Das „Dritte China" Die chinesischen Minderheiten in Südostasien
Jürgen Dauth
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Zusammenfassung
Vietnams Vorgehen gegen die chinesische Minderheit hat im Frühjahr 1978 erneut die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Übersee-Chinesen in Südostasien gelenkt. In allen Gastländern des sogenannten „Dritten China“ stellt man sich die bange Frage, ob die chinesischen Minderheiten eine „Fünfte Kolonne“ Pekings werden könnten oder ob sie schließlich doch noch Integrationsbereitschaft zeigen werden. Seit den chinesischen Emigrationswellen Mitte des vorigen und zu Beginn dieses Jahrhunderts erregte ihr rassischer, kultureller und politischer Chauvinismus die Aggressionen ihrer Gastgeber. Obwohl sie heute in den meisten Ländern Südostasiens Staatsbürgerrechte genießen, bilden sie nach wie vor eine in sich abgeschlossene Gemeinschaft, die die wahre wirtschaftliche Macht in der Region darstellt. Die engen Clan-Verbindungen der rund 14, 6 Millionen Chinesen in Südostasien haben ein dicht verflochtenes Wirtschaftsimperium aufgebaut. In den meisten Gastländern, so in Thailand, Malaysia, Indonesien, den Philippinen und bis vor kurzem auch in den Indochinastaaten, beherrschen sie vitale Wirtschaftszweige. Politisch verhalten sie sich weitgehend abstinent, stellen jedoch in Malaysia auch den Kern der illegalen kommunistischen Partei. Weitreichende gesetzliche Restriktionen sollen ihren wirtschaftlichen Einfluß einschränken, was jedoch nur teilweise gelingt. Die mangelnde Integrationsbereitschaft der chinesischen Einwanderer führte wiederholt zu Rassenpogromen. Der politische Friede unter den Völkern Südostasiens und den chinesischen Immigranten wird in der Zukunft weitgehend davon abhängen, ob die Chinesen bereit sind, sich in ihren Gastländern wirklich zu integrieren.
Seit Beginn des Indochinakrieges signalisiert das Ende der Monsunstürme in der Südchinasee regelmäßig den Beginn einer neuen Flüchtlingswelle. Doch in diesem Frühjahr übertrafen die Statistiken bei weitem die Erfahrungen der Vergangenheit. Zudem hat sich die ethnische Zusammensetzung der Flüchtlinge drastisch geändert. Füllten in den Vorjahren überwiegend Vietnamesen, Laoten und Kambodschaner die Auffanglager in Thailand, Malaysia und Indonesien, so dominieren jetzt die Chinesen. Malaysia allein registrierte von Januar bis Juni mehr als 7 000 chinesische Flüchtlinge, davon 2 800 im Mai, die ausnahmslos aus Vietnam kamen Die Zahlen für Thailand dürften weit darüber liegen.
Der Grund für den chinesischen Exodus nach Südostasien ist in der vietnamesischen Politik zu suchen. In der Nacht vom 23. zum 24. März 1978 kreisten vietnamesische Truppen die chinesischen Wohnviertel in Ho Chi Minh City (früher Saigon) ein. Einige Tausend Jugendliche der Communist Youth Union schwärmten aus, um angeblich eine Bestandsaufnahme des chinesischen Besitzes vorzunehmen. Am gleichen Tag verkündete die vietnamesische Regierung in Hanoi das Ende des „bourgeois trade" der Chinesen in Südvietnam
Diese Maßnahme kam nicht überraschend, hatte doch Hanoi bereits im Februar den Vorsitzenden des Komitees zur Umstrukturierung der privaten Wirtschaft und langjährigen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Südvietnams, Nguyen Van Linh, seines Postens enthoben. Der gegen ihn erhobene Vorwurf lautete, er habe die Kapitalisten nicht schnell genug vom sozialistischen Credo überzeugt. Die Kapitalisten, die es zu „reformieren“ galt, waren ausnahmslos Chinesen, die ihren Wohlstand während des Krieges vervielfacht und in das wiedervereinigte Vietnam hinübergerettet hatten. Als ob es in Vietnam keinen politischen Kurswechsel ge-geben habe, glaubten die Chinesen, auch unter dem kommunistischen Regime ihre wirtschaftliche Exklusivität wahren zu können. Wohl nicht ganz zu Unrecht hatten sie angenommen, daß die Umstrukturierung der Wirtschaft nach sozialistischem Muster nur langsam und schrittweise vor sich gehen werde. Die plötzliche Hektik, nachdem sie drei Jahre lang in Ruhe gelassen worden waren, ist nach Ansicht von politischen Beobachtern eine Folge des sich zuspitzenden vietnamesischchinesischen Konflikts, der sich am immer heftiger eskalierenden Grenzkrieg Vietnams mit Kambodscha aufheizt, das nach der Über-zeugung Hanois nur mit Hilfe Pekings überlebt. War das Vorgehen Hanois gegen die Chinesen in Ho Chi Minh City vorhersehbar, so wurde die militante Reaktion Pekings mit Überraschung und Besorgnis aufgenommen — besonders in den nichtkommunistischen Staaten Südostasiens, die ausnahmslos Gastländer von chinesischen Minderheiten sind. Das Overseas Chinese Affairs Office in Peking hatte Vietnam am 24. Mai 1978 beschuldigt, die chinesische Minderheit zu verfolgen, und die Verantwortlichkeit Chinas für das Wohlergehen der Auslandschinesen zu verstehen gegeben
In Südostasien befürchtet man, daß Peking seine Haltung gegenüber den Überseechinesen, seit 1949 mehr oder weniger eine Politik der Nichteinmischung, revidieren könnte. Denn wie in Vietnam, wo die Regierung die Chinesen dem geltenden Recht unterwarf, versuchen auch andere Staaten in der Region, ihre vielrassigen Gesellschaften zu harmonisieren. Dies geht nicht immer — besonders in Bezug auf die chinesischen Minderheiten — ohne Zwang vonstatten.
Wie die vietnamesische Regierung, so kämpfen auch andere Gastländer gegen den kulturellen Nationalismus der Hua-chiao, wie Chi-na die Auslandschinesen nennt, und versuchen, die abgeschlossene und sich selbst genügende Isolation der Chinesen über ihre Gesetzgebung aufzubrechen. Gleichzeitig kämpfen die genuinen Rassen Südostasiens gegen ein dominantes Wirtschaftsimperium der Auslandschinesen, die von einer Zusammenarbeit mit ihren Gastgebern im Interesse des Allgemeinwohles nicht viel zu halten scheinen. Es wird in diesem Beitrag noch aufzuzeigen sein, daß nicht in erster Linie der Neid der weniger Erfolgreichen gegenüber den geschäftstüchtigen Chinesen für die oft rigorose Integrationspolitik Pate stand, sondern die dringende Notwendigkeit, blutige Konfrontationen zu verhindern, die sich an einem — wie auch immer gearteten — Minoritäten-Nationalismus entzünden könnten und sich in der Vergangenheit bereits wiederholt entzündet haben
Geschichte der chinesischen Emigration
Die Hua-chiao bilden nur 6 Prozent der Gesamtbevölkerung in Südostasien Daß sie dennoch so auffällig in Erscheinung treten, erklärt sich aus ihrem Siedlungsverhalten, das urbane Regionen bevorzugt, wo sie nicht selten die Mehrheit stellen.
Der überwiegende Teil der Chinesen in Südostasien ist außerhalb Chinas geboren. Sie sind zumeist Staatsbürger ihrer jeweiligen Gastländer und haben sich hier teilweise mit den alteingesessenen Rassen vermischt. Hier seien besonders die Baba erwähnt, die in Java und Malaysia in der malaiischen Urbevölkerung aufgegangen sind und nahezu als eine eigenständige Rasse gelten. Ein beachtlicher Teil der Hua-chiao spricht weder Chinesisch, noch folgt er den traditionellen Gebräuchen des Mutterlandes China. Die Kriterien, ob und wann eine Person als Chinese registriert wird, richtet sich nach ihrer Selbsteinstufung und ihrem Verhalten, richtet sich nach einer gewissen „Chineseness", die ihr die übrigen Rassen des Gastlandes zuschreiben. „Being a Chinese is, in Southeast Asia, essentially a matter of selfidentification."
Diese Ungenauigkeit der Bewertungsmaßstäbe macht einen exakten Zensus der chinesischen Minderheiten oft schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Die Gesamtzahl der ethnischen Chinesen in Südostasien wird nach dem letzten zuverlässigen Zensus von 1970 auf rund 14, 6 Millionen geschätzt. Sie repräsentieren (neben Peking und Taiwan) das so-genannte „Dritte China".
Geografische Verteilung der Hua-chiao in Südostasien (1970)
Die Vorfahren der Hua-chiao verließen überwiegend in der Mitte des 19. Jahrhunderts ihre angestammte Heimat. Zwei weitere Wanderbewegungen setzten zu Beginn des 20. Jahrhunderts und nach dem zweiten Weltkrieg ein. Nach der Gründung der Volksrepublik China (1949) verebbte der Strom der Emigranten schnell und versiegte schließlich ganz.
Bis auf einen unbedeutenden Prozentsatz kommen die Hua-chiao aus den südchinesischen Provinzen Kwangtung und Fukien, beides Küstenprovinzen mit alter Seefahrer-und Außenhandelstradition. Die Auswanderer rekrutierten sich vor allem aus der Schicht der kleinen Geschäftsleute in den ländlichen Regionen. In der zweiten und dritten Emigrationswelle, dem Höhepunkt der Kuli-Rekrutierung, emigrierte das Heer der ländlichen Armen. Aus der Vielfalt der Dialektgruppen heben sich die Hokkien, Teochiu, Cantonesen, Hakka und Hainanesen als die bedeutendsten heraus.
Die Hokkien kommen aus der Umgebung von Amoy in der Provinz Fukien. Sie besiedelten vor allem Penang, Malacca, Java und die Philippinen (hier 95 Prozent der Chinesen). Sie bevorzugten städtische Siedlungsgebiete und verlegten sich hier auf den Handel. Obwohl sie in Süd-Vietnam nur 5, 5 Prozent der chinesischen Bevölkerung ausmachen, beherrschten sie dort den gesamten Reishandel und die Chambers of Commerce, während des Krieges auch den kriegswichtigen Ex-und Import.
Die Teochiu waren ursprünglich im Osten der Kwangtung Provinz beheimatet. Sie bilden die stärkste Chinese Community in Thailand und Sumatra, zweitstärkste die Gruppe in Süd-Vietnam und West-Kalimantan und machen 75 Prozent der Chinesen in Kambodscha aus. Während die meisten Teochiu als Kleinhändler und ungelernte Arbeiter tätig sind, beherrschen sie in Thailand, wo heute mehr Teochiu in Bangkok leben als in Swatow/Kwangtung, als Professionals die gehobenen Berufe. Von allen Dialektgruppen sind die Hokkien und Teochiu am ehesten assimilationsbereit. Die Hakka stammen aus den Provinzen Kwangtung und Fukien, wohin sie nach früheren Wanderbewegungen innerhalb Chinas gespült worden waren. Sie dominieren in Kalimantan und in den beiden ostmalaysischen Bundesstaaten Sarawak und Sabah und sind die zweitstärkste Gruppe in West-Malaysia und auf Java. Die Hakka bevorzugen den ländlichen Siedlungsraum, wo sie den Bergbau (Zinn) kontrollieren und nebenher Land-Wirtschaft betreiben. Unter den chinesischen Dialektgruppen sind sie am wenigsten integrationsbereit. Die Cantonesen siedelten ursprünglich im ländlichen Raum um Canton. In Süd-Vietnam bilden sie die stärkste Gruppe unter den Chinesen. In Malaysia bilden sie die Stadtrandbevölkerung von Penang und Malacca. Sie sind berühmt als Köche und beherrschen in den meisten Ländern das Hotel-und Gaststättengewerbe. Von allen Gruppen haben sie sich am stärksten westlichem Einfluß geöffnet, was auf ihre frühe Begegnung mit Europäern (Opium-Krieg 1839—42) zurückgeführt wird.
Die Hainanesen verließen erst spät ihre Insel Hainan in der Provinz Kwangtung und bildeten den Strom der Kulis im Erzbau und bei der Erschließung neuer Wirtschaftszonen. In Singapur sind sie überwiegend ungelernte Arbeiter.
Daß besonders die und Provinzen Kwangtung Fukien die chinesischen Emigranten stellten, ist geschichtlich bedingt und durch die Küstenlage begünstigt worden. Bereits in der Ming-Dynastie (1368— 1644) unterhielten beide Provinzen Außenhandelsbeziehungen mit den Staaten Südostasiens. Die Emigration folgte konsequenterweise den Handelsrouten. Im 17. und 18. Jahrhundert knüpften beide Provinzen Handelsbeziehungen mit dem Westen an. Die Gründung der westlichen Kolonien in Südostasien wirkte als ein Magnet. Die Emigranten versprachen sich die Erschließung neuer wirtschaftlicher Quellen. Neben dem Pull-Effekt bestand jedoch auch ein Push-Effekt in der dichten Besiedlung der beiden Provinzen, die dringend nach einem Ventil für ihre Bevölkerungsexplosion suchten. Schließlich wurde die Auswanderungsbereitschaft durch die Taiping Revolution (1851—64) gefördert, die Gegner der Ching-Dynastie auf die Flucht schickte, sowie durch Natur-und Hungerkatastrophen.
Die Chinesen in Thailand
China und Thailand sind zwar nur durch eine schmale burmesische Landzunge voneinander getrennt, dennoch kam die chinesische Einwanderungswelle vergleichsweise spät. Sie folgte dem Handel auf dem Seeweg, der bereits seit dem 14. Jahrhundert zwischen beiden Ländern existierte, jedoch erst im 17. Jahrhundert mit dem thailändischen Reisexport größere Bedeutung gewann. Eine kleine Schar Chinesen siedelte sich im Chao Phraya Valley an und zog bald die entscheidenden Fäden in diesem Geschäft. Um 1850 — Thailand zählte bei einer Gesamtbevölkerung zwischen 5 und 6 Millionen bereits 1, 5 Millionen Chinesen — setzte mit einer jährlichen Immigrationsrate von 15 000 die eigentliche Einwanderungswelle ein überwiegend waren es Chinesen, die die Taiping-Revolution, die die Ming-Dynastie wieder an die Macht bringen wollte, unterstützt hatten und nun um ihr Leben fürchteten.
Die ethnische Verwandtschaft der Thai mit den Chinesen und die Toleranz des Thai-Buddhismus gegenüber dem chinesischen Buddhismus und Taoismus erleichterten eine weitgehende Assimilation.
überdies bestand die erste Einwanderungswelle zumeist aus Männern, die sich infolgedessen mit Thai-Frauen verheirateten. In dem — auch noch heute — dünn besiedelten Land gab es außerdem ausreichend Entfaltungsspielraum für den einzelnen, so daß der wirtschaftliche Neid keine Rolle spielte. Die Chinesen gelangten sehr bald zu Wohlstand sowie zu hohem Ansehen in der Politik und am Königshof.
Diese tolerante Haltung der Thai gegenüber den Chinesen änderte sich erst nach dem Sturz der Manchu-(Ching) -Dynastie (1912) und der Proklamation der Republik. Die thailändischen Chinesen hatten zumindest einen finanziellen Beitrag zur Revolution (1911) geleistet, der sich nun auszahlte. Hatte die Ching-Dynastie die Hua-chiao noch als nichtswürdige „Outcasts“ beschimpft und die Emigration zu unterbinden versucht, so umwarb die Republik sie nun als geliebte Brüder, wohl nicht zuletzt deshalb, um sich auch zukünftig eines willkommenen Geldflusses zu versichern.
Diese neue Haltung Mutterland Chinas gegenüber den Überseechinesen brachte eine neue Einwanderungswelle nach Thailand, mit einem jährlichen Zustrom von zeitweise 140 000 Die veränderte politische Lage in China ließ darüber hinaus unter den Auslandschinesen den ethnischen Stolz gedeihen, genährt von einer europäischen Krankheit, die just zu diesem Zeitpunkt nach Asien exportiert wurde, dem Nationalismus Die sich sprunghaft vermehrende Chinese Community zeigte sich zusehends weniger assimilationsbereit.
Als nationalistische Politiker 1932 die absolute Macht des thailändischen Königshauses beschnitten, begann auch eine anti-chinesische Welle zu keimen. Die neuen Machthaber befürchteten eine stille Invasion aus China. Um das genuine Recht der Thai zu wahren, wurden Gesetze erlassen, die die Entfaltung der Chinesen stark einschränkten und die bis heute gültig sind. Sie sollen in erster Linie das chinesische Wirtschafts-Monopol brechen und die Integration erzwingen.
Schon die Private Schools Act von 1918 hatte die chinesischen Privatschulen auf die Primar-Stufe beschränkt. Jetzt wurden Thai-Schulen für den gesamten Bildungsbereich obligatorisch. Diese Maßnahme ist wohl der härteste Schlag gegen den kulturellen Chauvinismus und ein wirksames der Instrument gegen die „Chineseness", die Grundlage der chinesischen Exklusivität.
Darüber hinaus dürfen chinesische Eltern weder Grundbesitz erwerben noch dürfen sie eine aktive Rolle in der thailändischen Politik spielen. Ihre Kinder, in thailändischen Schulen und nach thailändischen Werten erzogen, sind allerdings den Thai gleichgestellt, es sei denn, sie ziehen es vor, die chinesische Staatsbürgerschaft beizubehalten. Von den rund 3, 4 Millionen ethnischen Chinesen in Thailand besitzen heute nur noch 309 941 (Zensus von 1976) einen chinesischen Paß
In Unternehmen der Wirtschaft darf die chinesische Teilhaberschaft 50 Prozent nicht mehr übersteigen. Dies hat jedoch nur einen nominellen Einfluß auf die Umverteilung des Reichtums. Die Unternehmen, ohnehin zum größten Teil von Chinesen gegründet, werden auf die Kinder übertragen, die dem Buchstaben des Gesetzes nach als Thai aufgewachsen sind, die Geschäfte jedoch in alter Familien-tradition weitergeführt.
Eine Analyse der 100 größten Industriebetriebe in Thailand, herausgegeben von der Wirtschaftsfakultät der Thammasat University, weist aus, daß 63 dieser Unternehmen, mit einem Gesamtvermögen von 757 Millionen US-Dollar — etwa 31, 5 Prozent der Gesamtinvestitionen —, von Chinesen kontrolliert werden. 23 der 25 einflußreichsten Männer in der thailändischen Wirtschaft sind Chinesen.
Die großen chinesischen Clans beherrschen die Preise für Immobilien, Pharmazeutika, das Baugewerbe und den Nahrungsmittelmarkt, ganz zu schweigen vom Geldmarkt. Durch Mischheiraten mit einflußreichen Thai verstärken sie weiter ihren Griff auf das Geschäftsleben des Landes. Um die Macht dieser Familienunternehmen zu brechen, antwortet die Regierung mit sanftem Zwang und einem Paket von Vorteilen, um das Kapital-Monopol in Aktiengesellschaften umzuwandeln und damit einer breiteren Öffentlichkeit Einfluß zu gewähren.
Die Chinesen in Indonesien
Die chinesische Immigration nach Indonesien, besonders zu den peripheren Inseln, kann bis ins Jahrhundert zurückverfolgt werden. Der Höhepunkt der Einwanderungswelle kam jedoch erst mit der holländischen Kolonialisierung. Allein in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts ließen sich eine Million Chinesen auf Java, Borneo und Sumatra nieder. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit Indonesiens lebten rund 2, 5 Millionen Hua-chiao im Lande 13).
Als nationalistische Gruppen die Zusammenarbeit mit den Holländern boykottierten, blieb diesen keine andere Wahl, als ihr Wohlwollen den Chinesen zuzuwenden. So war denn auch niemand überrascht, daß am Tage der Unabhängigkeit Handel, Banken und Industrie überwiegend in chinesischer Hand lagen.
Nunmehr lehnten die Chinesen eine Zusammenarbeit mit den Nationalisten ab, deren Regime ihnen in Anbetracht eines Berges von Unsicherheiten wenig zuverlässig erschien. Präsident Soukarno entzog ihnen daraufhin die Staatsbürgerschaft, die sie unter dem holländischen Standpunkt des jus soli erworben hatten, obwohl etwa 70 Prozent von ihnen in Indonesien geboren waren. Nur die Abkömmlinge der Peranakans, Chinesen mit indonesischem Erbteil, durften die Naturalisierung beantragen. Gänzlich ausgenommen waren die Sinkhehs, die jüngst eingewanderten Chinesen, und deren Kinder. 1958 wurden schließlich auch solche Peranakans ausgeschlossen, deren Väter nicht in Indonesien geboren waren.
Die Staatsbürgerschaftsfrage blieb bis 1960 ungeklärt, nicht zuletzt deshalb, weil China selbst den Wirrwarr vergrößerte. Unter den Manchu, die auf dem jus sanguinis bestanden, entstanden Doppel-Staatsangehörigkeiten, da die Holländer nach dem jus soli verfuhren. Soukarno hielt diesen Zustand für unerträglich, trug allerdings auch nicht zu einer Lö-sung des Gordischen Knotens bei. Erst 1960, unter dem Sino-Indonesian Treaty, stimmte Peking zu, daß im Ausland geborene Chinesen nur dann als chinesische Untertanen betrachtet würden, wenn sie nicht freiwillig eine andere Staatsangehörigkeit annähmen.
(Da dieses Abkommen nicht nur im Falle Indonesiens die Haltung Pekings war und ist, und der Schwerpunkt auf dem Wörtchen „freiwillig” liegt, fand China jetzt in Vietnam einen Ansatz, um seine Verantwortlichkeit für die Chinesen in Süd-Vietnam zu unterstreichen, die 1956 unter dem Diem-Regime zwangsnaturalisiert worden waren.
Ungeachtet aller Abkommen schürte die Regierung Soukarnos jedoch bewußt eine antichinesische Stimmung. Sie schloß die chinesischen Schulen und Zeitungen und belegte die nicht-naturalisierten Chinesen mit einer Sondersteuer. 1960 folgten denn auch rund 100 000 einem Repatriierungsangebot Pekings zurück ins Mutterland. Soukarno verbot den Geldverkehr zwischen Chinesen in Indonesien und ihren Familien in China, beschnitt das Devisen-Kontingent chinesischer Firmen und limitierte ihre Importlizenzen. Die Hälfte des Kapitals mußte auf genuine indonesische Rassen verteilt werden, zu denen die naturalisierten Chinesen natürlich nicht zählten. Bereits Ende der 50er Jahre kam es schließlich zu blutigen Rassenpogromen, die eine nie genau bekanntgewordene Zahl von Toten forderten, und die sich in den 60ern wiederholten. Unwahr ist jedoch Soukarnos Schutzbehauptung, daß die indonesischen Chinesen maßgeblich an dem mißglückten kommunistischen Umsturzversuch von 1965 beteiligt gewesen seien, eine Unterstellung, die heute noch immer nicht vergessen ist. Die Parti Kommunis Indonesia, PKI, rekrutierte sich nahezu ausschließlich aus Indonesiern selbst u).
Inzwischen hat sich die — in diesem Fall wohl vorrangig auf Neid beruhende — antichinesische Kampagne beruhigt. Etwa 65 Pro-zent der Chinesen in Indonesien haben die indonesische Staatsbürgerschaft beantragt General-Leutnant Yoga Sugama, Chef des State Intelligence Coordination Boards, unterteilte jüngst die Chinese Community in vier Gruppen. Er nannte neben den Naturalisierten 972 000 mit chinesischer Staatsbürgerschaft, 1 759 mit einem taiwanesischen Paß und 79 656 Staatenlose (während die Far Eastern Economic Review (12. 6. 1978] hier 800 000 angibt).
Indonesische Politiker starteten eine Assimilationsbewegung, die die Chinesen zu überreden versucht, ihre Tradition aufzugeben und gänzlich in der indonesischen Kultur aufzugehen. Präsident Souharto hatte die Chinesen bereits 1966 aufgerufen, sich indonesische Namen zuzulegen. 250 000 sollen bisher dem Aufruf gefolgt sein.
Wer jedoch annimmt, daß diese endlose Kette von Widrigkeiten, schließlich auch noch die Enteignung ohne Entschädigung im ländlichen Raum, den Einfluß der Chinesen in der Wirtschaft endgültig gebrochen habe, täuscht sich. Nachdem ihnen nach allen Restriktionen nur noch der Handel geblieben ist, so erklärte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums, beherrschen sie 70 Prozent des gesamten ländlichen Handels, den Verkauf und Warenfluß im Großhandel.
Die Chinesen auf den Philippinen
Die ersten chinesischen Siedlungen auf dem philippinischen Archipel entstanden bereits im 13. Jahrhundert. Sie waren Niederlassungen der chinesichen Flotte, die besonders während der Ming-Kaiser (1368— 1644) im Nanyang, wie die Chinesen die südlichen Seen nennen, nach neuen Marine-Stützpunkten suchte. Diese Siedlungen waren jedoch nicht permanent und wanderten mit den Flottenbewegungen. Eine nennenswerte chinesische Emigration nach den Philippinen begann erst nach der spanischen Kolonialisierung. Die feudalistische Entwicklung des Landes verlangte nach geschickten Handwerkern und Händlern — Berufe, die sowohl die Spanier als auch die Filipinos für unter ihrer Würde erachteten. Da ihnen niemand dieses Neuland streitig machte, konnten sie ihren Wohlstand und Einfluß bis zum Jahrhundert sprunghaft vermehren. Erst dann erwachte bei den Spaniern die Furcht vor der chinesischen Potenz auf den Philippinen, die allzu leicht eine Brücke zum Mutterland China schlagen könnte, so die spanischen Interessen gefährdend. Unter dem Vorwand eines Glaubensfeldzuges, der den Chinesen die katholische Religion aufzwingen sollte, kam es um 1603 und 1639 zu schweren Massakern unter den Chinesen. Die überlebenden wurden ausgewiesen 16).
In der Folge begann die Wirtschaft der Kolonie zu stagnieren und sich schließlich rückläufig zu entwickeln. Grund genug für die Kolonialverwaltung, ihre Chinesen-Politik zu revidieren. Eine neue Einwanderungswelle wäre um 1662 wiederum einem Massaker zum Opfer gefallen, hätte sich Madrid nicht davon überzeugen lassen, daß dies die Pfründe in der Kolonie zerstört hätte. Schließlich erlaubte man den Chinesen nicht nur ihre nationalistische, kulturelle und religiöse Eigenwilligkeit, sondern ließ sie auch ungestört reich werden.
Bereits um 1870 bauten die philippinischen Chinesen ihre Import-Export-Imperien über Hongkong aus, die engen Fäden des Clan-Geistes nutzend, der sie mit den „Kongsi“ (den Sippengemeinschaften) in der Kronkolonie verband. 1951 beherrschten sie 13 Prozent des Kleinhandels, ein Imperium der „Towkays", der Kramläden, und 46 Prozent des Außenhandels
Diese Zahlen vermitteln jedoch nur einen ungenauen Eindruck von der chinesischen Wirtschaftsmacht. Sie erfassen nicht den Einfluß der chinesisch-philippinischen Mestizen, die aus Furcht vor Repressalien ihre Abstammung verleugneten. Ein Zensus von 1903, fünf Jahre nach dem spanisch-amerikanischen Krieg (1898), nennt beispielsweise nur 41 000 Chinesen. Jüngste Zahlen geben die ethnischen Chinesen in den Philippinen mit mehr als 650 000 an, darüber hinaus schätzt man die Mestizen auf 300 000. Bisher haben nur 20 000 Chinesen die philippinische Staätsbürgerschaft beantragt Die Gesetzgebung des Landes erleichtert ihnen allerdings auch kaum die Integration. Die Retail Trade Nationalization Act von 1954 beschränkt die Eigentumsrechte von Chinesen in Unternehmen des Einzelhandels auf den Tod des Besitzers. Die Erben müssen das Unternehmen innerhalb von sechs Monaten liquidieren. Zollfreie Importe, ein für die Philippinen wichtiger Bereich des Handels, bleiben den Filipinos Vorbehalten. Um diese Restriktionen zu umgehen, verlagern die Chinesen immer mehr ihre Aktivitäten auf die Mestizen, die den kühnen Geschäftsinstinkt ihrer chinesischen Vorfahren geerbt haben. Beliebt sind auch Strohpuppen-Partnerschaften mit willigen Filipinos, sogenannte li-Baba-Geschäfte. Zudem haben die Chinesen ihre Interessen immer mehr auf die Industrie verlagert, die kapitalstarke Investoren benötigt. Ein beträchtlicher Teil ihres Kapitals wurde illegal in Hongkong investiert und steuert von hier aus weiterhin Im-und Export der Philippinen. Es ist daher nur von unbedeutender Aussagekraft, daß ihr Anteil am Inland-und Außenhandel von 30, 6 Prozent im Jahr 1948 auf 13, 2 Prozent im Jahr 1957 abgesunken sei
In der offiziellen Politik zeigen die Philippinen die Flagge der nationalen Einheit, der sich die Chinesen zumindest oberflächlich beugen. Denn seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China fürchten die Chinesen nichts so sehr wie die Jurisdiktion Pekings, der sie in der Mehrheit und nach völkerrechtlichem Verständnis unterliegen.
Die Chinesen in Vietnam
Die Emigration von Chinesen nach Vietnam geht in das erste Jahrhundert v. Chr. zurück, als Kaiser Wu von der Han-Dynastie den unabhängigen Staat Nan Yueh eroberte. Yueh ist die chinesische Bezeichnung für Viet, wie sich die Bewohner der Region nannten, die später Nord-Vietnam heißen sollte. Diese erste Epoche der chinesischen Herrschaft über die Vietnamesen endete im dritten Jahrhundert n. Chr. Die Viet erhielten eine beschränkte Autonomie zurück, blieben den chinesischen Kaisern jedoch tributpflichtig. Die unmittelbare chinesische Herrschaft kehrte unter den Tang (618— 906) zurück. Sie nannten die Region nunmehr An Nam (Annam), der „befriedete Süden", eine Bezeichnung, die bis zum Ende der französischen Herrschaft (Kapitulation der Franzosen 1954 bei Dien Bien Phu) beibehalten wurde.
Abschnitt der vietnamesischen Geschichte ist bis zum heutigen Tag im Bewußtsein der Vietnamesen lebendig geblieben, wie der Autor anläßlich eines jüngsten Besuches in Vietnam feststellen konnte, und angesichts des vietnamesisch-chinesischen Konflikts um Chinas Rolle im vietnamesischkambodschanischen Grenzkrieg wiederbelebt.
Die chinesische Waffenbrüderschaft bei der „Liberalisierung“ Indochinas trat dagegen in den Hintergrund. Es waren zuerst die Trup-pen Chiang Kai-sheks, die Hanoi von der japanischen Besatzung im zweiten Weltkrieg befreiten und Ho Chi Minh bei der Proklamation der Republik Vietnam halfen. Chiang Kai-sheks Niederlage gegen Mao Tse-tung (1949) brachte eine noch engere Zusammenarbeit zwischen den beiden kommunistischen Staaten.
1955 unterzeichneten beide Seiten einen Vertrag, der die Jurisdiktion über die Chinesen in Vietnam in die Hände Hanois legte. Die rund 200 000 Chinesen in Nord-Vietnam wurden in den vergangenen Jahren schrittweise vietnamisiert. Anders steht es mit dem Süden, dem ehemaligen Land der Cham, in dem die Viet in den zurückliegenden zwei Jahrtausenden immer mehr Gewicht bekamen, und die Ureinwohner schließlich völlig absorbierten. Die verschiedenen pseudodemokratischen Regierungen hatten sich nie sonderlich um eine Integration der Chinesen gekümmert. Erst das Diem-Regime schritt 1956 zu einer Zwangsnaturalisierung der chinesischen Minderheit, indem es die Pässe der Chinesen einziehen ließ und dafür vietnamesische Pässe ausgab. Während die Chinesen in Nord-Vietnam sich auch ideologisch mit dem vietnamesischen Sozialismus identifizierten und den Vietnamesen in jeder Hinsicht gleichgestellt wurden, blieben sie in Südvietnam bis zum heutigen Tag eine exklusive Gesellschaft. Seit 1956 waren die südvietnamesischen Chinesen zwar von einer garizen Reihe Berufe im Bereich des Handels ausgeschlossen worden, was jedoch nicht die Macht der Chambers of Commerce brechen konnte.
Besonders die amerikanischen Truppen zogen es vor, mit den cleveren Chinesen zu verhandeln, die unter dem Dollarsegen ihren Reichtum vervielfachten. Gegen Ende des Krieges beherrschten die rund 1, 2 Millionen Chinesen, die vorwiegend in Saigon lebten, den gesamten Reishandel und den Geldmarkt, den Einzelhandel in Saigon und das Schrottgeschäft, das Millionen einbrachte.
Als die Truppen Nord-Vietnams im April 1975 in Saigon einmarschierten, blieb die privilegierte Stellung der Chinesen unangetastet. Während die Sozialisierung Südvietnams das kranke Wirtschaftsgefüge zu'Beginn der Machtübernahme weiter verunsicherte, waren die kapitalistischen Chinesen das Herz der Versorgung Saigons. Diese Rolle, davon sind westliche Diplomaten in Hanoi überzeugt, hätten die Chinesen wohl noch längere Zeit weiterspielen können, wäre die vietnamesische Regierung nicht auf eine Machtprobe mit Peking aus gewesen.
Der Generalsekretär der kommunistischen Partei Vietnams, Xuan Thuy, versucht denn auch den Spieß umzudrehen. In einem Interi view mit der Vietnam News Agency behauptet er, daß der Exodus der Chinesen von Peking initiiert worden sei. Von dort sei das Gerücht von einem bevorstehenden großen Krieg verbreitet worden, in dem China an der Seite Kambodschas kämpfen werde. Vize-Premier Nguyen Duy Trinh erklärte, daß die „socialist transformation" in Südvietnam zu Sabotageakten seitens der Chinesen geführt habe Im Interesse des Allgemeinwohles habe die Regierung nicht länger zusehen können. Hanoi habe zu keiner Zeit Kapitalisten bestraft, sondern nur erwartet, daß sie sich ihrer Fehler besonnen und entsprechende Konsequenzen zögen.
Man mag den vietnamesischen Behörden gerne glauben, daß die Chinesen in dem schwierigen Wiederaufbau der vietnamesischen Wirtschaft wenig kooperationsbereit waren. Eine striktere Kontrolle der chinesischen Aktivitäten war demzufolge eine zwingende Notwendigkeit. Es verbreiten sich allerdings auch Gerüchte, daß die Regierung in Hanoi eine Säuberungswelle für angebracht hielt, um eine potentielle „Fünfte Kolonne" zu Pekings Gunsten im Keim zu ersticken, und möglicherweise dazu von Moskau ermutigt wurde
Die Chinesen in Malaysia und Singapur
Bereits vor der Gründung des Sultanats Malacca (15. Jahrh.) legten chinesische Handelsschiffe in diesem größten Hafen Südostasiens an. Als das Sultanat 1511 an die Portugiesen fiel, waren nicht nur stabile Geschäftsverbindungen etabliert, sondern auch politische Beziehungen auf der Ebene von Sonder-botschaftern. Die Chinese Community war noch recht bescheiden. Als die Holländer 1644 die Portugiesen aus Malacca vertrieben, registrierten sie 400 Chinesen Wie in Indonesien, so förderten sie auch in Malacca die Ansiedlung von chinesischen Arbeitskräften und Geschäftsleuten, und um 1750 hatte sich deren Zahl mehr als verfünffacht Doch die großen Einwanderungswellen kamen nach der Gründung der britischen Settlements in Penang (1786) und Singapur (1819) und erreichten ihren Höhepunkt um 1874, mit jährlichen Quoten von mehreren Zehntausenden, als die englische Herrschaft über Malaya (heute Malaysia) politisch gefestigt war
Die meisten Immigranten kamen als Kulis, um in einer traditionellen chinesischen Industrie, dem Zinnbergbau, tätig zu werden. Darüber hinaus fanden sie genügend Betätigungsbereiche, die von den ausschließlich landwirtschaftlich orientierten Malaien nicht beachtet wurden. Die Fukien waren meist Bauern (mit Schwerpunkt auf Cash Crops), Reishändler und kleine Geschäftsleute, die Teochiu verlegten sich auf den Pfefferanbau (Malacca war das Zentrum des internationalen Gewürz-handels) und den Einzelhandel in den Städten. Die Cantonesen bevorzugten das Bauhandwerk, die Hakka waren Schmiede, Schneider und Schuhmacher, während die Hainanesen das Heer der Verkäufer und Dienerschaft stellten. Diese Struktur hat sich bis heute in Malaysia erhalten
Assimilation Die ersten Siedler in Malaya waren keinesfalls abgeneigt, sich der eingeborenen Kultur anzugleichen. Allerdings setzte ihnen der Islam, zu dieser Zeit bereits stärkste Religion in Malaya, gewisse Grenzen. Eine Mohammedanerin durfte keinen Nicht-Muslim heiraten, es sei denn, er war bereit zu konvertieren. So weit ging die chinesische Integrationsbereitschaft jedoch nicht. Doch fanden die’ Chinesen in der niederen Klasse der malaiischen Gesellschaft und unter javanesischen sowie balinesischen Einwanderern genug heiratswillige Frauen. Aus diesen Mischheiraten sind die Baba hervorgegangen, die wiederum neue chinesische Einwanderer absorbierten und so eine nahezu eigenständige Rasse bildeten.
Auch die Chinesen in Malaya und Singapur folgten dem Trend zum Nationalismus, der sich mit dem Machtwechsel in China (Gründung der Republik 1911) unter den Überseechinesen ausbreitete. Soweit sie bereits in der malaiischen Gesellschaft aufgegangen waren, betonten sie nun ihre Chineseness. Fremdes Kulturgut übernahmen sie weitgehend nur noch von den Europäern. Je mehr chinesische Frauen nach Malaya kamen, desto chinesischer wurden die Immigranten. Schließlich entsandte Peking einen Konsul nach Singapur (1877), der die Kommunikation zwischen China und den Uberseechinesen verstärkte.
Chinesische Schulen schossen wie Pilze aus dem Boden. Unterrichtsmedium war Chinesisch, noch nach Dialekten aufgesplittert, später immer häufiger Mandarin. Während der kurzen Zeit der Republik China waren die chinesischen Auslandsschulen Zentren des chinesischen Nationalismus. Soweit überhaupt eine andere Sprache und fremder Einfluß geduldet wurden, so war es Englisch und westliche Wissenschaften. Die japanische Besatzung während des zweiten Weltkrieges und die brutalen Ausschreitungen gegen die Chinesen schweißten die Chinese Communi-ties nur noth enger zusammen, zumal sie unter den Malaien wenig Rückhalt fanden.
Nach der japanischen Kapitulation hofften die Chinesen ängstlich auf die Rückkehr der Engländer. Denn inzwischen sahen sie sich neuem politischen Druck ausgesetzt. Die jungen Unabhängigkeitsbewegungen in Südostasien erinnerten sich nur zu genau an die enge Kooperation der Chinesen mit den Kolonial-herren. Es waren die Nationalisten, die einer weiteren Assimilation der Chinesen einen Riegel vorschoben. Soweit Assimilationsbewegungen entstanden, waren es gesetzliche Maßnahmen zur Zwangsintegration.
In keinem der Gastländer der Hua-chiao in Südostasien ist diese Integration von so vitalem Interesse wie in Malaysia, wo die Chinesen (34 Prozent der 14 Millionen Einwohner) kaum noch als Minderheit bezeichnet werden können. Premierminister Datuk Hussein Onn nannte die rassische Polarisierung in seinem dritten Malaysia-Plan, der 1976 verabschiedet wurde, „Malaysias Zeitbombe“. Um sie zu entschärfen, revidierte die Regierung Hussein Onn (seit 1976 im Amt) die Schulgesetze. 1982 sollen alle Schulen in Malaysia in Bahasa Malaysia unterrichten, eine Zielsetzung, die von vielen Politikern als utopisch betrachtet wird, da diese Sprache noch längst nicht über ein ausreichendes Vokabular verfügt. Die chinesischen Schulen sollen, wie bereits in der Education Act von 1961 festgelegt, schrittweise nationalisiert werden Malaiisch ist bereits neben Englisch die einzige Unterrichts-sprache an den malaysischen Universitäten.
Die Chinesen leisten dieser Politik heftig Widerstand. Sie befürchten, daß das Bildungsergebnis im Lande rückläufig sein werde, und daß Nicht-Malaien benachteiligt seien. Wenn schon eingeführt eine integrierende Sprache werden müsse, dann biete sich Englisch als die lingua franca an, wie bereits in Singapur praktiziert.
Nach dem Zensus von 1976 gibt es in Malaysia zur Zeit 1 017 chinesische Primarschulen (2 326 malaiische) und 38 Sekundarschulen (383 malaiische) Sie sind die Träger der chinesischen Kultur und Tradition, der Nährboden der chinesischen Exklusivität. Es ist allerdings fraglich, ob die Einführung einer Nationalsprache, eine andere als Chinesisch, zu einer echten Assimilation führen wird. Wie die Baba bewiesen haben, die einen malaiischen Dialekt sprechen, ist die Sprache al27) lein kein Hindernis für die trennende Chineseness. Viel härter würde es die Chinesen treffen, wenn das bildungspolitische „Weißbuch" von Professor Nik Abdul Rashid, dem stellvertretenden Dekan der juristischen Fa-kultät der University Malaya, verwirklicht würde, das den kulturellen Pluralismus in Malaysia aufgehoben sehen möchte zugunsten einer integrierten Kultur, die sich an der malaiischen Tradition orientiert
Die Überseechinesen und Politik
Es wurde oft behauptet, daß die Überseechinesen unpolitisch gewesen seien und ihr politisches Engagement erst in jüngster Zeit entwickelt hätten, zu spät, um die Politik ihrer Gastländer noch zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Unpolitisch waren sie keinesfalls, wie dieser Abschnitt zeigen soll, wohl aber blieben sie auf das eigene enge Gesichtsfeld beschränkt.
Die soziale Struktur Die Chinesen sind bekannt für ihre starken familiären Bindungen. Die Familie ist der Nukleus ihres gesellschaftlichen Lebens. Die chinesische Familie ist streng patriarchalisch organisiert, eine Macht, die nur durch die Clan-Gesetze aufgehoben wird. Die frühe Emigration folgte diesen Clanund Familienbindungen. In Malaysia können nicht selten ganze Dörfer ihre Abstammung auf denselben Vorfahren zurückführen, und vereinzelt bilden Clan-Gemeinschaften ganze Stadtteile. Die Familie war für die Einwanderer die einzige wirtschaftliche und soziale Sicherheit in dem fremden Land, Darüber hinaus fühlten sie sich ihrer Dialektgruppe verpflichtet.
Diese innere Abgrenzung bewahrte nicht nur die gruppenspezifische Tradition, die das gesamte religiöse und rituelle Leben umfaßte, sondern diente besonders während der frühen Emigration auch zu einem Rückhalt im Ursprungsland, der „zweiten sozialen Verteidigungslinie" sollte das Emigrations-Abenteuer schiefgehen. Feindliche Zusammenstöße zwischen den Dialektgruppen waren keine Seltenheit in den Chinese Communities Malaysias und Singapurs im 19. Jahrhundert
Die ersten politischen Strukturen kristallisierten sich aus den Chinese Associations heraus, die jede Gruppe für sich bildete. Diese waren zu Beginn mehr oder weniger Kommunikationszirkel und nostalgische Reminiszenzen an die Heimat, entwickelten sich später aber zu Sozial-und Schutzgemeinschaften. Gewöhnlich wählten die Dialektgruppen reiche Geschäftsleute an die Spitze der Associations, die für die-großen Geldsummen, die sie bereitstellten, sozialen und politischen Einfluß forderten. Auf diese Weise entwickelte sich die Sozialstruktur der Overseas Chinese in Malaysia und Singapur, eine Hierarchie, die sich ausschließlich am Reichtum mißt. Eine darüber hinausgehende soziale Klassifizierung kennt die Unterteilung in die Klasse der Shang (Kaufleute, Händler, Pflanzer und Minenbesitzer) und der Kung (Handwerker, Künstler, Verkäufer, Büroangestellte, Lehrer und Kulis). Erst spät bildete sich eine intellektuelle Schicht heraus, die in der traditionellen Struktur der Chinesen in Malaysia und Singapur erst nach dem zweiten Weltkrieg in der Führer-Liga akzeptiert wurde.
Secret Societies und Triads Die erste Form der Selbstregierung, die Wahrung von Recht und Ordnung in der Chinese Community, kam mit den Secret Societies, die besonders im 19. und frühen 20. Jahrhundert entstanden. Die lokalen Autoritäten, und so auch die Kolonialherren, waren mit dieser Lösung recht einverstanden, die ihnen die Verantwortung abnahm. Als Intermediär fungierte der Kapitan China, meist ein Abenteurer mit Ansehen und Reichtum. Die wohl schillerndste Figur in Malaya war Yap Ah Loy, der im Auftrag des Sultans von Selangor und der Briten in der jungen Zinn-Minen-Stadt Kuala Lumpur um 1857 für Recht und Ordnung sorgte
Es wird allgemein angenommen, daß die Secret Societies ihren Ursprung in den Triads hatten, jenen religiös orientierten Sekten, die vor Jahrhunderten entlang des Yangtze-Flusses blühten und später zu den erbittertsten Gegnern der Ching-Dynastie zählten. Die Secret Societies hatten von dort ihren violanten politischen Charakter geerbt und nach Malaya getragen, bis sie der Kolonialverwaltung zu mächtig wurden, die sie um 1890 zu entmachten versuchte. Heute machen die Secret Societies in Malaysia und Singapur nur noch als Banden des organisierten Verbrechens von sich reden, wie nahezu alltäglich Zeitungsmeldungen unterstreichen
Die Hua-chiao und die Politik Chinas Immer noch zurückhaltend in Bezug auf eine unmittelbare politische Rolle in ihren Gastländern, konzentrierten sich die Überseechinesen auf das Geschehen im Mutterland selbst. Dies ist um so verständlicher, als viele der Hua-chiao noch nicht von einem permanenten Verbleib im Nanyang überzeugt waren. Wie viele Chinesen im Mutterland, so hatten auch die Überseechinesen ein Interesse daran, die ihnen wohlgesonnene Ming-Dynastie wieder auf den Thron zu setzen. Die Herrschaft der nomadischen Manchu (seit 1644) über die genuinen Han-Chinesen hatte zu starken anti-Manchu-Bewegungen in China selbst und im Nanyang geführt. Als sich die ersten Revolutionsbewegungen um Dr. Sun Yat-sen scharten, die schließlich den erfolgreichen Sturz der Manchu und die Gründung der Republik (1911) bewirkten, waren die Überseechinesen die tragende Säule dieser Revolution. Sie gewährten die entscheidende finanzielle Hilfe und engagierten sich persönlich über die Tung Meng Hui (die vereinigte Liga) in Singapur und Malaysia. Führer der dortigen Chinese Communities waren darüber hinaus an der Planung der Revolution beteiligt.
Dieser einzige unmittelbare Beitrag der Huachiao zu dem politischen Geschehen im Mutterland sollte ihnen später wiederholt angelastet werden. Er rückte sie in das Licht einer potentiellen Fünften Kolonne Pekings, obwohl sie weder an der Koumintang-Revolution noch an der kommunistischen Machtübernahme einen Anteil hatten
Die Chinesen in der Politik Malaysias und Singapurs
Waren bisher die Chinese Chambers of Com-merce die Träger der internen Politik der Auslandschinesen, der Reichtum das einzige Symbol der Macht, so sah das 20. Jahrhundert chinesische Führer, die noch über andere Qualitäten verfügten. Sie hatten sich bewußt als politische Organisation in der Straits Chinese British Association (Chinesen, die in Malaya und Singapur geboren waren) zusammengefunden und waren vorwiegend Universitätsabsolventen mit englischer oder zweisprachiger (englischer und chinesischer) Erziehung Zunehmend wurden sie zu Mittlern zwischen den lokalen Autoritäten und der Chinese Community, oft sogar mit Sitz in kommunalen Gremien und als Berater malaiischer Körperschaften. Ihre Rolle festigte sich nach dem zweiten Weltkrieg. Es waren nahezu ausschließlich Chinesen, die in Malaya und Singapur an der Seite der Briten gegen die japanische Invasion gekämpft hatten. Ausschließlich Chinesen bildeten die „Ma-layan People’s Anti-Japanese Army", die mit starken Guerilla-Einheiten hinter der Front und gemeinsam mit den Engländern die Befreiung Malayas versuchte.
Im Nachkriegsmalaysia waren die Straits Chinese die Führer einer selbstbewußten, betont nationalistischen Chinese Community, die nach einem festen Platz in der Gesellschaft des Gastlandes suchte, nach einer permanenten Rolle der Chinesen in der Politik. Der Zwang dazu ergab sich um so mehr, als es nach, dem Krieg wiederholt zu Zusammenstößen zwischen Chinesen und Malaien kam, die ihre Ursache in der Emergency (von der noch später die Rede sein soll) hatten, der versuchten Machtübernahme durch die Communist Party of Malaya, die sich ausschließlich aus Chinesen rekrutierte.
Nach dem zweiten Weltkrieg erwachte in Südostasien der Nationalismus. Die Kolonien strebten nach ihrer Unabhängigkeit. In diese Zeit fällt auch die Gründung der ersten politischen Parteien in Malaya. Die Briten begannen ihre Straits Settlements umzustrukturieren, um sie auf die Unabhängigkeit vorzubereiten. Als neues Staatsgefüge schlugen sie eine Malayan Union vor, in der die Chinesen gleiche Rechte haben sollten, und die die Macht der Sultane einschränken sollte. Diesem Plan widersetzten sich die Malaien. Sie gründeten eine nationalistische malaiische Partei, die United Malays National Organisations, UMNO, die mit den Briten über eine Gründung einer Malayan Federation verhandelte. Schließlich gaben die Engländer dem Druck der Nationalisten nach. Die Malayan Federation wurde 1948 Wirklichkeit, und damit fiel die Einflußnahme über die Staatsbürgerschaft den Sultanen zu. Die Malaien erwirkten darüber hinaus den Ausschluß Singapurs aus der Föderation und verhinderten dadurch eine chinesische Mehrheit.
Um jetzt politisch für die Chinesen zu retten, was noch zu retten war, formten die Chinesen die Malayan Chinese Association, bisher ein Sozialverein für zwangsumgesiedelte Chinesen (siehe Emergency), in eine politische Partei um (1949). Die intellektuellen Führer der MCA waren sich bewußt, daß die zunehmende rassistische Polarisierung zwischen Ma-laien und Chinesen deren Chancen in Malaya auf lange Sicht beeinträchtigen werde. Sie suchten die Zusammenarbeit mit der UMNO. Ihr Gründer, Dato Onn, der Vater des heutigen Premiers, scheiterte jedoch bei dem Versuch, die UMNO auch für Nicht-Malaien zu öffnen. Moderate malaiische Politiker setzten allerdings eine Allianz durch, die 1952 zum ersten Mal die Kommunalwahlen von Kuala Lumpur als UMNO-MCA-Einheitspartei aus-focht. Später erweiterte sich die Allianz um den Malayan Indian Congress, MIC. Gemeinsam verhandelten die drei malaysischen Rassen nun mit den Briten über den Zeitpunkt der Unabhängigkeit.
Als Voraussetzung zur Gewährung der Unabhängigkeit verlangten die Briten allerdings, daß sich die drei Rassen über den politischen Proporz in einem selbständigen Malaya einigen sollten. Unter anderem sollte den Chinesen die Staatsbürgerschaft eingeräumt werden.
Nach dem Zensus von 1947 zählten die Chinesen 38 Prozent und die Malaien zusammen mit nicht-malaiischen eingeborenen Rassen knapp unter 50 Prozent. Wäre Singapur zu diesem Zeitpunkt in der Föderation gewesen, hätten die Chinesen die Majorität gehabt. In den ersten Bundeswahlen, noch vor Merdeka, dem Unabhängigkeitstag (1957), die die Engländer zur Vorbereitung der -Regierungsüber gabe 1955 abhielten, waren jedoch nur 11 Prozent der Chinesen wahlberechtigt (und 84 Prozent Malaien) *
Die nicht-malaiischen Parteien erkauften sich schließlich ihre Bürgerrechte, indem sie besonderen Privilegien für die Malaien, die Bumiputras, die „Söhne des Landes", zustimmten. Den Nicht-Malaien wurde auf der Grundlage des jus soli die Staatsbürgerschaft gewährt. Als Gegenleistung akzeptierten sie den Islam als Staatsreligion, die Beibehaltung der Sultane, das Vorrecht der Malaien bei der Postenvergabe im Öffentlichen Dienst und bei der Landverteilung sowie zur gegebenen Zeit Malaiisch als Nationalsprache.
Politische Polarisierung Mit diesem Kompromiß ging Malaysia am 31. August 1957 in die Unabhängigkeit. Ein Kompromiß, von dem viele glauben, daß er die politische Polarisierung zwischen Chinesen und Malaien zementiert habe: ein Rollen-spiel, das den Chinesen die wirtschaftliche Macht zuweist und den Malaien die politische. Und bis zum heutigen Tag konzentriert sich die politische Auseinandersetzung denn auch auf den Ausgleich im Rollenspiel. Radikale malaiische Gruppen, vor allem die PI (auch PIMP), die Parti Islam, fordern eine stärkere Malaiisierung in allen Bereichen von Politik und Wirtschaft. Die inzwischen zahlreichen chinesischen Parteien in der Opposition (26 sind registriert), vor allem die Democratic Action Party, DAP, als stärkste oppositionelle Gruppe, wollen den politischen Einfluß der Chinesen vermehrt wissen, ohne allerdings auf einen Teil ihres wirtschaftlichen Imperiums zu verzichten. Dieser Ausgleich muß dringend herbeigeführt werden, will man eine Wiederholung der Rassenpogrome vom Mai 1969 vermeiden, als Malaien und Chinesen sich blutige Straßenschlachten lieferten, die auf beiden Seiten Millionenschäden an Sachwerten, zahlreiche Tote und Verletzte zurückließen.
Die Malaien sind jedoch zurückhaltend, wenn es um die Stärkung des politischen Einflusses der Chinesen geht. Die Bedrohung ihrer Vormachtstellung während der kurzen Periode, als Singapur (1957 Mitglied des Staatenbundes) mit der progressiven Peoples Action Party, PAP, in die Wahlen von 1964 marschierte, ist noch zu gut in Erinnerung und führte letztlich 1965 zum erneuten Ausschluß Singapurs aus dem Staatenbund Malaysia. Zum an-B deren hegen die Malaien ein tiefes Mißtrauen gegen die politischen Intentionen der Chinesen. In den Augen vieler Malaien sind die Chinesen immer noch die potentielle Fünfte Kolonne des kommunistischen China. Es waren Chinesen, die 1930 die Communist Party of Malaya, CPM, gründeten, die 1948 mit rund 5 000 Mann unter Waffen und weiteren 20 000 Min Yuen, sogenannten sympathisierenden Hilfstruppen, die kommunistische Machtübernahme in Malaya versuchte, die erst 1960 nach der 12jährigen Emergency gebrochen werden konnte. Noch heute verbergen sich in den Grenzdschungeln zwischen Thailand und Malaysia schätzungsweise 3 000 kommunistische Guerillas, überwiegend Chinesen, die starke thai-malaysische Combined Forces binden. In Anbetracht der Tatsache, daß die meisten der chinesischen Oppositionsparteien deutliche Linkstendenzen zeigen, sich zumindest sozialistisch nennen, ist das Mißtrauen der Malaien verständlich, wenn auch übertrieben.
Die moderaten chinesischen Politiker, durch MCA und Gerekan in der Barisan Nasional vertreten, der Nationalen Front, die inzwischen als Nachfolger der Allianz auf neun Parteien angewachsen ist, bemühen sich denn auch mehr, den Status quo der Chinesen in der Politik zu wahren. Die Wahlen von 1978 haben der Barisan, und damit den bedächtigen Politikern eine überzeugende Mehrheit gegeben, ein Zweidrittelmandat für die rassische Einheit. Die ländlichen Chinesen und die niederen Einkommensgruppen der Chinese Community haben allerdings bewiesen, daß sie in der Lage sind, die rassische Polarisierung zu verschärfen. Sie waren es vor allem, die den mehr städtisch ausgerichteten Chinesen in der Barisan, die mehr eine Interessenvertretung der chinesischen Geschäftsleute sind, 'eine Absage erteilten. Der oppositionellen DAP halfen sie mit 16 Sitzen ins Bundes-parlament (1974 nur 9), während die MCA bei 17 Abgeordneten einen Verlust von 3 Mandaten gegenüber 1974 hinnehmen mußte.
Die Hua-Chiao als Wirtschaftsmacht
Nach dem offiziellen Zensus von 1975 zählen die Malaien 53 Prozent, die Chinesen 34 Prozent und die Inder 11 Prozent, während der Rest auf sonstige Rassen entfällt. Betrachtet man dagegen den wirtschaftlichen Einfluß der Rassen in Malaysia, so wird die Bevölkerungsstatistik auf den Kopf gestellt. Zwischen 27 und 28 Prozent der Wirtschaft werden von den Chinesen beherrscht, rund 8 Prozent von den Malaien und 54, 9 Prozent von Ausländern Niemand sollte von diesem Ergebnis überrascht sein, am wenigsten die Gastländer des „Dritten China“. Oft mit den Juden in Europa verglichen, haben sich die Chinesen jene Einkommensquellen ausgesucht, die entweder von den eingeborenen Rassen nicht wahrgenommen wurden, oder sie entwickelten mit der ihnen eigenen Cleverness jene Bereiche, die ausdrücklich zugewiesen wurden. Durch Gesetze vor allem auf urbane Regionen verwiesen, da der traditionelle Instinkt der genuinen Rassen die Landwirtschaft vor ihnen zu schützen versuchte, übernahmen sie den Handel und das Handwerk, letzteres später in die Industrie überleitend.
Die Kolonialepoche half ihnen wirtschaftlich weiter auf die Beine. Der Rohstoffhandel, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu blühen begann, war für die eingeborenen Rassen ein Feld, das zu beherrschen sie weder die Erfahrung hatten, noch die nötigen Verbindungen. Die chinesische Clan-Gesellschaft verfügte über beide. Und schließlich — um das Kind beim Namen zu nennen — zogen die eingeborenen Rassen, teilweise bis heute, ein Leben der Subsistenz-Wirtschaft einem profitorientierten Engagement vor.
Als die Kolonialherren Monopol-Lizenzen für Im-und Export vergaben, waren es die Chinesen, die über ihre Familienbande die Geldmittel aufbringen konnten. In Malaysia beherrschten sie bald den Kautschuk-Handel und die Gummipflanzungen, den Zinnabbau, seine Verarbeitung und den Export. Als landwirtschaftliche Exporte nach Europa gefragt waren, finanzierten die Chinesen die exportorientierte Produktivitätssteigerung und brachten als Geldverleiher so auch weite Bereiche der Landwirtschaft in ihre Gewalt. Bereits vor dem zweiten Weltkrieg rangierte die chinesische Wirtschaftsmacht in Südostasien unmittelbar hinter der europäischen.
Singapur, 1819 von den Engländern aus einem malaiischen Dorf gegründet und von Chine27 sen besiedelt, wurde zum Umschlaghafen des chinesischen Wirtschafts-Imperiums im Nanyang und ist es mit seiner chinesischen Mehrheit von 75 Prozent bis heute geblieben. Hier etablierte sich der Geldmarkt der Region, der heute in der Lage ist, selbst Regierungskredite zu gewähren.
Als sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts und verstärkt nach dem zweiten Weltkrieg die Wirtschaftsstruktur in Südostasien änderte und Europa nach Investitionsmöglichkeiten suchte, nach billiger Arbeitskraft, um kostengünstig zu produzieren, war es wiederum Singapur mit seiner strategisch günstigen Lage als Hafen, das den Löwenanteil des Geschäftes an sich zog, nicht zuletzt auch wegen der begrüßenswerten Zuverlässigkeit der Chinesen als Partner. Heute beherrschen die Huachiao in Südostasien mit einer Gesamtinvestition von 16 Milliarden US-Dollar nach den Auslandsinvestitionen den Markt in Südostasien, den Export und den Import
Es wird heute immer schwieriger, exakte Zahlen über das Wirtschaftsengagement der Chinesen in der Region zu erhalten. Nichts wird als größeres Geheimnis gehütet als das Geschäft. Wohl aus Gründen der politischen Brisanz werden immer seltener Statistiken über die Verteilung des Reichtums veröffentlicht. Ältere Zahlen aus Malaya deuten allerdings die Proportionen an. 1947 waren 57 Prozent der Malaien in der Landwirtschaft tätig, fast ausschließlich in Subsistenz-Betrieben, aber nur 30 Prozent der Chinesen, und dies dann in export-oder handelsorientierten Betrieben. Im Zinnbau dominierten die Chinesen mit 70 Prozent (Malaien 19), in der Verwaltung dagegen hatten die Malaien mit 54 Prozent die Mehrheit gegenüber 11 Prozent Chinesen. Eine Einkommensstatistik von 1957 nennt für die Malaien ein Per Capita-Einkommen von 1 150 Malaysischen Dollar und für die Chinesen 1 950 per annum
New Economic Policy Es bedarf keiner Diskussion, um den Sprengstoff hinter diesem Ungleichgewicht bei der Verteilung des Wohlstandes zu sehen. Dies besonders dann., wenn Armut mit der ethnischen Identität einhergeht. Mehr als 65 Prozent der Malaien leben unterhalb der von der Regierung festgelegten Armutsgrenze — 250 Malaysische Dollar Familieneinkommen im Monat bei durchschnittlich sechs Personen —, in den ländlichen Gebieten sind es gar 89 Prozent der Malaien
Die Barisan Nasional hat sich darum 1970 auf die New Economic Policy geeinigt. Ihr soziales und wirtschaftliches Ziel ist die Umstrukturierung des Reichstums. Bis 1990 sollen die Malaien mit mindestens 30 Prozent an den privaten Investitionen beteiligt sein (1975 nur 7, 8 Prozent). Das wichtigste Werkzeug ist die Industrial Coordination Act von 1976. Dieses Gesetz zwingt alle privaten nicht-malaiischen Investoren, 30 Prozent ihres incorporierten Kapitals für Bumiputras zu reservieren, sie im gleichen Umfang am Management und allgemeinen Arbeitskräftemarkt zu beteiligen. Eine harte Restriktion für die Chinesen, die aus der Tradition heraus ihre wirtschaftliche Eigenbrötelei beibehalten wollen Mit dem malaiischen Partner in der Geschäftsleitung werden die internationalen Verflechtungen der Hua-chiao durchsichtig und ihre Geschäftsmonopole anfällig.
Die Chinesen haben zunächst mit einem spürbaren Rückgang ihrer Investitionsbereitschaft reagiert und nicht unerhebliche Beträge ins Ausland geschafft. Dies stellt jedoch den Erfolg der New Economic Policy in Frage, die fairerweise nicht auf einer Umverteilung des existierenden Kapitalvolumens besteht, sondern die Angleichung auf das zukünftige Wachstum aufbaut.
Wollen die Chinesen in Malaysia nicht langfristig noch schärfere Restriktionen heraufbeschwören, wobei man an ein Verbot des Kapitaltransfers ins Ausland denken könnte, müssen sie sich schleunigst zumindest wirtschaftlich integrieren. Sie werden einen Teil ihrer Chineseness aufgeben müssen und begreifen, daß ihr Vorsprung an Kapital, know-how und ihr Zugang zum Weltmarkt Allgemeingut der Nation werden müssen, deren Staatsbürgerschaft sie tragen und deren politischen Schutz sie beanspruchen.
Die Überseechinesen und Mutterland China
Die Politik Chinas gegenüber den Uberseechinesen wechselte durch die Jahrhunderte mit den verschiedenen Regierungen und kann kaum als echte Einflußnahme betrachtet werden, eher als ein Versuch, das in Asien so wichtige Gesicht zu wahren. Für die Man-chu(Ching) -Dynastie waren die Emigranten Verräter am Mutterland. Gesetze verboten die Auswanderung. Diese Haltung änderte sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts, als China sein Interesse am Handel mit Europa entdeckte. Die europäischen Kolonialmächte wiederum waren an billiger chinesischer Arbeitskraft in ihren südostasiatischen Kolonien interessiert. Sie machten gelegentlich die Akkreditierung eines chinesischen Konsuls von der Emigrationserlaubnis abhängig.
In den kommenden Jahren wurde die wirtschaftliche Prosperität des „Dritten China“ allerdings zu einer bedeutenden Einnahmequelle Pekings. Viele Emigranten blieben nur für einige Jahre in Übersee und kehrten dann mit einem finanziellen Polster zurück. Andere, die ihre Familie in der Heimat zurückgelassen hatten, schickten regelmäßig Geld, das die Wirtschaft der Ursprungsprovinzen belebte. Besonders die Koumintang, nachdem sie an die Macht gekommen waren (1927), wußten den Devisenfluß zu schätzen, auf den sie ihre Revolution aufzubauen gedachten.
Zwischen 1914 und 1930 betrug der jährliche Transfer ins Mutterland nach zuverlässigen Schätzungen rund 200 Millionen Chinesische Dollar, 1930 bis 1936 gar 300 Millionen. Zwischen 1934 und 1936 bedeutete dies einen Beitrag zwischen 49 und 129 Prozent zur Dek-kung des chinesischen Außenhandels-Defizits
Auch das kommunistische China war nicht weniger an dem Devisenfluß interessiert. Allerdings kämpfte es ständig mit ideologischen Hürden, um im sozialistischen Mutterland nicht in den Verruf zu kommen, eine Zweiklassengesellschaft des Profites wegen zu fördern. Chun-hsi Wu, in seinem Buch „Dollars, Dependents and Dogma“, schätzt den Transfer von 1964 auf 45 Millionen US-Dollar, davon allein 15 Millionen aus Hongkong. Während diese Summe unmittelbar in die Kontrolle des Staates gelangt (Handel und Investitionen der Hua-chiao mit und in China), erhalten Angehörige von Überseechinesen nochmals rund 15 Millionen US-Dollar. Zu allen Zeiten waren die Chinesen in Malaysia und Singapur die wichtigsten Geldgeber.
Kompliziert ist die Entwicklung der Staatsbürgerschaftsgesetze. 1909 revidierte die Ching-Dynastie ihre starre Haltung gegenüber den Emigranten und akzeptierte sie als geschichtliche Tatsache. Sie bestand allerdings auf dem jus sanguinis, das alle Chinesen in Ubersee, auch die dort geborenen, zu chinesischen . Subjekten'machte. Die Koumintang ließen schließlich eine Doppel-Staatsbürgerschaft gelten. Dies führte zu Konflikten mit solchen Gastländern, die das jus soli praktizierten und in ihren Grenzen geborenen Chinesen volle Bürgerrechte gewährten. Chou En-lai, anläßlich eines Besuches in Burma (1954), deutete schließlich an, daß Peking auf der Basis von bilateralen Abkommen bereit sei, das jus sanguinis fallenzulassen. 1956 modifizierte Chou En-lai diese Haltung unter Verweis auf Malaysia und Singapur, und gestand zu, daß alle Überseechinesen, die freiwillig eine fremde Staatsbürgerschaft annähmen, von Peking nicht mehr als chinesische Bürger betrachtet würden. Aus China selbst stammt die Schätzung aus dem Jahr 1960, nach der 40 Prozent der ethnischen Chinesen in Übersee noch immer Untertanen Pekings seien. An diese richtete Chou En-lai die Mahnung, die Gesetze und Kultur ihrer Gastländer zu respektieren. Mischehen wurden nicht ausgeschlossen, eine Assimilation lehnte Chou En-lai allerdings ab. Chinesische Staatsbürger in Übersee sollten sich nicht politisch betätigen, sondern ins Mutterland zurückkehren, wenn sie dies wollten
Ob nun China in Anbetracht der Vorfälle in Vietnam erneut seine Haltung ändern möchte, bleibt abzuwarten. Dies ist jedoch unwahrscheinlich, bewertet man den vietnamesischchinesischen Konflikt als das, was er ist: eine spezifische Ausnahme mit lokalem Charakter.
Jürgen Dauth, geb. 1941 in Frankfurt/M., Studium der Missionstheologie in Wuppertal; seit 1968 Journalist; journalistische Studienreisen nach Afrika und Westasien; seit 1975 Rundfunk-und Zeitungskorrespondent für Südostasien mit Sitz in Kuala Lumpur/Malaysia.
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