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Wachstum, Energie und Klima | APuZ 6/1980 | bpb.de

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APuZ 6/1980 Wachstum, Energie und Klima Erdöl und Sicherheit. Zur westlichen Energiepolitik nach der „zweiten Energiekrise"

Wachstum, Energie und Klima

Otto Ulrich

/ 36 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Wachstumspolitik hat sich längst zu einem übergreifenden Politikfeld entwickelt, dem sich zahlreiche Fachpolitiken zuzuordnen haben. Ganz besonders gilt dies für die Energiepoliük. „Mehr Wachstum braucht mehr Energie" — das ist die offizielle Begründung zum langfristigen Ausbau eines „harten" Energieversorgungssystems. Dabei soll der forcierte Einsatz von Kohle-und Kernenergie die Abhängigkeit vom ausländischen Rohöl mindern und Energie-einsparung die Politik des „Weg-vom-Ol" unterstützen, um gleichzeitig aber auch als „neue Energiequelle" zu dienen. Bei der über Kohle-und Kernkraftwerke laufenden großtechnologischen Installation der Wachstums-Energie-Formel werden jedoch die neueren Ergebnisse der wirtschaftstheoretischen Diskussion vernachlässigt, übersehen werden außerdem die indirekten und direkten Wärmebelastungseffekte der Erdatmosphäre sowohl fossiler als auch nuklearer Energieträger. Bislang werden auch die politischen Konsequenzen des industriellen Wachstums („grüne Parteien", Anti-Wachstums-Wille etc.) noch nicht zureichend als Folge eigener „ökologischer Defizite" begriffen. Vor dem Hintergrund objektiver Wachstumszwänge, marktökonomischer Bedingungen und der entwickelten großtechnisch-industriellen Produktionsweise wird die staatliche Strategie zur Energieeinsparung untersucht. Von besonderem Interesse ist dabei, ob die wachstumskonforme . Technologisierung'der Energieeinsparung die sich weiterentwikkelnde Wärmeverschmutzung der Atmosphäre verhindern kann. Dabei wird sich zeigen, daß Energieeinsparung noch vor ihrem eigentlichen, qualitativen Sprung steht. Nicht „Energieeinsparung bei fortgesetztem Wachstum", sondern „Energieeinsparung zur Reduzierung der Kohlendioxyd-Emission“ sollte Thema der nächsten Jahre werden.

I. Politische Parteien und ökologische Defizite

Tabelle 3 Quelle: Meyer-Abich 1973, S. 182.

großen politischen Parteien in der Bunsrepublik Deutschland orientieren sich in en programmatischen Grundwertevorssteligen an den Ansprüchen der Aufklärung. e Umsetzung dieser Ziele durch Reformen 3. in der Bildungs-, in der Sozialpolitik setzt und da sind sich alle Parteien einig — entrechende Zuwachsraten am verteilungsfä-zen Steueraufkommen voraus. Ein Kennzeien demokratisch organisierter Gesellschafi ist deshalb auch die stetige Kontroverse i eine optimale Steigerung der später dann verteilenden Zuwachsraten des Bruttosozioroduktes. Die politischen Institutionen sind n daher auch auf die Organisation dieses irteilungskampfes sowie — seitdem Wachs-m ein eigenes Politikfeld wurde — auf Sierung weiteren Wachstums ausgerichtet. Es wundert deshalb nicht, daß den tendenziell it weiterem Industriewachstum zunehmen-n Risiken, sei es z. B. in der Energiewirthaft, in der Chemieindustrie, ein Defizit in r politischen Programmatik entspricht. merkenswertes Anzeichen dafür ist, daß : h, ausgehend von den Umweltrisiken des oßtechnologischen Industrialisierungsprosses, aber jenseits der offiziellen Meinungsid Willensbildung, ein mit klassischen Meöden anscheinend nicht mehr integrierbarer egenwille formiert und formuliert Wachnde Zukunftsangst ist die Grundmotivation eser . Alternativ-bzw. Ökologie-Bewegung", e sich mehr und mehr in „grünen" Parteien ganisiert und so in den demokratischen ettbewerb mit den etablierten Parteien tritt, ffensichtlich ist, daß der bislang noch unge-ochen zunehmende , Anti-Wachstums-Wil(Wachstum verstanden als großtechnisch «tretendes Industriewachstum) von größer erdenden Teilen der Bevölkerung getragen id und durch jede auf der konventionellen, ten Wachstumslinie liegenden politischen ttscheidung in der Artikulation ihres Gegenens bestärkt wird.

0hist es nicht deutlich, aber es könnte sein, " sich aus der Okologiebewegung eine soziale Bewegung entwickelt. Waren bis heute die Forderungen nach sozioökonomischer Erfüllung der hohen Ziele der politischen Aufklärung Grundlage für die Gewerkschaften INHALT I. Politische Parteien und ökologische Defizite II. Wachstumsziele und langfristige Energieprognosen

III. Klimasystem und Energiezufuhr Klima-Risiken durch Kohlendioxyd 2. Die thermodynamischen Gesetze und ihre Bedeutung für das Klima 3. Folgen möglicher Klimaänderungen 4. Kernenergie als Alternative?

IV. Energieeinsparung als Vermeidungsstrategie

1. Zum Stand der internationalen Diskussion 2. Energieeinsparung und industrielle Technik V. Ausblick und die Parteien, so scheint die Ökologiebewegung in der Ausrichtung auf die „ökologische Aufklärung“ dort ihren inhaltlich-motivierenden Zusammenhalt bzw. ihren Willen zum Widerstand gegen alte Wachstumsmuster zu gewinnen.

Ein harmonisches Verhältnis zwischen Natur-Technik-Mensch 1) soll in einer „Gleichgewichtsgesellschaft“ auch nachfolgenden Generationen das Leben auf dieser endlichen Erde ermöglichen — das dürfte die Kernthese dieser „Alternativler" sein. „War es bisher die Verfassungsordnung einerseits oder die Wirtschaftsordnung andererseits, welche ... über das Gute und Böse, das Recht oder Unrecht ei-ner konkreten Politik urteilte, so ist es heute vor allem die neue Meßlatte'einer . ökologisch-humanen Lebensordnung'.'' Mit der ökologischen Aufklärung tritt eine neue Werteordnung an die Stelle konventioneller Wachstumsorientierungen. Der bisher vor allem am technischen Fortschritts-und Wachstumsgedanken orientierte Staat sieht sich plötzlich wegen der kaum berücksichtigten Aus-und Nebenwirkungen seiner fast nur quantitativ bewertbarn Erfolge von einer wachsenden Minderheit umweltbewußter Bürger auf die Anklagebank versetzt.

Thematisiert werden plötzlich die ökologischen Defizite einer bislang im Prinzip tatsächlich schmalen Betrachtungsweise von Wirtschaftswachstum im allgemeinen und von Großtechnik und deren Auswirkungen auf Mensch und Natur im besonderen. Zugespitzt auf das hier zur Diskussion stehende Thema „Energie und Klima" heißt dies: Während es zahllose Publikationen, Studien etc. zum Zusammenhang von Wachstum und Energie gibt, werden dagegen die klimatischen Auswirkungen eines weiterhin exponentiell ansteigenden Weltenergieumsatzes nicht mit ähnlicher Intensität in den Formulierungen für eine langfristige, wachstumssichernde Energiepolitik berücksichtigt.

Dieses Defizit — welches bislang auch ein programmatisches Defizit der etablierten politischen Parteien ist — soll Gegenstand und Ziel dieser Untersuchung sein.

Auf der Grundlage amerikanischer und deutscher Literatur soll das Thema „Wärmeverschmutzung der Atmosphäre und deren ökologische Risiken“ umrissen und bezüglich der besonderen — weil aktuellen — Brisanz des* Kohlendioxyd-Problems konkretisiert we den. Geprüft werden muß aber anhand de Fachliteratur darüber hinaus die Frage, obdi thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten e gestatten, der vielfach vorausgesagten „Klim: Katastrophe", verursacht durch die Verbre nung fossiler Brennstoffe, durch einen Austs der Kernenergie zu entgehen. Nach Erörte rung der durch unkontrollierten Verbraud fossiler Brennstoffe erzeugten Zunahme de Kohlendioxydgehaltes der Luft soll ein ü besonders breit (d. h. auch weltweit) und intet siv diskutierter Ansatz in der Energiepolit auf tragende Prinzipien, Strukturen und bl halte hin untersucht werden: die Energieen sparung. Die Analyse verschiedener Ansäta zur Energieeinsparung dient im Kontext de aufzuzeigenden Klimarisiken dazu, erste An Worten auf eine zentrale Frage vor allem de nächsten Jahre abzustecken, nämlich wiewe und mit welchen Konsequenzen es den marl gesteuerten Industriesystemen gelingen kn durch Realisierung der heute diskutierti wachstumskonformen Vorschläge zur Ent gieeinsparung die für den Beginn des nk sten Jahrhunderts vielfach prognostizier Veräpderung des Weltklimas zu verbinde'bzw. zu verzögern.

Dieses Analyseziel bestimmt die Vorgehen weise. Im folgenden wird knapp eine Progwdes Weltenergieumsatzes bis zum Jahre 20 vorgestellt, um daran anschließend durcheil Auswertung der Fachliteratur zum Thez . Energie und Klima'zu einer Ergebnisabschi zung hinsichtlich der klimatischen Risikend weltweit eingeschlagenen fossilen und t klearen Energiestrategien zu kommen. D: neue Politikfeld der Energieeinsparung w dann auf seine Lösungskompetenz bezügi „ökologischer Herausforderungen“ analysisr um abschließend zu einer Gesamtbewertu der Ausgangsfrage zu kommen.

II. Wachstumsziele und langfristige Energieprognosen

Die Sicherung der langfristigen Energie verorgung bestimmt die neuerdings wieder aufebrochene hektische Diskussion um Energie -und dies in allen Industriestaaten der Veit.

Die jüngsten OPEC-Beschlüsse, den ölpreis rneut anzuheben, stellen für die Stabilität der essourcen-und energieintensiv wirtschaftenlen und vorerst vom Öl weiterhin abhängigen Neltökonomie eine ernste Herausforderung lar. Erschwerend kommt hinzu, daß der „Energiebedarf" als eine ausschließlich von technoogischen Bedingungen bestimmte Größe an-zesehen wird, die'eindeutig mit einer beitimmten Menge von Produktion und Konsum rerbunden ist. Dabei wird oft die jedem ökoiomen selbstverständliche Substituierbarkeit ran Energie, Arbeitsleistung, Kapital und Rohstoffen übersehen. Eine solche unelastische Betrachtungsweise verhindert eine notweniige „Rationalisierung im Energieumsatz" bzw. nuß diese von vornherein als sinnlos ablehren oder erschweren, soweit nur minimale reiserhöhungsspielräume zu nutzen sind. ^nergieeinsparung beigleichzeitiger Versteti]ung weiteren Wirtschaftswachstums wird ioch erhebliche Umsetzungsprobleme sowohl deologischer, verhaltensmäßiger, politischer, Monomischer, finanzieller und ingenieurwis'•enschaftlicher Art aufwerfen. Grundsätzlich ilt aber: Der Preisschock von 1973 und der narezu exakt fünf Jahre später erfolgte zweite chock liefern die politische Legitimation zur ormulierung vor allem staatlicher Energieeinsparstrategien. „Energieeinsparung als Energiequelle wird wohl für die nächsten Jahre zur Grundlage staatlichen und industriellen Wirtschaftens werden. Der haushälterische Umgang mit Energie soll aber andererseits bis auf weiteres mit einem stetig steigenden Energieumsatzniveau verbunden sein. Dieser Grundsatz wird für die weitere Analyse von zentraler Bedeutung sein.

Alle nationalen und internationalen Energie„verbrauchs" -prognosen unterstellen wirtschaftliches Wachstum als Ziel der Wirtschaftspolitik. Gleichgültig, wie langfristig die Prognosezeiträume sein mögen, stets wird — bei gleichzeitigem Bestreben, Energie einzusparen — mit einem wachsenden Anstieg des Energieeinsatzes gerechnet. Tabelle 1 vermittelt einen Überblick, wie sich nach Ansicht der Bundesregierung der „Weltenergieverbrauch" von 1975 bis zum Jahre 2000 verändern wird.

Tabelle 1 Voraussichtliche Entwicklung des Weltenergiebedarfs nach Energieträgern in Mrd. t SKE (Steinkohleeinheiten)

-------------1975 % 2000 % Feste Brennstoffe Mineralöl 2, 5 (30, 0) 5, 0 (28, 0)

3, 6 (43, 5) 6, 1 (34, 0) Gase 1, 7 (20, 5) 3, 0 (16, 8)

timärelektrizität einschließlich sonstiger Energieträger 0, 5 (6, 0) 3, 8 (21, 2)'——_____ 8, 3 (100 ) 17, 9 (100 )

le: Informationsanlage der Zweiten Fortschreibung des Energieprogramms. Vgl. Bundestags-DruckSache 8/1357, 12 ff. Tabelle 2 Struktur des Primärenergieverbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland in Mio t SKE 1975 % 2000 % Mineralöl 181, 0 (52, 1) 162 (27, 0 Steinkohle 66, 5 (19. 1) 102 (17, 0 Braunkohle 34, 4 (9, 9) 38 (6, 5 Erdgas 48, 7 (14, 0) 97 (16, 0 Kernenergie 7, 1 (2, 0) 163 (27, 0 Sonstige 10, 0 (2, 9) 38 (6, 5 347, 7 (100 ) 600 (100 Quelle: Informationsanlage der Zweiten Fortschreibung des Energieprogramms, a. a. O.

In ihren „Perspektiven für den Energieverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland bis 2000" kommen die im Auftrage der Bundesregierung tätig gewordenen Institute — das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung und das Energiewirtschaftliche Institut — zu folgenden Aussagen, wobei sie davon ausgehen, daß das Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum 1985 bis 2000 durchschnittlich drei Prozent pro Jahr betragen wird.

Die wichtigsten Ergebnisse der Tabellen sind:

— Der geschätzte ölanteil sinkt in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur relativ auf Das Klima der Erde entsteht im Zusammenspiel von Atmosphäre, Ozean, Eis und Schnee, dem Erdboden und der Vegetation. Jede Komponente für sich betrachtet verhält sich anders und verändert sich nach unterschiedlichen Zeitkonstanten, die zwischen wenigen Tagen und 100 000 Jahren liegen können. Dieses führt dazu, daß das erdumspannende . klimatische System'von zahlreichen, meist nicht-linearen Wechselwirkungen bestimmt wird, die darüber hinaus noch durch sich wandelnde Intensitäten verbunden sind. Diese Komplexität hat die für die weitere Betrachtung entscheidende Konsequenz, daß Klimaschwankungen 27 %, sondern der Ölverbrauch verminde sich gegenüber 1975 auch absolut um ru 10 %.

— Der Anteil der Steinkohle soll bis 2000 66 % gegenüber 1975 gesteigert werden. — öl und Kernenergie werden im Jahre 201 den gleichen Anteil von 27 haben.

— Die nationale Energieprognose spiegeltde Veränderungsdruck der weltweiten Energie: tuation wider.

Eine Abschätzung der Auswirkungen dies Energieszenarien auf das „atmosphärisc ozeanische System" der Erde soll anschließer auf der Grundlage einer Analyse der intern tionalen Fachliteratur zum Thema „Energ und Klima" vorgenommen werden.

III. Klimasystem und Energiezufuh

selbst von nur einem Grad Celsius sehr grol Auswirkungen haben, wie sich klimagt schichtlich nachweisen läßt.

Die möglicherweise negative Beeinflusst dieses sensitiven Zusammenspiels im S 085 nannten — . atmosphärisch-ozeanisch^ System'durch Zufuhr zusätzlicher, dur menschliche Aktivitäten erzeugter Wär soll hier untersucht werden.

Unterschieden wird dabei zwischen indirek und direkter Wärmezufuhr. Kurzfristig, mindestens für die heute schon Gehöret scheint die indirekte Wärmebelastung "

Klimarisiken durch Kohlendioxyd limasystems durch noch steigende Verbren-ng fossiler Brennstoffe (Kohle, Gas, Erdöl) n zentraler Bedeutung zu werden. Die dickte Wärmezufuhr begründet sich daraus, iß jede Energieform, gleichgültig ob z. B. ohle-

oder Kernenergie, nach dem II. Hauptitz der Thermodynamik sich stets in Wärme mwandelt und den natürlich vorhandenen nergiehaushalt des Systems Erde und Atmo-phäre belastet Beide sich grundsätzlich adierende Wärmebelastungen des Klimasyems müssen dargestellt werden.

He möglichen Erwärmungseffekte der Atmophäre durch Staubverschmutzungen, der Ab-au des zur künstlichen Verbrennung notwenigen freien Sauerstoffs, die Ozonschichtzertörung durch „Sprays" werden im folgenden ernachlässigt. Auch der Vegetationsbeitrag um globalen Kohlenstoffkreislauf (, Abholzen er Urwälder") wird hier nicht weiter verfolgt, veil die gesamte Vegetation nur ein Zehntel er Kohlenstoffmasse der noch vorhandenen ossilen Brennstoffe (also öl, Gas, Kohle) aus-nacht. eit den fünfziger Jahren wird auf Hawaii, in ler Antarktis, in Skandinavien und an andeen Stellen der Erde pro Jahr ein kontinuierli-her Anstieg des Kohlendioxydgehaltes der Atmosphäre von zwei bis drei Promille gemes•en. Dieser empirische Nachweis ist zentraler Husgangspunkt der in letzter Zeit auch in der Öffentlichkeit geführten Diskussion über eine mögliche, in wenigen Jahrzehnten zu erwarende .. Klima-Katastrophe" infolge der ener? ieverbrauchenden industriegesellschaftli-en Aktivitäten des Menschen.

™Se Diskussion geht davon aus, daß im Jahre oder Kohlendioxydgehalt der Atmosphäre Teile pro Millionen Teile (ppm = parts per m ion) betrug. Seit 1958 hat die Konzentra10n des Kohlendioxyds in der Luft von 314 ppm auf 334 ppm im Jahre 1979 zugenommen Berechtigte Frage bleibt aber vorerst, warum die Zunahme von Kohlendioxyd in der Atmosphäre ein Risiko für das globale Weltklima darstellt und von welchem Kohlendioxydgehalt an eine mögliche Risikoschwelle erreicht ist und wann dies der Fall sein könnte. „Kohlendioxyd entsteht bei der Verwertung aller fossiler Energieträger. Sein Einfluß auf das Klima besteht darin, daß es zum großen Teil in der Atmosphäre akkumuliert wird und dort für die von der Sonne einfallende Strahlung so gut wie durchlässig ist, für die von der Erde zurückgehende Strahlung dagegen nicht. Dieselbe Eigenschaft hat Wasserdampf. Das Vorhandensein von Kohlendioxyd und Wasserdampf in der Atmosphäre führt also zu einer Wärmeansammlung, besonders in der unteren Atmosphäre (sog. Treibhauseffekt). Das System Erde und Atmosphäre nimmt aus der zugestrahlten Sonnenenergie 232 Watt pro m 2 (Wm— 2) auf. Hätte die Erde keine Atmosphäre, würde aber genausoviel Energie aufnehmen, hätte also den gleichen Reflexionsgrad (Albedo), so hätte sie eine mittlere Oberflächentemperatur von 23 Kelvin = 20 Celsius. Im Normalzustand besteht ein Gleichgewicht zwischen Kohlendioxyd-Produktion und -Absorption. Durch den Anstieg der Energieproduktion aus fossilen Energieträgern verschiebt sich das Gleichgewicht und es ergibt sich eine CO 2-Anreicherung in der Atmosphäre.“

Kritische Vergleiche aller bisherigen Einzel-rechnungen zeigen, daß bei einer Verdoppelung des Kohlendioxydgehaltes mit einer primären Temperaturerhöhung der Erdatmosphäre von 1, 5 bis 3 Grad gerechnet werden muß Die Gefahr der Aufheizung ist also zunächst bestimmt durch die Menge Kohlendioxyd, die sich in der Atmosphäre anstaut, und hängt dann entscheidend von der Geschwindigkeit ihrer Ableitung ab. Bei einem Vergleich zwischen den der Atmosphäre zugeführten Gas-mengen und dem tatsächlichen Zuwachs zeigt sich, daß nur 35 Prozent der Zufuhr in der Atmosphäre verblieben sind, der Rest von 65 Prozent muß im Ozean „untergebracht" worden sein

Diese Annahme ist allerdings von grundsätzlicher Bedeutung für den zukünftigen atmosphärischen Kohlendioxydanstieg. Es verwundert nicht, daß zur Klärung dieser Frage weltweit enorme Forschungsaktivitäten entwikkelt werden. Eine Schlüsselrolle bei den Untersuchungen nimmt dabei die Biosphäre ein. Wie letztlich reagiert sie auf eine Erhöhung des Kohlendioxydgehaltes? Ist die Biosphäre im Augenblick eine Quelle oder eine Senke zusätzlich zu dem durch die Verbrennung von Kohle und Erdöl produzierten Kohlendioxyd? Diese Frage zielt auf das komplexe System des Kohlenstoffkreislaufes mit seinen wichtigen Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Weltmeeren, Tiefsee, Biosphäre und menschlichen Aktivitäten. Zwar ist über das Funktionieren der einzelnen Teilsysteme inzwischen viel bekannt, doch sind die Aussagen über die vielschichtigen Verflechtungen und Rückkopplungen zum Teil widersprüchlich und umstritten.

Obwohl also die Rolle des Meeres im Kohlendioxydkreislauf noch ungeklärt ist, geht die Tendenz vieler Aussagen dahin, daß „mit Nachdruck darauf hingewiesen werden muß, daß ...der steigende Verbrauch fossiler Brennstoffe risikoreich ist" C. F. v. Weizsäkker ist der festen Überzeugung, daß nach den „besten heutigen geoklimatischen Schätzungen zu vermuten ist, daß die Kohlendioxyd-Erzeugung ... Klimaänderungen bewirken wird, deren politische Rückwirkungen vielleicht nicht geringer sein werden als diejenigen großer Kriege“

Wann aber ist der kritische Zeitpunkt erreicht, an dem ein „Durchbrechen“ der durchschnittlichen globalen Klimaschwankungen beschleunigenden hin zu sich Raten des atmosphärischen Temperaturanstiegs zu erwarten ist?

Schon vom Jahre 2000 an muß — eben infol weltweit anhaltenden und vor allem steige den Umsatzes an bislang fossil gebunden Energie — mit einer Aufwärmung der durd schnittlichen globalen Jahrestemperatur g rechnet werden, die weit über der Durd Schnittstemperatur der letzten 1000 Jahrelii gen wird. Diese Entwicklung ist schlagart nicht mehr zu bremsen, auch wenn eine Red zierung der Verbrennung fossiler Stoffe zur Programm erhoben würde —was bislangnid in Aussicht steht. Zwar hat es schon in de vergangenen 30 Jahren Erwärmungsefiekt durch ansteigende Kohlendioxydkonzentn tion gegeben, die aber infolge einer natür chen Klimaschwankung in Richtung Abkül lung kompensiert wurden. Aber diese Kor pensation kann nicht mehr lange anhalte: weil der rapide Anstieg der Kohlendioxy konzentration sich durchsetzt und der natür ehe klimatische Abkühlungstrend ausläuft'Alle Prognosen stimmen darin überein, daß dem Zeitraum der Jahre 2020 bis 2040 durch menschliche energiewirtschaftliche A tivitäten herbeigeführte Verdoppelung de Kohlenstoffdioxydkonzentration gegenübt dem Ende des vorigen Jahrhunderts erreid sein wird.

formulis In Konsequenz dieser Ergebnisse denn z. B. auch der Umweltbericht 77 derß Regierung die zu erwartende Entwicklung» folgt:

fuelsi „If we use up the world's Stores of fossil a rapid rate, the prepicted CO 2 level " double by 2025 (...). A doubling of the COtk vel could cause a 2— 3 C increase in avera atmospheric temperatures. A possible 2— 3 average temperature increase must be loote upon as a major global environmental th® — global temperature over the past seven thousand years have never fluctuatedbym 1 than about 1° C“

Auch die Regierung der Bundesrepub Deutschland ist aktiv geworden. So hält es C Bundeskabinett für erforderlich, „die Aus» kungen von Kohlendioxyd-Wolken auf C globale Klima bei den langfristigen energiE litischen Entscheidungen zu beachten• Ausschuß „Klimaforschung" soll im nächst Jahrzehnt die „klimatischen Konsequenzen des Verbrauchs fossiler Brennstoffe klären“

2. Die thermodynamischen Gesetze und ihre Bedeutung für das Klima Zuvor wurde die indirekte Wärmebelastung des Klimasystems durch einen anthropogenen Kohlendioxyd-Mantel in der Atmosphäre dargestellt. Hingewiesen wurde auch auf die vergleichsweise kurzen Zeitspannen — gemessen an ökologischen Zeitmaßstäben —, nach deren Ablauf eine weiter steigende Emission von Kohlendioxyd zu nicht umkehrbaren Aufheizungseffekten des Systems Erde und Atmosphäre führt. Später werden die möglichen Auswirkungen solcher künstlich erzeugter Klimaveränderungen aufzuzeigen sein.

Um aber die Diskussion über „Energie und Klima“ zu vervollständigen, muß das Interesse auch auf die direkte Wärmebelastung der Atmosphäre gerichtet werden. Hierbei gilt — wie schon angedeutet — der Grundsatz, daß jede Bearbeitung und Verformung von Material Energie erfordert, die anschließend als Wärme in die Umwelt übergeht. Erfaßt wird damit z. B. die unvermeidliche Abwärme von Wärmekraftwerken ebenso wie — nach dem H. Hauptsatz der Thermodynamik — die als Wärme an die Umwelt abstrahlende „verlorene Antriebsenergie beliebiger Maschinen.

Aus dem physikalischen Grundsatz, daß Energie — gleichgültig, ob Kohle-oder Kernener816 — nicht verloren gehen kann, sondern letztlich in Wärme umgewandelt in die Atmosphäre abstrahlt, erhält die direkte Wärmezufuhr ihre Bedeutung.

•Wo auch immer Energie eingesetzt wird, sei es zur Heizung oder zur Kühlung, zur Beleuch-

tung, Fortbewegung oder Nachrichtenübertragung, in jedem Falle geht fast der gesamte jergieeinsatz nach kurzer Zeit als Wärme in ‘e Atmosphäre über ... Demnach ist der gesamte Primärenergieeinsatz als Wärmebela-

stung der Umwelt anzusehen."

. m den Einfluß des künstlichen Energieumsa zes auf die Atmosphäre abzuschätzen, muß man ihn mit dem natürlicherweise in der Atmosphäre stattfindenden Energieaustausch vergleichen und die Empfindlichkeit des Systems auf Änderungen der Energiezufuhr untersuchen.

„Natürlicherweise wird das System Erde + Atmosphäre von der Sonne mit 1, 78 x 1014 Kilowatt (kW) bestrahlt und gibt ebensoviel wieder nach außen ab. Kommt noch eine künstliche Energieproduktion hinzu, so wird sich das Gleichgewicht verschieben. Die natürliche Energiezufuhr entspricht, auf die Erdoberfläche verteilt, im Mittel 348 Watt pro m 2. Davon werden 30 Prozent = 104 Wm— sofort reflektiert und 23 Prozent = 80 Wm— von der Atmosphäre absorbiert und wieder abgestrahlt. Die restlichen 47 Prozent = 164 Wm 2 erreichen die Erdoberfläche, ein Drittel des zuletzt genannten Anteils wird direkt wieder abgestrahlt, zwei Drittel werden zunächst durch Konvektion (= Abstrahlung der Vf.) und Verdunstung an die Atmosphäre abgegeben und von dieser abgestrahlt." Wird hierbei jetzt berücksichtigt, daß die mittleren Temperaturen in Eiszeiten und Zwischeneiszeiten (wie der jetzigen) nur um wenige Grad auseinander liegen, könnte „schon eine 1-bis l, 5prozentige Verminderung der Sonneneinstrahlung zu einer neuen Eiszeit führen. Jedenfalls reagieren die klimatischen Verhältnisse sehr empfindlich auf Temperaturänderungen." Das aber wiederum heißt: „Sowie die künstliche Energieproduktion auf der Erde die Größenordnung einiger Prozent der Sonnenenergiezufuhr erreicht, ist mit voraussichtlich nicht akzeptablen Änderungen der klimatischen Verhältnisse zu rechnen."

Zu Recht stellt sich erneut die Frage, nach wieviel Jahren bei einer erfolgreichen Durchsetzung der derzeit nationalen Wachstums-vorstellungen mit kritisch werdenden Klimaänderungen durch direkte Erwärmung infolge des Energieumsatzes zu rechnen ist, oder genauer, wann die künstliche Energieproduktion in den verschiedenen Bereichen insgesamt 1 Prozent der Sonnenenergie erreicht hat.

Nach Meyer-Abich handelt es sich nach derzeitigem Wissen vermutlich noch nicht um die endgültige Grenze, jedoch um das Eintreten in denjenigen Bereich, in dem die fraglichen Effekte global fühlbar zu werden beginnen. Die endgültige Grenze dürfte bei einer Freisetzung von 5 % der Sonnenenergiezufuhr liegen. Tabelle 3 zeigt, daß über einem industriellen Ballungsgebiet wie dem Ruhrgebiet das Verhältnis von Energieverbrauch pro Fläche zur mittleren Sonnenenergiezufuhr (Sp. 2, 3) 1970 schon bei 10 Prozent lag, also weit über den als zulässig anerkannten Werten anthropogener Energiezufuhr an das System Erde und Atmosphäre. In Spalte 6 befinden sich die angegebenen Zeitspannen bis zum Erreichen der 1 Prozent-Schwelle. Diese Grenzgröße sollte mit dem fortgeschriebenen Energieumsatzniveau von 1970 in 95 Jahren erreicht sein. Diese Zahl steht für die gesamte Abstrahlleistung der Erdoberfläche. Bezogen auf das Festland verbleibt hier ein Zeitraum von 75 Jahren, während über Ballungszentren die klimatisch zulässige Grenze der Abstrahlungswärme längst überschritten ist.

3. Folgen möglicher Klimaveränderungen

Die obige Diskussion hat erbracht, daß es eine absolute Grenze für die Fähigkeit der Erde gibt, den Prozeß der Industrialisierung zu ertragen oder zu tolerieren. Die Grenze des energieintensiven industriellen Wachstums von heute ist von der Toleranz der Ökosphäre für die Absorption von Wärme abhängig. Der verbleibende Zeitraum zum Handeln ist nicht so groß, wie vielfach angenommen wird, denn: „Nimmt man einmal an, aus dem kritischen Intervall von 50— 150 Jahren würde sich bei genauerer Untersuchung eine Frist von 100 Jahren ergeben, über die hinaus das derzeitige Wachstum aus naturgesetzlichen Gründen (II. Hauptsatz der Thermodynamik) keinesfalls andauern darf, so heißt das zunächst nicht, daß wir noch 100 Jahre so weitermachen dürfen Denn wenn eine so einschneidende Änderung wie der Verzicht auf die bisher angestrebte Form des Wirtschaftswachstums in 100 Jahren vollzogen sein soll, bedeutet das, daß bereitsin den nächsten Jahrzehnten grundlegende wirtschaftliche Wandlungen herbeigeführt werden müssen, um die Entwicklung rechtzeitig von einer Exponentialkurve auf die Sätt gungskurve einzusteuern. 100 Jahre Frist bedeuten 50 Jahre Zeit, um den bestehender Wachstumstrend aufzuheben und etwa 10 bis 20 Jahre Zeit, um die dazu erforderlichen Maßnahmen zu durchdenken und vorzubereiten."

Was werden die Folgen einer Erhöhung den globalen mittleren Temperatur bis zu 3 Grad sein? Der Gaskreislauf in der Natur ist offenbar schon nachhaltig gestört. Während dura den steigenden Einsatz fossiler Brennstof« immer mehr Kohlendioxyd freigesetzt wird verringert sich zugleich durch die Rodung riesiger Waldflächen die „Biomasse", die bei Vorgang der Photosynthese das Kohlendioxy" aus der Luft aufnimmt und den Sauerstoff W der freisetzt. Überdies werden auch die We meere künftig immer weniger Kohlendioxyd absorbieren können, weil die oberen Wasser-schichten mit dem Gas zunehmend gesättigt sind.

In der nördlichen Hemisphäre sind erste Folgen des Kohlendioxydeffekts schon sichtbar. Die Treibeisgrenze — empfindlichster Indikator für die Klimaentwicklung auf der Nord-halbkugel — hatte sich Anfang der 70er Jahre bis an die Nordküste Islands vorgeschoben, seither weicht sie wieder zurück.

Eine Verdoppelung des Kohlendioxydgehalts der Atmosphäre brächte einen Anstieg der Durchschnittstemperatur in den gemäßigten Zonen um drei Grad Celsius mit sich, dazu eine Erhöhung der Niederschläge um 7 Prozent Anfangs würden viele Bewohner der nördlichen Hemisphäre diese Klimaänderung wohl sogar als angenehm empfinden: wärmere Sommer, weniger kalte Winter — besonders in Mitteleuropa —, vielleicht stabileres Wetter als etwa im letzten Sommer. Langfristig jedoch wären die Auswirkungen katastrophal.

Es würden sich beispielsweise die oberen Schichten der Weltmeere erwärmen. Ein Anstieg der Temperatur um durchschnittlich fünf Grad bis in 1 000 Meter Tiefe würde bereits (durch die Ausdehnung des Wassers) den Meerespiegel um einen Meter heben.

Die Erwärmung würde darüber hinaus zu einem weitgehenden Abschmelzen des dünnen Treibeises im Arktischen Meer führen. Die Temperaturen würden zumindest in Polnähe unter dem Gefrierpunkt bleiben und die zusätzliche Feuchtigkeit dort als Schnee niedergehen lassen. Die Dicke des Polareises würde sich beträchtlich erhöhen, und unter dem vorhandenen Druck der Eismassen könnten in der Tiefe gewaltige Blöcke etwa des Eises in der westlichen Antarktis ins Meer gepreßt Werden. Befürchtete Folge: Anstieg des Meeespiegels um etwa sechs Meter. Bei einem Abschmelzen gar der Polkappen „würde sich er Spiegel der Weltmeere um 64 Meter hepn 18) Zugleich aber würden Dürrezonen und usten immer weiter nach Norden und Süen vordringen, riesige Landstriche würden unter der Klimaänderung veröden

Soweit ein knapper Einstieg in die längst vertiefte Diskussion über die Folgen künstlich erzeugter Klimaveränderungen.

Im folgenden muß nun die Frage nach möglichen Vermeidungsstrategien gestellt und näher untersucht werden. Zunächst geht es um die Alternative Kernenergie später um das große Thema „Energieeinsparung". Auf die Spekulation, ob sich die Menschheit den Auswirkungen einer Kohlendioxydzunahme anzupassen vermag, wird hier nicht weiter eingegangen. Stellt der globale Ausbau von Kernenergie eine realistische Strategie zur Verhinderung der aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern sich entwickelnden Klimaveränderung dar? 4. Kernenergie als Alternative?

Die den Energieprognosen zugrunde liegende Auffassung, daß „auch bei konsequentem Energiesparen in der Zukunft mit einem Anstieg des Endenergieverbrauches zu rechnen ist“ führt vielfach dazu, daß angesichts des skizzierten Klimarisikos das Argument vertreten wird, nur die Kernenergie könne eine Alternative zu dieser gefährlichen Entwicklung sein. Man müsse also infolge der fossil bedingten Wärmeverschmutzung verstärkt die geplanten und noch weitere Kernkraftwerke realisieren. Ziel ist es, ab 1990— 1995 den fossilen Primärenergieanteil am Gesamtenergie-umsatz mindestens zu stabilisieren.

Ist die Umstellung auf Kernenergie in der langfristigen energiepolitischen Perspektive eine realistische Alternative? Sind die damit einhergehenden Zwänge und Folgeprobleme nicht vielleicht genauso folgenschwer einzuschätzen wie das indirekte Klimarisiko infolge des weiteren Festhaltens an steigenden Umsätzen fossiler Energien? Erweist sich etwa Kernenergie aus thermodynamischen Gründen als Scheinalternative?

Grundsätzlich gilt natürlich auch hier der II. Hauptsatz der Thermodynamik: Die Tatsache, daß Energie sich letztlich in abstrahlende Wärme umwandelt und den engen, ökologisch vorgegebenen Toleranzbereich von 1 bis 3 Grad zunehmend auffüllt, stellt — auch für die Kernenergie — eine nicht hintergehbare Grenze dar, wie oben dargelegt wurde.

Trotz dieser unbestreitbaren generellen Aussage ist der Bundesregierung darin zuzustimmen, daß „hinsichtlich einer allgemeinen Feststellung der Gefahren des Einsatzes verschiedener Energierohstoffe (für die Atmosphäre — d. Vf.) zur Zeit noch kein überzeugender Ansatz für Definition und Risikovergleich ... möglich ist. Notwendig ist die Entwicklung einer Methodik für den bewertenden Vergleich einzelner Energiesysteme, anderenfalls wären Risiko-Vergleiche zu wenig aussagekräftig, um als Grundlage für Entscheidungen geeignet zu sein"

Dieser richtige Hinweis entläßt aber nicht aus der Verantwortung, gerade angesichts der thermodynamischen Auswirkungen jeglicher Energieumwandlung schon jetzt eine Abschätzung der Klimarisiken von synthetischen Energien 22“) — also hier Kernenergie — zu versuchen.

Bezug genommen sei auf die Simulationsarbeiten von Voss/Niehaus, die diese mit finanzieller Unterstützung der Volkswagenstiftung an der Kernforschungsanlage Jülich durchgeführt haben Die Autoren gehen mit ihren Simulationsmodellen bei dem Übergang von einer fossilen zu einer überwiegend nuklearen Energieversorgung von einem enormen Ausbau der Kernkraftwerkskapazität aus. „Im Jahre 2000 beträgt die installierte thermische Reaktorleistung 5, 4 xlO 6 (thermische Megawatt-Leistung) MWth, in den nächsten 20 Jahren verfünffacht sie sich dann und beträgt 2100 70x 106 MWth

„Dieser massive Einsatz der Kernenergie hat zur Folge, daß der fossile Energieverbrauch sein Maximum etwa im Jahre 2010 erreicht, um bis zum Jahre 2100 stetig zurückzugehen’ D. h., die künstlich freigesetzten Kohlendioxydemissionen fallen rasch ab, bleiben aber noch lange Zeit über den heutigen Werten. Die kritische 1-Grad-Schwelle — wohlgemerkt allein durch fossile Verbrennung -über dem heutigen globalen Temperaturniveau wäre etwa um 2020 erreicht. „In der Folge dann wird ein weiterer Anstieg auf 2, 6 Grad gegen Ende des nächsten Jahrhunderts erreicht. Damit stellt nach heutigem Wissen eine solche Verbrauchsstruktur ein nicht akzeptables Risiko dar."

In einem weiteren Szenario entwickeln Voss/Niehaus dann eine alternative „Gleichgewichtsstrategie", die für das Jahr 2100 von 75 Kernenergie und 22 Prozent an regenerativen Energiequellen ausgeht. Ergebnis: Es muß „mit einem maximalen Temperaturanstieg von 1, 5 Grad über dem heutigen Temperaturniveau gerechnet werden". „Bis zum Ende des nächsten Jahrhunderts (2100 — d. Vf.) sinkt die durchschnittliche Temperatur dann wieder um etwa 3/10 Grad ab. Ob eine solche Temperaturveränderung tragbar wäre, kann heute nicht mit Sicherheit festgestellt werden.“

Bei aller Unsicherheit von Modellrechnungen Computersimulation usw. muß vorerst doch festgehalten werden, daß langfristig auch die „Option Kernenergie" aller Wahrscheinlichkeit nach keine Alternative zu den fossil indu-1 zierten Klimarisiken darstellen kann. Die Betonung liegt auf „langfristig". Die vorstehenden Prognosen über die indirekte Wärmezufuhrin den Energiehaushalt des Klima-Systems gehen alle davon aus, daß von heute ab in 20 bis 30 Jahren derjenige Zeitpunkt erreicht sein wird, nach dem die globale mittlere Temperatur der Atmosphäre ansteigt — um dann zwischen 2020 und 2040 die kritische 1-Grad Schwelle zu überschreiten. Wenn also Kern-, energie als Energiequelle in diesen Zeiträumen risikolos für das Klima ist, dann müßte dieser Energieträger doch eine Alternative zu fossilen Brennstoffen sein? Tatsache ist aber, daß eine — unterstellt politisch durchsetzbare — dominante nukleare Umrüstung der Energieversorgungssysteme in der gesamten in strialisierten Welt nicht „von heute auf ma gen" zu erreichen ist. Die mit einer Substitu tion der fossilen Brennstoffe durch Kernen gie beabsichtigte Kompensation der indir ten durch eine direkte, vorläufig ungefährlic Wärmebelastung der Atmosphäre kommt zu spät, -am. die klimatischen Auswirkungen einer — nach allen Planungen — vorerst noch weiter zunehmenden Nutzung fossiler Energien zu verhindern. Der politische, technische und finanzielle Aufwand einer jetzt weltweit begonnenen Installation einer überwiegend nuklear betriebenen Energieversorgung würde sich immer vor dem Hintergrund abspielen, daß während der technisch benötigten Umrüstungszeit die — tendenziell noch zunehmende — Verbrennung fossiler Energien weitergeht, vorerst also noch der Kohlendioxydgehalt der Atmosphäre in kritische Bereiche weiter ansteigt. D. h. aber, die Kompensationswirkung einer sogenannten nuklearen „Durch-

brecher-Strategie" würde sich erst nach voller Installation z. B.der obigen 75 Prozent-Kernkraftleistung auswirken, dies sicherlich nicht eher als ab 2050 — und das dürfte nach allen Prognosen die vorerst ansteigende Kohlendioxyd-Konzentration in der Atmosphäre bis dahin nicht aufhalten können

Fällt aller Wahrscheinlichkeit nach ein vergleichsweise kurzfristig wirkender massiver'Einsatz von Kernenergie als Vermeidungsstrategie aus, rückt das Thema „Energieeinsparung" in den Mittelpunkt. Stellt die z. Z. diskutierte Form der Energieeinsparung einen möglichen Ansatz dar, mit dem die Risiken einer noch weiter zunehmenden indirekten Wärme-anreicherung der Atmosphäre verhindert werden kann? Notwendig scheint aber zunächst ein Blick auf den Stand der längst angelaufenen internationalen Diskussion zur Vermeidung menschlich erzeugter Klimaänderungen.

IV. Energieeinsparung als Vermeidungsstrategie

1. Zum Stand der internationalen Diskussion

Natürlich kann nationale Politik nicht allein die international betriebene Wärmeverschmutzung der Atmosphäre verhindern, vermag der einzelne Industriestaat nicht den Schutz der globalen klimatischen Verhältnisse zu gewährleisten. Dieser leicht einsehbaren Erkenntnis wird erst seit wenigen Jahren in der internationalen Diskussion zur Vermeidung einer den Lebensnerv hochtechnisierter Industriestaaten treffenden anthropogenen Klimaveränderung verstärkt Rechung getragen.

Neben der Tatsache, daß die entsprechende internationale Fachliteratur wiederholt auf die Entwicklung einer interdisziplinär arbeitenden und international zusammengesetzten Forschungsgemeinschaft hinweist und auf den —--------weltweit wachsenden Konsens für die Notwendigkeit einer Kooperation im internationalen Verband setzt haben sich längst einige klar umrissene Aufgabenfelder heraus-entwickelt, die erste Schwerpunktsetzungen erlauben.

Die kommenden fünf bis zehn Jahre werden — soviel ist heute schon erkennbar — der Erforschung von noch bestehenden Unsicherheiten dienen, um auf dieser Grundlage dann eine langfristige Energiepolitik zu formulieren, die das CO 2-Problem und dessen Konsequenz zentral zum „Aufhänger“ der weltweiten Energieplanung macht, ohne dabei wie bislang noch auf eine extensive Expansion der fossilen Brennstoffe zu setzen

Eine Weltenergieordnung scheint notwendig, zumal auch die Sowjetunion den Schutz der Atmosphäre noch am ehesten durch „multilaterale internationale Abkommen und eine strenge Kontrolle ihrer Einhaltung" gesichert sieht

Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat mittlerweile innerhalb des Ener-gieministeriums ein eigenes Referat gebildet, das sich zentral mit der Erforschung und Bewertung der Kohlendioxydeffekte befaßt. Im US-Haushalt waren für 1979 3 Millionen Dollar für dieses „Office" bereitgestellt

In dem von der deutschen Bundesregierung verabschiedeten Bericht über Umweltforschung gehört auch die „Klärung der Auswirkungen von Luftverunreinigungen, insbesondere von Kohlendioxyd, auf das weltweite Klima" zu einem der wichtigsten Forschungsschwerpunkte Die Einsicht in die Notwendigkeit grundlegender Forschungen beruht auf der „derzeitigen Vermutung, daß das CO 2 in den nächsten Jahrzehnten zu einem bedeutenden Faktor in der Energiepolitik wird" Die globale Bedeutung des Kohlendioxydproblems für die Umwelt-und Energiepolitik ist erkannt und als Thema in den Programmen einer Reihe von internationalen Gremien mit hoher Priorität vorgesehen, an denen sich auch die Bundesrepublik Deutschland aktiv beteiligt. „Erwähnt sei hierbei besonders das Umweltprogramm der Vereinigten Nationen (UNEP), die Weltorganisation für Meteorologie (WMO), die Internationale Kommission wissenschaftlicher Vereinigungen (ICSU) und das Internationale Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA). Das Umweltbundesamt in Berlin beteiligt sich durch Messungen verschiedener luftverunreinigender Stoffe, darunter auch des CO 2, in seinem überregionalen Meßnetz an der globalen Umweltüberwachung."

Ziel all dieser — gemessen an anderen langfristig orientierten Bemühungen im Umwelt-schutzbereich — bislang relativ bescheidenen Aktivitäten ist also vorerst noch die . Analyse des Kohlendioxyd-Kreislaufes selber, die Feststellung unkritischer fossiler Verfeuerungsraten sowie die Verteilung der anthropogen freigesetzten CO 2-Mengen, die Auswirkungen möglicher Klimaänderungen bzw. die wirtschafts-und energiepolitischen Konsequenzen der durch den Kohlendioxyd-Anstieg erwarteten Klimaänderungen“ Längst gibt es auch eine technische Diskussion, die neben der Reduzierung der Energieversorgung auf fossiler Basis das CO 2 der Atmosphäre entziehen und in Bäumen und Wasserpflanzen einbinden bzw. es in Tiefseeschichten absenken will oder auf eine künstliche Veränderung der Oberflächenabstrahlung der Ozeane setzt™ Dieses sind Absichtserklärungen, wobei die Diskussion des Problems und die Diskussion von Problemlösungsmöglichkeiten bislang nur von Minderheiten geführt wird.

Im folgenden soll also Energieeinsparung als mögliche Vermeidungsstrategie im Mittelpunkt stehen, denn Energieeinsparung ist notwendig, „um riskante Entwicklungen zu vermeiden, zumal es bei großklimatischen Folgewirkungen kaum die Möglichkeit der technischen Kompensation gibt“ Es ist demnach zu fragen, was getan wird, um durch Energie-einsparung gezielt so schnell wie möglich den Gesamtverbrauch fossiler Brennstoffe zu reduzieren. 2. Energieeinsparung und industrielle Technik Die Frage nach dem künftigen Energieein sparpotential ist vor allem eine Frage nach der Entwicklung der Energienachfrage. Dies zielt auf die Diskussion um die Zusammenhänge zwischen Energieverbrauch und Wirtschaftswachstum. Mit Sicherheit steht die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Energie, Wachstum und Arbeitsplatzsicherung in der Bundesrepublik erst am Anfang, obwohl die bisherigen Ergebnisse der energiepolitisch orientierten Wirtschaftsforschung jetzt schon zeigen, daß die konventionelle Betrachtungsweise einer festen Verzahnung von Sozialproduktanstieg und entsprechendem Energieum satz aufgegeben werden muß wenn die Bemühungen um die „Option Energieeinsparung ernst genommen werden. „Nur von 1962 bis 1973 sind Energieverbrauch und Sozialprodukt tendenziell weitgehend parallel angestiegen. Von 1950— 1962 nahm der Energieverbrauch langsamer zu als das Sozialprodukt, z. B. nur um 40 Prozent des Sozialproduktzuwachses (. Elastizitätskoeffizient'0,4). Generell schwanken die Elastizitätskoeffizienten in den einzelnen Jahren stark; 1953, 1958 sowie 1974 und 1975 waren sie sogar n Prozent des Sozialproduktzuwachses (. Elastizitätskoeffizient'0,4). Generell schwanken die Elastizitätskoeffizienten in den einzelnen Jahren stark; 1953, 1958 sowie 1974 und 1975 waren sie sogar negativ.“ 39) „Dieses Ergebnis eines mehr oder minder stark schwankenden Zusammenhanges zwischen Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch kann aber keineswegs überraschen, wenn man sich vor Augen führt, daß sowohl der Primärenergieverbrauch als auch das Bruttosozialprodukt hochaggregierte Systeme darstellen, die sich aus dem Entwicklungsverlauf völlig heterogener Teilgrößen ergeben, wobei diese sich kumulieren oder auch kompensieren können. Zweifellos existieren Interdependenzbeziehungen zwischen den aufgeführten Makrogrößen; doch liegt bislang keine Theorie vor, die diese Zusammenhänge für einen längerfristigen Zeitraum einigermaßen befriedigend erklärt." 40)

Der Eindruck, daß durch einen Engpaß in der Energieversorgung das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt werde und demzufolge Arbeitsplätze bedroht seien, wird weiter erschüttert durch einen Blick auf die moderne Wirtschaftsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland. Danach stieg „im Zeitraum 1950 bis 1975 die Arbeitsproduktivität für die Gesamtwirtschaft um rund 4, 8 Prozent pro Jahr, wobei fast zwei Drittel dieses Wachstums durch Faktoren erklärt werden, die nicht unmittelbar mit der Kapitalausstattung pro Beschäftigten verbunden sind, also z. B. verbesserte Ausbildung der Arbeitskräfte, neue Produktionsverfahren, sektorale Strukturwand-

ungen" Kurz: das Wachstum der westdeutschen Wirtschaft ist vorwiegend auf die Stei-gerung der Arbeitsproduktivität zurückzuführen, und das wird auch infolge eines sich in der Zukunft entwickelnden technischen Wandels nicht anders sein.

Mit diesem Hinweis auf einen zukünftig mehr und mehr vor allem kapital-wie energiesparend ablaufenden technischen Wandel wird der Blick nicht nur auf die Entwicklung eines entsprechenden technologischen Potentials gelenkt, sondern auch auf die Rolle der Ingenieurwissenschaften bei der Frage der technischen Umsetzung eines energiesparenden Wirtschaftswachstums. Zweifelsohne ist es nicht übertrieben, daß Westeuropa vor der „größten industriellen Umrüstung der Nachkriegszeit" steht, wenn der bislang mit der Ressource Energie verschwenderisch umgehende moderne Industrialisierungstyp umgeformt werden muß. Im Bereich der EG würden etwa 50 Mrd. Dollar jährlich benötigt. Voraussetzung für die Finanzierung einer solchen technisch industriellen Neuorientierung wäre ein Wirtschaftswachstum in der Größenordnung von 4 Prozent jährlich bis 1990

Energieeinsparung ist aber nicht nur eine Frage der Kosten und der Umsetzungszeit; es muß sich vielmehr auch ein funktionierender Markt für „energiesparende Technologien" etablieren, denn erst über ihn realisieren sich Energieeinsparungen und auch die angestrebten Wachstumsziele. 42 Grundsätzlich ist also die Erreichung eines energiesparenden Wachstums eine Aufgabe für die Industrie, konkreter noch: eine Aufgabe für Naturwissenschaft und Technik einerseits und eine Frage nach den marktwirtschaftlichen Absatzchancen der neuen Spartechnologien andererseits. Noch zugespitzter: Ingenieure haben durch die Entwicklung neuer energietechnischer Geräte nicht nur weiteres Wachstum zu sichern, sondern auch durch entsprechende industrielle Initiativen einer weniger energieintensiven Ökonomie die Existenzgrundlagen zu sichern. In welcher Form sich der Staat diesen industriellen Aktivitäten nähert, sie fördert, wird im folgenden dargelegt. Grundsätzlich läßt sich der technologisch ausgerichtete Energiesparansatz des Staates in eine Kontroll- und eine Innovationsstrategie auflösen.

Die Kontrollstrategie meint Eindämmung, Reduzierung der als negativ für Mensch und Natur eingeschätzten Folgen von Technik. Im Prinzip wird damit die vorgegebene „harte" Technik nicht berührt, denn es wird nicht versucht, die (z. B. Schadstoffe oder Wärme emittierende) Technik so einzurichten, daß unerwünschte Folgen erst gar nicht entstehen. Es wird vielmehr versucht, mit einem stetig dichter und vernetzter werdenden Geflecht von spezifischen Auflagen, Begrenzungen, Richtwerten, Verboten, Bestrafungen die registrierbar, meßbar, sichtbar gewordenen schädlichen, gefährlichen, belastenden Symptome des großtechnisch-industriellen Prozesses mit Zusatztechnologien zu kontrollieren, einzuengen, abzubauen.

Neben dieser auflagenorientierten Kontrolle vorhandener energieverbrauchender Technologien sollen Investitionszuschüsse den Einbau zusätzlicher heizenergiesparender Technologien in bestehenden Gebäuden fördern, wie z. B.den Einbau von Sonnenkollektoren und Wärmepumpen sowie den dezentralen Einsatz von Dieselanlagen zur Strom-und Wärmeerzeugung

Diese technologiepolitisch ausgelegte Kontrollstrategie wird besonders deutlich im „Rahmenprogramm Energieforschung 1974 — 1977'der Bundesregierung mit dem Förderschwerpunkt „Rationelle Energieverwendung“. Ziel dieses Teilprogrammes ist es u. a., die bei Energieumwandlungsprozessen freiwerdende und bislang ungenutzte Abwärme im Niedrig-temperaturbereich zu verwenden, um so sonst notwendige zusätzliche Primärenergie einzusparen. „In thermischen Kraftwerken gehen rund zwei Drittel der eingesetzten Primärenergie als Abwärme verloren. Die Verluste betragen bei modernen, fossil geheizten Anlagen ... rund 60 Prozent, bei Leichtwasserreaktor-Kraftwerden rund 68 Prozent." Mit diesem technischen Prinzip der Wärme/Kraft-Kopplung soll das große Wärmeangebot (der Abwärme) z. B. über ein Fernwärmeversorgungssystem mit einem großen Wärmebedarf (Haushalte) in Verbindung gebracht werden. Die durch diese Abwärmenutzung gegebenen Möglichkeiten zur Einsparung anderer Primärenergieträger liegen ganz offensichtlichin der Perspektive einer ökologisch notwendigen Entkopplung von Energie und Wachstum. Allerdings: Abwärmenutzungssysteme sind Zusatztechnologien, die auf die Existenz eben ungenutzte Wärme emittierender Umwandlungssysteme — z. B. das großtechnische System: Kraftwerk — angewiesen sind. „Die zusätzlichen apparativen Einrichtungen führen dazu, daß die Anwendungstechniken für bestimmte Zwecke immer komplexer werden, für den Anwender kaum mehr durchschaubar sind und gleichzeitig auch zu einem höherer Wartungsaufwand führen ... Selbst geringfü-gige Reparaturen verlangen schon einen beträchtlichen Kostenaufwand ... Die größere Komplexität der einzusetzenden Technik ist ... verbunden mit einer größeren Störanfälligkeit"

Soweit eine knappe Charakterisierung der Energieeinsparung durch spezielle technische Kontrolle 49). Die Innovationsvariante bzw.der Begriff „Innovative Technik" wird hier als verbindende Klammer eingeführt, um die prinzipiell unterschiedlichen Auffassungen über so-genannte „alternative Technologien" von ihrem innovativen Charakter her zusammenfassen zu können.

Nach der Auffassung der Okologisten zielt Alternativtechnik" darauf, ein Konzept zur „Bewältigung der Krise des Industrialismus zu sein, die ökologisch, ökonomisch und soziokulturell verstanden wird" 50). Von daher wird vielfach auch von „konvivialer Technik 51), „intermediärer Technik" „mittlerer Technik" „demokratischer Technik“ usw. gesprochen. Alternative Techniken speziell im Energiebereich wären dann Alternativen zur Nutzung von Erdöl, Kohle, Kernenergie, also Solarenergie, Biogas, Wasser-und Windenergie. Der allgemeine „Alternativ" -Ansatz erhebt darüber hinaus die Entwicklung weicher und humaner Technikstrukturen zu seinem Programm. Er zielt inhaltlich auf eine Veränderung der „harten" Logik moderner, industriell produzierter Technik. „Alternativler" praktizieren dies — ihren Prinzipien gemäß — u. a. am konkreten Beispiel dezentralisiert genutzter regenerativer Energieträger Der staatlich-industrielle Ansatz dagegen zielt auf Entwicklung alternativer Energien — z. B. durch Energiespartechnologien —, ohne direkt nach den vielfältigen Auswirkungen energietechnischer Prozesse auf Mensch und Natur zu fragen.

Beiden Ansätzen gemeinsam ist aber der Wille, Basisinnovationen, also grundlegende technische Neuerungen, zumal im Energiesparbereich, zu entwickeln. Die Charakterisierung dieser Vorgehensweise als „innovative Technik" ist konsequent, weil beide Ansätze zwar inhaltlich von unterschiedlichen Punkten ausgehen, aber im Ergebnis technisch zu realisierende Innovationen freisetzen

Im Gegensatz zu „harten" synthetischen Energieträgern wie Uran, Kohle, Gas, öl konkretisiert sich „weich" im Energiebereich, wie angedeutet, als technisch realisierte Anwendung von regenerativen natürlichen Energieträgern wie Sonne, Wind, Wellen, Wasser, Biogas.

Wie aber läßt sich dieser „weiche" Ansatz in der industriellen Praxis verwirklichen? Das kann wiederum am hier zugrunde gelegten „Rahmenprogramm Energieforschung der Bundesregierung 1974 — 1977" gezeigt werden. Ausdrücklich stehen dort „weiche" Energieträger im Mittelpunkt staatlich geförderter und industriell umgesetzter Forschungsprogramme.

Ziel des Regierungsprogramms „Neue Energietechnologien" ist die „rationelle Energiegewinnung, die Erschließung neuer Energiequellen, die Entwicklung neuer Energietechnologien, die umweltfreundlich sind und ein möglichst hohes Potential für die wirtschaftliche Nutzung versprechen und der Sicherung der Energieversorgung dienen"

Der Jahresbericht 1976 weist aus, daß die Bundesregierung zur technologischen Nutzung von Sonnenenergie, Windenergie, zur Energiegewinnung aus Abfällen 55 Projekte mit einem Gesamtfinanzierungsanteil des Bundes von 57 Millionen DM gefördert hat. (Technologien zur Nutzung der Sonnenenergie mita 34 Millionen DM, Windenergie ca. 9 Milis nen DM und Biogas-Anlagen mit ca. 14 Millionen. DM.)

Allein 51 Prozent des Finanzvolumens fi „Neue Energiequellen" wurden an 7 Groß® ternehmen vergeben: Saarberg Fernwäme AG, Philips GmbH, Dornier System GmbH Energietechnik AG, Messerschmidt-Bölkor Blohm (MBB), M. A. N., AEG-Telefunken. Wir noch die Stadt Frankfurt — als Praxisbezug zur Erprobung von Biogasanlagen — hinzugezogen, werden 65 Prozent der Förderungsmittel an umsatzmäßig große Auftragnehmerweitergeleitet. Das Bundesministerium für Forschung ml Technologie kommt damit der populären Forderung der Ökologie-Bewegung nach techn logischer Erschließung der natürlichen Ene giequellen Sonne, Wind und Biogas bereit nach.

V. Ausblick

Kann also nun die diskutierte Form der Energieeinsparung eine kritisch werdende Wärme-verschmutzung der Atmosphäre verhindern? Wenn diese Frage an den heutigen Zielen der Energiepolitik — in deren Zusammenhang Energieeinsparung die Politik des „Weg-vomöl" realisieren soll, um gleichzeitig aber auch als „neue Energiequelle" den „weiteren Anstieg des Energieverbrauches zu sichern" — gemessen wird, dann muß die Frage eindeutig mit Nein beantwortet werden. Die Frage muß darüber hinaus deshalb (noch) mit Nein beantwortet werden, weil das heutige generelle Ziel der Energieeinsparung nicht direkt auch das ökologisch notwendige Ziel einer reduzierten Nutzung fossiler Brennstoffe zum Programm erhebt. D. h., die heutige Diskussion um Energieeinsparung steht noch vor ihrem eigentlichen qualitativen Sprung. Nicht die Entwicklung von „Strategien der Energieeinsparung bei fortgesetztem Wachstum" ist das große Thema der nächsten Jahre, sondern „Energieeinsparung zur Reduzierung der CO 2-Emissionen“ sollte zum Programmpunkt der 80er und 90er Jahre dieses Jahrhunderts werden — das Wachstum kommt bei dem dazu notwendigen technischen Wandel von selber.

Energieeinsparung, die — wie bislang —nid aus dem Kontext einer ökologisch notwerf gen Reduzierung des anthropogenen CO'Ausstoßes in der Technologieplanung entwi kelt wird, verfehlt prinzipiell das Ziel: energitneutrales Wachstum als zentrale Voraussetzung zur langfristigen Wahrung der Stabil tät techno-ökonomischer Industriesysteme T fördern. Die z. Z. anlaufende indirekte Instn mentalisierung der Energieeinsparung al neues Wachstumsfeld wird eine Fülle investitionsintensiver, hochkomplizierter neue technischer Geräte zur Folge haben, die bt entsprechender Propagierung und eventuelle'Subventionierung neue Märkte eröffnen UI damit Wachstumsmöglichkeiten erschließe-werden. Unter „klassischen"

Wachstumsyo Stellungen ist dies eine erwünschte Entwi. lung. Doch Energieeinsparung muß mehr ft'fern als Verstetigung von energieintensivproduziertem Industriewachstum. Notwendig 1-die Entwicklung technologischer „Alternat ven" zu den mittlerweile großtechnisch-in 1 striell differenzierten Entwicklungslinien V 0 z. Z. noch tragenden ehemaligen Basisinno" tionen, die, ohne Ausnahme, ihren vermarktungsfähigen Aufschwung ohne Berücksichtigung des langfristigen Energiebedarfs erlebten. Soll Energieeinsparung also zu einem echten Instrument zur Reduzierung des anthropogenen CO 2-Ausstoßes entwickelt werden, muß der heute vorhandene Techniktyp, der bislang noch stets als Typ auf der Basis reichlich vorhandener (fossiler) Energie begriffen wird, in seinem historischen Entfaltungsprozeß — zum Teil mindestens seit Francis Bacon und der industriellen Revolution — neu durchdacht werden. Ziel einer solchen technikgeschichtlichen Betrachtungsweise wäre die Suche nach möglichen Kreuzungspunkten in den technischen Entwicklungslinien, Suche nach nichtgenutzten oder unterdrückten Alternativen im historischen Innovationsaufkommen. Möglicherweise kann die Synthese moderner Technologien, wie z. B.des kapital-und energiesparenden Mikroprozessors mit „wiederentdeckten", bislang kaum beachteten technischen Innovationen aus den stürmischen Jahren der industriellen Revolution, einen Techniktypus prägen, der den heraufziehenden . post-industriellen“ Erfordernissen nach haushälterischem Umgang mit knapper werdenden Ressourcen bzw. ökologischen Belastungsgrenzen eher gerecht wird als der heute vorhandene ressourcen-und energieintensiv funktionierende Techniktyp

Allgemeiner: Die notwendige Reform der industriell produzierten Technik hat eine notwendige curriculare Reform der Ingenieurwissenschaften zur Voraussetzung. Die bisherigen zentralen Konstruktionsmaximen einer neuen Technologie, wie Funktionsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit usw., müssen ergänzt werden durch Kriterien, die aus den „Grenzen des Wachstums" abgeleitet sind: Ressourcenschonung, Auswirkungen auf Mensch und Natur usw.

Wird Energieeinsparung in diesem grundsätzlichen Sinne begriffen, also mit dem Ziel der Entwicklung eines grundlegenden, den Faktor Energie genuin berücksichtigenden Technik-typs vorangetrieben, wird die noch bevorstehende große Diskussion um die Verhinderung krisenhafter klimatischer Veränderungen von anderen Vorbedingungen ausgehen können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. dazu den Begriff der . Allianztechnik" von E. Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt 1977, Band 2, S. 771 ff.

  2. Vgl. B. Guggenberger, Die „Kulturrevolution“ der Bürgerinitiativen, in: Im Gespräch 2/79, Bonn 1979, S. 1 ff., S. 9.

  3. Vgl. dazu u. a. K. M. Meyer-Abich, Energieeinsparungen als neue Energiequelle, München 1979.

  4. Physikalisch gesehen gibt es natürlich keinen Verbrauch" von Energie, denn diese kann stets nur umgewandelt werden, um letztlich als Wärme in die Atmosphäre abzustrahlen.

  5. „Sparmaßnahmen machen die Errichtung weiterer Kraftwerke nicht überflüssig. Die Durchsetzung des Baues neuer Kraftwerke ist ebenso dringlich und fordert den gleichen Einsatz wie das Bestreben, Energie einzusparen.''So die CDU Baden-Württemberg. Zitiert nach CDU-Materialien zum Kongreß „Energie und Umwelt“, 10. /11. 10. 1977 in Hannover, S. 207.

  6. Jede Verbrennung von Holz, Papier, Kohle, Gas, aus Rr auch die Umwandlung gewonnener Energie GeothEogas, Sonneneinstrahlung, Wellen, Wind, Warmermik und Kernenergie trägt zur direkten Brenn„> elastung der Atmosphäre bei. — Fossile ten Tstfe wie Kohle, Gas, öl — die den dominan--set 7 er weltweiten Energieversorgung tragen Die inan bei der Verbrennung Kohlendioxyd frei, durch, dasekte Wärmebelastung entsteht nun da-und dar? das COs-Gas in die Atmosphäre aufsteigt bidet, daeinendie Erdkugel umhüllenden „Mantel" velioe I tür das von der Sonne kommende (kurz-Erde 7itn" 1Cdagegen für die von der o 8 uunnddurCchklgäeswsiogrfeisnte. (, (, lTarnegibwhealulisg" e-E) ffWekät) rmestrahh"

  7. Vgl. zu diesen Daten: „Science", Bd. 206, S. 912.

  8. Zitiert nach K. M. Meyer-Abich, Die ökologische Grenze des herkömmlichen Wirtschaftswachstums, in: H. v. Nussbaum (Hrsg.), Die Zukunft des Wachstums. Kritische Antworten zum „Bericht des Club of Rome“ 1973, S. 163 ff. Vergleiche u. a. auch H. Flohn, Stehen wir vor einer Klima-Katastrophe? Bleibt das Großklima stabil? Naturvorgänge und menschliche Eingriffe als Klimafaktoren, in: Umschau 77 (1977), Heft 17, S. 501 ff.; U. Hampicke, Das CO 2-Risiko. Klimaumschwung durch zunehmende Verbrennung in den nächsten Jahrzehnten?, in: Umschau 77 (1977), Heft 18, S. 599 ff.

  9. Vgl. dazu auch G. Pattridge, The Problem with Climate Prediction, in: New Seientist, 19. April 1979, Nr. 1151, S. 194 f.; G. Marland und R. M. Rotty, Question Mark over Coal. Pollution, Politics and CO 2, in: Futures, February 1978, S. 21 f.; R. R. Revelle und D. C. Shapero, Energy and Climate, in: Environmental Conservation, Vol. 5, No. 2, Summer 1978, S. 81 f.

  10. Dazu ausführlich U. Hampicke, a. a. O., S. 600.

  11. Zitiert nach Umweltgutachten 1978, BT-Drucksache . 8/1938, S. 569.

  12. Vgl. dazu „Die Zeit" vom 8. 6. 1979.

  13. Vgl. Climatic Change: Are we on the Brink" Pronounced Global Warning?, in: Science, S-460 f* -7 Fit»

  14. Zitiert nach „Environmental quality-197/en Annual Report of the Council on Environi Quality", Washington D. C. 1977, S. 189.

  15. Frankfurter Rundschau vom 13. 11. 1979.

  16. In den folgenden Zitaten wird der Beweisfüh-Gryyon. Meyer-Abich 1973, „Die ökologische ne • • •, gefolgt.

  17. Meyer-Abich, a. a. O., S. 184.

  18. Vgldazu ausführlicher u. a. R. R. Revelle und S. 140 ffrhapero, a. a. O.; „Spiegel" Nr. 35/1977,

  19. Vgl. W. Häfele, On Energy Demand, in: International Atomic Energy Agency, Bulletin Vol. 19, No 6, S. 21ff.

  20. Zitiert nach „Energiepolitische Leitlinien zur sparsamen Energieverwendung" der CDU/CSU-Bundestags-und Landtags-Fraktion am 13. 5. 1977, in: Materialien zum Kongreß „Energie und Umwelt", Hannover 1977, S. 208.

  21. Dies., a. a. O„ S. 631. 26) Dies., a. a. O„ S. 632.

  22. Vgl. Antwort der Bundesregierung: Energie und Atmosphäre, BT-Drucksache 8/2257 vom 8. 11 1978.

  23. Synthetisch erzeugte Energie unterscheidet sich von natürlich anfallender Energie prinzipiell dadurch, daß die in Kohle, Gas, Öl und Uran „schlummernden" Energien erst durch entsprechende Umwandlungstechnologien wie Kohlekraftwerke, Gaswerke, Raffinerien und Kernkraftwerke aktiviert werden müssen. Erst danach kann — jetzt in Analogie zu natürlichen Energieträgern wie Sonne, Wind, Wellen — über Generatoren, Verbrennungsmotoren Antriebsenergie (z. B. Strom, Wärme) erzeugt werden.

  24. Vgl. Voss/Niehaus, Die Zukunft des Weltenergiesystems, in: Umschau 77 (1977), Heft 19, S. 625 ff.

  25. Voss/Niehaus, a. a. O., S. 630.

  26. die 75-Prozent-Strategie technisch umzusetwnmübten bis 2050 jährlich etwa 1 000 Kernkraft-0 61 müßten weltweit 500 Entsorgungsanlagen dapaut. werden. Der dazu benötigte Investitionsbe-Bntwurab dem Jahre 2000 etwa 20 Prozent des giganosozialproduktes betragen.

  27. Vgl. C. Cooper, What might Man-Induced Climate Chance mean? in: Foreign Affairs 1978, No. 56, S. 500— 520, S. 519.

  28. J. Williams, Global Energy Strategies. The implication of CO 2, in: Futures, August 1978, S. 293— 302, S. 299.

  29. Vgl. Dawitaja, a. a. O., S. 73. (Dawitaja ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR.)

  30. Zitiert nach New Scientist'vom 24. August 1978, S. 531.

  31. Vgl. Bulletin der Bundesregierung Nr. 140 vom 20. 11. 1979, S. 1291.

  32. Zitiert nach Antwort der Bundesregierung auf Kleine Antwort zum Thema: Energie und Atomsphäre, BT-Drucksache 8/2257 vom 8. 11. 1978.

  33. So das Umweltbundesamt, in: Umschau 77 (1977), Nr. 24, S. 811.

  34. Zitiert aus Stellungnahme der Abwärmekommission zum Thema indirekte Wärmebelastung der Atmosphäre, Berlin 1. 2. 1979.

  35. So W. Bach, in: Umschau 78 (1978), Nr. * S. H 7f.

  36. So Meyer-Abich, Energieeinsparung •na. d S-41. , an

  37. Bislang wurden entsprechende Beobachtungen aus der Vergangenheit zum Naturgesetz erno und auch für eine längerfristige Zukunft ior g schrieben, wie z. B. gleiche Wachstumsraten von zialprodukt und Energieumsatz oder VerdopPe des Stromverbrauchs alle sieben Jahre.

  38. Schmitt/Schürmann, Die unterstellte Entverh ungvon Wirtschaftswachstum und Energie-für rrauch — keine neue Alternative, in: Zeitschrift r vnergiewirtschaft 2/1978, S. 150.

  39. dazu ausführlicher R. Dickler, WirtschaftsnuhliU um und Energienachfrage in der Bundesrein d» Peutschland, in: V. Hauff (Hrsg.), Argumente 187 n Energiediskussion, Villingen 1978, S. 155 bis neiapn diesem Sammelband wird vertieft auf die Schafts Diskussion um Entkopplung von Wirt-gen) " achstum und Energieumsatz eingegan-

  40. Im folgenden werden die Rationalisierungseffekte, die durch stufenweise Energiepreisanhebungen, z. B. über Steuern, erreicht werden, ebenso vernachlässigt wie die Diskussion darüber, daß allein durch Verhaltensänderungen der Konsumenten erhebliche Einsparungen zu erzielen seien. Neu rechnet z. B. damit, daß ein jährlicher relativer Energie-preisanstieg von 5 Prozent langfristig ausreichen würde, den künftigen Energieverbrauch auf dem heutigen Niveau zu stabilisieren. Vgl. Neu, Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch — eine Strategie der Energiepolitik? Kieler Diskussionsbeiträge Nr. 52, Institut für Weltwirtschaft Kiel, Februar 1978. Schaefer hält 20— 25 Prozent Energieeinsparungen allein durch Aufklärung der Bevölkerung für erreichbar, ohne zusätzliche Technik bzw. Substitution der Energie durch Kapital. Vgl. Schaefer im Bergedorfer Gesprächskreis — Protokoll Nr. 58, Hamburg 1977, zitiert nach Klauder, in: Hauff (Hrsg.), a. a. O., Band 4/5, S. 11. Die EG-Kommission schätzt, daß je nach Wirtschaftssektor zwischen 15 und 50 Prozent Energie eingespart werden kann. Zitiert nach . Süddeutsche Zeitung'vom 5. 7. 1979.

  41. So eine im Auftrag der EG-Kommission berufene internationale Expertengruppe, die eine „Strategie zur Entwicklung einer . energie-effizienten'Gesellschaft in Europa" entworfen hat. Vgl. . Süddeutsche Zeitung'vom 5. 7. 1979.

  42. Im Prinzip liegen auch die Energiesparansätze von Eppler bzw.der Okologisten und Alternativler exakt innerhalb der hier generell als Kontrollvariante charakterisierten Sparstrategie. Eine Detail-analyse erübrigt sich. Wichtig ist die Erkenntnis, daß der Staat längst die entsprechenden Sparforderungen der außerparlamentarischen Veto-Gruppen in sein Energiesparprogramm aufgenommen hat und es u. a. durch spezifische Programme unterstützt (vgl. unten „Rationelle Energieverwendung"). Vgl. zum Sparansatz von E. Eppler: Ein Alternativ-szenarium zur Energiepolitik, Manuskript, 30. Mai 1979. Zum Sparansatz des -Ökologie-Instituts in Freiburg: F. Krause, Alternative Energietechnologien, in: Technologie und Politik Nr. 13, Reinbek. Mai 1979.

  43. Vgl. Programm Energieforschung und Energietechnologien 1977, S. 45.

  44. Bei der Elektrizitätserzeugung als fossil-un nuklearbetriebenen Kraftwerken betrug die AP Wärmemenge 1975 ca. 50 Millionen t SKE bei eine» Wirkungsgrad von 42 Prozent. Vgl. BT-Drucksac e 7/5738

  45. Ein Fernwärmesystem setzt sich zusammen aus . — der Wärmeerzeugung (Heizkraftwerk, Hei werke)

  46. Vgl H. Schaefer, Wege zur Energieeinsparung — Rationelle Energieverwendung, in: Energie und umwelt, Kongreß-Berichtsheft der ENITEC 77, Düsseldorf 1977, S. 38 ff.

  47. Vgl E. Schumacher, Die Rückkehr zum menschlichen Maß. Alternativen für Wirtscahft und technik, Reinbeck 1977

  48. Vgl. Technologie — auch für Industrieländer?, Stiftung mittlere Technologie (Hrsg.), Bd. 18, Karlsruhe 1976

  49. Vgl. E. Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Bd. 2, 4. Aufl. Frankfurt 1977

  50. Vgl. dazu u. a.: Technologie und Politik, Bd. 13, Reinbek 1979.

  51. Bewußt wird hier die Analyse auf staatliche Programme zur industriellen Entwicklung von neuen Energie(spar) technologien beschränkt. Es kann hier nicht der Ort sein, Kataloge der angelaufenen Patentierungswelle über Erfindungen im Energiesparbereich zu präsentieren. Dieser Prozeß ist angelaufen und wird mit Sicherheit noch eine Fülle von technischen Ideen produzieren, wie, wo, wodurch und wieviel Energie (Wärme) eingespart werden kann. Im Prinzip aber, und nur darum kann es hier gehen, sollte wohl die Einspardiskussion auf die hier vorgestellten grundsätzlichen Sparvarianten: Kontrolle und Innovationen reduzierbar sein. Systematisch kann die Diskussion um Energieeinsparung und Entkopplung durch elektro-oder dieselgetriebene Wärmepumpen nicht Gegenstand einer Analyse sein, die die . Option Energieeinsparung'als möglichen Ansatz zur Verhinderung einer katastrophal werdenden Wärmeverschmutzung der Erdatmosphäre untersucht. Vgl. zum Thema: Wärmepumpe aus der Sicht der Stromindustrie: Müller/Soy, Entkopplung. Wachstum ohne mehr Energie, Stuttgart 1978. Tatsächlich geht mit dem Einsatz von Elektrowärmepumpen — wie sie von Müller/Soy propagiert werden — eine Steigerung des Strombedarfs einher. Auch die sogenannte „Veredelung" fossiler Brennstoffe durch Kohleverflüssigung oder effizientere Kohleverbrennung (Wirbelschichtverfahren) führt eher noch zu einer stärkeren CO 2-Emission. Eine quantitative Umrüstung auf diese energietechnischen Geräte kann prinzipiell keinen Ausweg aus dem aufgezeigten anthropogenen COz-Dilemma weisen. Energieeinsparung aber z. B. durch solarenergetisch betriebene Wärmepumpen würde einen ökologisch sinnvollen Beitrag liefern.

  52. Vgl. dazu die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU, BT-Drucksache 7/5582.

  53. Daß dieses Ziel erreichbar ist, hat G. Leachge zeigt: A Low Energy Strategy for the Unitewacs dom. Vgl. dazu: Für ein energiesparsames tum. Bericht im Auftrag der EG-Kommission sei, Juni 1979, Anhang 6.

  54. Die Entwicklung einer solchen, , angepaßten Technologie’ — eben nicht nur für die Erfordernisse der Dritten Welt, sondern auch für die spezifisch sich entwickelnde Problemkonstellation in entwikkelten Industriegesellschaften — könnte der hier zu diskutierenden Problemlage adäquat sein.

Weitere Inhalte

Otto Ulrich, Dr. rer, pol., Physik-Ing. (grad), geb. 1942; Studium der Ingenieur-und Sozialwissenschaften; langjährige Industriepraxis. Veröffentlichungen u. a.: Abbau von Arbeitslosigkeit durch flexible Arbeitszeitregelung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43/75, 25. 10. 1975; Wenn Arbeit knapper wird — was tun?, in: Technologie und Politik, Nr. 8/77; Technischer Fortschritt und die Gesellschaft der Arbeitslosen, in: Technologie und Politik, Nr. 13/78; ökologische Belastungsgrenzen als Notwendigkeit zur Reform des Industrie-systems — unter besonderer Berücksichtigung von Energie und Technik, Berlin 1979; Strategien der Energieeinsparung, in: Politische Folgen reduzierten Wachstums, Sonderband des Deutschen Politologentags, Augsburg 1979.