Zur Rolle Japans in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der westlichen Industrieländer Internationale Strukturpolitik als Aufgabe | APuZ 47/1978 | bpb.de
Zur Rolle Japans in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der westlichen Industrieländer Internationale Strukturpolitik als Aufgabe
Elke Thiel
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Zusammenfassung
Aus Politik und Zeitgeschichte, B 47/78, S. 29— 38 Ziel des Aufsatzes ist es, die Aufmerksamkeit auf Entwicklungen zu lenken, die für die zukünftigen Beziehungen zwischen Japan und den westlichen Industrieländern von größerer Relevanz werden könnten. Dabei wird — ausgehend von dem aktuellen Handelskonflikt mit den USA und der EG — insbesondere auf die Perspektiven eines breiteren Wirtschaftsaustausches Japans mit solchen Ländern hingewiesen, die noch am Anfang ihrer Industrialisierung stehen. Die japanische Industrie scheint sich darauf einzustellen, die Optionen einer Arbeitsteilung mit Ländern der Dritten Welt zu nutzen, die aufgrund der besseren Verfügbarkeit von Arbeitskräften, Rohstoffen und Energiequellen günstige Bedingungen für eine Industrieauslagerung anbieten. Für die Beziehungen Japans zu den westlichen Industrieländern könnte dies verschiedene Konsequenzen haben: Japan strebt eine größere Diversifizierung seiner Exportmärkte in Richtung Entwicklungsländer an. Der unmittelbare Exportdruck der japanischen Industrie auf den amerikanischen und europäischen Markt könnte damit zwar nachlassen, statt dessen dürften sich jedoch die Konkurrenzbeziehungen auf dritten Märkten verstärken. Dabei wären die Möglichkeiten der USA und der EG, auf das japanische Konkurrenzverhalten Einfluß zu nehmen, wesentlich geringer als im bilateralen Handelsverkehr. Die japanische Bereitschaft zu einer Marktöffnung im Zuge einer stärkeren industriellen Arbeitsteilung erstreckt sich vor allem auf solche Produktionen, bei denen die EG und die USA ebenso wie Japan gegenüber den Ländern der Dritten Welt an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt haben. Die handelspolitischen Erwartungen, die die EG und die USA in einen verstärkten Intra-Industriehandel mit Japan setzen, werden damit noch nicht erfüllt. Gleichzeitig dürfte eine stärkere japanische Arbeitsteilung mit „neuen" Industrien in der Dritten Welt den Druck auf die „älteren" Industrieländer verstärken, ihre Industrie-strukturen an die neuen internationalen Wettbewerbsbedingungen anzupassen.
I. Vorbemerkung
Japan gehört zusammen mit den USA und den Staaten der Europäischen Gemeinschaft zu den Industrieländern, die angesichts ähnlicher ökonomischer Problemstellungen, einer gegenseitigen Abhängigkeit ihrer Volkswirtschaften sowie der Bedeutung, die der wirtschaftlichen Entwicklung in diesen Ländern für die Weltwirtschaft zukommt, eine engere Kooperation in Handels-und Währungsfragen verfolgen. Die Einbeziehung Japans in einen dementsprechenden „ökonomischen Trilateralismus" — zusammen mit den USA und der EG — geht auf eine amerikanische Initiative zurück, deren aktueller Anlaß die teilweise Ablenkung des Drucks japanischer Exporte vom amerikanischen auf europäische Märkte war. Dahinter stand jedoch die viel umfassendere politische Zielsetzung, Japan in der Kooperation mit dem Westen einen wirtschaftlichen und politischen Rückhalt zu geben
Die Kooperation zwischen Japan und den westlichen Industrieländern hat in mancher Hinsicht den Charakter einer Bewältigung von Konflikten, die aus einer ökonomischen Konkurrenzsituation heraus entstanden sind. Japan sucht in der Zusammenarbeit mit den USA und der EG vor allem eine Gewähr dafür, daß die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, die eine Voraussetzung für die außenwirtschaftlichen Erfolge Japans waren, keine abrupten Veränderungen erfahren. Dies zeigt sich z. B. daran, daß Japan Selbstbeschränkungen in kritischen Exportbereichen akzeptiert, um eine Kette protektionistischer Gegenreaktionen abzuwenden. In Fragen einer neuen Weltwirtschaftsordnung verfolgt Japan eine Anlehnung an die westlichen Industrieländer, da es hier seine eigenen Interessen an einem freien Wirtschaftsaustausch am besten vertreten sieht. Umgekehrt ist aber auch für die westlichen Industrieländer eine Beteiligung Japans bei der Regelung internationaler Wirtschaftsfragen angesichts sei-ner handels-und währungspolitischen Bedeutung unumgänglich geworden.
Die westlichen Industrieländer sehen in der Kooperation mit Japan im Augenblick vor allem ein Instrument, um die Rückwirkungen japanischer Wirtschaftsdynamik auf die eigene wirtschaftliche Entwicklung zu steuern. Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit stehen daher auch Bemühungen um eine Regelung bilateraler Handelsfragen und in enger Verbindung hierzu die Diskussion über einen japanischen Beitrag zur Überwindung der allgemeinen konjunkturellen Stagnation. Der Abbau des japanischen Handelsüberschusses ist seit Herbst 1976 zu einem Hauptproblem der Wirtschaftsgespräche der EG und der USA mit Japan geworden. Die in dieser Hinsicht in Japan gesetzten Erwartungen wurden jedoch kaum erfüllt. Dies liegt nicht zuletzt daran, daß Japan aufgrund seiner außenwirtschaftlichen Erfahrungen und seiner ökonomischen und sozialen Bedingungen bisher eine primär auf den vertikalen Handelsaustausch (Rohstoffimporte gegen Industriegüterimporte) gerichtete Konzeption verfolgt, die in einem gewissen Gegensatz zu amerikanisch-europäischen Interessen steht, im Zuge einer Ausweitung des horizontalen Handelsaustausches von Industriegütern ihre Exporte nach Japan wesentlich zu steigern.
Die starke Betonung bilateraler Handelsfragen erschwert nicht nur einen Interessenausgleich im Verhältnis Japan—EG/USA, sondern verstellt auch den Blick auf andere Problemfelder, die im Rahmen einer trilateralen Kooperation zu behandeln wären. So gibt es Anzeichen dafür, daß Japan zwar bereit ist, sich stärker als bisher auf eine Arbeitsteilung im Industriegüterbereich einzustellen, seine spezifischen Vorteile hierbei jedoch nicht im Handelsaustausch mit westlichen Industrieländern sieht. Ein Interesse Japans an einer industriellen Arbeitsteilung besteht hauptsächlich solchen Ländern gegenüber, die sich noch am Anfang ihrer Industrialisierung befinden und die aufgrund der besseren Verfügbarkeit von Rohstoffen, Arbeitskräften und Industriestandorten eine günstige Ergänzung zu den industriellen Produktionsbedingungen in Japan versprechen.
Neben den „internen" Konkurrenzbeziehungen im direkten Verhältnis Japan—EG/USA könnten mit einer stärkeren Süd-und Ostorientierung japanischer Außenwirtschaftspolitik die „externen" Konkurrenzbeziehungen im Verhältnis zu Drittländern an Gewicht gewinnen. Die Unsicherheit, die hinsichtlich der Perspektive japanischer Wirtschaftsbeziehungen mit den benachbarten kommunistischen Staaten China, Vietnam und Sowjetunion besteht, und eine wachsende Empfindlichkeit gegenüber den wirtschaftlichen Aktivitäten Japans im nicht-kommunistischen Asien deuten bereits das Interesse der westlichen Industrieländer an, diese „externen" Konkurrenzbeziehungen zu kanalisieren. Die Notwendigkeit einer Kooperation mit Japan auf der Basis eines möglichst breiten gemeinsamen Interesses dürfte sich damit nur verstärken, zumal die westlichen Industrieländer hier kaum über die Instrumente (Sanktionen) verfügen, die ihnen in bilateralen Handelskonflikten eine direkte Einflußnahme erlauben. Zugleich zeigt aber auch die Betonung japanischer Kooperationsbereitschaft, daß Japan seine außenwirtschaftlichen Chancen in Übereinstimmung mit den westlichen Industrieländern wahrzunehmen sucht.
In den folgenden Ausführungen sollen einige Überlegungen angestellt werden, wie sich das ökonomische Konkurrenzverhältnis zwischen Japan und den westlichen Industrieländern entwickeln könnte und wo Interessenübereinstimmungen und neue Kooperationsansätze zu suchen sind.
1. Japanische Exportstrategie und westliche Strukturprobleme f Die Probleme, die sich für die EG und die USA in den Handelsbeziehungen mit Japan ergeben, sind bis zu einem gewissen Grade grundsätzlicher Art. Für die westlichen Industrieländer erhebt sich heute ganz allgemein die Frage, inwieweit sich die Prinzipien eines freien Handelsaustausches noch mit den jeweiligen nationalen Struktur-und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen vereinbaren lassen. Auch in den europäisch-amerikanischen Handelsbeziehungen ist es in den vergangenen Jahren wiederholt zu Spannungen gekommen, wenn bestimmte Importe binnenwirtschaftliche Beschäftigungsschwierigkeiten in einzelnen Industrien auslösten. Ähnliche Probleme ergeben sich für die westlichen Industrieländer auch im Nord-Süd-und Ost-West-Handel.
Die Schärfe des Handelskonflikts mit Japan beruht darauf, daß sich das japanische Export-angebot in besonders starkem Maße auf einzelne Branchen konzentriert, in denen Japan einen Wettbewerbsvorteil hat. Diese gezielt auf Marktlücken und -schwächen abgestellte japanische Exportstrategie bedingt fast notwendigerweise Struktur-und Beschäftigungsprobleme bei den westlichen Handelspartnern. Die Grenzen eines freien Handelsaustausches, die für Westeuropa und die USA heute dort liegen, wo ausländische Importe die Existenz eigener Industrien gefährden, sind im Handel mit Japan sehr bald erreicht.
Die japanische Exportstrategie beruht auf den Erfahrungen, die Japan im Zuge seines Industrialisierungsprozesses gemacht hat. Japan hat seine Technologie wie bisher kein anderes Land zunächst erfolgreich von westlichen Produkten imitiert, um sie dann in eigene Produktionen umzusetzen. Dabei konnte der japanische Industrialisierungsprozeß sich auf eine rasch entwickelnde inländische Nachfrage stützen. Um jedoch eine kostengünstige Serienproduktion und Kapazitätsauslastung zu gewährleisten, verfolgte die japanische Industrie zugleich eine offensive Exportpolitik, die sich jeweils auf ganz bestimmte Produkte und Märkte konzentrierte. Die Exportorientiertheit der japanischen Wirtschaft wurde noch unterstützt durch eine Politik der Regierung, die den Schwerpunkt auf eine Förderung der industriellen Produktion unter Vernachlässigung des tertiären Sektors legte
Das Exportangebot folgte dem jeweiligen Stand der im wesentlichen importierten Technologie und der japanischen Industrialisierung und nutzte hierbei spezifische Marktchancen aus Diese gezielte Exportstrategie wurde auch dann noch mit Erfolg angewandt, als sich Japan nicht mehr auf den Wettbewerbsvorteil niedriger Löhne stützen konnte Die konsequente Ausnutzung japanischer Außenhandels-vorteile wurde durch den Umstand unterstützt, daß nur relativ wenige ausländische Unternehmen in Japan Fuß fassen konnten, so daß die japanische Industrialisierung fest in „japanischer Hand" blieb.
Die Experten sind sich darüber einig, daß Japan in vielen Bereichen tatsächlich kostengünstiger produziert, auch wenn in einzelnen Fällen der Vorwurf eines Dumping erhoben wird Das Kriterium des Dumping ist vor allem deswegen von Bedeutung, weil es der EG und den USA eine Handhabe für handelspolitische Restriktionen geben würde. Unabhängig davon, ob der Tatbestand des Dumping erfüllt ist oder nicht, wäre ein weiteres Kriterium zur Beurteilung japanischer Exporte jedoch das der branchenspezifischen beschäftigungspolitischen Wirkung im betroffenen Im-portland. Die Bereitschaft Japans, sich bei besonders kritischen Produkten eine freiwillige Selbstbeschränkung im Export aufzuerlegen, deutet darauf hin, daß auch Japan dieses Kriterium anerkennt
Eine handelspolitische Zurückhaltung liegt aber auch im eigenen Interesse Japans an der Aufrechterhaltung eines freien Handelsverkehrs. Gerade Japan gehört ja zu den Ländern, die ihre wirtschaftlichen Erfolge vor allem der bisher noch liberalen Verfassung des Welthandels verdanken. Handelspolitische Gegenmaßnahmen von europäischer und amerikanischer Seite könnten hier allzu leicht einen Präzedenzfall für die Errichtung weiterer Handelsschranken schaffen und damit grundsätzlich die Exportstellung Japans in Frage stellen.
Die zukünftige Entwicklung japanischer Exportkonkurrenz läßt sich schwer abschätzen. Die japanische Industrie ist in manchen Bereichen so dimensioniert, daß sie auf Auslands-aufträge angewiesen ist. Das Exportgeschäft ist für viele Unternehmen zugleich eine Art Puffer, um auch bei einem Nachfragerückgang im Inland eine kostengünstige Kapazitätsauslastung zu erzielen. Dies gilt um so mehr, als in der japanischen Großindustrie bisher noch eine sehr enge soziale Bindung zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer besteht, die auch bei Auftragsrückgängen kaum Entlassungen zuläßt. Der hierdurch begründete hohe Anteil fixer Lohnkosten, die das Unternehmen auf jeden Fall zu tragen hat, macht ein Export-geschäft auch dann noch interessant, wenn die Preise nur die variablen oder gar eventuell nur einen Teil der fixen Kosten decken.
Die japanische Wirtschaft befindet sich im Übergang zwischen einer Phase raschen Wachstums in den Jahren vor 1973, als reale Wachstumsraten von über 10 v. H. erzielt wurden, zu einer Phase verlangsamten Wachstums, für die allerdings immer noch Zuwachsraten von 5 bis 6 v. H., neuerdings auch bis zu 7 v. H. erwartet werden. Die Wachstumsaussichten für die japanische Wirtschaft sind damit immer noch günstiger als für die europäische und amerikanische Wirtschaft mit Steigerungen von höchstens 3 bis 4 v. H. Gleichwohl stellt die Verminderung des Wachstumstempos die japanische Industrie vor neue Anpassungsprobleme, die jedenfalls kurzfristig den japanischen Exportdruck eher noch verstärken könnten.
Auch die Aufwertung des Yen-Kurses gegenüber dem US-Dollar in der Größenordnung von 50 v. H.seit Dezember 1971 und über 30 v. H.seit September letzten Jahres dürfte in einer ersten Reaktion weniger einen Rückgang japanischer Exporte, sondern primär eine Verstärkung japanischer Exportanstrengungen zur Folge haben Für einige Industrien, wie z. B. die Stahlindustrie, die ca. 80 v. H. ihrer Exporteinnahmen für den Import von Rohstoffen verwendet, werden außerdem die Verluste, die im Exportgeschäft als Folge der Yen-Aufwertung zu verzeichnen sind, teilweise durch niedrigere Importpreise ausgeglichen. Andererseits läßt sich feststellen, daß die japanische Wirtschaft heute den Produktivitätsvorsprung, der ihren Exporterfolg in den sechziger Jahren begründete, eingebüßt hat Im Bereich arbeitsintensiver Produktionen (insbesondere Textilindustrie) hat Japan den Wettbewerbsvorteil eines niedrigen Lohnniveaus verloren und sieht sich nun seinerseits der Konkurrenz der Niedriglohn-Länder Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur ausgesetzt. Im Bereich der Schwerindustrie konnte sich Japan bis 1973 durch billige Energie-und Rohstoffimporte und durch transportgünstige, see-nahe Industriestandorte Wettbewerbsvorteile sichern. Im Zeichen steigender Energie-und Rohstoffpreise und einer Uberindustrialisie-rung der japanischen Küstenregion mit erheb-liehen Umweltbelastungen sind auch diese Produktionsvorteile nicht mehr gegeben
Die Konsequenzen, die Japan aus dieser veränderten Wettbewerbssituation zieht, sind zum einen eine größere Bereitschaft zu einer internationalen Arbeitsteilung im Bereich arbeits-, energie-und rohstoffintensiver Produktionen, die nicht zuletzt auch durch Auslagerung eigener Industrien ins Ausland verfolgt wird, und zum anderen eine Umstellung der eigenen Industrie auf Produktionszweige, die eine sparsame Verwendung von Energie und Rohstoffen zulassen Japan sieht seine zukünftigen Exportchancen vor allem bei solchen Produkten, die hohe qualitative Anforderungen technologischer und organisatorischer Art erfüllen und deren Herstellung mit einer hohen Wert-schöpfung verbunden ist. Diese Umorientierung zeigt bereits erste Ergebnisse in einem stärkeren Anstieg japanischer Industrieanlagenexporte insbesondere in Staaten der*Dritten Welt und des Ostblocks in den letzten Jahren. Damit erhält Japan zugleich eine Chance, die Selbstbeschränkungen, die es sich im Handel mit westlichen Industrieländern auferlegen muß, zu kompensieren. Als Folge dieser Entwicklung zeichnet sich eine Gewichtsverlagerung der außenwirtschaftlichen Aktivitäten Japans in Richtung Nicht-Industrieländer ab, auf die weiter unten noch näher eingegangen wird. 2. Die Öffnung des japanischen Marktes Während japanische Waren nicht zuletzt auch wegen des vergleichsweise leichteren Zugangs auf dem europäischen und amerikanischen Markt vordringen konnten, ist der japanische Markt für Exporte dieser Länder bisher nur wenig erschlossen. Japan hat Anfang der siebziger Jahre verschiedene Maßnahmen zur Liberalisierung seines Außenhandels ergriffen. Die Handelsbarrieren, die für ausländische Produkte in Japan heute noch bestehen, sind weitgehend nicht-tarifäre Handelshemmnisse und daher oft nur schwer offenzulegen.
Die Abschirmung des japanischen Marktes nach außen ist zugleich auch eine Folge der sprachlich-kulturellen und sozialen Besonderheiten dieses Landes, das in seiner Geschichte zwar wiederholt externe Impulse aufgenommen hat, ohne dadurch jedoch seinen Insel-charakter zu verlieren. So sorgen z. B. enge traditionelle Bindungen und Loyalitäten zwischen Handelshäusern, Industrien und Banken-system dafür, daß ausländische Produkte in Japan nur dann Absatzchancen haben, wenn sie nicht in Konkurrenz zu einem japanischen Produkt stehen. Die Unkenntnis der japanischen Sprache und der Geschäftsusancen tragen ebenfalls dazu bei, europäische und amerikanische Unternehmen vom japanischen Markt zurückzuhalten und zunächst auf leichter zugängliche Auslandsmärkte ausweichen zu lassen.
So überrascht es nicht, daß sowohl die EG als auch die USA im Handel mit Japan Defizite aufweisen Die Exporte der Europäischen Gemeinschaft nach Japan waren 1976 und 1977 nur etwa halb so groß wie ihre Importe aus Japan; die USA exportierten etwa 25 v. H. bzw. 37 v. H. weniger nach Japan als sie von dort bezogen. Diese Zahlen sind an sich noch nicht sehr beunruhigend In einer multilateral ausgerichteten Handelsordnung gibt es grundsätzlich wenig Argumente dafür, daß auch die bilateralen Handelsbeziehungen jeweils ausgeglichen sein müssen. Angesichts der Schwierigkeiten, die die amerikanische und europäische Industrie im Japanhandel haben, werden jedoch die Defizite als Indiz für ungleiche Marktbedingungen gewertet. In einer Art Gegenstrategie verlangen daher auch die EG und die USA von Japan die Schaffung reziproker Handelschancen, d. h. eine Öffnung des japanischen Marktes.
Der Handelszuwachs, den der Westen bei einer Öffnung und Erschließung des japanischen Marktes erwarten kann, ist angesichts der Größe und des Entwicklungsniveaus der japanischen Volkswirtschaft bedeutend. Sowohl die USA als auch die Staaten der Europäischen Gemeinschaft sehen in der Steigerung ihrer Exporte nach Japan eine Möglichkeit, ihre Zahlungsbilanz-und Konjunkturprobleme zu mildern. Dieses Ziel wird in dreifacher Weise verfolgt: durch eine gezielte Förderung japanischer Importe, durch eine konjunkturelle Belebung der japanischen Inlandsnachfrage und durch eine Aufwertung des Yen.
Die Konzeption einer gezielten Importförderung wird vor allem auch von der Europäischen Gemeinschaft verfolgt. Die EG hat eine Initiative ergriffen, die darauf abstellt, in Zusammenarbeit mit japanischen Stellen Barrieren abzubauen, die den Export europäischer Produkte nach Japan behindern. Dieses Vorgehen beinhaltet einen sehr komplizierten Verhandlungsprozeß für jeweils ganz spezifische Exportgüter, der zur Zeit noch nicht abgeschlossen werden konnte. Dabei wird zugleich’ von seifen der Gemeinschaft versucht, bestimmte europäische Exportinteressen durchzusetzen, z. B. eine Auftragsplazierung für das europäische Großraumflugzeug Airbus und eine Steigerung japanischer Whiskyimporte zu erreichen. In den amerikanisch-japanischen Handelsverhandlungen spielte die Importförderung für amerikanische Produkte in Japan ebenfalls eine wichtige Rolle. In den im Januar 1978 getroffenen Vereinbarungen mit den USA sagte Japan Zollsenkungen auf Importe im Gesamtwert von 2 Mrd. US-Dollar zu sowie eine Beseitigung der Importquoten für zwölf Produkte. Dabei gelang es den USA, ganz spezifische landwirtschaftliche Exportinteressen zu unterstützen, indem sie eine Steigerung japanischer Einfuhren für Rindfleisch, Orangen und Zitronen durchsetzten. Zu den multilateralen Verhandlungen des „General Agreement on Tariffs and Trade“ (GATT) erwarten die EG und die USA von Japan weitere Zusagen für den Abbau tarifärer und nicht-tarifärer Handelsschranken. 3. Der Abbau japanischer Überschüsse Japan gehört zusammen mit der Bundesrepublik Deutschland zu den Ländern, von de-33 nen erwartet wird, daß sie angesichts der Überschüsse ihrer Zahlungsbilanzen ihre Maßnahmen zur Konjunkturankurbelung verstärken. Japan sieht sich daher auch im Rahmen der Organization for Economic Cooperation and Development (OECD), der Weltwirtschaftsgipfelgespräche sowie in den bilateralen Handelsverhandlungen mit den USA gedrängt, seine Konjunkturprogramme zu verstärken. Gleichzeitig haben die USA ihrerseits zu einer Aufwertung des Yen gegenüber dem Dollar von über 30 V. H.seit September letzten Jahres beigetragen, indem sie ein Abgleiten des Dollarkurses zuließen.
Japan hat als Folge der Erdölpreiserhöhungen in den Jahren 1973 bis 1975 erhebliche Zahlungsbilanzdefizite hinnehmen müssen.
Ein Zahlungsbilanzüberschuß wurde erst wieder ab 1976 erreicht, und zwar als Folge einer starken Zunahme des japanischen Exportüberschusses. Der Handelskonflikt mit den USA und der EG ist eine Reaktion auf diese Entwicklung. Die Forderung nach einem Abbau des japanischen Handelsüberschusses wird zumeist im Sinne einer Öffnung des japanischen Marktes verstanden. Dabei wird jedoch häufig übersehen, daß der Außenhandelssaldo eines Landes aus der Summe aller Außenhandels-aktivitäten resultiert und daß somit eine Verminderung japanischer Exportüberschüsse nicht unbedingt mit einer Zunahme europäischer und amerikanischer Exporte nach Japan gleichzusetzen ist. Vor allem die durch typisch japanische Eigenarten bedingten Handelshemmnisse lassen sich durch eine Konjunkturbelebung bzw. Yen-Aufwertung wohl kaum beseitigen. Die Struktur des japanischen Außenhandels läßt vielmehr erwarten, daß eine Konjunkturankurbelung in erster Linie zu einer Steigerung japanischer Rohstoffimporte beitragen wird und nicht zu einer Steigerung der Industriegütereinfuhr.
Folgt man außerdem der Auffassung des ökonomischen Beraters der Bank von Tokyo, Ozaki, so ist der japanische Exportüberschuß kein konjunkturelles, sondern ein strukturelles Problem. Er ist das Ergebnis einer einseitigen Entwicklung der Güterproduktion unter Vernachlässigung der Dienstleistungsproduktion. Dieses einseitige Verhältnis von Güter-und Dienstleistungsproduktion kann durch eine Aufwertung des Yen kaum behoben werden, sondern nur durch entsprechende fiskalpolitische Maßnahmen Das bedeutet, daß nur eine Konjunkturpolitik, die auch auf einen Ausgleich dieses strukturellen Ungleichgewichts durch eine Verstärkung des Dienstleistungsbereichs abstellt, geeignet ist, den japanischen Exportüberschuß abzubauen. Entscheidend wäre daher nicht das „Ob“, sondern das „Wie" bzw. die Qualität neuer konjunktureller Maßnahmen. Die Konzeption einer abgestuften Konjunkturankurbelung in den westlichen Industrieländern greift damit jedoch so sehr in die nationale Wirtschaftsund Innenpolitik ein, daß eine Regierung diesen Forderungen kaum wird nachkommen können.
Auch von japanischer Seite wird anerkannt, daß die Überschüsse der Handels-und Zah-lungsbilanz eine Belastung in der Zusammenarbeit Japans mit den westlichen Industrie-ländern darstellen. Japan versucht daher auch, seinen Handelsbilanzüberschuß durch verschiedene Transaktionen, wie z. B. durch die Auf-stockung von Rohstofflagern, kurzfristig niedrig zu halten und sich im übrigen als ein „guter" Gläubiger zu zeigen, indem es sich an verschiedenen internationalen Kreditvereinbarungen zur Stützung schwacher Währungen beteiligt. Ein Teil des Handelsüberschusses wird außerdem durch japanische Auslandsinvestitionen kompensiert. Die sich abzeichnenden Tendenzen in Richtung auf eine verstärkte Industrieauslagerung und eine breitere internationale Arbeitsteilung könnten auf längere Sicht eine ausgeglichenere Entwicklung der japanischen Zahlungsbilanz bewirken. Eine weitere Option, Handelsbilanzüberschüsse durch öffentliche Kapitalexporte in Form von Entwicklungshilfeleistungen abzubauen, wird bisher jedoch noch wenig genutzt. Eine bessere Ausschöpfung dieser Möglichkeiten könnte unter Umständen dazu beitragen, die zur Zeit sehr stark in bilateralen Handelsproblemen verhaftete Kooperation zwischen Japan und den westlichen Industrieländern auf eine breitere Basis zu stellen. 4. Die Unterschiede in den jeweiligen außen-wirtschaftlichen Zielsetzungen Japan begegnet den Forderungen der EG und der USA nach einer Öffnung des japanischen Marktes mit „entgegenkommender Zurückhaltung". Die japanische Regierung unterstreicht zwar die Notwendigkeit, den japanischen Exportüberschuß zu reduzieren, betont zugleich aber auch, daß die Möglichkeiten der Einflußnahme auf die Dispositionen der japanischen Industrie begrenzt sind. Der Spielraum für einen bilateralen Interessenausgleich im Handelskonflikt zwischen Japan und den westlichen Industrieländern scheint relativ eng zu sein. Dies erklärt sich nicht zuletzt daraus, daß beide Seiten von grundsätzlich verschiedenen außenwirtschaftlichen Zielsetzungen ausgehen. Die USA und in noch stärkerem Maße die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft haben die Erfahrung gemacht, daß der Handelsaustausch zwischen Volkswirtschaften gleichen Entwicklungsstandes zu einer allgemeinen Wohlstandssteigerung beitragen kann. Der japanische Markt mit einer Bevölkerung von über 100 Millionen und einem hohen Entwicklungsniveau verspricht in dieser Hinsicht eine bedeutende Steigerung des Intra-Indu-striehandels, d. h.des Handels mit prinzipiell substituierbaren Produkten gleicher Branchen. Die Forderung nach einer Reziprozität des Handelsaustausches zwischen der EG, den USA und Japan entspricht sozusagen dem europäisch-amerikanischen Erfahrungshorizont.
Das japanische Handelsverständnis geht hier von anderen Prämissen aus. Japan hat im Zuge seines Industrialisierungsprozesses vorzugsweise immer nur solche Produkte eingeführt, die es entweder aufgrund seines jeweiligen technisch-industriellen Entwicklungsstandes noch nicht herstellen konnte, oder über die es selbst nicht verfügte (Rohstoffe). Diesem Grundsatz folgend, sehen japanische Unternehmen wenig Gewinn darin, ihre Industriegüterimporte aus der EG und den USA zu steigern, wenn die japanische Industrie diese Produkte ebenso gut selbst herstellen kann.
Die japanischen Importe bestehen zu etwa zwei Drittel aus Rohstoffen, wobei die Erdölimporte über 30 v. H. ausmachen. Vorrangiges Ziel der Außenwirtschaftspolitik Japans ist — nicht zuletzt auch nach den Erfahrungen der Energiekrise — die Sicherung der Rohstoffversorgung Eines der Instrumente, die Japan vorzugsweise in Erwägung zieht, um den politisch empfindlichen Überschuß der Handelsbilanz niedrig zu halten, ist daher auch die Vorwegnahme künftiger Rohstoffimporte durch die Errichtung von Rohstofflagern
Als eine Voraussetzung dafür, daß Japan stets in ausreichendem Maße Rohstoffe importieren kann, wird die Wahrung einer starken Export-position im Industriegüterbereich angesehen, über 65 v. H.der japanischen Exporte bestehen aus industriellen Fertigprodukten wie Kraftfahrzeugen (14, 4 v. H.), Schiffen (10 v. H.), wissenschaftlichen und optischen Instrumenten (3, 2 v. H.), Rundfunk-und Farbfernsehgeräten (4, 7 v. H.), Textilien (5, 8 v. H.); hinzu kommen Metallerzeugnisse mit über 17 v. H.
Auch wenn Japan die Konsequenzen aus der Veränderung der eigenen Produktionsvorteile zieht und sich auf eine Arbeitsteilung im Industriebereich einstellt, sieht es seine Handelsvorteile vor allem in einem Inter-Industrie-handel d. h. in einem Handelsaustausch zwischen Produktionen verschiedener Industrien* oder Produktionsstufen und in einer Arbeitsteilung zwischen Volkswirtschaften unterschiedlichen Entwicklungsniveaus. Eine japanische Bereitschaft zur Marktöffnung besteht vorzugsweise solchen Ländern gegenüber, die aufgrund einer besseren Verfügbarkeit von Rohstoffen, Energie und Arbeitskräften im Vergleich zu Japan einen komparativen Produktionsvorteil haben. Diese Konzeption bietet Japan zugleich die Möglichkeit, seine Rohstoff-und Energieversorgung durch eine stärkere außenwirtschaftliche Verflechtung mit den Hauptlieferländern besser absichern zu können, und verspricht damit größere Vorteile als eine Verstärkung des Intra-Industriehandels mit der EG und den USA.
Ein zweites Feld handelspolitischer Differenzen mit Japan ist die Öffnung des japanischen Agrarmarktes. Vor allem auf amerikanischer Seite sind die landwirtschaftlichen Interessen im Japanhandel relativ stark ausgeprägt. Die japanische Regierung versucht bisher noch, einen relativ hohen landwirtschaftlichen Versorgungsgrad aufrechtzuerhalten (für 1985 werden 75 v. H. angestrebt gegenüber 1972 = 73 v. H.) Es bestehen aber auch Zweifel, ob die landwirtschaftliche Produktion in Japan mit dem wachsenden Nahrungsmittelbedarf der Bevölkerung Schritt halten kann Auch eine Übernahme westlicher Ernährungsgewohnheiten, wie sie sich heute bei der jüngeren Bevölkerung beobachten lassen, führt zu einem zusätzlichen Importbedarf. Aber auch hier ist zu erwarten, daß Japan eine Liberalisierung seiner Agrarimporte vorzugsweise als ein Instrument des Interessenausgleichs mit solchen Ländern nutzen wird, die als Rohstofflieferanten und Abnehmer japanischer Industrieexporte ebenfalls auf eine Steigerung ihrer Agrarausfuhren nach Japan drängen (wie z. B. Australien, Neuseeland und Kanada).
III. Japans Optionen im Nord-Süd-Wirtschaftsaustausch
Verschiedene Faktoren deuten darauf hin, daß die Schwerpunkte japanischer Wirtschaftsaktivität in den kommenden Jahren in Staaten der Dritten Welt liegen werden. Japan befindet sich, wie bereits gesagt, in einer Phase struktureller Anpassung an die veränderten internationalen Wettbewerbsbedingungen. Ebenso wie die Länder der EG und die USA hat auch Japan inzwischen in den Bereichen einfacher, arbeitsintensiver Fertigung (Textil, Bekleidung, Metallwaren etc.) mit steigendem Lohn-niveau seine Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Billigere Importe aus den Nachbarländern, insbesondere Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur, tragen dazu bei, daß sich die japanische Industrieproduktion auf die Herstellung solcher Waren verlegt hat, die höheren qualitativen und modischen Ansprüchen genügen. Damit stellt sich auch Japan langsam auf eine Arbeitsteilung in bestimmten Bereichen der Industrieproduktion ein. Die japanische Industrie unterstützt diesen Prozeß, indem sie selbst arbeitsintensive Teilproduktionen ins Ausland verlagert.
Die japanischen Direktinvestitionen im asiatischen Raum liegen mit einem Anteil von 26, 5 v. H. (Stand März 1976) vor den japanischen Direktinvestitionen in Nordamerika (24, 6 v. H.), Lateinamerika (18, 1 v. H.) und Europa (15, 8 v. H.) Etwa die Hälfte der japanischen Investitionen in Asien entfällt auf die verarbeitende Industrie, wobei die Textilindustrie mit 19 v. H. an erster Stelle liegt. Weitere 27 v. H. sind Investitionen zur Erschließung von Bodenschätzen
Japan hat im Laufe seiner industriellen Entwicklung eine Richtung eingeschlagen, die seinerzeit zwar erhebliche Produktionsvorteile sicherte, die inzwischen jedoch eher nachteilige Folgen zeigt. Die Möglichkeit, in den sechziger Jahren billige Rohstoffe und Energieträger zu importieren, hat dazu geführt, daß die japanische Industrie sich auf Produktionsverfahren eingestellt hat, die einen hohen Rohstoff-und Energieverbrauch haben. Nach einer Untersuchung des japanischen Ministeriums für Internationalen Handel und Industrie hat Japan den höchsten strukturbedingten Rohstoff-und Energieverbrauch der Welt, obwohl es selbst kaum über eigene Ressourcen verfügt.
Der Anstieg der Rohstoff-und Energiepreise seit 1973 zwingt Japan, sich auf Produktionsverfahren umzustellen, die eine sparsamere Verwendung dieser Ressourcen gewährleisten. Hinzu kommt, daß auch die nur begrenzte Verfügbarkeit industrieller Standorte und die hohe Umweltbelastung in den industriellen Ballungsräumen eine sorgfältigere Planung der zukünftigen industriellen Entwicklung notwendig machen. Eine Chance, die eigene Industrie-struktur den neuen Bedingungen anzupassen, besteht für Japan in einer Industrieauslagerung und verstärkten Arbeitsteilung mit solchen Ländern, die aufgrund ihrer eigenen Ressourcenausstattung günstigere Voraussetzungen für Produktionsstufen mit einem hohen Rohstoff-und Energiebedarf liefern. Japan befindet sich damit in einer gewissen Interessenübereinstimmung mit diesen Ländern, die ihrerseits einen Industrieaufbau auf der Basis der eigenen Rohstoff-und Energievorkommen anstreben und dabei eine Unterstützung durch japanisches Kapital und Know-how begrüßen.
Japan unterstützt diese „neue" Arbeitsteilung durch eine gezielte Auslandsinvestitionspolitik, die unter dem Stichwort „Developand Import Investment Abroad" steht. Durch eine Beteiligung japanischer Firmen an der Erschließung und gegebenenfalls Weiterverarbeitung ausländischer Rohstoffe versucht Japan, die Risiken einer hohen Rohstoffimportabhängigkeit zu vermindern. Diese Strategie wird in zunehmendem Maße auch im Ernährungsbereich verfolgt, wo Japan bisher zwar noch einen hohen Selbstversorgungsgrad realisieren konnte, für die Zukunft jedoch mit einem steigenden Importbedarf rechnen muß
Japan sieht seine eigenen komparativen Vorteile vor allem in der Nutzung seiner intellektuellen Fähigkeiten. Ein Bereich, in dem sich Japan für die nächsten Jahre höhere Handels-chancen ausrechnet, ist der bereits erwähnte Export schlüsselfertiger Industrieanlagen Für 1976 konnte die japanische Industrie bereits ihren Auftragseingang für Industrieanlagen um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr auf 6, 5 Mrd. US-Dollar steigern. 1975 entfielen über 80 v. H., 1976 über 65 v. H.des Anlagen-exports auf Entwicklungsländer. Besondere regionale Schwerpunkte lagen in Lateinamerika, in Südostasien sowie im Nahen und Mittleren Osten. Für 1976 läßt sich außerdem ein erheblicher Anstieg des Anlagenexportes in Ostblockstaaten feststellen Der Export von Industrieanlagen geht mit dem japanischen Interesse an der Erschließung neuer Rohstoffquellen und einer Auslagerung rohstoffintensiver Produktionen Hand in Hand.
Der Export chemischer Anlagen betrug 1976 fast 40 v. H.des gesamten Anlagenexportes; über 20 v. H. entfielen auf schwere Elektromaschinen, 15 v. H. auf Eisen-und Buntmetallanlagen
Von japanischer Seite wird betont, daß Japan gute Außenwirtschaftsbeziehungen mit allen Ländern anstrebt. Politische Präferenzen für eine regionale Differenzierung der japanischen Nord-Süd-Option werden kaum zu erkennen gegeben. Eine besonders günstige Interessen-ergänzung scheint in den Wirtschaftsbeziehungen Japans mit Australien, Neuseeland und Kanada zu bestehen, die zu den Hauptrohstofflieferanten Japans zählen. Das Interesse dieser Länder an einer Verbreiterung des Wirtschaftsaustausches bezieht sich insbesondere auf den Agrarexport sowie im Falle Kanadas auf den Export hochspezialisierter technologischer Produkte, die Japan selbst nicht herstellt. Zugleich besteht vor allem in Australien ein besonderes Interesse an einer japanischen Beteiligung am Aufbau rohstoffverarbeitender Industrien Auch in Lateinamerika und im Nahen und Mittleren Osten hat die japanische Industrie bisher günstige Kooperationsvoraussetzungen gefunden.
In ihren unmittelbaren Einzugsgebieten Südkorea, Taiwan, Hongkong sowie bei den Mitgliedern der Association of South-East Asian Nations (ASEAN) Indonesien, Philippinen, Malaysia, Singapur und Thailand hat die japanische Industrie bereits ein wirtschaftliches Über-gewicht erlangt, das nur allzu leicht anti-japanische Reaktionen hervorruft. Japan sieht sich daher auch gedrängt, seine Wirtschaftsbeziehungen mit diesen Staaten stärker auf Gegenseitigkeit abzustellen und sich dort mehr als bisher entwicklungspolitisch zu engagieren. Unter diesem Aspekt scheint die japanische Bereitschaft zu einer horizontalen Arbeitsteilung vor allem darauf gerichtet zu sein, im Verhältnis zu den ost-und südostasiatischen Wirtschaftspartnern einen wirtschaftlichen Interessenausgleich herzustellen Auch die Politik japanischer Unternehmen, bei Auslandsinvestitionen eine Beteiligung des Gast-landes anzustreben, läßt das Bemühen erkennen, Ressentiments abzubauen Eine Intensivierung der wirtschaftlichen Arbeitsteilung zwischen Japan und den benachbarten kommunistischen Staaten müßte angesichts der dort bekannten und vermuteten Roh-stofflager für Japan von größerem Interesse sein, stößt bisher jedoch noch auf politische Barrieren Im Verhältnis zu China ist mit dem im März 1978 abgeschlossenen Handelsvertrag immerhin eine Voraussetzung für einen Austausch von japanischen Industriegütern und japanischem Know-how gegen Rohstoff-lieferungen aus China geschaffen worden. Im Verhältnis zu Vietnam wurde mit der Regelung der Schuldenfrage im Mai 1978 ebenfalls ein Hindernis für einen verstärkten Wirtschaftsaustausch beseitigt. Eine Beteiligung an der Rohstofferschließung Sibiriens ist zwar im Augenblick angesichs der bestehenden politischen Differenzen weniger aktuell, aber es handelt sich hierbei doch um eine Option, die von Japan in der längerfristigen Perspektive durchaus verfolgt zu werden scheint.
Elke Thiel, Dr. rer. pol.; seit 1966 wissenschaftliche Referentin im Forschungsinstitut für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen bei München. Veröffentlichungen: Verschiedene Beiträge zu Fragen der europäisch-amerikanischen Beziehungen, der westeuropäischen Integration und der internationalen Währungspolitik, darunter: Dollarkrise und Bündnispolitik, Europa-Archiv, 11/1973; Chancen und Risiken einer EG-Währungspolitik, Europa-Archiv, 24/1974; Reform des internationalen Währungssystems, Außenpolitik, 2/1977; Die Europäische Gemeinschaft zwischen Krise und Bewährung, Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 19772; Dollar-Dominanz, Lastenteilung und amerikanische Truppenpräsenz in Europa, in: Stiftung Wissenschaft und Politik, Internationale Politik und Sicherheit, Bd. 6, Baden-Baden 1978.
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