichen Berufsausbildung, einschließlich ihres Umfangs, ihrer finanziellen Ausstattung, ihrer Ausrichtung, der Bestellung und des Einsatzes der Betriebsausbilder, bis hin zur konkreten Bestimmung der Beschäftigung des einzelnen Auszubildenden.

Drittens können die Gewerkschaften in Tarifverträgen die Einrichtung überbetrieblicher Ausbildungsstätten vereinbaren, die von der Unternehmerseite zu finanzieren sind (eventuell mit staatlichen Zuschüssen) und von beiden Seiten, also auch der Gewerkschaftsseite, mitbestimmt werden."

Zur Frage der Finanzierung von betrieblicher Ausbildung

Offentliche Stellungnahme der Mitglieder der ehemaligen Sachverständigenkommission „Kosten und Finanzierung der beruflichen Bildung"

Regierungen, Parteien und Verbände sind seit Jahren mit großer Einmütigkeit für das Ziel eingetreten, der beruflichen Bildung im Dualen System gleichen Rang neben anderen Bildungsgängen zu verschaffen. Für die Berufsschule wird dies durch verstärkten Einsatz öffentlicher Mittel angestrebt, für die betriebliche Ausbildung sollte die auf einstimmigen Wunsch des Bundestages hierfür berufene Sachverständigenkommission aufgrund einer Analyse der Kosten Finanzierungsvorschläge erarbeiten.

Die Analyse der Kommission ergab schwerwiegende Mängel der betrieblichen Ausbildung, die zu einem erheblichen Teil auf die einzelwirtschaftliche Finanzierung zurückzuführen sind.

Wir stellten in einer umfassenden empirischen Untersuchung fest, daß die Qualität des Ausbildungsangebots regional und von Betrieb zu Betrieb in einem Maße verschieden ist, das den Grundsatz der Chancengerechtigkeit grob verletzt. Dies gilt auch von der Verringerung der Ausbildungsplätze. in konjunkturschwachen Perioden. (Schulen schließen nicht bei Konjunkturrückgang, sondern bieten jedem Jahrgang die gleiche Chance. Die betriebliche Ausbildung ist nur dann gleichrangig, wenn sie eine ähnliche Gleichmäßigkeit und Planmäßigkeit des Angebots sichert.) Die Analyse der Kommission ergab weiter erhebliche Fehlsteuerungen der Ausbildung: Die einzelwirtschaftliche Finanzierung führt dazu, daß in weiten Bereichen Ausbildungsplätze angeboten werden, obwohl wahrscheinlich oder sicher ist, daß ein großer Teil der Ausgebildeten anschließend keine Beschäftigung im erlernten Beruf finden kann. Die einzelwirtschaftliche Finanzierung führt außerdem dazu, daß in sehr vielen Fällen wegen des Interesses an schneller Nutzbarkeit so einseitig und eng ausgebildet wird, daß eine Benachteiligung gegenüber den breiter Ausgebildeten entsteht.

Die empirischen Materialien belegen, daß nicht nur die Qualität der Ausbildung, sondern auch der Umfang des Angebots bei der bisherigen Finanzierungsweise hinter dem Zurückbleiben, was unter bildungspolitischen Gesichtspunkten sowie im gesamtwirtschaftlichen Interesse richtig wäre. Nur etwa ein Zehntel der Betriebe in Industrie und Handel sowie etwa ein Viertel der Handwerksbetriebe beteiligen sich an der Ausbildung. Diese Anteile zeigen eine Tendenz, sich zu verringern. Wenn zunehmende Anforderungen an die Qualität gestellt würden und insbesondere, wenn sich dadurch die Nettokosten erhöhten, würde dies vermutlich die Zahl der ausbildenden Berufe noch stärker abnehmen lassen.

Wir erkannten beim Studium dieser und anderer Probleme der Ausbildung, daß sich bei einzelwirtschaftlicher Finanzierung ein Konflikt zwischen den bildungspolilisch und gesamtwirtschaftlich berechtigten Zielen und der Notwendigkeit für die Betriebe, wettbewerbsfähig zu bleiben, ergeben muß. Auch hier ist nicht zu leugnen, daß einzel-wirtschaftlich rationales Verhalten zu gesamtgesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Zielen in Widerspruch geraten kann.

Wir kamen zu dem Schluß, daß dieser Widerspruch nur aufzulösen ist, wenn die Ausbildungsaufgabe der Betriebe durch ein System überbetrieblicher Finanzierung aus dieser Konfliktsituation herausgelöst wird. Wir haben staatliche Subventionen als Mittel zu diesem Zweck erwogen. Es gibt dafür als Beispiel eine allerdings seit Jahren rückläufige und heute verschwindend kleine Anzahl von Betrieben, die nach den Regeln für Ersatzschulen einen Teil der Kosten ihrer Werk-schulen vom Land erstattet bekommen. Um die angemessene Verwendung dieser öffentlichen Mittel zu sichern, müssen sie sich der Kontrolle durch die Kultusministerien unterwerfen. Wir fanden in der privaten Wirtschaft eine so große Abneigung gegen die allgemeine Einführung eines solchen oder eines ähnlichen Verfahrens staatlicher Subvention, daß wir darin keinen aussichtsreichen Weg sahen.

Wir haben uns schließlich für den Vorschlag einer Finanzierung der Ausbildung mittels Umlage der Nettokosten auf alle Arbeitgeber entschieden. Dabei gingen wir davon aus, daß alle Arbeitsstätten aus den Ergebnissen guter Ausbildung Nutzen ziehen und daher auch gleichmäßig mit den Kosten belastet sein sollten. Die Arbeitgeber organisieren sich für diesen Zweck unter Mitwirkung der Arbeitnehmer als Solidargemeinschaft, bringen die erforderlichen Mittel durch Umlage auf und sorgen dafür, daß sie zweckmäßig, das heißt, für nachweislich gute Ausbildung verwendet werden.

Dieser einfache Grundgedanke hat bei den Anhörungen, die wir vor Abgabe unseres Abschlußberichts durchführten, eine breite, wenn auch zum Teil nur bedingte Zustimmung gefunden. Die von uns aus diesem Grundgedanken entwickelten organisatorischen Vorschläge sind dann in der öffentlichen Diskussion von verschiedenen Seiten scharf kritisiert worden. Dabei handelt es sich größtenteils um Mißverständnisse. Sie sollen im folgenden durch einige Erklärungen zu strittigen Punkten ausgeräumt werden. 1. Die Umlage — eine verkappte Steuer?

Eine Steuer fließt in den staatlichen Haushalt. Hier geht es jedoch um eine dem staatlichen Zugriff entzogene Sonderabgabe für einen begrenzten Zweck der Abgabepflichtigen. Die Abgabe muß allerdings durch Gesetz angeordnet werden. Sie wäre als eine „erzwungene Selbsthilfe" anzusehen, wie sie zum Beispiel bei den Kammerbeiträgen, bei Teilen der Sozialversicherung, bei dem Konkursfonds und bei den Beiträgen für die Berufsgenossenschaften vorliegen, Regelungen, die ja auch alle auf Gesetzen beruhen. 2. Unerträgliche zusätzliche Belastung?

Nach unseren Vorschlägen sollte ein Prozent der Lohn-und Gehaltssumme abgeführt werden. Möglicherweise reicht sogar ein noch niedrigerer Satz. Dieser Betrag würde jedoch an die ausbildenden Betriebe zurückfließen. Gesamtwirtschaftlich entsteht daher nur eine minimale zusätzliche Belastung in Höhe der Verwaltungskosten. Einzelwirtschaftlich wirkt die Umlage so, daß die ausbildenden Betriebe im Durchschnitt entlastet, die übrigen belastet werden. Doch ist die Abgabe so geringfügig, daß dadurch kein gesunder Betrieb in seinen Gewinnchancen ernstlich gemindert würde. In Relation zu dem zu erwartenden Nutzen und zu den bei Beibehaltung des jetzigen Finanzierungssystems vorhandenen sozialen Kosten kann die vorgeschlagene Abgabe zweifellos nicht als unangemessen gelten. Außerdem ist davon auszugehen, daß die Abgabe weitgehend auf die Preise über-wälzt werden würde. 3. Keine Motivierung für gute Ausbildung durch Kostenerstattung?

Wir haben immer darauf hingewiesen, daß die vorgeschlagene Erstattung eines Teils der Ausbildungskosten eine zwar notwendige, aber für sich allein nicht hinreichende Bedingung für ein besseres und größeres Ausbildungsangebot ist. Andere als finanzielle Maßnahmen vorzuschlagen, lag nicht in unserem Auftrag. Die Kostenerstattung würde, wie oben ausgeführt, ein wichtiges Hindernis für gute Ausbildung abbauen. Im Zusammenhang mit anderen Reformmaßnahmen wird sie die Betriebe zweifellos positiv für Ausbildung motivieren. Bei vielen kleinen und mittleren Betrieben, die gerne ausbilden möchten, aber die Ausbildung in den vergangenen Jahren eingestellt haben, weil sie ihnen zu teuer wurde, schafft das von uns vorgeschlagene Finanzierungssystem die Möglichkeit, diese Entscheidung rückgängig zu machen und wieder auszubilden. 4. Abgabe nur in Notfällen?

Der Notfall unzureichenden Ausbildungsangebots dürfte vor allem in konjunkturschwachen Perioden eintreten. Dann ist es außerordentlich schwierig, eine neue Abgabe durchzusetzen und dabei unerläßliche Qualitätsmaßstäbe einzuhalten. Bei der Abgabe nur für den Notfall sind mißbräuchli-ehe Praktiken kaum zu vermeiden. Sie dürfte die Konjunkturschwankungen des Angebots an Ausbildungsplätzen eher verschärfen als vermindern. Eine Abgabe als flexible Dauerregelung hat dagegen weit bessere Realisierungschancen und erscheint uns für das Ziel der Aufwertung der beruflichen Bildung bis zur Ranggleichheit in Verbindung mit anderen Reformen als das einzig erfolgversprechende Mittel. 5. übermäßiger Verwaltungsaufwand?

Unsere Berechnung hat gezeigt, daß die vorgeschlagene Finanzierungsregelung eine Verwaltung benötigt, die weniger als 3 % des Fondsaufkommens kostet, und zwar selbst dann, wenn alle Betriebe in das Umlagesystem einbezogen werden. Zum Vergleich seien einige Zahlen aus der Erhebung über die gegenwärtigen Kosten der Ausbildungsverwaltung angegeben:

Ausbildungsbetriebe im Bereich der Industrie-und Handelskammern: Großbetriebe 2 °/o, kleinere Betriebe 3 °/o der Netto-Ausbildungskosten; Handwerksbetriebe 3, 6 °/o, landwirtschaftliche Betriebe 4, 0%; Kosten für Verwaltung und Betreuung der betrieblichen Bildung bei den Handwerkskammern 1 % der Gesamtkosten, bei den Landwirtschaftskammern 8, 5 %.

Der Vorwurf, das von uns vorgeschlagene Finanzierungssystem schaffe einen zu aufwendigen Verwaltungsapparat, trifft nicht zu. Es bietet vielmehr die beste Gewähr, daß die Wirtschaft selbst die Verantwortung für die Höhe des Verwaltungsaufwandes nicht verliert. 6. Bedrohung der unternehmerischen Freiheit?

Die Vorschriften für die Sicherheit im Betrieb binden die Unternehmen, aber wer hält sie nicht für notwendig? Kein weitblickender Unternehmer wird durch die Einführung von Mindeststandards der Ausbildung die Freiheit bedroht sehen, die für die Unternehmensführung wesentlich ist. Derartige Regelungen waren bisher schon Sache des Staates, der ja die berufliche Bildung insgesamt als öffentliche Aufgabe bezeichnet hat. Die Mitwirkung der Gewerkschaften in dem vorgeschlagenen Finanzierungssystem entspricht ihrer gesetzlichen Mitverantwortung für die Ausbildung auf der Ebene der einzelnen Betriebe (Betriebsverfassungsgesetz).

Alle Beteiligten sollten erkennen, daß unser Vorschlag die Eigenverantwortung der Wirtschaft für die berufliche Bildung erhöht und die Freiheit der Wirtschaft, junge Menschen in einem leistungsfähigen System auszubilden, verstärkt. Er ist geeignet, entgegenzuwirken, die einseitig schulische Form der Ausbildung begünstigen. die 20. Mai 1975

Horst Albach, Theodor Dams, Friedrich Edding, Harald Gerfin, Joachim Münch.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. dazu empirische Materialien in den Bänden 3 und 4 der „Hamburger Lehrlings-Studie" (vgl. Fußnote 16); W. Lempert, Berufliche Bildung als Beitrag zur gesellschaftlichen Demokratisierung, Frankfurt 1964, S. 149 ff., 257 ff.; W. Lempert, W. Thomssen, Berufliche Erfahrung und gesellschaftliches Bewußtsein, Stuttgart 1974; R. Crusius, W. Lempert, M. Wilke, Berufsausbildungsreform als Angelpunkt einer gesellschaftsbezogenen Bildungsreform, in: dies. (Hg), Berufsausbildung — Reformpolitik in der Sackgasse? Reinbeck 1974, S. 192 ff.; M. Baethge, Bildungsreform und gesellschaftliche Arbeitsphatzstruktur, in: ebenda, S. 135 ff.

  2. Gesetz zur Regelung der Berufsausbildung sovie der Arbeitsverhältnisse Jugendlicher vom 7. 1. 1951. Dieses Gesetz ist durch das BBiG eretzt.

  3. Vgl. auch Degen/Spiertz: Lehrlingsrecht, WKeihe, Band 44, Frankfurt/M. 1966, S. 2 f., BBiG § 3 2); auch: BAG vom 29. 10. 1957, AP Nr. 10 zu 611 BGB, Lehrverhältnis, in: Arbeit und Recht, g. 5, 1957, S. 339. Eine ausführliche Vorstellung nd Diskussion dieser rechtlichen Problematik — ktuell geworden durch die Streikrechtsfrage für ehrlinge, findet sich in: Arbeit und Recht, Jg. 20, left 8/72, K. Kehrmann, Der Auszubildende im Areitskampf, S. 225 ff.; vgl. auch T. Blanke, Funktinswandel des Streiks im Spätkapitalismus. Am leispiel des Lehrlingsstreiks, Frankfurt/M. 1972, •es. S. 13 ff., S. 53 ff, S. 185 ff.

  4. Auch die im Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) in § 111 für das Handwerk vorgesehenen (und durch § 10 des alten IHK-Lehrvertrages bzw. jetzt durch § 102 BBiG auf den IHK-Sektor ausgeweiteten) „Schlichtungsausschüsse", die einem ordentlichen Gerichtsverfahren vorgreifen sollen, sind eine Konstruktion des „besonderen Treueverhältnisses", das fast nur auf den Lehrling zurückschlägt, zumal für diese Ausschüsse nichts an Rechtsformalitäten geregelt ist. I. d. R. dienen sie also als Abwehr gegen das „Rechtsuchen" des Lehrlings. Einen interessanten, rechtssoziologischen Aspekt steuert S. Simitis (Die faktischen Vertragsverhältnisse, Frankfurt/M. 1957, S. 279 ff.) bei, wenn er die personenrechtliche Definition des Arbeitsvertrages als noch totalere Verdinglichung des Lohnabhängigen analysiert (gegenüber der sachen-rechtlichen Interpretation), da hier der Arbeitnehmer im Widerspruch von Kapital und Arbeit, den die personenrechtliche Interpretation ja mit einem Kunstgriff auflösen soll, statt auf die politische Macht des Staates bzw.seiner Interessenvertretungen auf die Fürsorge seines Arbeitgebers verwiesen wird; s. a. L. Unterseher, Arbeitsvertrag und innerbetriebliche Herrschaft, Frankfurt/M. 1969, S. 64 ff.

  5. Manifest zur Reform der Berufsausbildung, in: deutsche jugend, Jg. 21, Heft 11/1973.

  6. Vgl. U. Boehm, in: Crusius/Lempert/Wilke (Hg), a. a. O„ S. 19 ff.

  7. Vgl. K. Stratmann: in Crusius/Lempert/Wilke (Hg), a. a. O„ S. 108 ff.

  8. Vgl. zu diesem ganzen Komplex das Schulbuch „Ernstfall Lehre" (Autorenkollektiv), Wein-heim und Basel 1975.

  9. Vgl. R. Franzke, S. 50 ff., W. Voigt, S. 87 ff., in: Crusius/Lempert/Wilke (Hg), a. a. O.

  10. Vgl. zur Berufswahlproblematik und Berufs-vorbereitung empirisch: Band 3 der HLS (W. Laatz), a. a. O.; A. Jaeger, Jugendliche in der Berufsentscheidung, Weinheim 1973; zur Arbeitslehreproblematik theoretisch: W. Christian u. a., Polytechnik in der Bundesrepublik Deutschland? Frankfurt 1972; Projektgruppe Arbeitslehre, Schule, Produktion, Gewerkschaften, Reinbeck 1974; sowie das Schulbuch „Ernstfall Lehre", a. a. O.

  11. Vgl. dazu W. Lempert, Berufliche Bildung als Beitrag zur gesellschaftlichen Demokratisierung, a. a. O„ S. 26 ff.

  12. Zur verfassungsrechtlichen Möglichkeit vgl. I. Richter, in: Crusius/Lempert/Wilke, a. a. O., S. 45 ff. Die verfassungsrechtliche und organisationssoziologische Begründung und das Modell selber in: Crusius/Lempert/Wilke (Hg), a. a. O., S. 62 ff.

  13. Abschlußbericht der Sachverständigenkommission Kosten und Finanzierung der beruflichen Bildung, Bundestagsdrucksache 7/1811 vom 14. 3. 1974, Bonn 1974; zur Infas-Untersuchung vgl. information bildung Wissenschaft, BMBW, Nr. 1/75 vom 23. 1. 1975.

  14. Die drei hier behandelten Untersuchungen

  15. Wenn nicht alle drei Untersuchungen zu den einzelnen Sachverhalten zitiert werden, liegen entweder gar keine oder nur schwer vergleichbare Ergebnisse vor. Da insgesamt in diesen Untersuchungen aber keine deutlichen Unterschiede in der Zustandsbeschreibung auftreten, stehen auch solche „unvollständigen" Zahlen für die Gesamtsituation in der Bundesrepublik.

  16. Daß auch der „sachneutrale" Fachunterricht teilweise der Gefahr einseitiger, gegen die Interessen der Lehrlinge gerichteter Indoktrination steht, belegt die „Schulbuchanalyse Wirtschaftslehre": Reetz/Witt, Berufsausbildung in der Kritik, Cuxhaven 1973 (Hg. DAG).

  17. Der Begriff Ausbeutung wird hier nicht im Sinne polit-ökonomischer Theorien gebraucht, auch nicht in dem im Einzelfall für die Beteiligten schwer nachprüfbaren Sinne einer objektiv ermit15

  18. Vgl. dazu M. Baethge, Ausbildung und Herrschaft, Frankfurt 1970; R. Crusius, Kritik des Berufsbildungsgesetzes, Bochum 1970, Nachdruck Bonn 1971, S. 20 ff; Autorenkollektiv, Ernstfall Lehre, a. a. O., S. 61 ff; 111, 137; W. Geiling, Notstand der Berufsausbildung (Lehrlingsprotokolle), in: Gewerkschaftliche Beiträge zu Fragen der beruflichen Bildung, Heft 15, Bochum 1970, S. 5 ff. G. Seidenspinner, Lehrlinge im Konfliktfeld Betrieb, a. a. O., S. 56 ff.

  19. Ein guter Beleg dafür sind die kammeroffiziellen „Beurteilungsbögen", die in vielen Firmen den Lehrling „begleiten“ und fast ausschließlich Verhaltenskategorien, nicht aber Lernkategorien enthalten (vgl. Autorenkollektiv, Ernstfall Lehre, a. a. O„ S. 83).

  20. Vgl. R. Crusius, Kritik des Berufsbildungsgesetzes, a. a. O., S. 3 f, S. 10 ff.

  21. „Unmittelbar" heißt hier: direkt auf die Entscheidung des Einzelbetriebes, Lehrstellen anzubieten, einflußnehmend. Hinter diesen Faktoren stehen natürlich allgemeinere Entwicklungen am Arbeitsmarkt bzw. im Beschäftigungssystem, durch die die Nachfrage der Kapitalverwerter i. S.der quantitativen und qualitativen Struktur der Qualifizierung menschlicher Arbeitskraft beeinflußt wird; soweit in diesem Aufsatz nicht noch darauf eingegangen wird, vgl. M. Baethge, in: Crusius/Lempert/Wilke, a. a. O., S. 196 ff.; U. Bochum, das., S. 19 ff.; B. Lutz, das.; S. 30 ff.

  22. Vgl. R. Crusius, Kritik des Berufsbildungssetzes, a. a. O., S. 6 ff, S. 34 f; vgl. auch Hinweise im Kapitel I, Abschnitt 2 dieses Aufsatzes.

  23. Vgl. zum Gesamtkomplex Jugendarbeitslosigkeit: S. Laturner, B. Schön (Hg.), Jugendarbeitslo sigkeit, Reinbek 1975.

  24. Vgl. M. Baethge, Ausbildung und Herrschaft, Frankfurt 1971. Beispiele für unternehmensinterne Schritte sind die Salzgitter-Werke und die Farbwerke Hoechst. Eindeutig formulierte das „Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung" diesen Standpunkt im September 1972: „Die Wirt-

  25. Zu den Schwierigkeiten staatlicher Reformpolitik im Berufsbildungsbereich vgl. C. Offe, Berufs-bildungsreform. Eine Fallstudie über Reformpolitik, Frankfurt 1975.

  26. Für die staatliche Schulverwaltung bzw. Bildungsverwaltung hat der Deutsche Bildungsrat in ähnliche Richtung gedacht: Zur Reform von Organisation und Verwaltung im Bildungswesen, Empfehlungen der Bildungskommission, Teil I, Bonn 1973 (Zum Modell des Manifestes der Wissenschaftler vgl. Fußnote 14).

  27. Entwurf der Bundesregierung für ein neues Berufsbildungsgesetz vom 16. 4. 1975, vgl. Information bildung Wissenschaft, BMBW, Nr. 4/75 vom 2. 4. 4. 1975.

  28. Stellungnahme der Mitglieder der ehern. Sachverständigenkommission („Edding-Kommission") zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 20. 5. 1975, unterzeichnet von den Professoren Albach, Dams, Edding, Gerfin, Münch (im Wortlaut in diesem Heft als Anlage.

  29. Vgl. als Beispiel: Neuordnung des beruflichen Schulwesens NW, Schriftenreihe des Kultusministers, Nr. 22, Düsseldorf 1973.

  30. Vgl. M. Baethge, S. 135 ff, 196 ff, B. Lutz, S. 30 ff, U. Boehm, S. 19 ff, in: Crusius/Lempert/Wilke (Hg), a. a. O.; H. Noelker, Berufsausbildung und Beschäftigungssystem, Qualifikationsstruktur und Erwerbschancen, in: Gewerkschaftliche Bildungspolitik, Heft 4/1975, S. 90 ff.

  31. R. Hoffmann, Berufsausbildungsreform durch Tarifverträge? in: Kooperation. Mitteilungen der Kommission für die Durchführung des Kooperationsvertrages der Universität Bremen mit der Arbeiterkammer Bremen, Heft 9, Dezember 1974, S. 7; vgl. dazu auch F. Edding, Uber die Zukunft des dualen Systems der beruflichen Bildung, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Jg. 26, Heft 5/75, S. 229 f. Ansätze in diese Richtung zeigen sich im „Zentralen Fachausschuß" des Grafischen Gewerbes und der IG Druck und Papier, der Grundlagen für die Berufsbildungsentwicklung und auch Materialien für die Berufsausbildung im Grafischen Gewerbe erarbeitet.

Weitere Inhalte

Reinhard Crusius, geb. 1941, Lehre und Arbeit als Schriftsetzer, Studium an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik (Volkswirt grad.), Weiterstudium an der Hamburger Universität in den Fächern Volkswirtschaft, Erziehungswissenschaft und Soziologie. Arbeit an der Forschungsstelle der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg. Manfred Wilke, geb. 1941, Lehre und Arbeit als Einzelhandelskaufmann, Studium an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik, (Sozialwirt grad.), Weiterstudium an der Hamburger Universität in den Fächern Erziehungswissenschaft, Politologie und Soziologie. Arbeit an der Forschungsstelle der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg. Veröffentlichungen: Kritik des Berufsbildungsgesetzes, Bochum und Bonn 1970 (R Crusius); Hamburger Lehrlings-Studie der Hochschum für Wirtschaft und Politik, Band 1, Der Lehrling in der Berufsschule (R. Crusius, Mitarbeit W. Laatz und M. Wilke); Band 2, Der Lehrling im Betrieb (J. Daviter, R. Crusius, M. Wilke); Band 5, Krankenpflegeschüler in der Ausbildung (B. Einsle, R. Crusius, M. Wilke), alle Bände herausgegeben vom Deutschen Jugendinstitut, München 1973/74; Praxis und Theorie gewerkschaftlicher Lehrlingspolitik (R. Crusius, H. Söhl, M. Wilke), Offenbach 1971; Elemente einer Theorie der Gewerkschaften im Spätkapitalismus (R. Crusius, M. Wilke), Berlin 1971; CSSR — 5 Jahre „Normalisierung" (R. Crusius, H. Kuehl, J. Skala, M. Wilke), Hamburg 1973; Berufsausbildung — Reformpolitik in der Sackgasse? (R. Crusius, W. Lempert, M. Wilke — Hg.), Reinbek 1974; Die Sowjetunion, Solschenizyn und die westeuropäische Linke (R. Crusius, R. Dutschke, M. Wilke — Hg.), Reinbek 1975; Ernstfall Lehre (R. Crusius, M. Wilke u. a.),'Weinheim 1975; Zahlreiche Aufsätze und Rundfunkbeiträge.