Zur Wirtschafts-, Finanz-und Währungspolitik in den achtziger Jahren Perspektiven und Alternativen
Wilhelm Hankel
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Zusammenfassung
Die Bundesrepublik ist nach fast 30 Jahren „exportgeführten Wachstums" ans Ende dieser langen Erfolgsstraße gelangt. Weil die Weltwirtschaft aufhört, rascher zu expandieren als die Binnenwirtschaften der meisten westlichen (und östlichen) Industrieländer, kommt auch die Bundesrepublik auf Dauer nicht umhin, fehlende Auslandsnachfrage durch Inlandsnachfrage zu ersetzen, zumal auch ein „Ersatzkonzept" wie die den deutschen. Exportüberschuß wenigstens in Europa konservierende Europa-Währungs-Union ohne Absicherung von innen (durch eine europäische Strukturpolitik) und außen (durch Konsolidierung des US-Dollars und der Euro-Dollar-Märkte) keinen allzu langen Bestand haben dürfte. Die Vollbeschäftigungs-und Strukturpolitik der Zukunft verlangt weniger Nachfrage-steuerung als Angebotsanreize. Wieder aufgeforstet werden muß der in der Krise dezimierte Mittelstandsbereich der Unternehmen unter 500 Beschäftigten, der sowohl das Potential für die Aufnahme der heute und morgen Arbeitslosen besitzt wie auch über die für eine marktwirtschaftliche Lenkung des Produktionsund Investitionsprozesses unerläßliche Nachfrage-, Preis-und Kostenelastizität verfügt. Voraussetzung für die Wie-• derbelebung der Mittelstandsinvestitionen sind allerdings steuerliche Anreize für die Schaffung von Arbeitsplätzen und rationalisierungsneutrale Steuerformen.
I. Vom Menetekel der Unregierbarkeit
Ein gemeinsames Unbehagen vereint die Nationen der Ersten (westlichen Industriestaaten), Zweiten (kommunistischen Staatshandelsländer) und Dritten (Entwicklungsstaaten) Welt: Die Zukunft ihrer Gesellschaften muß mehr denn je rational vorausgeplant werden; die Exekution dieser Pläne, das „Regieren", aber wird immer schwieriger. Just zu einem Zeitpunkt menschlicher Entwicklung, da alles beim alten oder gar beim Zufall zu belassen, tödlich enden kann, regieren „Fortschreibungen" (oft nur ein Modewort für Weiterwursteln) und „realistische Improvisationen" (oft nur eine Umschreibung für Verlegenheitslösungen) die Stunde. Nicht vorausgeplanter Wandel, sondern unvorhergesehene Umstände bestimmen die Politik aller Staaten, besonders die Wirtschafts-, Finanz-und Währungspolitik. Es ist dies kein neues, sondern ein uraltes Dilemma: Der Mensch als „politisches Wesen" ist zwar seit langem in der Lage, sich in „seine“ Gesellschaft, die er sich zum Zwecke der Selbstbehauptung schafft, einzuordnen, aber die „richtige" (gerechte und effiziente) Selbstordnung dieser Gesellschaft ist, seit es sie gibt, sein Problem. Nur, daß falsche gesellschaftliche Problemlösungen inzwischen zunehmend progressiv wachsende Sozialkosten erzeugen: von innerem gesellschaftlichen Verdruß bis zu äußerer Umweltbelastung.
Keine der „drei Welten" ist davon ausgenommen. So konnten die Entwicklungsländer dank importierten Sachverstandes kühne Pläne ihrer gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Zukunft entwerfen, deren Realisierung aber weitgehend Vision bleiben muß, weil die zu ihrer Durchsetzung unerläßlichen Voraussetzungen und Mittel fehlen. Die Staatshandelsländer bleiben immer offenbarer — und peinlicher — hinter ihren Zielen und Selbstvorgaben zurück, weil die unerläßliche Mitarbeit der „Verplanten" ausbleibt. Und die demokratisch-pluralistischen Industrieländer des Westens? Sie können sich, je weiter ihre Selbstentwicklung zu Demokratie und Pluralismus fortschreitet, desto weniger auf zwei traditionelle Ordnungsfaktoren ihrer bisherigen Geschichte verlassen: ihre rahmen-und datensetzende Zentralgewalt (-regierung) und ihre die individuellen Nutzenpläne auf das Gemeinwohl abstimmenden Märkte.
Die Zentralregierungen werden zunehmend abhängig vom Konsens immer mächtiger werdender Neben-Regierungen und -Parlamente: meinungsmachenden Medien, autonomen Sozialpartnern, weisungsunabhängigen Geldbehörden, Landes-und Stadtregierungen usw., während die Märkte zunehmend ihre alten Ordnungsgrenzen — Wettbewerb und Währungsraum — sprengen, immer monopolistischer und multinationaler werden mit dem Ergebnis, daß wie bisher nicht mehr regiert werden kann.
In der integrierten Welt(-Wirtschaft) von heute und morgen stellt sich neben den „alten" Problemen der Einordnung des einzelnen (und seines Wirtschaftens) in seine nationale Ordnung und der „richtigen" Selbstordnung der Gesellschaft das neue der Ordnung zwischen den nationalen Ordnungen der Völker (und ihren Volks-Wirtschaften). Die Wirtschafts-, Finanz-und Währungspolitik von morgen muß mehr denn je international koordiniert und aufeinander abgestimmt werden. Dies erfordert keine grundsätzlich neuen Ziele und Aufgabenstellungen der Wirtschafts-, Finanz-und Währungsverantwortlichen, wohl aber eine ganz neue „Kompetenz-Verteilung“ zwischen den nationalen, überregionalen (in unserem Falle: europäischen) und supranationalen Amtsträgern.
Mit diesem Problem befaßt sich die folgende — auf den Modell-(oder Problem-) Fall Deutschland konzentrierte — Analyse.
II. Götterdämmerung der Marktwirtschaft oder des „exportgeführten Wachstums"?
Abbildung 9
Übersicht 3: DM-Aufwertungen, Welt- und deutsche Binneninflation seit 1972 Quelle: Deutsche Bundesbank, Frankfurt, Monats-berichte.
Übersicht 3: DM-Aufwertungen, Welt- und deutsche Binneninflation seit 1972 Quelle: Deutsche Bundesbank, Frankfurt, Monats-berichte.
Deutschlands Wiederaufstieg nach dem Zweiten Weltkrieg, sein Wirtschaftswunder, gilt im deutschen und westlichen Selbstverständnis als Doppelerfolg der 1948/49 unter dem Einfluß Ludwig Erhards adaptierten liberalen Wirtschaftsordnung, der Sozialen Marktwirtschaft, und der in ihrem Rahmen betriebenen konsequenten Stabilitätspoltik. 30 Jahre nach der Geburt der Bundesrepublik und ihres vielbewunderten Konzepts scheint das Ende dieser wirtschaftlichen Erfolgsstraße in Sicht, müssen Abstriche an der Deutschen liebstem (und unreflektiertestem) Vorurteil vorgenommen werden, ohne daß damit die Bedeutung der für die Bundesrepublik in der Tat „historischen" Weichenstellung Ludwig Erhards geschmälert werden sollte: — Nach dem totalen Bankrott der Kriegs-und Kommandowirtschaft der NS-Zeit gab es nach der noch von den Alliierten konzipierten und ausgeführten Währungsreform vom 20. Juni 1948 (elf Monate vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949), aus der die D-Mark-West (drei Tage vor der D-Mark-Ost) hervorging, keine Alternative zur „Freien Wirtschaft“ — auch wenn Kurt Schumachers SPD der ersten Stunde den langen Weg bis Godesberg (1959) zurücklegen mußte, bis sie die „Eindimensionalität" der damaligen gesell-schaftsund wirtschaftspolitischen Ausgangslage begriff. — Nach dem ebenso rigorosen wie sozial ungerechten, weil nur die Geld-, nicht die Sachbesitzer betreffenden Währungsschnitt, der in mehreren Etappen 93, 5 °/o aller bislang umlaufenden Reichsmark-Noten und auf Reichsmark lautenden Geldvermögenstitel vernichtete, gab es schon damals keine stabilere (weil im technischen Sinne knappere) Währung als die D-Mark (West), die sich schon nach wenigen Wochen im „freien Floating“ mit ihrer Namensvetterin und Konkurrentin, der D-Mark (Ost), im Wert vervierfachte: von 1 : 1 auf 1 : 4!
Zwei der für das gesellschaftliche Bewußtsein und politische Urteil der Nachkriegs-deutschen drängendsten Faktoren waren bereits in der Währungsreform von 1948 angelegt, was freilich damals wie heute die meisten kompetenten Analytiker nicht wahrhaben wollen: die Identifizierung auch der nicht-besitzenden (Nicht-Vermögens-) Bürger mit „ihrem“ (nationalen) Geld und die Furcht des Auslands vor dem Konkurrenzdruck einer „unterbewerteten" D-Mark.
Da die Deutschen die Befreiung von der Hitler-Inflation übereinstimmend begrüßten, blieben sie nahezu blind für die schweren (und durchaus vermeidbaren) sozialen Ungerechtigkeiten der Währungs-Umstellung, die den Sachwertbesitzern (Industriellen, Bauern und Aktiensparern) weit mehr Chancen ließ als den rigoros „erfaßten" Geldsparern, die als einzige den vollen Satz der Geldentwertung zu akzeptieren hatten. Mit der Geldreform von 1948 wurde die für die deutsche Nachkriegsentwicklung ebenso typische wie einmalige „DM-Stabilitäts-Präferenz" aller Bevölkerungsschichten und -kreise geboren, die bislang fast alle Sozialkonflikte erfolgreich überspielt oder doch stark abgemildert hat.
Freilich, die damals noch die Bundesrepublik beaufsichtigenden Alliierten fürchteten auch den aus „ihrer" Währungsreform resultierenden Stabilitätsvorsprung der D-Mark (West). Deswegen erlaubten sie dem newcomer unter den etablierten West-Währungen bei der Neufestsetzung der Währungsparitäten vom September 1949 nicht die den anderen Währungen zugestandene Abwertungsrate von 30 0/0 zum US-Dollar, sondern nur eine von 20 %. Damals wurde die bis 1961 gültige D-Mark-Parität von DM 4, 20 „gefunden“ — statt der von den deutschen Behörden gewünschten von DM 4, 40 1). Damals wurde der Grundstein für die in der Folgezeit bis heute anhaltende „DM-Aufwertungs-Präferenz" gelegt. Als das eigentliche „Wunder" aber muß 30 Jahre danach gelten, daß keiner der damaligen Ökonomen und Politiker — weder der deutschen noch der alliierten Seite — voraus-sah, daß der im Westen Deutschlands regenerierte Teilstaat zur „Exportlastigkeit" verurteilt war. Der einzige „Sehende" war Bruno Gleitze, der die ökonomischen Konsequenzen der deutschen Teilung nüchtern und scharfsinnig wie kein anderer deutscher Ökonom schon damals aufzeigte 2). Da ich dieses Thema an anderer Stelle ausführlich behandelt habe hier nur einige Stichworte: Im Westen, nicht östlich der Elbe, lagen die Standorte der wichtigsten deutschen Schwer-und Verarbeitungsindustrien, die ihren Markt vor dem Kriege zu fast zwei Dritteln in den nunmehr verlorenen mittel-und ostdeutschen Provinzen gehabt hatten. Außerdem mußten die westlichen Landesteile den größten Teil der vor Russen und kommunistischer Herrschaft fliehenden Menschenmassen aufnehmen und beschäftigen: insgesamt rund 12 Millionen Menschen. Das bereits „industrialisierte" Westdeutschland mußte sich also, um die Integration der Flüchtlinge zu schaffen, „überindustrialisieren". Vor allem aber, es mußte für den Verlust der inländischen Märkte östlich der Elbe neue, aufnahmebereite Auslandsmärkte finden.
Wenn jemals der aus England importierte Hamburgische Kalauer: exportare necesse est seinen strukturellen Sinn gehabt hat, dann in den Anfangsjahren der zweiten deutschen Republik. Sie konnte mit dem Doppelproblem — Substitution der verlorenen Binnenmärkte und Absorbtion der neuen Zusatzbevölkerung in Normalbeschäftigung — nur fertig werden, wenn sie Fuß auf den expandierenden Weltmärkten faßte.
Dies bedeutete einen kompletten Bruch mit der bisherigen Geschichte und Entwicklung des alten Reiches und der Reichsrepublik von Weimar, die beide ihre tragenden ökonomischen Wachstumsimpulse von den Inlands-, nicht den Auslandsmärkten bezogen.
Nur: die Chancen für das völlig neue „exportgeführte Wachstum" des westdeutschen Staates wurden — lange bevor Kaldor seine darauf aufbauende Theorie entwickelte — zunächst extrem pessimistisch beurteilt. In seinem 1949 veröffentlichten Gutachten über Westdeutschlands wirtschaftliche Überlebenschancen kam Fritz Baade, Leiter des führenden Kieler Instituts für Weltwirtschaft, zu dem Ergebnis, die deut-sehe Volkswirtschaft sei ohne massive Wirtschaftshilfe der Alliierten überhaupt nicht „lebensfähig“. Ein Urteil, an dem Autor und Institut noch in der revidierten Fassung von 1951 festhielten, als das „Wunder" bereits seine ersten Erfolge zeitigte Und Otmar Emminger, damals Chef-Okonom der Deutschen Bundesbank, erklärte noch 1952 die damals stattfindende Aktivierung der westdeutschen Zahlungsbilanz als zeitbedingte „Spätblüte der Autarkie" der NS-Zeit, die sich eine weitgehende Substitution von Rohstoffimporten zum Ziele gesetzt hatte — eine Formulierung, die er später streichen ließ.
Diese Fehleinschätzung wird verständlich, wenn man sich vor Augen führt, daß es weder vor dem Ersten Weltkrieg noch vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland je eine aktive Handels-und Leistungsbilanz gegeben hat. Seit 1890 war Deutschlands Außenhandelsbilanz passiv gewesen. Deutschland erschien damals und später seinen Ökonomen und Politikern als klassisches „Verarbeitungsland", das Rohstoffe importierte und nur soviel Fertigwaren exportierte, wie es zur Bezahlung seiner Importe benötigte, weswegen sich seine Ökonomen bis heute mehr mit „Konjunktur" -als mit „Integrations" -Fragen beschäftigen. Das Bewußtsein, von der Weltwirtschaft abhängig zu sein, fängt erst in dieser Krise an, „öffentlich“ zu werden, was es z. B. in der Großen Depression der dreißiger Jahre noch nicht war. Brünings, Schachts und Hitlers „ökonomischer Nationalismus" wurde — entgegen ihrer liberalen Tradition — von der deutschen Wirtschaft als „Schutz vor ruinöser Auslands-konkurrenz" begrüßt und knüpfte an die älteste Tradition deutscher Wirtschaftstheorie und -politik an: nämlich an Lists nationale Schutz-zollpolitik aus der Zeit vor Deutschlands erster Industrialisierung 3. Der spektakuläre deutsche Wachstumserfolg, der bereits Ende der fünfziger Jahre von der Voll-zur Überbeschäftigung führte, kann nach Abschluß der Wiederaufbauphase (in der die Investitionen noch stärker stiegen als die Exporte), also ab 1952, als im wesentlichen „exportabhängig“ angesehen werden. Die Exporte stiegen Jahr für Jahr, nominal wie real, stärker als alle Komponenten der Inlandsnachfrage: einzeln und aggregiert (siehe Übersicht 1, S. 28). Folglich weist auch der Anteil der Exporte am Brutto-Inlandsoder Sozialprodukt bis in die Gegenwart einen steigenden Trend auf. Darüber hinaus erwies sich der Exportanstieg in allen zyklischen Rezessionen und Konjunktur-einbrüchen der Nachkriegszeit als der Nachfragekompensator: ob 1958/59, 1966/67 oder 1975/76 — stets wurde ausfallende Inlandsnachfrage kurzfristig und fast „automatisch" durch Mehr-Verkäufe an das Ausland ausgeglichen. Weil dieses „Exportventil" fast immer rascher und geräuschloser arbeitete als die fiskalischen und monetären „antizyklischen Maßnahmen", kamen alle inneren Konjunkturprogramme zu spät und wirkten außerdem überzogen. Denn sie „entzündeten" ihre innere Mehr-Nachfrage zumeist in einer Phase, in der die Auslandsnachfrage den Weg zurück zur Vollauslastung des Produktionspotentials ohnehin geebnet hatte, so daß sie nicht nur „prozyklisch" wirkten, sondern in den Augen der stabilitätsbewußten Öffentlichkeit weit schlimmer: inflatorisch.
Die unvermeidliche Folge: Die staatliche, auf Konjunkturglättung und Erhaltung der Vollbeschäftigung zielende Aktivität wurde in der Öffentlichkeit im günstigsten Fall als „nutzlos", im ungünstigsten Fall als „schädlich" ab-qualifiziert. Ludwig Erhard konnte jahrzehntelang jede Straffung und Kodifizierung des modernen staatlichen Konjunktur-und Nachfragesteuerungsinstrumentariums als überflüssig und mit dem Geist und den Gesetzen der Marktwirtschaft inkompatibel ablehnen bis verzögern. Und als Karl Schiller 1967 endlich aus dem Entwurf eines Nur-Stabilitätsgesetzes das heute noch gültige Stabilitäts-und Wachstumsgesetz machte und über die parlamentarischen Hürden brachte, blieb er notgedrungen den Beweis für die Notwendigkeit seiner Großtat „aufgeklärter" Marktwirtschaftsphilosophie und -politik schuldig; denn auch sein Marsch aus der Talsohle von 1966/67 folgte weit mehr der Begleitmusik wieder einmal steigender Exportüberschüsse als seinen eigenen Fiskalprogrammen, die, weil zu spät zündend, pro-zyklisch wirkten. Wie gehabt. (Siehe Übersicht 1.)
Warum aber können wir uns nicht ewig auf diesen segensreichen Exportventil-Mechanismus verlassen? Zu dem Zweck muß geklärt werden, was wirklich hinter diesem „Mechanismus" steht. Erstens ein durch die Geld-und zeitweilig auch die Fiskalpolitik zäh verteidigter innererer Stabilitätsvorsprung der DM gegenüber anderen Währungen, der im Außenverhältnis mehr oder minder unvermeidbar einen permanenten Konkurrenz-(= Kosten-und Preis-) Vorteil deutscher Exportprodukte an den Weltmärkten begründete. Zweitens eine von der Bundesrepublik nur teilweise gesteuerte (und steuerbare) Umschichtung der Expansion von innerer zu äußerer Nachfrage. Denn auf die Binnenexpansion bekam man über die Stabilitätspolitik Einfluß, auf die „äußere" (exogene) Expansion der Weltmärkte natürlich nicht.
Zwei Phasen deutscher Stabilitätspolitik lassen sich unterscheiden:
— Bis 1961 (dem Jahr der ersten D-Mark-Auf-wertung) wurde der Preis-und Kostenvorsprung intern verteidigt: durch eine harte Geld-und Kreditpolitik, wobei der hohe Kapitalmarktzins (von rd. 8 %) sachlich wenig überzeugend, aber von der öffentlichen Meinung voll akzeptiert mit „Kapitalmangel" motiviert und entschuldigt wurde. Der historischen und politischen Wahrheit dürfte freilich näherkommen, daß die damalige Bundesbank-leitung, geschockt von der Zahlungsbilanz-krise der Jahre nach 1949 (die Bundesrepublik war bis 1951 der Europäischen Zahlungsunion größter Schuldner — nicht Gläubiger!) alles daransetzte, um aus dem Ruch der Bettelund Borgpolitik herauszukommen; der Anfang der deutschen Stabilitätspolitik war somit durchaus Zahlungsbilanz-und damit weltwirtschaftskonform. Freilich nicht mehr ihr Fortgang, als die defizitäre Republik zm größten Gläubiger in Europa aufstieg.
Zu dem harten geld-und kreditpolitischen Kurs kam zeitweilig eine Politik „unfreiwilliger" öffentlicher Ersparnis durch Budgetüberschüsse hinzu — Ab 1961 wurde die Stabilisierung des Preis-und Kostenniveaus auf den externen Wechselkurs der D-Mark verlagert. Die D-Mark-Aufwertungen von 1969, 1971 sowie die temporären Floatingperioden vor Ende des Bretton-Woods-Systems im März 1973 standen ganz im Zeichen innerer Stabilitätsprioritäten. Das doppelte „Wunder" dieser internen Stabilitätspolitik über externe D-Mark-Aufwertungen ist, daß die dadurch ausgelöste permanente Verbesserung der deutschen terms oi trade weder die deutsche Wettbewerbsposition im Ausland schwächte noch den deutschen Exportüberschuß beseitigte, aber trotz des permanenten Güter-und Dienste-Abflusses ins Ausland (Exportüberschüsse) der ständige Anstieg der Realeinkommen weiterging. Denn in Höhe der Exportüberschüsse verzichtete die deutsche Volkswirtschaft auf an sich mögliche Importsteigerungen und damit auf ein entsprechendes Quantum an aus dem Inland zur Verfügung stehenden Gütern und Diensten. Dennoch kombiniert, wie Übersicht 2 deutlich macht, die Bundesrepublik bis zur Stunde durch alle Phasen ihrer „stability-first“ -Politik wie kein anderes westliches Industrieland (außer der Schweiz) Stabilität mit realem Einkommenswachstum. Einer jahresdurchschnittlichen Inflationsrate von 2, 7 °/0 zwischen 1949 und 1977 steht ein reales Einkommenswachstum von 4 °/o pro Jahr gegenüber; am anderen Ende der Skala rangiert Großbritannien mit einer Inflationsrate von durchschnittlich 6, 4 °/o und einem realen Einkommenswachstum von nur durchschnittlich 1, 4% jährlich. Die Mitte halten die USA mit einer Inflationsrate von 3, 4 % jährlich und einem durchschnittlichen realen Einkommenswachstum von 2, 2 %.
Was erklärt den deutschen Doppelerfolg: Wachstum über Güterabgaben (Exporte) zu erreichen, ohne daß die Inflationsrate das reale Wachstum nennenswert schmälert?
Die Auflösung des Rätsels steht in Übersicht 3. Jede deutsche Aufwertung kompensierte niemals den vollen Inflationsvorsprung des Auslandes, sondern stets nur einen Bruchteil der externen Inflationsrate der Weltmärkte gegenüber dem inneren Preis-und Kostenauftrieb in der Bundesrepublik. Die Bundesrepublik verbesserte zwar ihre terms of trade mit jeder Aufwertung, aber niemals um den vollen Satz der nominellen Weltinflationsrate. In Wahrheit sicherte sie also ihre Außenwirtschaftsposition durch ein relatives Opfer — ein Zusammenhang, der zwar immer vermutet, jedoch erst in jüngster Zeit von Mitarbeitern des Kieler Instituts für Weltwirtschaft näher analysiert worden ist Die Übersicht 3 zeigt außerdem mit nicht zu überbietender Deutlichkeit, daß auch das Floating seit 1973 an der permanenten relativen Unterbewertung der DM nicht allzu viel geändert hat: Während seit 1972 die Weltmarktpreise (in US-Dollar) um 165, 3% stiegen, stiegen die deutschen Exportpreise (in DM) und Lebenshaltungskosten (in DM) nur um 37, 7 bzw. 35, 5 %. Ein „rechnerischer Ausgleich" des so ermittelten durchschnittlichen Preis-und Kostenvorsprungs der deutschen Exportprodukte hätte somit einen DM-Aufwärtsfloat in dieser Periode von 165, 3 . /. 37, 7 = 127, 6 % gegenüber der DM-US-Dollar-Parität von 1972 erfordert, tatsächlich kamen nur 34, 6 % zustande, was im übrigen deutlicher als jede Theorie zeigt, wie wenig die Wechselkursbewegungen von den realen Kaufkraftentwicklungen abhängig sind und bestimmt werden! Gleichzeitig zeigt die rechnerische Differenz von 127, 6 minus 34, 6 = 93 %, wie wenig „über" -und wie stark „unter" -bewertet die DM noch immer ist, jedenfalls in Maßstäben der nicht unbedingt richtigen Kaufkraftparitätentheorie der Wechselkurse; oder anders gesagt, wie „erfolgreich" die deutsche Währungspolitik den DM-Wechselkurs im Sinne der Erhaltung der deutschen Exportposition bisher „verteidigt" hat.
Außerdem muß in dem Zusammenhang auch die starke monopolistische Marktstellung der im Exportgeschäft führenden deutschen Großindustrie an den deutschen Binnenmärkten gesehen werden: über 50% des deutschen Exportsortiments entfallen auf die Erzeugnisse des Maschinenbaus, der Fahrzeug-, Chemie-und Elektroindustrie, in denen einige Branchenführer oder oligopolistisch vorgehende Großanbieter das innere Preisniveau bestimmen Deswegen war es zu allen Zeiten die Regel, nominelle (aufwertungsbedingte) Erlösausfälle im Auslandsgeschäft durch Preisaufschläge im Inland hereinzuholen. Mit anderen Worten: Dank ihres hohen Monopolisierungsgrades an den Inlandsmärkten konnte sich die deutsche Exportwirtschaft den „Luxus" leisten, ihr Auslandsprodukt unter den vollen terms of trade abzugeben: den im Export verschenkten Ertrag holte man über die inneren Preistarife wieder herein: Der Export verdiente sozusagen die Beschäitigung, das Inland zahlte die dafür benötigten Kapitalrenditen!
Eine Rechnung, die nur solange aufging und aufgehen konnte, wie die Weltwirtschaft rascher expandierte als Konsum und Investitionstätigkeit in der Bundesrepublik selbst.
Diese für das Gesamtwachstum der Bundesrepublik seit fast 30 Jahren typische Konstellation ist jedoch inzwischen deutlich im Abklingen. Die Bundesrepublik ist am Ende einer Straße angelangt, in der ihr Wirtschaftswachstum weniger von der Marktwirtschaft als von der Exportwirtschaft abhängig war. Für die Zukunft ist erstmals mit einem Rückgang an „exportgeführtem" Wachstum zu rechnen. Eine Situation, die vermutlich schon früher eingetreten wäre, hätten nicht regionale Sonder-Export-Konjunkturen gegenüber den Ostblock-und den OPEC-Staaten den Verlust an traditionellen Export-Märkten (in Europa und Nordamerika) überkompensiert (siehe hierzu die beiden letzten Spalten der Übersicht 1).
Weitaus gravierender aber ist, daß mit dem bislang noch „harmlosen" Verlauf der DM-Aufwertungskurve nicht auf Dauer zu rechnen ist. Aus jenseits des realen Kaufkraftgefälles liegenden Anlagepräferenzen (die mehr denn je Kurserwartungs-als zins-und renditebestimmt sind) muß mit einer Beschleunigung des bisherigen Aufwärtstrends der DM im Verhältnis zum US-Dollar als internationaler Rechnungsund Rechnungslegungseinheit gerechnet werden, womit das Fixieren von Exportpositionen in Form von terms of trade-„Opiern“ schwieriger, wenn nicht gar unmöglich geworden ist.
M. E. ist es daher kein Zufall, daß die Wiederentdeckung der Vorzüge fester Wechselkurse in-und außerhalb Europas durch die deutsche Wirtschaftsund Währungspolitik just zu einem Zeitpunkt geschieht, in dem das Ende der Ära „exportgeführten Wachstums" wieder ins öffentliche Bewußtsein rückt: Denn Europa als „Währungspersönlichkeit“ wird immer dann entdeckt, wenn es etwas zu verteidigen gilt; 1969 bis 1971 (als es um die Währungsunion ä la Barre und Werner ging) sollte Europas bedrohte Stabilität vor der über den US-Dollar-Zustrom importierten Inflation „gerettet" werden. Und heute? Seit die Flucht aus dem US-Dollar den Wechselkurs der DM (und des Schweizer Franken) in die Höhe treibt, ist die Bundesrepublik daran interessiert, durch Verbreiterung der Anlagepalette in anderen europäischen Währungen, die dadurch , DM-ähnlich'werden, den Aufwertungsdruck zu vermindern. Jedenfalls geht es dabei nicht um „Stabilität“ (denn diese wird durch den Aufwärtstrend der DM nicht bedroht, sondern im Gegenteil verstärkt), aber auch nicht um „Europa" oder die „Weltwirtschaft" als vielmehr darum, von den alten Grundlagen des nationalen „exportgeführten" Wirtschaftswachstums zu retten, was noch zu retten ist
III, Alternativen, die keine mehr sind
Abbildung 10
Übersicht 2: Stabilität und Wachstum in den westlichen Industrieländern 1949 bis 1977 Quellen: 1)Deutsche Bundesbank, Frankfurt, Monatsbericht, Juni 1978. 2) IMF, Washington, IFS June 1978 und frühere Berichte; eigene Berechnungen
Übersicht 2: Stabilität und Wachstum in den westlichen Industrieländern 1949 bis 1977 Quellen: 1)Deutsche Bundesbank, Frankfurt, Monatsbericht, Juni 1978. 2) IMF, Washington, IFS June 1978 und frühere Berichte; eigene Berechnungen
Tatsächlich laufen alle in der Bundesrepublik seit Ausbruch der Krise diskutierten Konjunkturprogramme und -pläne darauf hinaus, Zeit zu gewinnen, bis der „alte", zur Zeit blockierte Ausgleichsmechanismus wieder anspringt *):
— Regierung und Sachverständigenrat setzen, einig wie selten, auf Kostenentlastungen (Steuer-, Zins-und Reallohnsenkungen), was, wenn es Sinn haben soll, nur darauf zielen kann, die außenwirtschaftliche Konkurrenzposition der Bundesrepublik wieder zu verbessern. — Gewerkschaften und „Linke" fordern höhere Staatsausgaben, höhere Reallöhne als „Kaufkraftspritze" sowie ergänzend die Teilung der vorhandenen Arbeitsplätze (individuelle Arbeitszeitverkürzungen), was, wenn es Sinn haben soll, darauf zielt, fehlende Auslandsnachfrage durch stärkere Inlandsnachfrage zu ersetzen, aber um den Preis von noch mehr öffentlichen Defiziten und einer noch höheren Staatsbelastung der Gesamtwirtschaft. — Die Opposition hat überhaupt kein erkennbares Alternativ-Konzept. Sie „ergänzt" das Regierungs-und SVR-Programm des Vorrangs der Kostensenkung vor der Nachfrageausweitung durch ordnungspolitische Hinweise auf die Belastbarkeit der Sozialen Marktwirtschaft, die sie weniger durch das Massensterben der kleinen und mittleren Unternehmen bedroht sieht als durch Gesetzgebungswerke, die auch ihr „linker Flügel" hätte einbringen können (Mitbestimmung, Lehrlingsausbildung usw.).
Alle drei Positionen sind in weiten Teilen realitätsfern. Regierung und Sachverständigen-rat dürften sich täuschen, wenn sie glauben, Reallohn-und Realzinsanteile am Volkseinkommen senken zu können. Und selbst, wenn es ihnen gelänge, gegen den Willen (und die Markt-Macht) der Gewerkschaften und gegen die Anlagepräferenzen (und -alternativen) der Sparer dergleichen durchzusetzen, w. äre das Ergebnis fatal. Denn die neue „Brüning-Politik“ würde entweder (bei freiem Floating) den Aufwertungsdruck auf die DM steigern, oder (bei manipuliertem Floating) die Interventionen der Bundesbank verstärken. Beides aber muß die Investoren verunsichern, sie verlieren immer an Rendite, sei es, weil Exporterlöse ausfallen (Aufwertung), sei es, weil (wegen der inneren Geldmengenvermehrung aufgrund der Interventionen) die Inlandskosten stärker als bisher steigen. Im Klartext: Solange Investieren ein zu hohes Risiko, Sparen dagegen ein bequemer Ausweg ist — wenigstens für die Masse der selbständigen „Risiko" -Unternehmer —, bedeuten Kostenentlastungen (wie und wodurch auch immer herbeigeführt: Lohn-, Zins-oder Steuerentlastung) nur, daß der so geschaffene Einkommens-Spielraum höhere Sparquoten auslöst. Denn warum hohe Investitionsrisiken übernehmen, wenn es sichere Realzinsen gibt? Der Konjunkturanstoß ginge ins Leere Dagegen würden Nachfrage-Programme, wie sie insbesondere von Gewerkschaftsseite vor-geschlagen werden, angesichts der Preisführerschaft marktstarker Unternehmen mit Sicherheit nicht zur Ausweitung der realen Nachfrage, sondern zur Ausnutzung vorhandener oder vermuteter Preiserhöhungsspielräume führen, schon, um nach Jahren unzureichender Selbstfinanzierung die Herausnahme von Mitteln aus dem eigenen Unternehmen verstärken zu können. Lediglich die hohe Aufwertungsrate der D-Mark, die das Niveau der Importgüterpreise senkt, würde obere Grenzen des Preisanstiegs im Inland setzen. Je erfolgreicher aber der „zu hohe“ Wechselkurs der D-Mark zum Dollar und anderen Währungen seine Rolle als „Stabilisator" des inneren Preisniveaus spielt, wird es angesichts der in fast allen Bereichen unausgelasteten Kapazitäten mißlingen, eine Investitionswelle quer durch die gesamte Volkswirtschaft auszulösen, die die Vollbeschäftigung wiederherstellt. Bei depressiven Erwartungen kann die Regierung zwar jede Menge nominale Nachfrage freisetzen, sie hat jedoch kaum Einfluß auf deren realen Gehalt (wie-viel etwa davon in Preissteigerungen verpufft) und schon gar nicht auf ihren Verbleib (wieviel nominal ausgegeben wird oder im Sparprozeß versickert).
Was aber ist von dem neuen Konzept einer sozialen Um-und Neuverteilung der vorhandenen Arbeitsplätze zu halten? Geht die dahinterstehende Gleichung: , je mehr geteilte Arbeitsplätze, desto weniger neue muß man schaffen'auf?
Leider enthält sie gleich drei Ungereimtheiten auf einmal: Erstens, der Arbeitszeit-verlust verteuert mit oder ohne Lohnausgleich die realen Kosten der Vollbeschäftigung um das Stück Realprodukt, das nun — nach Verzicht auf volle Integration der bisher Arbeitslosen — definitiv nicht mehr erzeugt werden kann. Aus einem reversiblen Realeinkommensverzicht (solange man hoffen kann, die heutigen Arbeitslosen zur „Normalzeit“'wieder voll beschäftigen zu können) wird ein irreversibler: Ein Prozeß, der niemanden reicher, wohl aber alle ärmer macht. Zweitens aber gehen von dieser Strategie „strukturneutraler" Vollbeschäftigungspolitik leider eher stärkere als schwächere Tendenzen der Ar-beitskräfte-Freisetzung (Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen) aus. Denn was die wenigsten beachten: Im (kapitalintensiven) Großunternehmen ist die Rationalisierung weniger arbeitskosten-oder lohnsatzabhängig als liquiditäts-oder lohnsummenabhängig, einfach deswegen, weil der große Brocken der gesamten Lohnaufwendungen die Betriebsdisposition stärker beeinflußt als (prozentuale) Veränderungen des Individuallohns. Denn: Im Großunternehmen hat die zur Auszahlung benötigte Lohnsumme den Charakter „verlorengehender" Liquidität, die den Kapitalverschleiß repräsentierende Abschreibungssumme dagegen den Charakter „verbleibender" Liquidität. Man kann in der Krise zur Not sogar auf Abschreibungen verzichten. Wer dagegen seine Löhne schuldig bleibt, muß zum Konkursrichter gehen
Letztlich spielen im Großbetrieb mehr als im Klein-und Mittelunternehmen die Folgekosten der menschlichen Arbeitsleistung eine zunehmend „durchschlagendere" Rolle. Technische Arbeitssklaven von Maxibis Minicomputern und Mikro-Prozessoren arbeiten zuverlässiger, sozialkostenfreier und mitbestimmungsdesinteressierter als menschliche Arbeiter. Deswegen würde jede Arbeitsplatzteilung die Rationalisierung attraktiver machen!
Weil dem aus technischen wie dispositiven Sachzwängen'so und nicht anders ist, ist die Schlacht um die Rückgewinnung der nationalen Vollbeschäftigung weder mit lohnpolitischer Zurückhaltung noch mit Arbeitszeitverkürzung oder staatlich verordnetem „Müßiggang" (der bekanntlich vieler, wenn auch keineswegs aller Laster Anfang ist) zu gewinnen.
IV. Internationale Liquiditätspolitik, regionale Strukturpolitik, nationale Exportsubstitution
Abbildung 11
Abbildung 11
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Welche Lösungsmöglichkeiten bieten sich an?
Sagen wir zunächst, wie sich diese Krise nicht (mehr) meistern läßt:
— nur noch bedingt durch äußere und innere staatliche Mehrverschuldung, weil diese inzwischen nicht mehr nur Wachstum (Investitionen) stimuliert, sondern weit mehr auch Des-investition und Sparen „fördert";
— noch durch Ankurbelung ohne innere Umstrukturierung, die allenfalls kurzfristig (wenn überhaupt) die bestehenden Kapazitätsüberhänge (oft ein anderes Wort für Fehlinvestitionen!) auffüllen würde, von den Betroffenen aber als Strohfeuer angesehen würde, dessen Licht ihnen nur den Fluchtweg in die Kapitalrettung, d. h. die Umwandlung bisheriger Sachinvestition in Geldersparnis weist (siehe Fußnote 10);
— noch durch realkostenerhöhende und negative („kontraproduktive"), Rationalisierungstendenzen verstärkende Arbeitszeitverkürzung.
Vielmehr müssen Auswege aus dieser Krise gefunden werden, die an den beiden Sackgassen, vor denen die Verbotsschilder „Achtung, gefährliche Neuverschuldung" und „Achtung, gefährliche Strukturkonservierung“ stehen, vorbeiführen. Denn 200 Milliarden D-Mark, wie sie die öffentlichen Hände der Bundesrepublik seit 1974 an innerer Staatsverschuldung aufgebaut haben mit vergleichsweise ge-ringem Konjunktur-und Struktureffekt, müssen in der Tat „einmalig" bleiben. Es sind die Kosten eines Experiments, das man — vielleicht — versuchen mußte, aber nicht mehr wiederholen sollte.
Welche Möglichkeiten der Krisenbekämpfung und Vollbeschäftigungspolitik bleiben offen, wenn auf „inneres deficit spending", aber auch auf äußere „Euro-Verschuldung" und Arbeitszeitverkürzung verzichtet werden muß?
Die erste und kurzfristig wichtigste: Da Krisenbekämpfung eine internationale und keine nationale Strategie erfordert, muß der Zahlungsbilanzausgleich der westlichen Industrieländer — die sich selbst die besten Kunden sind, und die ihre gemeinsame freiheitliche, politische und wirtschaftliche Ordnung nur gemeinsam erhalten oder verspielen können — wieder zu einer „öffentlichen", durch Regierungsabsprachen geregelten Sache gemacht werden. Der homerische Streit über die „Lokomotiv" -Theorie, „wer wem wie helfen soll", fiele in sich zusammen, wenn man sich auf beiden Seiten des Atlantiks klarmachte, daß, seit die OPEC-Staaten den alten Industrieländern zwar den größten Teil ihres Exportüberschusses abgenommen haben, selber aber nicht in der Lage sind, ihn — zumindest kurzfristig — für eigene Importüberschüsse „aufzubrauchen“, sie der Welt(wirtschaft) ein Defizit an „effektiver Nachfrage" beschert haben, das nur, wie bisher, durch Verschuldung oder, wie demnächst, durch innere und äußere Restriktionen finanziert werden kann. Soll aber beides im Interesse eines freibleibenden Welthandels und einer sich nicht noch weiter verschärfenden inneren Krise unterbleiben, bleibt eben nur der „konzertierte Zahlungsbilanzausgleich" übrig: ein Netzwerk wechselseitigen Zahlungsbilanzbeistandes aller Industrieländer, und nicht nur einiger (europäischer) untereinander
Die zweite und langfristig unverzichtbare Ordnungsaufgabe heißt: zu erkennen, daß hinter der Hektik der Kapital-und Wechsel-kursbewegung, der zwischen 1971/1973 das Bretton-Woods-System zum Opfer fiel und dem, wenn nicht ein Wunder geschieht, dem-nächst auch die zwischen 1975/1976 von Rambouillet bis Kingston vereinbarte Mini-Ordnung eines halb-beaufsichtigten Floating zum Opfer fallen wird, keine mysteriöse (und „unverantwortliche") Währungsspekulation steht, sondern letztlich und „eigentlich" die seitdem unkontrollierte und uneingedämmte Überproduktion an internationaler Liquidität in „privat" geschaiienen US-Dollar. Denn der „Spekulant" (jemand, der seine Geschäfte in Dollarwährung tätigen muß) schützt sich vor der Dollarschwäche, indem er entweder Dollarforderungen, wenn er sie hat, so schnell wie möglich abbaut (z. B. Dollar gegen DM verkauft), oder indem er (defensive) Dollar-Ver-bindlichkeiten eingeht und für diese Dollar starkeWährungen (DM oder andere) kauft. In jedem Fall aber produziert die private Euro-Bank diese Dollar-Kredite und schallt damit letztlich die Probleme, der die Spekulation begegnen muß. Seit der Vater der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland, Walter Eucken, fragte: „Wie erklärt sich monetäre Unstabilität?", und auch selber die Antwort gab: „Hauptsächlich daraus, daß die Banken zu . Münzstätten'geworden sind" — ist nur noch eines dazugekommen: ihre wachsende multinationale Exterritorialität, ihre Geschäftsbasis jenseits der Landes-, Währungsund Aufsichtsgrenzen.
Seit die freien und privaten Euro-, Petro-, Asien-und Pazifik-Dollarmärkte jeden bank-mäßig berechtigten Kreditwunsch erfüllen (weil sie ihn refinanzieren können), ohne Rücksicht auf die die Bonität und Transfer-kraft des betreffenden Nehmerlande's bzw.seiner Währung reflektierende Zahlungsbilanz nehmen zu müssen, provoziert das freieste Währungssystem der bisherigen Geldgeschichte eine Währungskrise nach der anderen. Sie kommt dabei wegen der Nominierung aller Währungsrelationen in Dollar immer nur in einer Währung zum Ausdruck: dem US-Dollar.
Internen Schätzungen nach entfielen von den internationalen Zahlungsvorgängen des Jahres 1977 weltweit etwa 8°/o auf „echte“ (reale) Waren-und Dienstleistungsumsätze, 92 % waren Umsätze zum (eben erwähnten) Schutz vor Währungsrisiken jeder Art — meistens also Vorsichtsmaßnahmen, die dann das zu vermeidende Risiko erst herbeiführten. Freilich für andere!
Dollarschwäche und Wechselkurschaos lassen sich daher nur vermeiden, wenn die viel zu freien Welt-Geld-und -Kapitalmärkte aus ihrer derzeitigen „Exterritorialität" und „Illegitimität" jenseits der nationalen Aufsichtsgrenzen und Kompetenzen zurückgeführt werden in die Territorialität und Legitimität, d. h. unter ein den Inlandsmärkten vergleichbares Geld-und Kreditschöpfungs-Kontroll-Regime. Erst wenn es gelingt, die weltweite internationale Liquiditätsproduktion zu begrenzen, kann auch national wieder erfolgreich mit der Geldpolitik (z. B. für Stabilisierungszwecke) gearbeitet werden, kann aber vor allem ein Ende der permanenten Währungsunruhe und des fatalen US-Dollar-Kursverfalls erwartet werden.
Zugleich wird daran deutlich, daß Weltinflation und Dollarschwäche kein „Versagen" der US-Währungsund Zahlungsbilanzpolitik signalisieren, sondern eine Kapitulation last aller westlichen Regierungen und ihrer Zentralbanken vor dem Einfluß und '„exterritorialen Expansionsdrang'der privaten Großbanken!
Erst wenn die Produktion der internationalen (US-Dollar-) Liquidität wieder an der Kette der Zentralbanken (oder einer Weltzentralbank ä la IWF) liegt, werden die heute so störenden Kapitalbewegungen und Wechselkursschwankungen sich wieder auf das Niveau reduzieren, das durch reale Leistungsbilanzpositionen und Zinsunterschiede berechenbar ist. Erst unter diesen Rahmenbedingungen könnte man sich ein „sauberes“ Floating leisten und darauf bauen, daß spekulative Erwartungen allenfalls kurzfristige Wechselkursausschläge bewirken und nicht — wie heute — den langfristigen Bewegungstrend einer Währung, der, wenn überhaupt, nur noch durch eine Krise gebrochen werden kann
Die Verwirrung könnte seit den beiden Wirtschaftsgipfeln von Bremen und Bonn im Sommer dieses Jahres nicht größer sein. Worum geht es? Retten sich die Europäer vor der „gemeinsamen Gefahr" der über den US-Dollar importierten Aufwertungstendenzen, die gegenüber früher immerhin mehr Stabilität und nicht mehr Inflation bedeuteten, durch „technische Mätzchen“ wie den Wechsel von Rechen-einheiten und Interventionswährungen? Ihr Problem ist die Überwindung ihrer „inneren Schwierigkeiten", die — je nach Land — von Inflation, Zahlungsbilanzdefiziten, Arbeitslosigkeit bis zu regionaler Unterentwicklung reichen und deren Lösung nicht mehr und nicht weniger als eine Europäisierung ihrer Wachstums-und Strukturpolitik verlangt. Daher steht in Europa nicht eine Neuauflage jener alten Illusion „unechter Wechselkurs-Unionen" auf der Agenda. Dergleichen würde heute nur das innereuropäische Ungleichgewicht von Unterbeschäftigung und Zahlungsbilanzdefizit festschreiben sowie die deutsche Überschußposition in der EG — zumindest solange der Vorrat der Deutschen Bundesbank an Kursstützungsmunition für schwache europäische Währungen reicht
In der EG geht es heute und morgen um eine Europäisierung des Strukturausgleichs: über einen horizontalen Finanzausgleich zwischen „starken" und „schwachen“ Staaten und Regionen und einen Europa-, nicht Euro-Kapitalmarkt, gegen dessen Liberalisierung sich vor allem Frankreich sträubt. Die Währungs-Union als Festschreibung innereuropäischer Wechselkurse mit automatischem Zahlungsbilanz-ausgleich ist erst dann aktuell und funktionsfähig, wenn die größten Strukturunterschiede in der Gemeinschaft ausgeglichen sind oder sie ihren eigenen Finanzierungsweg gefunden haben, was nichts mit Währung, sondern nur mit Transfer von Ersparnissen zu tun hat.
In der Weltwirtschaft geht es um das Doppel-problem: — Ersatz der in der OPEC-„Sparbüchse“ gespeicherten weltwirtschaftlichen Nachträge — und Stabilisierung des US-Dollars als des zur Zeit noch unersetzbaren „monetären Metermaßes" aller weltwirtschaftlichen Handels-, Kredit-und Reservetransaktionen.
Beide Probleme ließen sich aus einem Punkte kurieren, wenn es gelänge, ein ellektives Management der Weltliquidität zu entwickeln, das beide Schwachstellen der heutigen Welt-Geldverfassung vermeidet: die Abhängigkeit der internationalen Liquiditätsversorgung von a) den (Zufalls-) Defiziten der US-Zahlungsbilanz, b) der (gewinnorientierten) Euro-Dollar-Produktion privater Banken. Mit kontrollierter Welt-Liquiditätsversorgung durch den IWF oder ein verwandtes Organ ginge — so sahen wir bereits — sowohl der Weltinflation, der überzogenen Kapitalbewegung als auch dem wilden Floating der Wechselkurse die Munition aus. Und der Beweis?
Man vergleiche nur einmal die Größenordnungen der amtlichen US-Zahlungsbilanzdefizite mit den von der BIZ ermittelten Milliarden freier Euro-Dollar-Geld-und Kreditschöpfung, um zu ermessen, wie unerheblich eine Eindämmung der US-Zahlungsbilanzdefizite und wie erheblich eine Rationierung der Euro-Dollar-Geldmengen aller Schattierungen wäre. Wenn Banken ihr eigenes Weltgeld beliebig produzieren dürfen, ist es nur eine Frage der Zeit, wann dieses System aufgrund des leider nur zu berechtigten Mißtrauens gegen sich selbst zusammenbricht
Worum geht es heute in der inneren Wirtschaftspolitik der meisten westlichen Industrieländer, nicht nur der Bundesrepublik Deutschland? Die Krise der 70er Jahre hat praktisch nur in der Produktion fürs Inland stattgefunden, nicht in der fürs Ausland. Während die hier tätigen (multinationalen) Großunternehmen nicht zuletzt dank ihrer Versorgung mit reichlich vorhandenen und billigen „Euro-Krediten" ausnahmslos gut über die Runden kamen und ihre Marktstellung nicht unwesentlich ausbauen konnten, fielen die inlandsmarktorientierten und kreditabhängigen Klein-und Mittelunternehmen dem sich verschärfenden Wettbewerb und den harten Kreditkonditionen (Hochzinsen) der Inlandsmärkte in Scharen zum Opfer. Allein in der Bundesrepublik „starben" in den Jahren 1973/77 über 50 000 überwiegend mittelständische Unternehmen den Tod der Insolvenz oder der ihr vorbeugenden Betriebsstillegung. Die Zahl der dadurch vernichteten Arbeitsplätze kann auf gut 250 000 bis 300 000 geschätzt werden, ein Aderlaß, der nichts mit systembedingter Rationalisierung zu tun hat, wohl aber mit der Existenz einer „dual econo-my": einer multinationalen für die „Großen“ und einer nationalen für die „Kleinen", in der ausschließlich Krise und Politik stattfinden, und — natürlich — dem Fehlen einer ausgleichenden Mittelstandspolitik. Ein Faktum, das um so erstaunlicher ist, da sich alle im Bundestag vertretenen Parteien ausnahmslos zu aktiver Mittelstandspolitik bekennen und die Betroffenen selbst, obwohl vielgestaltig organisiert, ihr „Los“ kaum mit der bei anderen sozialen Gruppen üblichen Lautstärke zu Gehör bringen.
Ganz ohne Frage hat sich allein rechnerisch durch den Ausfall so vieler „Kleiner“ der Marktanteil der „Großen" und damit auch der „Monopolisierungs-Grad" der deutschen Volkswirtschaft in den Jahren der Krise enorm verstärkt, mit erheblichen Konsequenzen für die Qualität der Marktwirtschaft, die bekanntermaßen vom Wettbewerb lebt und an den Monopolen erstickt. Das trifft auch zu für den Arbeitsmarkt der, wie wir gesehen haben, von den Groß-Unternehmen belastet, von den Klein-und Mittelbetrieben dagegen entlastet wird.
Vollbeschäftigungspolitik in unserer Zeit — und nicht nur in der Bundesrepublik — ist auf absehbare Zeit einzig und allein aktive Mittelstandspolitik. Denn nur in den (noch) beschäftigungsund arbeitsintensiv produzierenden Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten gedeihen jene Produktions-und Arbeitstechniken, die sich nur bedingt durch technische Arbeitssklaven — wie zuverlässig und billig auch immer — wegrationalisieren lassen. Vor allem aber: Solange bis zu drei Viertel aller volkswirtschaftlichen Umsätze, Investitionen und Beschäftigten auf diesen Bereich entfallen und nicht auf das runde Zehntel der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, gäbe es überhaupt kein durchschlagenderes Programm, als diese Unternehmensgröße — unabhängig von ihrer Rechtsform — zu fördern (siehe Übersicht 4).
Aber wie? Und aus welchen Mitteln, ohne gleich wieder neue öffentliche Schulden zu kreieren?
Erstens: Steuerliche Bevorzugung Die kleineren und mittleren Unternehmen zahlen, soweit sie Personalgesellschaften sind, zwar progressive Gewinn-und Einkommensteuern, die durchaus unter dem Einheitssatz ihrer großen Konkurrenten liegen können, aber eben keinen einheitlichen (Körperschaft-steuer-) Satz wie ihre großen Konkurrenten; sie bräuchten daher — um a priori sicherer rech-nen zu können — einen Einheitssatz wie diese, der aber zum Ausgleich ihrer strukturellen Nachteile unter dem der Großen liegen sollte: Vergleichbar den Steuerpräferenzen der deutschen „Kleinbanken" (Sparkassen) gegenüber denen der privaten Großbanken, womit der Gesetzgeber bis heute sektorale Strukturnachteile abgilt.
Zweitens: Steuerliche Anreize für vermehrtes Arbeitsplätzeangebot Die kleineren und mittleren Unternehmen beschäftigen je Erzeugungseinheit (Produkt) nicht nur mehr, sondern auch fachlich höher vorgebildete Arbeitskräfte als die mehr durchrationalisierten Großunternehmen. Deswegen hätten nach Unternehmensgröße gestaffelte Steuerprämien für die Schaffung neuer Arbeitsplätze sowohl einen quantitativen wie qualitativen Effekt. Die Nachfrage nach qualifizierter Facharbeit würde honoriert und gleichzeitig dem arbeitsuchenden jungen Menschen verdeutlicht, daß sich Ausbildung wieder lohnt — eine Anschauung, die in Jahren der Krise mehr und mehr verlorengeht.
Drittens: Rationalisierungsneutrale Steuerlor-men Obwohl Lohn-und Kapitalkosten (Zins und Abschreibung) steuerlich gleich gewinnabzugsrelevant sind, bieten Abschreibung und Reinvestition steuerlich anerkannte Motive der großbetrieblichen Uberrationalisierung, durch die wiederum die wirtschaftliche Ertragskraft dieser Unternehmen zu Lasten der Allgemeinheit gestärkt wird. Denn: jede gesparte Mark an betrieblichen Löhnen verursacht zusätzliche Sozialausgaben (Arbeitslosengelder), die die öffentlichen Finanzen belasten. Deswegen sollten zumindest jene Steuern, die diesen Effekt ungewollt verstärken — wie z. B. die lokalen Lohnsummenoder Gewerbe-(Kapital-wie Ertrags-) Steuern —, statt abgeschafft in Abschreibungssteuern abgewandelt werden.
Welche Haushaltsdeckung jenseits der bereits überzogenen Staatsverschuldung stünde für ein solches auf den Mittelstandsbereich konzentriertes und auf die Förderung des Arbeitsplatzangebots zielendes Ausgabeprogramm zur Verfügung?
Als Deckung für die Arbeitsplatzprämien stünden erstens die im Sozialhaushalt des Bundes eingesparten Ausgaben und Prämien für die zwar organisierte, aber unfreiwillige Arbeitslosigkeit zur Verfügung. Statt der Überwälzung der betrieblich eingesparten Löhne als Folge der wegrationalisierten Arbeitsplätze fände das Gegenteil statt. Die dank dieses Programms wegrationalisierte Arbeitslosigkeit finanziert die Mehrbeschäftigung in den Klein-und Mittelbetrieben.
Zum Zweiten hat der Bund in seinem Subventionshaushalt falscher, weil auf Preis-und Einkommensfixierungen zielender, struktur-konservierender Maßnahmen eine finanzielle Kompensationsmasse, die die Kosten der hier skizzierten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen um ein mehrfaches übersteigt. Die Summe der jährlichen Erhaltungssubventionen — nicht für Arbeitsplätze, sondern für Gewinn-und Marktanteile von Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungsbereich — ist größer als die aller Krisenbekämpfungsprogramme der Bundesregierung seit 1974!
Das hier skizzierte Modell einer Verbindung von internationaler Währungs-, regionaler (fiskalischer) Struktur-und nationaler — vom Primat der Exportsubstitution geleiteter —, angebotsorientierter Vollbeschäftigungspolitik versteht sich nicht nur als ein Stück ausgleichender Konjunktur-und Strukturpolitik, sondern als ein neues Kapitel „konsum" - statt „exportgeführten" Wachstums und als eine neue Seite im Buch marktwirtschaftlicher Wettbewerbs-und Ordnungspolitik. Als eine Investition in die Gegengewichte gegen die Monopol-und Konzentrationstendenzen unserer Zeit, denen man nicht durch rechtliche Anordnungen allein begegnen kann.
Denn: Die Soziale Marktwirtschaft kann ohne Konzerne und auch ohne deren Manager funktionieren, aber sie kann nicht ohne die ihr Kapital und ihre bürgerliche Existenz riskierenden Klein-und Mittelunternehmer leben, die immer noch, aber möglicherweise nicht allzu lange, das Gros ihrer Unternehmen, In-vestitionen und Arbeitsplätze stellen, auch wenn Politiker sich manchmal vorstellen, daß sich die Welt unter ein paar Großen leichter und vernünftiger regieren ließe. Das Gegenteil stimmt: Die Marktwirtschaft leistet nur dann die von ihr erwartete Kombination von ausreichendem Güter-und Arbeitsplätze- angebot, wenn viele und demzufolge weder übergroße noch überstarke Unternehmen miteinander um Kunden und Märkte konkurrieren. Sie ist im Geiste ihres Wiederentdeckers für Deutschland, Walter Eucken, entweder Wettbewerbs-Ordnung oder gar keine Ordnung.
Fazit:
Abbildung 12
Unternehmensgewinne und ihre Verwendung Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden.
Unternehmensgewinne und ihre Verwendung Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden.
1. Bis Mitte der siebziger Jahre expandierte die Weltwirtschaft stärker als die westdeutsche Binnennachfrage. Außerdem wechselte die deutsche Stabilitätspolitik ihr Standbein: Sie setzte statt monetärer und fiskalischer Restriktionen zunehmend die Wechselkurspolitik ein; keine DM-Aufwertung stellte jedoch die „volle" reale Kaufkraftparität der DM zu anderen Währungen her. Dieses „schaffte" auch nicht das exzessive Floating der letzten Jahre! Dennoch muß auf Dauer mit dem Wegfall dieser Geschäftsgrundlage des Export-booms gerechnet werden. 2. Deswegen gehen auch die meisten in der Bundesrepublik diskutierten Krisenbekämpfungskonzepte an der Realität vorbei. Die von Regierung und Mehrheit des Sachverständigenrates angestrebte (Lohn-, Zins-und Steuer-) Kostenentlastung hat zwar Verteilungswirkungen, begründet jedoch weder Export-noch Investitionsvorteile. Die flexiblen Wechselkurse gleichen heute und morgen jeden externen Preis-und Kostenvorteil aus. Interne Gewinne werden angesichts der unzureichenden Kapazitätsauslastung und depressiver Erwartungen eher gespart als investiert, weswegen auch alle bisherigen Konjunkturprogramme ohne die erhoffte Wirkung geblieben sind! 3. Die Bundesrepublik muß ein neues wirtschaftspolitisches Konzept entwickeln. — Sie sollte sich auf der größten westlichen Ebene (der der OECD = 75 °/o ihrer Export-abnehmer) an einem konzertierten Programm westlicher Zahlungskonsolidierung und Dollarkursstützung beteiligen: mit multilateralen (statt bisher überwiegend bilateralen) Krediten und einer ebenfalls multilateralen Kontrolle der Euro-Märkte, deren exzessive Dollar-Kreditschöpfung der Hauptgrund für die anhaltende Währungsunruhe und Dollarschwäche ist — und nicht nur auf teil-bis kleineuropäische Alleingänge ä la Schlange und EWG setzen. Ein im wesentlichen „defensives" Programm, um Zeit zu gewinnen, bis die europäischen und inneren Strukturprogramme greifen. — Sie sollte sich intern auf eine Politik gezielter Exportsubstitution festlegen: Die notwendigen Wachstumsimpulse müßten dabei im Inland greifen, im beschäftigungsintensiven und preiselastischen bdittelstandsbereich der Unternehmen erzielt werden, ergänzend aus öffentlich geförderten Innovationen und verbesserter Infrastruktur, wofür ein Entwicklungsbudget und ein System gezielter Fiskalanreize zu erarbeiten wären.
Wilhelm Hankel, Dr. rer. pol., geb. 1929 in Danzig; 1959— 1968 Chef-Volkswirt der Kreditanstalt für Wiederaufbau, 1968— 1972 Leiter der Abteilung Geld und Kredit im Bundesministerium der Wirtschaft, 1972— 1974 Präsident der Hessischen Landesbank; seit 1971 Honorarprofessor für Entwicklungsund Währungspolitik an der J. W. Goethe-Universität in Frankfurt, 1974— 1976 Lehraufträge an der Harvard und Georgetown University. Veröffentlichungen u. a.: Die zweite Kapitalverteilung, Frankfurt 1961; Erfahrungen mit der deutschen Kapitalhilfe, Hamburg 1967; Währungspolitik, Stuttgart 1971; Heldensagen der deutschen Wirtschaft, Düsseldorf 1975; Der Ausweg aus der Krise, Düsseldorf 1975; Weltwirtschaft. Vom Wohlstand der Nationen heute, Düsseldorf 1977; Caesar: . Goldene Zeiten führt ich ein'. Eine Analyse der römischen Weltintegration, München 1978.
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