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Judentum und Holocaust im deutschen Schulunterricht | APuZ 4/1979 | bpb.de

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APuZ 4/1979 Artikel 1 Entwicklungsphänomen Israel: Vom Kibbuz zum Kapitalismus? Wandlungen in der Wirtschaftspolitik Israels Judentum und Holocaust im deutschen Schulunterricht

Judentum und Holocaust im deutschen Schulunterricht

Heinz Kremers

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Es handelt sich um einen Bericht über die Ergebnisse mehrerer Forschungsprojekte, die im Rahmen des interdisziplinären Forschungsschwerpunktes „Geschichte und Religion des jüdischen Volkes" an der Gesamthochschule Duisburg durchgeführt wurden: Die daran beteiligten Wissenschaftler kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, ‘daß seit etwa 1965 die Themenkreise „Der kulturelle Beitrag der Juden im 20. Jahrhundert" und vor allem „Der Holocaust" (die Verfolgung der Juden von 1933— 1945) in zunehmendem Maße in die fächerspezifischen Schulbücher in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen werden. Es ist hier eine positive Entwicklung in Gang gekommen, die noch immer anhält, obwohl in Details noch schwache Punkte aufgezeigt werden können. Deshalb ist es erforderlich, daß die'auf diesem Gebiet bisher geleistete Pionierarbeit abgesichert und allgemein verbindlich gemacht werden sollte durch die Einrichtung einer Schulbuchkommission, die — wie auf anderen Gebieten z. B. die deutsch-französische und die deutsch-polnische Schulbuchkommission — Richtlinien für die Darstellung des jüdischen Volkes, des Holocaust und des Staates Israel für die entsprechenden Lehrpläne und Schulbücher in der Bundesrepublik Deutschland erarbeiten sollte. Die Informationen über die Juden, das Judentum und den Staat Israel, die von Lehrplänen gefordert und in Schulbüchern dargeboten werden, können nur dann den Schülern im Unterricht vermittelt werden, wenn die Lehrer für diese Aufgabe ausgebildet sind. Das Judentum und seine Beziehung zum Christentum, die jüdische Geschichte, der Antisemitismus, der Holocaust und der Staat Israel müssen deshalb intensiver als bisher an deutschen Universitäten erforscht werden. Alle Lehrerstudenten, welche die genannten Unterrichtsfächer an deutschen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen studieren, sollten eine Basisinformation in Judentumskunde mit den genannten Schwerpunkten erhalten.

Diesen Bericht gebe ich als Sprecher des Forschungsschwerpunktes „Juden, Judentum und Staat Israel im Unterricht" an der Gesamthochschule Duisburg. In diesem Forschungsschwerpunkt arbeiten mehrere Forschungsteams interdisziplinär zusammen. Wir untersuchen miteinander die Darstellung der Juden, des Judentums und des Staates Israel in Lehrplänen, Schulbüchern und anderen Unterrichtsmedien für den Geschichtsund Politikunterricht, den Evangelischen und Katholischen Religionsunterricht und für den Geographie-, Deutsch-und Englischunterricht. Ziele unserer Arbeit sind: Analyse und Darstellung der gegenwärtigen Situation und Innovationsvorschläge durch Erarbeitung eigener Unterrichtsmodelle und Beratung von Lehrplankommissionen, Schulbuchautoren und Lehrern

Eigene empirische Untersuchungen und die anderer Kollegen in den letzten Jahren haben ergeben: Auf die Frage, was sie von den Juden wissen, antworten die Schüler am häufigsten: 1. Die Juden sind das Volk, das Jesus gekreuzigt hat. 2. Adolf Hitler ließ mehrere Millionen Juden umbringen. Die Juden leben in Israel und kämpfen dort mit ihren arabischen Nachbarn.

Diese Antworten lassen erkennen, welches die wichtigsten Informationen sind, die unsere Schüler über das Judentum erhalten und welchen Informationen sie die größte Bedeutung für ihr Bild von den Juden beimessen. Es sind die Informationskomplexe: Jesus und das Judentum, der Holocaust 3) und der Nahostkonflikt. diesem Befund stecken positive, aber auch negative Elemente, vor allem werden hier Herausforderungen an den Schulunterricht sichtbar.

Wollen wir die Problematik der Darstellung des Judentums im Unterricht heute verstehen, müssen wir uns auch bewußt machen: Wir leben im Übergang von der ersten zur zweiten Generation nach Auschwitz. Die Zeitgenossen von Auschwitz haben unter dem Schock der großen Schuld unseres Volkes am jüdischen Volk entweder dieses Geschehen tabuisiert und verschwiegen oder mit großer moralischer Anteilnahme die nächste Generation darüber informiert. Die erste Generation nach Auschwitz blieb durch das Schweigen der einen ignorant und die Information der anderen wies sie zum größten Teil zurück, um nicht in eine Schuldverstrickung mit der Generation der Väter zu geraten. Das zuletzt genannte Bemühen dieser Generation — die Distanzierung von der Schuld der Väter — hat m. E. mit zur Studentenrevolte der sechziger Jahre beigetragen.

Heute ist diese Generation der 25— 50jährigen in den Schulen und Hochschulen der wichtigste Informationsträger im Hinblick auf Judentum und Holocaust. Die noch unterrichtenden 50— 65jährigen Zeitgenossen des Holocaust und die 25— 50jährigen der ersten Generation nach Auschwitz stehen im Unterricht an Schulen und Hochschulen der zweiten Generation nach Auschwitz gegenüber, die unbelastet durch Schuldgefühl und Schuldverdrängung neugierig nach der Nazizeit und nach dem jüdischen Volk fragt. In dieser konkreten Situation sehe ich eine große politisch-pädagogische Herausforderung unserer Tage. Die hier skizzierte Wende macht sich bereits in Lehrplänen, Schulbüchern und im Unterricht bemerkbar. Sie enthält positive Möglichkeiten, aber auch neue Gefahren.

I. Der kulturelle Beitrag der Juden im 20. Jahrhundert und seine Behandlung im Unterricht

Diesen Problemkomplex möchte ich nur kurz ansprechen, weil ich den Hauptakzent meiner Untersuchung auf das Problem des Holocaust im Unterricht legen möchte.

Die Zeiten, in denen man den kulturellen Beitrag der Juden in deutschen Schulen verschwieg, sind vorbei.. Es ist aber auch die Epoche vergangen, in der man den kulturellen Beitrag der Juden aus einem Schuldkomplex heraus als besonderes Thema in den Unterricht aufnahm.

Heute wird der kulturelle Beitrag der Juden im 20. Jahrhundert in den Unterricht der verschiedenen Fächer aufgenommen, z. B. in den Deutsch-und Englischunterricht, den Philosophie-und Religionsunterricht, den Ge-schichtsund Politikunterricht, den Musik-und Kunstunterricht — und auch in die naturwissenschaftlichen Fächer. Im Vordergrund steht dabei die Frage: Ist dieser oder jener Beitrag für unsere Kultur besonders relevant? Werden Beiträge von Juden aufgenommen, wird nur selten verschwiegen, daß es sich um den Beitrag eines Juden handelt. Das gilt in gleicher Weise für Ernst Bloch, Martin Buber, Karl Popper, Marc Chagall, Leonard Bernstein, Pablo Casals, Schaul Bellow, Henry Miller, Albert Einstein und viele andere.

Lassen Sie mich diese Situation an einem Beispiel illustrieren: Als wir unseren interdisziplinären Forschungsschwerpunkt aufbauten, dachten wir nicht daran, auch die Anglisten zu beteiligen. Da bot zu unserem Erstaunen einer unserer Anglisten seine Mitarbeit mit der Begründung an: „Die meisten amerikanischen Schriftsteller, die heute im Englischunterricht gelesen werden, sind Juden. Und das eigene Judesein spielt in ihren Darstellungen nicht selten eine große Rolle. Darum müssen auch zukünftige Englischlehrer eigentlich eine Basisinformation über das Judentum erhalten, damit sie diese Schriftsteller im Unterricht sachgemäß interpretieren können. Und es lohnt sich auch zu analysieren, welche jüdischen Schriftsteller im Englischunterricht behandelt werden."

Der kulturelle Beitrag der Juden im 20. Jahrhundert wird also heute von der Sache her, vom konkreten relevanten Beitrag her in den Unterricht aufgenommen. Darum begegnen unsere Schüler den kulturellen Beiträgen der Juden in unserem Jahrhundert an vielen Stellen und in mehreren Unterrichtsfächern. Dabei wird selten verschwiegen, welche Beiträge von Juden stammen. Eine eigene Unterrichtseinheit über den kulturellen Beitrag der Juden im 20. Jahrhundert habe ich nicht gefunden, — und das ist m. E. auch gut so. Die gefächerte — von der Sache her geforderte — Information ist hier didaktisch besser als eine besondere Unterrichtseinheit, die den Eindruck des Gewollten und Prätentiösen erwecken kann.

II. Die Aufnahme des Holocaust in Unterricht und Schulbücher

Diesen Bericht habe ich zusammen mit Horst Schallenberger aufgestellt, der den Teil über den Geschichtsund Politikunterricht zusammenstellte

Bei der Behandlung der Schoah bzw.des Holocaust in deutschen Schulen sind drei Hemmungen zu überwinden: 1. Eine psychologische Hemmung. Wir müssen das größte Verbrechen unseres Volkes zum Objekt unseres Forschens und Lehrens machen.

Marfin Buber, dessen 100. Geburtstag wir im vergangenen Jahr gedacht haben, hat uns gezeigt, wie wir diese Hemmung überwinden können. Als ich ihn 1962 mit einer Gruppe Studenten in Jerusalem besuchte, fragte einer meiner Studenten ihn in provozierendem Ton: „Herr Professor, unsere Eltern wollen uns einen Schuldkomplex gegenüber Ihrem Volk ein-impfen. Dagegen wehren wir uns, denn wir fühlen uns nicht mitschuldig an dem, was geschehen ist. Was sagen Sie dazu?" Martin Bu-ber antwortete sehr ruhig und gütig: „Sie haben vielleicht gehört, daß ich die Behauptung der Kollektivschuld Ihres Volkes gegenüber meinem Volk immer abgelehnt und bekämpft habe. Darum sind Sie und Ihre Generation in meinen Augen erst recht nicht mitschuldig an dem, was Menschen Ihres Volkes meinem Volk angetan haben. Sie wehren sich deswegen mit Recht gegen den unsinnigen Versuch, in Ihnen ein Schuldgefühl gegenüber meinem Volk zu erzeugen. Sie sind unschuldig, — aber Sie sind als Deutscher mitverantwortlich für die weitere Geschichte Ihres Volkes, die man nicht von der bisherigen Geschichte trennen kann. Darum erwarte ich von Ihnen, daß Sie sich sorgfältig darüber informieren, was geschehen ist und wie es dazu kommen konnte, und daß Sie sich dafür einsetzen, daß es sich so oder ähnlich nicht mehr in der Geschichte Ihres Volkes wiederholen kann." 2. Eine wissenschaitstheoretische Hemmung. Der Geschichtsunterricht tritt heute immer mehr in den Schatten von Soziologie, Politik-und Wirtschaftswissenschaft. Geschichte wird nicht mehr als solche gelehrt, sondern nur noch in einer Auswahl, die bestimmt ist durch politische, soziale und wirtschaftliche Gegenwartsprobleme. Darüber hinaus sind Lehrpläne aller Schularten heute keine Stoffverteilungspläne mehr. Sie formulieren vielmehr Lernziele, die an den Schülern und an Gegenwartsproblemen orientiert sind; diesen Lernzielen werden ausgewählte Unterrichts-stoffe zugeordnet. Das hat zur Folge, daß sich heute in Deutschland der Fluch, daß Hiller unser Land judenfrei gemacht hat, auch im Unterricht auswirkt. Denn dieser Fluch läßt unsere Beziehungen zum jüdischen Volk für die Schüler zur vergangenen, nicht mehr erlebbaren Historie werden. Wenn ich darum in Lehrplankommissionen und in einem Team von Schulbuchautoren forderte, wir müßten über den Holocaust informieren, mußte ich mich mit dem Gegenargument auseinander-setzen: In der Welt unserer Schüler leben keine Juden mehr. Wir können sie darum besser zur Überwindung von Vorurteilen und zur Toleranz erziehen, wenn wir mit ihnen über die aktuellen Probleme des Zusammenlebens mit Gastarbeitern aus anderen Ländern sprechen, statt sie abstrakt über das Judentum, den Antisemitismus und den Holocaust zu informieren. 3. Eine theologische Hemmung. Im Zentrum der christlichen Theologie in Deutschland steht das Christusereignis als eschatologisches Geschehen: Christus ist das Ende der Geschichte, darum darf man keinem Ereignis in der Geschichte zwischen seinem ersten und zweiten Kommen eine religiöse Bedeutung beimessen. Diese Theologie entstand im Kampf gegen den Kulturprotestantismus mit seinem Geschichtsoptimismus und im Kampf der Bekennenden Kirche gegen die „Deutschen Christen" der Hitlerzeit, die neben Christus der nazistischen Bewegung und der Sendung Hitlers eine religiöse Bedeutung gaben. Hier sei nur erinnert an die 1. These der theologischen Erklärung von Barmen aus dem Jahr 1934: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen." Es fällt darum den Theologen in Deutschland schwer, im Holocaust „a watershed event in Religion" zu sehen, einen Wendepunkt in der christlichen Religion.

Trotz dieser Hemmungen haben in den letzten Jahren Wissenschaftler, Studenten und Lehrer angefangen, das Geschehen des Holocaust zu erforschen, zu studieren und zu unterrichten. Ein Überblick über die Entwicklung nach 1945 soll das zeigen. 1. Der Holocaust in Lehrplänen und Schulbüchern für den christlichen Religionsunterricht und im Unterricht

Von 1945 bis etwa 1965 war der Religionsunterricht in Deutschland Bibelunterricht und Dogmatikunterricht. Damals forderten nur wenige Lehrpläne, das Judentum, seine Beziehung zum Christentum und den Holocaust zu Unterrichtsgegenständen zu machen. In den Schulbüchern bemühte man sich deshalb lediglich, antisemitische Äußerungen zu vermeiden.

Seit etwa 1965 ist der Religionsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr nur an der Bibel und der Lehre der Kirche, sondern vor allem an den Schülern und an Gegenwartsproblemen orientiert. Diese Horizonterweiterung führt dazu, daß in zunehmendem Maße auch über das Judentum und seine Beziehung zum Christentum und in diesem Kontext auch über den Holocaust in selbständigen Unterrichtseinheiten informiert wird. 1970 untersuchte ich zusammen mit meinen Studenten 67 Lehrpläne für den evangelischen Religionsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland. Wir kamen zu folgendem Ergebnis: Von 67 Lehrplänen forderten 34, über das Judentum und seine Beziehung zum Christentum zu informieren Heute fordern alle Lehrpläne diese Information. Dieselbe Entwicklung läßt sich — wenn auch etwas langsamer — im katholischen Religionsunterricht feststellen.

Die meisten Schulbuchautoren berücksichtigen die Forderungen der Lehrpläne und nehmen Informationen über Juden, Judentum und Holocaust in ihre Schulbücher auf. Hier hat eine wichtige Bewegung eingesetzt, die noch in vollem Gange ist. Eine Schulbuchserie für die 1. bis 10. Klasse räumt der Information über das Judentum etwa 20 0/0 ein; 10% sind Informationen über Juden und Judentum in der Gegenwart (die Information über den Holocaust umfaßt hier 11 Seiten). Einige Schulbuchserien folgen mit 10 bis 20 °/o; bei den meisten Schulbuchserien liegt der Anteil zwischen 5 und 10%; einige wenige Serien bieten nur 1 bis 5 %.

Innerhalb dieser Informationen nimmt der Holocaust eine Schlüsselstellung ein. Die meisten Schulbücher informieren nicht oder nur sehr wenig über die Beziehungen zwischen Judentum und Christentum in der Geschichte der Kirche aber fast alle informieren kurz oder ausführlich über den Holocaust. In einigen Schulbuchserien finden wir Informationen über den Holocaust sogar an mehreren Stellen und in mehreren aufeinander folgenden Bänden. Diese beginnen hier schon im Schulbuch für die 3. und 4. Klasse mit Geschichten über das Schicksal jüdischer Kinder in der Hitlerzeit.

Mehrere Schulbücher lehren die Schüler darüber hinaus auch die Bedeutung des Holocaust: Sie zeigen, daß eine der wichtigsten Wurzeln des nazistischen Judenhasses der christliche Judenhaß war und daß sich darum nur wenige Christen dem Holocaust widersetzt haben. Vor allem aber haben sie begonnen, die Schüler über das Judentum als lebendige Wirklichkeit zu informieren und sie zum Verstehen des Judentums, zu Achtung und Toleranz gegenüber den Juden und zur Solidarität mit den älteren Brüdern im Glauben an den einen Gott zu erziehen.

Ein Beispiel soll das zeigen: In einem Schulbuch für die 9. und 10. Klasse wird das Kapitel „Juden und Christen" auf 10 Seiten innerhalb des Ökumene-Lehrgangs „Freiheit und Verantwortung im gespaltenen Gottesvolk" behandelt. Das Kapitel beginnt mit den folgenden Abschnitten: „Viele Jahrhunderte lang haben die Christen die Juden als von Gott verworfenes Volk von Christusmördern und Teufelskindern verachtet, gehaßt und verfolgt, — und nur wenige Christen dachten und handelten anders. In einem Zeitraum von 1 600 Jahren wurden darum unter dem Zeichen des Kreuzes mehr Juden mithandelt, vertrieben oder getötet als unter dem Zeichen des Hakenkreuzes während der Hitlerzeit. Adolf Hitler knüpfte an den christlichen Judenhaß an, als er den Kampf gegen das Judentum in sein politisches Programm aufnahm. Er schrieb in seinem Buch . Mein Kampf': , So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich der Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.'(Es folgen Denkanstöße und Arbeitsanweisungen.)

Die Vernichtung von etwa 6 Millionen Juden in unserem Jahrhundert erfüllte viele Christen mit Entsetzen und Scham. Denn sie erkannten, daß der christliche Judenhaß eine wichtige Wurzel des Antisemitismus der Nationalsozialisten und der Vernichtung so vieler wehrloser Juden war und daß fast alle Christen diesem Völkermord tatenlos zugesehen haben. Viele Christen in aller Welt und auch die Kirchen begannen zu fragen: , Wer sind die Juden wirklich? Was verbindet uns mit ihnen?'Und es setzte ein Umdenken unter den Christen über die Juden ein, das noch nicht abgeschlossen ist."

Der Autor bemüht sich dann, die Schüler an diesem Umdenkungsprozeß zu beteiligen. Zunächst informiert er sie über „Glaube und Leben der Juden" und über „die Geschichte der Juden", und er endet mit dem Abschnitt „Brüder im gespaltenen Gottesvolk". In diesem Abschnitt, der abschließend der Auswertung aller Informationen dienen soll, stehen als Denkanstöße die beiden Zitate: „Christen und Juden sind Brüder im Glauben" (Papst Johannes XXIII.) und „Eine ökumenische Versammlung, aus der die Juden ausgeschlossen sind, wäre keine christliche, sondern eine heidnische Versammlung" (Karl Barth).

Diese positive Entwicklung in den Lehrplänen und Schulbüchern muß weitergeführt und im Unterricht fruchtbar gemacht werden. 2. Der Holocaust in den Lehrplänen und Schulbüchern für den Geschichts-und Politikunterricht

Die Darstellung der NS-Zeit ist in den Schulbüchern für den Geschichtsund Politikunter-richt in der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit von 1949 bis 1978 immer ausführlicher und differenzierter geworden. Seit dem Jahr 1960, in dem in Jerusalem der Eichmann-Prozeß stattfand und es in der Bundesrepublik Deutschland zu Synagogenschmierereien kam, ist darüber hinaus auch der Holocaust in zunehmendem Maße in die Schulbücher für den Geschichts-und Politikunterricht aufgenommen worden. Heute besteht in diesen Schulbüchern ein Konsens, daß jüdische Geschichte und speziell der Holocaust darzustellen sind, daß eine sachliche wie moralische Notwendigkeit dazu besteht. Wenn ein Thema in diesen Schulbüchern bewußt und sensibilisiert angegangen wird, dann dieses. Diese Feststellung schließt Detailkritik nicht aus.

Diese Behauptungen sollen durch lünf Beobachtungen bei der Analyse von Geschichtsbüchern begründet werden: 1. Die Darstellung der nationalsozialistischen Judenvernichtung wird im Sinne der historischen Verantwortung in die Geschichtsbücher aufgenommen. Sie erfolgt weithin sachlich korrekt, d. h. die Besonderheit des Geschehens wird nicht verschwiegen. Ich meine mit sachlich korrekt: die Information ist insgesamt einwandfrei, Verschweigungen und Darstellungen mit groben und bewußten Verzerrungen liegen nicht vor. Mängel resultieren mehr aus falscher Präsentation als aus einem prinzipiellen Bestreben, verschweigen zu wollen oder gar „herunterspielen" zu wollen.

Alle Bücher äußern sich zur Verantwortung für den Holocaust. Aber nur wenige tun es so präzise wie in folgenden Aussagen: „ . . . Menschen sind ohne Grund, ohne Urteil, ohne Schuld getötet worden. Mit bürokratischer Perfektion tötete die SS. Sie hat ihre Vernichtungsaktion heimlich unternommen . . . Dennoch ist das deutsche Volk in seiner Gesamtheit von Schuld nicht freizusprechen. Alle haben die Anfänge gesehen, nur wenige haben etwas dagegen unternommen." „Die Deutschen wurden nicht — wie z. B. die Franzosen durch die Affäre Dreyfus — . . . belehrt, daß der Antisemitismus nicht nur blind und ungerecht, sondern auch verbrecherisch macht. Nur wenige leisteten Widerstand, als Hitler die Vernichtung der Juden in Europa befahl, die . Endlösung der Judenfrage', wie er es nannte. Die Mehrzahl der Deutschen ließ es zu, daß der Schritt von der Unterdrückung hin zum politischen Verbrechen geschah. Es zeigte sich, wie klein dieser Schritt ist, wenn Haß auf eine Minderheit das Denken eines Volkes vergiftet hat." 2. Verharmlosungen des barbarischen Geschehens treten nicht aui. Es muß allerdings auf eine Gefahr hingewiesen werden: In mehreren Geschichtsbüchern wird der Holocaust personalisiert als Tat Hitlers dargestellt. Da heißt es z. B.: „Außerhalb des Reichsgebietes, unter dem Deckmantel des militärischen Geheimnisses, den Blicken und dem Einspruch der deutschen Bevölkerung entzogen, begann HITLER mit der Ausrottung der Juden, mit der er wiederholt öffentlich gedroht hatte." — oder: „HITLER begann das Vernichtungswerk an den Juden gleich nach Kriegsbeginn in Polen." — oder: „Von allen sonstigen Verfolgungen, welche die Juden in ihrer leidvollen Geschichte erlitten haben, unterscheiden sich diejenigen HITLERS durch ihre von einer unsinnigen Ideologie her bestimmte Systematik und das durch ihre technische Perfektion erreichte Ausmaß."

Diese Tendenz veranlaßt mich zu der Frage, ob nicht zumindest eine zu starke Personalisierung in Geschichtsbüchern unseres Staates beaenklich ist. 3. Der Bericht auf der historischen Erscheinungsebene ist im allgemeinen sehr ausführlich. Wenn Verkürzungen und Auslassungen vorliegen, so sind sie mehr im Hintergrund der Erscheinungen zu suchen. Ich nenne einige Beispiele: Die Funktion der Rassenideologie als politische Funktion kommt häufig nicht scharf genug heraus. — Widerstand als Beleg für die Angreifbarkeit des Systems wird zuweilen vernachlässigt. — Der wirtschaftliche Profit aus der sog. Arisierung könnte stärker betont sein. (Der Gewinn der Reichskristallnacht für den faschistischen Staat wird in allen Büchern angesprochen, der Verfall der jüdischen Versicherungsansprüche jedoch nur in wenigen Werken. Gerade in diesem Punkte aber läßt sich die Verfilzung von Interessen aufdecken.)

Besondere Aufmerksamkeit gebührt von der bleibenden Aktualität von Feindbildern und Sündenbocktheorien her den Mitteln der Verführer und Täter (Legitimationsund Integrationsstreben) und der psychischen Bedingungslage der verführten Teile der deutschen Bevölkerung (wirtschaftliche, soziale Bedingungen der Anfälligkeit für eine Sündenbock-theorie).

Dieses mag in der Erscheinungsebene alles als Material, als Anstoß enthalten sein, müßte aber zumindest im Unterricht auch begrifflich herausgearbeitet werden.

Eine Auslassung sei in ihrer Wirkung herausgestellt: die mangelnde Vorgeschichte der Reichskristallnacht. Zur Vorgeschichte des Attentates Grünspans auf von Rath in Paris gehört die Ausweisung polnischer Juden aus Deutschland. Ohne diese Vorgeschichte wird die „Reichskristallnacht" als Racheakt auf Grünspans Tat empfunden, gewissermaßen als überzogene Rache, nicht aber als Vorwand im Kontext kontinuierlicher, systematischer antijüdischer Politik. Hier müssen wir das Entschuldigungsstreben berücksichtigen, das Lücken suchen und dort einsetzen könnte. Das Pogrom von 1938 sollte also nicht unvermittelt dargeboten werden. Positiv fällt hierzu der Satz auf: „Als der Sohn eines Betroffenen in Paris einen Angehörigen der deutschen Botschaft erschoß, war das ein willkommenes Signal für ein Pogrom größten Ausmaßes..." . 4. Verständlichkeit und Anschaulichkeit des Materials sind im allgemeinen gegeben. Ein fester Bestandteil für unser Thema ist fotografisches Material: Das Warschauer Getto 1943, die Vertreibung jüdischer Menschen.

Illustriert werden sodann hauptsächlich die „Reichskristallnacht" und die Vernichtung selber. Teilweise finden wir in den Schulbüchern auch Wiedergaben von antisemitischer Propaganda in Schulen, aus Bilderbüchern und Plakaten wie auch auf Kundgebungen der NS-Zeit. Bezüglich der Wiedergabe von Karikaturen seien Bedenken nicht verhehlt, denn sie könnten zuweilen auch heute nicht der Beseitigung, sondern eher der tatsächlichen Verfestigung negativer Einstellungen dienen, zumindest bei wenig ausgeprägtem kritischem Vermögen der Buchbenutzer.

Die Funktion der Bilder ist zumeist Illustration mit Kommentar. Wünschenswert scheint zu sein, daß Bilder mehr Quellenfunktion haben und Fragehaltungen wecken. In vorbildlicher Weise weckt z. B. ein Bild durch die Aufforderung des Begleittextes eine besondere Betroffenheit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung: „In einer Schulklasse 1933."

„An der Tafel steht in .deutscher'Schrift: Der Jude ist unser größter Feind! Hütet euch vor den Juden!'Kannst du beschreiben, was im Augenblick in dieser Klasse geschieht?" Man sieht neben den Schülern und dem Lehrer vor der Tafel zwei jüdische Jungen gesenkten Hauptes stehen. Ich bin sicher, daß hier der junge Mensch von heute etwas empfindet und bereit ist, dieses rational aufzuarbeiten. 5. Aus unbefriedigend gelösten didaktischen Grundproblemen entsteht ein politisches Defizit: Nicht nur Personalisierung, sondern auch starke Psychologisierungen verbauen zuweilen die Einsicht in komplizierte Zusammenhänge. Hitlers Lebensweg wird nur zu oft bereits in den Klassen 5 bis 10 psychologisiert. Können wir Geschichte dadurch faßbar machen? Prinzipiell tritt die Problematik rationaler Erkenntnis gegenüber emotionaler Betroffenheit an unserem Untersuchungsgegenstand besonders hervor.

Hier stehen zwei prinzipielle Probleme hinter der Analyse von Schulbuchtexten zum Holocaust: 1. Das Verhältnis Geschichte—Politik, für deren Einheit ich gerade bei diesem Thema plädieren möchte, wobei die Spannung beider Ansätze das Relevante ist. 2. Das Verhältnis des Themas zum Erzieherischen. Zwei Ziele sind zu erreichen:

1. Mortui viventes obligant als Norm. 2. Einsicht in die politische Verführbarkeit und das dazu gegebene Instrumentarium. Eines ist sicher: Wäre Selbstüberheblichkeit („So etwas kann bei uns nicht passieren") Folge der Lektüre eines Schulbuchtextes oder der Unterrichtsbehandlung des Holocaust, dann ist eine neue Verführung bereits angebahnt. Die Verunsicherung und damit erstrebte Kritikfähigkeit gegenüber sich selbst und der Gesellschaft scheint mir mehr wünschenswert zu sein als die Selbstgewißheit, alles ganz genau zu wissen, deren Folge Gleichgültigkeit sowohl gegenüber der unfaßbaren Einmaligkeit des Geschehens als auch gegenüber der prin-

zipiellen Einsicht in die Möglichkeit des politischen Mißbrauchs weiter Teile einer Gesellschaft wäre.

Zur Darstellung des Holocaust in den Politik-büchern möchte ich nur einen kurzen Hinweis geben: Die Mängel, die wir bei den Geschichtsbüchern feststellen mußten, sind hier weitgehend nicht gegeben. Das Ungeheure und die bleibende Aktualität des Geschehens wird durch das Erläutern politischer Funktionen verdeutlicht.

Andererseits droht hier die Geiahr, daß der Holocaust zu einem austauschbaren Beispiel zur Illustration anderer politischer oder sozialer Gegenwartsprobleme gemacht wird. So sehr ich prinzipiell die Einheit von Geschichte und Politik sehen möchte, muß beim Holocaust doch wohl die Einmaligkeit des geschichtlichen Geschehens betont werden und darf nicht der Austauschbarkeit sozialwissenschaftlicher Betrachtung geopfert werden.

Das geschieht z. B. in einem Politikbuch, in dem im Kapitel „Die Alten — eine Randgruppe“ zwischen Stadtplan und Alterspyramide das Bild des jüdischen Jungen mit erhobenen Armen aus dem Warschauer Getto steht. So sehr jedermann das Anliegen unterstützen sollte, für die Alten in unserer Gesellschaft als einer vernachlässigten Gruppe ohne mächtige Interessenvertretung einzutreten, scheinen mir doch die folgenden 12 Zeilen kritikwürdig: „Vor einigen Jahrzehnten wurde über Juden, Zigeuner und Zeugen Jehovas nicht nur abfällig geredet: diese Randgruppen wurden während der Herrschaft des NS (1933— 1945) in Deutschland in Konzentrationslager gebracht und bis auf wenige überlebende ermordet. Die Erinnerung daran läßt uns nachdenklich werden: wie sollte eine Gesellschaft mit ihren Randgruppen leben und zurechtkommen? Ganz gewiß besteht für alte Menschen keine Gefahr, daß sie als unerwünschte Störenfriede in ein Lager gebracht werden ..."

Ein Beispiel einer guten Darstellung des Holocaust: Es ist das Quellenheft von Günther van Norden: Dokumente und Berichte aus dem Dritten Reich. Es umfaßt 80 Seiten, davon 10 Seiten „Judenverfolgung". Van Norden bringt: 1. Die Nürnberger Gesetze 2. Zur Reichskristallnacht: Auszug aus Goebbels-Artikel Gestapo-Fernschreiben 3. Erlebnisbericht Erich Lüths (Entschuldigung eines am Pogrom beteiligten Polizisten bei den Betroffenen, der nicht den Mut hatte, sich zu widersetzen) 4. „Sühnemaßnahmen" des Regimes: Göring-Verordnung über eine Sühneleistung

Göring-Verordnung zur Ausschaltung aus dem Wirtschaftsleben Göring-Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes /5. Der Augenzeugenbericht Kurt Gersteins Der Augenzeugenbericht Hermann Friedrich Gräbes 6. Die Himmler-Rede vom 4. Oktober 1943.

Mit dieser Quellenauswahl wird die Makro- wie die Mikro-Ebene erreicht. Die Opfer und die Täter sind im Blickfeld. Die Opfer waren Normalmenschen wie jeder von uns. In dem Begleitheft unterscheidet van Norden sechs Tätertypen: der eine ängstlich, der andere naiv, der eine will Schlimmeres verhüten, der andere begeht Verbrechen aus Sadismus, der eine ist mechanisch gehorsam, der andere Überzeugungstäter, Hier kann wohl niemand aus der Sicherheit der Gegenwart überheblich werden oder gleichgültig sein; er wird Strukturen, Programme und Personen in ihrem Zusammenspiel analysieren müssen, um nicht großen oder kleinen Manipulationen zu erliegen. 3. Der Holocaust in deutschen Lesebüchern Der Germanist Jürgen Biehl, Mitarbeiter im interdisziplinären Forschungsschwerpunkt an der Gesamthochschule Duisburg, hat über 50 Lesebücher für den Deutschunterricht daraufhin untersucht, wie hier Juden und Judentum dargestellt werden

Biehl stellt fest: „Noch 1960 mußte Krippendorff aus der Staatsexamensarbeit von Seitz zitieren: .. daß die Themen Judentum, die Juden in Deutschland, Verfolgung der Juden in allen Büchern (d. h. Lesebüchern, d. Verf.) nahezu völlig oder ganz vermieden wer-den" Dann hält er als Ergebnis seiner Analyse fest: „Alle untersuchten Lesebuch-werke — weitgehend für den Bereich der Sekundarstufe I — enthalten jeweils mehrere Texte zum angegebenen Thema." Welche Informationen über die Juden werden in den Lesebüchern gegeben? Biehl schreibt: „Betrachtet man im Überblick des Materials, in welche größeren Themenkomplexe das aufgefundene Text-und Bildmaterial einzuordnen ist, sieht man — trotz des einen oder anderen vereinzelt auftretenden Textes in anderen * thematischen Zusammenhängen — eine klar erkennbare Tendenz in den Werken, Texte nach der inhaltlichen Zuordnung zu den Problembereichen: Darstellung der Vorurteilsfrage bzw.deren Bewältigung und Verfolgung der Juden im Dritten Reich einschließlich der Massenvernichtung auszuwählen." Biehl schränkt etwas ein: „Doch kann und soll nicht übersehen werden, daß in den genannten Texten Juden und Jüdisches immerhin auch anders als nur im Zusammenhang mit Vorurteil und Verfolgung gesehen wird. Nur ist dieser Bereich im Vergleich zur Gesamtzahl der Texte und zur Hervorhebung jener anderen Themen kaum nennenswert." „Geht man nun die Texte zum Komplex . Verfolgung'durch, so ist deutlich, daß sie sich, soweit ich sehe, bis auf die Erwähnung des Zusammenhanges von Antisemitismus und Verfolgung in zwei Texten von Brecht und Döblin alle auf die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten beziehen, wobei die Textauswahl offensichtlich so getroffen wurde, daß sich drei aus der historischen Abfolge der Ereignisse abzuleitende Themen-komplexe ergeben: 1. Diskriminierung der Juden im Dritten Reich bis 1938 (. Reichskristallnacht ). 2. Das Problem Verfolgung und . Untertauchen' im Dritten Reich und in Holland. 3. Die Vernichtungslager und die Vernichtung selbst."

Biehls positive Bilanz im Hinblick auf das Thema Holocaust wird relativiert durch die Problematik, daß auch die Lesebücher über den Holocaust hinaus zumeist nur unzureichende Informationen über die Juden liefern, so daß für die Schüler die Frage unbeantwortet bleibt, wer diese Juden waren, die in der NS-Zeit vernichtet wurden.

Wie am Ende des ersten Teils muß auch abschließend gefordert werden: Die positive Entwicklung der Darstellung des Holocaust in Schulbüchern in der Bundesrepublik Deutschland muß weitergeführt und im Unterricht fruchtbar gemacht werden. Wir nennen drei Forderungen, die erfüllt werden müssen, damit dies geschehen kann: 1. Es darf nicht so weitergehen, daß zukünftige Lehrer das Judentum, den Antisemitismus und den Holocaust heute in der Bundesrepublik Deutschland nur an wenigen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen studieren können, wenn sie das wollen.

An allen deutschen Hochschulen, auf denen Lehrer ausgebildet werden, muß ein Lehrangebot über Juden, Judentum, Antisemitismus, Holocaust und Israel sichergestellt werden. 2. Historiker, Politikwissenschaftler und Theologen in der Bundesrepublik Deutschland müssen das Judentum und seine Beziehung zum Christentum, seine Geschichte, den Antisemitismus, den Holocaust und den Staat Israel intensiver erforschen, damit sie den Schulbuchautoren, Studenten und Lehrern bessere Informationen darüber geben können. 3. Es muß so schnell wie möglich eine deutsch-israelische Schulbuchkommission eingerichtet werden. Diese soll die Schulbücher beider Staaten intensiv erforschen und Maßnahmen zur gegenseitigen Darstellung empfehlen, wie dies bereits z. B. von der deutsch-französischen und der deutsch-polnischen Schulbuchkommission getan worden ist. Mit der Einrichtung dieser bilateralen Schulbuchkommission darf keinesfalls bis zum Zustandekommen eines umfassenden Kulturabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel gewartet werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vortrag auf dem ersten deutsch-israelischen Symposion vom 18. bis 20. September 1978 in Bonn.

  2. Siehe E. Horst Schallenberger/Gerd Stein, Juden, 'Judentum und Staat Israel in deutschen Schulbüchern, in: Lebendiges Zeugnis, Band: Judentum und Christentum, 32. Jahrgang, Heft 1/2 Februar 1977, Paderborn 1977, S. 44— 51.

  3. Ich verwende hier meistens diesen Begriff für die Verfolgung der Juden zwischen 1933 und 1945. Er stammt von Eli Wiesel und ist dem Alten Testament entnommen, wo er Ganzopfer oder Brandopfer bedeutet — vor allem in Gen 22, 2. Dieser lateiIn

  4. Als Grundlage für meinen Bericht diente mir ein Vortrag von E. Horst Schallenberger, der überarbeitet unter dem Titel „Zur Darstellung der Schoah im deutschen Schulbuch der Gegenwart“ in der Tribüne erschien: Tribüne, Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, 17. Jahrgang, Heft 67, S. 33— 59.

  5. Schoah ist das hebräische Wort für die Vernichtung der europäischen Judenheit von 1933 bis 1945.

  6. Diese Formulierung stammt von dem jüdischen Schriftsteller Eli Wiesel.

  7. Siehe Heinz Kremers, Solidarität mit dem Volk Jesu. Das Judentum im evangelischen Religionsunterricht, in: Lutherische Monatshefte, 17. Jahrgang, Heft 6, Juni 1978, S. 329— 332, und die dort genannte Literatur; demnächst erscheint in der Festschrift für Schalom Ben Chorin, „Israel", hrsg. von G. Müller, der Aufsatz: Heinz Kremers, Die Juden im christlichen Religionsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945, in dem auch die katholische religionspädagogische Literatur aufgearbeitet ist.

  8. Heinz Kremers, Das Judentum im evangelischen Religionsunterricht. Lehrplananalysen und Vorschläge, in: Judentum im christlichen Religionsunterricht, hrsg. von H. Kallenbach und W. Schemel, Heft 93 der Schriften der Evangelischen Akademie in Hessen und Nassau, Frankfurt 1972, S. 46— 79.

  9. Darauf haben in der Diskussion nach meinem Vortrag mit Recht die israelischen Kollegen hingewiesen: In den Schulbüchern für den Geschichts-und Religionsunterricht klafft eine gefährliche Informationslücke über das Judentum in der Zeit zwischen 70 n. Chr. und der Neuzeit. Geisterhaft und unerwartet tauchen darum die Juden aus dem Nichts in der Neuzeit wieder auf: Woher kommen sie? Wo waren sie so lange? Ja, es kann der Eindruck entstehen, die Juden der NS-Zeit seien die unmittelbaren Nachfahren der Juden der Antike. Das kann zu dem entsetzlichen Kurzschluß führen — und hat dazu geführt!: Die Juden, die Christus kreuzigten, wurden in der NS-Zeit selbst umgebracht.

  10. Siehe Anmerkung 4 und die in dem dort genannten Aufsatz aufgeführte Literatur. Siehe auch: Rainer Riemenschneider, Die Judenverfolgung im Dritten Reich. Eine Dokumentation aus westdeutschen Geschichtsbüchern unseres Jahrzehnts, Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuch-forschung, Braunschweig 1977. Riemenschneider zeigt, daß sich die Darstellung der Verfolgung der den Juden in der NS-Zeit „in westdeutschen Geschichtslehrbüchern unseres Jahrzehnts in einer für die politische Bildung positiven Weise erheblich geändert hat. Die Darstellung der Lage der Juden im Dritten Reich hat sowohl quantitativ als auch qualitativ einen vergleichsweise höheren Stellenwert als in früheren Jahren erhalten" (S. 1).

  11. Jürgen Biehl, Die Darstellung der Juden und des Judentums in neueren Lesebüchern der Bundesrepublik Deutschland — Eine inhaltsanalytische Studie, erscheint demnächst in: E. Horst Schallenberger, Zur Sache Schulbuch, Bd. 9, Ratingen-Kastelaun.

  12. E. Krippendorff, Erziehungswesen und Judentum, hrsg. vom Verband der Deutschen Studentenschaften, München 1960, S. 75 f.

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Heinz Kremers, Dr. theol., geb. 1926, Professor für Evangelische Theologie und ihre Didaktik (Lehrgebiet: Bibelwissenschaft) an der Gesamthochschule Duisburg; Leiter des Forschungsschwerpunkts „Geschichte und Religion des jüdischen Volkes" an dieser Hochschule; Präsidiumsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Mitbegründer der christlichen Siedlung „Nes Ammim" in Israel. Veröffentlichung zahlreicher Aufsätze zur Bibelwissenschaft, mehrerer Bücher und Aufsätze zur Beziehung Judentum-Christentum.