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Wahlkampf und politische Bildung. Eine Analyse der Bundestagswahl 1976 | APuZ 9/1977 | bpb.de

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APuZ 9/1977 Artikel 1 Wahlkampf und politische Bildung. Eine Analyse der Bundestagswahl 1976 Lehrerbildung, Didaktik und die Organisation eines sozialwissenschaftlichen Studiengangs

Wahlkampf und politische Bildung. Eine Analyse der Bundestagswahl 1976

Hanns-Georg Helwerth, Wolfgang Niess, Rolf Sülzer, Bettina Wieselmann, Michael Zeiß Michael Bettina Wieselmann Rolf Sülzer Wolfgang Niess Hanns-Georg Helwerth Zeiß

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Zusammenfassung

Wahlkämpfe werden in dieser Analyse als Höhepunkte sozialer und politischer Prozesse einer Gesellschaft gesehen. Der von der politischen Bildungsarbeit geforderte mündige Bürger sollte gerade hier seine Bewährungsprobe erfahren. Drei zentrale Thesen bestimmen daher das Untersuchungsinteresse: 1. Demokratie und Politik sind Angelegenheiten aller Bürger eines Staates. 2. Die Trennung der Einflußbereiche der Bürger von denen des Staates muß so gering wie möglich gehalten werden. 3. Wahlkämpfe sind Höhepunkte der Auseinandersetzung um politische Meinungs-und Willensbildung; in ihnen wird Politik für viele aktualisiert, sie sind Lernbeispiele demokratischer Praxis. Inhalte und Aufbau der Wahlwerbung und der Wahlprogramme der Bundestagsparteien stehen — so die Analyse — im Widerspruch zu den Zielen politischer Bildungsarbeit. Es wird belegt, daß die Parteien der Verwirklichung des demokratischen Entscheidungsprozesses in Wahlkämpfen kaum Beachtung schenken. Zentrale Probleme werden nicht aufgegriffen, Zusammenhänge politischer Entscheidungen werden nicht sichtbar. Der Bürger kann aus dem Wahlmaterial nicht herausarbeiten, wie bestimmte Perspektiven mit bestimmten erwünschten Maßnahmen gekoppelt werden sollen. Politik wird an Versprechungen gebunden, die nicht zu überprüfen sind; die Komplexität des politischen und sozialen Handelns wird ersetzt durch grobe Vereinfachungen und eine extreme Polarisierung. Einer kritischen Meinungsbildung werden im Wahlkampf Barrieren aus Beeinflussungsstrategien entgegengesetzt, die sich wider den politisch denkenden und rational handelnden Bürger richten. Aus der Analyse — und der Skizze einiger Gründe für einen solchen Wahlkampf — werden Schlußfolgerungen und Forderungen abgeleitet; sie richten sich auf die Stärkung der Handlungsund Entscheidungsfähigkeit der Bürger an vielen Stellen der Gesellschaft. Diese Handlungsfähigkeit kann nur erreicht werden, wenn 1. Prinzipien durchgesetzt werden, die Durchschaubarkeit und Kontrolle ermöglichen; 2. Demokratie in Verbänden und Organisationen möglich ist und Partizipation nicht zurückgewiesen, sondern erfahrbar gemacht wird; 3. die politische Bildungsarbeit stärker als bisher die Umsetzung ihrer Ziele in die politische Praxis anregt — Politik also nicht nur verwissenschaftlicht, sondern auch an praktischen Problemen erlebbar wird.

Im März 1976 kam eine Analyse der Landltagswahlen in Baden-Württemberg zu dem Er! gebnis, daß das Material der Parteien für den Wahlkampf mit Techniken aufbereitet ist, „bei denen der Zweck = potentieller Erfolg • alle Mittel zu rechtfertigen scheint" '). Die I Parteien sind sich dessen zum Teil bewußt, • die langfristigen Konsequenzen solcher Techniken werden jedoch wenig diskutiert. Wenn wir im folgenden versuchen, den Bundestagswahlkampf 1976 zu analysieren, so geschieht das in der Absicht, aufzuzeigen, wie hier im Gegensatz zu den Zielen politischer Bildung sowie der politischen Meinungs-und Willensbildung eher eine Behinderung demokratischer Aufklärung betrieben wurde. Damit wollen wir einen Standpunkt markieren, der wiederum in der politischen Bildungsarbeit genutzt werden kann, um aus der Kritik an diesen Vorgängen Veränderungen zu ermöglichen. Die j Untersuchung legt weniger Wert auf Quantifizierungen; vielmehr sollen Tendenzen und Strategien vorgeführt werden, die im Wahlkampfmaterial der Parteien enthalten sind.

Dies soll die Möglichkeit bieten, z. B. im Schulunterricht eigene Analysen solcher und ähnlicher Materialien anzufertigen.

Drei zentrale Thesen bestimmen dabei unser Untersuchungsinteresse: 1. Demokratie und Politik sind Angelegenheiten aller Bürger eines Staates. Die Trennung der Einflußbereiche der Bürger von denen des Staates muß so gering wie möglich gehalten werden. Wahlkämpfe sind Höhepunkt der Auseinandersetzung um politische Meinungsund Willensbildung. In ihnen wird Politik für viele aktualisiert; sie sind Lernbeispiele demokratischer Praxis.

Im analytischen Vorgehen skizzieren wir zunächst den Zusammenhang von Wahlkampf und politischer Bildung, beschreiben dann die Ziele der politischen Bildungsarbeit, um von daher die Analyse anzusetzen: an den Kosten und Mitteln, an der inhaltlichen Struktur des Werbematerials und an der Argumentationsform der Wahlplattformen. Daran schließen sich — abstrakter und verdichteter — allgemeine Überlegungen zu den Gründen für diese Art des Wahlkampfes an, die schließlich in konkrete, begründbare Forderungen münden.

I. Wahlen Lind Demokratie

Abbildung 1

Demokratie im Sinne des Grundgesetzes beruht darauf, daß das Volk, von dem alle Staatsgewalt ausgeht, sie in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt 2). Staatliche ist also unmittelbar 3) oder vermit-telt durch besondere Organe ausgeübte Herrschaft des Volkes. Diese Grundsätze sind unveränderbare Bestandteile des Grundgesetzes und verlieren allenfalls ihre Gültigkeit durch das Inkrafttreten einer von dem Deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossenen Verfassung „Wähler" ist „man" im Rahmen der parteien-staatlichen Demokratie der Bundesrepublik in der Regel nur alle vier Jahre. Wähler ist man zwar auch im Rahmen von Landtags-und Kommunalwahlen, in Betrieben, Organisatio-nen und Verbänden; die weitreichenden Entscheidungen über das gesellschaftliche Gesamtsystem werden vom Grundgesetz jedoch für die Bundestagswahlen reklamiert. Das Volk kann aber nur dann die Staatsgewalt durch das Organ „Bundestag" ausüben, wenn es im Wahlakt inhaltlich bestimmte Entschei-düngen trifft. Die Beteiligung an Wahlen muß etwas bewirken können; die Wahl selbst muß einen Sinn haben Demokratie geht aus von der Entscheidungsfähigkeit aller Bürger. Wählen heißt; Entscheidungen treffen — über den Status quo ebenso wie über Veränderungen.

Demokratie in der Bundesrepublik geht aber auch aus von der umfassenden Teilnahme der Bürger am politischen Meinungsund Willsensbildungsprozeß, von der Herausbildung einer informierten politischen Öffentlichkeit. Erst wenn diese politische Öffentlichkeit verwirklicht ist, wenn Kontrolle und Partizipation für jeden zugänglich sind, kann von Volkssouveränität die Rede sein. Diese Souveränität der Bürger kann nur erreicht werden als Ergebnis vielschichtiger Lernprozesse. Die Fähigkeit zum Erkennen eigener und fremder Interessen, zum Entwickeln von Zielvorstellungen und zur Wahl geeigneter Mittel für ihre Verwirklichung muß erst erworben werden; die Notwendigkeit der Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen muß erfahren werden. Forderungen nach demokratischem Bewußtsein und demokratischen Verhaltensweisen müssen zentrales Anliegen öffentlicher Erziehung sein, denn erst eine öffentliche Erziehung dazu vermag überhaupt die Voraussetzungen zu schaffen, Demokratie zu verwirklichen.

Es müssen aber auch die tatsächlichen Bedingungen überdacht werden, unter denen politische Willens-und Meinungsbildung und die Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen überhaupt erst stattfinden können. Wenn keine erkennbare Aussicht besteht, wirklich Gehör zu finden, Entscheidungen treffen oder beeinflussen zu können, dann muß polititische Erziehung ihr Ziel verfehlen. Es gilt also, Mißstände abzubauen, die eine Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungsprozessen erschweren oder gar verhindern, öffentliche politische Erziehung ist die eine Seite der Pflicht des Staates; Abbau von Barrieren der Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen die andere.

Die Parteien sind von ihrer verfassungsrechtlichen Stellung her die Mittler zwischen „Volk und Staatsorganen" Ausschließlich durch sie wird letztlich die Vorstellung vom „Volkswillen" ausgeformt. Damit erhalten sie einen entscheidenden Einfluß auf die Organisation der parteienstaatlichen Demokratie, stehen damit aber auch in der verfassungsrechtlichen Verantwortung, Demokratie im Sinne des Grundgesetzes zu konstituieren. Dazu müssen sie der Verpflichtung nachkommen, die Bürger in die Lage zu versetzen, die Staatsgewalt unmittelbar oder vermittelt selbst auszuüben. Diese Verpflichtung haben sie nicht nur im Parteiengesetz übernommen sondern auch in das Konzept öffentlicher Erziehung zu „politischer Bildung" integriert. Diese Verpflichtung darf nicht Postulat bleiben, sie muß das eigene Handeln der Parteien prägen. Gelerntes bedarf der Anwendung, sonst verkümmert es zur Phrase.

Die Parteien beziehen die Legitimation für ihre politische Tätigkeit in den Organen der Legislative und Exekutive aus dem Wahlakt. Die Legitimation durch den Wahlakt begründen sie mit dem demokratischen Wahlverfahren und der politischen Mündigkeit der an diesem Verfahren beteiligten Bürger. Politische Mündigkeit ist dabei das Ergebnis zumindest zweier Lernprozesse: politischer Erziehung (formuliert in den Zielvorstellungen der Parteien zur politischen Bildung und politischer Teilnahme (formuliert im Parteien-gesetz) ; diese politische Teilnahme findet wiederum ihren sichtbaren Ausdruck in Formen und Inhalten von Wahlauseinandersetzungen.

In der westdeutschen Politikwissenschaft werden den Wahlen vor allem folgende Funktionen zugeschrieben: — Konkurrenzkampf um Macht und Ämter — Repräsentation der Interessen und Wertvorstellungen

— Integration der Interessen — Beschaffung von Legitimationen — Kontrolle der Amts-und Mandatsträger Wahlkampf kann, wenn man diese Funktionen ernst nimmt, nicht allein als Kampf um Stimmen und Mehrheitsanteile angesehen werden — vielmehr ist der Wahlkampf eine entscheidende Stelle, an der überprüft werden kann, ob in der politischen Wirklichkeit der Bundesrepublik Staatsgewalt vom Volke ausgeübt wird. Hier sollen Zielsetzungen und Entscheidungen zur Disposition stehen, hier konkretisiert sich der Begriff des „Bürgers" und der politischen Partizipation.

Wahlkampf und politische Bildungsarbeit — politische Praxis und politische Erziehung — zwei Seiten ein und derselben Sache: Diese Schlußfolgerung wird untermauert durch Ergebnisse lerntheoretischer Untersuchungen und steht im Einklang mit dem Grundgesetz und dem Parteiengesetz. In Artikel 21 GG wird als die Aufgabe der Parteien ihre Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes genannt. Aus § 1 des Parteiengesetzes geht unzweifelhaft hervor, daß die Beteiligung an Wahlen als eine der Aktivitäten zu verstehen ist, durch die dies verwirklicht werden soll.

Die im Parlament vertretenen Parteien erkennen so den engen Zusammenhang von Wahlen, Wahlkampf und politischer (Willens-) Bildung an. Nun kann man politische Willensbildung nicht ohne weiteres mit politischer Bildung gleichsetzen, die ebenfalls nach § 1, Abs. 2 PartG als Aufgabe an die Parteien fällt. Jedoch können die Parteien dann nicht für eine „ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen sorgen" wenn die politische Willensbildung in Form von Wahlen und Wahlkämpfen nicht in engem funktionalen Zusammenhang mit politischer Bildung gesehen werden kann, zumal andererseits Bundestagwahlen Phasen der besonders intensiven Information über Politik und auch Phasen der Bereitschaft, sich zu engagieren, sind

II. CDU, FDP und SPD über Ziele politischer Bildung

Abbildung 2

Politische Bildungsarbeit setzt an in der schulischen, aber auch in der nachschulischen Erziehung. Einer der wesentlichen Faktoren der politischen Bildungsarbeit ist zunächst die Bereitstellung von Materialien und Argumentationshilfen. Diese Aufgabe wird vor allem von den Landeszentralen für politische Bildung der Länder und überregional von der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn wahrgenommen. Hierin drückt sich die Verantwortlichkeit und das Interesse des Staates aus, die für eine Demokratie notwendigen Erziehungsprozesse zu beeinflussen, ihnen Richtung und Gehalt zu geben. Die Einigung über Ziele und konkrete Inhaltsbestimmungen ist dabei teilweise von heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien begleitet Eine Einigung über die allgemeinen Zielsetzungen liegt jedoch vor, wie aus den Antworten der Bundestagsabgeordneten Liedtke (SPD) und Rommerskirchen (CDU) — beide damals Mitglieder des Kuratoriums der Bundeszentrale für politische Bildung — auf einen ihnen vorgelegten Fragenkatalog hervorgeht der seinerzeitige Innenminister Genscher (FDP) machte an anderer Stelle inhaltlich ähnliche Ausführungen Aus der Antwort Liedtkes: „— Politische Bildung soll nicht bloße Integration der jungen und erwachsenen Bürger in die bestehende Gesellschaft erreichen, sondern selbst auf die ständige Veränderung der Gesellschaft hinwirken. — Politische Bildung wird vermehrt von der Erkenntnis ausgehen müssen, daß politischer Wandel nicht nur unvermeidbar und objektiv voraussehbar, sondern im Sinne bewußter Gestaltung der Zukunft erwünscht ist. — Politische Bildungsarbeit darf nicht zur Verschleierung oder Unterdrückung von gesellschaftspolitischen Konflikten beitragen, sondern zu ihrer Austragung mit Hilfe rationaler Analysen und darauf gegründeter Zukunftswünsche. — Politische Bildung begründet sich selbst auf die kritische Reflexion der Politik von der Gesellschaft überhaupt. — Sie soll zum eigenen Urteil befähigen und kann deshalb nicht wertneutral betrieben werden, sondern muß sich auf die Anerkennung der die Demokratie tragenden Normen gründen, zu welchen die Offenheit gegenüber verschiedenartigen Auffassungen gehört."

Zentralpunkte solcher Forderungen sind die beiden Aspekte „rationale Analyse" und „kritische Reflexion"; sie bilden gleichsam die Grundelemente politisch-gesellschaftlicher Auseinandersetzung. Diesen Forderungen können die Parteien nur zur Durchsetzung verhelfen, wenn sie ausreichende und detaillierte Informationspolitik betreiben. Diese Informationspolitik muß — um der Gesamtbevölkerung überhaupt vermittelt werden zu können — auf die Lage dessen bezogen werden, der sie verarbeiten soll. Auch der Wahlkampf muß an den Erfahrungen der Bürger ansetzen, damit diese die Prämissen der gegebenen Information und Argumentation an ihrer eigenen Situation überprüfen können. Ohne ein Mindestmaß von Überprüfbarkeit zu gewährleisten, kann man nicht voraussetzen, daß eine Wahlentscheidung auf dem sachbezogenen, eigenen Urteil des Bürgers beruht.

Wenn die bewußte Gestaltung der Zukunft Kernbereich politischer Auseinandersetzung sein soll, dann müssen in den Parteien auch programmatische Zielvorstellungen offeriert werden. Programmatische Zielsetzungen bedürfen 1.der Ableitung aus dem gegenwärtigen Zustand (Bestandsaufnahme) und 2. hinreichender Angaben darüber, auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln sie erreicht werden sollen/können. Diese Zielvorstellungen müssen detailliert benannt und begründet werden, nicht nur als allgemeine, gesellschaftspolitische Ziele schlechthin, sondern im ständigen Blick auf den von den Entscheidungen betroffenen Bürger. Hier hat eine Analyse des Wahlkampfes anzusetzen, hier können die Parteien konfrontiert werden mit dem, was sie für sich in Anspruch nehmen, mit den Zielen, die sie für die Gesellschaft verwirklichen wollen.

III. Wahlkampfmittel und -kosten

Wahlkampf ist eine Phase der Massenmobilisierung, und bevor man sich der inhaltlichen Auseinandersetzung stellt, sollte zunächst einmal geklärt werden, mit welchen Mitteln und Kosten diese Massenmobilisierung von den Parteien betrieben wird. Zu einem erheblichen Teil setzen die Parteien ja öffentliche Mittel ein. Diese Verwendung öffentlicher Mittel erfordert Kontrolle im Sinne derjenigen, die diese Mittel bereitstellen.

Ein erster Blick auf den Wahlkampf 1976 macht deutlich, daß die Parteien sich eine „Materialschlacht" geliefert haben, deren Umfang, in einem — wie später genauer zu zeigen sein wird — krassen Mißverhältnis zu ihrer inhaltlichen Aufklärungsarbeit steht. Neben Hörfunk-und Fernsehspots sowie Zeitungsanzeigen wurde eine beinahe unübersehbare Flut von Werbemitteln eingesetzt, die nicht nur die Funktion haben konnte, politische Information zu vermitteln. Flier ging es vor allem um die Präsens des „Markenzeichens" der Partei beim Wähler, um die Erreichung eines möglichst hohen Erinnerungswertes. In welchem Umfang mit welchen Werbemitteln die Parteien sich in ständiger, überall gegenwärtiger Präsens zu halten suchten, geht beispielsweise aus einer Aufstellung über die CDU hervor

4 Millionen Plakate und Poster DIN A 2 bis DIN A 0 80 Mio. Schwerpunktprospekte, Falt-und Flugblätter 1, 5 Mio. Argumentationskarten 1, 8 Mio. thematische Broschüren 4, 5 Mio. Autoaufkleber 2, 8 Mio. Anstecknadeln und Buttons 3, 5 Mio. Kugelschreiber 700 000 Gummibälle „CDU am Ball"

über 60 000 T-Shirts 4 Mio. Papierfähnchen 4 Mio. Luftballons über 350 000 Schlüsselanhänger 1, 5 Mio. Plastik-Tragetaschen über 5 000 Canvassing-Stände über 10 000 Hinweisschilder über 1 500 Sonnenschirme über 120 000 Skatspiele über 1, 4 Mio. CDU-Visitenkarten Auch die beiden Koalitionsparteien bemühten diese Werbemittel; die FDP z. B. ebenfalls T-Shirts („liberal 76"), die SPD auch Bikinis, Mützen und Streichholzschachteln etc.

Die Werbeagenturen haben nicht nur spezielle Strategien entworfen, wann welche Slogans bzw. Plakate eingesetzt werden (z. B. brachte die SPD erst in der „heißen Phase” den Slo-gan „den Frieden wählen"), sondern sie schufen auch ein Gesamt-Erscheinungsbild, das in allen Werbemitteln durchgehalten wurde: dazu gehören u. a. gleiche Farbe, gleiche Argumentationsbahnen, gleichförmige Formulierungen, d. h. eine jede Unsicherheit oder Abweichung vermeidende Ansprache der Bürger. „Das Erscheinungsbild hat dabei einen enormen Wert in der Multiplikation: Wichtig ist nicht so sehr das Einzelobjekt, wichtig ist die Gesamtheit, besonders bei einer konservativen Partei: Eine organisierte, straffe Partei soll zum Ausdruck kommen. ” (C. v. Mann-stein/CDU) Ähnliches läßt sich für die anderen Parteien feststellen. Diese Strategien sollen dem Wähler Geschlossenheit vortäuschen, außerdem glauben die Werbemanager, damit auch die Parteien selbst beeinflussen zu können: „Die CDU ist dadurch eine andere geworden, etwas lebendiger, etwas politischer und profilierter."

Dieser Aufwand für Werbemittel, die größtenteils nur einen Kontakt-und Erinnerungswert haben, beläuft sich im Wahlkampf 1976 nach offiziellen Angaben für die SPD auf 40 Millionen, für die CDU auf 36 Millionen, für die FDP auf 10 Millionen und für die CSU auf 8 Millionen DM.

In diesen 94 Millionen DM sind auch die Kosten enthalten, die für inhaltlich ausgestaltete Wahlkampfmittel ausgegeben wurden: für ausführliche Broschüren, umfangreiche Anzeigenserien etc. Mit diesen offiziellen Angaben aber wird ein Versteckspiel darüber geführt, welche Kosten der Wahlkampf tatsächlich verursachte. Schon 1972, als dem Kostenvoranschlag der Parteien die gleichen (!) Summen zugrunde lagen, beliefen sich die wirklichen Wahlkampfkosten, einschließlich der oben nicht berücksichtigten Ausgaben der Orts-und Kreisverbände und der Wählerinitiativen, auf ca. 220 Millionen DM für die vier großen Parteien. Nicht eingerechnet sind dabei die Mittel, die von den Bundes-und Länderregierungen bzw. -ministerien („Die Bundesregierung informiert. . . als getarnte Wahlkampfhilfen eingesetzt wurden. Den Schätzungen zufolge lagen die Kosten bei über 200 Millionen DM. Bezieht man die Preis-steigerungsrate zwischen 1972 und 1976 mit ein, so ist eine geschätzte Gesamtsumme von 400 Millionen DM für den vorjährigen Wahlkampf nicht unrealistisch.

Diese Summe wird zum großen Teil vom Steuerzahler aufgebracht. Nach dem Parteien-gesetz erhält jede Partei DM 3, 50 pro Wähler-stimme, soweit auf sie insgesamt mindestens 0, 5 0/0 aller abgegebenen Stimmen entfallen. Hinzu kommt die indirekte Finanzierung von Wahlhelfern. Vor allem die großen Parteien stellen auf völlig aussichtslosen Listenplätzen Beamte auf, denen bezahlter Wählkampfurlaub zusteht: Da ihre Kandidatur von vornherein ohne Chance ist, arbeiten sie vorwiegend — finanziert vom Steüerzahier — für den Spitzenkandidaten ihrer Partei.

Um diese Summen in ihrer Bedeutung zu erfassen, muß man sie einmal den Mitteln der Landeszentralen und der Bundeszentrale für politische Bildung gegenüberstellen: 1975 belief sich deren Gesamtetat auf weniger als 40 Millionen DM. Den Jahresausgaben der politischen Bildungsarbeit der Landeszentralen und der Bundeszentrale steht damit alle vier Jahre ein zehnmal so hoher Betrag gegenüber, der in wenigen Wochen verausgabt wird.

IV. Aussagen der Parteien in der Wahlwerbung

Die Kosten eines bundesweit geführten Wahlkampfes, der Materialaufwand zur Erreichung auch des „letzten" Bürgers, müssen öffentlicher Kritik und Kontrolle unterzogen werden. Mag ein Vergleich der Kosten für den Wahlkampf mit den Aufwendungen für die politische Bildungsarbeit noch fragwürdig erscheinen, voll begründbar wird die Annahme, daß es sich dabei um ein Mißverhältnis handelt, aber, wenn man feststellt, für welche Inhalte wurden. muß die Mittel ausgegeben Daher der Versuch unternommen werden herauszuarbeiten, was dem Bürger für die Millionen DM in und Spots, Anzeigen Broschüren an politischen Aussagen geboten wurde.

Programmatische Argumentation Aus der Zielsetzung von Wahlkämpfen kommt denjenigen Aussagen besondere Bedeutung zu, die die Vorstellungen der Parteien von der Ausgestaltung zukünftiger Politik präzisieren. Auf der Basis der aus den Zielen für die politische Bildung abgeleiteten Kriterien für die Beurteilung des Wahlkampfes wurde Werbematerial der im Bundestag vertretenen Parteien daraufhin untersucht, ob es Aussagen enthält, die dem Bürger in sachlichen Argumenten eine rationale Wahlentscheidung ermöglichen können Es wurden programmatische Aussagen gesucht, die a) die gegenwärtigen und künftigen Probleme nennen und sie dem Erfahrungsbereich der Wähler gegenüberstellen;

b) detaillierte und begründete Zielvorstellun-'gen enthalten und schließlich c) die Mittel angeben, mit denen diese Zielvorstellungen verwirklicht werden sollen.

Eine zusammenhängende, an die Erfahrungen der Wähler anknüpfende programmatische Argumentation findet sich bei der CDU/CSU in keinem der analysierten Werbemittel. In den Rundfunkspots und in den Anzeigen beschränkt sich die Ist-Analyse der politischen und ökonomischen Verhältnisse auf das Konstatieren isolierter Fakten oder negativer Entwicklungen, die dem politischen Gegner angelastet werden: „Stacheldraht, Schießbefehl und Todesautomaten beweisen, daß die kostspielige Entspannungspolitik dieser SPD/FDP-Koalition nichts gebracht hat." Politische Perspektiven der Union werden mit Allgemeinsätzen umschrieben, unverbindlich und vage: „Die CDU unter Führung von Helmut Kohl steht dafür ein. Freie Wirtschaft, sichere Arbeitsplätze, soziale Gerechtigkeit und menschliche Lebensbedingungen werden wieder eine Zukunft haben." Die CSU argumentiert ebenso pauschal: „Unser Land braucht wieder eine Regierung, die eine solide Außenpolitik macht, die für Sicherheit im Innern sorgt, in die unsere Wirtschaft wieder Vertrauen hat, die die Staatsfinanzen wieder in Ordnung bringt; eine 'Regierung, der man wieder glauben kann." Auch in den Werbe-broschüren, in denen ausdrücklich von einem „klaren Programm" die Rede ist, sucht man vergeblich nach einer zusammenhängenden, konkreten und sachlichen Argumentation.

Daher ergibt sich fast zwangsläufig, daß auch konkrete Mittel zur Realisierung politischer Zielvorstellungen von den Unions-Parteien im untersuchten Wahlkampfmaterial nicht angegeben werden.

Die Auswertung des Wahlmaterials der SPD macht deutlich, daß sie unter Ist-Analyse die Darstellung einer positiven Leistungsbilanz versteht, das „Modell Deutschland" wird vorgestellt: Mit Bildern zufriedener, optimistischer Menschen und beschwingter Hintergrundmusik in den TV-Spots werden die letzten Unterschiede zur Gestaltung der kommerziellen Werbung verwischt. In Anzeigen und Broschüren werden zwar oft detaillierte Aufstellungen erfolgter Maßnahmen zu einzelnen Problembereichen genannt. Diagramme konkretisieren wirtschaftspolitische Daten mit dem Fazit: „Sie sind gut mit uns gefahren"; die Perspektiven bleiben jedoch vage. Man verweist lieber auf das Erreichte und ver8 spricht, es auch künftig zu bewahren: „Meine Regierung wird mit aller Kraft den wirtschaftspolitischen Wohlstand und Frieden sichern." Wird einmal ein konkreter Programmpunkt — wie beispielsweise „die Senkung der Kostenbelastung im Gesundheitswesen“ — erwähnt, so bleibt die SPD die Antwort nach dem entscheidenden Wie schuldig.

Programmatische Argumentation findet sich ansatzweise nur in einem Rundfunkspot zur Bildungspolitik: „Bisher haben viele Betriebe engagiert ausgebildet. Es gibt aber auch eine große Zahl von Betrieben, die sich überhaupt nicht oder nur völlig unzulänglich an der beruflichen Bildung beteiligen. In Zukunft sollen diese Trittbrettfahrer ... durch eine Berufsbildungsabgabe herangezogen werden. Diese Mittel sollen eingesetzt werden für die Schaffung neuer Ausbildungsplätze und zur Stabilisierung des Ausbildungsplätzeangebots. Außerdem stellt der Bund ... in den nächsten vier Jahren 1, 3 Milliarden für die berufliche Bildung zur Verfügung.“ Solche vereinzelten, näher bestimmteren Angaben können aber nicht als Beleg herangezogen werden, der die Grundtendenz der SPD-Wahlwerbung zu entkräften vermag: die Taktik des »Sich-nicht-festlegen-wollens . Bevorzugt wird die ungewisse Zielvorgabe: „Weiterarbeiten am Modell Deutschland."

Dennoch weiß man um den Wert, der „sachlichen Argumenten" beigemessen wird, um die Wirksamkeit kluger Zurückhaltung. Besonders die Fernsehspots sind darauf angelegt, diesen Anspruch nach programmatischer Argumentation zu unterstreichen, wenn sie den Kanzler in Interviews zeigen. Doch die sind gestellt; die Journalistin fungiert als Stichwortgeberin zu hinlänglich bekannten Antworten; der Kanzler äußert unverbindliche „Statements".

Auch die FDP gibt vor, einen sachlichen, argumentativen Wahlkampf geführt zu haben. In der Broschüre, die hier herangezogen wurde, um die Darstellung der Spitzenkandidaten zu analysieren, wird die Partei diesem Anspruch noch am ehesten gerecht. Es finden sich Forderungen zu den verschiedensten politischen Sachgebieten, die teilweise detailliert vorgetragen werden; diesem Forderungskatalog werden jedoch keine Angaben über konkrete Realisierungsmöglichkeiten zur Seite gestellt, so daß die Frage bleibt, unter welchen Bedingungen angestrebte Ziele überhaupt Verwirklichungschancen haben. Im übrigen untersuchten Wahlkampfmaterial der FDP, vor allem in den Fernsehspots und Anzeigen, gibt es keine argumentativen Sachaussagen, die den oben genannten Kriterien genügten. Statt konkreter Zielperspektiven, abgeleitet aus der Analyse bestehender Probleme, folgt nur eine pauschale Leistungsbilanz: „Wir haben in unserem Land den wirtschaftlichen Aufschwung geschafft ... Wir stehen besser da als die meisten unserer Nachbarn."

Die Aussagen über die zukünftige Politik der Partei sind Musterbeispiele für Unverbindlichkeit: „Die Arbeitslosigkeit ist Schritt für Schritt abzubauen. Aber mit wachsender Wirtschaft und wachsenden Investitionen packen wir auch dieses Hauptproblem.“ Begründete Angaben über Lösungsmöglichkeiten sucht man auch hier vergeblich

Fazit aus der Suche nach programmatischen Aussagen Eine erste Durchsicht des Materials nach gegenwärtigen Problemen, begründeten Zielvorstellungen und beabsichtigter Verwirklichung (— programmatische Aussagen) belegt: Es lassen sich keine Wahlaussagen finden, die über den Hinweis auf Bestehendes hinausgehen, politische Perspektiven entwickeln und deren Realisierungsmöglichkeiten diskutieren.

Die Union beschränkt sich auf eine pauschale Kritik der Regierungspolitik, die Koalitionsparteien — besonders die SPD — stellen ihre Leistungsbilanz in den Vordergrund. Das Fehlen konkreter programmatischer Aussagen wird bei der SPD dadurch überdeckt, daß sie ihre Wahlwerbung überproportional mit der Auseinandersetzung über die Wahlkampfstrategie der CDU/CSU bestreitet und sie dazu nutzt, den eigenen Wahlkampf als besonders sachlich herauszustellen. So wird letztlich der Wahlkampf selbst zum eigentlichen Thema: eine „Schlacht um die Konsumenten von Politik mit der Konsequenz, daß die Wahlkampf-führung von der politischen Willensbildung und den politischen Entscheidungen seitens der Parteien unabhängig wird" Mit vielen Worten wurde wenig — eigentlich nichts gesagt. In solcher Wahlwerbung desavouieren die Parteien den demokratischen Willensbildungsprozeß und den auch von ihnen geforderten mündigen Bürger, 'denn auf der Basis des Wahlkampfmaterials war rationale Meinungsbildung nicht möglich. Wer wenig oder keinen Inhalt bietet, muß auf die Verpackung setzen, sofern er sein Produkt verkaufen will. Die Parteienwerbung im Wahlkampf 1976 macht hier keine Ausnahme. Statt mit Argumenten zu überzeugen, wurde der emotional bestimmte Appell eingesetzt; Techniken suggestiver Beeinflussung bahnten den Weg, den der Wähler bei seiner Partei-entscheidung beschreiten sollte, „Glaubensbekenntnisse" sind die Markierungszeichen. Untersucht man dies genauer, so lassen sich fünf charakteristische Vorgehensweisen ausmachen. Sie treten fast immer in Kombinationen auf, haben Bezug zueinander und sollen aus Gründen der schärferen Analyse hier getrennt herausgearbeitet werden: — Abstrakte Verwendung zentraler Wertbegriffe ohne konkreten Bezug oder zusammenhängende Erläuterungen — Alleinvertretungsanspruch der Parteien in bezug auf diese Wertformeln oder diese vagen politischen Zielvorstellungen — Herabsetzung des politischen Gegners — Angsterzeugende Appelle — Personalisierung Der Einsatz zentraler Wertbegriffe Politische Entscheidungen, die sich nicht nur auf technische Regelungen beziehen, bedürfen eines weitgesteckten Rahmens, der die einschränkenden Bedingungen benennt und die Zielvorstellungen angibt, auf die hin man sich orientieren will. Zugleich aber muß damit auch verknüpft werden, welche Maßnahmen man ergreifen will, die zu dem gesteckten Ziel führen können.

Für die Wahlwerbung der Parteien ist aber gerade kennzeichnend, daß sie diese Bedingungen und Zielvorstellungen nicht nennen. Vielmehr bleiben die zentralen Wertbegriffe unerläutert. Besonders in den Wahlslogans ist das eine beliebte Technik. Aufgrund der von ihnen geweckten positiven (oder negativen) Assoziationen und ihrer sachlichen Unbestimmtheit sind sie beliebig verwendbar und geeignet, einen breiten Adressatenkreis anzusprechen Statt auf Ziele und Maßnahmen einzugehen, fordert man den Bürger zur pauschalen Zustimmung zu einem diffusen Werte-kanon auf. Und dies ist nicht nur bei den Slogans der Fall. Auch dort, wo in den Werbemitteln die Argumentation ihren Platz ha-ben sollte, kehren fast nur diese Markierungszeichen wieder.

Im gesamten Wahlmaterial der Unionsparteien appellieren einprägsame Kurzformeln an den Wähler: „CDU sicher, sozial und frei”;

„Freiheit oder/statt Sozialismus"; „Aus Liebe zu Deutschland — die Freiheit wählen". Durch häufiges Wiederholen der Appelle wird der Schein nicht mehr zu hinterfragender Eindeutigkeit dieser Worte erweckt. Politische Perspektiven gerinnen so zur bloßen Proklamation von Schlagworten, die den Wähler vornehmlich emotional ansprechen.

„So wählen Sie die Freiheit" — wird der Fernsehzuschauer belehrt, während im Bild anonyme Hände auf dem Wahlzettel zweimal CDU ankreuzen. In einem weiteren Spot wird den Wählern die „besondere Freiheit" angeboten, „zu sein, wir wir sind, zu tun, was wir möchten, zu lernen, wozu wir begabt sind. Die Freiheit, auch zu verwirklichen, was wir im Leben erstreben" — während vor dem Zuschauer ein Bildteppich strahlender, lebensfroher Menschen und schöner Konsumdinge ausgerollt wird: Werbung für Pepsi-Cola-Land. Auch in den untersuchten Wahlbroschüren erschöpft sich das Programm der Union zum großen Teil in der Proklamation vager Wertvorstellungen: „Politik um des Menschen willen, das ist der Maßstab für unser Tun; wir treten an für das Recht eines jeden in Deutschland auf Freiheit und Selbstverwirklichung, auf Sicherheit und soziale Gerechtigkeit". „Freiheit" oder „freiheitlich“ erscheinen nicht weniger als 32mal in dieser Broschüre. Lediglich in einem Hörfunkspot versuchen die Unionsparteien durch Biedenkopf, die Begriffe „Freiheit" und „Sozialismus" ausführlicher zu erläutern.

Auch die SPD arbeitet in ihren Slogans explizit mit abstrakten Werten: „Den Frieden wählen". Im Wahlkampfmaterial selbst versucht sie den Anspruch, „Von Freiheit verstehen wir mehr", dadurch zu belegen, daß sie sich als die Partei darstellt, die seit „über 100 Jahren . . . mehr Freiheit für die vielen erstritten" hat, beispielsweise durch die Forderungen nach dem 8-Stunden-Tag oder dem Frauen-wahlrecht. Trotzdem haben diese beiden Slogans wohl eher die Funktion, Fragen nach inhaltlichen Details zu ersetzen als zu beantworten. Die entscheidende Frage, wie in Zukunft Freiheit konkret aussehen soll, wird nicht beantwortet.

Die FDP dagegen sucht die Identifikation mit dem Liberalismus zu erreichen: „FDP — die Liberalen*. Begründet wird nicht, warum eine Partei einen zentralen Grundwert für sich allein reklamieren kann, vor allem aber bleibt völlig unklar, wie sie diesen Anspruch inhaltlich auszuformen vermag. Mehr als 25mal wird in 4 Fernsehspots „liberal" oder „Liberale“ verwendet — ohne jegliche Erläuterung. Programm wird durch abstrakte Schlagworte ersetzt, es sei denn, man hält das folgende Zitat für eine inhaltliche Aussage: „Die FDP . . . Speerspitze der Freiheit in unserer Demokratie. Und wenn es sein muß, Blitzableiter, Löschtrupp bei politischer Brandgefahr. Unbequeme Rollen, unentbehrliche Rollen für unsere Demokratie." Liberalität, was immer die Freien Demokraten darunter auch verstehen, scheint für sie als Begründung auszureichen, um FDP zu wählen. Denn schließlich bedeutet ja „mehr FDP: mehr Freiheit, mehr Fortschritt, mehr Leistung".

Parteien ergreifen Besitz Nicht zuletzt durch die Besetzung abstrakter, unverbindlicher Werte läßt sich ein Anspruch auf die alleinige politische Führung einer Partei leichter anmelden und begründen, als wenn ausführlich über politische Inhalte gestritten würde. Die Parteien allerdings versuchen bei den Bürgern den Anschein zu erwecken, daß gerade die Verwirklichung der weitgehend unumstrittenen zentralen Werte ausschließlich durch sie, d. h. ausschließlich durch eine Partei allein geleistet werden könnte, nicht aber durch eine engagierte Beteiligung und politische Auseinandersetzung der betroffenen Bürger und Parteien.

In allen Werbemitteln erheben die Unionsparteien den Anspruch, mehr oder weniger direkt, machmal assoziativ, alleinige Vertreter bestimmter politischer Wertvorstellungen zu sein: So z. B. in einem Fernsehspot „Die CDU ist wachsam. Sie hat unsere Freiheit in 20 Jahren aufgebaut und hat sie bewahrt. Die CDU mit Helmut Kohl wird alles tun, um die wachsende Bedrohung unserer demokratischen Freiheit abzuwenden." Bei der bayerischen Schwesterpartei wird der Alleinvertretungsanspruch noch direkter angemeldet; Strauß: „Wie steht es mit der äußeren Sicherheit? Auch hier gibt es doch in unserem Lande nur eine einzige politische Kraft, die in Fragen der Verteidigung geschlossen und entschlossen ist: die Union."

Auch die SPD betont ihren Alleinvertretungsanspruch durch eine affektive Steigerung des Ausdrucks in Attributen wie „einzig", „wirklich*, „keine* etc.: „Die SPD ist die einzig wirkliche Reformpartei“ und: „Zu unserer Politik der sozialen Gerechtigkeit und der guten. Nachbarschaft gibt es keine Alternative."

Die Tatsache, daß die Freien Demokraten Liberalität und FDP synonym setzen, sich also als die liberale Partei in der Bundesrepublik verkaufen, zeigt den Bereich, den sie für sich allein ein-und abgrenzen möchten. Sie suchen eine feste Verknüpfung eines Wertes (liberal) und einer politischen Partei (FDP) zu schaffen, so daß sich die Angesprochenen dieser Assoziation nicht mehr entziehen können. Wenn von „Liberalismus" und „liberaler Politik" o. ä. die Rede ist, dann hat die FDP damit zu tun. Aber auch allgemeinere politische Erfolge der Regierungspolitik werden den Leistungsund Wertvorstellungen der Partei zugerechnet: die Politiker der FDP haben „unser Ansehen im Ausland gefestigt", „die Liberalen haben die Reform des § 218 und das neue Ehe-und Familienrecht erfochten und gesichert". Real vorhandene Unzufriedenheit in bestimmten Zielgruppen wird diffus angesprochen, und diese Unzufriedenheit wird indirekt zurückgegeben an die beiden anderen Parlamentsparteien, während die FDP sich selbst als alternative Lösung anbietet: „kaum jemand setzt sich stärker für sozial Schwache ein", oder: „Die FDP vertritt die Interessen und Probleme der Frauen am besten. Außerdem hat sie mehr Ideen."

Indem die Parteien sich vornehmlich auf allgemein anerkannte Wertvorstellungen beziehen, die den gesamten Kommunikationsbereich der Gesellschaft bestimmen — Schule, Medien etc. —, rechnen sie zweifellos mit einem Verstärkungseffekt ihres Alleinvertretungsanspruches. Widerspruch oder Zweifel sind hier nicht zu erwarten, dies aber unterstützen sie noch, indem sie ihren ohnehin schon kollektiven Anspruch durch ein betontes, identifizierendes „Wir" unterstreichen, indem sie die unterschiedlichen Interessen der Bürger aufheben in einer fiktiven Gemeinschaft. So bestätigen Bürger in einem Rundfunkspot der CDU: „Wir alle wissen, daß Illusionen unsere Freiheit gefährden." Diese Strategie bietet vorzügliche Identifikationsmöglichkeiten, vornehmlich dem in seiner Wahlentscheidung Unsicheren und Unentschlossenen.

Auch die SPD verstärkt den Alleinvertretungsanspruch für bestimmte politische Teilbereiche dadurch, daß sie die Einsicht des mündigen, vernünftigen Bürgers in die Rich-tlgkeit pauschaler Behauptungen unterstellt: „Die Rentner wissen, ihre Renten sind sicher.“ „Die Frauen wissen, wer ihre Interessen vertritt.“ Solche Unterstellungen dulden — noch dazu, wenn sie vom Kanzler selbst geäußert werden — keinen Zweifel oder Wi-derspruch. Unterstellte Massenakklamation wird ins Bild gesetzt, wenn der Kanzler in Fernsehsports händeschüttelnd durchs Wähler-volk schreitet oder einzelne lachende Bürger — einige für alle — aufmunternd in die Kamera schauen. Auf subtile Weise wird in einzelnen Anzeigen auch Intellektuellen geschmeichelt; man ist unter sich, versteht feinsinnige Andeutungen: „Biedermeier und die Brandstifter", „Das wissen Sie so gut wie wir: Nachdenken necesse est."

Die FDP arbeitet gleichfalls mit der Methode, ihre politischen Werte und Ziele mit denen der gesamten Bevölkerung zu identifizieren: „Wir brauchen die Liberalen" (in diesem Sinne wird „uns“ und „wir" in den Fernsehspots mehr als zwanzigmal benutzt). Alleinvertre-tungsanspruch muß sich auch abgrenzen: Es muß deutlich werden, daß die „einzige" und „wirkliche" Politik Gefährdungen ausgesetzt ist. Wo auf die politische Sachdiskussion verzichtet wird, wo Politik nicht mehr unter dem Aspekt von Realisierungsmöglichkeiten erörtert wird, da wird aus dem „Streit um die Sache" der „Kampf mit dem Gegner"; im Abgrenzungsbemühen wird ein Feindbild errichtet. Dieses „Feindbild" konkretisiert sich in Aussagen, die von der Ironisierung bis zur pauschalen Diffamierung reichen. Dies spitzt sich in der Absicht zu, negative persönliche Eigenschaften auf den politischen „Gegner" insgesamt zu projizieren und diesen beim Bürger in Zusammenhang mit negativ besetzten Einstellungen zu bringen. „Geschichtsfremd, wirtschaftsfeindlich, arbeitnehmerfeindlich, unsozial, das ist die Politik der SPD/FDP-Koalition seit '69. Zuerst maßlose Sprüche, dann hemmungslose Schulden. Die Begriffe Pflicht und Leistung werden verteufelt, herabgesetzt. Dabei Steuern, Gebühren und Beiträge unverantwortlich heraufgesetzt ..." Soweit Franz Josef Strauß. Noch deutlicher wird die CDU/CSU, wenn sie eine Gleichsetzung des praktizierten Kommunismus mit sozialdemokratischen Vorstellungen vornimmt, wie z. B. in einem Hörfunkspot, in dem die Partei den Sprecher — quasi offiziell — die allgemeine politische Lage umschreiben läßt: „Auch wenn der Osten seine Friedfertigkeit beteuert: er will noch immer die Weltherrschaft. Deshalb lächeln die Kommunisten auf internationalem Parkett, und unsere Sozialisten lächeln mit"; dann aber fährt ein Bürger fort: „Was wir vom Sozialismus zu halten haben, das sehen wir doch täglich drüben." Auch hier wieder wird Verstärkungseffekt und Unverbindlichkeit dadurch erreicht, daß Bürger in den Rundfunkspots und Anzeigenserien stellvertretend für die Parteien den politischen Gegner herabsetzen. So beschwert sich ein Arbeiter: „Zuerst fangen's die'Terroristen, und in Berlin lassen's wieder laufen. Ein Saustall ist das", und ein-Schweißer im selben Spot: „Bei denen gilt ein linker Schreier mehr als der, der seine Staatsbürgerpflicht tut.“

In dieselbe Richtung zielt die Anzeigenserie der CDU. Mit Statements namentlich kenntlich gemachter Bürger wird nicht nur Identifizierung ermöglicht, sondern zugleich auch auf — stellvertretende — konkrete Erfahrung angespielt: CDU wählen — „weil ich den Sozialismus drüben lange genug genossen habe".

Insgesamt wird die Technik der Abwertung von Seiten der CDU/CSU dazu eingesetzt, an die SPD/FDP-Koalition Assoziationen zu binden, die auf diffusen Vorstellungen von Terror, Kriminalität und DDR-Militarismus beruhen. Hier werden nicht nur Assoziationen hergestellt, hier werden erneut politische Realitäten dem analytischen Zugriff entzogen. In einem Fernsehspot der CSU werden nacheinander in Überblendungen Rudi Dutschke und Rainer Langhans, ein Haufen diskutierender junger Leute, ein gespenstisch brennendes Haus und Kriegsgerät der Volksarmee gezeigt, während Strauß dazu die politische Landschaft beschreibt: „ . r. Verfassungsfeinde, also Mitglieder verfassungsfeindlicher Parteien, sollen ohne weiteres Zutritt zum öffentlichen Dienst erhalten. So wünschen es SPD und FDP. Terroristen, Gewalttäter treiben Schindluder mit unserem Rechtsstaat. SPD und FDP lassen uns beim Kampf gegen diese Gefahren einfach im Stich ..."

Diese Kombination von Bildern und Text zielt eindeutig auf die emotionale Erregung bei den Wählern, auf die Weckung von Angst und Gefühlen der Bedrohung durch vermeintlich bevorstehende Gefahren. Dabei wird unterstellt, daß der Zuschauer zwischen protestierenden Studenten und Kriminalität nicht zu unterscheiden vermag. Hier ist vielleicht am deutlichsten das Zerstörerische solcher Wahlpropaganda greifbar: Wenn schon solche diffus-gefährlichen Vorstellungen über-B haupt Im Bewußtsein der Bürger vorhanden sind, dann müßte ja gerade hier die politische Arbeit ansetzen, diese Vorstellungen auszuräumen zugunsten einer differenzierten Beurteilung. In der Darstellung dieses Fernsehspots aber wird massiv dem Gegenteil von rational-analytischem Denken das Wort geredet. Politisch kontroverse Diskussion und Kriminalität gerinnen zur Einheit, und im gleichen Sinn geht es weiter: Mit klirrendem Geräusch fallen aus roten Rahmen Steckbrief-photos von der Wand: Friderichs, Apel, Maihofer, Genscher und Schmidt.

Einen großen Bereich der gesamten SPD-Wahlstrategie nimmt die Auseinandersetzung mit dem Gegner CDU/CSU ein. Relativ sachliche, überprüfbare Aussagen finden sich jedoch selten. Indem unterstellt wird, der Gegner habe gar kein Programm, konzentrieren sich die Aussagen auf Personen. Mit kabarettistischen Einsprengseln und pauschaler Herabsetzung geht auch hier der Verzicht auf inhaltliche Auseinandersetzung und argumentative Präzision einher. In einem Rundfunk-Sketch wird Kohls Image ins Lächerliche gezogen: „Die Verwandlung eines deutschen Biskuits in eine Sachertorte", und mit Zahlenspielerei wird Nationalstolz angesprochen:

„Mit Kohl und Strauß würde unser Ansehen in der Welt von heute auf morgen um mehr als die Hälfte sinken." Auch die gegnerische Position zur Ostpolitik etwa wird pauschal verunglimpft, wenn die führenden Vertreter als „Messerwetzer“ und „Kanonenbootdiplomaten" bezeichnet werden.

Die FDP hielt sich im wesentlichen an ihre eigene Forderung, den Wahlkampf ohne Polemik zu führen.

Wahlhelfer Angst Es ist anzunehmen, daß in unserer Gesellschaft eine Vielzahl von Bürgern Befürchtungen hinsichtlich ihrer eigenen Sicherheit für die Zukunft hegen, aber auch hinsichtlich der Sicherheit der Gesamtgesellschaft. Diese Befürchtungen vor konkreten oder vermeintlichen Gefahren werden nicht auf ihre sachlichen Bestandteile hin untersucht, sondern von den Parteien aufgegriffen, verstärkt und in das Gefühl einer allgemeinen Bedrohung (Angst) umgemünzt. Dazu gehört gerade auch jenes vorher zitierte Beispiel der CDU/CSU, alle Gegner mit Kommunisten gleichzusetzen, d. h. sie als Feinde unserer Ordnung par excellence hinzustellen. Die Methode dieses Vorgehens besteht im wesentlichen darin, „daß eine unheilvolle Entwicklung oder ein allgemein als schrecklich geltendes Ereignis beschworen und gleichzeitig behauptet wird, man könne das Übel nur dann abwenden, wenn getan wird, was der . Angstmacher'fordert"

Diese Methode wird in den Fernsehspots der Unionsparteien am ausführlichsten praktiziert. Der gesamte Aufbau der Spots mit der gezielten Kombination von Bildsequenzen, musikalischer Untermalung und Kommentierung zielt darauf hin: Optimistische Fanfaren-töne erklingen zu einer flott geschnittenen Serie bunter Bilder aus unserem Land. Völlig überraschend wechselt das Bild, in schwarzweiß gezeigt werden dunkle Gestalten, Rokker, demonstrierende Studenten und Filmausschnitte von einer Geiselnahme, die Furcht einflößen. Dumpfe, schwere Glockenschläge unterstreichen die bedrohliche Stimmung, der Text verstärkt das chaotische Bild: „Kriminalität, Terror und immer mehr Unsicherheit breiten sich aus. Unser Staat und seine freiheitliche Ordnung werden mies gemacht. Das Leben unschuldiger Bürger wird auf offener Straße bedroht. ” Anschließend hellt sich das Bild wieder auf, der Weg zur Alternative wird gewiesen; christlich-demokratisch gesinnte Bürger bestätigen die chaotischen Zustände in unserem Land: „Wo gibt's denn Sicherheit? Es kann doch jeden Augenblick und überall 'ne Bombe hochgehen" oder weisen auf die richtige Lösung hin: „Für mich nur Helmut Kohl." Danach folgen Kurzeinstellungen: Kohl privat, Kohl als Politiker. Sonnig ist es dann wieder, wenn der Kanzlerkandidat selbst für 30 Sekunden väterlich den Wähler zu beruhigen versucht.

Das formale Prinzip der CDU-Spots — fast 60 Einstellungen in 150 Sekunden, die sich etwa zu gleichen Teilen aus „Pepsi in Germany”, personalisierten Aussagen mit und um Kohl und dem dazu in Kontrast stehenden, Angst erzeugenden Mittelteil zusammensetzen — kulminiert in der erlösenden Alternative: Aufatmen und Beruhigung stellen sich ein.

Noch direkter setzt die CSU in einigen Spots auf die Strategie der Angst. Da blickt der Zuschauer sekundenlang in die Mündung einer Pistole, oder anonyme Hände zerreißen geisterhaft das Netz der sozialen Sicherheit. Auch im Hörfunk und einigen Anzeigen ar-beitet die CDU mit derselben Strategie: Ein kleiner Junge drückt sich ängstlich an seine schwangere Mutter, die CDU wählt, weil ich an die Zukunft denke". Für eine OP-Schwester kommt nur die CDU in Frage, „ . .. weil ich Angst vor dem Sozialismus habe".

Der SPD hingegen kann nicht in gleichem Maße nachgesagt werden, daß sie mit der Erzeugung diffusser Ängste arbeitet. Als eindeutiges Beispiel, das darüber hinaus noch antidemokratische Implikationen zeitigt, kann das folgende gelten: „Jetzt auf den Punkt gefragt: Wollen Sie wirklich den totalen CDU-Staat? Und glauben Sie, daß es gutgehen kann? Oder brauchen Sie auch noch etwas Luft zum Atmen?"

Wie die Herabsetzung allgemein, wird auch die Erzeugung von Angst in den Wahlkampf-strategien der FDP weitgehend vermieden. Ausnahme: die freien Demokraten warnen vor einem reinen Mehrheitswahlrecht in der Bundesrepublik, das nur noch zwei Massen-parteien — eine konservative und eine sozialistische — mit sich brächte: „Endergebnis: politische, wirtschaftliche, soziale Lähmung. Grabenkampf, Konfrontation. Für unser Land ein Horrorstück, gewiß. Aber es ist schon geschrieben. Es liegt in der Schublade der CDU. Mehr noch, es steht in ihrem Programm Männer machen Politik Wie sehr auh der Wahlkampf 1976 wieder die Personen in den Mittelpunkt rückt, zeigen nicht zuletzt die überlebensgroßen Plakate der Politiker aller drei Parteien: stellt Die CDU in ihrer Wahlwerbung allein auf die Person Helmut Kohls ab. Dabei legt man weniger Wert auf seine politischen, als vielmehr auf seine allgemein menschlichen Qualitäten: „Ganz ohne Zweifel strahlt dieser Mann Zuverlässigkeit und menschliche Wärme aus." In einigen Broschüren der Union wird politische Programmatik ersetzt durch reine „personality show". Dort wird Kohl vorgeführt im Kreise seiner Familie und im politischen Alltag, farbig und schwarz-weiß, kleinformatig und in Postergröße: „Helmut Kohl. Der Mann, dem man vertrauen kann. Als Staatsmann — als Mensch.“

Auch die SPD richtet ihre WahlkampfStrategie in erheblichem Maße personalistisch aus. Der Kanzler-Bonus wird ausgespielt. In einer 16seitigen Broschüre, die Illustrierten eingeheftet wurde, wird Helmut Schmidt als ein Mensch wie Du und Ich dargestellt: „einer, der einen Opel Rekord fährt .. . und der auch mal schaut, was nebenan in Nachbars Garten blüht”. Zur Wahl steht aber auch: „Der Profi. Kompetent, schnell, entscheidungssicher''. Angepriesen wie ein Markenartikel der Konsumgüterindustrie, wird die Person Schmidt zum ausschlaggebenden Grund der Wahlentscheidung stilisiert.

Die FDP setzt in ihrer Wahlwerbung fast ausschließlich auf die Personalisierung. Sämtliche Fernseh-Spots und der größte Teil der Anzeigen scheinen nur ein Ziel zu verfolgen:

liberale Politik „für uns und Europa” wird von den erfolgreichsten Männern betrieben. In dieser Strategie läßt sich nicht nur die unterschwellige Herabsetzung und Abwertung anderer — z. B.früherer Politiker — erleben; in dieser Technik ist auch eine Grundkonzeption angelegt, die zur Entstehung eines „Feindbildes" führt: Überhöhung der eigenen Kompetenz, direkte oder indirekte Abwertung der Kompetenz der anderen — das läuft in der Konsequenz auf eine Polarisierung auch innerhalb der Gesellschaft hinaus. Im Stil bekannter Propaganda werden die „Vier" aufs Podest gehoben: „Keinem vertrauen die Deutschen mehr als Hans-Dietrich Genscher". Ertl ist „der beste Ernährungsminister, den wir je hatten". Friderichs wird zum „Staranwalt der Marktwirtschaft". Zusammen eben „die Vier, auf die es weiter ankommt", „die Mannschaft". Drei von vier untensuchten Fernsehspots stellen nur diese Vier dar. Politik, liberale Politik wird anscheinend nur von diesen vier Männern gemacht, wobei die Parteiorganisation, ihr Willensbildungsprozeß ihre und Programmatik offenbar unwichtig sind. Daß es in der FDP auch noch andere Politiker gibt, erfährt der Fernsehzuschauer nur aus dem vierten Spot. Dort werden vier Frauen vorgestellt. Aber auch hier wird Politik allein an Personen „festgemacht" — das weibliche Pendant zur „Mannschaft".

Die Anzeigen sind nicht anders aufgemacht, entweder Einzelbilder der Vier oder Gruppenbild mit dem Zusatz: „Wer will, daß diese vier noch stärker weitermachen, gibt der FDP auf jeden Fall seine Zweitstimme."

Zusammenfassende Darstellung der Befunde Die Untersuchung des in den Massenmedien überregional verbreiteten Wahlkampfmaterials der vier großen Parteien ergab: Wahl-B kampf für den Bürger oder gar im Auftrag des Bürgers fand nicht statt. Die Parteien widerlegen ihre eigene, theoretisch-programmatische Aufgabenstellung (Parteiengesetz und Ziele politischer Bildung). Die jetzige Form der Wahlkampfführung setzt eindeutig Barrieren für eine rationale politische Meinungs-und Willensbildung. Politische Inhalte, sachbezogene Argumentation und konkrete Alternativen werden durch Beeinflussungsstrategien ersetzt. Diese Beeinflussungsstrategien sind exakt geplant, aufeinander bezogen und in ihrer durchgängigen Konzeption auf unterschwellige Wirkungen angelegt. Sie richten sich nicht an den politisch denkenden und handelnden Bürger, sondern gegen ihn. 1. Befund: Der Wähler wird aufgefordert, abstrakten Werten zuzustimmen, die in ihrer Allgemeinheit einer sachgerechten Auseinandersetzung entzogen werden („Die Freiheit wählen"). Der häufige Gebrauch dieser Schlagworte lenkt vom programmatischen Defizit ab, vom Unwillen der Parteien, konkrete programmatische Angebote zu machen, für deren Einlösung sie dann nach der Wahl einzustehen hätten. Ihre Funktion gleicht einer magischen Beschwörungsformel („ . 1 . nicht als klare Vorstellung, sondern als ungewisser emotionaler Eindruck sollen sie im Adressaten . Glauben'für die Sache erwecken"

Die Parteien bzw.deren Werbeagenturen als Erfinder der Slogans unterstellen, daß die positive Suggestionskraft der in ihnen enthaltenen Begriffe (wie beispielsweise der Begriff Freiheit) „entsprechende emotionale Reaktionen weckt, die ein kritisches Nachdenken ersticken" 2. Befund: Die Parteien melden einen monopolistischen Besitzanspruch auf die jeweiligen Wertbegriffe oder auf vage politische ZielVorstellungen an und täuschen gleichzeitig die Bedrohung dieser Werte durch den politischen Gegner vor. Einsicht in konkrete Auseinandersetzungen um politische und ökonomische Entscheidungen wird dadurch verhindert. Die Wahlentscheidung wird damit zur letztlich nicht mehr hinterfragbaren, politisch nicht mehr gewichteten emotionalen Zustimmungsreaktion. 3. Befund: Die Unterstellung einer fiktiven Harmonie der Interessen aller Bürger findet ihren Ausdruck in der Technik, dem Bürger Identifikationsformeln aufzudrängen, denen er sich kaum entziehen kann. Fragen nach politischen Inhalten sollen auf diese Weise gar nicht erst aufkommen. Angesprochen werden diejenigen, die sich ohnehin nicht öffentlich artikulieren. „Die Frauen wissen, wer ihre Interessen vertritt". Daneben wird dem Wähler das Gefühl gegeben, durch seine Stimme den für ihn größtenteils undurchschaubaren politischen Bereich entscheidend beeinflussen zu können. Die Parteien wollen sich auf die Teilnahme der Bürger am politischen Leben berufen, ohne ihnen „noch Substantielles zur Entscheidung vorlegen zu müssen"

4. Befund: Herabwürdigende Aussagen sollen den Gegner ins politische Abseits stellen, ihn unwählbar machen („Messerwetzer"). Mit der pauschalen und abstrakten Anschuldigung wird aber nicht nur der politische Gegner getroffen, sondern insgesamt auch immer wieder die unterschwellige Suggestion verbreitet, daß Politik sich auf die Dimensionen von „gut" und „böse" zurückführen läßt. Diese Wahlwerbung geschieht nicht im Interesse desjenigen, der umworben wird, noch viel weniger im Interesse einer politischen Auseinandersetzung um die zukünftige Gestaltung des Gesamtsystems. 5. Befund: Die polarisierende Darstellung findet ihre Entsprechung in der Erzeugung von Angst. Latente Ängste werden geschürt, um den Wähler davon zu überzeugen, daß die Rettung nur von einer bestimmten Partei kommen kann: „Warum CDU wählen — weil ich Angst vor dem Sozialismus habe." Diese Strategie setzt darauf, daß Angst „dem Gefühl der Unsicherheit (entspringt), das sich im Blick auf die Zukunft bildet" Ungewißheit und Undurchsichtigkeit sind Ursachen der Angst; „als störende Gefühlszustände mit Motivcharakter" gilt es, sie zu mobilisieren. „Die Ungewißheit politischen Geschehens schafft Angst, die der kritischen Analyse das Dogma starrer Bindungen, verknüpft mit simplen Schwarz-Weiß-Deutungen, vorzieht, um eine objektiv fadenscheinige, doch subjektiv befriedigende Sicherheit zu erlangen." 6. Befund: Politik wird mit Führungspersönlichkeiten gleichgesetzt, deren allgemein menschliche Qualitäten das programmatische Defizit verdecken sollen („Der Profi. Kompetent, schnell, entscheidungssicher!"). Die Technik der Angsterzeugung und die der Personalisierung stehen in engem Zusammenhang. Der Neigung zur . Vermenschlichung'der als bedrohlich empfundenen Politik „entspricht der Versuch, im Politiker den . Menschen wie Du und ich'zu sehen, dem man deshalb vertrauen kann, weil man die eigenen Wünsche und Einstellungen in ihn hineinprojiziert hat; „statt seine Politik zu bewerten, wird er nach moralischen Kategorien (. ..) beurteilt"

Fassen wir zusammen:

Dem Bürger werden im Wahlkampf die Zusammenhänge politischer Entscheidungen nicht mitgeteilt; er vermag aus dem Wahlmaterial nicht herauszuarbeiten, wie bestimmte Perspektiven der Parteien mit bestimmten erwünschten Maßnahmen gekoppelt werden sollen. Handlungszusammenhänge werden nicht offengelegt. Die konkreten Realisierungsschwierigkeiten, die sich den Plänen der Parteien in den Weg stellen und stellen werden, bleiben außerhalb der Diskussion. Das Gewünschte wfrd als machbar suggeriert, die Ansprüche aus der Bevölkerung gehen als pauschal erfüllbare Wünsche in die Wahlwerbung ein. Die formale demokratische Legitimation, die aus dem Wahlakt resultiert, wird zum großen Teil über Beeinflussungsstrategien beschafft. Daß in der komplex organisierten Gesellschaft ein ständiges Aushandeln stattfindet, daß Macht-und Herrschaftsansprüche in der Auseinandersetzung erkämpft werden müssen, daß limitierte Finanzen nach bestimmten Prioritäten verteilt werden müssen — all diese Aspekte bleiben der Wahlentscheidung entzogen. Die Frage: , und wie soll das verwirklicht werden?'wird gar nicht mehr gestellt.

V. Fragen an die Wahlplattformen der Parteien

Nun scheint die Tatsache, daß das Werbematerial nicht allzu ergiebig ist, auch den Parteien bewußt zu sein, denn häufig reagieren sie auf Kritik mit dem Hinweis auf ihre Wahl-plattform, ja bieten selbst diese Wahlplattform in Zeitungscoupons oder an Werbeständen auf den Straßen demjenigen Bürger an, der beharrlicher weiterfragt.

In wiederkehrenden Abständen wird in den Wahlplattformen der Parteien darüber informiert, „was sie wollen, was sie nicht mögen”, und angedeutet, wie der Wähler anzusprechen und zu überzeugen ist Das Ideal eines solchen Wahlprogramms hat im Jahr 1976 die FDP ausgesprochen: „Es verspricht nichts, was nicht gehalten werden kann. Es verschweigt nichts, was verbessert werden muß . .

Wie die Konsequenzen ausse-hen, wenn konkrete Versprechungen nicht gehalten werden, zeigt die massive Reaktion in der Öffentlichkeit auf die Pläne der Regierungskoalition, die beabsichtigte Rentenerhöhung um ein halbes Jahr zu verschieben. Hier wird deutlich, daß für die Wahlplattformen und öffentliche Wahlversprechungen gilt, was auch für Regierungserklärungen festgehalten wurde: „Sie stellen eine öffentliche Selbstverpflichtung dar, deren Rückwirkung auf den Aussagenden bekanntlich erheblich größer ist als die private Selbstverpflichtung. Daher kann angenommen werden, daß in ihnen die Ziele nur soweit konkretisiert werden, wie ihre Realisierung gesichert scheint."

Die im demokratischen Prozeß unterstellte rationale Diskussion über zukünftige Entwicklungen ist aber auf die problemadäquate Erfassung der anstehenden Sachverhalte angewiesen. Unter problemadäquater Erfassung soll hier ein anlytisches Raster verstanden werden, das folgenden Fragen nachgeht: — Ist der gegenwärtige Zustand ausreichend beschrieben? — Ist die Entwicklung zu diesem Zustand abgeleitet? — Worauf gründet sich die Zielforderung (naiver Konsens oder empirisches Datenmaterial)? — Gibt es Prognosen über die zukünftigen Entwicklungen und entsprechende Begründungen?

— Gibt es konkrete Vorschläge, was zu tun ist und mit welchem voraussichtlichen Resultat?

— Sind die verwendeten Begriffe erläutert?

Am Beispiel der Wahlprogramme der Parteien FDP, SPD, CDU/CSU zur Wirtschaftsund Sozialpolitik sollen diese Fragen exemplarisch beantwortet werden. Gerade die Wirtschaftspolitik stand im Zentrum des Wahlkampfes, und von der Bevölkerung wurden im Juni 1976 als entscheidende Themen in einer Umfrage angegeben: Preisstabilität: 830/0 (besonders wichtig), Verringerung der Arbeitslosigkeit: 82 °/o (besonders wichtig). Im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung kann die Analyse nicht umfassend durchgeführt werden; vielmehr soll nur aufgezeigt werden, welche Wege es gibt, Fragen zu stellen, wie solche Fragen etwa auszusehen hätten, und daß sie sich fruchtbar einsetzen lassen, um Parteien und Probleme gleichermaßen schärfer in den Sachbezug zu nehmen. Dabei erhoffen wir als Rückwirkung, daß auch der Fragende über diese Problemanalyse zu einer ge-naueren Reflexion seines Problemverständnisses angeregt wird. Die Themen Preisstabilität und Arbeitslosigkeit werden von den Parteien im Rahmen der Wirtschaftsordnung behandelt Dabei stützen sie sich auf unterschiedlich formulierte, allgemeine Zielvorstellungen, denen Wertorientierungen zugrunde liegen:

FDP: „Liberale Wirtschaftspolitik ist eine sozial- und gesellschaftspolitischem Fortschritt verpflichtete Marktwirtschaft, die auf einem funktionsfähigen Wettbewerb beruht."

CDU/CSU: „Soziale Marktwirtschaft bedeutet: Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes — Freiheit der Entscheidung über den persönlichen Verbrauch -— Freiheit des privaten Eigentums an Produktionsmitteln — Freiheit der unternehmerischen Investitionsentscheidung."

SPD: „Sichere und qualifizierte Arbeitsplätze für Frauen und Männer und eine leistungsfähige und stabile Volkswirtschaft sind die entscheidende Grundlage für unsere politische, soziale und kulturelle Entwicklung."

Gehen wir nun daran zu fragen, auf welche Sachverhalte sich diese allgemeinen Zielbestimmungen richten, so finden wir an Ziel-gegenständen und Zielkonkretionen zu Preisstabilität und Arbeitslosigkeit u. a. folgende Aussagen: Dieser Katalog von Zielgegenständen und Zielkonkretionen belegt unmißverständlich, wie schwierig eine Nachprüfung sein würde und wie wenig operationalisierbar diese Setzungen sind. Denn die Ziel-„Konkretionen" bleiben abstrakt, und die Parteien formulieren keinerlei konkrete Maßnahmen, wie diese Ziele erreicht werden können. Berücksichtigt man die tatsächliche Komplexität der zu treffenden Entscheidungen und fragt nach Ziel-personen, so fehlt in den Wahlprogrammen jede Angabe darüber, wer eigentlich diese Ziele verwirklichen soll.

Die SPD geht implizit in ihrem Programm von der Regierung als Zielperson aus, die CDU/CSU setzt ein pauschales Wir ein, die FDP schlicht sich selbst. Bezieht man jedoch auch nur ansatzweise die Überlegung mit ein, wie viele Interessenverbände und Organisationen von den anvisierten Zielvorstellungen betroffen oder mitbetroffen sind, wird offensichtlich, wie fragwürdig die Zielangaben sind, wie wenig kontrollierbar durch den Bürger. Hier wird erst zu einem späteren Zeitpunkt, eben nach der Wahl, der Kompromiß ausge-handelt; Konturen für die Grenzen von Kompromißbereitschaft werden nicht gegeben, Vertrauen in die Parteien insgesamt ist gefordert, nicht Erklären und Aufdecken von Zusammenhängen.

Neben den Zielpersonen, die in den Programmen fehlen, fehlen auch gänzlich Angaben über die zeitliche Konkretheit (wann soll etwas getan oder erreicht sein?); weiterhin fehlen Maß-und Bezugsgrößen, um wenigstens für den Ist-Zustand, für den Moment eine Vergleichsbasis zur Verfügung zu stellen, an denen sich der Bürger orientieren könnte, an denen er Perspektiven für die Zukunft festmachen könnte. Lediglich die SPD operiert mit „ 10 Beispielen für unsere wirtschaftliche Spitzenstellung", in denen sie ohne nähere Be-gründung zu ganz verschiedenen Sachbereichen prozentuale Vergleiche über die Zeit oder mit anderen Industrienationen anstellt.

Fazit: Die Wahlplattformen sind dem allgemeinen Werbematerial durchaus vergleichbar: mangelnde Konkretheit, Appell ans allge-meine Zutrauen und in ihren Konsequenzen undurchschaubare Versprechungen. Spätestens hier erhebt sich die Frage, wieso zumindest die Parteimitglieder von ihren . Führungsmannschaften'nicht früher im Interesse der von ihnen Vertretenen eine Offenlegung verlangen?

VI. Einige Gründe für die Art der Wahlkampfführung

Wiederholt ist festgestellt worden, daß Parlamentswahlen nur noch Akklamationen zur Mehrheitsbeschaffung für politische Parteien seien. Unsere Untersuchung des Bundestags-wahlkampfes 1976 bestätigt dies: Inhalt und Form der Wahlkampfführung erlauben lediglich die'Akklamation; in der Wahlwerbung und den Wahlplattformen fehlen die Grundlagen für die in Wahlen zu treffenden Entscheidungen. Aus der Analyse des Wahlkampf-materials wird offensichtlich, was Luhmann generalisierend beschreibt: Die Funktion der Wahl bestehe in der Legitimationsbeschaffung, wobei gleichzeitig die Festlegung auf inhaltliche Handlungsprämissen von der Wahl-entscheidung abgetrennt wird. Dieser Verzicht auf die Festlegung von Handlungsprämissen konnte in der vergangenen Bundestagswahl deutlich erlebt werden. Erlebbar aber war auch, wie der Wahlkampf — in Form und Inhalt — dem Bürger Anreize gab „für den Ausdruck von Unzufriedenheit ohne Strukturgefährdung, also für expressives Handeln, das entlastend wirkt"

Wahlen und Wahlkämpfe sind — im Rahmen der Gesamtstruktur der Gesellschaft — Teil des gesellschaftlichen Regelsystems: „Jedes politische Institutionensystem verfügt über einen definitiven — rechtlich und faktisch festgelegten — Aktionsradius, der bestimmt, welche Materien und Sachverhalte überhaupt zum Gegenstand staatlicher Politik werden können." In Gesellschaften mit sozialer Ungleichheit sind politische Institutionen, ihr Aktionsradius, die Regeln, nach denen Entscheidungsprozesse verlaufen, Ausdruck der Interessenunterschiede zwischen den wichtigsten sozialen Gruppen. Sie ersetzen einerseits Willkür und unmittelbare Gewaltanwendung: gesellschaftliche Auseinandersetzungen werden in eine Form gebracht, die Rechtssicherheit für alle Beteiligten gewährleistet. Sie sind — unter der Voraussetzung sozialer Ungleichheit — andererseits so gestaltet, daß sie Veränderungen der bestehenden Regelsysteme nur schwer zulassen. Wir wollen daher versuchen, einige der stabilisierenden Mechanismen zu beschreiben, die die Inhalte von Wahl-kämpfen determinieren. Aus der Beantwortung der Frage, wie prozessuale Regelungen auch bestimmte Inhalte präjudizieren, leitet sich dann — verbunden mit den Überlegungen aus unserer inhaltlichen Analyse — der Versuch her, Ansatzpunkte für eine Veränderung der bestehenden Regelungsmechanismen zu formulieren.

Das Konzept einer „politischen Öffentlichkeit" im demokratischen Prozeß geht von folgender Annahme aus: In Diskussion bilden sich entsprechend bestimmten Interessenkonstellationen Gruppierungen heraus, die zu Interessenvertretungen werden. Dieser stetig sich wiederholende Prozeß soll ermöglichen, daß aus jeweiligen Minderheiten relative Mehrheiten werden können. De facto wird in der politischen Realität der Bundesrepublik aber dieser Vorgang durch die 5°/0-Klausel behindert und der Trend zu Volksparteien sanktioniert.

Auch die derzeitige Praxis der staatlichen Parteienfinanzierung trägt dazu bei, die Gründung neuer Parteien zu verhindern: Erstens werden Wahlkampfkosten nur dann erstattet, wenn mindestens 0, 5 °/o der abgegebenen Erst-stimmen auf die betreffende Partei entfielen Zweitens werden im voraus Abschlagszahlungen nur bei Parteien vorgenommen, die bei der jeweils vorausgegangenen Bundestagswahl Wahlergebnisse erreicht hatten, die die Voraussetzungen für eine Erstattung erfüllt hätten Neugegründete Parteien müssen ihren ersten Wahlkampf also stets aus Eigen-mitteln bestreiten. Dies ist sicherlich nur für Parteien möglich, die ein entsprechendes Spendenaufkommen haben. Drittens werden Wahlkampfkosten nur in Form einer Pauschale für jede gewonnene Wählerstimme erstattet. Ein Sockelbetrag für alle Parteien ist nicht vorgesehen Neugegründete Parteien haben unter diesen Umständen schon allein aus wirtschaftlichen Gründen so gut wie keine Chance, im Bundestag vertreten zu sein. Die staatliche Parteienfinanzierung trägt also zur Stabilisierung etablierter Parteiensysteme bei

Eine zusätzliche Schwierigkeit für Parteineugründungen liegt in den gesetzlichen Bestimmungen für die öffentlich-rechtlichen Massenmedien. Haben die führenden Politiker der staatstragenden Parteien schon den Vorteil, durch Nachrichtensendungen und politische Magazine bekannt zu sein, so räumt ihnen das Parteiengesetz zusätzliche Vorteile ein. Es verpflichtet die Träger öffentlicher Gewalt zur „Gleichbehandlung" der Parteien, wenn ihnen Einrichtungen zur Verfügung gestellt oder öffentliche Leistungen gewährt werden. „Der Umfang der Gewährung kann nach der Bedeutung der Parteien bis zu dem für die Erreichung ihres Zweckes erforderlichen Mindestmaß abgestuft werden", wobei sich die Bedeutung der Parteien insbesondere nach den „Ergebnissen vorausgegangener Wahlen zu Volksvertretungen" bemißt

Die Struktur der Medienverfassung in der Bundesrepublik legt weitere Rahmenbedingungen fest: Die großen Parteien und die Interessenverbände etc. erzeugen dabei den größten Teil der „relevanten" Nachrichten selbst, die dann wiederum von den Medien „vermarktet", d. h. verteilt und damit zur öffentlichen Meinung werden.

Die Parteien, deren Wahlkampfführung und Medieneinsatz hier untersucht wurde, sind nicht Interessen-oder Weltanschauungspartelen, sondern . Volksparteien'. Dieser Partei-typ bemüht sich „um Anhänger aus allen sozialen Schichten, um weitgehende . Entideologisierung'der Politik und um ein angeblich objektiv bestimmbares Gemeinwohl" Die politischen Funktionen dieser Parteien konzentrieren sich oft allzusehr auf die Werbung von Mitgliedern und Wählern im Sinne von Vertrauenskundgebungen und auf die Bestellung des potentiellen Führungspersonals, so daß sie ihrer Aufgabe „Sprachrohr, dessen sich das mündig gewordene Volk bedient, um sich artikuliert äußern und politische Entscheidungen fällen zu können" oft nur unzureichend gerecht werden. Interessengegensätze einzelner Gruppen müssen häufig aus der innerparteilichen Diskussion weitgehend ausgeklammert werden, damit die Partei für das ganze Volk wählbar bleibt. Zudem werden oft die sich an der Parteibasis äußernden Interessen durch die starke Stellung der Parteispitzen neutralisiert Unter diesen Umständen muß bei der Parteibasis die Bereitschaft zum Engagement in der Partei und für die Partei leiden. Zentrale Ausarbeitung der Wahlkampf-materialien und generalstabsmäßige Steuerung des Werbefeldzuges sind die Konsequenzen. Der Sieg des Stylings über den konfliktreichen Prozeß der demokratischen Willensbildung ist die Folge. Eine Änderung ist nur aus einer aktiven Partizipation der „Basis" zu erwarten. Hier gibt es Ansätze, die mit konkreter Erfahrung beginnen, die allerdings neuer gesellschaftlicher Regelungsmechanismen bedürfen, damit sie nicht als erfahrbare Initiativen in der Verstaatlichung und Vereinnahmung untergehen

VII. Konsequenzen aus der Analyse: Forderungen

Wahlkampf in der Bundesrepublik — wie er bisher und besonders 1976 praktiziert worden ist —, richtet sich gegen viele Prinzipien politischer Bildungsarbeit und dient nicht eben dem Verständnis von Demokratie, wie es aus dem Grundgesetz herzuleiten ist. Der Wähler wird nicht mit Entscheidungsprozessen konfrontiert, sondern mit Angebotskatalogen, die keine Chance zur politischen Partizipation eröffnen. Dies gilt es zu verändern, wenn Demokratie die bewußte Gestaltung der Zukunft durch die Bürger und in allen Lebensbereichen sein soll. Politische Partizipation ist dabei in allen gesellschaftlichen Bereichen an die Voraussetzung gebunden, daß die Motivation zum Engagement auch mit der Aussicht auf Beteiligung am politischen Prozeß einhergeht. Einer solchen tatsächlichen Stärkung der Teilnahmemöglichkeiten gelten unsere Konsequenzen und Forderungen 1. Die politischen Institutionen müssen ihre Handlungsprämissen offenlegen, damit begründbare Optionen auf die Zukunft diskutiert werden können. Dazu sind die Parteien aufgefordert, vor den Wahlen Materialien über folgende Punkte zu veröffentlichen: — getroffene Entscheidungen der letzten Legislaturperiode — Stellungnahmen der Opposition dazu — Darlegung der kurz-oder langfristig zu lösenden Problembereiche — Prioritätensetzungen — detaillierte Darlegung der Zielperspektiven in bezug auf die angesprochenen Sachprobleme. Daraus resultiert — wenn der politische Prozeß durchsichtig sein soll —, daß auch eine Diskussion um die Verwirklichung dieser Handlungsprämissen ermöglicht werden müßte. 2. Die politischen Institutionen sollten daher Angaben über ihren Aktionsradius machen, die Handlungsspielräume der Betroffenen und Mitbetroffenen in der Öffentlichkeit erörtern. Dazu gehören: — Mittel zur Realisierung der Zielvorstellungen — die Nennung der zu erwartenden Auswirkungen von Entscheidungen auf die Gesellschaft bzw. auf einzelne gesellschaftliche Gruppen — Angabe von möglichen Barrieren für eine Realisierung von Zielvorstellungen (zum Beispiel politische Konstellationen im politischen System selbst, Konfrontation mit betroffenen Verbänden etc.).

Solche „Veröffentlichungen von Auseinandersetzungen" haben für weite gesellschaftliche Bereiche aber nur dann praktische Konsequenz, wenn sie mit bestimmten Bedingungen gekoppelt werden. Dazu zählen wir: 3. Die Schaffung von rechtlichen und institutionellen Vorkehrungen, die den Forderungen nach demokratischer Partizipation auch materiellen Rückhalt verleihen. Sie beträfen das Verhältnis von Parteien und Parlament ebenso wie das der Bürger zu den Verbänden: — Wahlrechtsänderung: Abschwächung der 5 0/o-Klausel, um neuen, kleineren Parteien echte Chancen einzuräumen. Damit könnte sich zugleich die Möglichkeit einer verstärkten programmatischen Profilierung der großen Parteien ergeben. Diese Maßnahme sollte flankiert werden von — einer Änderung des Parteiengesetzes: ein Sockelbetrag für alle Parteien, die sich am Wahlkampf beteiligen, und eine Reduzierung des Betrages, der pro Wählerstimme gezahlt wird. — einem Ausbau der innerparteilichen Demokratie und Stärkung der Finanzen der Partei-basis (evtl, durch Vergabe eines Teiles der Mittel aus staatlicher Parteifinanzierung an die Unterorganisationen der Parteien und nicht mehr an die Zentralen). — einer Regelung der innerverbandlichen Entscheidungsprozesse nach demokratischen Prinzipien (z. B. eine wirksamere Kontrolle der Gremien durch die Vorstandsmitglieder). — einem Durchschaubarmachen des Verbands-einflusses auf politische'Institutionen (u. a. auch durch die Veröffentlichung von Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen etc.). — einer Stärkung der Bürgerbeteiligung am politischen Geschehen durch a) Erleichterungen der Möglichkeit zum Volksentscheid, /b) Sicherungen, daß sich bildende Bürgerinitiativen oder Interessengruppen von Bürgern (innerhalb und außerhalb von Parteien) in einem geregelten Verfahren an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden. 4. Einrichtung von Kontroll-Instanzen, die der öffentlichen Diskussion zugänglich sind: — Schaffung von Bürger-Foren, in denen Interessengruppen sich öffentlich auseinander-setzen können, und Zur-Verfügung-Stellen von Zeit und Raum in den Medien. — Bereitstellung von Sendezeit in den öffentlich-rechtlichen Medien vor Wahlkämpfen für Bürgergruppen, die spezielle Sachprobleme öffentlich darlegen wollen. — Kontrolle des Wahlkampfes und seiner Finanzierung a) durch den Bundesrechnungshof und b) inhaltlich durch wissenschaftliche Analysen, um die notwendige Transparenz für den Wähler und Steuerzahler herzustellen.

Die Realisierung solcher (und ähnlicher) Forderungen, die auf eine qualitative Änderung des bisherigen Wahlkampfes und der politischen Auseinandersetzungen zielen, steht sicher nicht im Einklang mit dem kurzfristigen Interesse der etablierten Parteien nach Stimmengewinnen in Wahlkämpfen. Da nicht zu erwarten ist, daß die Parteispitzen der Mehrheitsparteien von sich aus im oben skizzierten Sinne tätig werden, muß der entsprechende „Druck" zur Durchsetzung solcher Forderungen aus vielen gesellsdiaftlidien Bereichen kommen. Dieser aber kann nur erreicht werden, wenn 5. die Stärkung der politischen Bildungsarbeit vorangetrieben wird. Dies ist nicht allein über eine verbesserte Finanzierung zu erreichen, sondern auch über eine qualitative Veränderung der bisherigen Arbeit: — Vermehrte finanzielle Mittel für politische Bildungsarbeit außerhalb von Schulen; — Im Umkreis von Wahlkämpfen Aufarbeitung von Wahlkampfmaterial im Interesse der Bürger durch die Bundeszentrale und die Landeszentralen für politische Bildung; — Umsetzung von politischer Bildung (als erzieherischer Aufgabe) in praktische politische Arbeit, u. a. durch Förderung der Diskussionsprozesse in den Gruppen; Anleitung zur sachgerechten Auseinandersetzung mit den Institutionen; eigenständiges Aufsuchen von Sachproblemen, die zur Lösung drängen; Förderung der praxisrelevanten Arbeit.

Diese Forderungen haben eine gemeinsame Perspektive: sie richten sich gegen einseitige Interessen bestimmter einflußreicher Gruppierungen in unserer Gesellschaft; sie versuchen, die Interessen von Bürgern dieses Staates zu artikulieren; sie gehen aus von der konkreten Erfahrung vieler Bürger, deren Möglichkeiten, im politischen Prozeß Gehör finden, bisher von zahlreichen Barrieren begrenzt werden. Diese Barrieren gilt es zu beseitigen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Landtagswahlen 1976, Baden-Württemberg. Stuttgart, März 1976, hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft 'Medien, S. 13.

  2. GG Art. 20, Abs. 2.

  3. Die engen Grenzen, die der unmittelbaren Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk gesetzt sind, rechtfertigen keinesfalls eine theoretische Vernachlässigung dieses in Art. 20 GG ausdrücklich angeführten Prinzips. Im Gegenteil: keine der Regelungen, auf die Verfechter dieser engen Gren3

  4. Vgl. GG Art. 79, Abs. 3.

  5. GG Art. 146.

  6. Th. Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1973 3, S. 112— 115.

  7. Vgl. PartG § 1.

  8. PartG § 1, Abs. 2.

  9. Aufgaben und Möglichkeiten politischer Bildung, Fragen an die politische Praxis, in: Materialien zur politischen Bildung, 4. Jg (1976) H. 1, S. 24— 28.

  10. Vgl. Helmut Bilstein, Wahlen, Wahlkampf und Wahlverhalten im Parteienstaat, in: Baumann/Bilstein u. a., Wahlen in Hamburg 1973, S. 6.

  11. Zugrunde liegt hier das Konzept des einsichtigen Lernens, des Lernens von Sinn-Zusammenhängen: Einsicht ist dabei gebunden an 1. Überschaubarkeit der Situation und 2. Aktivierung von Beziehungen zwischen verschiedenen Bereichen. Nur wenn der Sinn-Zusammenhang (hier Zusammenhang von politischer Bildung und politischer Praxis) offenkundig wird, können die verschiedenen Teilinformationen wieder aufeinander bezogen werden und zu einem Ganzen transformiert werden. Vgl. dazu die Übersicht (und Weiterführung) der 'kognitiven Lerntheorien'bei Heinrich Roth, Pädagogische Anthropologie, Bd 2. Berlin 1971, S. 134-140 und 388— 400.

  12. Parteien-Gesetz, § 1, Abs. 2.

  13. Vgl. „Stern" -Umfrage : Was wollen Bürger für die Partei tun? in: Der Stern, Nr. 41 vom 30. 9. 1976, S. 34.

  14. Zu nennen sind insbesondere die Auseinandersetzungen um die Hessischen Rahmenrichtlinien für Gesellschaftslehre und die Richtlinien für den politischen Unterricht in Nordrhein-Westfalen.

  15. Aufgaben und Möglichkeiten politischer Bildung. Fragen an die politische Praxis, in: Materialien zur politischen Bildung, 4. Jg (1976) H. 1, S. 24- 28, Zit. S. 26.

  16. Vgl. Das Parlament, 22. Jg. (1972), Nr. 49.

  17. In: lorm 75, Seeheim, 1976 3. Quartal, S. 29.

  18. In: form 75, Seeheim, 1976 3. Quartal, S. 28.

  19. In: form 75, Seeheim, 1976 3. Quartal, S. 28.

  20. In: form 75, Seeheim, 1976 3. Quartal, S. 27.

  21. Dialog Nr. 1/73, S. 14— 18, vgl. auch Dokumentation über die Werbekampagnen ... im Bundestagswahlkampf 1972, hrsg. vom SPD-Parteivorstand, Bonn, Januar 1973.

  22. CDU: 4 TV-Spots: 4. 9. ARD 20. 15 Uhr; 7. 9. ZDF 19. 22 Uhr; 16. 9. ZDF 19. 22 Uhr; 29. 9. ZDF 19. 22 Uhr. 3 Hörfunkspots: 7. 9. WDR; 10. 9. SWF; 14. 9. WDR II; Anzeigen; Wahlbroschüren zur Person Helmut Kohls und zur grundsätzlichen Pro-grammatik der Partei: („Helmut Kohl, Kanzler für Deutschland"; „Helmut Kohl"; „Aus Liebe zu Deutschland die Freiheit wählen").

  23. Heidrun Abromeit, Zur Identität von politischer und wirtschaftlicher Werbung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 48/72, S. 5.

  24. Vgl. Heidrun Abromeit, Das Politische in der Werbung, Opladen 1972, S. 67.

  25. Heiner Flohr, Angst und Politik in der modernen parlamentarischen Demokratie, in: Heinz Wies-brock, Die politische und gesellschaftliche Rolle der Angst, Frankfurt/M. 1967, S. 52.

  26. Heidrun Abromeit, Das Politische in der Werbung, a. a. O., S. 67.

  27. Horst E. Richter, Freiheit oder Sozialismus, in: Iring Fetscher/Horst E. Richter (Hrsg.), Worte machen keine Politik, Reinbek bei Hamburg, 1976, S. 9.

  28. Heidrun Abromeit, Das Politische in der Werbung, a. a. O., S. 102.

  29. Heiner Flohr, a. a. O., S. 43.

  30. F. J. Stendenbach, Soziale Interaktion und Lernprozesse, Köln und Berlin 1963, zitiert nach Heiner Flohr, a. a. O., S. 52.

  31. Heiner Flohr, a. a. O., S. 51.

  32. Heidrun Abromeit, Das Politische in der Werbung, a. a. O., S. 64.

  33. Ulrich Lohmar, Wählen müssen wir trotzdem, in: Der Spiegel, Nr. 37 vom 6. 9. 1976, S. 36— 42. Wahlprogramm der FDP, verabschiedet (...) am 31. Mai 1976, Bonn 1976.

  34. Vgl. Ulrich Neveling/R. Sülzer/G. Wersig, Inhalts-analytische Fassung politischer Zielaussagen, Berlin, 1970, S. 11.

  35. Vgl. Anthony G. Greenwald, Effects of prior commitment on behaviour change after a persuasive communication, in: Public Opinion Quarterly, 29. Jg. 1966, Nr. 4, S. 595— 601.

  36. Ein ausgearbeitetes Programm dieser Stufen findet sich bei Ulrich Neveling/R. Sülzer/W. Ubbens/G. Wersig, The unknown urban realm, Methodoloqy and results of a Content Analysis, The Hague 1973, S. 18 ff.

  37. Elisabeth Noelle-Neumann, Die entscheidenden Themen, in: Die Zeit, Nr. 39 vom 17. 9. 1976, S. 7.

  38. Vgl. die Wahlprogramme der Parteien; Wahlprogramm der FDP, a. a. O.; Das Wahlprogramm der CDU und CSU 1976, Bonn 1976; SPD-Regierungsprogramm 1976— 1980, Beschluß (...) vom 18. /19. Juni 1976, Bonn 1976.

  39. Niklas Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Neuwied 1969, S. 171; vgl. auch die als Entlastung zu deutenden Verweise der Politiker in den analysierten Werbematerialien auf Kriminalität in der Gesellschaft, auf einfache Alternativen in der Wahl zwischen Sozialismus und Freiheit, auf die pauschale Beschwörung von Mißständen in der Bundesrepublik.

  40. Claus Offe, Strukturprobleme des kapitalistischen Staates, Frankfurt 1972, S. 79.

  41. PartG § 18, Abs. 2 Pie für die Erststimmen geltende Regelung kann in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden).

  42. PartG § 20, Abs. 1.

  43. PartG § 18, Abs. 1.

  44. Kurt Lenk/Franz Neumann (Hrsg.), Theorie und Soziologie der politischen Parteien, Neuwied 1968, S. LV.

  45. PartG § 5, Abs. 1.

  46. Lenk/Neumann a. a. O., S. LXXV.

  47. BVerfGE Bd. 1, S. 223 f. zit. nach Gerhard Leibholz, Repräsentation und Identität, in: Lenk/Neumann, a. a. O., S. 153— 177. Zit. S. 154.

  48. Der Beschluß des Bundesausschusses der Jungsozialisten zur Bundestagswahl vom 17. Oktober 1976 nennt hierfür einige Beispiele. Vgl. Jungsozialisten Informationsdienst Nr. 12/Dezember 1976, S. 1— 5.

  49. Diese Ansätze lassen sich vor allem ablesen an Bürgerinitiativen gegen den Bau von Kernkraft-Anlagen; zunehmend sind diese Initiativen dadurch zu kennzeichnen, daß die weitgehend unverbindlichen Erklärungen führender Politiker nicht mehr akzeptiert werden, daß verbindliche und kompetente Sachdiskussionen und -auseinandersetzungen gefordert werden.

  50. Die Konsequenzen und Forderungen werden an dieser Stelle nicht mehr im einzelnen abgeleitet und begründet; die Autoren verstehen den Gesamtkomplex der Analyse bis hierher als den Versuch einer Ableitung und Begründung.

Weitere Inhalte

Hanns-Georg Helwerth, M. A., geb. 1948; Doktorand am Institut für Politikwissenschaft der Universität Stuttgart; freiberufliche Tätigkeit in der Erwachsenenbildung. Mitarbeiter an den Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft Medien zur Presseberichterstattung über die Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Lorenz 1975 und zur Landtagswahl 1976 in Baden-Württemberg, Stuttgart 1976. Wolfgang Niess, geb. 1952; Studium der Geschichte, Politikwissenschaft, Mathematik und Kommunikationswissenschaft; freiberufliche Tätigkeit in der Erwachsenenbildung. Mitarbeit an der Dokumentation über die Landtagswahlen 1976 Baden-Württemberg. Rolf Sülzer, M. A., geb. 1945; wiss. Angest. am Institut für Agrarsoziologie (Fachgebiet Kommunikationswissenschaft) der Universität Hohenheim, Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Stuttgart. Veröffentlichungen u. a. und mit Kollegen: Inhaltsanalytische Fassung politischer Zielaussagen, Berlin 1970; Sensation statt Information, in: Die Tabus der bundesdeutschen Presse, München 1971; Konzentrierte Aktion. Die Berliner Presse, Berlin 1971; Wie links können Journalisten sein?, Reinbek 1972; The unknown urban realm, Den Haag 1973; Gesellschaftliche Kommunikation und Information, Bd. 1, 2, Frankfurt 1973; Landtagswahlen 1976 Baden-Württemberg, Stuttgart 1976. Bettina Wieselmann, M. A., geb. 1950; Studium der Politikwissenschaft, Germanistik und Kommunikationswissenschaft; Mitarbeiterin am Institut für Sozialwissenschaften, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft, an der Universität Hohenheim. Michael Zeiß, Dipl. -Kaufmann, geb. 1951; Studium der Betriebswirtschaftslehre, Soziologie und Kommunikationswissenschaft; Doktorand an der Gesamt-hochschule Kassel; freiberufliche Tätigkeit beim Berufsfortbildungswerk des DGB und in der Erwachsenenbildung.