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Steuerungsprobleme in Wirtschaft und Gesellschaft. Zum Gutachten der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel | APuZ 18/1977 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 18/1977 Steuerungsprobleme in Wirtschaft und Gesellschaft. Zum Gutachten der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel

Steuerungsprobleme in Wirtschaft und Gesellschaft. Zum Gutachten der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel

Helmut Kohn/ Friedrich Latzelsberger

/ 112 Minuten zu lesen

Einleitung

Abbildung 1

Die Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel überreichte nach fast sechsjähriger Tätigkeit am 10. Januar 1977 der Bundesregierung ihr Gutachten „Wirtschaftlicher und sozialer Wandel in der Bundesrepublik Deutschland". Bundesarbeitsminister Ehren-berg beurteilte das Gutachten bei der Übergabe als „konstruktiv und kritisch". Der Bericht der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel richte sich nicht nur an die Bundesregierung und an die Bundestagsparteien. „Er soll auch Anstoß sein, die zentralen Probleme unserer künftigen Entwicklung in einer breiteren Öffentlichkeit, in den Gewerkschaften, in den Verbänden der Wirtschaft, in der Wissenschaft intensiver und ohne Tabus zu diskutieren." Der Bundeskanzler wies in einem Dankschreiben an die Kommissionsmitglieder darauf hin, daß das Gutachten „eine umfassende Orientierung in wichtigen Bereichen der Politik ermöglicht. Zusammen mit den von der Kommission in Auftrag gegebenen Einzelgutachten liegt damit für die Bundesregierung und die interessierten Institutionen und Personen eine wertvolle Hilfe zur Planung und Entscheidung vor."

Da das Gutachten zahlreiche politische Gestaltungsfragen behandelt, war die kontroverse Aufnahme in der Öffentlichkeit vorherzusehen. überraschend war allerdings, wie schnell mehrere Politiker, Journalisten und Verbände mit einem wohlwollenden oder abwertenden Pauschalurteil über den Inhalt des rund 1 100 Schreibmaschinenseiten umfassenden Gutachtens schon zu einem Zeitpunkt aufwarteten, in dem sie das Gutachten noch nicht gelesen haben konnten. Hans Dieter Kloss schrieb in der Stuttgarter Zeitung vom 11. Januar 1977 dazu: „Am Gutachten . . . offenbart sich eine Gefahr, der just durch dieses Gutachten begegnet werden soll: Es ist die Gefahr der durch den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt begünstigten Schnelligkeit, die wiederum begleitet ist von Flüchtigkeit, Oberflächlichkeit und Kurzatmigkeit. Dazu gehört es, daß Informationen jedweder Art möglichst rasch verbreitet werden müssen ... Im vorlie-genden Fall des Gutachtens hat der Hang oder Zwang zur Schnelligkeit jedenfalls wieder einmal dazu geführt, daß die Empfänger der Information zunächst ein zumindest vergröbertes, wenn nicht gar falsches Bild bekamen. Eine wissenschaftliche Untersuchung von über tausend Seiten Umfang läßt sich ohnehin nur unter Verzicht auf Einzelheiten in gut hundert Druckzeilen zusammenfassen, und zwar selbst dann, wenn sich die Wiedergabe auf die wesentlichen Ergebnisse beschränkt. Falsch ist es jedoch, wenn deren Gehalt auf die simple Formel gebracht wird, Wachstum und Vollbeschäftigung seien wichtiger als stabile Preise.“

Die meisten der schnell Urteilenden haben das Besondere des Kommissionsgutaehtens nicht mitbekommen. Die Kommission hat versucht, die Lage und die mögliche künftige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft in einem mehrere Politikbereiche übergreifenden Zusammenhang zu beschreiben. Weiter ist bedeutsam, daß diese Aufgabe nicht allein einem Professorengremium übertragen wurde, sondern daß Vertreter der Sozialpartner miteinbezogen wurden, ja sogar die Mehrheit bildeten. Die aus dieser Zusammensetzung sich ergebenden Meinungsverschiedenheiten sind in einem jahrelangen Bemühen um Konsens ausgetragen worden. Uber zahlreiche wirtschafts-und gesellschaftspolitische Ziele und über die einzuschlagenden Wege wurde Einvernehmen erzielt. Unterschiedliche Meinungen fanden in Minderheitsvoten ihren Ausdruck. Sie betreffen teils ergänzende Aspekte, teils auch prinzipiell unterschiedliche Positionen.

Es ist schwer zu verstehen, wieso — nach Meinung mehrerer Kommentatoren — die Minderheitsvoten die Brauchbarkeit des Gutachtens beeinträchtigen sollen. Sie verdeutlichen Positionen, deren Kenntnis für die Politik von größter Bedeutung ist. Ein in allen Passagen von allen Kommissionmitgliedern einstimmig getragenes Gutachten hätte entweder die drängenden gesellschaftspolitischen Fragen ausklammern müssen, oder es wäre zu einer Sammlung abstrakter, unbestimmter Ziel-formulierungen auf hoher Ebene geworden.

Der im Februar 1971 der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel erteilte Auftrag lautete, in einem Gutachten darzustellen, „welche wirtschafts-, sozial-und bildungspolitischen Möglichkeiten bestehen, um im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung den technischen und sozialen Wandel in der Wirtschaft zu fördern und im Interesse der Bevölkerung zu gestalten". Die Kommission war nur an diesen Auftrag gebunden, sonst unabhängig.

Zweifellos hat die Zusammensetzung der Kommission die Wahl der zu untersuchenden Fragen und Politikbereiche beeinflußt. Der Kommission gehörten 17 Mitglieder ehrenamtlich an: 7 Hochschullehrer, 5 Gewerkschafts-und 5 Arbeitgebervertreter. Den Vorsitz führte Karl Martin Bolte, Professor für Soziologie an der Universität München.

Für ihr Gutachten konnte sich die Kommission auf 45 Forschungsprojekte des „Arbeitskreises Automation" stützen, der von 1968 bis 1970 bei den Bundesministerien für Arbeit und Sozialordnung und für Wirtschaft bestanden hatte. Die Kommission vergab selbst etwa 145 Forschungsaufträge und weitere Zu-und Rechenarbeiten für einen Gesamtbetrag von rund 5, 5 Mio DM. Die meisten der im Auftrag des „Arbeitskreises Automation" und der Kommission angefertigten Forschungsberichte wurden in der 140 Titel umfassenden Schriftenreihe der Kommission (Verlag Otto Schwartz & Co., Göttingen) veröffentlicht.

Das Gutachten der Kommission enthält neben einer Darstellung des Auftrags und einem Leseleitfaden 13 Kapitel:

I. Gestaltung gesellschaftlichen Wandels — Ausbau aktiv gestaltender, längerfristig orientierter Politik II. Wachstums-und Strukturpolitik — Gestaltete Expansion bei Vollbeschäftigung III. Langfristig orientierte Stabilisierungspolitik — Voraussetzung für die Strategie der gestalteten Expansion bei Vollbeschäftigung IV. Verteilungsrechnung — Verbesserung der Transparenz der Einkommensverteilung V. Forschungs-und Technologiepolitik — Gestaltung wirtschaftlichen Wandels durch Innovation VI. Raumordnungspolitik — Neuorientierung auf die Funktionen der Räume VII. Umweltpolitik — Umwelt als Herausforderung für Struktur-, Forschungs-und Technologiepolitik VIII. Wettbewerbspolitik — Erhaltung und Förderung des Wettbewerbs IX. Verbraucherpolitik — Verbesserung von Schutz, Information und Organisation der Verbraucher X. Gestaltung der Arbeitsbedingungen — Ständige Aufgabe zwischen Anspruch und Wirklichkeit XI. Soziale Sicherung — Konsolidierung und Weiterentwicklung XII. Bildung und Beschäftigung — Verbesserte berufliche Qualifikation und Fortentwicklung der Arbeitsmarktpolitik als Beiträge zur langfristigen Sicherung der Beschäftigung XIII. Leistungssteigerung der öffentlichen Verwaltung, Informationsgewinnung und -Vermittlung, Weiterentwicklung der Bürgerbeteiligung — Voraussetzungen für die erfolgreiche Gestaltung wirtschaftlichen und sozialen Wandels Die hiermit vorgelegte — vom Generalsekretär der Kommission, Min. -Rat Helmut Kohn, und seinem Stellvertreter, Diplom-Soziologe Friedrich Latzeisberger, angefertigte — Zusammenfassung soll den wesentlichen Inhalt des Kommissionsgutachtens einem breiten Interessentenkreis zugänglich machen. Die Text-reduzierung und -komprimierung ist das Ergebnis einer subjektiven Wahl. Jeder andere Autor hätte die Gewichte vielleicht anders verteilt. Die Verfasser waren bemüht, die nach ihrer Auffassung zentralen Aussagen und Vorschläge der Kommission verkürzt und möglichst verständlich wiederzugeben. Angesichts der zum Teil sehr komplizierten theoretischen Materie dürfte das allerdings nicht überall gleich zufriedenstellend gelungen sein. So mußten zum Beispiel in den Abschnitten über Stabilisierungspolitik und Wettbewerbspolitik schon eine gewisse Fähigkeit, im volkswirtschaftlichen Kreislauf zu denken, bzw. Grundkenntnisse des geltenden Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorausgesetzt werden.

Um die zentrale Konzeption der Kommission („Gestaltete Expansion bei Vollbeschäftigung") besser zum Ausdruck zu bringen, wurde die Zusammenfassung anders gegliedert als der Originaltext. Von der Mehrheitsmeinung abweichende Minderheitsvoten konnten wegen der Seitenbeschränkung nur vereinzelt berücksichtigt werden. Wörtlich aus dem Kommissionstext übernommene Passagen sind nicht gesondert gekennzeichnet.

Wer das Gutachten zitieren will oder bestimmte Gedanken, Thesen und Vorschläge genauer kennenlernen will, muß sich den Originaltext selbst ansehen. Das Gutachten wird in diesen Tagen veröffentlicht und kann über den Buchhandel bezogen werden

I. Ausbau einer aktiv gestaltenden, längerfristig orientierten Politik

Abbildung 2

Beim wirtschaftlichen und sozialen Wandel handelt es sich nicht um unveränderbare Naturereignisse. Menschliche Handlungen und menschliche Impulse bestimmen Richtung und Schnelligkeit des Wandels. Wissenschaft und Forschung bringen ständig neue Erkenntnisse hervor. Gesellschaftliche Ordnungsformen (politische Strukturen, Rechts-und Wirtschaftsordnung, Bildungssystem u. a.) schaffen die Voraussetzungen für das Aufgreifen neuer Ideen und für die Auseinandersetzungen bei ihrer Verbreitung.

Wandlungsprozesse haben sowohl die Lebensverhältnisse vieler Menschen verbessert als auch zu neuen Formen von Elend und Ungerechtigkeit geführt. Einerseits wurden neue Freiheiten geschaffen und hat sich der Verhaltensspielraum vieler Menschen erweitert, andererseits entstanden aber auch andere Formen von Ausbeutung, Abhängigkeit und Unfreiheit. Aus dieser Erkenntnis heraus ergibt sich der Wunsch nach Einsicht in Impulse und Wirkungsweisen von Wandlungsprozessen sowie nach Ausbau der Möglichkeiten, den Wandel zu gestalten. Je besser die Impulse, die den Wandel beeinflussen, erkannt, in ihrer Wirkungsweise begriffen und für den Menschen beeinflußbar werden, um so eher wird es gelingen, gesellschaftliche Wandlungsprozesse so zu lenken, daß aus ihnen keine menschen-oder menschheitsgefährdenden Folgen, sondern Verbesserungen menschlicher Lebensbedingungen hervorgehen. Charakteristische Gefährdungen kommen vor allem durch folgendes zustande: — In einer Zeit des Wandels hinkt das Wissen über die „Wirklichkeit" oft hinter dem tatsächlichen Entwicklungsstand hinterher. Da menschliches Handeln auf Wissen aufbaut, zielen Entwicklungen und Handlungen damit unter Umständen an den eigentlichen Gegebenheiten vorbei und bergen ihren Mißerfolg von vornherein in sich. — Kurzfristig orientierte und sich je nach Aktualität mal auf diesen, mal auf jenen Bereich konzentrierende politische Verhaltensweisen haben unter Umständen gefährliche ungewollte oder unerkannte langfristige Nebenwirkungen. — Verhaltensentscheidungen, die von einem partiellen Blickpunkt her getroffen werden und, von dort gesehen, durchaus rational erscheinen, haben unter Umständen von einem generellen, das heißt alle Auswirkungen berücksichtigenden Blickpunkt her gefährliche Konsequenzen; Beispiele dafür sind Entscheidungen wirtschaftlicher Unternehmen, die Probleme der Umweltgefährdung und der Rohstoffverknappung aus ihren Überlegungen ausklammern, oder kurzsichtige nationale Egoismen einzelner Länder im Rahmen internationaler Kooperationsbemühungen. — Eingriffe in gesellschaftlichen Wandel, die ohne systematische Analyse prinzipiell möglicher Alternativen für Gestaltungsziele und -maßnahmen erfolgen, unterliegen der „Suggestion des Faktischen" und begrenzen die Gestaltungschancen erheblich. -— In einer Zeit des Wandels besteht immer wieder die Gefahr, kurzfristige Schwankungen für den Beginn langfristiger Trends zu nehmen oder langfristige Trends einfach in die Zukunft weiter zu verlängern. Extreme Fehleinschätzungen und Fehlmaßnahmen können die Folge sein.

Für eine erfolgreiche Situationsbewältigung erscheint es heute unerläßlich, Struktur, Richtung und zeitlichen Ablauf des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels sowie dessen Widerspiegelung im Bewußtsein der Betroffenen genau zu beobachten und sie im Rahmen des Möglichen gestaltend zu beeinflussen. Die Integration und Koordination von politischen Maßnahmen, die zur Vermeidung von Friktionen und ungewollten Nebenwirkungen gestaltend in den Wandel eingreifen, muß verbessert werden. Außerdem muß vor allem der Anteil längerfristig orientierter Gestaltungsmaßnahmen gegenüber kurzfristig auf Fehlentwicklungen reagierenden Maßnahmen ausgebaut werden.

Das Bewußtsein der Notwendigkeit einer aktiven längerfristig orientierten Politik hat sich in der Bundesrepublik im Gegensatz zu einigen westlichen Nachbarländern relativ spät entfaltet. Obwohl z. B. in der Sozial-, Verkehrs-und Verteidigungspolitik politisch aktiv (d. h. Entwicklungen vorausgestaltend) gehandelt wurde, galt eine vorausschauende aktive Politik in anderen Politikbereichen als überflüssig, zum Teil sogar als freiheitsgefährdend. Mit der Einführung der mittelfristigen Finanzplanung im Jahre 1966 und bestimmter anderer Formen der politischen Planung trat eine Wende ein. Allerdings verstand man unter politischer Planung noch nicht eine aktive längerfristig orientierte Gestaltung der Gesellschaftsentwicklung, sondern eine politische Strategie zur Erkennung und Bearbeitung von gesellschaftlichen Problemen. überwiegend stand nicht die Reflexion inhaltlicher Probleme, sondern die Einführung von Planungsinstrumenten auf breiter Ebene im Vordergrund, um die Leistungsfähigkeit einer reagierenden Politik zu steigern. Um eine Verstetigung der politischen Steuerung und damit auch der gesellschaftlichen Entwicklung zu erreichen, sollten langfristige Programme an die Stelle von Ad-hoc-Strategien treten.

Neue Gremien wie der Konjunkturrat, Finanzplanungsrat und die Konzertierte Aktion sollten den politischen Handlungsspielraum der Bundesregierung vergrößern. Die Finanzplanung sollte ein in Zahlen gekleidetes Regierungsprogramm sein und wurde als quantitative Fixierung politischer Entscheidungen verstanden. Die Überwindung der Rezession 1966/67 und die Sanierung der öffentlichen Finanzen wurden als Bestätigung der neuen Konzeption gewertet.

Aber bereits im darauffolgenden Boom gewann nach einer Verschärfung des Verteilungskampfes die kurzfristige Orientierung wirtschaftlich-politischen Handelns wieder die Oberhand. Da die mittelfristige Zielprojektion häufiger als vorgesehen der neuesten Wirtschaftsentwicklung angepaßt werden mußte, war eine einigermaßen stabile mehrjährige Plafondierung der Staatsausgaben nicht möglich. Damit leistete aber die mittelfristige Finanzplanung auch nicht die teilweise Vorentscheidung für den jährlichen Budgetierungsprozeß, der innerhalb weniger Wochen mit der Konfliktaustragung für die Entscheidungen der kurz-bis mittelfristigen Prioritäten der Regierungspolitik überlastet ist. Infolge der dadurch erzwungenen Vereinfachung dominierten unverändert die herkömmlichen fiskalisch-formalen Budgetierungspraktiken, bei denen sich oft erst am Ende der Auseinandersetzungen herausstellt, wo die Aktionsschwerpunkte für die kommende Zeit faktisch liegen. Unter diesen Umständen bestärkt die Finanzplanung eher die bestehenden Programme und Aktivitäten, anstatt sie den geänderten gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten laufend anzupassen.

Die Programmplanungen der Ressorts entwikkelten sich nach 1966 in rascher Folge, verstärkt 1969 durch die Bildung der sozial-liberalen Koaliton mit der Festlegung auf innere Reformen. Davor vernachlässigte Problemfelder wurden problematisiert, und neue Problemlösungen im Städte-und Wohnungsbau, in der Forschungspolitik, im Gesundheitswesen, im Umweltschutz und auf dem Gebiet der Raumordnung wurden in Angriff genommen. Trotz vielfältiger Bemühungen und partieller Fortschritte blieben die Erfolge der Planungen jedoch erheblich hinter den Erwartungen zurück. Es erwies sich, daß viele der neuen konzeptionellen Vorstellungen zu wenig den politischen Machtverhältnissen Rechnung trugen. Es setzten sich vorwiegend die Planungsprogramme durch, die nicht den Widerstand starker Interessengruppen hervorriefen. Programme, die die gesellschaftlichen Strukturen verändern sollten, haben die Verfügbarkeit über Ressourcen, ein breites Krisenbewußtsein, die Zustimmung der starken politischen Gruppen u. a. zur Voraussetzung. Das Fehlen solcher Bedingungen führte rasch zu einem Abbau der reformerischen Planungseuphorie. Man erkannte in den Ressorts die begrenzten Möglichkeiten des politischen Handelns und stellte fest, daß die Programmplanungen bisher nur sehr begrenzte Veränderungen des herkömmlichen Handelns staatlicher Institutionen gebracht haben.

Neben den isoliert verlaufenden Programm-planungen der Ressorts entstanden in Verbindung mit der Finanzplanung Bemühungen, eine umgreifende Aufgabenplanung einzuführen, in der Art und Umfang der öffentlichen Aufgaben nach Priorität ihrer Durchführung zu bestimmen wären. Innerhalb der Bundesregierung glaubte man zunächst, mit der Finanzplanung als einem Regierungsprogramm in Zahlen die Grundlage für eine generelle Aufgabenplanung geschaffen zu haben.

Diese Überschätzung der Finanzplanung erklärt vermutlich zu einem guten Teil, warum im Bundeskanzleramt erst relativ spät Instrumente für die Fundierung der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers geschaffen wurden (Planungsstab bzw. später Planungsabteilung, Einrichtung der Planungsbeauftragten der Ressorts, Frühkoordinierungssystem der Bundesregierung). Diese Instrumente sollten Kabinett und Kanzler früher und vollständiger als bisher über wichtige politische Programm-vorhaben der Fachressorts unterrichten und damit in die Lage versetzen, politische Zielvorgaben zu formulieren. Damit sollte auch ein Übergewicht der Verwaltung in der Politik zurückgedrängt werden.

Die wesentlichen Erwartungen, die sich mit diesem neuen Planungsinstrumentarium verbanden, wurden jedoch enttäuscht. Zwar kam es zu einer beachtlichen Erhöhung der Transparenz der laufenden Ressorttätigkeiten, aber die Versuche der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes, auf der Grundlage der erhobenen Daten Vorschläge für die Setzung politischer Prioritäten zu entwickeln, scheiterten. Die Ressorts akzeptierten das Frühkoordinierungssystem nur als Informationsdienst, waren aber grundsätzlich nicht bereit, ihre Entscheidungsautonomie zu vermindern, so daß die erhoffte Gewichtsverlagerung vom Ressort-zum Kabinettprinzip in der Aufgabenplanung nicht stattfand. Heute dient das Frühkoordinierungssystem in erster Linie als Instrument einer verbesserten Arbeits-und Zeitplanung des Kabinetts, und da die Ressorts zum Teil hausinterne Erhebungssysteme entwickelt haben, ist auch seine Informationsfunktion geringer geworden.

Da das Frühkoordinierungssystem die frühzeitige Koordinierung der Ressortpolitiken nicht leistete, entstanden im Kanzleramt Modellüberlegungen für eine Aufgabenplanung, die eine am gesellschaftlichen Bedarf orientierte langfristige Prioritätensetzung umfaßt und damit eine Politik verhindert, die einfach mittelfristige Programme fortschreibt. Diese Ansätze wurden bisher von Kommissionen und Arbeitskreisen, wie z. B.dem „Arbeitskreis Bedarfsschätzung" des Finanzplanungsrates oder dem Gremium der Planungsbeauftragten, experimentell erprobt; nachhaltige Auswirkungen entstanden bisher nicht. Bis zum heutigen Tage ist es nicht gelungen, die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers durch eine übergreifende Aufgabenplanung zu konkretisieren. Die Möglichkeit einer Ausübung der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers in dieser Richtung ist nach wie vor in hohem Maße von der im Einzelfall bestehenden Interessen-und Machtkonstellation der beteiligten Akteure abhängig. Die Erfahrung zeigt, daß hieran rein planungstechnische Verbesserungen nicht viel ändern.

Aufgabenplanungen sind auch die Landesentwicklungspläne der Länder, deren formales Planungsniveau allerdings unterschiedlich ist. Die Parteien haben begonnen, langfristige Vorstellungen über die Politikentwicklung auszuarbeiten, und auch die großen Interessenverbände formulieren in ihren Programm-entwürfen mehr oder weniger gesamtgesellschaftliche Zielperspektiven.

Die bisherigen Erfolge der Planungsbemühungen bestehen in einer verbesserten Transparenz und einem höheren Informationsniveau, da die technischen und methodischen Grundlagen der politischen Planung, z. B. Informationssysteme, ausgebaut und verbessert worden sind. Ebenfalls sind deutliche Fortschritte im Bereich der Programmplanung der Ressorts erzielt worden. Sie erlauben es inzwischen, die Aktionsbereiche der meisten Ministerien als aufeinander abgestimmte und auf die Verwirklichung bestimmter Ziele gerichtete Handlungsbündel zu erkennen.

Dem weiteren Ausbau aktiver Politik steht — neben den erwähnten Schwierigkeiten der politischen Planung — bei Politikern und Bürgern das Fehlen einer ausreichend entwickelten Langzeitorientierung entgegen; die Befriedigung unmittelbarer, präsenter Bedürfnisse gilt als politisches Haupterfolgskriterium. Treten längerfristige politische Probleme ins Bewußtsein, geschieht dies oft ohne Kontinuität und unsystematisch, wie die Beispiele der „Energiekrise", der „Bildungskatastrophe“ und der „Umweltzerstörung" zeigen. Sehr häufig verschwinden sie wieder aus dem öffentlichen Bewußtsein, bevor sie oder ohne daß sie bewältigt worden wären. Mangelnde Informationen über künftige Entwicklungen und alternative Gestaltungsmöglichkeiten fehlen weitgehend, so daß auch die Entwicklung fundierter längerfristiger Prognosen sehr problematisch ist. Tendenziell begünstigt auch die Konzentration der staatlichen Aktivitäten auf die manifesten Probleme starker gesellschaftlicher Gruppen die partikulare und reaktive Orientierung. In die gleiche Richtung wirkt der Vorrang der Konjunktur-politik vor der Wachstumspolitik.

Um eine aktiv gestaltende, längerfristig orientierte Politik auszubauen, bedarf es vielfältiger Maßnahmen. Dabei sollten die Erfahrungen der vergangenen Jahre berücksichtigt werden. Es kann z. B. nicht davon ausgegangen werden, daß sich automatisch aus den Auseinandersetzungen der konkurrierenden gesellschaftlichen Gruppen eine befriedigende Entwicklung ergibt. Ferner ist zu bedenken, daß keine klare Trennung besteht zwischen einem staatlichen Bereich, in dem es eine über die politischen Institutionen gesteuerte zielgerichtete Entwicklung gibt, und einem gesellschaftlichen Bereich, in dem der Staat nur ordnend eingreift und die Bestimmung der Entwicklungstendenzen dem freien Zusammenwirken von Staatsbürgern oder gesellschaftlichen Gruppen überläßt. Auch erscheint die Vorstellung als korrekturbedürftig, nach der Interessen und Konflikte in unserer Gesellschaft adäquat in der Arbeit des Parlaments ausgetragen, in staatlichen Planungsprozessen analysiert, durch politische Entscheidungen nach Prioritäten geordnet und in Gesetzen beschlossen, verkündet und dann durchgesetzt werden. Diese Vorstellung entspricht nicht der Wirklichkeit, weil sie die Dynamik sozio-ökonomischer und sozio-kultureller Entwicklungen vernachlässigt und das Eigeninteresse und die Kapazität des Regierungsapparates falsch einschätzt.

Um eine aktiv gestaltende, längerfristig orientierte Politik auszubauen, empfiehlt die Kommission, die Forschung systematisch zu fördern, damit langfristige Prognosen und Konzeptionen für alternative Entwicklungen in gesellschaftlichen Teilbereichen erarbeitet werden können. Darauf aufbauend sollten Regierung und Parteien in verstärktem Maße längerfristige Entwicklungsziele und Gestaltungsalternativen diskutieren und daraus Vorschläge erarbeiten. Verbände und andere gesellschaftliche Gruppierungen sollten von der Regierung aufgefordert werden, zu vorgelegten Zielvorstellungen und Gestaltungskonzeptionen Stellung zu nehmen und im Rahmen vorhandener Möglichkeiten Alternativen vorzuschlagen. Die gesellschaftlichen Gruppen, z. B. die Tarifparteien im Rahmen der Tarifautonomie, sollten sich aber auch in ihren Zuständigkeitsbereichen an längerfristigen Zielvorstellungen orientieren. Die langfristigen Konzeptionen sollten nicht unmittelbar vom Parlament erarbeitet werden, da es aufgrund seiner Struktur und seiner Überlastung mit aktuellen Entscheidungen dazu wenig geeignet ist. Vielmehr sollten jene Gruppen direkt an der konzeptionellen Weiterentwicklung beteiligt werden, die zuvor Konzepte vorgelegt haben. Eine ausführliche, transparente Diskussion dürfte den Bevölkerungsgruppen, die selbst nicht in der Lage sind, Konzepte vorzulegen, Gelegenheit geben, ihre Interessen anzumelden.

Die Kommission schlägt daher vor, daß sich die bereits bestehenden Gremien systematisch auch mit längerfristigen Entwicklungsproblemen ihres jeweiligen Arbeitsbereiches befassen, insbesondere solche Gremien, in denen Vertreter gesellschaftlicher Gruppen mit Vertretern von Regierungsinstitutionen zusammenarbeiten. Aufgrund der dabei gesammelten Erfahrungen sollte später geprüft werden, ob ein übergreifendes Gremium zur Koordinierung von Teilentwicklungen notwendig ist oder — wegen der erforderlichen Integration verschiedener Teilentwicklungen — sogar unabdingbar erscheint. Ein solches Gremium hätte ständig und systematisch die Langfristkonzepte der Regierung zur Gestaltung des wirtschaftlichen und sozialen Wandels zu erörtern, mit den Vorstellungen der großen gesellschaftlichen Gruppen zu vergleichen und Konflikt-und Konsensfelder offenzulegen. Diese neue Institution dürfte jedoch nicht Aufgaben des Parlaments, der Regierung oder anderer Verfassungsorgane an sich ziehen und sollte weder deren verfassungsrechtlich festgelegte Funktionen und Handlungsspielräume einengen noch deren Verantwortung mindern oder beschränken.

Die Gewerkschaftsvertreter in der Kommission schlagen in einem Minderheitsvotum die sofortige Einrichtung eines Wirtschafts-und Sozialrates vor. Als institutionelles Forum für die Auseinandersetzungen zwischen den Langfristkonzepten von Staat und gesellschaftlichen Gruppen sollte er zum Ausbau einer längerfristigen Politik beitragen.

II. Strategie der gestalteten Expansion

1. Zur Entwicklung des wirtschaftlichen Wachstums

Rückblickend lassen sich die Voraussetzungen, Bedingungen und Folgen des wirtschaftlichen Wachstums und der Wachstumspolitik der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte gut beurteilen. In der Bundesrepublik Deutschland herrschten günstige Voraussetzungen für den Wiederaufbau der Volkswirtschaft. Die Wirtschaft konnte weitgehend in eine vorhandene Infrastruktur hineinwachsen, eine qualifizierte Arbeitskräftereserve war vorhanden, und es gab zwischen Regierung, Unternehmern und Gewerkschaften keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß Wirtschaftswachstum und Schaffung weiterer Beschäftigungsmöglichkeiten als vorrangige Ziele zu behandeln waren. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (real) erreichte zwischen 1950 und 1955 9, 4 v. H. und in der darauffolgenden Fünfjahresperiode immerhin noch 6, 5 v. H. Diese Ergebnisse stachen im internationalen Vergleich so sehr hervor, daß man vom „deutschen Wirtschaftswunder" sprach. Da das Wirtschaftswachstum die materielle Lage fast aller Bevölkerungsgruppen relativ rasch verbesserte, fand das Wirtschaftssystem überwiegend Zustimmung.

In den sechziger und siebziger Jahren übertraf das wirtschaftliche Wachstum in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr das durchschnittliche Wachstum der OECD-Länder und blieb sogar unter dem Durchschnitt der Länder der Europäischen Gemeinschaft. Doch schneidet die in der Bundesrepublik Deutschland in den zweieinhalb Jahrzehnten von 1950 bis 1975 erzielte durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von real 5, 5 v. H. sowohl im internationalen als auch im historischen Vergleich (die entsprechende Rate betrug im Deutschen Reich für die Zeit von 1850 bis 1913 2, 6 v. H.) sehr gut ab. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß das wirtschaftliche Wachstum von Preissteigerungen begleitet war und sich nicht stetig, sondern in Zyklen von vier-bis fünfjähriger Dauer vollzog. Diese Begleiterscheinungen verstärkten sich mit dem — nach Erreichung der Vollbeschäftigung in den sechziger Jahren — sich verschärfenden Verteilungskampf zwischen Gewerkschaften und Unternehmern. Als die Notenbankpolitik bremsend eingriff, entstand Mitte der sechziger Jahre eine Wachstumspause mit einer für damalige Verhältnisse hohen Arbeitslosigkeit. Die erste Nachkriegs-rezession wurde in der Öffentlichkeit als Schock empfunden. Sie beendete das Vertrauen in die auf Selbstregelung beruhende Stabilität der wirtschaftlichen Entwicklung.

Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (real) in der Bundesrepublik Deutschland (v. H.)

In der Aufschwungsphase des 5. Nachkriegs-konjunkturzyklus (1967— 1971) schien das kurzfristige Krisenmanagement der Wirtschafts-und Finanzpolitik seine Bewährungsprobe zu bestehen. Mit Hilfe von Investitionsprogrammen war die Globalsteuerung in der Einleitung des Aufschwungs sehr erfolgreich. Die Unternehmergewinne stiegen 1968 beträchtlich an, weil die Gewerkschaften sich im Interesse der Sicherung der Arbeitsplätze auf niedrigere Lohnabschlüsse eingelassen hatten. Im darauffolgenden Jahr meldeten die Arbeitnehmer mit zahlreichen „wilden Streiks“ ihren Nachholbedarf an. Der Verteilungskampf verschärfte sich erneut, und das Preisniveau hob sich wieder beschleunigt. Seit 1969/70 hat die durch den verschärften Verteilungskampf bedingte Kosteninflation die wirtschaftliche Entwicklung mitbestimmt. Den Unternehmern gelang es nur zum Teil, die gestiegenen Kosten zu überwälzen. Der Versuch, die aus verschiedenen Quellen gespeiste Inflation durch restriktive monetäre Maßnahmen einzudämmen, beeinträchtigte weiter die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Ein kräftiger Rückgang der Auslandsnachfrage kam hinzu. Die schwerste Wachstums-und Konjunkturkrise der Nachkriegszeit stellte sich in den meisten führenden westlichen Industrieländern gleichzeitig ein. Die Arbeitslosenzahlen erreichten in der Bundesrepublik wieder das Ausmaß der fünfziger Jahre.

In den siebziger Jahren sind aufgrund der Stagnation der Investitionstätigkeit im Unternehmensbereich, insbesondere im warenproduzierenden Gewerbe, die Wachstumsraten des Anlagevermögens und des Produktionspotentials gesunken. Da die Stagnation außerdem zu höheren altersbedingten Abgängen vom Kapitalstock geführt hat, ergab sich eine deutliche Verringerung der bestandserhöhenden Anlageinvestitionen. In der Industrie waren sie 1975 um die Hälfte geringer als 1970. Um die jährliche Wachstumsrate des Produktionspotentials bis 1980 wieder auf rund 3 v. H. anzuheben und die Arbeitslosigkeit damit zu verringern, wird eine jährliche Zunahme der realen Anlageinvestitonen von 8 v. H. in der Gewerblichen Wirtschaft und von 6 v. H. in der Gesamtwirtschaft als notwendig angesehen. Das Bruttosozialprodukt könnte real in diesem Zeitraum um etwas mehr als 4 v. H. jährlich zunehmen. Ungewiß bleibt, ob mit einem Wachstum dieser Größenordnung die Vollbeschäftigung zurückgewonnen und erhalten werden kann.

Zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigungszunahme bestehen positive Zusammenhänge. Wirtschaftliches Wachstum ist aber auch eine wichtige Voraussetzung zur Vermehrung des Wohlstands, zur Erhaltung der sozialen Sicherheit und zur Schaffung von mehr Verteilungsgerechtigkeit. Die Kommission tritt deshalb für das Ziel eines kräftigen Wirtschaftswachstums und für eine stärkere Einflußnahme auf dieses Wachstum ein.

2. Vom quantitativen zum qualitativen Wachstum

Der starke wirtschaftliche Aufschwung und die hohen Wachstumsraten der fünfziger und frühen sechziger Jahre begründeten das Vertrauen der Öffentlichkeit und der verantwortlichen Politiker in die Mechanismen der marktwirtschaftlichen Ordnung und ließen weitergehende gezielte wachstumspolitische Aktivitäten als überflüssig erscheinen. Vertreter eines rein marktwirtschaftlichen Systems vertraten (und vertreten heute noch) die Auffassung, daß wirtschaftliches Wachstum nicht machbar, sondern das Ergebnis des freien Wirtschaftsablaufs sei, der durch individuelle Entscheidungen der privaten Haushalte (Sparer) und Unternehmen (Investoren) gesteuert und koordiniert werde. Wirtschaftliches Wachstum sei das Resultat von „Millionen von Einzelentscheidungen". Dem Staat falle lediglich die Aufgabe zu, mögliche Wachstumshemmnisse abzubauen, Vorleistungen für den privaten Sektor zu erbringen und die private Spar-und Investitionstätigkeit zu fördern. Folgerichtig haben in das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" (1967) vor allem konjunkturpolitische Instrumente Eingang gefunden. Eine erfolgreiche Stabilitätspolitik und Förderung des Wettbewerbs galten als im wesentlichen ausreichende Voraussetzungen für die Wachstums-und Strukturentwicklung.

Dabei wurde davon ausgegangen, daß die Befolgung des Pluralismusprinzips (Verbands-pluralismus, Föderalismus, Pluralismus der Exekutive) und des Demokratieprinzips (als Methode zur Hervorbringung politischer Entscheidungen) eine für alle Bevölkerungsgruppen befriedigende Gesellschaftsentwicklung sichere. Sie schienen zu gewährleisten, daß unterschiedliche Interessen artikuliert und verfolgt werden können, daß Machtungleichgewichte verhindert und jene gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse eingeleitet werden, die den Interessen der Mehrheit entsprechen.

Diese in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wirksamen Ordnungsprinzipien konstituierten einen Typ von Politik, der von den Prämissen einer überwiegenden Selbstregulierung und eines weitgehenden Machtgleichgewichts in Wirtschaft und Gesellschaft, von der Existenz eines Basiskonsenses zwischen den politischen Akteuren und der Rationalität der Entscheidungsmechanismen Markt, Wahl und Verhandlungen in bezug auf das angestrebte Gemeinwohl ausgeht.

Allmählich setzte sich die Einsicht durch, daß von diesen Ordnungsprinzipien nicht nur positive Wirkungen ausgehen. Der nach diesen Prinzipien sich vollziehende politische Prozeß tendiert zu einer Orientierung der Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik an der Erfüllung von kurzfristigen Funktionszielen bei gleichzeitiger Vernachlässigung langfristiger Gestaltungsziele (zum Beispiel des Ausbaus der Infrastruktur) und zur Zurückstellung konfliktreicher und strukturgestaltender Aufgaben.

Im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsprozeß gerieten insbesondere folgende Entwicklungen in das Blickfeld der Kritik: — die Konzentration im Produktionsbereich, — die ungleiche Einkommens-und Vermögensverteilung, — regionale und sektorale Ungleichgewichte, — die Verschwendung von Rohstoff-und Energiereserven, — Gefährdungen der natürlichen Umwelt, — die relative Unterversorgung mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen.

Zunehmend erkannte man, daß einerseits die Ordnungsprinzipien unterstützender Maßnahmen bedürfen, damit sie ihre Funktionen erfüllen können, und daß andererseits eine für alle befriedigende Wirtschafts-und Gesellschaftsentwicklung nicht gleichsam von selbst auf der Basis dieser Ordnungsprinzipien zustande kommt.

Die Kommission tritt für eine stärkere Gestaltung des wirtschaftlichen Wachstums ein und nennt beispielhaft einige qualitative Ziel-aspekte, an denen sich das Wirtschaftswachstum künftig orientieren sollte:

— Wiedergewinnung knapper Ressourcen durch Förderung von energie-und rohstoff-sparenden Technologien, — Verbesserung der Arbeitsbedingungen, — gezielter Ausbau von Produktionsstrukturen, die auf hochentwickelte Technologien und qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind.

— Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und Annäherung der nach Regionen sehr unterschiedlichen Lebensbedingungen.

Die Kommission geht davon aus, daß aus den Wachstumskrisen und Fehlentwicklungen Lehren gezogen werden und ist so optimistisch anzunehmen, daß innerhalb der nächsten Jahre ein neuer Ansatz für eine langfristige Zukunftsgestaltung gefunden werden kann. Der Optimismus beruht vor allem darauf, daß zwischen allen gesellschaftlich relevanten Gruppen der Bundesrepublik ein Basiskonsens über die mittel-und langfristig anzustrebenden wirtschaftspolitischen Ziele besteht, inbesondere auch über die Notwendigkeit, die privaten und öffentlichen Investitionen zu fördern.

Die von der Kommission geforderte Strategie einer „Gestaltenden Expansion bei Vollbeschäftigung" erfordert ein abgestimmtes Vorgehen in mehreren Politikbereichen: — Förderung der privaten Investitionstätigkeit,

— (Nach einer Phase der Konsolidierung und auf längere Sicht) Erhöhung der nominalen Staatsausgabenquote, — Langfristorientierung des staatlichen Ausgabenverhaltens, — Erleichterung des Strukturwandels mit Hilfe der sektoralen und regionalen Strukturpolitik, der Raumordnungspolitik, der Umweltpolitik und der Forschungs-und Technologiepolitik.

Die Strategie der „Gestalteten Expansion bei Vollbeschäftigung" muß über die Stabilisierungs-, Verteilungs-und Wettbewerbspolitik abgesichert werden.

3. Erhöhung der privaten Investionen

Investitionen können sowohl Arbeitsplätze schaffen als auch vernichten. Erweiterungsinvestitionen bringen im allgemeinen zusätzliche Arbeitsplätze; Rationalisierungsinvestitionen sollen dagegen Lohnkosten (und damit Beschäftigungsmöglichkeiten) einsparen. Dennoch wäre es falsch, wegen der Freisetzungseffekte Rationalisierungsinvestitionen zu unterlassen, da dann auf lange Sicht Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit leiden müßten. Das Beschäftigungsrisiko wäre nur zeitlich verlagert.

Private Investitionen können wesentliche Bestandteile politischer Programme sein. Das ist offensichtlich so bei der Forschungs-und Technologieförderung sowie bei Bemühungen um Verbesserung der Arbeits-und Umweltbedingungen. Auch können ungenützte Qualifikationspotentiale häufig erst über Investitionen eingesetzt werden. Insofern sind Investitionen Voraussetzungen für den Erfolg einer auf Anhebung des Qualifikationsniveaus gerichteten Bildungspolitik. Fordert man mehr Freizeit, mehr soziale Sicherheit, eine längere Ausbildungszeit, mehr Urlaub usw., so ist die Sicherung der privaten Investitionstätigkeit die Voraussetzung für die Realisierung dieser Forderungen. Solche Überlegungen machen deutlich, daß die Investitionsschwäche der ersten Hälfte der siebziger Jahre zu einer schweren Belastung für den zukünftigen Wachstumsprozeß wurde. Damit ein befriedigendes Wirtschaftswachstum wieder erzielt und gehalten werden kann, müssen in den kommenden Jahren — nach Auffassung der Kommission — die privaten Investitionen überproportional zum Sozialprodukt wachsen.

Das läßt sich nur erreichen, wenn die Verteilungspolitik nicht die Investitionsbereitschaft beeinträchtigt. Unternehmensgewinne sind eine notwendige Voraussetzung für Investitionen. Die Beträge, die für Investitionen aufgewandt Werden, sind nicht konsumierbar, solange das Unternehmen besteht. Weniger die unterschiedlichen Investitions-als die unterschiedlichen Konsummöglichkeiten werden als Verteilungsungerechtigkeit empfunden. Deshalb empfiehlt die Kommission, Konsum-und Investitionsausgaben unterschiedlich zu besteuern. Da nicht alle Spitzenverdiener zu den Investoren gehören, darf die Forderung nach Begünstigung privater Investitionen nicht mit einer Forderung nach steuerlicher Entlastung aller Spitzeneinkommen gleichgesetzt werden. Es erscheint unvermeidlich, daß Investitionsförderung zu einer weiteren unerwünschten Vermög. nskonzentration führt. Die Mittel, die eingesetzt werden, um eine gerechtere Vermögensverteilung ierbeizuführen, dürfen nicht die Investitionsbereitschaft gefährden.

Die private Investitionstätigkeit kann angeregt werden über: — Erhöhung der Nachfrage nach Produkten oder Erhöhung der Preise von Produkten, die mit Investitonsgütern (z. B. Maschinen) hergestellt werden, — Senkung der Preise von Investitionsgütern relativ zum Preis der mit ihnen erzeugten Güter, — Senkung der Zinssätze der investierten Mittel relativ zu den Ertragssätzen der Investitionen.

Vor allem der Preis der Investitionsgüter und der Preis für investive Mittel (Zins) sind besonders geeignete staatliche Handlungsparameter. In der Praxis subventioniert der Staat die Preise von Investitionsgütern z. B. dadurch, daß er Infrastrukturinvestitionen unentgeltlich zur Verfügung stellt. Der Fern-transport ist deshalb billiger als er wäre, wenn Autobahngebühren zu bezahlen wären. Zinssubventionen führen als Mittel einer Wachstumspolitik nur dann zum Erfolg, wenn sie längere Zeit hin durchgehalten werden, da Investitionen langfristig geplant werden müssen. Sie werden vor allem in Form von staatlichen Sonderkrediten und Steuererleichterungen (Abschreibungen, generelle Förderung für bestimmte Investitionstypen und Regionen) gewährt. In der Öffentlichkeit wird bisher nicht genügend vestanden, daß eine langfristig ausgerichtete Investitionsförderungspolitik strikt von einer Ankurbelungspolitik zu trennen ist. Die Kommission spricht sich nur für eine Investitionspolitik aus, die langfristig durchgehalten wird. Es geht darum, die verzerrte Preisrelation zwischen Konsumgütern und Investitionsgütern zu ändern. Das läßt sich nicht mit konjunkturpolitisch orientierten Maßnahmen erreichen. Der Mißerfolg der aus konjunkturpolitischen Erwägungen während einer kurzen Zeit angebotenen Investitionsprämien besagt deshalb nichts über die langfristigen Chancen einer solchen Politik.

Die Arbeitgebervertreter in der Kommission stimmen mit den anderen Kommissionsmitgliedern darin überein, daß neben globalen auch sektoral und regional differenzierte Maßnahmen der Investitionssicherung nötig sein können. Sie befürchten jedoch, daß solche Maßnahmen zu einer umfassenden Strukturplanung führen können.

Die Gewerkschaftsvertreter dagegen betonen gerade die Notwendigkeit einer langfristig tragbaren strukturpolitischen Konzeption. Daneben müsse eine Verteilungs-und Mitbestimmungskonzeption geschaffen werden, die über eine differenzierte steuerliche Behandlung von Konsum und Investitionen hinaus-weist. Da kein gehaltvolles Theoriesystem zur Verfügung steht, mit dem man verteilungspolitische Maßnahmen beurteilen kann, sei gegen alle Versuche, zwischen Wachstum und gleichmäßiger Einkommens-und Vermögens-verteilung eine Konkurrenzbeziehung festzustellen, ein genereller Vorbehalt anzumelden.

4. Erhöhung der Staatsausgabenquote

Zahlreiche Aufgaben des Staates stehen in einem komplementären Verhältnis zu den Aufgaben des privaten Sektors. Nur wenn der Staat seine Aufgaben hinreichend wahrnimmt, ist eine Effizienzsteigerung des Wirtschaftssystems möglich. Diese Komplementärfunktion dürfte weiter an Bedeutung gewinnen. Zu denken ist insbesondere an verschiedene Formen der Infrastruktur, die einen rentierlichen privaten Produktionsprozeß häufig erst ermöglichen.

So steht denn auch die Forderung nach einem weiteren Ausbau der für die privaten Haushalte wichtigen und der produktionsorientierten Infrastruktur im Mittelpunkt der Diskussion um den Ausbau der Staatsaufgaben. Dagegen wird geltend gemacht, daß zumindest in einigen Bereichen bereits Sättigungserscheinungen erkennbar seien. Aufgrund der bis 1985 zu erwartenden Bevölkerungsent-Wicklung und der Verlagerung von Produktions-und konsumorientierten zu sicherheitsorientierten Formen der Staatstätigkeit (verstärkte öffentliche Ausgaben für die Wissenschaft, kommunale Anstalten und Einrichtungen, Gesundheit; dagegen abnehmende Bedeutung der Ausgaben für den Verkehr sowie für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft und des Wohnungsbaus), höre die Infrastruktur auf, ein Engpaß der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zu sein. Folglich könne die staatliche Investitionsquote ab Beginn der achtziger Jahre sinken. Das Bundesraumordnungsprogramm geht jedoch noch weiterhin von der Notwendigkeit einer Verbesserung der Infrastruktur aus. Die Versorgung der Bevölkerung mit Infrastruktur weise große regionale Unterschiede auf. Mangelerscheinungen in vorwiegend dünn besiedelten Räumen stehe eine relativ günstige Ausstattung in Gebieten mit vorwiegend höherer Bevölkerungsdichte gegenüber.

Die Größenrelationen des privaten und staatlichen Sektors lassen sich nur langfristig ändern. Der Staat hat dies in der Vergangenheit bei dem Versuch, seinen Anteil am Sozialprodukt kurzfristig zu erhöhen, zu wenig berücksichtigt. Seine massive Beteiligung am Kampf um die Verwendung des Sozialprodukts trug zu einer Beschleunigung der Inflation und zur Finanzkrise der öffentlichen Haushalte 1975/76 bei. Als Folge davon sind viele Reformpläne revidiert worden.

Die Kommission weist mit großer Besorgnis auf die Wachstumsgefährdung durch den Staat hin, wenn er sein der konjunkturellen Lage angepaßtes Ausgabenverhalten beibehält und sich in Sparprogrammen auf einen Abbau von Arbeitsplätzen und Leistungen konzentriert. Der Ausbau der öffentlichen und privaten Dienstleistungen verlangt auf lange Sicht voraussichtlich auch vom Staat die Beschäftigung zusätzlicher Arbeitskräfte, da durch Rationalisierung allein das zusätzliche Angebot an Dienstleistungen nicht erbracht werden kann.

Die Kommission ist der Ansicht, daß die für eine Privatisierung geeigneten staatlichen Aufgaben und die dadurch erzielbaren Kosteneinsparungen begrenzt sind. Es stellt sich häufig nicht die Alternative: Staat oder Privatwirtschaft. In vielen, seit langem prakti13 zierten Fällen gibt es eine fruchtbare Konkurrenz. Zudem sind die Möglichkeiten einer Kooperation zwischen beiden Sektoren längst nicht ausgeschöpft. Bestehende Ansatzpunkte sollten ständig ausgebaut werden.

Die Kommission lehnt eine zum Grundsatz erhobene Privatisierung staatlicher Aufgaben ab. Allerdings hält sie es für wünschenswert, daß die Diskussion darüber in Gang bleibt, welche Aufgaben besser von staatlichen, nichtstaatlichen oder von Mischformen staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen wahrgenommen werden können. In diesem Zusammenhang sollte der Gesamtbereich gesellschaftlicher Produktion permanent daraufhin überprüft werden, ob der bisherige Leistungserbringer nach wie vor akzeptiert werden soll oder ob eventuell die Verlagerung einer Produktion vom privaten Sektor in den öffentlichen oder umgekehrt angebracht ist. Dabei muß allen Beteiligten klar sein, daß es für die Abgrenzung zwischen Staat und Privatwirtschaft keine wissenschaftlichen Kriterien gibt. Solche Grenzen sind Ausprägungen historisch gewachsener gesellschaftlicher Bestrebungen, Wertungen und politischer Entscheidungen.

Die Schlagworte „öffentliche Verschwendung" und „öffentliche Armut bei privatem Reichtum" kennzeichnen gegensätzliche Positionen. Sie helfen bei der Diskussion über den Umfang der Staatsaufgaben nicht weiter. Beide Sichtweisen lassen sich mit zahlreichen Beispielen rechtfertigen.

In der Vergangenheit sind dem Staat ständig neue Aufgaben übertragen worden, die sich als Bedingung und als Folge des Wachstumsprozesses stellten (soziale Sicherung, Ausbau der Infrastruktur, Erhaltung der natürlichen Umwelt). Kurzfristig übernommene Verpflichtungen verwandelten sich zudem häufig in langfristige Belastungen. Bei einem ungesteuerten Fortgang dieser Entwicklung besteht die Gefahr, daß der Staat sich im Rahmen der ihm zur Verfügung gestellten finanziellen und organisatorischen Mittel übernimmt. Darum ist es notwendig, daß er sich auch in der Fähigkeit übt, ihm angediente zusätzliche Aufgaben abzulehnen.

Weiter ist zu bedenken, daß bei jeder Staats-tätigkeit, sofern sie Produktion von Gütern und Dienstleistungen umfaßt oder als soziale Folgelast übernommen werden muß und nicht den Verursachern angelastet werden kann, Kosten entstehen. Beim privaten Konsum ist dem Bürger das Verhältnis zwischen der erhaltenen Leistung und dem von ihm zu entrichtenden Preis offenkundig: Für das erhaltene Gut oder eine in Anspruch genommene Dienstleistung muß ein Gegenwert entrichtet werden. Im staatlichen Bereich werden dagegen die Zusammenhänge zwischen den Steuerabgaben und der staatlichen Leistungserbringung nicht immer erkannt. Dieser Sachverhalt kann zu dem Verhalten führen, daß dieselben Individuen oder Institutionen einerseits mehr Leistungen fordern oder keine Bedenken haben, Leistungen des Staates vermehrt in Anspruch zu nehmen, andererseits über die hohe Belastung klagen, die ihnen der Staat auferlegt. Es sind deshalb vermehrte Anstrengungen zu unternehmen, um die Verbindung zwischen Aufwendungen für den Staat und Leistungen des Staates stärker ins öffentliche Bewußtsein treten zu lassen.

Die Durchführung staatlicher Aufgaben und Reformen ist in unterschiedlichem Maße mit staatlichen Ausgaben verbunden. Der größte Ausgabenbedarf entsteht für den Ausbau der Infrastruktur. Dagegen erfordern eine Reihe von Rechts-und Gesellschaftsreformen oder die Veränderung der Lehrinhalte im Bildungswesen nur geringe zusätzliche Staatsausgaben.

In der Diskussion um die Höhe und die Entwicklung der Staatsausgaben spielt die „Staatsausgabenquote" (Anteil der Staatsausgaben am Bruttosozialprodukt) eine große Rolle. Diese Quote ist je nach dem für den Staatssektor und die Staatsausgaben gewählten Abgrenzungskriterium unterschiedlich hoch. Allerdings zeigt sich seit Anfang der siebziger Jahre eine Erhöhung der Staatsausgabenquote nach allen Berechnungsarten. Aufgrund der Kindergeldreform, durch Konjunkturprogramme und durch die Zahlung von Zuschüssen an die Bundesanstalt für Arbeit stiegen die Staatsausgaben. Der Anstieg der Ausgaben war an einem aus konjunkturellen Gründen geringer steigenden Sozialprodukt zu messen.

An dieser Entwicklung ist erkennbar, daß der Aussagegehalt der Meßgröße „Staatsausgabenquote" beschränkt ist. Nicht die Staatsausgabenquote, sondern die absolute Höhe der Staatsausgaben ist für die Erfüllung ausgaben-intensiver staatlicher Aufgaben entscheidend. Eine Erhöhung der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate des Sozialprodukts um einen Prozentpunkt würde bis 1985 zu einer Erhöhung staatlicher Einnahmen und Ausgaben führen, die so groß ist wie eine Er-B höhung des Niveaus der Staatsausgaben um drei bis vier Prozentpunkte. Um den gleichen absoluten Betrag an Staatsausgaben zu ermöglichen, ist bei niedrigem wirtschaftlichen Wachstum eine höhere Staatsausgabenquote als bei höherem Wachstum erforderlich.

Die durchschnittliche Preissteigerungsrate ist im Staatssektor höher als im privaten Sektor und deshalb auch höher als die des (beide Sektoren umfassenden) Bruttosozialprodukts. Die Ausgaben des Staates bestehen zu mehr als der Hälfte aus Löhnen und Gehältern der Staatsbediensteten, die stärker als die Preise im privaten Sektor steigen. In dem Maße, in dem z. B. Lehrergehälter erhöht werden, tritt volkswirtschaftlich eine Verteuerung („Preissteigerung") der Bildungsausgaben ein. überdurchschnittliche Preissteigerungen verzeichnen wegen des hohen Lohnkostenanteils und des vergleichsweise geringen Produktivitätswachstums auch die Bauinvestitionen, die insbesondere bei den Kommunen sehr ins Gewicht fallen. Da die Staatsausgaben im Durchschnitt stärker von Preissteigerungen betroffen sind als der private Sektor, folgt, daß die nominale Staatsausgabenquote steigen muß, damit die reale Quote (d. h.der Anteil an Gütern und Dienstleistungen) konstant bleiben kann. Wegen der Notwendigkeit weiterer Reformen (z. B. Ausbau der haushalts-und produktionsorientierten Infrastruktur) und wegen der Beschäftigungsverlagerung zum Dienstleistungsbereich hin hält die Kommission längerfristig eine Konstanz der realen Ausgabenquote (und damit also einen Anstieg der nominalen Quote) von Bund, Ländern und Gemeinden für erwünscht und unvermeidlich. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte wird allerdings zunächst einen deutlichen Rückgang der (aus konjunkturellen Gründen aufgeblähten) staatlichen Ausgabenquote zur Folge haben.

Seit 1971 sinkt der Anteil der Investitionen an den Staatsausgaben. Diese Entwicklung sollte nach Auffassung der Kommission umgekehrt werden. Daneben ist zu prüfen, inwieweit die Ausgabensteigerung verlangsamt werden kann: — durch rationelleren und effektiveren Einsatz der Staatsausgaben, — durch konsequentere Anwendung des Verursacherprinzips bei der Sozialkostenbelastung, — durch Druck auf jene Faktoren, die die Baupreise überdurchschnittlich aufblähen.

Bei der Beurteilung der Staatstätigkeit wird häufig betont, daß zwar die öffentlichen Investitionen für das Wirtschaftswachstum wichtig seien, nicht jedoch der staatliche Konsum. Dieses Argument ist irreführend. Zu den wachstumsfördernden Staatsausgaben zählen auch Ausgaben für das Gesundheits-und Bildungswesen, für Wissenschaft und Forschung. Bei ihnen handelt es sich statistisch überwiegend nicht um Investitionen, sondern um staatlichen Konsum (Personalausgaben, Sachaufwendungen). Beide Ausgabenarten — staatliche Investitionen und staatlicher Konsum — stehen zudem häufig in einem Komplementaritätsverhältnis (zum Beispiel: Schulen — Lehrer).

Wenn die nominale Staatsausgabenquote langfristig steigen soll, darf die private Nachfrage (privater Verbrauch, private Investitionen, Außenbeitrag) nur unterproportional zum Wachstum des nominalen Sozialprodukts zunehmen. Wegen der zentralen Stellung der privaten Investitionen für das Wirtschaftswachstum folgt, daß der Hauptbeitrag für eine Freisetzung von Ressourcen für höhere öffentliche Ausgaben von der Verringerung der privaten Konsumquote kommen muß. Es geht allerdings nicht darum, die absolute Höhe der privaten Konsumausgaben zu verringern; nur deren Zunahme soll geringer sein als die der Staatsausgaben und der privaten Investitionen. Die Reduzierung des Anteils der privaten Konsumausgaben kann dabei um so geringer ausfallen, je höher die Wachstumsrate des Sozialprodukts ist.

Die Kommission hat untersucht, wie eine steigende nominale Staatsausgabenquote finanziert werden soll; sie kam dabei zu dem Ergebnis, daß eine Steuerfinanzierung einer Kreditfinanzierung vorzuziehen ist. Eine Kreditfinanzierung würde nicht die gewünschten güterwirtschaftlichen Entzugseffekte im privaten Sektor haben, sondern sich in Preissteigerungen und Einkommensumschichtungen niederschlagen. Das würde dem Ziel einer gerechteren Einkommensverteilung zuwiderlaufen.

Bei einer Steuerfinanzierung wären zunächst alle Möglichkeiten der Einnahmenerhöhung durch einen gezielten Abbau von Steuererleichterungen, durch die Vereinfachung des Steuersystems, die bessere Ausstattung der Finanzverwaltung und die Erhöhung der bei Beanspruchung staatlicher Leistungen erhobenen Gebühren zu prüfen. Zur inflationsneutralen Finanzierung einer höheren Staatsausga-benquote sollte sodann die Einkommensteuer generell erhöht werden, da über’ sie die private Nachfrage unmittelbar eingeschränkt werden kann, nicht erst über Preissteigerungen. Das ist eine sehr unpopuläre Forderung. Die Fi-nanzierung einer höheren Staatsausgabenquote erfordert jedoch Opfer von allen Einkommensgruppen; die unteren und mittleren Einkommensgruppen können deshalb nicht ausgespart werden.

III. Gestaltung des Wirtschaftswachstums über die Strukturpolitik

1. Sektorale Strukturpolitik

Die Anpassungsfähigkeit von Unternehmern und Arbeitnehmern an veränderte Markt-und Umweltbedingungen und die Transparenz der Güter-und Arbeitsmärkte sind in hochindustrialisierten Volkswirtschaften geringer als in marktwirtschaftlichen Modellen. Deshalb treten sektorale Engpässe oder Uberkapazitäten auf. Strukturpolitische Eingriffe des Staats sind darauf gerichtet, solche Entwicklungen zu verhindern oder überbrücken zu helfen. Sie sollen Kapital und Arbeitnehmer zu einem möglichst produktiven Prozeß zusammenführen. Außerdem hat die staatliche Strukturpolitik die Aufgabe, die mit dem Strukturwandel verbundenen sozialen Härten zu mildern. Da gezielte Eingriffe in den sektoralen Strukturwandel schon lange Gegenstand staatlicher Politik sind, stellt sich die sektorale Strukturpolitik dem Staat nicht als eine neue Aufgabe. Bereits 1968 beschloß die Bundesregierung „Grundsätze sektoraler Strukturpolitik". Danach legte sie zwei Strukturberichte vor, setzte aber die konzeptionellen Überlegungen nicht mehr fort. In den „Grundsätzen sektoraler Strukturpolitik" wurde die Aufgabe des Staats wie folgt beschrieben: „Von der staatlichen Politik muß erwartet werden, daß sie den Strukturwandel erleichtert und fördert. Unvermeidliche Anpassungen aufzuhalten, bedeutet, auf Wachstums-möglichkeiten zu verzichten." Abgestellt wurde also auf die Aufgabe der „geordneten Anpassung" und der „Gestaltung". Das Erhaltungsziel wurde relativiert. In Wirklichkeit haben die staatlichen Erhaltungshilfen ein großes Gewicht, so daß zu folgern ist, daß die erwähnten Grundsätze die praktizierte Politik nicht entscheidend beeinflußt haben. Die sektorale Strukturpolitik befaßte sich bisher vor allem mit der Kompensation von Einkommensverlusten. Damit stand die Erhaltung von Strukturen im Vordergrund, nicht dagegen die produktivitätsorientierte Umsetzung der Produktionsfaktoren. Am stärksten wurden die Schrumpfbranchen gefördert.

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Die wichtigsten Instrumente der sektoralen Strukturpolitik sind Finanzhilfen, Steuervergünstigungen und Außenhandelsbeschränkungen (Zölle, Kontingente, Selbstbeschränkungsabkommen etc.). Importbeschränkungen werden viel weniger kritisiert als Finanzhilfen an inländische Produzenten, weil ihr wirklicher Umfang der Öffentlichkeit nicht bekannt ist. Der Prozeß fortschreitender Einfuhrliberalisierungen für nicht-landwirtschaftliche Erzeugnisse in den fünfziger und sechziger Jahren ist sehr deutlich in Erinnerung geblieben. Die noch existierenden effektiven Handelshemmnisse wurden verdrängt, oder sie werden sogar positiv beurteilt, weil mit ihnen Arbeitsplätze geschützt werden. Hinzu kommt, daß abschirmende Maßnahmen an den Grenzen nicht als staatliche Ausgaben sichtbar werden, während die den inländischen Produzenten gewährten Subventionen und Steuererleichterungen die öffentlichen Haushalte belasten. Zwischen 1969 und 1976 haben sich sowohl die Finanzhilfen als auch die Steuervergünstigungen verdoppelt. Wegen dieser Entwicklung können andere öffentliche Aufgaben nicht wahrgenommen werden. Deshalb werden Zuschüsse und Steuervergünstigungen stark kritisiert. Nachdem die Belastung des Bundeshaushalts mit direkten Subventionen — also ohne Steuererleichterungen — von 5, 4 v. H. (1965) auf 8, 4 v. H. (1974) gestiegen ist, hat der 5. Subventionsbericht der Bundesregierung erstmals einen größeren Abbau der Finanzhilfen für die Periode 1976— 1979 in Aussicht gestellt.

Am stärksten werden in der Bundesrepublik die Landwirtschaft und Teile der Ernährungsindustrie subventioniert. Weitere überdurchschnittlich geförderte Bereiche sind der Bergbau, die Mineralölindustrie, die Rohstoffversorgung, die EDV-Industrie und der Verkehr. Weniger durch Finanzhilfen als durch Handelsbeschränkungen werden relativ rohstoff-und arbeitsintensive Bereiche wie NE-Metallerzeugung, NE-Metallgießerei, Eisen-und Stahlerzeugung, Papier-und Pappeerzeugung und -Verarbeitung sowie die Textil-und Bekleidungsindustrie geschützt. Der effektive Zollschutz beträgt teilweise das Drei-bis Vierfache des nominalen Zollschutzes.

Obwohl die Subventionspolitik für die Strukturentwicklung große Bedeutung hat, sind die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen noch immer unzureichend erfaßt. Die in dem — alle zwei Jahre vorzulegenden — Subventionsbericht übliche Aufteilung nach Erhaltungs-, Anpassungs-und Produktivitätshilfen befriedigt nicht, da die Fragen der Zuordnung nicht ausreichend geklärt sind.

Die Kommission lehnt Maßnahmen zur Strukturerhaltung nicht uneingeschränkt ab. Da der Welthandel bisher noch nicht voll liberalisiert ist und der internationale Wettbewerb durch die Ausnutzung von Macht und protektionistischen Maßnahmen häufig verzerrt ist, kann es erforderlich sein, heimische Industrien vor Verfälschungen der internationalen Arbeitsteilung zu schützen. Solche Abschirmungen sollten allerdings laufend überprüft werden, da sie volkswirtschaftlich sehr kostspielig sein können.

Einzugreifen ist auch, wenn der Strukturwandel zu Ergebnissen zu führen droht, die aus gesellschaftspolitischen Gründen nicht hingenommen werden können, überhöhte Mobilitätsanforderungen an die Arbeitskräfte sind zu vermeiden. Auch kann es richtig sein, ein zu rasches Schrumpfen solcher Branchen zu verhindern, die bei langfristiger Anpassung noch Marktchancen haben. Ziele und Kriterien einer geordneten Anpassung wurden bislang allerdings noch wenig konkretisiert. Außerdem ist es sehr schwierig, die Branchen auszumachen, bei denen eine weitere Förderung nur Vergeudung von Mitteln wäre. In einer noch so sorgfältig erstellten „Absterbeordnung" werden immer gegenwärtig verfügbare Informationen dominieren. Aus ihnen kann nur in beschränktem Umfang auf förderungswürdige Spezialisierungspotentiale geschlossen werden. Die Geschichte vieler Industrien hat gezeigt, daß bereits als zukunftslos bezeichnete Branchen durch Erschließung neuer Märkte, durch komplementäre Entwicklungen anderer Märkte oder durch einen intern bzw. extern ausgelösten Innovationsschub neue Expansionsmöglichkeiten erhalten haben.

Sollen schwerwiegende Konjunkturkrisen vermieden werden, dürfen Einfuhrhemmnisse nicht kurzfristig beseitigt werden. Die Kommission rät deshalb der Bundesregierung, sich innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und im Rahmen der siebenten GATT-Runde für einen langfristig konzipierten Liberalisierungsfahrplan einzusetzen. Die Industrieländer sollten den Entwicklungsländern den Zugang zu ihren Märkten wesentlich erleichtern. Die Kommission weist auf den Widerspruch hin, der darin besteht, daß man einerseits die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Entwicklungsländer durch Kapitalhilfen erhöhen will, andererseits ihnen aber Exportmärkte verweigert. Noch haben die Entwicklungsländer nur bei wenigen Gütergruppen komparative Vorteile; dort können sie aber so erheblich sein, daß die weitere Herstellung vergleichbarer Produkte in der Bundesrepublik gefährdet sein kann. Die Kommission empfiehlt deshalb, für die Branchen, die von der geplanten Liberalisierung betroffen sind, Anpassungshilfen bereitzustellen.

Im Sinne einer „vorausschauenden Gestaltung" war die sektorale Strukturpolitik bislang besonders unbefriedigend. Auf der einen Seite stellte die Bundesregierung die Ziele „Zukunftssicherung" und „Gestaltung" in den Vordergrund. Auf der anderen Seite betonte sie wiederholt, daß in einer marktwirtschaftlichen Ordnung die Gestaltung primär Aufgabe der Unternehmer sei. Das Spannungsverhältnis zwischen der marktwirtschaftlichen Ordnung und dem Gestaltungsziel konnte bislang nicht genügend abgeklärt werden. Debatten auf diesem Gebiet verlieren sich in den letzten Jahren leicht in Auseinandersetzungen um die Investitionslenkung und schließlich in die unfruchtbare Erörterung „Plan versus Markt".

Um das Marktgeschehen stärker zu gestalten, muß die sektorale Strukturpolitik vermehrt Rahmendaten setzen. Dies ist für ein sozial vertretbares Funktionieren des Marktsystems unumgänglich. Wenn zum Beispiel Umweltgüter (wie Luft) keinen Preis haben, wenn das gesellschaftspolitische Ziel „Verbesserung der Arbeitsbedingungen" nicht in privatwirtschaftliche Planungen von alleine eingeht, wenn sich die Erschöpfbarkeit der Ressourcen noch nicht in deren Marktpreis niederschlägt, dann kann auch nicht der Marktmechanismus von sich aus zur Erhaltung der Umwelt, zu annehmbaren Arbeitsbedingungen und zur Entwicklung rohstoffsparender Technologie führen.

Der staatlich gesetzte Datenkranz muß so geartet sein, daß die Unternehmen bei ihren Entscheidungen am Markt die Lösung von Zu-kunftsaufgaben nicht geringer bewerten, als dies aus langfristigen gesellschaftspolitischen Gründen erforderlich ist. Die Kommission regt an, das Gestaltungsziel in Unterziele aufzuspalten, die mit politischen Absichtserklärungen auszufüllen sind. Sie nennt als Unter-ziele: — Gezieltes Aufspüren von Marktnischen und technologischen Lücken; — Entwicklung neuer Technologien und Produkte und Ausbildung hochqualifizierter Arbeitskräfte; — Entwicklung von Dienstleistungstechniken; — Förderung von Produktionsumstellungen und stärkere Nutzung vorhandener Spezialisierungspotentiaie. In der weiteren Operationalisierung von Unterzielen liegt eine wichtige Aufgabe für die Zukunft.

Die Kommission ist der Ansicht, daß die Grundsätze der sektoralen Strukturpolitik und die Strukturberichte der Bundesregierung neu zu bedenken sind. Sie empfiehlt der Bundesregierung, die vor Jahren erarbeitete Konzeption bald weiterzuentwickeln. Außerdem schlägt sie die Einsetzung eines Sachverständigenrats für Strukturfragen vor, der alle zwei Jahre einen Bericht über Strukturwandel und Strukturpolitik vorzulegen hat. Mit der Einsetzung eines solchen Gremiums würde die Bundesregierung zu erkennen geben, daß sie bereit ist, auch in der Strukturpolitik sich dem Urteil unabhängiger Experten zu stellen. Weiter regt die Kommission eine Verbesserung der Strukturstatistik an und unterbreitet dazu konkrete Vorstellungen. Sie empfiehlt den Ausbau des Potentials für die Erstellung von Strukturprognosen und weist auf den Rückstand der Bundesrepublik auf diesem Gebiet hin. Dieser Rückstand habe jedoch den Vorteil, daß zunächst imitiert und adaptiert werden kann. Weiter tritt die Kommission für bessere Wirkungsanalysen strukturrelevanter Entscheidungen und für mehr Strukturforschung ein.

Die vorstehend skizzierten Analysen und Vorschläge werden von der gesamten Kommission getragen. Die Gewerkschaftsvertreter sprechen sich darüber hinaus für einen gesamtwirtschaftlich orientierten Strukturplan, für ein umfassendes Informationssystem als Grundlage der Strukturpolitik und für die Einrichtung von paritätisch aus Vertretern der Tarifparteien gebildeten Wirtschafts-und Sozialräten aus. Die Arbeitgeberseite faßt dagegen in einem Katalog zusammen, was nach ihrer Auffassung sektorale Strukturpolitik nicht umfassen sollte: Eingriffe in bisher freie Unternehmer-und Konsumentenentscheidungen, Lenkung privater Investitionen nach einem Bedarfsplan oder umfassende indikative Strukturplanung als Vorstufe für eine imperative Planung.

2. Forschungs-und Technologiepolitik

Die Forschungs-und Technologiepolitik (FuTPolitik) umfaßt alle staatlichen Bestrebungen und Maßnahmen, die Umfang, Art und Richtung der Neuerungsaktivitäten in Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft gestaltend beeinflussen. Sie bezieht sich auf den gesamten interdependenten Prozeß des wissenschaftlich-technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandels. Ähnlich wie die sektorale Strukturpolitik hat die FuT-Politik — als weiterer Teilbereich staatlicher Struktur-politik — die Aufgabe, Vorsorge gegen unerwünschte Entwicklungen zu treffen sowie zukunftsträchtige und entwicklungsfähige Bereiche zu fördern.

Die FuT-Politik orientierte sich lange Zeit — an der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit einzelner Branchen durch Übernahme von im Ausland entwickelten Technologien, — an der erhofften Breitenwirkung von Schlüsseltechnologien, — eher an Investitionsgütern und Produktionsverfahren als an einer Qualitätserhöhung von Konsumgütern oder einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen, — an Wachstumsbranchen und an Innovationen in Großunternehmen.

Seit die Anpassungsprobleme in der Wirtschaft zugenommen haben, wird die FuT-Politik vermehrt als Instrument wachstumsgestaltender und strukturverändernder Politik begriffen. Ende der sechziger Jahre wurde die Befriedigung des — über ökonomische Bedarfs-kategorien hinausreichenden — gesellschaftlichen Bedarfs als Zielvorstellung der FuT-Politik akzeptiert. Konkret äußert sich das zum Beispiel in der Förderung von energie-und rohstoffsparenden Technologien und solchen Technologien, die der Verbesserung der Lebens-und Arbeitsbedingungen dienen. Die Durchsetzung des technischen und wirtschaftlichen Wandels wird in wesentlichen Punkten von den Marktbedingungen bestimmt, unter denen Unternehmen operieren. Die staatliche FuT-Politik unterstützt die Neuerungstätigkeit privater Unternehmen nur, wenn die Kosten für verbesserte Verfahren und Produkte zu hoch, der Erfolg ungewiß ist oder der Markt die gesellschaftlichen Vorteile von Neuerungen nur unzureichend entlohnt oder wenn auf dem Markt der wirtschaftliche oder gesellschaftliche Bedarf sich noch nicht ausreichend als Nachfrage entfaltet.

Die Kommission untersuchte Zusammenhänge zwischen Marktbedingungen der Unternehmen und deren Neuerungstätigkeit und empfiehlt der staatlichen FuT-Politik: — Eine Konzeption, die Forschung und Entwicklung unabhängig von der Größe der Unternehmen fördert. Das bedeutet in Zukunft eine stärkere Berücksichtigung kleiner und mittlerer Unternehmen. — Eine verstärkte Unterstützung innovativer Bemühungen kleiner und mittlerer Unternehmen in den Phasen von der Entwicklung bis zur Markteinführung. — Finanzielle Unterstützung für eine kontinuierliche Beschäftigung von mit Forschungsund Entwicklungsaufgaben betrautem Personal. — Den Ausbau der technologischen und organisatorischen Beratung. — Die Beauftragung geeigneter Partner mit Problemlösungen (nicht nur auf Antragsteller warten). — Den Ausbau von Transfermechanismen, insbesondere eine kritische Einflußnahme von Konsumenten privater und öffentlicher Güter auf die Hersteller sowie umgekehrt den Ausbau von benutzerfreundlichen Dokumentationssystemen über technologisches Wissen.

Für die Wahl der Instrumente der staatlichen FuT-Politik sind Umfang und Art der zu berücksichtigenden Unsicherheiten und Risiken ausschlaggebend. Die direkte Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE) ist im Prinzip dann geeignet, wenn die staatliche FuT— Die Nutzung der staatlichen Einflußmöglichkeiten als Anbieter von materiellen und immateriellen Infrastrukturleistungen sowie als Nachfrager von Gütern und Diensten zum Beispiel bei der Aufstellung von Qualitätsstandards.

Politik ihre Ziele inhaltlich präzise bestimmen kann. Entscheidungen bei einer direkten FuE-Förderung setzen die Kenntnis der zukünftigen Bedarfsentwicklung, eine vergleichbare Bewertung der technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkungen alternativer Technologiekonzepte sowie die Bewertung der Erfolgschancen des konkreten Projektes voraus. Für derartige Vorausschätzungen, die die Unsicherheit nicht beseitigen, jedoch reduzieren können, müssen leistungsfähige Diagnose-und Prognosekapazitäten zur Verfügung stehen.

Die indirekte FuE-Förderung, bei der keine inhaltlichen Forschungsziele vorgegeben werden, eignet sich für jene Fälle, in denen die technologischen und nachfragebedingten Unsicherheiten und Risiken unaufgelöst sind und daher die Suche nach neuen Technologien und Marktchancen verstärkt werden muß. Bei indirekter Förderung entscheiden die am Markt handelnden Wirtschaftseinheiten dezentral über die Zielrichtung der FuE-Aktivitäten. Der gesamtwirtschaftliche Vorteil liegt darin, daß Fehlentwicklungen, die in der risikoreichen Forschung unvermeidbar sind, auf wenige private Unternehmen beschränkt bleiben.

Unter den Instrumenten der FuT-Politik ist die direkte institutionelle Förderung struktur-politisch am wenigsten relevant. Direkte Projektförderung in Unternehmen ist besonders geeignet zur Erzeugung neuer gesellschaftlich erwünschter Güter und Verfahren. Bei unkalkulierbaren technologischen und Bedarfsunsicherheiten überläßt der Staat das Risiko den Unternehmen, indem er nur eine indirekte Globalförderung gewährt. Um Unternehmen zu vermehrten FuE-Aufwendungen zu veranlassen, dürften Zulagen wirksamer als Steuervergünstigungen sein, weil erstere nicht nur großen Unternehmen zugute kommen. Indirekt spezifische Formen der FuE-Förderung wurden bisher zu sehr vernachlässigt.

Die Kommission empfiehlt: — Bei der direkten Projektförderung, bei der die Forschungsziele vorgegeben sind, wie z. B. im Programm „Humanisierung des Arbeitslebens", auch die Umsetzung in Markt-produkte (Innovation) stärker zu beachten und diese Entwicklungsphase deshalb in die Projektplanung einzubeziehen eventuell zusätzliche Darlehen dafür zur Verfügung zu stellen und bei der Projektvergabe nicht nur die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Projektes, sondern auch die Innovationsbereitschaft zu berücksichtigen. — Bei der indirekten Globalförderung (z. B. durch Steuervergünstigungen für FuE-Aufwendungen jeder Art), die ausgeweitet werden sollte, stärker an die FuE-Personalkosten als an die FuE-Investitionen zu knüpfen. Durch rechtzeitige Förderung könnten in manchen Wirtschaftszweigen Erhaltungs-und Anpassungssubventionen überflüssig werden. — Die indirekten Instrumente, die spezifisch auf die Innovationsphase ausgerichtet sind, auszubauen, etwa durch Demonstrationsprojekte, Gewährung von Bürgschaften und Bereitstellung von Risikokapital. — Die verschiedenen Instrumente der FuE-Förderung so miteinander abzustimmen, daß alle Phasen des Neuerungsprozesses abgedeckt sind, von der Grundlagenforschung bis zur weitverzweigten Anwendung.

— Finanzhilfen und Steuervergünstigungen stärker als bisher für neuerungsfördernde Produktivitätshilfen als für Strukturerhaltung und Strukturanpassung einzusetzen. — Den sektoralen Strukturwandel mehr durch Diversifikation des Produktionsprogramms alter Firmen als durch Konkurse und Neugründungen voranzutreiben. Wichtige Erfolgsvoraussetzungen dafür sind die Beherrschung einer möglichst breiten technologischen Basis sowie eine gute Kenntnis der spezifischen Märkte. Durch staatliche Förderung von Hersteller-Nutzer-Kooperationen soll die Schaffung anwendungsorientierter Neuerungen beschleunigt werden.

Da wirtschaftlicher und sozialer Wandel zunehmend von der Wissenschaft geprägt wird, ist auch deren Innovationsprozeß zu fördern. Dabei ist darauf zu achten, daß der Wissenschaft und einzelnen Wissenschaftlern ein hoher Autonomiegrad erhalten bleibt, daß eine Vielfalt von Trägern der Grundlagenforschung und die interne Vielfalt der Forschungsorganisationen vorhanden ist und die Mobilität der Wissenschaftler zwischen den Forschungseinrichtungen erhöht wird.

Die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse gelingt nicht allen Unternehmensgrößen gleich gut. Während Großunternehmen und Universitäten traditionell in engem Kontakt sind, ist der Wissenstransfer zu kleinen und mittleren Unternehmen noch unbefriedigend. Die Kommissionsmehrheit schlägt vor, diesem Mangel durch verstärkte Nutzung der bereits bestehenden bedarfsorientierten Beratungsdienste der regional und fachspezifisch gegliederten dezentralen Wissenschaftsorganisationen abzuhelfen. Die in der Kommission vertretenen Gewerkschaftler ziehen dagegen ein Transfermodell vor, das auf der betriebswirtschaftlichen Beratungskapazität des Rationalisierungskuratoriums der deutschen Wirtschaft (RKW) aufbaut und ergänzend die Vermittlung technischer und sozialwirtschaftlicher Erkenntnisse einbezieht.

3. Raumordnungspolitik

Trotz der Bemühungen von Bund und Ländern, im Rahmen der Raumordnungspolitik und der regionalen Wirtschaftspolitik die Lebensverhältnisse in den verschiedenen Regionen der Bundesrepublik Deutschland einander anzugleichen, haben sich die regionalen Unterschiede vergrößert. Zwar konnte die regionale Wirtschaftspolitik Erfolge erzielen, jedoch wird die Qualität der in den wirtschaftsschwachen Räumen neu geschaffenen Arbeitsplätze unter dem Aspekt der Arbeitsplatzsicherheit und der beruflichen Qualifikationsanforderungen als zum großen Teil noch unbefriedigend beurteilt. Die Ausstattung ländlicher Räume mit Infrastruktureinrichtungen ist sehr unterschiedlich und bleibt weit hinter städtischen Verhältnissen zurück. Bevölkerungs-und Wirtschaftsentwicklung lassen bei der Fortführung der bisherigen Raumordnungspolitik eine weitere Auseinanderentwicklung der regionalen Lebensbedingungen erwarten, wenn die Politik nicht wirksam gegensteuert. Bei insgesamt sinkender Einwohnerzahl werden in der Bundesrepublik die räumlichen Konzentrationsprozesse, insbesondere zur „Rheinschiene" hin und von Norden nach Süden, weiter zunehmen. Das ist um so bedenklicher, als in den Ballungsräumen die Umweltbelastungen zum Teil bereits Grenzwerte überschritten oder nahezu erreicht haben.

Ursachen der Ineffizienz der raumgestaltenden Politik sind Mängel im Selbstverständnis der Politik, unzureichende horizontale und vertikale Koordinierung der Politik, ungenügende Zielpräzisierung, Fehlen geeigneter Instrumente, Verschwendung von Fördermitteln durch nicht abgestimmte Gebietseinheiten in den verschiedenen Förderprogrammen, fehlerhafte Grundannahmen sowie überhöhte Ansprüche. Die Ziele der Raumordnungspolitik werden von den normativen Aussagen des Grundgesetzes hergeleitet (freie Entfaltung der Persönlichkeit, Freizügigkeit und Freiheit der Be-B rufswahl). In Artikel 72 GG wird von der „Wahrung der Rechts-und Wirtschaftseinheit, insbesondere der Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus" gesprochen. Dies führte in der Raumordnungspolitik dazu, daß bis heute die Orientierung an Gleichgewichts-zuständen dominiert. Raumordnungspolitik verstand sich bislang als leitbildsetzende, flächenordnende und bestenfalls Anpassungsplanung betreibende Politik. Sie verfügte über keine eigenen finanziellen Mittel und konnte im Prinzip nur über die Koordinierung wichtiger raumrelevanter Politiken Einfluß nehmen. Der für die Raumordnung zuständige Bundesminister ist allerdings an der Planung der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern nur beratend, nicht verantwortlich beteiligt. Die Stimmen des Bundes werden vom jeweiligen Fachminister und dem Bundesfinanzminister abgegeben. Die Abstimmung raumwirksamer Planungen anderer Ressorts kann überhaupt nicht von dem für die Raumordnung zuständigen Minister wahrgenommen werden. Die regionale Wirtschaftspolitik als weiterer raumgestaltender Politikbereich bestand bis 1969 fast ausschließlich aus Industrieansiedlungspolitik. Mit der Festlegung der „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" als Gemeinschaftsaufgabe wurde auch die Bedeutung des Ausbaus wirtschaftsschwacher Infrastruktur voll erkannt. Seit 1970 ist ferner das Ziel „Verbesserung der Umweltbedingungen" Bestandteil der regionalen Strukturpolitik. Die regionale Wirtschaftspolitik leidet aber weiterhin an unklaren Förderprioritäten. Es ist nicht klar, ob die Politik am Kriterium der „Förderungsbedürftigkeit" eines Raumes (sozialpolitische Orientierung) oder am Kriterium der „Förderungswürdigkeit" eines Raumes (Orientierung nach den Wachstums-chancen) ausgerichtet ist. Nachteilig ist auch die Vielzahl sich überlappender strukturpolitischer Förderprogramme. Für die gewerbliche Wirtschaft existierten 1974 in Bund und Ländern 147 Förderprogramme. Die Hilfen werden häufig unkoordiniert vergeben. Obwohl die Agrarstrukturpolitik großen raumgestaltenden Einfluß ausübt, ist sie zu wenig an mittel-und langfristigen Zielvorstellungen sowie an sachlichen und räumlichen Schwerpunkten ausgerichtet. Eine „integrierte Landesentwicklungspolitik" gibt es nur in Ausnahmefällen.

Ziele und Grundsätze des geltenden Raumordnungsgesetzes sind so abstrakt, daß sie nicht die Richtung angeben, in die die Entwicklung der Räume erfolgen soll. Auch das Bundesraumordnungsprogramm von 1975 hat die Raumordnungspolitik nicht entscheidend weitergebracht. Es ist weder als unmittelbares Planungsinstrument für die öffentlichen Hände noch als mittelbare Orientierung für die private Wirtschaft geeignet. Es fehlen verbindliche zeitliche und finanzielle Festlegungen. Die Diskrepanzen zwischen den Zielen der und Raumordnungspolitik der tatsächlichen -Raumentwicklung sowie die wesentlichen in haltlichen und institutioneilen Mängel der Raumordnungspolitik haben die Kommission bewogen, weitreichende Änderungen vorzuschlagen. Die Kommission hält es für notwendig, das Ziel „Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Teilräumen" neu zu interpretieren und schlägt vor, künftig vom raumordnerischen Leitbild einer funktional-räumlichen Gliederung des Bundesgebietes auszugehen und den einzelnen Räumen zur Ausnutzung ihrer komparativen Vorteile jeweils eine bestimmte Raumfunktion oder ein Bündel von Funktionen schwerpunktmäßig (als Vorrangfunktionen) zuzuweisen. Vorrangfunktionen können zum Beispiel sein: Industrie und Siedlung, Freizeit, Erholung, Wasserwirtschaft oder Nahrungsmittelerzeugung. Für die verschiedenen Funktionsräume sollten unterschiedliche Entwicklungsziele festgelegt und der ihnen gemäße Versorgungsgrad der Bewohner durch Indikatoren für Wohnen, Arbeit, Bildung, Kommunikation, Erholung usw. konkretisiert werden.

Für die unterschiedlich strukturierten Raum-typen schlägt die Kommission differenzierte Entwicklungsstrategien vor:

— In jenen Verdichtungsräumen, die bereits voll entwickelt sind, aber keine Überlastungserscheinungen zeigen, ist darauf zu achten, daß keine unerwünschten Belastungen auf die Räume zukommen. Die herkömmlichen Instrumente reichen hierfür aus.

— In entwickelten Verdichtungsräumen mit Überlastungserscheinungen ist an eine Beschränkung oder Modifizierung des Wachstums zu denken. Der auf diese Räume gerichtete Wachstumsdruck muß in Räume umgelenkt werden, die zur Verdichtung geeignet, wirtschaftlich entwicklungsfähig, aber ökologisch noch wenig belastet sind. Falls Anreize für die Umleitung nicht ausreichen, sind Auflagen bei Ansiedlungsgenehmigungen zu erwägen. Auch sollten die Erfahrungen anderer EG-Länder mit Infrastrukturabgaben, Ballungssteuern oder einer erweiterten Flächennutzungsplanung ausgewertet werden. — In Räumen, die entwicklungsfähig, ökologisch noch wenig belastet, aber zur Verdichtung geeignet sind, sollte eine Entwicklungspolitik praktiziert werden, die vorrangig im Infrastrukturbereich ansetzt und eng mit der verzahnt Ansiedlungspolitik ist. Dabei ist verstärkt darauf zu achten, daß die Ansiedlungspolitik nicht mehr nur global erfolgt, sondern selektiver gestaltet wird, damit wachstumsträchtige Branchen angezogen werden und ein Gegengewicht gegen die bereits bestehenden Verdichtungen bilden. Für solche gezielten Ansiedlungen sind einerseits die 69 Planungsregionen der Bundesländer zu groß, andererseits die 650 zentralen Orte mittlerer Stufe und die 327 Schwerpunktorte der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" zu kleinräumig. — In Räumen, die nicht zur Verdichtung geeignet sind — vorwiegend landwirtschaftlich geprägte Gebiete —, sollte die Landwirtschaft neben der Nahrungsmittelproduktion die Vorrangfunktion „Naturpflege" übernehmen.

Um die Raumordnungspolitik und die regionale Wirtschaftspolitik miteinander zu verschmelzen, tritt die Mehrheit der Kommission dafür ein, die frühere Abteilung Raumordnung des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in das Bundesministerium für Wirtschaft einzugliedern. Zur besseren Verzahnung von Raumordnungspolitik und regionaler Wirtschaftspolitik mit wichtigen anderen die räumliche Entwicklung tangierenden Politiken, empfiehlt die Kommission die Schaffung einer gesetzlichen Verpflichtung für eine integrierte Entwicklungsplanung auf allen staatlichen Ebenen. Im Rahmen eines solchen Entwicklungsprogramms müßte das für die Raumordnung zuständige Ressort das Recht der „Raumwirksamkeitsprüfung" — analog der Rechtsförmlichkeitsprüfung des Bundesjustizministeriums bei der Gesetzgebung — erhalten.

Da Raumordnungsmaßnahmen, die den Bürger direkt berühren, auch sein besonderes Interesse finden, setzt sich die Kommission für eine verstärkte Beteiligung der Betroffenen an Planungen ein. Dabei käme es darauf an, einen möglichst großen Kreis von Bürgern rechtzeitig und direkt anzusprechen. Positive Ansatzmöglichkeiten für das unmittelbare Mitgestalten des Bürgers in seinem engeren Wohnbereich finden sich bereits im Städtebauförderungsgesetz und in der Novelle des Bundesbaugesetzes. An die mittelbare Beteiligung an der über diesen engen Bereich hin -ausgehenden Planung hat man dagegen noch wenig gedacht. Vor allem bei den bereits bestehenden Selbstverwaltungsverbänden und regionalen Planungsgemeinschaften sollten Formen einer intensiveren ge Mitwirkung -schaffen werden.

4. Umweltpolitik

Die Notwendigkeit eines verstärkten Umweltschutzes wird erhebliche Anforderungen an Politik und Wirtschaft stellen. Da die Um-weltprobleme eng mit Problemen der Raum-ordnung sowie der regionalen und sektoralen Strukturpolitik, einschließlich der Forschungs-und Technologiepolitik, verbunden sind, erfordert ihre Behandlung ein Denken in entsprechenden Zusammenhängen, d. h. über den Rahmen einer spezifischen Umweltpolitik hinaus.

Zum Erscheinungsbild der Umweltbelastung und ihren vielfältigen Auswirkungen gibt es bislang nur wenige Untersuchungen. Deshalb kommt dem Ausbau der Umweltstatistik, eines Umweltinformationssystems sowie regionaler Umweltindikatoren (zum Beispiel Emissionskataster) große Bedeutung zu. Die Entwicklungstrends der Umweltbelastung und des Umweltschutzes sind für die einzelnen Bereiche sehr unterschiedlich. Für den Immissionsschutz (Luft, Lärm) und für Abfallbeseitigung bestehen inzwischen weitreichende Bundes-und Landesgesetze. Unbefriedigend sind nach wie vor die gesetzlichen Regelungen zur Sondermüllbeseitigung und im Bereich Wasser, dem kostenaufwendigsten Bereich. Es fehlen einheitliche Gewässergütekriterien, leistungsfähige Aufsichtsbehörden sowie ein wirksames Anreizsystem für „umweltfreundliche" Investitionen in diesem Bereich. Nach einer Studie des Battelle-Instituts zur „Schätzung der monetären Aufwendungen für Umweltschutzmaßnahmen bis zum Jahre 1980" entfielen in den Jahren 1970— 1974 in der Bundesrepublik durchschnittlich 5— 6 v. H.der realen Gesamtinvestitionen der Industrie auf den Umweltschutz, überdurchschnittlich hoch lag der Anteil in den Industrie-bereichen Chemie und Steine und Erden (etwa 15 v. H.) und in den Sektoren Eisen, Stahl und NE-Metalle (etwa 8 v. H.). Tiefgreifende Wandlungen der WirtschaftsStruktur sind aufgrund der Umweltpolitik nicht zu erwarten. Bereits angelegte Entwicklungen dürften sich beschleunigen oder verschärfen. Je nach Intensität der umweltpolitischen Eingriffe sind regional und/oder sektoral Gefährdungen des Beschäftigungsziels denkbar, wenn die durch Umweltschutzinvestitionen sinkende Kapitalproduktivität nicht durch eine erhöhte Investitionstätigkeit kompensiert wird.

Die Kommission empfiehlt, Umweltpolitik so anzulegen, daß den Konsumenten über ihre Reaktionen auf Preiswirkungen der Umweltpolitik ein Einfluß ermöglicht wird. Deswegen gibt sie umweltpolitischen Instrumenten wie Auflagen und Abgaben den Vorrang vor Subventionen, welche den Preismechanismus verfälschen. Da anzunehmen ist, daß vor allem die niedrigen Einkommensschichten von den Umweltbelastungen sowie von den Kosten (Preisüberwälzungen) des Umweltschutzes betroffen sind, sollte Umweltschutz bevorzugt auf die Arbeits-, Wohn-und Freizeitverhältnisse dieser Schichten zugeschnitten sein.

Die Umweltpolitik befindet sich stets in der Gefahr, entweder zu geringe Anforderungen zu stellen, so daß möglicher Fortschritt unterbleibt, oder zu hohe Forderungen zu erheben, so daß an sich langfristig anpassungsfähige Unternehmen zugrunde gehen. Zur Durchsetzung umweltpolitischer Ziele muß deshalb sektorspezifisch (mit Instrumenten der sektoralen Strukturpolitik) vorgegangen werden. Hat eine Branche gute Wachstumschancen und verfügt sie auch über genügend Forschungs-und Entwicklungspotential, um neue umweltfreundliche Technologien zu entwikkeln, so könnte die rechtzeitige Ankündigung einer Erhöhung der Umweltnormen genügen, um eine technologische Anpassung in den Unternehmen zu erreichen. Für Branchen jedoch, die nur ein Forschungs-und geringes Entwicklungspotential aufweisen oder in denen eine Stagnation der Nachfrage zu erwarten ist, genügt die Ankündigung einer höheren Umweltnorm nicht. Sie muß durch strukturpolitische Maßnahmen ergänzt werden, die zum Beispiel darin bestehen könnten, daß FuE-Bemühungen subventioniert werden, daß Hilfen zur Umstellung auf andere, umweltfreundliche Produkte gegeben werden, daß den Arbeitnehmern rechtzeitig und gezielt Umschulungsmöglichkeiten geboten werden.

Viele Umweltprobleme werden durch mangelnde Abstimmung der Fachplanungen untereinander sowie zwischen den Planungsebenen von Bund, Ländern und Gemeinden verschärft. Es dominieren in der Regel die traditionellen Fachpolitiken zur Verkehrserschließung und zur Bevölkerungs-und Wirtschaftsansiedlung. Die öffentlichen Planungen reagieren überwiegend nur auf Planungen und Wünsche der privaten Wirtschaft. Nur der Ausbau der Raumordnungspolitik zu einer integrierten Entwicklungspolitik kann hier Abhilfe schaffen. Voraussetzung für eine wirksame Umweltpolitik ist weiter die Verfügbarkeit operabler Kriterien (Daten über die Belastung und Belastbarkeit von Räumen, über klimatische Veränderungen durch Baumaßnahmen usw.) und der Einsatz moderner Planungsmittel, wie zum Beispiel Umweltkataster. übergeordnete Landes-und Regionalplanungen sollten für die Kommunen verbindlich gemacht werden. Sie sollten Rahmenbedingungen für Standortvorsorgeplanungen, insbesondere auch für industrielle Großanlagen sowie für andere Raumfunktionen enthalten. Solche wären auch Entwicklungsplanungen geeignet, bei Genehmigungsverfahren für die Ansiedlung oder den Ausbau neuer Industrie-betriebe, Kraftwerke, Raffinerien usw. auftretende Konflikte zu entschärfen. Dazu müßte die Planung der zukünftigen Flächennutzungen schon frühzeitig, d. h. vor dem eigentlichen Genehmigungsverfahren, der öffentlichen Diskussion zugänglich gemacht werden. Sowohl die Mitwirkungsansprüche der Bevölkerung als auch die Bedürfnisse der Wirtschaft nach schnellen und verbindlichen Verwaltungsentscheidungen lassen sich auf diese Weise befriedigen.

Umweltprobleme lassen sich zum großen Teil erst mit Hilfe der Erforschung und Entwicklung neuer Produktionsverfahren und neuer Produkte lösen, weil bei gegebener Technologie die Erhöhung der Umweltqualität oft zu höheren Preisen und Ko führt daher nur auf -sten der Versorgung mit anderen Konsumgütern erfolgen kann. Durch technische Neuerungen können entweder bisher bereits verwendete Entsorgungsverfahren bei gegebenem Investitions-und Investitionskostenaufwand effektiver werden (zum Beispiel Verbesserung von Entstaubungsfiltern), oder das Produktionsverfahren wird so verändert, daß die Umweltbelastung bereits vor den Entsorgungsmaßnahmen verringert wird. Vorteilhafter als bessere Entsorgungstechnologien sind solche Entwicklungen, die von vornherein Umweltbelastungen vermeiden (wie zum Beispiel Sonnenenergienutzung). Eine Politik aktiven Umweltschutzes, die neue umweltfreundlichere Produktionsverfahren und Produkte fördern will, kann sich nur begrenzt auf Gebote und Verbote stützen. Wenn die verwendeten Produktionsverfahren und Produkte den Umweltstandards genügen, können sie nicht verboten werden, und noch nicht bekannte Verfahren und Produkte lassen sich nicht vorschreiben. Es kommt deshalb darauf an, staatliche Anreize zu schaffen, die Anstrengungen zur Erforschung und Entwicklung neuer umweltfreundlicher Technologien bewirken. Das kann im Rahmen staatlicher Forschungsprogramme erfolgen, die privaten oder öffentlichen Forschungsund Entwicklungseinrichtungen Zuschüsse gewähren. Bei längerfristigen Entwicklungen könnte der Staat auch in selbständigen Einrichtungen mit privaten Unternehmen konkurrieren (sogen, joint-ventures).

Ein wesentlicher Anreiz zur Entwicklung neuer Technologien besteht für Unternehmen darin, daß sie als erster Anwender einen Vorsprungsgewinn erzielen. Wenn Umwelt-Mindestnormen erfüllt sind, ist gegen ein Nebeneinander von alten, auf Entsorgung abstellenden Technologien und neuen, auf Umwelt-schonung gerichteten Technologien nichts einzuwenden; der Anreiz eines Vorsprungsgewinns für die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien sollte daher erhalten bleiben und nicht durch staatlich erzwungene Diffusion der Neuerung zu den Konkurrenten aufgehoben werden.

IV. Absicherung und Verstetigung des Wirtschaftswachstums

1. Stabilisierungspolitik

In der Vergangenheit hat die Stabilisierungspolitik oft die Ziele Wachstum und Vollbeschäftigung gefährdet. Das lag daran, daß die Antiinflationspolitik unter kurzfristiger Perspektive betrieben wurde. Sie handelte unter Zugzwang, wenn die Geldentwertung unerträglich wurde, würgte die Konjunktur ab und beeinträchtigte Wachstum und Beschäftigung. Wenn es nicht zur Revision dieser Art von Stabilisierungspolitik kommt, kann die von der Kommission vorgeschlagene Strategie der gestalteten Expansion bei Vollbeschäftigung nicht verwirklicht werden. Zur Absicherung des wirtschaftlichen Wachstums empfiehlt die Kommission, die Stabilisierungspolitik langfristig zu orientieren.

Unter diesem Aspekt analysiert sie die Beziehungen zwischen den großen gesamtwirtschaftlichen Zielen und legt eine Zielhierarchie fest. Danach sind Vollbeschäftigung, Wachstum und eine gerechte Einkommens-und Vermögensverteilung originäre Ziele, während Geldwertstabilität und außenwirtschaftliches Gleichgewicht nur abgeleitete Ziele sind. Ein originäres Ziel darf nicht auf Kosten eines anderen originären Ziels verletzt werden, weil sonst auf die Dauer der gesellschaftliche Basiskonsens und damit die Tragfähigkeit des Expansionsprozesses gefährdet ist. Bei den abgeleiteten Zielen braucht nur der Zielerreichungsgrad angestrebt zu wer-den, der zur Erfüllung der originären Ziele benötigt wird. Diese Feststellung der Kommission klingt in vielen deutschen Ohren wie ein Verzicht auf Geldwertstabilität. In Wirklichkeit enthält sie keinen Freibrief für einen leichtsinnigen Umgang mit der Stabilität des Geldes. Die Gefährlichkeit inflationistischer Entwicklungen besteht ja gerade darin, daß es für Inflationsraten keine zwingenden Grenzen gibt. Zahlreiche Länder ertragen ohne große Erschütterungen Inflationsraten von mehr als 10 v. H. Es ist aber kaum vorstellbar, daß in den hochentwickelten Industrieländern Arbeitslosenquoten von mehr als 10 v. H. hingenommen würden. Mit der Zielerörterung wollte die Kommission nur deutlich machen, daß Antiinflationspolitik Wachstum und Beschäftigung fördern muß, nicht aber gefährden darf.

Die Kommission fordert, daß jedes Stabilisierungskonzept sich am Wachstumstrend und nicht — wie bisher — an den zyklischen Schwankungen orientieren muß. Eine Orientierung am Konjunkturzyklus führt zu einem wechselseitigen Tolerieren der Preissteigerungen und letztlich zu deren „Abwürgen", ohne Rücksicht auf Wachstum und Beschäftigung. Zur Verwirklichung des Stabilitätskonzepts können verschiedene Politikbereiche beitragen.

Soweit die Preissteigerungsrate durch Wettbewerbsbeschränkungen beeinflußt ist, könnB te die Aufgabe der Wettbewerbs-und Verbraucherpolitik darin bestehen, über die Schwächung der Marktmacht auf der Anbieterseite und über eine Stärkung der Nachfrageseite der Gütermärkte den Inflationssockel abzubauen.

Bei den Verteilungsauseinandersetzungen sollten sich die Tarifparteien in Zukunft langfristig orientieren. Bisher neigten sie dazu, die kurzfristig gebotenen Verteilungschancen so weit wie möglich zu nutzen, um Vorteile zu erlangen. Der Staat sollte jedoch nicht die Tarifautonomie beeinträchtigen. Die Kommission lehnt eine direkte Reglementierung des Verteilungskampfes durch staatliche Einkommenspolitik ab. Durch Einführung einer staatlichen Lohnleitlinie würde der Staat zum Ausdruck bringen, daß er besser als die am Verteilungskampf Beteiligten weiß, welche Einkommensveränderung vollbeschäftigungs-und wachstumsgerecht ist. Es gehört aber gerade zur Rechtfertigung der Tarifautonomie, daß die Partner dieses besser selbst vereinbaren können.

Die Aufgabe der Tarifparteien kann nicht allein darin bestehen, einen Lohnsatz zu finden, der unter Berücksichtigung der vom Staat und vom Ausland gesetzten Daten die Erfüllung des Vollbeschäftigungsziels in den Mittelpunkt stellt. In diesem Fall würde die Einkommens-und Vermögensverteilung zu einem abgeleiteten Ziel. Andererseits kann die Lohnentwicklung kein Eckdatum sein, dem sich andere Bereiche und die wirtschaftspolitischen Instanzen anzupassen haben. Für das im Rahmen der Tarifautonomie auszuhandelnde Verteilungsergebnis müssen weitere ökonomische Sachverhalte berücksichtigt werden, ohne daß hierdurch die Verteilung festgeschrieben wird.

Die Kommission empfiehlt, verstärkte Anstrengungen zu einer breiteren Streuung der Vermögensbildung zu unternehmen. Nur wenn Arbeitnehmer Eigentümer von Investivkapital werden, läßt sich die Verteilungsproblematik entschärfen, die dann entsteht, wenn Einkommensteile, die investiert werden sollen, steuerlich begünstigt werden.

Neben der Einkommenspolitik kommt der langfristig ausgerichteten Investitionspolitik eine große Bedeutung für die Reduzierung des aus dem Verteilungskampf resultierenden Kostendrucks zu. Eine Politik, die das Wirtschaftswachstum und den Produktivitätsfortschritt über eine Erhöhung der Investitionen nachhaltig anhebt, bekämpft auch den Kostendruck. Die Fiskalpolitik hat eine besonders wichtige Rolle zu spielen. Tätigt der Staat — so wie es häufig gefordert wird — Investitionsaufgaben vor allem antizyklisch (d. h. investiert er besonders stark in den Perioden, in denen die private Investitionsbereitschaft schwach ist), dann wird das Niveau der öffentlichen Investitionen gedrückt, da die Perioden, in denen der Staat sich zurückhalten muß, in der Regel länger sind als diejenigen, in denen er fehlende private Aktivität ausgleichen soll. Für eine langfristige Wachstumsstrategie ist sehr wichtig, daß die Größe der staatlichen Inanspruchnahme des volkswirtschaftlichen Produktionspotentials nicht nur eine Reaktion auf die Aktivität der privaten Wirtschaft ist. Um die langfristigen Erwartungen zu stabilisieren, muß der Staat dem privaten Sektor Rahmendaten setzen. Die Kommission plädiert für eine Verstetigung der Ausgaben, insbesondere bei den Gemeinden. Der Staat soll in Zeiten überhitzter Konjunktur seine langfristig orientierten Ausgabenpläne nicht kürzen — und schon gar nicht der Hochkonjunktur anpassen. Auf keinen Fall sollte er in Zeiten der Rezession Sparprogramme beschließen. Bisher bildeten so gut wie ausschließlich die Investitionen die staatliche konjunkturpolitische Manövriermasse sowohl für eine restriktive als auch für eine expansive Ausgabenpolitik, da sie rechtlich nicht gebunden sind. Die Kommission lehnt die Ausgabenpolitik als Mittel der Inflationsbekämpfung ab. Das Hauptinstrument einer zukünftigen prophylaktischen Fiskalpolitik sollte die Einnahmen-politik sein. Obgleich die gesetzlichen Voraussetzungen dafür weitgehend vorliegen, sind im Parlament und bei den Parteien die Widerstände gegen eine antizyklische Einnahmengestaltung sehr groß.

Die Geldpolitik der Bundesbank setzt seit einiger Zeit auf eine langfristig orientierte Verstetigung der Geldmenge. Deren Haupteffekt kann darin gesehen werden, daß keine falschen Einkommenserwartungen geweckt werden. Nach der einen oder anderen Seite in erheblichem Maße getäuschte Einkommenserwartungen können nur zu leicht zu einer Verschärfung der Verteilungskämpfe beitragen und damit über Kostendruck die Stabilität gefährden. Ein trendorientiertes Verhalten schließt fallweise wirtschaftspolitische Eingriffe nicht aus. Eine Trendorientierung der Geldpolitik stabilisiert zwar die Verhaltensweisen der Marktparteien, doch sind Instabili-täten auch für die Zukunft nicht auszuschließen.

In Anbetracht der engen weltwirtschaftlichen Verflechtung der Bundesrepublik gefährden außenwirtschaftliche Einflüsse die Strategie der gestalteten Expansion. Gegen sie muß die Strategie möglichst gut abgesichert werden.

Mit der Einführung flexibler Wechselkurse sind die Chancen für eine nationale Stabilisierungsstrategie besser geworden. Problematisch bleibt nach wie vor die binnenwirtschaftliche Anpassung an unvermeidliche Einflüsse aus dem Ausland (wie zum Beispiel die Olpreiserhöhungen).

Als hochentwickeltes Industrieland mit marktwirtschaftlicher Ordnung sollte sich die Bundesrepublik für die Freiheit der Weltmärkte einsetzen und sich dem internationalen Wettbewerb stellen. Noch bestehende Handelshemmnisse sind möglichst zu beseitigen, jede Art von Protektionismus ist abzulehnen. Die Industrieländer sollten ihre Märkte für die Entwicklungsländer öffnen. Außerdem sollte die Bundesrepublik in der Entwicklungshilfe ihren Part voll übernehmen.

Die Wechselkurse sollten in Zukunft innerhalb einer größeren Bandbreite stabil, aber anpassungsfähig sein. Mit flexiblen Kursen ist durchaus vereinbar, daß die Bundesbank starke Devisenkurse durch Interventionen Schwankungen glättet. Jeder Art dauerhafter Eingriffe („schmutziges Floating") entgegenzutreten.

Die Kommission knüpft bei ihren Empfehlungen zur Stabilisierungspolitik am eingeführten konjunkturpolitischen Instrumentarium an. Sie hat lediglich den Akzent stärker auf die Langzeitorientierung gelegt. Da nicht auszuschließen ist, daß bei starkem Problem-druck die vorgeschlagene Strategie nicht ausreicht, begrüßt die Kommission die Suche nach neuen Wegen für die Stabilisierungspolitik. Für die Verwirklichung bestimmter, immer wieder diskutierter Vorschläge, die die Einführung von Regelmechanismen, Indexlösungen, Lizenzlösungen oder Preis-und Lohn-kontrollen zum Inhalt haben, sieht sie jedoch auf absehbare Zeit weder Chance noch Notwendigkeit.

2. Wettbewerbspolitik

Der trotz der Existenz eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und zwei Novellierungen in der Bundesrepublik Deutschland erreichte Stand der wirtschaftlichen Konzentration und der Wettbewerbsbeeinträchtigung sowie die zunehmende Bedeutung multinationaler Unternehmen erfordern eine Rückbesinnung auf die Aufgaben des Wettbewerbs. In unserer marktwirtschaftlichen Ordnung hat der Wettbewerb drei Funktionen zu erfüllen: — die Produktionsfaktoren optimal auf alternative Verwendungszwecke zu verteilen (Allokationsfunktion) ; — die Unternehmen zu veranlassen, neue Produktionsverfahren und Güter zu erfinden, zu entwickeln und auch anzuwenden, und zwar unter Ausnutzung aller Möglichkeiten der Qualitätsverbesserung und der Kostensenkung (Innovationsfunktion); — die ökonomische Macht zu begrenzen, weil sich in einer demokratischen Gesellschaftsordnung ökonomische Macht in politische Macht umsetzen läßt (Machtbegrenzungsfunktion).

Diese Funktionen sind prinzipiell gleich wichtig. Bei den verschiedenen Leitbildern der Wettbewerbspolitik nehmen sie allerdings einen unterschiedlichen Rang ein. Bei dem derzeit herrschenden wettbewerbspolitischen Leitbild des funktionsfähigen Wettbewerbs steht die Innovationsfunktion im Vordergrund. Dabei folgt man der Vorstellung, daß der Wettbewerb ein dynamischer Prozeß ist, in dem zunächst Unternehmen initiativ werden — sie senken Preise, verbessern die Qualität der Produkte, schaffen neue Produkte oder Verfahren — und in dem dann Imitatoren nachstoßen, nicht sofort, aber auch nicht mit großer Verzögerung, damit der Vorsprung einholbar bleibt. Die Voraussetzungen für einen solchen wettbewerblichen Innovationsprozeß können auf verschieden gearteten Märkten sehr unterschiedlich sein. Deshalb sollte von der Vorstellung abgegangen werden, daß die Innovationsfunktion des Wettbewerbs bei einer bestimmten Marktform, nämlich im weiten Oligopol mit mäßiger Produkt-differenzierung am besten zum Zuge kommt. Da nicht nur Großunternehmen, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen innovativ tätig sind, ist das Argument, daß Fusionen erforderlich seien, damit die für eine Erfüllung der Wettbewerbsfunktionen optimale Unternehmensgröße zustande kommt, in dieser Verallgemeinerung nicht zutreffend.

Die Konzentrationsentwicklung und die zunehmende Bedeutung multinationaler Unternehmen lassen die Frage nach der Kontrolle von Marktmacht immer dringlicher erscheinen. Viele Anbieter auf einem Markt können den Wettbewerb untereinander nur beschränken, wenn sie Kartellverträge miteinander abschließen. Kartellverträge sind rechtlich faßbar und können geahndet werden. In Oligopolmärkten, wo wenige Anbieter gut miteinander bekannt sind, können Wettbewerbsbeschränkungen durch abgestimmtes oder faktisches Parallelverhalten erreicht werden. Solches Verhalten ist wettbewerbsrechtlich nicht erfaßbar.

Die in § 22 des Gesetzes gegen Wettbewerbs-beschränkungen (GWB) geregelte Kontrolle des Mißbrauchs von Marktmacht ist unzulänglich und sollte verbessert werden. Die Kommission warnt allerdings davor, einzelne Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen isoliert zu betrachten, da deren Auswirkungen auf den Wettbewerb durchaus unterschiedlich sein können.

Die vorhandenen wettbewerbspolitischen Regeln und Normen, insbesondere die im GWB enthaltenen Instrumente, sind nur teilweise in der Lage, den Wettbewerb zu erhalten. Die Kommission gibt deshalb zur Sicherung bzw. Wiederherstellung des Wettbewerbs folgende Empfehlungen: — Erleichterung des Markteintritts für neue Wettbewerber zur Verhinderung oder Beseitigung des oligopolistischen Parallelverhaltens. Dafür sollte der Staat mehr als bisher die Wagnisfinanzierung fördern und die Mißbrauchsaufsicht verstärken. — Förderung von Kooperationsgemeinschaften kleiner und mittlerer Unternehmen, die gemeinsam nach Rationalisierungs-und Spezialisierungslösungen suchen. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Beschränkung des Wettbewerbs zwischen diesen Unternehmen durch Einbringung ihrer höheren Leistungsfähigkeit in den Gesamtmarkt überkompensiert wird. -— Verbesserung der Mißbrauchsaufsicht durch Umwandlung des § 22 GWB in ein Schutzgesetz und durch Einführung eines privaten Klagerechts. Die meisten Verfahren, die das Bundeskartellamt wegen des Verdachts des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung eröffnete, wurden dadurch beendet, daß die Unternehmen das verdächtige Verhalten einstellten, ohne daß rechtlich verbindlich geklärt wurde, ob das verdächtige Verhalten tatsächlich als Mißbrauch zu werten war. Die Kartellbehörden sollten verpflichtet werden, auch in den Fällen, in denen ein Verfahren eingestellt wurde, ihre diesbezügliche Entscheidung zu begründen und der Öffentlichkeit bekanntzugeben. Diese Feststellungspflicht würde keine Verurteilung für ein beanstandetes und inzwischen eingestelltes Verhalten bedeuten. Sie sollte einen Lernprozeß bewirken, durch den ähnliche Verhaltensweisen verhindert werden. Auch Privatpersonen würden dadurch in die Lage versetzt, Tatbestände des Marktmißbrauchs besser zu beurteilen. Durch die Einführung eines privaten Klagerechts könnten Mißbrauchsverfahren erzwungen und Schadenersatzklagen eingereicht werden. — Einführung einer präventiven Fusionskontrolle zur Überwachung von Unternehmenszusammenschlüssen sowie Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für Zwangsentflechtung. Das Kartellamt sollte nach Vorlage der Fusionspläne innerhalb von vier Monaten entscheiden, ob die Fusion untersucht und eventuell verboten werden soll. Die Eingriffs-kriterien für ein Fusionsverbot müßten von den Kriterien der Mißbrauchsaufsicht getrennt werden. Fusionen können nach geltendem Recht erst verboten werden, wenn Marktbeherrschung entsteht oder verstärkt wird. Aber bereits geringe Veränderungen der Wettbewerbsverhältnisse können nach genehmigter Fusion zur Marktbeherrschung führen. Als neues Eingriffskriterium könnte deshalb der Begriff der „wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs" eingeführt werden. — Erweiterung des Ordnungswidrigkeiten-und Verfahrensrechts durch Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten des Bundeskartellamts, Neuregelung der Beweislastverteilung, Einführung eines eigenständigen Bundeskartellgerichts und Einräumung des Rechts zur Durchführung von Konzentrationsenqueten für die Monpolkommission. — Internationalisierung der Wettbewerbspolitik durch Angleichung nationaler Wettbewerbsvorschriften, verstärkte zwischenstaatli-ehe Zusammenarbeit der Kartellbehörden, Einführung einer europäischen Fusionskontrolle sowie intensivere Nutzung nationaler und internationaler Wettbewerbsvorschriften. — Einschränkung und verstärkte Wettbewerbskontrolle der Ausnahmebereiche. Einige Wirtschaftsbereiche — wie Verkehrswirtschaft, Land-und Forstwirtschaft, Kredit-und Versicherungswirtschaft und die Energie-und Wasserwirtschaft — sind ganz oder teilweise von der Anwendung des GWB freigestellt. Begründung: Besonderheiten der betreffenden Märkte verhindern, daß der Wettbewerb hier seine Steuerungs-und Koordinationsfunktion befriedigend erfüllen kann. Diese Besonderheitenlehre ist jedoch sehr umstritten. Die Ausnahmebereiche sollten mit dem Ziel überprüft werden, wie dort der Wettbewerb besser beaufsichtigt werden kann. Soweit als möglich sollten die strukturellen Voraussetzungen geschaffen werden, um in diesen Bereichen einen funktionsfähigen Wettbewerb herbeizuführen. — Die Wettbewerbspolitik sollte durch Aktivierung der verschiedenen Bereiche der Strukturpolitik unterstützt werden. Vor allem sollten Innovationsprozesse, die beitragen können, daß erstarrter Wettbewerb wieder funktionsfähig wird, verstärkt gefördert werden.

3. Verbraucherpolitik

In der Marktwirtschaft sind die Verbraucher gezielter Beeinflussung ihrer Wünsche und Präferenzen von Seiten der Anbieter ausgesetzt. Die Konsumenten durchschauen weder, auf welche Weise ihre Bedürfnisse geprägt werden, noch, wodurch diese sich ändern. Sie sind gegenüber den Anbietern von Konsumgütern keine gleichstarken Marktpartner; sie sind Ziel planmäßig entwickelter Absatzstrategien. Es gilt deshalb, die Verbraucherpolitik systematisch auszubauen. Erforderlich sind spezielle Maßnahmen des Verbraucherschutzes zur Erhöhung der Markttransparenz, zur Erweiterung des Informationsangebots und zur Verbesserung rechtlicher Durchsetzungsmöglichkeiten.

Dabei geht es nicht nur um die Schließung von Lücken in verbraucherpolitischen Gesetzen. In Zukunft wird vielmehr der Durchsetzung bereits geltender Gesetze größere Bedeutung zukommen. Das macht zum einen eine Stärkung der in Frage kommenden Behörden erforderlich, zum anderen müssen dafür die Handlungsmöglichkeiten der Verbraucher in Streitfällen verbessert werden.

Die Kommission empfiehlt u. a. folgende Maßnahmen: — Schließung noch bestehender Lücken des rechtlichen Verbraucherschutzes. Zu nennen sind insbesondere das Arzneimittelgesetz, Regelungen zur Warenkennzeichnung, eine Anpassung der Regelung der Produzentenhaftung an die Erfordernisse des Verbraucher-schutzes, die Reform des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, der Gesetzentwurf zum Reiseveranstaltungsgesetz sowie Veränderungen des Rechtsberatungsgesetzes und der Zivilprozeßordnung. Weiterhin fehlt es an gesetzlichen Grundlagen zur Regelung eines wirksamen Verbraucherbeistandes, etwa durch Verbraucherverbände. — Die Aufgaben der Stiftung Warentest sollten dahin gehend erweitert werden, daß Güter auch auf ihre Unbedenklichkeit hinsichtlich gesundheitlicher und sicherheitstechnischer Mängel bei (Langzeit-) Gebrauch getestet werden. — Schaffung einer Nachweispflicht für den Werbenden, daß ein Gut die Eigenschaften, mit denen geworben wird, auch tatsächlich besitzt. — Einführung eines Widerrufsrechts von einer Woche für Kaufabschlüsse, bei denen die Kontaktaufnahme durch den Anbieter erfolgt ist, auch wenn es sich nicht um Ratenkäufe handelt. Gedacht ist hierbei vor allem an den Schutz gegen Praktiken, die oft hart an der Grenze der Wirtschaftskriminalität liegen (Kaffeefahrten, Partyverkäufe, Haustürverkäufe). — Einrichtung von Rechtsberatungsstellen, bei denen Verbraucher gebührenfrei Auskünfte über die sie speziell interessierende Rechtslage einholen können. Die Rechtsberatungsstellen müßten solche Informationen auch über die Medien verbreiten dürfen. Die Verfahrenswege bei der Geltendmachung von Ansprüchen der Verbraucher sollten vereinfacht werden (Änderung der Zivilprozeßordnung).

Die Verbraucher können durch ihre Konsum-entscheidung nur dann eine möglichst große Befriedigung ihrer Bedürfnisse erzielen, wenn sie in die Lage versetzt werden, Informationen über die Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten der Güter zu erhalten (Markttransparenz) und wenn die Werbung die von den Verbrauchern benötigte sachgerechte Information enthält und sie nicht behindert, eine bewußte, abwägende Entscheidung zu treffen (Verbraucherinformation). Verbaucher sollten aber auch in der Lage sein, sich ihren eigenen Bedürfnissen gegenüber rational zu verhalten. Um diesen Erfordernissen besser gerecht zu werden, schlägt die Kommission im einzelnen vor: — Einführung einer begrenzten Anzahl von Abfüll-und Wirkstoffgewichten; — Ausdehnung regionaler Preisvergleiche und größere Verbreitung der Vergleichsergebnisse; — Auszeichnung langlebiger Gebrauchsgüter mit Testergebnissen in standardisierter Form, wobei die Qualitätsklassen nach dem Muster der Gesamtbeurteilung der Stiftung Warentest gebildet werden sollten; — Kapazitätsausbau der Testeinrichtungen; — Bemühungen um weitere Verbreitung der Testergebnisse, damit auch einkommensschwache und weniger gebildete Konsumenten erreicht werden; — Erweiterung der Tests durch Einbeziehung auch solcher Waren, die geringere Marktanteile haben sowie Schaffung von Nachtestund Einzeltestmöglichkeiten für schlecht beurteilte oder neue Produkte; — Prüfung, ob höhere Aufwendungen für den Verbraucherschutz über die Einführung einer Werbesteuer von 3— 4 v. H. auf die Umsätze überregionaler Werbemedien finanziert werden sollen.

Durch die genannten Maßnahmen wird der Wissensstand der Verbraucher insgesamt erhöht werden können, jedoch ist fraglich, inwieweit gerade einkommensschwache oder sonst benachteiligte Verbraucher informationsbewußter werden. Sowohl den Beratungsstellen wie auch den Massenmedien kommt deshalb die Aufgabe zu, das Informationsbedürfnis zu wecken. Die Kommission empfiehlt, daß die Bundesregierung die von ihr entwikkelte diesbezügliche Konzeption bald verwirklicht. Schon in den allgemeinbildenden Schulen sollte die Fähigkeit zu kritischem Verbraucherverhalten vermittelt werden; auch sind die Bestrebungen zur Errichtung einer Verbraucherakademie zu begrüßen.

Die gegenwärtige Situation der Verbraucher-organisationen ist einerseits durch den Wild-wuchs einer Vielzahl vielfältiger Vereinigungen, andererseits durch ein fehlendes organisiertes Mitgliederpotential charakterisiert. Die Kommission empfiehlt, die Verbraucher-organisation stärker für die Einzelmitgliedschaft natürlicher Personen zu öffnen. Um eine Vereinheitlichung der Organisation der Verbraucherinteressen zu erreichen und um eine Zersplitterung der öffentlichen Förderungsmittel zu beseitigen, sollte angestrebt werden, die zahlreichen verschiedenen Verbände, die bisher Träger der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher (AGV) und der Verbraucherzentralen sind oder außerhalb dieser Organisationen Verbraucherberatung betreiben, organisatorisch an die Verbraucherzentralen anzulehnen. Zahl und Kapazität der Beratungsstellen müßten vergrößert werden, damit sie für jeden Konsumenten leicht erreichbar sind.

Die der Kommission angehörenden Arbeitgebervertreter haben wesentliche Teile der vorstehenden Ausführungen nicht mitgetragen. Sie halten einen umfassenden Verbraucher-schutz für nicht vereinbar mit dem Verständnis des Verbrauchers als mündigem Bürger, weil der Verbraucherschutz für den Bürger neue Abhängigkeiten begründe. Vornehmliches Ziel einer Verbraucherpolitik im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung sollte die Intensivierung der Verbraucherinformation sein. Je breiter das Informationsangebot ist, desto eher könne auf ein kompliziertes Uberwachungs-und Kontrollsystem verzichtet werden. Der Verbraucherrechtsschutz sollte sich auf die Ausschöpfung bisher geltender und durchaus entwicklungsfähiger Ansätze konzentrieren, ehe in einer Gesetzesinflation neue Ansprüche begründet werden. Die Verbraucherbildung sollte vor allem darauf achten, daß die Verbraucher ihre rechtliche und funktionale Position im System der Marktwirtschaft erkennen und sie zu ihrem Vorteil nutzen.

V. Vollbeschäftigung mit Hilfe der Arbeitsmarktpolitik

Arbeitslosigkeit kann in hohem Maße das Selbstwertgefühl des einzelnen zerstören und daher zu langfristig nicht absehbaren Folgen führen. Angst vor Existenzbedrohung verleitet Staatsbürger dazu, dem politischen System ihre Loyalität zu entziehen. Obgleich die Arbeitslosen heute besser als jemals zuvor abgesichert sind, bleibt eine soziale Degradierung, die ein neues Randgruppenproblem schafft. In dieser Randgruppe werden sich in erster Linie Angehörige besonders schwacher gesellschaftlicher Gruppen befinden: Ungelernte, Jugendliche, Behinderte, Frauen und ältere Arbeitnehmer.

Da die Sicherheit des Einkommens des einzelnen im wesentlichen von seiner Beschäftigung abhängt, kann kurzfristige Arbeitslosenunterstützung nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei längerer Arbeitslosigkeit eine Gefährdung der beruflichen Existenz eintritt. Arbeitslosenhilfe kann langfristig kein adäquater Einkommensausgleich sein.

Bei hoher Arbeitslosigkeit ist langfristig auch die Funktionsfähigkeit unseres Systems der sozialen Sicherheit (Altersrente, Erwerbsunfähigkeitsrente, Betriebsrente, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung etc.) gefährdet, wie die „Rentendebatte" gezeigt hat. Außerdem ergeben sich große finanzielle Belastungen für die Volkswirtschaft. Hierzu rechnen die erheblichen Leistungen für Arbeitslose und Kurzarbeiter. Außerdem fallen die Einnahmeminderungen der öffentlichen Haushalte, einschließlich der Parafisci, die durch den Ausfall der Lohnsteuern und der Beiträge zur Kranken-, Renten-und Arbeitslosenversicherung entstehen, besonders ins Gewicht. Rechnet man die spezifischen Ausgaben und Einnahmenausfälle zusammen, kostete im Jahre 1975 ein Arbeitsloser die öffentlichen Haushalte rund 18 500 DM.

Obwohl nur etwa drei Viertel der im Jahres-durchschnitt 1, 1 Millionen Arbeitslosen Lohn-ersatzleistungen (Arbeitslosenunterstützung, Arbeitslosenhilfe) bezogen, hat die Bundesanstalt für Arbeit 1975 rund 8, 5 Mrd. DM für diese Zwecke aufgebracht. Diesen Aufwendungen sind noch die Zahlungen an Kurzarbeitergeld hinzuzurechnen, die sich (bei für den Jahresdurchschnitt angenommenen 773 000 Kurzarbeitern und bei durchschnittlich 000 DM Kurzarbeitergeld je Kurzarbeiter) auf 2, 2 Mrd. DM belaufen. Die aus der hohen Arbeitslosigkeit resultierenden Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit führten zu einer enormen Kostenbelastung. Insgesamt beliefen sich die Ausgaben der Bundesanstalt 1975 auf rund 18 Mrd. DM gegenüber nur 4 Mrd. DM im Jahre 1970.

Angesichts der negativen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit für den einzelnen, die Gesellschaft und die Volkswirtschaft ist in der letzten Zeit die Forderung nach einem Recht auf Arbeit verstärkt diskutiert worden. Diese Diskussion leidet allerdings unter einer mangelhaften Begriffs-und Zielpräzisierung. Manche verstehen unter dem Recht auf Arbeit einen politischen Programmsatz, wie er auch in den Verfassungen der meisten Bundesländer — allerdings mit sehr unterschiedlichem Inhalt — proklamiert wird. Andere glauben nur von einem Recht auf Arbeit sprechen zu können, wenn damit auch ein einklagbarer Anspruch verbunden ist. Die Kommission hat diese Fragen und die Gestaltungsmöglichkeiten für ein solches Recht auf Arbeit — zwischen individuellem Anspruch und Vollbeschäftigungspolitik — in einem Gutachten 3) analysieren lassen und vertritt die Auffassung, daß es wegen der hohen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der Tarifautonomie keine Vollbeschäftigungsgarantie und auch kein absolutes Recht auf Arbeit geben kann.

Eine solche Garantie wäre nicht mit der Tarifautonomie vereinbar. In einem marktwirtschaftlichen System kann man nicht über den Preis (Lohn) verhandeln, wenn die Menge (Beschäftigung) fixiert ist. Außerdem kann — abgesehen von dem genannten ordnungspolitischen Einwand — durch eine Vollbeschäftigungsgarantie die Vollbeschäftigung auf Dauer nicht gesichert werden, wenn die Investitionsneigung nicht stabilisiert wird.

Im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung ist es Aufgabe der Tarifparteien, unter Abschätzung der Chancen und Risiken des Marktes das Lohnniveau zu ermitteln, welches als Rahmendatum ein Wachstum bei Vollbeschäftigung ermöglicht. Beide Parteien haben in Verhandlungen herauszufinden, welche Lohnentwicklung langfristig marktgerecht ist und Arbeitslosigkeit vermeidet. Diese Aufgabe ist bei der üblichen Form der dezentralisierten sektoralen und regionalen Aushandlung und angesichts der Starrheit der Lohn-struktur, der raschen Änderung der Produktivitätsstruktur und der Schwierigkeiten, das Preisniveau zu drücken, nicht einfach.

Die Kommission vertritt einheitlich die Auffassung, daß Vollbeschäftigung ein vorrangiges Ziel ist und daß zur Erreichung und langfristigen Sicherung dieses Ziels die Wirtschaftspolitik in erster Linie ein kräftiges Wirtschaftswachstum anstreben und absichern muß. Für den Fall, daß Vollbeschäftigung über wachstumspolitische Maßnahmen nicht erzielt werden kann, empfiehlt die Kommission, eine ergänzende arbeitsmarktpolitische Strategie in Betracht zu ziehen. Arbeitsmarktpolitik darf nicht länger auf eine Puffer-funktion beschränkt bleiben, in der sie nur die Resultate anderer Politiken aufzufangen hat. Sie muß gleichrangig neben die Wirtschafts-, Sozial-oder Bildungspolitik treten. Dazu bedarf es einer klar umrissenen gesellschaftlichen Rahmenkonzeption. Die Mehrheit der Kommission hat allerdings die Forderung der Gewerkschaftsvertreter nach einem „Vollbeschäftigungsgesetz" nicht mitgetragen. Die Gewerkschaften streben an, in einem solchen Gesetz die Ziele, Ansatzpunkte und Maßnahmen einer autonomen bzw. integrierten Arbeitsmarktpolitik in ihrem Zusammenhang mit anderen Politikbereichen zum Ausdruck zu bringen. Dabei ist nicht nur an quantitative Zielsetzungen, sondern auch an qualitative Aspekte, wie zum Beispiel Nutzung vorhandener Qualifikationen oder Integration von Problemgruppen, gedacht. Die Mehrheit der Kommission hält es für besser, die Arbeitsmarktpolitik enger mit anderen Politikbereichen zu verzahnen und fortzuentwickeln.

Eine wichtige Voraussetzung für eine wirksamere Arbeitsmarktpolitik ist die Verbesserung des Arbeitsmarkt-Informationssystems. Dazu zählen neben einem Ausbau der Erwerbsstatistik die raschere Aufbereitung von Daten, die Entwicklung von Indikatoren zur Analyse unterschiedlicher Arbeitsmarktsituationen, die Verbesserung der Prognosemöglichkeiten und eine Intensivierung der Arbeitsmarktforschung.

Die Kommission sieht in der Vorlage eines jährlichen Berichts zur Arbeitsmarktlage eine wesentliche Grundlage für die Aktivierung der Arbeitsmarktpolitik. Dieser Bericht sollte von einer unabhängigen Expertenkommission im Auftrag der Selbstverwaltungsorgane der Bundesanstalt für Arbeit erstellt werden und sollte insbesondere arbeitsmarktrelevante Entwicklungen darstellen und die Analyse und Beurteilung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen sowie alternative Vorschläge für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen enthalten. Er könnte für die Arbeiten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eine wichtige Hilfe sein. Die Bundesregierung sollte verpflichtet sein, dem Bundestag eine Stellungnahme zu dem Bericht abzugeben.

Vermehrte Überlegungen sollen darüber angestellt werden, wie mit den Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit weitere produktive Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden können. Wie oben angeführt wurde, kostete 1975 ein Arbeitsloser die Gesellschaft im Durchschnitt 18 500 DM. Die Ausgaben für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beliefen sich dagegen im Durchschnitt nur auf rd. 17 000 DM je geförderte Person.

In enger Verbindung mit den Trägern der Wirtschaftspolitik sollten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz ergriffen werden. Die erforderlichen Investitionen sind dabei gezielt auf die Verringerung von Arbeitslosigkeit bei Angehörigen von Problemgruppen zu richten. Sehr wichtig ist ein gleichgerichtetes Verhalten der öffentlichen Haushalte. Es sollten nicht einerseits Arbeitsplätze mit öffentlichen Mitteln zusätzlich geschaffen werden, während andererseits Arbeitsplätze eingespart werden, weil insbesondere die Kommunen aus Finanz-not ihre Investitionsprogramme reduzieren.

Information und Beratung (einschließlich Vermittlung) von Jugendlichen oder Arbeit-suchenden sollten verbessert werden. Insbesondere ist die Aufgabe der Koordinierung von Berufs-, Bildungs-, Arbeits-und Förderungsberatung, die im Arbeitsförderungsgesetz von 1969 schon enthalten ist, noch nicht befriedigend gelöst.

Insbesondere für die Problemgruppen am Arbeitsmarkt (Jugendliche ohne Hauptschulabschluß, Ungelernte, Frauen, Ältere, Behinderte und Ausländer) sollten öffentliche und betriebliche Maßnahmen abgestimmt werden. Die Tarifparteien können durch Gestaltung der Lohnsysteme wesentliche Rahmenbedingungen schaffen. Außerdem kann über Betriebsvereinbarungen im Rahmen des Betriebs-Verfassungsgesetzes eine Verbesserung der schwierigen Lage der Problemgruppen erreicht werden.

Die Kommission empfiehlt weiter eine bessere Abstimmung zwischen den öffentlichen Trägern der Arbeitsmarktpolitik und den Betrieben durch — bessere Ausschöpfung der Regelungen über die Ankündigungspflicht von Massenentlassungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz; — Verbesserung von Personalinformationssy-Sternen, die auch Qualifikationsmerkmale enthalten, wobei einheitliche berufliche Klassifikationsschemata anzustreben sind; — Verbesserung der Koordination von personalpolitischen Maßnahmen (wie Abbau der Überstunden, Einstellungsstopp, Ausnutzung der natürlichen Fluktuation, geplante Umsetzungen bei Teilstillegungen, Frühpensionierung, Kurzarbeit) und staatlicher Beschäftigungspolitik (wie zum Beispiel Fortbildung und Umschulung, Berufsberatung, Arbeitsvermittlung) ; — Ausbau der betrieblichen Personalplanung, wobei verstärkt Rücksicht auf Arbeitsplatzsicherheit, auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie auf die besonderen Schwierigkeiten der Problemgruppen zu nehmen ist.

Die schwierigen institutioneilen Probleme der Weiterbildung sollten mit Nachdruck angegangen werden. Die wegen der vorangegangenen Mißbräuche sowie zwecks Kosten-entlastung der Bundesanstalt für Arbeit eingeführte restriktive Handhabung der Förderung von Fort-und Weiterbildung geben zur Sorge Anlaß. Die Kommission empfiehlt die Überprüfung der kurzfristigen Ausrichtung der im Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 1. Januar 1976 getroffenen Änderungen des Arbeitsförderungsgesetzes.

In den nächsten Jahren muß im Hinblick auf das Vollbeschäftigungsziel die Frage gelöst werden, wie sich Arbeitsangebot und -nachfrage global einander anpassen lassen. Die Lösung dieser Frage tangiert fast alle Bereiche der Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik. Eine Lösung ist möglich, da auf längere Sicht alle relevanten Größen gestaltbar sind: -— Die Zahl der zur Verfügung stehenden beitsplätze hängt entscheidend vom Wirtschaftswachstum ab; — die Zahl der nachgefragten Arbeitsstunden ist kein Datum; — der Preis der Arbeit ist auszuhandeln; — die Struktur der Arbeitsplätze der und Nachfrage liegt nicht fest.

Wird anders keine Vollbeschäftigung erreicht, sollte überlegt werden, wie die Determinanten der Länge der Erwerbstätigkeit modifiziert werden können. Durch Reduzierung der durchschnittlichen Lebensarbeitszeit könnten Arbeitsplätze für Arbeitslose freigemacht werden. Zu denken wäre an eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit, Verlängerung des Jahresurlaubs, Herabsetzung des Pensionierungsalters, Verlängerung der Schul-und Ausbildungszeiten und die Einführung oder Erweiterung von Bildungsurlaub. Daneben müßte größere Aufmerksamkeit dem Abbau von Überstunden und der Erhöhung des Angebots an Teilzeitarbeitsplätzen (insbesondere im öffentlichen Dienst, um dort Beschäftigte zu veranlassen, Ganztagsarbeit aufzugeben) gewidmet werden. Die Zusammensetzung und Ausgestaltung der Maßnahmen hätte durch Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zu erfolgen, wobei zwischen den jeweilig gewünschten Effekten derartiger Maßnahmen und der möglichen Gefährdung der Arbeitsplätze durch zusätzliche Kostensteigerungen für die Betriebe abzuwägen wäre. Da eine pauschale Anwendung wegen der unterschiedlichen Lage in einzelnen Branchen, Regionen und Qualifikationsgruppen zu Rigiditäten und Engpässen führen würde, ist einer flexiblen Kombination solcher Instrumente der Vorzug zu geben.

Eine makroökonomische Politik der Reduzierung der Arbeitszeit muß langfristig angelegt sein. Eine Verknappung aus konjunkturellen Gründen ist nicht sinnvoll, wenn nach der Rezession im Boom Engpässe auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten sind. Reduzierungen des Arbeitsvolumens sollten an gesellschafts-und sozialpolitische Forderungen anknüpfen, wie zum Beispiel an die Forderung nach Bildungsurlaub, nach Verlängerung des Jahresurlaubs für bestimmte Arbeitnehmergruppen, nach Abbau der Nacht-und Schichtarbeit oder nach Einrichtung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen.

Für die Beurteilung der Effektivität der einAr-zelnen Maßnahmen sollte insbesondere Antwort auf die folgenden Fragen gesucht werden:

— Welche Auswirkung hat die Maßnahme auf die Produktivität? — Wie groß ist der beschäftigungspolitische Effekt dieser Maßnahme?

— Welche Kosten sind mit der Maßnahme verbunden und wer hat die Kosten zu tragen?

— Ist die Maßnahme wieder rückgängig zu machen?

— Welche gesellschaftspolitischen Nebenwirkungen sind mit dieser Maßnahme verbunden und welche Rückwirkungen auf den einzelnen Arbeitnehmer sind zu erwarten?

Die Einführung der 35-Stunden-Woche zum Beispiel wäre mit großen Problemen verbunden. Sie könnte zu wachsendem Arbeitstempo und zunehmender Arbeitsintensivierung führen. Politisch wäre diese Entscheidung nicht mehr rückgängig zu machen. Scharfe Auseinandersetzungen wären auch über die Frage zu erwarten, ob die Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich erfolgen soll oder ob die erwerbstätigen Arbeitskräfte auf einen Teil des Lohnausgleichs zugunsten der Arbeitslosen verzichten sollten.

Innerhalb der Kommission sehen insbesondere die Gewerkschaftsvertreter in einer Umverteilung des Arbeitsvolumens ein Mittel zur Erreichung der Vollbeschäftigung. Die Arbeitgeber führen gewichtige Gegenargumente an. Die Kommission insgesamt hält sich nicht für kompetent, einen konkreten Vorschlag zu entwickeln. Die Mehrheit der Kommission bekennt sich zu folgender Wertung: Wirtschaftliches Wachstum kann in höhere Einkommen (= Steigerung der Realeinkommen) und/oder in weniger Leistung (— Reduzierung der Arbeitszeit) umgesetzt werden. Wenn die Erhöhung der Einkommen der Mehrheit der Bevölkerung dazu führt, daß die Minderheit Leistungen nicht erbringen kann, dann sollte der Produktivitätszuwachs eher in eine Verkürzung der Arbeitszeit als in eine Einkommenssteigerung für die Mehrheit um-, gesetzt werden.

VI. Abstimmung von Bildungs-und Beschäftigungssystem

Das Bildungssystem soll dem einzelnen die Qualifikationen vermitteln, die ihn dazu befähigen, sich im wirtschaftlichen Wettbewerb zu behaupten und sich den wechselnden beruflichen Anforderungen anzupassen. Eine enge Koppelung des Bildungs-mit dem Beschäftigungssystem ist deshalb sehr sinnvoll. Allerdings kann das nicht heißen, daß das Bildungssystem allein nach den Erfordernissen des Beschäftigungssystems auszurichten ist. Einerseits läßt sich der künftige Qualifikationsbedarf des Beschäftigungssystems nur unzulänglich ermitteln. Andererseits vermittelt das Bildungssystem Normen, Werte und Wissen, die dem einzelnen zur Entfaltung seiner Persönlichkeit dienen sollen. Es setzt ihn in die Lage, die Zunahme an Freizeit sinnvoll zu nutzen und ermöglicht das Verständnis demokratischer Spielregeln, die bewußte Teilnahme am politischen Leben und rationale Entscheidungen in diesem Bereich.

1. Der Qualifikationsbedarf

Da in verschiedenen westlichen Industrieländern eine ähnliche Wirtschaftsstruktur und ein vergleichbarer Entwicklungsgrad mit ganz unterschiedlichen Bildungs-und Qualifikationsssystemen erreicht worden ist, kann nicht behauptet werden, daß in Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ein ganz bestimmter Qualifikationsbedarf besteht. Der Qualifikationsbedarf des Beschäftigungssystems ist entscheidend von wirtschafts-, sozial-und gesellschaftspolitischen Zielen abhängig. Wenn zum Beispiel bestimmte Formen von Bildung, Sicherheit oder Gesundheit hohe politische Priorität erlangen, ist der Bedarf des Beschäftigungssystems an Lehrern, Polizisten oder Pflegepersonal im Gesundheitswesen sehr hoch.

Die sich im Laufe eines vierzigjährigen Arbeitslebens aufgrund technologischer, organisatorischer oder produktionsbezogener Strukturwandlungen ergebenden beruflichen Anforderungen lassen sich nicht vorhersehen, selbst nicht bei Ausbildung im marktnahen dualen System. Innerhalb gewisser Grenzen kann sich ein Angebot an Qualifikationen selbst eine Nachfrage schaffen. Einen von der Entwicklung des Arbeitskräfteangebots unabhängigen bzw. eindeutig ableitbaren Qualifikationsbedarf des Beschäftigungssystems gibt es nicht. Die Möglichkeiten der Bedarfsforschung als Entscheidungshilfe für die Abstimmung zwischen Bildungs-und Beschäftigungssystem sind vor diesem Hintergrund zu sehen. Angesichts der vorhandenen und noch drohenden Ungleichgewichte am Arbeitsmarkt wird mehr Bedarfsforschung gefordert. Die Kommission unterstützt diese Forderung, ist sich dabei aber bewußt, daß die Bedarfsforschung zur Zeit noch vor unüberwindlichen Problemen der Abgrenzung, der Datenbeschaffung und der Methodenanwendung steht. Selbst wenn diese Probleme gelöst wären, würden sich bei der Umsetzung von Ergebnissen der Bedarfsforschung in die bildungspolitische Praxis ordnungspolitische Fragen von großem Gewicht ergeben. Zur Ermittlung des Bedarfs der Wirtschaft an Arbeitskräften mit bestimmten Qualifikationen müssen u. a.sektor-spezifische und branchenspezifische Wachstumsraten, branchenspezifische Arbeitsproduktivitäten und branchenspezifischer Arbeitskräftebedarf langfristig projiziert werden. Wenn solche Projektionen ausschließlich Grundlage für bildungspolitische Entscheidungen werden sollten, müßten aus ordnungspolitischer Sicht die Argumente erneut bedacht werden, die gegen eine verbindliche Orientierung der sektoralen Strukturpolitik an Langfristprognosen geltend gemacht werden. Eine quantitative Abstimmung von Angebot und Bedarf an Qualifikationen durch Festlegung der einen Seite durch den Staat widerspräche ordnungspolitischen Grundsätzen und dem Recht auf Freiheit der Berufswahl. Es könnte auf die Dauer nicht bei der staatlichen Regulierung nur der einen Seite bleiben, die Produktion müßte mitgeplant werden. Die Bedarfsforschung soll Informations-und Orientierungsgrundlagen schaffen, um politische Entscheidungen besser fundieren zu können. Sie darf jedoch nicht versuchen, politische Entscheidungen durch versteckte Wertungen in der Form wissenschaftlicher Berechnungen vorwegzunehmen.

Bisher hat sich gezeigt, daß höhere Qualifikationen sich eher Nachfrage schaffen als niedrige Qualifikationen. Die Expansion des tertiären Bereichs des Bildungssystems (Hochschulen) orientierte sich bislang nicht an Bedarfsfeststellungen, sondern folgte der Nachfrage nach Studienplätzen. Die vor Jahren häufig von Standesorganisationen abgegebenen Prognosen über fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten für Hochschulabsolventen (zum Beispiel für Zahnärzte, Psychologen, Juristen) und die zahlreichen Prophezeiungen von Akademikerschwemme und -Proletariat Ende der sechziger Jahre gingen bisher nicht in Erfüllung. Sie hielten allenfalls Interessenten von einem bestimmten Studium ab und sorgten bei einer Reihe von Fachrichtungen für einen Mangel an entsprechend Qualifizierten. Innerhalb eines Jahrzehnts (1960 bis 1970) hat sich in der Bundesrepublik der Anteil der Hochschulabsolventen an den Erwerbstätigen um rund 30 v. H. von 3 auf 4 v. H. erhöht. Prognosen weisen für 1980 einen Anteil von 4, 8 und 5, 5 v. H. aus. Dann werden immer noch Länder wie die USA, Kanada, Japan und Schweden deutlich höhere Anteile als die Bundesrepublik aufweisen.

Die große Zahl der auf den Arbeitsmarkt drängenden Hochschulabsolventen wird zwar Friktionen im Beschäftigungssystem verursachen, und nicht alle werden Positionen der Art erhalten, wie sie es erwartet haben mögen. Das gilt aber ebenso für die Arbeitskräfte auf den anderen Qualifikationsebenen. Wenn unsere Gesellschaftsordnung angesichts dieser Entwicklung auf dirigistische Eingriffe verzichten will, muß sie hinnehmen, daß aufgrund der starken Nachfrage nach Hochschulausbildung die vom Beschäftigungssystem ausgehenden Anreize (hohes Einkommen, sicherer Arbeitsplatz und vergleichsweise bessere Kenntnisverwertung bei Berufswechsel) geringer werden.

Die Flexibilität des Beschäftigungssystems wird sehr stark durch das starre Laufbahn-und Besoldungssystem des öffentlichen Dienstes beeinträchtigt. Der öffentliche Dienst, orientiert sich bei der Einstellung von Arbeitskräften durchweg an den Rangstufen der formalen Bildungsabschlüsse. Angesichts der Ausstrahlung dieses starren Systems auf das übrige Beschäftigungssystem begrüßt die Kommission die Bemühungen um Einschränkung des Zeugnis-Berechtigungswesens und um Schaffung größerer Flexibilität und Durchlässigkeit bei den Laufbahnen im öffentlichen Dienst. Sie ist allerdings hinsichtlich des Erfolgs nicht optimistisch. Einerseits handelt es sich um in vielen Generationen gewachsene Strukturen. Andererseits haben Zertifikate auch eine Reihe positiver Funktionen: Sie dienen als Qualifikationsnachweis, der in vielen Berufsbereichen von öffentlichem Interesse ist; sie haben eine motivierende und — nach dem Arbeitsförderungsgesetz — auch steuernde Funktion für die Weiterbildung; außerdem erfüllen-sie eine sozialintegrative Funktion, wie sie zum Beispiel in der Bedeutung des Facharbeiterzertifikates zum Ausdruck kommt.

Die starre Zuordnung von Bildungsabschlüssen einerseits und Beschäftigungsberechtigung und Besoldungsansprüchen andererseits muß zugunsten einer flexibleren Lösung verändert werden. Dadurch könnten auch Personen, die ohne formalen Abschluß aus einem langen Ausbildungsgang ausgeschieden sind, leichter ins Beschäftigungssystem integriert werden. Flexiblere Möglichkeiten zum Einstieg in das Beschäftigungssystem sind auch deshalb nötig, weil der durch das Zertifikat bescheinigte Kenntnis-und Fähigkeitsstand nach einiger Zeit nicht mehr voll gegeben oder verwendbar ist. Deshalb sind Möglichkeiten zum Erwerb von Zusatzqualifikationen erforderlich, insbesondere auch für den Fall, daß der erste Ausbildungsgang keine gefragte Qualifikation vermittelt hat.

2. Bildungs-und Berufsberatung

Ein größeres und besseres Angebot an beruflicher Orientierung und Berufsberatung kann wesentlich dazu beitragen, den Abstimmungsmechanismus zwischen Bildungs-und Beschäftigungssystem zu verbessern. Allerdings zeigt sich auch hier die Unzulänglichkeit der Bedarfsforschung: Prognosen über den quantitativen und qualitativen Bedarf können von den Beratern nur mit sehr viel Vorsicht benutzt werden.

Daß Berufswahl bei uns immer noch nicht das Ergebnis eines Prozesses der Berufsfindung ist, zeigen Untersuchungen über vorzeitig aufgelöste Ausbildungsverhältnisse. Die Mehrzahl der abgebrochenen Ausbildungsverhältnisse wird erst nach Ablauf der Probezeit aufgelöst. Das deutet darauf hin, daß Eignung und Neigung der Jugendlichen erst nach längerer Betätigungszeit im gewählten Beruf erkennbar wird. Die Berufswahl geschieht unter dem Einfluß von Familie und Schule und orientiert sich an den regional verfügbaren schulischen und betrieblichen Bildungsmöglichkeiten. Die bei öffentlichen Beratungsstellen Ratsuchenden bekunden seit Jahren eine Konstanz der Berufswünsche. Dies läßt auf ein Fortbestehen zumindest von mode-und geschlechtsspezifischem Berufswahlverhalten schließen.

Die Kommission empfiehlt daher, zunächst sowohl in der schulischen Beratungsarbeit als auch in der individuellen Berufsberatung durch die Arbeitsämter eine bewußt kompensierende Berufsinformation anzustreben, insbesondere bei den Mädchen. Auch sollten Jugendliche aus den unteren sozialen Schichten mehr für eine weiterführende schulische Bildung motiviert oder an eine berufliche Bildung herangeführt werden.

Die Vorentscheidungen für bestimmte Bildungsabschlüsse und für die spätere Berufswahl fallen bei Hauptschulabsolventen relativ früh, in der herkömmlichen Oberstufe der Gymnasien dagegen spät. In allen allgemeinbildenden Schulen fehlt es an praktischer Berufsorientierung. Maßnahmen zur Verbesserung des Prozesses der Berufsfindung müssen deshalb hier ansetzen, zunächst über eine Reform der Bildungsinhalte. Neben einer grundsätzlichen Orientierung über Arbeits-und Wirtschaftswelt und der Vermittlung betrieblicher Erfahrungen sollte Berufsorientierung vor allem auch eine Bildungs-und Schullaufbahnberatung für eine langfristige Berufswegplanung leisten.

Die individuelle Berufsberatung kann erfolgversprechend erst bei berufswahlreifen Jugendlichen einsetzen, die in der Schule eine intensive vorberufliche Orientierung erfahren haben. Die Kommission hält es für wünschenswert, daß möglichst viele Jugendliche an der Berufsberatung teilnehmen. Das bisherige Beratungsangebot reicht nicht aus. Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist die Zahl der bei der Berufsberatung Ratsuchenden rückläufig. Besonders problematisch ist hierbei der Rückgang des Anteils der Hauptschüler unter den ratsuchenden Schulabgängern. Er verringerte sich von rd. 464 Tsd. Ratsuchenden 1962/63 über 406 Tsd. 1969/70 auf nur 293 Tsd. 1973/74.

Auch die Absolventen der studienbezogenen Bildungsgänge benötigen mehr und bessere Studienberatung. Untersuchungen des Studienerfolges zeigen, daß viele Studienprobleme durch die Fachwahl bei Studienbeginn verursacht werden. Entsprechend den Zielsetzungen des Hochschulrahmengesetzes soll das Studium auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten und in der Regel zu einem berufsqualifizierenden Abschluß führen. Deshalb müssen zu den Informationen über die Studiengänge und Studienbedingungen zusätzliche Informationen über Berufsaussichten und die Berufsbezogenheit eines Studienfaches gegeben werden.

3. Verbesserung des dualen Systems

Das duale System der Berufsausbildung ist in seiner Grundstruktur darauf angelegt, seinen Absolventen eine Betätigung im erlernten Beruf zu ermöglichen. Wegen der erheblichen Diskrepanzen zwischen dem Ausbildungsund Beschäftigungssystem sind jedoch zahlreiche betriebliche Ausgebildete zu einem Berufswechsel genötigt. Ein großer Teil dieser Berufswechsler kann die im ursprünglichen Beruf erlernten Kenntnisse und Fähigkeiten nur sehr wenig oder gar nicht wiederverwenden. Diese Erscheinungen sind insbesondere auf das Berufswahlverhalten der Jugendlichen und die unterschiedliche Ausbildungsintensität der verschiedenen Wirtschafts-und Berufsbereiche zurückzuführen.

Die betriebliche Berufsbildung ist fachlich in sehr hohem Maße konzentriert. 1975 befanden sich 51 v. H.der männlichen und 75 v. H.der weiblichen Auszubildenden in 15 von 478 anerkannten Ausbildungsberufen. Daten des Instituts für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung zeigen, daß die stark besetzten Ausbildungsberufe nicht immer jene sind, die eine breite und vielseitige Verwendbarkeit im späteren Berufsleben ermöglichen, so daß Ausbildungsinvestitionen verlorengehen. Bei einer repräsentativen Untersuchung im Jahre 1970 wurde festgestellt, daß mehr als die Hälfte aller befragten männlichen Berufswechsler nur wenig bis gar nichts des ursprünglich Gelernten nach einem Berufswechsel weiterverwenden konnte. Die Möglichkeit, im ursprünglichen Beruf Erlerntes weiterzuverwenden, war um so geringer, je niedriger die Ausbildungsstufe lag.

Der Verlust an Ausbildungsinvestitionen ist durch die Verteilung und Entwicklung der Ausbildungsplätze „vorprogrammiert". Industrie und öffentliche Arbeitgeber stützen sich in hohem Maße auf die Ausbildungsleistung des Handwerks. Fast die Hälfte (47, 4 v. H.) aller männlichen Erwerbspersonen mit betrieblicher Berufsausbildung wurde 1970 im Handwerk ausgebildet. Rund drei Viertel aller im Handwerk Ausgebildeten (73 v. H.) wechselten später in die Industrie oder in den Dienstleistungsbereich.

Die Ausbildungsverhältnisse im Bereich des Handwerks haben in den letzten Jahren zugenommen, und zwar von 467 Tsd. im Jahre 1971 auf 505 Tsd. im Jahre 1975. Dagegen sind in demselben Zeitraum die Ausbildungsverhältnisse im Bereich der Industrie von 283 Tsd. auf 268 Tsd. und im Bereich des Handels von 446 Tsd. auf 366 Tsd. zurückgegangen. Die betriebliche Berufsausbildung in der Industrie konzentriert sich auf wenige Industriezweige: 63 v. H. aller gewerblichen und 53 v. H. aller kaufmännisch-technischen Auszubildenden werden in jeweils fünf Industriezweigen ausgebildet.

Nicht alle Mängel der beruflichen Bildung sind dem dualen System zuzuschreiben. Es besteht ein grundsätzlicher Widerspruch zwischen der Forderung nach einer beruflichen Erstausbildung für alle Jugendlichen und einer großen Zahl von Tätigkeiten, für die es bisher keine Ausbildung gibt. Darüber hinaus gibt es Berufe, die erst in einem Alter ausgeübt werden können, in dem üblicherweise die Erstausbildung bereits abgeschlossen ist oder die sogar eine beliebige abgeschlossene Erst-ausbildung voraussetzen (zum Beispiel bei Verkehrsbetrieben, Polizei und Feuerwehr). Diese Lücke im Qualifizierungssystem wird bisher zum großen Teil durch Betriebe geschlossen, die auch dann Ausbildungsplätze anbieten, wenn die Ausgebildeten anschließend nicht im Betrieb verbleiben. Ein solches Verhalten ist vor allem von Betrieben zu erwarten, für die die Beschäftigung von Auszubildenden rentabel ist. Von den männlichen Erwerbspersonen mit abgeschlossener betrieblicher Ausbildung verlassen mehr als die Hälfte den Ausbildungsbetrieb schon im ersten Jahr nach der Ausbildung, im Handwerk sogar zwei Drittel.

Das gesamte Angebot an Ausbildungsplätzen im dualen System ist nicht bekannt, da nicht alle Betriebe ihren Nachwuchsbedarf bei den Arbeitsämtern melden. Man nimmt an, daß in den vergangenen Jahren etwa 60 bis 70 v. H.der in dem jeweiligen Jahr eingegangenen Ausbildungsverhältnisse bei den Arbeitsämtern als Ausbildungsplätze registriert worden sind. Da die Betriebe in Zeiten der Hochkonjunktur eine zu hohe Zahl an Ausbildungsplätzen bei den Arbeitsämtern melden, um die tatsächlich vorhandenen Ausbildungsplätze eher besetzen zu können, darf man den Rückgang der gemeldeten Zahl an Ausbildungsstellen nicht überbewerten. Die erhöhte Nachfrage und das verringerte Angebot über die Arbeitsämter äußert sich statistisch darin, daß der Anteil der bei den Arbeitsämtern als unbesetzt registrierten Ausbildungsstellen in den letzten Jahren erheblich gesunken ist; 1973/74 betrug der Anteil der unbesetzten Ausbildungsplätze nur noch ca. 15 v. H.der bei den Arbeitsämtern gemeldeten Ausbildungsplätze für männliche Bewerber (gegen-B über 58 v. H. 1960/61). Für weibliche Bewerber verschlechterte sich die entsprechende Relation von 1960/61 62 v. H. auf 1973/74 7 v. H. Diese Durchschnittswerte verdecken, daß in einzelnen Regionen und Sektoren der Rückgang der gemeldeten Ausbildungsstellen überdurchschnittlich hoch war.

Damit weniger Ausbildungsaufwand des dualen Systems verlorengeht, ist es erforderlich, die Abstimmung zwischen dem Bildungs-und Beschäftigungssystem für den einzelnen und die Gesellschaft möglichst friktionsarm zu gestalten. Die Kommission gibt dazu mehrere Anregungen: — Die Wirtschaftsbereiche mit einer unter-proportionalen Nachwuchsquote sollten ihre Ausbildungsanstrengungen künftig intensivieren. — Im Bereich der Berufsbildungsforschung sollte geprüft werden, inwieweit es möglich ist, für solche Berufe, deren Angehörige sich überwiegend aus Fachkräften anderer Berufe rekrutieren, direkte Ausbildungszugänge zu schaffen. — Die gestiegenen Ausbildungsanforderungen einerseits und die zunehmende Spezialisierung von Betrieben andererseits haben dazu geführt, daß eine Reihe von Betrieben deshalb nicht mehr ausbilden kann, weil in ihnen nicht alle für die Ausbildung vorgeschriebenen Inhalte erlernt werden können. Da das fehlende betriebliche Angebot in absehbarer Zeit nur unzulänglich durch überbetriebliche Ausbildungsstätten ergänzt werden kann, sollten mehrere Betriebe einen Ausbildungspool bilden, um die vorhandenen Aus-bildungskapazitäten optimal nutzen zu können. Dabei sollten auch die Kapazitäten der Berufsschule mitgenutzt werden. Die 1969 gesetzlich festgelegten Anforderungen an die berufliche Bildung dürfen angesichts der geburtenstarken Jahrgänge nicht zurückgenommen oder blockiert werden. Zur besseren regionalen Abstimmung dieser Maßnahmen wird eine Kooperation auf lokaler Ebene benötigt. Hierfür sollten die Lernorte Berufsschule, Betrieb und überbetriebliche Ausbildungsstätte — bei Beibehaltung ihrer Selbständigkeit — kooperieren. — Da bisher eine Abstimmung zwischen den Rahmenlehrplänen der Berufsschule und den Ausbildungsordnungen für die Betriebe nicht gelungen ist, ist zu prüfen, ob dem Bund zukünftig neben der Kompetenz, Rahmenvorschriften für die betriebliche Berufsausbildung zu erlassen, nicht auch noch die entsprechende Kompetenz für die schulische Berufsausbildung zukommen sollte. — Die Abschlüsse der beruflichen Erstausbildung sollten in einer Form aufgewertet werden, die die Ausbildung im dualen System auch auf die Ausbildung in studienbezogenen Bildungsgängen anrechnet. Umgekehrt müssen in die studienbezogenen Bildungsgänge verstärkt berufsbildende Inhalte aufgenommen werden, um die gegenwärtig zu einseitige Ausrichtung auf ein späteres Studium abzubauen. Darüber hinaus wird die Sekundarstufe II in ihrem berufsbildenden Kern auch in Zukunft mehrere Lemorte enthalten: Ausbildungsstätten in Schulen, in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen. — Während das duale System in der Vergangenheit eher auf die institutionelle Trennung von Berufsschule und Betrieb abhob, wird es zukünftig vor allem darauf ankommen, einen Verbund aller Lernorte in der Berufsbildung herzustellen. Anzustreben ist einerseits eine didaktische Parallelität der Ausbildung in den verschiedenen Lernorten, andererseits eine möglichst effektive Nutzung und Mehrfach-nutzung technischer Einrichtungen für die Berufsausbildung durch öffentliche und private Ausbildungsträger. — Für die Zukunft ist sicherzustellen, daß in den Gebieten, in denen Beschäftigungsmöglichkeiten fehlen, nicht auch die Ausbildungsmöglichkeiten besonders knapp sind. Es sollten daher für solche Gebiete gezielt und auf bestimmte Orte konzentriert zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten bereitgestellt werden. — Die Einführung eines Berufsgrundbildungajahres erscheint notwendig, um einer zu frühen Spezialisierung in der Erstausbildung entgegenzuwirken. Das Berufsgrundbildungsjahr sollte sowohl in rein schulischer Form als auch in Kooperation von Betrieb und Schule durchgeführt werden. — In einer zeitlich verkürzten Erstausbildung sollen eine breite Grundbildung und Qualifikationen vermittelt werden, die sowohl an der aktuellen Brauchbarkeit orientiert sind, als auch Mit-und Umdenken fördern und die Voraussetzungen für späteres Weiterlernen schaffen. Das Weiterbildungsangebot ist auszubauen und zeitlich und örtlich stärker auf die bisher in der Weiterbildung unterrepräsentierten Gruppen abzustellen. — Für eine bessere Abstimmung zwischen dem Bildungs-und Beschäftigungssystem sollte ein Personalinformationssystem aufgebaut werden, das sowohl die Qualifikationsmerkmale der aus dem Bildungs-in das Beschäftigungssystem übertretenden als auch Substitutions-und Mobilitätsprozesse nach Umfang, Beruf und Qualifikationsniveau erfaßt. Die Daten sollten bei der Bundesanstalt für Arbeit zusammengeführt werden.

Die Mehrzahl der Jugendlichen durchläuft nach Abschluß der Sekundarstufe I des Bildungssystems einen beruflichen Bildungsgang. Deshalb und angesichts der permanenten Vernachlässigung dieses Bildungsbereichs erscheint der Kommission eine bevorzugte Förderung der beruflichen Bildung unerläßlich. Diese Förderung ist auch darum besonders dringlich, weil durch die begrenzten Kapazitäten im Hochschulbereich von den starken Geburtsjahrgängen eine zunehmende Zahl von Abiturienten in das Berufsbildungssystem gedrängt werden könnte. Dadurch würden sich die Ausbildungschancen der übrigen Schulabsolventen, deren Zahl ebenfalls zunimmt, noch verschlechtern. Die Kommission tritt dafür ein, die Verlagerung der Finanzierungsströme innerhalb des Bildungsbudgets zielstrebiger zugunsten der beruflichen Bildung voranzutreiben, da die bisher von der Bildungsplanung vorgelegten Kosten-ansätze für diesen Bereich die dringend erforderlichen Maßnahmen nur ungenügend abdekken. Dies gilt um so mehr, als die Schülerzahlen in diesem Bereich weniger stark zurückgegangen sind und auch im Planungszeitraum auf einem höheren Niveau bleiben werden, als dies von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung 1973 in ihrer Kosten-und Finanzierungsplanung angenommen worden war.

Die Kommission regt an, — die Finanzierung des Aus-und Neubaus von analog der entsprechenden Berufsschulen Hochschulfinanzierung zur Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern zu erklären;

— die Finanzierung der betrieblichen Berufsausbildung grundsätzlich den einzelnen Unternehmen zu belassen. Dies schließt nicht aus, daß die Wirtschaft auch Umlageverfahren praktiziert, um die Einrichtung und Unterhaltung überbetrieblicher Ausbildungsstätten zu finanzieren;

— die einzelbetriebliche Finanzierung der Berufsausbildung durch direkte und indirekte staatliche Hilfen zu ergänzen, sofern dies zu einem Abbau von Schwächen und Lücken der betrieblichen Ausbildung beiträgt.

4. Gezielte Hilfen für Problemgruppen

An den Übergängen vom Bildungs-ins Beschäftigungssystem oder/und bei der Arbeitsvermittlung bestehen besondere Schwierigkeiten für einzelne Bevölkerungsgruppen. Es handelt sich dabei um — Ungelernte, Sonderschüler, Jugendliche ohne Hauptschulabschluß und Jugendliche mit Lern-und Verhaltensschwächen, — geistig und körperlich Behinderte, — ältere Arbeitnehmer, — ausländische Arbeitnehmer, — Frauen.

Die Kommission gibt Anregungen für gezielte Hilfen (die hier aus Platzgründen nicht wiedergegeben werden können).

In der Bundesrepublik Deutschland besitzen durchschnittlich 20 v. H.der Jugendlichen, die nach Erfüllung ihrer Vollzeitschulpflicht aus der Schule entlassen werden, keinen Hauptschulabschluß. Auf die Schülergesamtzahl eines Geburtenjahrganges umgerechnet bedeutet dies, daß etwa 15 v. H. aller Jugendlichen nicht den Hauptschulabschluß erreichen. Die Mehrzahl der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß erhält keine Berufsausbildung und ist deshalb dem konjunkturellen Risiko besonders ausgesetzt. Aber auch konjunkturunabhängigen innerbetrieblichen Veränderungen steht der ungelernte Jugendliche aufgrund seiner zumeist mangelhaften geistigen Flexibilität, die wiederum großenteils aus seiner fehlenden beruflichen Grundlagenbildung resultiert, unvorbereitet und hilflos gegenüber. Die von der Kommission empfohlenen Maßnahmen zur Hilfe und Förderung jugendlicher Ungelernter betreffen den Bereich der Grund-und Hauptschule (zum Beispiel Früherkennung, Frühförderung, Überprüfung der Lernziele und Lehrmethoden, Ausbau der Arbeitslehre), die berufliche Ausbildung und das Nachholen beruflicher Erstausbildung im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen.

Bei den geistig und körperlich Behinderten kommt es darauf an, möglichst frühzeitig (drohende) Behinderungen zu erkennen, ihnen wirksam zu begegnen und den Behinderten spezifische Hilfen für ihre Eingliederung in das gesellschaftliche Leben anzubieten. Die sich daraus ergebenden Forderungen beziehen sich insbesondere auf Früherkennung, Frühförderung und schulische sowie berufliche Förderung. Dabei ist von vornherein von dem Grundsatz auszugehen, daß Selektionsund Isolationstendenzen bei allen gesellschaftlichen und staatlichen Förderungsmaßnahmen soweit wie möglich überwunden werden müssen. Ältere Arbeitnehmer werden überproportional durch Betriebsstillegungen arbeitslos. Ihre gesetzliche und tarifvertragliche Absicherung führt dazu, daß sie in der Zeit des konjunkturellen Rückgangs zunächst einem geringeren Arbeitsplatzrisiko ausgesetzt sind als jüngere. Aufgrund ihrer längeren Betriebszugehörigkeit sind sie bei Personalabbau besser gegen Kündigung gesichert und scheuen davor zurück, durch frühzeitigen Arbeitsplatzwechsel einer Arbeitslosigkeit vorzubeugen. Sind sie aber einmal arbeitslos, ist es schwieriger für sie, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Zur Wiedereingliederung oder zur weiteren Beschäftigung älterer Arbeitnehmer kann über den Ausbau des betrieblichen Instrumentariums der Personalplanung sowie über die Gestaltung der Arbeitsplätze und der Arbeitsbedingungen beigetragen werden. Dazu gehört auch die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen und eines speziell auf Ältere abgestellten Weiterbildungsangebots.

Für den starken Zustrom ausländischer Arbeitnehmer war die in der Bundesrepublik vorhandene Infrastruktur nicht genügend ausgebaut. Es wurden auch keine Programme entwickelt, die den besonderen Bedürfnissen der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien Rechnung trugen. Eine bessere wirtschaftliche, soziale und kulturelle Integration sollte angestrebt werden, insbesondere über den Familienwohnungsbau für ausländische Arbeitnehmer und durch gezielte Eingliederungshilfen für deren Kinder. Auf keinen Fall sollte der Bedarf an ausländischen Arbeitnehmern durch ständige Rotation gedeckt werden, wenn im Inland bereits ausländische Arbeitnehmer vorhanden sind. Die menschlichen Probleme, die durch erzwungene Rotation entstehen, sind nicht vertretbar. ,

Eine längerfristige Strategie zur Herstellung der Chancengleichheit der Frau in allen Lebensbereichen muß eine stärkere Beteiligung der Mädchen an der beruflichen Erstausbildung, an der weiterführenden Bildung und an kontinuierlicher Weiterbildung anstreben. Bessere Ausbildung für Frauen ist eine entscheidende Voraussetzung für den Abbau der Lohn-und Gehaltsdifferenzen zwischen Frauen und Männern im Arbeitsleben und für die Verbesserung der beruflichen Aufstiegschancen der Frauen. Die mangelhafte und einseitig auf typische Frauenberufe orientierte Ausbildung ist ein wesentlicher Grund dafür, daß Frauen trotz der Abschaffung der besonderen Frauenlohngruppen vorwiegend in den unteren Lohngruppen vertreten sind sowie dafür, daß in typischen Frauenberufen meistens relativ wenig verdient wird. Die Berufsorientierung in der Schule und die Berufsberatung der Arbeitsverwaltung müssen verstärkt darauf angelegt werden, das Berufswahlspektrum durch bewußte Änderung des Rollenverständnisses der Frau zu erweitern und die Mädchen für qualifizierte, insbesondere auch für gewerblich-technische Ausbildungsgänge zu motivieren.

Mit Rücksicht darauf, daß Frauen häufig nicht kontinuierlich einer Beschäftigung nachgehen, muß die Berufsberatung auf die langfristige Verwertbarkeit von Berufsqualifikationen achten, so daß Unterbrechungsperioden möglich sind. Zugleich sind langfristige Beschäftigungs-und Karrieremuster für Frauen zu entwickeln, die auch Zeiträume mit Teilzeit-oder nicht kontinuierlicher Beschäftigung vorsehen. Dem Staat kommt als Anbieter von Ausbildungs-und Beschäftigungsmöglichkeiten dabei eine wichtige Vorbildfunktion zu.

VII. Verteilung und soziale Sicherung

1. Einkommens-und Vermögensverteilung

Im Mittelpunkt von Diskussionen über die Einkommens-und Vermögensverteilung stehen immer wieder die Entwicklungen der Lohn-und der Gewinnquote. Die Bruttolohnquote (= Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit in v. H.des Volkseinkommens) stieg im Laufe von 20 Jahren von 59, 3 v. H. (1955) auf 71, v. H. (1975) 4). Diese Zunahme war allerdings zum großen Teil dadurch bedingt, daß der Anteil der abhängig Beschäftigten an den Erwerbstätigen sich bedeutend erhöht hat. Berücksichtigt man die Änderungen in der Beschäftigtenstruktur durch die Berechnung einer entsprechend bereinigten Bruttolohnquote, so zeigt sich ein weitaus geringerer Anstieg von 61, 7 v. H. im Jahre 1955 auf 65, 2 v. H. im Jahre 1975 4). Immerhin besagt dieser Zahlenvergleich, daß im Zeitraum von 1955 bis 1975 die Pro-Kopf-Lohneinkommen der Arbeitnehmer überproportional gegenüber dem Durchschnittseinkommen aller Erwerbstätigen gestiegen sind.

Um alle Arbeitseinkommen am Volkseinkommen zu messen, müssen auch die Arbeitseinkommen der Selbständigen hinzugerechnet werden. Da letztere aber statistisch nicht ermittelt werden, wird einfach das Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer auch als durchschnittliches Arbeitseinkommen für die Selbständigen eingesetzt. Entsprechend problematisch ist der Aussagewert der soge-nannten Bruttoarbeitsquote (Bruttoarbeitseinkommen aller Erwerbstätigen in v. H.des Volkseinkommens). Die Bruttoarbeitsquote stieg von 80, 5 v. H. im Jahre 1955 auf 84, 5 v. H. im Jahre 1975 4).

Die Konzentration auf die Diskussion von Quoten ist das Ergebnis einer vollkommen unzureichenden Verteilungsstatistik. Diese spezielle Ausrichtung der Verteilungsauseinandersetzungen hat die Ausblendung wichtiger Verteilungsdimensionen und spezieller Randgruppenprobleme aus der gesellschaftspolitischen Diskussion gefördert. Aus einer Erhöhung der Lohnquote kann zum Beispiel nicht ohne weiteres auf eine bessere Verteilung der Bedarfsdeckungsmöglichkeiten geschlossen werden. Man erhält keine Hinweise über den Leistungsbezug der Einkommen, über die den Lebensstandard mitbestimmende Verteilung öffentlicher Güter und weiteres mehr.

Sollen die verteilungspolitischen Auseinandersetzungen sachlicher und rationeller werden, muß für größere Transparenz der Verteilung und für bessere theoretische Grundlagen der Verteilungspolitik gesorgt werden. Die Kommission betont ausdrücklich, daß nur die Beachtung der zahlreichen Dimensionen des Verteilungsziels die Verteilungsproblematik in voller Breite transparent macht. Die sozial wichtigsten Dimensionen sind: — die Verteilung der Möglichkeiten für die Haushalte, ihren Bedarf zu decken — bezogen sowohl auf private als auch auf öffentliche Güter; — die subjektive Bewertung der Bedarfsdekkungsmöglichkeiten durch die Haushalte; — der Umfang der Armut, d. h. die Größe jenes Teils der Bevölkerung, dessen Einkommen unter der Grenze liegt, die von der Gesellschaft als Mindesteinkommen betrachtet wird; — die Leistungsangemessenheit der im Pro-, duktionsprozeß erzielten Einkommen (gemessen an allgemein anerkannten Kriterien); — die Leistungsangemessenheit der Einkommen nach subjektiver Einschätzung der Einkommensbezieher unter den Aspekten der Fairneß, Angemessenheit oder Gerechtigkeit; Erst wenn diese Dimensionen als Teilziele einer gerechten Einkommensverteilung gelten und im politischen Raum eine Einigung über die sozial wichtigsten Zieldimensionen erreicht ist, werden in der Verteilungspolitik Beziehungen zwischen ihnen ausdrücklich berücksichtigt. Unternehmer und Gewerkschaften werden sich zwar über die anzustrebenden Zielwerte nicht einigen können, aber — die Stetigkeit und Sicherheit des Einkommensstroms. schon die Einigung auf die genannten Zielkategorien schafft die Voraussetzung für eine rationale Diskussion der entstehenden Konflikte.

Die Kommission schlägt eine Reihe von Verteilungsindikatoren vor, die über das Wachstum des gesamtwirtschaftlichen Einkommens-niveaus, über die Ungleichmäßigkeit der Bedarfsdeckungsmöglichkeiten der Haushalte, über das Ausmaß der Armut bzw.der relativen Unterversorgung, über die Leistungsangemessenheit der Einkommen, über die Stetigkeit und Sicherheit des Einkommensstroms sowie über die Vermögensverteilung Auskunft geben. Wenn diese Indikatoren regelmäßig mit Hilfe einer von der Kommission vorgeschlagenen geschlossenen Verteilungsrechnung ermittelt werden, läßt sich ein zusammenfassender Überblick über die Verteilungssituation und etwaige Veränderungstendenzen gewinnen. Die Kommission stützt sich dabei auf einen von ihr an H. -J. Krupp vergebenen Forschungsauftrag, dessen diesbezügliche Ergebnisse sie sich weitgehend zu eigen macht und in der Anlage ihres Gutachtens wiedergibt

In einem integrierten Mikrodatenfile sollen die vorhandenen und die zusätzlich zu erhaltenden Informationen zusammengeführt werden. Das Mikrodatenfile erlaubt es, je nach Art der Fragestellung unterschiedlich abgegrenzte Bevölkerungsgruppen zu bilden (Personen oder Haushalte beliebig nach sozialen Stellungen, Altersklassen, Wirtschaftszweigen, Einkommensschichtungen, Berufsgruppen, Geschlecht, Nationalität und ähnlichem; Haushalte zusätzlich nach der Haushaltsgröße und der Zahl der Einkommensbezieher oder der Zahl der Erwerbstätigen).

Für die Bundesrepublik Deutschland steht kein quantifiziertes und empirisch gehaltvolles Theoriesystem zur Verfügung, mit dessen Hilfe die Verteilungswirkungen wirtschaftsund gesellschaftspolitischer Maßnahmen analysiert werden können. Deshalb müssen die bisher fehlenden theoretischen Grundlagen zur Beurteilung verteilungspolitischer Maß-nahmen durch die Entwicklung eines in den Kreislaufzusammenhang eingebundenen mikroanalytischen Simulationssystems geschaffen werden, wobei aber ein solches System hinsichtlich seiner Implikationen hinreichend transparent gehalten werden muß.

Bei der theoretischen Durchdringung von Struktur-und Verteilungsfragen handelt es sich um Großforschung. Die Kommission schlägt vor, diese Aufgabe einem wissenschaftlich unabhängigen Institut — am besten im Rahmen der Max-Planck-Gesellschaft — zu übertragen. Da bei Großforschung wegen der komplizierten Methoden die Gefahr entsteht, daß die Ergebnisse nicht vollständig transparent sind, fordert die Kommission, daß Methoden, Datenbasis und Ergebnisse der interessierten Öffentlichkeit zugänglich sein sollen.

2. Sozialpolitik

Aufgabe der Sozialpolitik ist es, allen Mitgliedern der Gesellschaft Schutz und Sicherung gegen Not und Mangellagen zu gewährleisten, zur Verringerung von Ungleichheiten der Lebenschancen beizutragen und durch präventive Maßnahmen einer Verschlechterung der Lebenslagen vorzubeugen. Der Grad der Sicherung ist von den geltenden gesellschaftspolitischen Normen hergeleitet. Angesichts des ständigen wirtschaftlichen und sozialen Wandels müssen die Instrumente, Institutionen und Strukturen der Sozialpolitik immer wieder überdacht und den sich wandelnden Anforderungen angepaßt werden.

Zwischen dem Leistungsverhalten des einzelnen Bürgers und seiner sozialen Sicherung bestehen wichtige Zusammenhänge. Soziale Sicherheit ist eine unerläßliche Voraussetzung für die Entwicklung des Leistungsstrebens. Der einzelne kann durch Leistung seinen sozialen Status absichern und verbessern.

Maßnahmen der sozialen Sicherung können diesen Leistungsanreiz jedoch abschwächen.

Hierin ist ein grundlegendes Dilemma der Sozialpolitik zu sehen. Welcher der beiden Gesichtspunkte Vorrang hat, ist im Einzelfalle derpolitisch zu entscheiden.

Die Sozialleistungen sind während der letzten 25 Jahre ständig gestiegen. In den 70er Jahren wuchsen die Einkommensübertragungen sowie die Sach-und Dienstleistungen in der sozialen Sicherung sogar überproportional zum Sozialprodukt. Dieser Entwicklung liegt eine gesetzliche Erweiterung des Leistungskatalogs, die Befriedigung eines Nachholbedarfs, der Anstieg von Krankheitshäufigkeiten, der medizinische Fortschritt u. a. zugrunde. Neue Tatbestände der sozialen Sicherung, die Dynamisierung der sozialen Leistungen, die Vergrößerung des in die soziale Sicherung einbezogenen Personenkreises sowie Veränderungen der Bevölkerungsstruktur sind Gründe für eine weitere Ausdehnung der Sozialleistungen auch auf längere Sicht. Es stellt sich die Frage nach den Grenzen der Sozialpolitik und nach einer Entscheidung darüber, ein wie großer Teil des Volkseinkommens für Leistungen der sozialen Sicherheit verwendet werden soll. Eine generelle Aussage über Grenzen der Belastbarkeit der Bürger, der Betriebe und der Volkswirtschaft läßt sich nach Auffassung der Kommission nicht treffen. Auf längere Sicht hängt die Bereitschaft des Bürgers, hohe Sozialbeiträge zu entrichten (die durchschnittliche Belastung der Bruttolöhne und -gehälter mit Arbeitnehmerbeiträgen zur Finanzierung von Sozialleistungen stieg von 9, 1 v. H. 1964 auf ca. 12, 2 v. H. im Jahre 1975), davon ab, daß er den Zusammenhang zwischen dem Aufwand und der Qualität der Leistungen des Systems der sozialen Sicherung klarer erkennen kann, als dies bisher der Fall war.

In der gegenwärtigen Situation zeigen sich deutliche politische Widerstände gegen ein weiteres Ansteigen der Sozialabgaben. Von allen Beteiligten muß über Effektivität und Effizienz des Systems der sozialen Sicherung nachgedacht werden. Aus den hohen Belastungen darf nach Auffassung der Kommission keineswegs der Schluß gezogen werden, daß das gegenwärtige System sozialer Sicherung in seiner derzeitigen Form festzuschreiben sei. Kurzfristig sollten schwerwiegende Mängel des Systems behoben werden können; mittel-und langfristig sollte ein Ausbau des Systems sozialer Leistungen nicht ausgeschlossen sein. Besondere Dringlichkeit mißt die Kommission der Beseitigung der Armut, der Schließung von Lücken in der Versorgung Älterer, einem verstärkten Engagement für soziale Randgruppen sowie der Fortentwicklung des Systems der Gesundheitssicherung bei.

Trotz des gestiegenen Wohlstands gibt es in der Bundesrepublik noch Armut im Sinne einer materiell unzureichenden Mindestversorgung. Ausgehend von den gesellschaftlichen Normvorstellungen über die materielle Mindestversorgung, den Sozialhilfesätzen, gelangte eine Schätzung für das Jahr 1974 zu dem Ergebnis, daß 1, 7 v. H.der Bevölkerung in Haushalten mit einem Einkommen unterhalb der Armutgrenze lebt. Weitaus höhere Zahlen brachte eine Modellrechnung des Sozialministers von Rheinland-Pfalz.

Zur Beseitigung der Armut könnte entweder eine Mindestrente eingeführt oder die Sozialhilfe ausgebaut werden. Gegen die Rentenlösung sprechen die zusätzlichen Belastungen der Rentenversicherung, die zu Beitragserhöhungen führen müßten und die völlige Umstellung der nach dem Versicherungsprinzip aufgebauten Rentenversicherung. Außerdem würde die Mindestrente nur beim Erreichen der Altersgrenze, bei Berufs-und Erwerbsunfähigkeit zum Tragen kommen, in den anderen Fällen müßte doch wieder die Sozialhilfe eingreifen. Auch wenn aus den genannten Gründen die Schaffung einer Mindestrente nicht zu empfehlen ist, so ist doch die Fort-entwicklung der Rentenversicherung erforderlich, um den Anteil der Bevölkerung, der auf eine Grundsicherung angewiesen ist, zu verringern.

Die Kommission sieht im Ausbau der Sozialhilfe den besseren Weg. Allerdings müssen die psychischen Hemmungen abgebaut werden, die heute vielfach noch einer Inanspruchnahme der Sozialhilfe entgegenstehen. Dem Sozialhilfeempfänger sollte das Bewußtsein vermittelt werden, daß er auf die empfangene Leistung ebenso einen Rechtsanspruch hat wie der Rentner auf seine Rente.

Gegenwärtig haben Sozialhilfeträger die Möglichkeit, Ansprüche gegen Unterhaltspflichtige auf sich überzuleiten. Dieser Umstand verstärkt den Almosencharakter von Sozialhilfe. Besonders alte Leute fürchten, daß gegenüber ihren Kindern Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden und haben deshalb Hemmungen, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Kommission empfiehlt, auf Ansprüche gegenüber Unterhaltspflichtigen zu verzichten, soweit es sich bei den Sozialhilfeempfängern um Erwachsene handelt, die ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben (ab vollendetem 27. Lebensjahr). Der Ausbau der Grundsicherung über die Sozialhilfe würde jährliche Zusatzausgaben von etwa 1, 5 Mrd. DM erforderlich machen. Verzichtet man auf die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, so wäre mit jährlichen Mehrausgaben von ca. 2, 6 Mrd. DM zu rechnen.

Es ist nicht zu übersehen, daß ein völliger Verzicht auf Unterhaltsansprüche auch negative Auswirkungen haben würde. Die Sozialhilfe würde weitgehend auch in solchen Fällen in Anspruch genommen, in denen die Familienbeziehungen intakt sind, der Unterhalt gewährleistet ist und die Gefahr des Absinkens unter die Armutsgrenze faktisch gar nicht besteht. Bei der Abwägung aller Argumente hält die Kommission jedoch die Beseitigung der Armut für den ausschlaggebenden Gesichtspunkt.

In der Bundesrepublik Deutschland ist noch eine große Lücke an materieller und immaterieller Alterssicherung zu schließen. Diese Lücke vergrößert sich zunächst noch, da der Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung bis 1980 zunimmt (anschließend auf die jetzige Höhe zurückgeht und dort stagniert). Für die mit zunehmendem Alter in der Regel wachsende Hilfsbedürftigkeit alter Menschen reichen Geldleistungen nicht aus. Zusätzlich ist ein System von Maßnahmen und Einrichtungen der Altenhilfe zur Unterstützung einer aktiven Lebensgestaltung entsprechend den Bedürfnissen der alten Menschen erforderlich.

Die materielle Alterssicherung beruht auf einem viergliederigen System, dessen Teile sich gegenseitig ergänzen:

— Grundsicherung, die nach dem Finalprinzip gestaltet ist und in Form der Sozialhilfe unter einschränkenden Bedingungen (Subsidiarität, Bedürfnisprüfung) gewährt wird;

— Rentenversicherung, in der die Arbeitnehmer grundsätzlich Pflichtmitglied sind, nach dem Äquivalenzprinzip;

— Betriebliche Altersversorgung;

— Privates Sparen in verschiedener Form. Die gesetzliche Rentenversicherung ermöglicht nach 40 Versicherungsjahren bei einem Durchschnittseinkommen zwar Renten, die knapp 6Ö v. H.des Nettoarbeitsentgelts ausmachen. Jedoch sind diese Voraussetzungen sehr häufig (bei weniger Versicherungsjahren oder bei unterdurchschnittlichem Lebenseinkommen) nicht erfüllt. So wiesen 1975 zum Beispiel 29 v. H.der männlichen Altersrentner weniger als 35 anrechenbare Versicherungsjahre auf; bei den weiblichen Arbeitnehmern lag dieser Anteil bei ca. 65 v. H. in der Angestelltenversicherung, und sogar bei ca. 79 v. H. in der Arbeiterrentenversicherung. Am l. Juli 1975 betrugen 12, 5 v. H.der von der Arbeiterrentenversicherung an Männer gezahlten Erwerbsunfähigkeits-und Altersrenten weniger als 400, — DM, bei Frauen sogar 72, 4 v. H. (Allerdings sind evtl, weitere Renten aus anderen Quellen dabei nicht berücksichtigt.)

Die an die Erwerbstätigkeit anknüpfende gesetzliche Rentenversicherung wirkt sich insbesondere zu Lasten der nicht erwerbstätigen Frauen aus. Alleinlebende ältere Frauen bilden deshalb die größte Gruppe der Personen mit dem geringsten Versorgungsniveau. Aber auch bei Frauen, die ganz oder teilweise erwerbstätig waren, erweist sich häufig die Altersrente als unzulänglich. Nachteile entstehen für sie insbesondere durch die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen in der Vergangenheit, durch die früher mögliche Heiratsrückerstattung und durch die ungleiche Behandlung bestimmter Ausfallzeiten.

Um die gesellschaftlich hoch einzuschätzende Kindererziehung anzuerkennen, sollten die ersten drei Jahre der Kindererziehung der das Kind betreuenden Person rentenrechtlich als Beitragszeit angerechnet werden. Die Beiträge sollten aus Steuermitteln im Rahmen des Familienlastenausgleichs gezahlt werden. Weitere Empfehlungen der Kommission betreffen die Aufhebung von Benachteiligungen durch die frühere Heiratserstattung, die Einführung einer bei Männern und Frauen faktisch gleichen Pauschalbewertung der Ausbildungszeiten und der ersten 5 Kalenderjahre in der Rentenversicherung sowie die Renten nach Mindesteinkommen.

Neben der Rentenversicherung tragen noch betriebliche Altersversorgung und freiwillige Eigenvorsorge zur sozialen Sicherung im Alter bei. Die Kommission spricht sich für wirksame Unterstützung der Eigeninitiative aus und macht Vorschläge zur steuerlichen För43 derung des Sparens, wobei sie die Ausrichtung der Sparförderung auf mittlere und untere Einkommensschichten bejaht.

Um älteren Menschen möglichst lange eine selbständige Lebensführung zu ermöglichen, ist neben der materiellen Sicherung auch die Bereitstellung von Wohnungen und von — ihren Bedürfnissen entsprechenden — Dienstleistungen notwendig. Der bisherige Schwerpunkt bei Einrichtungen der Altenhilfe liegt bei der geschlossenen Hilfe, die den alten Menschen in einen Zustand der Isolierung, Abhängigkeit und Passivität führen können. Daher sollte der offenen oder halboffenen Altenhilfe der Vorrang vor der geschlossenen gegeben werden, die oft vermeidbar wäre, wenn ausreichend ambulante Hilfen und soziale Dienste zur Verfügung stünden und altersgerechte Wohnungen zu erschwinglichen Preisen angeboten werden könnten.

Ein entsprechender Ausbau der Altenhilfe wird empfohlen. Organisatorische Grundlage dafür sollten regionale Arbeitsgemeinschaften der Hilfe-und Leistungsträger (kommunale Dienststellen, Verbände der freien Wohlfahrtspflege, Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Sozialversicherungsträger, Kirchengemeihden, kommunale Sozialverwaltungen, Arbeitsämter u. a.) bilden. Diese Arbeitsgemeinschaften sollten sich insbesondere mit Abstimmung von Planungsvorhaben, Bedarfsanalysen und Bedarfsplanung, Beratung und Information, Initiierung und Überwachung von Modellvorhaben und Aufgabenverteilung befassen. Öffentliche Zuschüsse an die Beteiligten sollten von dem Umfang ihrer Mitarbeit abhängig gemacht werden.

Soziale Sicherung konzentriert sich in der Bundesrepublik auf die Abdeckung der Risiken des normalen erwerbstätigen Bürgers. Not und Mangellagen von Personen, die den geltenden Leistungsanforderungen nicht entsprechen, sind großenteils unbewältigt (zum Beispiel bei körperlich und geistig Behinderten, Heimkindern und Jugendlichen in Anstalten, Obdachlosen, Spätaussiedlern, Strafentlassenen, Suchtkranken).

Obwohl in den letzten Jahren die Notlagen sozialer Problemgruppen zunehmend Beachtung gefunden haben, bleibt noch viel zu tun. Die Kenntnisse über Ausmaß und Ursachen derartiger Problemlagen sind unzureichend.

Systematische empirische Forschungsarbeiten zur Aufhellung von Problemen und zur Erarbeitung von Problemlösungen sind dringend erforderlich.

3. Gesundheitssicherung

Einen weiteren vorrangigen Schwerpunktbereich für sozialpolitische Maßnahmen sieht die Kommission in der Fortentwicklung des Systems der medizinischen Versorgung mit dem Ziel einer umfassenden Gesundheitssicherung im Sinne der Erhaltung und Wiederherstellung von Gesundheit. Dies kann nicht ohne die aktive und selbstverantwortliche Mitwirkung jedes einzelnen erreicht werden. Die Bereitschaft und Fähigkeit dazu bedürfen der Förderung.

Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und die verbesserten Arbeits-und Lebensbedingungen haben einerseits zu einer allgemeinen Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse und zu einer Steigerung der Lebenserwartung beigetragen. Andererseits bergen die Lebens-und Arbeitsbedingungen der modernen Industriegesellschaft aber auch neue Gefahren für die Gesundheit. Die Ergebnisse der sozial-medizinischen Forschung weisen darauf hin, daß die Wirkungen des medizinischen Fortschritts in großem Maße durch verhaltens-und umweltbedingte gesundheitliche Schädigungen aufgehoben werden. Das Krankheitsspektrum wandelt sich entsprechend.

Das bestehende Angebot an Gesundheitsleistungen in der Bundesrepublik ist nicht hinreichend funktional aufeinander abgestimmt. Hervorzuheben sind insbesondere die starre Trennung ambulanter und stationärer ärztlicher Versorgung sowie die Unterschiede in der Versorgung verschiedener Bevölkerungsgruppen, die ungleiche regionale Verteilung der Ärzte, Fehlbelegungen in Krankenhäusern und vermeidbare Doppel-und Mehrfachleistungen. Das bestehende Versorgungssystem ist vorwiegend kurativ (Behandlung von Krankheiten) orientiert; eine stärkere präventive Ausrichtung (Vorsorge und Früherkennung von Krankheiten) ist erforderlich. Von den modernen Möglichkeiten der Dokumentation, der Informationsspeicherung und der Informationsverarbeitung wird noch nicht in befriedigendem Umfang Gebrauch gemacht. Ein gravierendes Problem der Gesundheitssicherung sind die steigenden Kosten. Die Wirtschaftlichkeitsfrage erhält damit erhöhte Bedeutung. Bei neuen gesundheitspolitischen Maßnahmen, die zu weiteren Belastungen führen, müssen daher Prioritäten gesetzt werden. Die Kommission hält für wesentlich, daß die bis heute weitgehend autonom nebeneinander arbeitenden Teilbereiche des Gesundheitssystems besser aufeinander abgestimmt und enger miteinander verbunden werden. Sie empfiehlt Modellversuche zur Erprobung neuer Formen der Kooperation zwischen verschiedenen Institutionen, insbesondere auf den Gebieten der vorstationären Diagnostik und der nachstationären Behandlung durch Krankenhäuser. Erprobt Werden sollten zentrale medizintechnische Zentren, die mit den modernsten Geräten ausgestattet sind und ihre Leistungen den behandelnden Ärzten in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens zur Verfügung stellen. Wichtig erscheint der Kommission weiter die Entwicklung eines zentralen Informations-und Dokumentationssystems; sie empfiehlt die Intensivierung und rasche Ausweitung der laufenden Modellversuche auf diesem Gebiet. Zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung hält die Kommission eine Bedarfsplanung für die ambulante und stationäre Versorgung nach bundes-einheitlichen Kriterien für notwendig. Besondere Bedeutung kommt in Zukunft der Präventivmedizin zu. Vorrang verdienen Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennungsmaßnahmen, deren Anwendung den größten Erfolg für große Bevölkerungsgruppen verspricht.

Im Bereich der Arzneimittelversorgung wird kritisiert, daß das Angebot sehr groß und unübersichtlich ist, daß wegen mangelnder Kenntnis der Zusammensetzung und Wirkung der Arzneimittel Preisvergleiche sehr schwierig sind und daß es in gewissen Bereichen Anbieter mit dominierenden Marktpositionen gibt. Zur Verbesserung der Transparenz auf dem Arzneimittelmarkt empfiehlt die Kommission, aus Vertretern der Industrie, der Ärzte, der Apotheker und der Krankenversicherungen ein Gremium zu bilden, das sich mit der Sammlung und Aufbereitung von Informationen über therapeutisch-wirtschaftliche Vergleiche befaßt. Unübersehbar ist die Funktionsweise des Arzneimittelmarkts durch eine bei anderen Märkten nicht übliche Rollenverteilung auf der Nachfrageseite geprägt: Verbraucher ist der Patient, die Verbraucher-entscheidung liegt beim Arzt, den Preis bezahlt die Krankenkasse. Diese Rollenverteilung erschwert den Ablauf marktwirtschaftlicher Regelungsprozesse und schwächt die Nachfrageposition. Die Kommissionsmehrheit spricht sich dafür aus, daß die Monopolkommission ein besonderes Gutachten über den Arzneimittelmarkt erstattet. Eine Minderheit ist dagegen der Ansicht, daß es ausreicht, wenn die nach dem jüngst erlassenen „Gesetz über Regelungen auf dem Arzneimittelmarkt" einzusetzende „Transparenzkommission" den Mängeln des Arzneimittelmarkts nachgeht.

Die Kommission empfiehlt, die ärztliche Gebührenordnung als Steuerungsinstrument zu nutzen. Die Struktur der Gebührenordnung sollte bundeseinheitlich festgelegt und von einem die Bundesregierung beratenden Beirat periodisch dem Stand von Wissenschaft und Technik angepaßt und laufend auf mögliche Fehlanreize überprüft werden. Die Punktwerte der Leistungen nach der Gebührenordnung sollten in zentralen Honorarverhandlungen zwischen den Spitzenverbänden der Krankenversicherung und der Ärzteschaft nach bundeseinheitlichen Kriterien festgelegt werden. Für die Benutzerkosten der Krankenhäuser empfiehlt die Kommission eine Aufteilung in Diagnose-, Therapie-und Hotelkosten. Mit wachsender Verweildauer sollten die Sätze — der Kostenentwicklung folgend — herabgesetzt werden.

Die Steuerung des Gesundheitssystems wird dadurch erschwert, daß der Zusammenhang zwischen Kosten und Leistungen für die Betroffenen kaum mehr erkennbar und fühlbar ist. Eine Kommissionsmehrheit spricht sich deshalb für eine Kostenbeteiligung des Leistungsempfängers aus, die allerdings in einem sozial vertretbaren Rahmen gehalten sein muß.

Soweit die Durchsetzung gesundheitspolitischer Ziele mit den Instrumenten der Bedarfs-planung und der indirekten Lenkung, zum Beispiel über die Gebührenordnung, nicht gelingt, sollte auch der Einsatz direkter Lenkungsmittel grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden.

VIII. Gestaltung der Arbeitsbedingungen

Mit dem wirtschaftlichen und sozialen Wandel ist eine Veränderung der Bedürfnisstruktur einhergegangen, die sich auch bei den Anforderungen an die Gestaltung der Arbeitsbedingungen auswirkt. Natur-und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse ermöglichen es zunehmend, die Organisation des Arbeitsprozesses und das soziale Umfeld des Arbeitsplatzes den Bedürfnissen des Menschen anzupassen. Das hohe materielle Versorgungsniveau erleichtert die Entscheidung, Arbeitsbedingungen nicht nur nach technischen und ökonomischen Gesichtspunkten zu gestalten. Allerdings kann eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu Lasten der Produktivität gehen. In diesem Fall ergeben sich Bewertungsprobleme. Die Kommission spricht sich dafür aus, daß die individuellen Bedürfnisse des Menschen gleichrangig neben den technischen wirtschaftlichen Erfordernissen gesehen werden. Für die Bewertung gibt es keine objektiven Maßstäbe. Da Probleme der Arbeitsbedingungen konkret im Betrieb auftreten, lassen sie sich am besten an Ort und Stelle regeln. Das kann zum Beispiel über Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge geschehen. Für die Analyse und Bewertung der Arbeitsbedingungen sind gegenwärtig weder die Einzelaspekte untersuchende Arbeitswissenschaft noch die Praktiker ausreichend gerüstet. Die Kluft zwischen dem vorzeitigen Vorgehen der einzelnen Wissenschaften, die sich mit der menschlichen Arbeit befassen, und den Erfordernissen einer problemorientierten und integrierten Sichtweise ist noch beträchtlich. Die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit der menschlichen Arbeit befassen — wie zum Beispiel die Medizin, die Soziologie, die Psychologie und die Ergonomie — müssen Methoden entwickeln, die ein Zusammenwirken bei der Lösung spezifischer Problemstellungen ermöglichen. Dabei ist davon auszugehen, daß konkrete Veränderungen der Arbeitsbedingungen nicht nur intensive Forschung erfordern, sondern daß die Umsetzung in betriebliche Realität Lösungsmöglichkeiten zur Austragung der unvermeidlich auftretenden Konflikte einbezieht, wie sie etwa bei Veränderungen von Lohnformen, durch veränderte Aufgabenstellungen oder durch neue

Vorschläge für Arbeitszeitregelungen entstehen. Um die Beziehung von Theorie und Praxis zu intensivieren, müssen Praktiker aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen in die Wissenschaft einbezogen werden. Mit der Neuorientierung der Forschung und einem stärkeren Theorie-Praxis-Bezug müssen zugleich Ausbildungsgänge und Fortbildungsmöglichkeiten geschaffen werden, die auf eine Umsetzung neu gewonnener Erkenntnisse gerichtet sind. Die Kommission empfiehlt — evtl, im Rahmen eines Modellversuchs — die Gründung eines arbeitswissenschaftlichen Forschungs-und Ausbildungszentrums an einer bestehenden Hochschule.

Die Analyse der gegenwärtigen Arbeitsbedingungen zeigt, daß die Entwicklung der Arbeitsunfälle, der Berufskrankheiten, der Berufs-und Erwerbsunfähigkeit der Arbeitszeit, insbesondere die zunehmende Nachtarbeit, nach wie vor besondere Aufmerksamkeit verdient. Bei den Lohnformen überwiegt zwar noch der Zeitlohn, aber der Leistungslohn (Akkord, Prämie) nimmt zu. In den beiden letzten Jahrzehnten waren einerseits Einkommenssteigerungen und Arbeitszeitverkürzungen möglich. Andererseits waren mit dieser Entwicklung auch erhöhte Leistungsanforderungen verbunden. Selbst bei der Anwendung der am höchsten entwickelten Technologien werden noch lange Zeit Tätigkeiten anzutreffen sein, die einseitig belasten oder nur geringe Anforderungen an die Qualifikation stellen. Arbeits-und sozialmedizinische Untersuchungen haben ergeben, daß nachweisbare Beziehungen zwischen Arbeitsbedingungen und der Gesundheit der Beschäftigten bestehen. Jedoch ist die Datenlage zum Problem der Folgewirkungen der Arbeitsbedingungen immer noch sehr unbefriedigend, insbesondere entsprechen die Statistiken über Nacht-und Schichtarbeit nicht der Bedeutung des Problems.

Der wirtschaftliche und technische Wandel hat in vielen Arbeitsbereichen große Produktivitätssteigerungen ermöglicht. Die dafür vorgenommene Zerlegung und Standardisierung von Arbeitsabläufen hat zu Arbeitsinhalten und anderen Arbeitsbedingungen geführt, die nicht mehr den heutigen Vorstellungen von einer befriedigenden Arbeitsauf-gäbe entsprechen. Technik und Organisation des Arbeitsprozesses sollten so entwickelt werden, daß zu hohe, niedrige oder einseitige Arbeitsbelastungen vermieden werden und daß sich an den einzelnen Arbeitsplätzen vermehrte Gestaltungsmöglichkeiten — zum Beispiel durch eine Erweiterung der Arbeitsinhalte und der Entscheidungsmöglichkeiten — ergeben. Darüber hinaus sollten die Lernfähigkeit und die Kommunikationsmöglichkeiten der Arbeitnehmer gefördert werden. Bei allen Maßnahmen ist darauf zu achten, wie sich Veränderungen einzelner Faktoren auf andere Bereiche der Arbeitsbedingungen auswirken; so besteht zum Beispiel zwischen der Gestaltung der Arbeit und den zur Findung leistungsbezogener Entgelte angewandten Lohnsystemen ein enger Zusammenhang.

Bei der Fließarbeit zeichnen sich drei Entwicklungsrichtungen der Veränderung der Arbeitsinhalte ab: — Modifizierung der taktgebundenen Fließarbeit; — Auslegung der Arbeit als ungebundene Gruppenarbeit; — Einrichtung von Einzelarbeitsplätzen mit ungebundener Verkettung.

Bei der Modifizierung der taktgebundenen Fließarbeit haben sich verschiedene Modelle der Arbeitserweiterung und Arbeitsbereicherung bewährt. Die als Alternative genannte Gruppenarbeit ist nach Auffassung der Kommission in besonderem Maße geeignet, die Vorzüge der Arbeitserweiterung und -bereicherung mit der Förderung des Zusammengehörigkeitsgefühls und des Verständnisses für die Arbeit des anderen zu verbinden.

Die bisherigen Versuche, mit unterschiedlich geänderten Formen der Arbeitsinhalte die Entscheidungsspielräume der betroffenen Arbeitnehmer zu erweitern, wurden überwiegend positiv aufgenommen. Allerdings reichen die Erfahrungen noch nicht aus, um allgemeine Empfehlungen zu formulieren. Vielmehr ist auch längerfristig mit unterschiedlichen Modellen zu experimentieren, wobei die Versuche wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden sollten.

Die Qualität der Arbeitsbedingungen wird wesentlich von Dauer, Lage und Struktur der Arbeitszeit beeinflußt. Regelungen der Arbeitsdauer und Arbeitspausen können hohe Beanspruchungen mildern. Flexible Arbeitszeitregelungen sind weiterhin zu beachten, auch unter dem Gesichtspunkt einer stärkeren Einflußnahme des einzelnen Arbeitnehmers.

Die zunehmende Nachtarbeit ist mit zusätzlichen gesundheitlichen Risiken verbunden. Nachtarbeit sollte daher soweit wie möglich eingeschränkt werden. Ist sie nicht vermeidbar, sind besondere Maßnahmen zugunsten der Nachtarbeiter zu erwägen, wie Veränderung der Dauer oder des Beginns der nächtlichen Arbeitszeit, besondere gesundheitliche Betreuung, Lärmschutzvorkehrungen im Wohnbereich, Ausweitung oder zeitliche Verlagerung des Bildungs-und Unterhaltungsangebots.

Bei der Arbeitszeitregelung liegen noch unerschlossene Möglichkeiten der Selbstbestimmung der Arbeitnehmer. Die Kommission hält es für wichtig, daß darauf geachtet wird, daß die Arbeitnehmer solche Selbstbestimmungsmöglichkeiten nicht zu Lasten ihrer eigenen Interessen, etwa auf Kosten der Gesundheit, wahrnehmen, über die flexible Gestaltung der täglichen Arbeitszeit hinaus könnte bei einem Anwachsen der Urlaubszeit auf mehr als vier Wochen pro Jahr dem einzelnen Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt werden, einen bestimmten Teil der Urlaubsrechte zu akkumulieren und nach eigenem Ermessen zu nutzen. Sinnvoll wäre es ferner, das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben — aufbauend auf bisherigen Regelungen — noch flexibler zu gestalten. Denkbar wäre hier zum Beispiel eine an der Altersgrenze orientierte allgemeine Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung nicht mehr voll leistungsfähiger Arbeitnehmer in dem gleichen Unternehmen. Das geminderte Arbeitseinkommen könnte um eine Teilrente der Sozialversicherung aufgestockt werden.

Das derzeitige Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen entspricht nicht der Nachfrage. An Modellfällen sollte verstärkt demonstriert werden, in welchen Fällen Teilzeitarbeitsplätze auch für die Unternehmen günstige Lösungen, zum Beispiel hinsichtlich der Produktivitätsentwicklung, bieten können. Außerdem sollten die gesetzlichen Voraussetzungen für die verstärkte Bereitstellung von Teilzeitarbeitsplätzen geschaffen werden. Für unsere Gesellschaft ist es charakteristisch, daß viele Menschen ihre Lebenszeit aufgespalten erleben. Die Arbeitszeit stellt sich ihnen primär als eine Zeit der Verpflichtung und der Einordnung in Zwänge, die Freizeit dagegen als eine Zeit der Erholung und Selbstverwirklichung dar. Da solche Polarisierungsvorstellungen das Interesse des einzelnen von seiner Arbeit und deren organisatorische Bedingungen weg — und auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Freizeit hinlenken, kommt es darauf an, die Bereiche Arbeit und Freizeit so zu gestalten, daß beide neben den ihnen jeweils spezifischen Funktionen Chancen zur Persönlichkeitsentfaltung und zur Ausbildung staatsbürgerlicher Qualifikationen bieten.

Um die angestrebte Verbesserung der Arbeitsbedingungen mit dem Ziel einer umfangreichen individuellen Entfaltung zu erreichen, ist eine betriebliche Personalplanung erforderlich, die auf einem umfangreichen Informationssystem aufbaut und die gleichrangig neben den anderen betrieblichen Teilplanungen steht. Sie soll nicht nur der Realisierung technischer und ökonomischer Ziele dienen, sondern auch — unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer — zu einem Abbau der durch den wirtschaftlichen und sozialen Wandel herbeigeführten Beschäftigungsrisiken führen, sowie zur Sicherung von Aufstiegschancen, zu einer gezielteren beruflichen Aus-und Weiterbildung und zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit beitragen.

Damit die betriebliche Personalplanung den erweiterten Aufgaben nachkommen kann, empfiehlt die Kommission, sie enger mit dem überbetrieblichen Beschäftigungs-und Ausbildungssystem zu verknüpfen. Unternehmen ab einer bestimmten Unternehmensgröße sollten im Bereich der Personalplanung auch solche Daten sammeln, aufbereiten und im Rahmen einer gesellschaftsbezogenen Berichterstattung veröffentlichen, die als wesentlich für die Arbeitsbedingungen und ihre Veränderungen gelten können, zum Beispiel Angaben über die Belegschaftsentwicklung, über Einkommen, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten, Frühinvalidität, Qualifikationsstrukturen, Teilzeitarbeit, arbeitsmedizinische Versorgung, betriebliche Sozialleistungen, Umstellungen und Fortbildung.

In den letzten Jahren wurden zunehmend größere Möglichkeiten der Gestaltung von Arbeitsbedingungen erkannt. Die Kommission empfiehlt, den Ansatzpunkt vor allem bei den einzelnen Betroffenen zu suchen. In seiner engeren Umgebung, die er aus eigener Anschauung kennt, kann er am besten an der Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsumwelt, seinen Bedürfnissen entsprechend, mitwirken. Eine verstärkte Mitgestaltung der Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz oder in Arbeitsgruppen erfordert eine qualitative Änderung der Führung. Weitaus stärker als bisher muß das Prinzip der Delegation von Aufgaben und Befugnissen sowie einer entsprechenden Verantwortung zur Geltung kommen.

Die Möglichkeiten der Entfaltung des einzelnen liegen innerhalb bestimmter technisch-organisatorischer Grundstrukturen, die in wesentlichen Punkten durch unternehmenspolitische Entscheidungen geprägt werden, wie zum Beispiel die Festlegung von Produktionsverfahren, Art und Umfang von Investitionen, die betriebliche Personalplanung oder Bildungspolitik. Aber auch Einflüsse von außerhalb des Unternehmens dürfen nicht außer acht gelassen werden: der Staat legt Rahmenbedingungen für die Gestaltung der Arbeitswelt fest, die Berufsgenossenschaften geben Richtwerte für bestimmte die Arbeitswelt betreffende Normen, und die Tarifvertragsparteien vereinbaren Rahmenregelungen wie zum Beispiel über Nacht-und Schichtarbeit, Ruhepausen oder Taktzeiten. Diesen unterschiedlichen Beeinflussungsmöglichkeiten der Arbeitsbedingungen entspricht ein institutioneller Rahmen, der durch ein Zusammenspiel individueller und repräsentativer Beteiligung gekennzeichnet ist. Wesentliche Elemente dieses Rahmens sind im Personalvertretungsgesetz, im Betriebsverfassungsgesetz, im Montan-Mitbestimmungsgesetz und im Mitbestimmungsgesetz von 1976 enthalten. Die Kommission hält eine ständige Beobachtung des gegebenen institutioneilen Rahmens hinsichtlich seiner Auswirkungen sowie evtl. Veränderungen für wichtig.

IX. Voraussetzungen für die erfolgreiche Gestaltung des wirtschaftlichen und sozialen Wandels

Die Kommission hat an verschiedenen Stellen ihres Gutachtens darauf hingewiesen, daß für eine längerfristig orientierte Gestaltung gesellschaftlicher Entwicklungen die Leistung der öffentlichen Verwaltung gesteigert, die Beobachtung gesellschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen verbessert, die Aufbereitung und Verbreitung gesellschaftlicher Daten ausgebaut sowie die Bürgerbeteiligung im kommunalen und regionalen Bereich weiterentwickelt werden müssen. Wegen der Bedeutung dieser Aufgaben für das politische Handeln beschäftigt sich die Kommission im Schlußkapitel des Gutachtens noch einmal ausführlicher damit.

1. Leistungssteigerung der öffentlichen Verwaltung

Die Leistungsangebote des Staates sowie die an ihn herangetragenen Wünsche und Forderungen haben im Laufe der Zeit erheblich zugenommen und werden dies vermutlich weiter tun. Da die finanziellen und personellen Mittel staatlicher Instanzen nur begrenzt vermehrbar sind, ist eine ständige Modernisierung und Leistungssteigerung der öffentlichen Verwaltung unumgänglich. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß staatliche Leistungen besonderen Bedingungen unterliegen und nicht lediglich an ökonomischen Effizienzkriterien gemessen werden dürfen.

Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung liegen in der Bundesrepublik umfangreiche Analysen, Reformvorschläge und -ansätze vor. Die Kommission geht nicht darüber hinaus. Ihr kommt es darauf an, jene Reformvorschläge und -ansätze hervorzuheben, deren Verwirklichung sie unter den gegebenen Verhältnissen für besonders dringlich hält.

Die Vermehrung und teilweise qualitative Veränderung der Staatsaufgaben sowie die besonderen Bedingungen der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden haben zu Koordinierungsmängeln und -problemen geführt. Um die große Zersplitterung der öffentlichen Aufgaben zu überwinden, empfiehlt die Kommission eine Reihe von Maßnahmen: — Beim Bund sollte die Aufgabenplanung ausgebaut werden, um die bereichsspezifischen und bereichsübergreifenden Fachprogramme politischer und administrativer Institutionen so zu integrieren, daß ein längerfristiges umfassendes Konzept der durch staatliche Intervention beeinflußten Entwicklung der Gesellschaft erkennbar wird. — In jenen Gesellschaftsbereichen, in denen durchsetzungsfähige Zielstrukturen und Prioritäten erkennbar geworden sind (wie zum Beispiel im Bereich der Umweltpolitik), sollten integrierte Aktionsprogramme (vom Bund bis zu den Gemeinden) systematisch aufgebaut werden. — Programmbudgets, die die Zuordnung von finanziellen Mitteln zu politischen Aufgaben erkennen lassen, sollten im Gesamtbereich der öffentlichen Verwaltung, und zwar differenzierter als bisher üblich, ausgearbeitet werden. — Im Rahmen organisatorischer und dienst-rechtlicher Reformen sollten beschleunigt jene Maßnahmen vorangetrieben werden, die einer Verbesserung der Kooperation dienen. Dazu gehören u. a. Umverlagerungen von Aufgaben zwischen den Ministerien sowie Regelungen für ressortübergreifende Probleme, um deren Vernachlässigung bei Programmerstellung und Programmdurchführung zu verhindern (zum Beispiel über Festlegung der Federführung, Bestellung von Beauftragten für diese Aufgabenfelder, usw.).

Um die Verwendung der finanziellen Ressourcen zu verbessern, sollte zunächst geprüft werden, ob Maßnahmen zur Mittelübertragung von einem Haushaltsjahr auf das nächste, die sich bisher als Ausnahmeregelungen bewährt haben, nicht in größerem Umfang eingesetzt werden könnten. Generell sollte auf Regelungen hingearbeitet werden, die zur Sparsamkeit im Bereich der öffentlichen Verwaltung erziehen. Die Weiterentwicklung des Programmbudgets ist ein Schritt in dieser Richtung. Weiter sollte nach Wegen gesucht werden, wie die — das Verwaltungsziel nicht beeinträchtigende — Einsparung öffentlicher Mittel als besondere berufliche Leistung honoriert werden kann.

Um die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu erhöhen, sollte geprüft werden, wo und in welcher Weise die vorhandene Zusammensetzung des Personals (einerseits Verwaltungsfachleute, andererseits Spezialisten verschiedener Fachgebiete) verbessert werden kann. Die Ansätze zur Veränderung hierarchischer Strukturen in dem Sinne, daß die Trennung zwischen Planen, Entscheiden und Kontrollieren einerseits sowie reine Ausführungen andererseits reduziert wird, sollten in einer dem jeweiligen Bereich adäquaten Weise weiter vorangetrieben werden. Bei der Aus-und Weiterbildung aller im öffentlichen Dienst beschäftigten Gruppen sollten systematisch die Kenntnisse in zwei Richtungen verbessert werden: — Besonderheiten der Aufgabenerfüllung im Bereich der öffentlichen Verwaltung, — politische, wirtschaftliche und sonstige gesellschaftliche Strukturen, Zielsetzungen und Kontroversen in der Bundesrepublik, in deren Rahmen die Arbeit der öffentlichen Verwaltung abläuft.

Um die Erfolgskontrolle der öffentlichen Verwaltung zu verbessern, sollten die Bundestagsausschüsse in die Lage gesetzt werden, die „Erfolge" der Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung systematischer als bisher zu beobachten und die weitere Notwendigkeit bisheriger Aufgaben zu überprüfen. Außerdem sollte die Überprüfung der Wirkung politischer Gestaltungsprogramme in wichtigen Politikbereichen systematisiert werden. Als unterstützende Maßnahme dazu erscheinen der Ausbau der Regierungsberichterstattung und die Entwicklung sozialer Indikatoren wichtig. Auch die Erstellung kritischer wissenschaftlicher und publizistischer Analysen ist förderungswürdig.

Dem Staat sind im Laufe der Zeit vielfältige Aufgaben zugewachsen, die zweckmäßigerweise von ihm wahrgenommen werden. Daraus darf jedoch weder geschlossen werden, daß alle gesamtwirtschaftlich bedeutsamen Aufgaben dem Staat übertragen werden müssen, noch, daß alle derzeit bei staatlichen Institutionen liegenden Aufgaben dort auch optimal bewältigt werden. Die Kommission hält es für wünschenswert, die Diskussion darüber in Gang zu halten, welche Aufgaben von staatlichen oder nichtstaatlichen Institutionen besser wahrgenommen werden können.

Darüber hinaus spricht sich die Kommission für den Ausbau der Selbsthilfe-und Selbstverwaltungspotentiale in der Gesellschaft aus. Sie besitzen einen demokratischen Eigenwert, können den Staat entlasten und wirken einer Bürokratisierung unserer Gesellschaft entgegen.

2. Ausbau Dauerbeobachtung gesellschaftlichen

Seit Jahren sind in der Bundesrepublik Bestrebungen zu erkennen, die sich auf einen intensiven Ausbau der ständigen Beobachtung gesellschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen richten. Dabei geht es nicht in jedem Fall um ein Mehr an Informationen, sondern zum Teil um andere Arten von Informationen, die Form ihrer Aufbereitung und Darbietung sowie um die Organisation ihrer Erstellung.

Die Kommission empfiehlt in diesem Zusammenhang insbesondere folgende Maßnah-men: •— Es sollte eine Kommission geschaffen werden, die Vorschläge zur systematischen Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Dauer-beobachtung ausarbeitet. Sie sollte sich außerdem mit der Bestandaufnahme und einer eventuellen Neuorientierung der Leistungen der amtlichen Statistik unter dem Blickwinkel ihrer gesellschaftlichen Funktion, mit einer Revision des Anordnungsverfahrens zur Erstellung von Daten durch die amtliche Statistik, mit der Vorbereitung zur Systematisierung aller Statistikgesetze und -anordnungen sowie mit der Frage befassen, ob, wie und ggf. welche Daten bei privaten Organisationen für die gesellschaftliche Dauerbeobachtung erschlossen werden können. — Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung sollte ergänzt und weiterentwickelt, keinesfalls jedoch grundsätzlich in Richtung eines Instruments zur allgemeinen Wohlfahrtsmessung umfunktioniert werden. — Den Bestrebungen zur Entwicklung von Wohlfahrtsmaßen sollte durch den zügigen Auf-bzw. Ausbau eines Systems differenzierter Sozialer Indikatoren Rechnung getragen werden. Die Bundesrepublik sollte die internationalen Bemühungen auf diesem Sektor weiterhin aufmerksam verfolgen und sich intensiv an gemeinsamen Arbeiten dieser Art (zum Beispiel im Rahmen der OECD) beteiligen. — Der Ausbau der Sozialstatistik sollte — insbesondere auch im Bereich der amtlichen Statistik — forciert werden. Dazu erscheint es u. a. notwendig, den organisatorischen Aufbau der statistischen Ämter so zu verändern, daß die Sozialstatistik dort eine ihrer wachsenden Bedeutung angemessene Berücksichtigung findet. — Im Bereich der Sozialforschung sollten systematisch Kommissionen zur Analyse von mittel-und längerfristigen gesellschaftlichen Problemfelder in ausgewählten Politikbereichen eingesetzt werden. — Die Sozialforschung sollte durch entsprechende Aufträge kontinuierlich zur Beobachtung und Prognose von Entwicklungstendenzen in den verschiedenen Gesellschaftsbereichen eingesetzt und zur Erarbeitung alternativer Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des im Grundgesetz fixierten Rahmens angehalten werden. — Um die Leistungsfähigkeit der Sozialforschung zu erhöhen, sollten außerhalb des administrativen Sektors stehende Institute so gefördert werden, daß sie kontinuierlich Forschungen betreiben können. Dies erscheint notwendig, um Forscher-und Wissenspotentiale aufzubauen, bei denen kurzfristig Informationen abgerufen werden können. — In Verbindung mit den Bemühungen zur Bereitstellung sozialwissenschaftlicher Daten sollten die Vorschläge darüber geprüft werden, wie auch Daten — insbesondere subjektive Daten (Einstellungen, Beurteilungen usw.) — aus privaten Forschungsinstituten erschlossen werden können. — Die Ansätze zum Ausbau einer gesellschaftsbezogenen Berichterstattung wirtschaftlicher Unternehmen hält die Kommission für besonders förderungswürdig. Grund-51

Sätze für eine ordnungsgemäße gesellschaftsbezogene Berichterstattung und deren Einhaltung sind zu entwickeln sowie branchen-adäquate Indikatoren für eine derartige Berichterstattung zu erarbeiten. Gegenstand der Berichterstattung sollten u. a.sein: — Arbeitsbedingungen (zum Beispiel Angaben über Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten, Frühinvalidität, Arbeitsumweltbelastungen, Nacht-und Schichtarbeit, Teilzeitarbeit, arbeitsmedizinische Versorgung); — Beziehungen zum Arbeitsmarkt (zum Beispiel in der Zahl der Arbeitsplätze und der Qualifikationsstrukturen, Entlassungen, Kurz-arbeit, Maßnahmen zur Berufsbildung); — Umweltbelastungen (zum Beispiel Angaben über bestimmte Emissionen).

3. Ausbau der Informationsaufbereitung und -Verbreitung

Eine Verbesserung der bisherigen Form der Informationsaufbereitung und -Verbreitung erscheint nicht nur wegen der wachsenden Komplexität und Undurchsichtigkeit gesellschaftlicher Prozesse wünschenswert, sondern auch, weil Informationen eine wichtige, wenn auch keinesfalls ausreichende Grundlage für staatsbürgerliche Aktivität darstellen. Wegen des engen Zusammenhangs zwischen Information und Manipulation betont die Kommission die Notwendigkeit, alles, was mit Informationsverbreitung über gesellschaftliche Verhältnisse und Entwicklungen zu tun hat, im Blickfeld politischer Diskussionen und demokratischer Kontrolle zu halten. Bereits bei der Entscheidung über neue Formen der Information sollten die davon Betroffenen soweit wie möglich eingeschaltet werden. Außerdem sollten Informationen und deren Nutzung den verschiedenen Bevölkerungs-und Abnehmer-gruppen in geeigneter Form vermittelt werden. Durch bessere Kommunikation zwischen Staatsbürgern, politischen Institutionen, öffentlicher Verwaltung und organisierten Gruppen sollte die aktive Beteiligung der Staatsbürger am politischen Leben gefördert werden. Vordringlich erscheinen der Kommission vor allem folgende Maßnahmen: — Die Unterrichtung über gesellschaftspolitisch relevante Zusammenhänge im Bereich des Schulwesens und der Erwachsenenbildung ist zu verbessern. — Eine Massenkommunikation, welche die Leitbilder der pluralistischen Gesellschaftsordnung und die verschiedenen Werte, Interessen und Einstellungen in der Gesellschaft berücksichtigt, ist auszubauen und zu sichern. — Die Bundesregierung sollte ein Programm zur Systematisierung, Vervollständigung und Weiterentwicklung der regierungsamtlichen Berichterstattung ausarbeiten. Sie sollte dabei u. a. prüfen, wie wichtige Stellungnahmen von Parteien, Interessenverbänden und Wissenschaftlern zu regierungsamtlichen Berichten, Sondergutachten und anderes mehr sowie Daten aus privaten Organisationen in ein vereinheitlichtes Berichtswesen einbezogen werden können. Außerdem sollte sie sich darum bemühen, den Aufbau und die Erscheinungsweise der Berichte zu vereinfachen und künftig auch solche Politikbereiche einzubeziehen, über die bisher noch nicht oder nicht regelmäßig berichtet wurde. — Die Veröffentlichung „Gesellschaftlicher Daten" sollte unter Einbeziehung weiterer Materialien ausgebaut und fortgeführt werden; auch die „Materialien zur Lage der Nation" sollten künftig weiterhin zusammengestellt und veröffentlicht werden. — Im Bereich der amtlichen Statistik sollten die Arbeiten an der Veröffentlichung „Sozialstatistischer Trends" weitergeführt und möglichst bald abgeschlossen werden. In diesem Bereich sollten die Bemühungen um eine benutzerfreundliche Praxis und um die bessere Zugänglichkeit nichtveröffentlichter Daten, insbesondere für die Wissenschaft, intensiv fortgeführt werden. — Die im Rahmen des Informations-und Dokumentationsprogramms der Bundesregierung laufenden und geplanten Arbeiten sollten weitergeführt werden. Dabei sollte auch die Bereitstellung sogenannter „kategorialer Daten" (Daten über Angehörige verschiedener Sozialschichten, Altersgruppen usw.) besondere Berücksichtigung finden. — Schließlich sollte geprüft werden, inwieweit es möglich ist, aus dem Bereich der amtlichen Statistik kurzfristig problemspezifische Daten (zu aktuellen politischen Problemen) zusammenzustellen und zu veröffentlichen.

4. Weiterentwicklung der Bürgerbeteiligung im kommunalen und regionalen Bereich

An mehreren Stellen ihres Gutachtens empfiehlt die Kommission eine vermehrte Beteiligung betroffener gesellschaftlicher Gruppen an der Gestaltung gesellschaftlicher Entwicklungen im kommunalen und regionalen Bereich und formuliert einige Vorschläge. Die Bürger sind an öffentlichen Planungen insbesondere dann zu beteiligen, wenn es sich um soziale Zusammenhänge handelt, die für sie in besonderem Maße konkret und unmittelbar erfahrbar sind. Zu denken ist beispielsweise an Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge, der Energieversorgung, des Verkehrswesens und der Stadtplanung. Die Notwendigkeit der Anpassung dieser Maßnahmen an örtliche Gegebenheiten macht einen besonders engen Kontakt zwischen betroffenen Staatsbürgern und kommunalen Institutionen notwendig.

Viele Versuche unterschiedlicher Formen der Bürgerbeteiligung haben in der Bundesrepublik begonnen. Noch erlauben die bisherigen Erfahrungen keine generellen und abschließenden Empfehlungen. Die Kommission verweist daher zunächst auf folgendes: — Informationen über Projekte in kommunalen und regionalen Bereichen sollten den Staatsbürgern möglichst frühzeitig und systematisch, d. h. nicht nur sporadisch, wie es häufig bei Presseinformationen der Fall ist, zugänglich gemacht werden. Bürgerbeteiligungen sollten nicht erst dann entstehen, wenn durch Verwaltungshandeln bereits Sachzwänge vorhanden sind und Änderungsbegehren von Seiten Betroffener ernste Konflikte auslösen müssen. — Um der Teilnahmslosigkeit und der geringen Einflußmöglichkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen entgegenzuarbeiten, sollte einerseits bei der Gestaltung der Informationen auf diese Gruppen besonders Bezug genommen werden. Andererseits sollten die verschiedenen Formen der sogenannten Anwalts-beteiligung hinsichtlich ihrer Auswirkungen überprüft und eventuell weiter ausgebaut werden. — Bürgerbeteiligungen sollten grundsätzlich Aufgaben und Funktionen der gewählten Volksvertreter nur ergänzend wahrnehmen und nicht in Konkurrenz zu den gewählten repräsentativen Körperschaften treten. Daher sollte die Kooperation zwischen parlamentarischen Institutionen und Formen der Bürgerbeteiligung ausgeweitet werden. Bürgerbeteiligung kann nicht nur Verwaltungsentscheidungen auf eine breitere Legitimationsbasis stellen, sondern auch den gewählten Repräsentanten mehr Bürgernähe sichern. — Da sich die Formen der Bürgerbeteiligung zur Zeit noch in Entwicklung befinden, erscheint es wichtig, daß über Erfahrungen mit ihnen möglichst umfassend informiert wird. Im Rahmen der gesellschaftlichen Dauerbeobachtung sollte daher auch diesem Bereich in Zukunft besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Wirtschaftlicher und sozialer Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, Gutachten der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, Göttingen 1977.

  2. Unter Oligopol wird eine Marktform verstanden, in der so wenige Anbieter vorhanden sind, daß Wettbewerbsvorstöße eines Unternehmens bei den anderen Wettbewerbern zu fühlbaren Absatzeinbußen führen. Im „weiten Oligopol" müssen die Konkurrenten zur Verteidigung ihrer Position Innovationen vorbereiten, da ihre Zahl (anders als im „engen Oligopol") zu groß ist, als daß sie eine gemeinsame Verhaltensweise untereinander absprechen könnten.

  3. Michael Rath, Die Garantie des Rechts auf Arbeit, Band 25 der Schriften der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, Göttingen 1974.

  4. Bei den Daten für 1975 handelt es sich um vorläufige Ergebnisse.

  5. ) Siehe Hans-Jürgen Krupp, Möglichkeiten Verbesserung der Einkommens-und Vermögens-statistik, Band 50 der Schriften der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, Göttingen 1975, S. 123— 194.

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