Von START zum Ziel. Bedingungen strategischer Rüstungskontrolle
William C. Potter
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Zusammenfassung
Der Beitrag analysiert die vorliegenden Initiativen der USA und der Sowjetunion zu den laufenden START-Verhandlungen in Genf hinsichtlich der Faktorenparität, Verifizierbarkeit, Einfachheit, Möglichkeiten zur Waffenmodernisierung, Verwundbarkeit von Zweitschlagwaffen, Befehls-, Kontroll-und Kommunikationszentren sowie bezüglich der Aufrechterhaltung der Glaubwürdigkeit der Abschreckung und einer Sicherung der Krisen-stabilität. Die wenig optimistisch stimmende Beurteilung der START-Vorschläge beider Seiten unter den genannten Kriterien erfordert die Ausarbeitung eines praktikablen Kompromißvorschlages. Kern einer solchen Lösung wäre die Kombination des amerikanischen Vorschlags einer Höchstgrenze für Raketensprengköpfe von 5000 mit der sowjetischen Initiative zu einer Begrenzung der Abschußvorrichtungen auf 1800. Die Sprengkopfzahl sollte luftgestützte Cruise Missiles einschließen. Dieser Kompromiß würde zu einer größeren Flexibilität bei der Strukturierung der jeweiligen strategischen Streitkräfte führen und von den Sowjets einen Abbau ihrer Interkontinentalwaffen in einem akzeptablen Rahmen fordern. Gleichzeitig könnte die Uberlebensfähigkeit landgestützter strategischer Streitkräfte erhöht werden, da das Verhältnis von ICBM-Sprengköpfen zu -Startgeräten günstiger ausfallen würde. Ebenso wäre es weiterhin möglich, Modernisierungen des Potentials vorzunehmen, wenn auch nicht auf der Grundlage der MX, sondern im Sinne einer neuen ICBM-Generation mit nur einem Sprengkopf.
Seit amerikanische und sowjetische Unterhändler sich zum ersten Mal in Helsinki im Jahre 1969 trafen, um die Begrenzung strategischer Waffen zu diskutieren, hat sich viel verändert. Die Zahl der amerikanischen strategischen Waffen betrug damals 2270; ihnen standen 1369 sowjetische gegenüber. Mehrfachsprengköpfe (Multiple Independently Targetable Re-entry Vehicles = MIRV) waren erst noch zu stationieren, und die Sprengkopf-zahl konnte aus praktischen Erwägungen der Zahl der strategischen Träger gleichgestellt werden. Die Hauptsorge der Amerikaner war zu dieser Zeit die SS-9, eine riesige sowjetische ballistische Interkontinentalrakete (ICBM), von der in Washington viele glaubten, daß sie bald in der Lage sein würde, die Minuteman-Raketen zu bedrohen -In Moskau dürfte die besondere Sorge dem amerikanischen Raketenabwehr-Programm, dessen Einschränkung gefordert wurde, und der Erlangung der formalen Anerkennung als strategisch und politisch mit den Vereinigten Staaten gleichbedeutende Macht gegolten haben
Als sich amerikanische und sowjetische Unterhändler dreizehn Jahre später — nach zwei SALT-Verträgen — in Genf zusammensetzten, um die START-Gespräche (Strategie Arms Reduction Talks) ins Leben zu rufen, waren die strategischen Arsenale der Supermächte enorm gewachsen (siehe Tabelle). Durch die Einführung von Mehrfachsprengköpfen war bei den amerikanischen land-und seegestützten Raketen die Zahl der Sprengköpfe auf über 6900 gewachsen. Die Stationierung von Cruise Missiles an Bord strategischer Bomber hatte ebenfalls begonnen. Der sowjetische Zuwachs war genauso beeindrukkend. Dort gibt es inzwischen ungefähr 7000 Sprengköpfe. Aus Sicht der USA besonders besorgniserregend war die Bedrohung, die den Minuteman-Raketen aus den extrem zielgenauen SS-18 und SS-19 erwuchs. Diese tatsächliche bestehende Gefahr erhielt eine besondere Betonung durch die wachsende Überzeugung in Washington, daß sowjetische Entscheidungsträger kein ernsthaftes Inter-esse an Rüstungskontrolle hatten und darauf vorbereitet waren, einen Atomkrieg zu führen, den sie für gewinnbar hielten In Moskau scheint eine parallele Sicht der amerikanischen Bedrohung bestimmenden Einfluß gewonnen und das frühere Bild der US-Entscheidungsträger als politische Realisten, die eine nukleare Parität unterstützten, ersetzt zu haben Aus sowjetischer Sicht gesehen mag das gegenwärtige Inventar der US-Waffen keine unmittelbare Erstschlags-Bedrohung ergeben, aber die Aussicht für die Entwicklung einer amerikanischen Erstschlagsfähigkeit gegen Ende der achtziger Jahre erscheint sehr real, wenn man die amerikanischen Pläne für die Stationierung von Trident II und MX-Raketen in Betracht zieht. Präsident Reagans kürzliche Forderung nach einer mas-siven amerikanischen Anstrengung, ein zukunftsorientiertes Raketenabwehrsystem zu entwickeln, verstärkt solche Befürchtungen
Offensichtlich hat der SALT-Prozeß nicht jene Art strategischer Stabilität hervorgebracht, wie sie sich die Befürworter der Rüstungskontrolle vorgestellt haben. Die strategischen Arsenale beider Seiten haben sich — lediglich von einer geringen Zahl formaler Rüstungskontrollvereinbarungen am Rande betroffen — in Richtung auf eine Fähigkeit zur direkten Zerstörung verbunkerter Ziele zube-wegt. Andererseits erfordern innen-und außenpolitische Erwägungen, den Rüstungskontrollprozeß zumindest öffentlich zu unterstützen. Symbolisch für den gegenwärtigen Stand der Dinge ist der merkwürdige Status des SALT-II-Vertrages, der zwar vom amerikanischen Senat nicht ratifiziert wurde, aber von beiden Seiten informell als gültige Vereinbarung behandelt wird. Wenn, wie ein Beobachter anmerkte, dies das unrühmliche Ende von zehnjährigen SALT-Verhandlungen ist, was haben wir dann von einer zukünftigen START-Vereinbarung zu erwarten
I. Strategische Ziele
Es wäre vermessen, den Eindruck erwecken zu wollen, es gäbe allgemein akzeptierte Rahmenbedingungen zur Bewertung der strategischen Voraussetzungen einer künftigen START-Vereinbarung. Vielmehr stimmen westliche Analytiker in so grundliegenden Fragen wie dem Zweck größerer Treffgenauigkeit, dem Wert von Begrenzungen der Nutzlast von Raketen und der Notwendigkeit einer sogenannten „Eskalationsdominanz" keineswegs überein. Bestenfalls kann man eine Reihe von strategischen Zielen ausmachen, die von den meisten Analytikern des Westens für die Aufrechterhaltung der strategischen Stabilität als wichtig anerkannt sind. Diese Ziele schließen ein: Schutz sicherer Zweitschlagwaffen, Förderung von Abschrekkungsglaubwürdigkeit und Krisenstabilität und Aufrechterhaltung effektiver strategischer Führungseinrichtungen, also der Befehlsgewalt, Kontrolle und Kommunikation. 1. Sichere Zweitschlagwaffen Die konventionelle Abschreckungslogik postuliert, daß der Schlüssel zur Abschrekkungsstabilität die gegenseitige Zweitschlagsfähigkeit ist, d. h., jede Seite wird vom ersten Schlag abgeschreckt durch den Glauben, daß das Opfer eines Erstschlags anschließend noch genug Atomwaffen besitzt, um dem Initiator des atomaren Schlagabtauschs einen unakzeptablen Schaden zuzufügen Waffen, die einen Überraschungsangriff überleben können, tragen deshalb zur Abschreckungsstabilität bei, während verwundbare Waffen destabilisierend wirken, weil sie erstens den Druck zur schnellen Antwort erhöhen (d. h. Abschuß bei Alarm, „launch-on-warning"), zweitens die Annahme verstärken, daß ein Erstschlag einen großen Teil der gegnerischen Vergeltungsfähigkeit zerstören könnte, und drittens einen Anreiz liefern, einen Entwaffnungsschlag zu führen, bevor die eigenen verwundbaren Waffen in ihren Abschußstellungen zerstört werden können. Aus dieser Sicht der Abschreckungsstabilität gibt es deshalb überzeugende Argumente für die Beobachtung, daß „die Unverwundbarkeit einer strategischen Waffe wie der gute Name einer viktorianischen Lady ihr wertvollstes Gut ist“
Die Verwundbarkeit strategischer Waffen ist kein neues Phänomen. Besorgnisse über die Überlebensfähigkeit von US-Bombern existieren seit den fünfziger Jahren. Neu ist hingegen das Fehlen attraktiver Mittel gegen die Verwundbarkeit, die sich aus dem Aufwuchs zunehmend zielgenauer, unabhängig steuerbarer Mehrfachsprengköpfe ergab. Seit ihrer ersten Stationierung 1970 haben Mehrfach-sprengköpfe die Ratio Sprengköpfe/gegnerisehe Raketen signifikant verändert und damit die Überlebenswahrscheinlichkeit von land-gestützten Zielen reduziert Die meisten westlichen Veröffentlichungen indessen konzentrieren sich auf Verwundbarkeitsrisiken, die für die amerikanischen ICBM-Waffen durch die vierte Generation sowjetischer Interkontinentalraketen, den mit Mehrfachsprengköpfen versehenen und extrem zielgenauen SS-17, SS-18 und SS-19, entstanden sind. Man sollte aber auch beachten, daß für die Sowjetunion solche Risiken gegen Ende der achtziger Jahre extrem gefährlich werden könnten. Gegenwärtig sind die sowjetischen ICBM-Streitkräfte, die 75% der sowjetischen strategischen Sprengköpfe stellen, weniger verwundbar als das amerikanische ICBM-Arsenal. Dies liegt in erster Linie an der geringeren Größe der US-Sprengköpfe und der größeren Härtung sowjetischer Silos. Dieser Vorteil schwindet allerdings im Laufe der achtziger Jahre, wenn die USA die Minuteman-III-Raketen auf die wirkungsvolleren W-78-Sprengköpfe umrüsten Die sowjetischen ICBM-Streitkräfte werden sogar noch verwundbarer, falls die Vereinigten Staaten mit der Stationierung der größeren und zielgenaueren MX-Raketen fortfahren und die U-Boot-gestützte Trident II einführen.
Die Geschichte der SALT-Verhandlungen ermuntert kaum zu dem Optimismus, daß zukünftige Rüstungskontrollvereinbarungen das Problem der ICBM-Verwundbarkeit verringern werden. Trotzdem gibt es eine Reihe von Ansätzen, innerhalb deren Rüstungskontrolle eine sinnvolle Rolle spielen könnte.
Ein Ansatz, der beachtliche Aufmerksamkeit errungen hat, richtet sich auf einschneidende Reduzierungen beider Seiten Die meisten Vorschläge zu einer solchen drastischen Reduktion zielen auf eine deutliche Verminderung schwerer sowjetischer ICBM vom Typ SS18 sowie einer erkennbaren Senkung der Zahl der Sprengköpfe. Einige empfehlen auch eine Reduzierung der Nutzlast.
Ein alternativer Ansatz, obwohl nicht inkompatibel, ist die indirekte Festsetzung von Sprengkopfhöchstzahlen durch die Begrenzung der Abschußanlagen. Auf dieser Methode beruhte SALT II. Vereinbarungen, die Obergrenzen für Sprengköpfe festsetzen, ohne die derzeitige Zahl zu reduzieren, würden das Problem der Verwundbarkeit nicht direkt verringern. Sie könnten aber den wünschenswerten Effekt haben, ein Maximum festzulegen, gegen das sich die amerikanischen ICBM zu behaupten hätten, was die „Worst Case‘‘-Kalkulation verbessern würde
Ein anderer Rüstungskontrollansatz, der die Überlebensfähigkeit von ICBM verbessern könnte, wäre die Einführung eines Verbots oder zumindest die einschneidende Begrenzung von Flugtests mit MIRV-bestückten ICBM Diese Überlegung findet sich in den von den Vereinigten Staaten im März 1977 vorgebrachten Ergänzungsvorschlägen und geht in der Folge von einer mangelnden Verläßlichkeit MIRV-bestückter Raketen aus. Die Überlegungen, die sich an eine Test-Beschränkung knüpfen, sind, daß beide Supermächte jährlich eine Reihe von Teststarts durchführen, um das Weiterbestehen der Verläßlichkeit ihrer Raketensysteme zu bestätigen. Sollten solche Testversuche entschieden beschnitten werden, besteht Grund zu der Annahme, daß die militärischen und politischen Führungen der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion zögern würden, ungetestete Systeme weiter zu stationieren. Andernfalls würde das Vertrauen in die Verläßlichkeit (und besonders die Zielgenauigkeit) der strategischen Systeme untergraben werden, worauf verschiedene Militärsprecher hinwiesen. Ein Verbot oder eine einschneidende Begrenzung von Flugversuchen könnte deshalb dahin wirken, die von Testquoten betroffenen Systeme durch solche zu ersetzen, die ohne Einschränkung getestet werden können
Neue Zählweisen für eine zukünftige Rüstungskontrollvereinbarung könnten ebenfalls zur Reduzierung der ICBM-Verwundbarkeit durch MIRV beitragen. Sidney Drell schlägt zum Beispiel ein Zählverfahren vor, bei dem jedes strategische Trägersystem als eine Einheit zählen würde, zu dem die Zahl der Wiedereintrittskörper des betreffenden Systems addiert wird Bei dieser Trägerraketen (L = Launcher) und Wiedereintrittskörper (RV = Reentry Vehicles) addierenden Formel würde zum Beispiel jede MX oder SS-18 11 zählen (1 L+ 10 RVs), jede Minute-man III würde 4 zählen (1 L + 3 RVs) usw. Weil diese Formel beide Seiten für Mehrfach-sprengköpfe bestraft, würde sie zur Reduzie-rung von MIRV zugunsten der Überlebensfähigkeit von ICBM beitragen. Abgesehen von ihrer Einfachheit und dem Umstand, daß sie für die amerikanischen und sowjetischen Kräfte von einer etwa gleichen Basis ausginge ließe sich die L + RV-Formel gleichermaßen auf Mittelstreckensysteme wie auf strategische anwenden. Das würde die Verknüpfung der INF-und START-Verhandlungen fördern und könnte zu einer gemeinsamen L + RV-Höchstgrenze führen. Die Annahme einer gemeinsamen INF/START-Höchstgrenze auf der Basis der L + RV-Formel würde nicht nur viele Probleme der Definition und der Einbeziehung bestimmter Waffensysteme lösen, die vorangegangene Verhandlungen kompliziert haben, sondern würde auch die Frage der Verifikation erheblich vereinfachen 2. Verbesserung von Abschreckungsglaubwürdigkeit und Krisenstabilität Die meisten Analytiker strategischer Fragen stimmen darin überein, daß effektive Abschreckung militärische Fähigkeit, glaubwürdige Drohung und Krisenstabilität verlangt. Wenig Übereinstimmung besteht jedoch darin, welche Arten von militärischen Fähigkeiten zur Förderung der Abschreckungsglaubwürdigkeit und Krisenstabilität notwendig sind, oder ob die Fähigkeiten zur Verstärkung einer Säule der Abschreckung ohne Un-terminierung der anderen erlangt werden können.
Eine Schule argumentiert, daß es einen inhärenten Konflikt zwischen der Krisenstabilität und den für einen Gegenschlag gegen militärische Ziele nötigen Fähigkeiten gibt, besonders wenn Waffen entwickelt werden, um eine große Zahl verbunkerter Ziele direkt zu zerstören Unter dieser Perspektive hätten die USA vermeiden sollen, die Überlebensfähigkeit landgestützter sowjetischer Raketen zu bedrohen, da dies den Sowjets einen starken Antrieb liefern könnte, in einer Krise einen Entwaffnungsschlag zu führen. Eine alternative Betrachtungsweise sieht jedoch im Erreichen dieser gesteigerten Zerstörungsfähigkeit und anderer Kriegführungsmöglichkeiten eine Notwendigkeit, um die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Abschreckungsdrohung zu erhöhen und damit die Krisenstabilität zu fördern. Einige Anhänger dieser Interpretation behaupten auch, daß die Entwicklung von Fähigkeiten zur Zerstörung gehärteter Ziele unter dem Gesichtspunkt von Krisenstabilität den wünschenswerten Effekt hat, die Sowjets zu zwingen, sich nicht mehr auf ihre verwundbaren landgestützten Systeme zu verlassen.
Das Fehlen verläßlicher Aussagen über die strategischen Vorstellungen und Annahmen der Sowjets macht es schwer, die eine oder andere Interpretation zurückzuweisen oder zu bestätigen. Festzustehen scheint jedoch, daß sowohl sowjetische als auch amerikanische Entscheidungsträger zunehmend über die Verwundbarkeit ihrer strategischen Systeme beunruhigt sind Bis heute hat diese Besorgnis nur in den Bemühungen der jeweiligen Seite Ausdruck gefunden, die existierenden oder angenommenen Verwundbarkeiten der eigenen Waffen zu reduzieren. Weder die Sowjetunion noch die USA haben ihre Bereitschaft erkennen lassen, Programme aufzugeben, die die gegnerischen Waffen bedrohen. Das Ergebnis war ein gegenseitiger Verlust an Vertrauen in die Intentionen des anderen und wachsende Angst vor einem Überraschungsangriff. Das Problem wurde noch durch die Tendenz beider Seiten verstärkt, den Gegner aufgrund von Vorurteilen zu beurteilen und anzunehmen, man kenne die Ursachen der Handlungsweise des Gegners und brauche deshalb dem, was er tatsächlich sagt oder wie die Lage aus seiner Sicht erscheint, keine Beachtung zu schenken.
Der Beitrag bereits ausgehandelter Rüstungskontrollvereinbarungen zur Steigerung der Glaubwürdigkeit der Abschreckung scheint begrenzt. Bestenfalls könnten Rüstungskontrollinitiativen, die sich auf vertrauensbildende Maßnahmen konzentrieren (d. h. vorherige Ankündigung von Raketentests oder Austausch von militärischen Daten), den Prozeß des Austausches von Abschreckungsdrohungen vereinfachen, ohne vorschnelles Verhalten zu provozieren. Sie könnten auch zu einer sicheren Wahrnehmung der strategischen Einschätzungen und Sicherheitsbedürfnisse des Gegners führen. So betrachtet, ist es denkbar, daß vertrauensbildende Maßnahmen zugleich die Krisenstabilität wie die Abschreckungsglaubwürdigkeit erhöhen Einschneidende Reduzierungen werden ebenfalls als ein Mittel zur Förderung der Krisen-stabilität empfohlen. Obwohl ein Resultat der in Aussicht genommenen Reduktionen der Abbau einer großen Zahl sowjetischer ICBM mit Mehrfachsprengköpfen ist, hätten lineare Kürzungen den kaum wünschenswerten Nebeneffekt, die sicherste Komponente im amerikanischen strategischen Arsenal zu gefährden: die U-Boot-gestützten Raketen (SLBM = Sea Launched Ballistic Missiles). Durch die Reduzierung von SLBM ünd strategischen Bombern würden einschneidende Abrüstungsmaßnahmen außerdem das strategische Gleichgewicht gegenüber technologischen Innovationen jenseits der verhandelten Systeme anfälliger machen (d. h. Anti-U-Boot-Kriegführung und aktive Luftverteidigung). Wie Henry Kissinger neben anderen festgestellt hat, könnten einschneidende Reduzierungen statt der Verminderung der Gefahr eines Überraschungsangriffs seine Gefahr sogar vergrößern
3. Aufrechterhaltung von Befehlsgewalt, Kontrolle und Kommunikation Die verwundbarste Komponente der strategischen Streitkräfte der USA und der UdSSR ist wahrscheinlich das jeweilige System aus strategischer Befehlsgewalt, Kontrolle und Kommunikation (Command, Control and Communications = C 3). Obwohl die Wissenschaft über das Ausmaß der anzustrebenden C 3überlebensfähigkeit nicht einer Meinung ist, wird kaum in Frage gestellt, daß es notwendig wäre, die gegenwärtigen C 3-Fähigkeiten zu verbessern, um damit die Abschreckungs-glaubwürdigkeit und Stabilität zu erhöhen. Das strategische Führungssystem aus Befehlsgewalt, Kontrolle und Kommunikation ist als ein Netzwerk vorstellbar aus „Sensoren, um einen Angriff zu entdecken und einzuschätzen ...; Kommandozentralen zur Bewertung der eingehenden Daten; Entscheidungsträger, um Entscheidungen über Gegenmaßnahmen zu treffen; Kommunikationsverbindungen, um die Sensoren, Kommandozentralen, Entscheidungsträger und Nuklearstreitkräfte miteinander zu verbinden .. ." Bis in die Mitte der siebziger Jahre war die vorrangige Grundlage der Verbesserung dieser C 3-Komponenten das Bemühen um Vermeidung zufälliger oder unautorisierter Einsätze nuklearer Waffen und die Erhaltung einer gesicherten Vergeltungsfähigkeit. Die wachsende Betonung von Kriegführungsfähigkeiten in der amerikanischen strategischen Doktrin hat allerdings zu einer grundsätzlichen Verschiebung in Richtung auf die Sicherung der Über-lebensfähigkeit der C 3-Systeme geführt. Des-mond Ball führt aus: „Die Fähigkeiten zu Kommandogewalt und Kontrolle und die Bedingungen, welche eine solche Kontrolle während eines strategischen nuklearen Schlagabtausches ermöglichen, sind für die Durchführbarkeit der gegenwärtigen strategischen Doktrin der USA entscheidend. Ohne überlebensfähige Kommando-, Kontroll-und Kommunikationssysteme (C 3) würde jede begrenzte atomare Operation, zu der Kontrollierbarkeit, Selektivität, Entscheidungsfähigkeit und Präzision gehören, schnell undurchführbar."
Diesem Prinzip entsprechend verlangt der jüngste Bericht des Verteidigungsministeriums ein „umfassendes Forschungs-und Entwicklungsprogramm zur Sicherung der Aufrechterhaltung von Kommunikationsverbindungen während eines Atomkrieges"
Genau dieses Streben nach Sicherung der Funktionsfähigkeit des C 3-Systems ist es, das einige Kritiker zu Angriffen auf die Pläne der Reagan-Administration herausgefordert hat, weil sie geeignet sind, den Glauben zu mehren, ein begrenzter Nuklearkrieg sei führbar und könnte gewonnen werden.
Gegenwärtig sind die verwundbarsten Teile des C 3-Systems wahrscheinlich die Frühwarnsysteme, die Bodenkontrolleinrichtungen für Satelliten, Kommunikationssysteme sehr niedriger Frequenz für die strategische U-Boot-Flotte und die Entscheidungszentren. Abgesehen von den Bedrohungen, denen auch die strategischen Waffensysteme ausgesetzt sind (also Auswirkung atomarer Explosion und Bestrahlung), können C 3-Systeme ebenso durch Sabotage, konventionelle Angriffe und gezielte Störungen gefährdet werden Die meisten Probleme des vorhandenen C 3-Systems scheinen nicht direkt im Rahmen von Rüstungskontrollverhandlungen lös-bar zu sein. Auf einem Gebiet bestünden jedoch Möglichkeiten, durch Rüstungskontrolle die Verwundbarkeit der Führungssysteme zu vermindern: bei der Anti-Satelliten-Kriegführung. Gegenstände eines in diese Richtung zielenden eventuellen Übereinkommens könnten sein: Testverbot für Abfangsatelliten, die oberhalb der niedrigen Flughöhe derzeitig von der Sowjetunion und den USA betriebener bzw. geplanter Systeme liegen; ein Stationierungsverbot für Laser-und Partikelstrahlwaffen im Weltraum; Beschränkungen für die Stationierung von Satelliten einer Nation in der Nähe von solchen anderer Staaten Zusätzlich könnten auch Rüstungskontrollmaßnahmen angestrebt werden, die die C-Verwundbarkeit dadurch verringern, daß sie Tests von SLBM auf niedrigen Flugbahnen untersagen und sichere maritime Schutzgebiete für strategische U-Boote vorsehen.
III. Politische Erwägungen
Es ist oft verlockend, die Vorzüge verschiedener Rüstungskontrollvorschläge ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ihres Beitrags zur strategischen Stabilität zu beurteilen. Mag ein solcher Ansatz auch eine nützliche intellektuelle Übung sein, so enthält er doch zweifellos die Gefahr der Ignorierung bzw. Fehleinschätzung innenpolitischer Faktoren, was sich deutlich in dem Umstand zeigt, daß inzwischen drei Rüstungskontrollvereinbarungen unterzeichnet, aber nicht ratifiziert worden sind: der Vertrag über unterirdische Kernwaffenversuche von 1974 (Testschwellenvertrag), der Vertrag über unterirdische Kernexplosionen zu friedlichen Zwecken von 1976 und der SALT-II-Vertrag von 1979. Vier der wichtigsten Faktoren, die die innenpolitische Durchsetzbarkeit einer zukünftigen START-Vereinbarung bestimmen, werden wahrscheinlich das Verständnis von Parität, die Verifizierbarkeit, die Einfachheit und die Auswirkung auf Waffenmodernisierungen sein. 1. Parität Meinungsumfragen in den Vereinigten Staaten über die öffentliche Unterstützung für Rüstungskontrolle zeigen ein interessantes Phänomen: Eine verbreitete und durchgehende Unterstützung für Rüstungskontrolle im allgemeinen, wesentlich geringer und eingeschränkter jedoch für spezifische Rüstungskontrollmaßnahmen
Eine Erklärung für dieses scheinbare Paradox (besonders mit Blick auf den starken Verfall der öffentlichen Unterstützung für SALT II im Jahre 1979) liegt darin, daß in der Offentlich-keit der Eindruck entsteht, der spezifische Vertrag wirke sich ungleich auf das strategische Gleichgewicht zwischen den USA und der UdSSR aus. Wenn diese Erklärung zutrifft, hängt die innenpolitische Unterstützung zukünftiger Rüstungskontrollvereinbarungen weniger von der tatsächlichen Symmetrie ihrer Auswirkungen als vielmehr von der öffentlichen Wahrnehmung ihrer Gerechtigkeit und Ausgewogenheit ab. Dies könnte einen Vertrag erfordern, der weniger komplex, aber direkter ausfällt als SALT II und zugleich offensichtlich die strategischen Arsenale beider Supermächte verringert, statt lediglich Obergrenzen auf hohem Niveau festzulegen Unglücklicherweise werden sowohl die Festlegung von Paritäten wie auch jede Einigung auf einen ausgewogenen Schlüssel für Reduktionen durch die realen Asymmetrien im Aufbau der Streitkräfte der USA und der UdSSR kompliziert (die Sowjets betonen landgestützte Systeme, die USA hingegen seegestützte). 2. Verifikation Verifikation ist seit langem die Nemesis der Rüstungskontrolle. Tatsächlich bietet die Geschichte der Verhandlungen über die Begrenzung strategischer Waffen, vom Vorschlag des Baruch-Plans 1946 bis zu den gegenwärtigen START-Verhandlungen in Genf, das Bild einer intensiven und fortlaufenden Kontroverse über politische und technische Verifikationsfragen. Obwohl die Überprüfbarkeit strategischer Waffenreduktion üblicherweise anhand der technischen Erfordernisse diskutiert wird, ist das Problem der Verifikation wahrscheinlich im Grunde eine philosophische Frage, bei der es um den Grad der Unsicherheit geht, mit dem jede Seite im Interesse der Abrüstung zu leben bereit ist Dieser Grad wird zu einem großen Teil von dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das strategische Verhalten des Gegners richtig einschätzen zu können, bestimmt. Daher hängt das Vertrauen in die Überprüfbarkeit von Abkommen wiederum ebensosehr von politischen und subjektiven Kriterien ab wie von „harten Daten". Hinter den Gedankengängen der Verifikationsskeptiker steht die Prämisse, daß „wir nie etwas herausgefunden haben, was die Sowjets erfolgreich versteckt haben" Mit anderen Worten: Analytiker des US-Geheimdienstes können niemals sicher sein, nicht etwas Wichtiges übersehen zu haben. Die Optimisten sind andererseits eher geneigt, die Philosophie zu verbreiten, daß „ein ehrlicher Vertragspartner seine Vertrauenswürdigkeit nie beweisen kann" und deshalb von einem perfekten Betrüger nicht unterscheidbar ist Vertrauen ist in dieser Sicht nicht einfach ein Ersatz für Überprüfbarkeit, sondern ein mögliches Ergebnis des Verifikationsprozesses.
Die Spannung zwischen diesen beiden Auffassungen zum Problem der Überprüfbarkeit zeigte sich 1979 in der Ratifizierungsdebatte zu SALT II in den Ausschüssen im Senat, wo die Bewertungen über die Verifikationsmöglichkeiten des Vertrages sehr weit auseinandergingen. Während der Geheimdienstausschuß und der außenpolitische Ausschuß in Berichten die Überprüfungsmöglichkeiten für SALT II generell als ausreichend ansahen, bezog der Bericht des Verteidigungsausschusses eine ausgesprochen kritische Position. Bei den Mitgliedern aller drei Ausschüsse zeigte sich jedoch breite Übereinstimmung darin, daß die Überprüfbarkeit für die politische Akzeptanz von SALT II ein kritischer Punkt sei und die USA bei allen zukünftigen strategischen Rüstungskontrollvereinbarungen mit der Sowjetunion mehr Kooperation Moskaus in der Frage der Vertragsüberwachung verlangen sollten.
Vier Jahre nach der Senatsdebatte sind die politischen Anforderungen an die Verifikation noch prononcierter geworden. Das liegt zum Teil am wachsenden Konsens unter amerikanischen Verteidigungsexperten, daß die Sowjets die Bestimmungen der Übereinkunft über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung biologischer und toxischer Waffen verletzt haben. Ironischerweise könnte auch die besondere Betonung der Überprüfbarkeit eine Konsequenz des zunehmenden öffentlichen Drucks auf den Abschluß einer Rüstungskontrollvereinbarung sein, da das Argument der Verifikation denen eine politisch respektable Handhabe liefert, die einem Einfrieren der Bestände an Nuklearwaffen und anderen Rüstungskontrollvereinbarungen aus grundsätzlicheren Erwägungen ablehnend gegenüberstehen
Es ist vorstellbar, daß keine zukünftige, für die Sowjetunion akzeptable START-Vereinbarung den innenpolitischen Test der „adäquaten Verifikation” übersteht. Jedoch sind die Aussichten, gleichzeitig die Sowjets und die öffentliche Meinung in den USA zu befriedigen, um so besser, je einfacher die technischen Voraussetzungen zur Überprüfung wären, was bedeutet, daß alternative Rüstungskontrollvorschläge ebenso hinsichtlich der Einfachheit ihrer Verifizierbarkeit beurteilt werden müssen wie auch in ihren Auswirkungen auf die strategische Stabilität. 3. Einfachheit Die aufgezeigte Beziehung zwischen der öffentlichen Meinung und der Einfachheit der Verifikationsbedingungen entspricht der allgemeinen, die zwischen der öffentlichen Unterstützung und der Komplexität eines Abkommens besteht. Je esoterischer die Bedingungen eines Vertrages sind, desto schwieriger ist es, dafür auf breiter Basis öffentlichen Zuspruch zu finden. Während es also korrekt sein mag, daß die 19 Artikel, 47 zusätzlichen Absprachen und die 51 Vereinbarten Erklärungen von SALT II nötig waren, um Zweifel an der sowjetischen Verläßlichkeit zu vermindern, die der Ratifizierung des wesentlich kürzeren und weniger komplexen SALT-I-Vertrages folgten, verhinderten die größere Subtilität und die detailliertere Formulierung von SALT II zugleich Verständnis und Unterstützung des Vertrages durch die Öffentlichkeit. Bei dieser Gelegenheit ist darauf hinzu-weisen, daß es gerade die Einfachheit der Idee eines Einfrierens der Nuklearwaffen ist, die diesen Rüstungskontrollansatz zu einer Massenbewegung werden ließ.
Natürlich besteht das Risiko, daß etwas, was aufgrund seiner Einfachheit attraktiv ist, zugleich banal und unrealistisch sein könnte. Viele Analytiker gehen davon aus, daß diese Kritik sowohl auf die meisten Vorschläge zur Einfrierung nuklearer Waffen als auch auf Präsident Reagans „Null-Lösung 11 zutrifft. Was einfach ist, muß aber nicht notwendigerweise auch banal sein, und die Architekten zukünftiger Rüstungskontrollvereinbarungen täten gut daran, komplizierte und anspruchsvolle Abrüstungsformeln zugunsten einer klaren Durchschaubarkeit zu meiden. 4. Waffenmodernisierung Die Unfähigkeit, qualitative Entwicklungen in der Waffentechnologie zu unterbinden, wird regelmäßig als besondere Lücke bisheriger Rüstungskontrollbemühungen hervorgehoben. Cruise Missiles und MIRV gehören zu den Waffensystemen, die vereinbarte Rüstungsbeschränkungen umgangen haben Auch wenn die destabilisierende Wirkung „des blinden technischen Fortschritts" nicht geleugnet werden kann — besonders im Fall der MIRV —, muß doch andererseits festge-stellt werden, daß die Aussicht auf Waffenmodernisierungen Vorbedingung für die Unterstützung von Rüstungskontrollvereinbarungen durch die Streitkräfte ist (sowohl in der Sowjetunion als auch in den USA). Die innenpolitische Akzeptanz eines zukünftigen START-Abkommens wird deshalb nicht nur von seiner Ausgewogenheit, der Überprüfbarkeit und der Einfachheit abhängen, sondern genauso von den Schleichpfaden, die es den Streitkräften bietet, besonders erwünschte Waffensysteme in Dienst zu stellen.
Die paradoxe Situation, in der Waffenmodernisierung zur Voraussetzung von Rüstungskontrolle wird, bedeutet aber nicht, daß dem Militär die Freiheit zur Entwicklung und Stationierung der meisten von ihm bevorzugten Systeme eingeräumt werden muß. Mit dieser Feststellung wird nur darauf hingewiesen, daß der Entscheidungsprozeß über Rüstungskontrolle und nationale Sicherheit — in der Sowjetunion wie in den USA — kein streng rationaler Vorgang ist und daß die Unterstützung von Rüstungskontrollanstrengungen durch die Streitkräfte wahrscheinlich um den Preis einer gewissen Flexibilität in der Waffenmodernisierung erkauft werden muß. Aufgabe der Rüstungskontrolle muß es daher sein, Modernisierungen in solchen Bereichen einzuschränken, wo sie der strategischen Stabilität schaden könnten.
IV. Eine Bewertung von START
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die USA und die UdSSR in erster Linie mit dem Problem nuklearer Mittelstreckenwaffen (INF = Intermediate Range Nuclear Forces) befaßt. Bevor nicht ein Fortschritt bei den INF-Verhandlungen erfolgt, vielleicht in Form einer Zwischenlösung, ist es unwahrscheinlich, daß es bei START Bewegung gibt. Andererseits sind die Kernfragen der INF-Gespräche mit dem globalen strategischen Gleichgewicht verknüpft und werden vielleicht nur im Rahmen eines umfassenderen Abkommens zur strategischen Rüstungsbegrenzung befriedigend gelöst werden können. Daher ist es sinnvoll, den gegenwärtigen Zustand von START zu untersuchen und die amerikanischen und sowjetischen Vorschläge anhand der Checkliste von Faktoren zu überprüfen, die oben als Voraussetzungen strategischer Stabilität und politischer Annehmbarkeit analysiert wurden.
Die START-Gespräche laufen in Genf seit dem 29. Juni 1982. Die Reagan-Administration hat die Verhandlungen mit einem Vorschlag zu einschneidendem Waffenabbau eröffnet, der seitdem auch die amerikanische Position geblieben ist. Er enthält folgende Punkte:
1. Reduktion der Zahl der Sprengköpfe auf strategischen Raketen um etwa ein Drittel während einer Zehn-Jahres-Periode bis zu einer Höchstgrenze von 5 000;
2. Verringerung der Zahl strategischer Abschußvorrichtungen auf insgesamt nicht mehr als 850; 3. Einführung einer Höchstgrenze für Sprengköpfe auf landgestützten strategischen Raketen von 2 500.
Die USA schlagen darüber hinaus eine zweite Reduzierungsphase vor, in der jede Seite die Nutzlast ihrer Raketen (das Gewicht der Wiedereintrittsflugkörper, die in den Weltraum befördert werden können) auf ein Niveau unter dem der gegenwärtigen Daten für die USA verringert. Es ist nicht möglich, alle oder auch nur die wichtigsten politischen und militärischen Ziele zu benennen, die dem amerikanischen Vorschlag zugrunde liegen. Die Vielgestaltigkeit der Initiative legt allerdings nahe, daß es sich um das Produkt eines bürokratischen Kompromisses handelt, der auseinanderlaufende Interessen und zum Teil nicht miteinander zu vereinbarende Ziele zu verbinden versucht. Ein Beobachter stellte fest: „Der Präsident selbst befürwortet mit Nachdruck Reduzierungen; das Büro des Verteidigungsministers wünscht Begrenzungen der Nutzlast; der Generalstab hat darauf gedrängt, Begrenzungen der Abschußsysteme vorzunehmen; das Außenministerium will nur die Zahl der Sprengköpfe begrenzen und alle anderen Begrenzungen fallenlassen." Der amerikanische Eröffnungsvorschlag bietet also für jeden Akteur etwas.
Wenn es eine gemeinsame Linie, die die verschiedenen Elemente des US-Vorschlags durchzieht, gibt, dann ist es der Wille, die sowjetischen ICBM-Streitkräfte zu reduzieren. Hier ist die direkte Stoßrichtung einer Höchstgrenze von 2 500 ICBM-Sprengköpfen zu sehen, die den Sowjets eine Reduktion ihres Arsenals um mehr als die Hälfte abverlangt. Die Höchstgrenze von 850 Abschußsystemen in Verbindung mit der Sprengkopf-begrenzung zielt ebenfalls auf den Abbau sowjetischer ICBM auf etwa 400, da Moskau wahrscheinlich eine substantielle Anzahl der weniger verwundbaren SLBM behalten will. Angesichts der Konzentration in der zweiten Phase auf die Nutzlast von ICBM (insbesondere SS-18 und SS-19) ergäbe sich hier eine noch dramatischere Reduktion sowjetischer landgestützter Raketen.
Gerade diese Konzentration auf ICBM macht den amerikanischen START-Vorschlag in seiner gegenwärtigen Form für die Sowjetunion unattraktiv. So würde der amerikanische Plan nicht nur eine massive Umstrukturierung der sowjetischen Streitmacht verlangen, sondern zugleich der USA weiterhin die Verfolgung ihrer Modernisierungsprogramme erlauben Trotzdem haben die Sowjets den US-Vorschlag nicht entschieden abgelehnt, sondern ihn mit einem eigenen Angebot beantwortet. Er sieht eine Höchstgrenze von 1 800 strategischen Trägersystemen (Bomber, ICBM und SLBM) vor, bei gleichzeitigem Ein-33) frieren der Produktion neuer strategischer Waffen.
Es ist nicht überraschend, daß die amerikanische START-Initiative in ihrer gegenwärtigen Form für die Sowjets unakzeptabel ist. Man sollte aber wohl erwarten, daß der amerikanische Vorschlag, insoweit er die Überlebensfähigkeit der amerikanischen Waffen verbessert, die strategische Stabilität erhöht. Eine Untersuchung der START-Vorschläge anhand obiger Checkliste zeigt jedoch, daß auch dies nicht uneingeschränkt der Fall ist. 1. Sichere Zweitschlagwaffen Der unumstrittenste Punkt in der Checkliste strategischer Ziele dürfte wahrscheinlich die Erhaltung sicherer Zweitschlagwaffen sein. Gerade hierauf bezogen sich ja Befürchtungen wegen eines Verwundbarkeitsrisikos — ein Problem, das von Präsident Reagan und seinen Ratgebern regelmäßig bei Angriffen auf SALT II aufgeworfen wurde. Doch Reagans eigener START-Vorschlag würde, zumindest in der ersten Phase, wenig dazu beitragen, die Überlebensfähigkeit der amerikanischen ICBM zu erhöhen, könnte sie sogar weiter verringern. Der Grund dafür ist darin zu sehen, daß der Plan das gegenwärtige Verhältnis zwischen sowjetischen ICBM-Sprengköpfen und amerikanischen ICBM von 5 : 1 auf mehr als 6 : 1 erhöhen würde. Außerdem begünstigt der Zwang zur Verringerung der amerikanischen U-Boot-Streitmacht diejenige Seite, welche einen Erstschlag plant.
Aber auch der sowjetische Vorschlag, die Höchstgrenze für strategische Abschußvorrichtungen um 25 % unter die SALT-II-Begrenzung zu senken, würde wenig zur Verringerung der ICBM-VerwUndbarkeit beitragen. Obwohl einfacher als der amerikanische Plan gehalten, geht auch er am Kern des Verwundbarkeitsproblems — der Disproportion zwischen Sprengköpfen und Abschußvorrichtungen — vorbei. 2. Glaubwürdigkeit der Abschreckung und Krisenstabilität Es ist nicht erkennbar, daß die erste Phase der US-START-Vorschläge irgendeinen direkten Einfluß auf die Stärkung der Glaubwürdigkeit der amerikanischen Abschreckungsdrohung haben würde. Ein indirekter Effekt bestünde nur insoweit, als amerikanische strategische Modernisierungsprogramme nicht behindert würden (eine solche Sicht setzt jedoch voraus, daß Modernisierungsprogramme wie MX als Beitrag zur Glaubwürdigkeit der Abschrekkungsdrohung betrachtet werden). Durch die zweite Phase — im unwahrscheinlichen Fall, daß die Sowjets die Nutzlastreduktion akzeptieren — könnte die Glaubwürdigkeit der Abschreckung durch die Verminderung der Asymmetrie bei den landgestützten Waffen jedoch erhöht werden.
Was immer aber auch der erste Schritt der US-Vorschläge zur Abschreckungsglaubwürdigkeit beitragen könnte, scheint dadurch, daß er die Krisenstabilität untergräbt (die Gründe wurden oben aufgeführt), aufgewogen zu werden. Die Probleme der Verwundbarkeit und Krisenstabilität können — wie Henry Kissinger richtig bemerkt — nicht einfach durch einschneidende Reduzierung der Abschußsysteme gelöst werden: „Bei der gegebenen Disproportionalität zwischen Sprengköpfen und START-Geräten sind Reduktionen bezüglich der Gefahr eines Überraschungsangriffs entweder irrelevant oder erhöhen sie sogar. Angesichts der aktuellen Rüstungslage würde es, je umfangreicher die Reduktion ausfiele, um so weniger Ziele für einen Erst-schlag geben, und um so leichter wäre eine Kalkulierbarkeit."
Die Logik dieses Arguments richtet sich ebenso stark gegen den sowjetischen START-Vorschlag wie gegen den amerikanischen. 3. Effektive Befehlsgewalt, Kontrolle und Kommunikation Weder der erste noch der zweite Schritt des amerikanischen START-Vorschlags würde die gegenwärtige C 3-Verwundbarkeit beeinflussen, die ohnehin nur durch unilaterale Aktionen zu verringern ist. Ebenso wenig geht der sowjetische START-Vorschlag auf die C 3-Probleme ein. Das entscheidende Gegenmittel der Rüstungskontrolle läge in der Beschränkung der Anti-Satelliten-Kriegführung. Doch an diesbezüglichen Verhandlungen haben die Reagan-Administration und die Sowjets wenig Interesse gezeigt. 4. Wahrnehmung der Gleichgewichtigkeit Hinsichtlich der Checkliste strategischer Erwägungen sind die amerikanischen START-Vorschläge kaum positiv zu bewerten. Anders verhält sich dies bei der Betrachtung ihrer politischen Annehmbarkeit. Die Konzentration auf einschneidende Reduzierungen z. B. dürfte einer Öffentlichkeit entgegenkommen, die von früheren Rüstungskontrollvereinbarungen, deren Ergebnisse im wesentlichen in der Bestätigung der Waffenarsenale beider Supermächte bestanden, frustriert ist.
Indem die Reagan-Initiative auf einen erheblichen Abbau der landgestützten sowjetischen Raketen drängt, erweckt sie zudem den Eindruck, daß eine gefährliche sowjetische Überlegenheit korrigiert und ein günstigeres strategisches Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau erreicht würde.
Was der amerikanischen Öffentlichkeit als Parität erscheint, stellt sich in den Augen der sowjetischen Führung als Forderung nach Unausgewogenheit dar; denn der Vorschlag verlangt von Moskau einschneidendere Reduzierungen und Umstrukturierungen der Streitkräfte als von Washington. Es ist jedoch ermutigend, daß die Sowjetunion den Vorschlag nicht geradeheraus abgelehnt hat, wie sie es etwa mit den „Ergänzungsvorschlägen''der Carter-Administration vom März 1977 tat. Dies gilt auch für den sowjetischen Gegenvorschlag, der ebenfalls substantielle Reduzierungen der strategischen Abschußsysteme verlangt. Die primäre Herausforderung der sowjetischen Initiative ist aus amerikanischem Verständnis von Parität das Verbot der Herstellung neuer strategischer Systeme, von denen einige nach Auffassung der Reagan-Administration zur Wiederherstellung des strategischen Gleichgewichts notwendig sind. Darüber hinaus betrachtet Washington den sowjetischen Vorschlag auch insofern als unausgewogen, als er den sowjetischen Vorsprung in der Nutzlast erhält und der UdSSR wenig Anlaß bieten würde, ihre Abhängigkeit von landgestützten ICBM mit der Fähigkeit zur direkten Zerstörung verbunkerter Ziele abzubauen. 5. Verifikation Die Maßnahmen der ersten Phase des Reagan-Vorschlages und die vorgesehenen Reduktionen des sowjetischen Planes sind nicht schwerer zu verifizieren als SALT I und SALT II. Sie gehen von den gleichen Zieleinheiten aus (d. h. Sprengköpfe und strategische Abschußsysteme) und können auf die entsprechenden Zählregeln zurückgreifen (z. B. einmal mit MIRV getestet, immer als mit MIRV bestückt gezählt) Andererseits verlangen die Maßnahmen zur Reduzierung der Nutzlast in der zweiten Phase des Reagan-Plans neue Zähleinheiten, für die akzeptable Zählverfahren erst noch entwickelt werden müssen. Wahrscheinlich sind beiderseitig akzeptable Berechnungsweisen für die Nutzlast von ICBM und SLBM ermittelbar; erheblich komplizierter ist es, Entsprechendes für die Traglast von Bombern festzulegen, weil ihre Nutzlast -prinzipiell von ihrer Mission abhängt. Während einerseits der Reagan-Vorschlag strategische Bomber von den START-Beschränkungen ausnimmt, ist es andererseits unwahrscheinlich, daß die Sowjets ernstlich über Höchstgrenzen bei der Nutzlast verhandeln, wenn das strategische System ausgeschlossen wird, auf welches der größte Teil der amerikanischen Nutzlast entfällt
Da die Kernpunkte des amerikanischen START-Vorschlags vom technischen Standpunkt aus gesehen ähnliche Verifikationsprobleme mit sich bringen wie SALT II, würde Präsident Reagan vor einer schwierigen Aufgabe stehen, wollte er Skeptiker im Kongreß davon überzeugen, daß die Einhaltung des Vertrags sich angemessen überprüfen ließe. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, die sowjetische Zustimmung zu Inspektionen vor Ort auszuhandeln, ist es nicht klar, ob damit die amerikanischen Fähigkeiten, eine sowjetische Vertragsverletzung zu erkennen, wesentlich erhöht würden.
So könnten die gleichen strikten Anforderungen an die Überprüfbarkeit, mit denen Präsident Reagan den SALT-II-Vertrag so effektvoll als „fatal fehlerhaft" porträtierte, nun in der Ratifizierungsdebatte auf ihn zurückfallen, wenn es tatsächlich zu einer START-Vereinbarung kommen sollte. 6. Einfachheit Die generellen Zielsetzungen des amerikanischen wie des sowjetischen START-Vorschlages sind leicht verständlich, und die Absicht zur Reduktion sollte helfen, einer Vereinbarung die innenpolitische Unterstützung zu sichern. Allerdings sind die Details beider Vorschläge noch nicht bekannt und die Gespräche noch in einem Stadium der Erkundung, so daß sich zur Zeit noch nicht sagen läßt, ob die ausgehandelten START-Vereinbarungen schließlich komplexer oder einfacher ausfallen als SALT II. 7. Waffenmodernisierung Nach dem gegenwärtigen Stand verlangt der amerikanische START-Vorschlag von den USA nicht die Aufgabe irgendeines geplanten strategischen Modernisierungsprogramms. Soweit in den Medien berichtet, implizieren die Vorstellungen der USA keinerlei qualitative Einschränkungen. Dieser Umstand muß die Initiative für die Streitkräfte der USA akzeptabel machen. Jedoch ist es zweifelhaft, ob die Zeit und der technologische Fortschritt letztlich zugunsten der Vereinigten Staaten arbeiten.
Das Fehlen auch nur eines Lippenbekenntnisses zur technologischen Beschränkung im amerikanischen Vorschlag (anders als im sowjetischen) könnte auf lange Sicht die öffentliche Unterstützung für die US-Position unterlaufen.
V., Aussichten für einen Kompromiß
Die Geschichte der SALT-Verhandlungen ermutigt nicht gerade zum Optimismus, daß es bald zu einer START-Vereinbarung kommen könnte. Gegenseitiges Mißtrauen und Feindseligkeiten, wie sie den gegenwärtigen Stand der sowjetisch-amerikanischen Beziehungen charakterisieren, kommen noch zu den Schwierigkeiten, die solche Verhandlungen ohnehin aufweisen, hinzu. Insbesondere aber hängt die Möglichkeit, zu einer START-Vereinbarung zu kommen, davon ab, wie sehr beide Seiten eine solche überhaupt wünschen. Zur Zeit ist nicht sicher, ob die Vereinigten Staaten oder die Sowjetunion überzeugt sind, daß der Abschluß einer Rüstungskontrollvereinbarung der beste Weg zur Erreichung ihrer militärischen und politischen Ziele ist. Zunehmend scheinen die USA die Position zu übernehmen — die nicht leicht zu widerlegen ist —, daß formelle Rüstungskontrollvereinbarungen nicht immer zur Stärkung des strategischen Gleichgewichts führen und in einigen Fällen sogar kontraproduktiv sind. Unklar ist, inwieweit in Washington von den Entscheidungsträgern in Fragen der nationalen Sicherheit die Auffassung einiger Regierungsberater übernommen wird, daß Rüstungskontrolle eine gefährliche Falle ist, in der sich die USA unnötigerweise selbst verfangen.
Zwar gibt es einen starken innenpolitischen und internationalen Druck, der verhindert, daß diese Philosophie öffentlich vertreten wird, doch stimmt sie mit Präsident Reagans Ablehnung früherer Rüstungskontrollabkommen und mit seinem Vorschlag, ein Abwehrsystem gegen ballistische Raketen zu entwickeln, um „offensive nukleare Raketen überflüssig werden zu lassen", überein Aber auch die Sowjetunion hat wenig getan, um Vertrauen in ihre Entschlossenheit zur Dämpfung des Wettrüstens zu erwecken. Unabhängig davon, ob man nun die Behauptung der Reagan-Administration, die Sowjetunion habe eine strategische Überlegenheit erreicht, akzeptiert, kann man die massive strategische Aufrüstung der Sowjets seit Beginn des SALT-Prozesses nicht leugnen. Die starken Beweise für eine sowjetische Verletzung des Vertrages über biologische und chemische Waffen lassen gleichfalls beunruhigende Fragen hinsichtlich der Ernsthaftigkeit des sowjetischen Interesses an Abrüstungskontrollvereinbarungen aufkommen.
Neben diesen möglichen Hinweisen auf ein Desinteresse der Supermächte an Rüstungskontrolle muß andererseits festgestellt werden, daß einseitige Versuche zur Erreichung strategischer Stabilität (oder Vorteile) nicht ohne beträchtliche ökonomische und politische Kosten und Risiken sind. Die Erkenntnis dieser Gefahren kann entscheidender Anlaß sein, zugleich Rüstungskontrolle zu verfolgen und einseitige Initiativen voranzutreiben. Der Reagan-Administration bieten die START-Gespräche eine Gelegenheit, den innenpolitischen und internationalen Druck auf ein Einfrieren der Atomrüstung zu zerstreuen. Soweit erkennbar, dürften die gemeinsamen Interessen beider Großmächte bei START in der Reduzierung der gegnerischen Fähigkeiten und Potentiale zur Zerstörung verbunkerter Ziele liegen Ist dies der Fall, könnten die Ausgangspositionen beider Seiten die Basis für einen realistischen Kompromiß liefern.
Der Entwurf eines möglichen Kompromisses könnte die amerikanische Idee einer Höchst-grenze von 5 000 Raketensprengköpfen (ausgedehnt auf luftgestützte Cruise Missiles) mit dem sowjetischen Vorschlag einer Grenze von 1 800 strategischen Abschußvorrichtungen kombinieren. Dies würde beiden eine größere Flexibilität bei der Strukturierung ihrer strategischen Streitkräfte sichern, als dies durch den amerikanischen Vorschlag der Fall wäre. Auch wenn die Sowjets ihre Streitkräfte immer noch stärker abbauen müßten als die Amerikaner (etwa 700 Abschußsysteme bei den Sowjets und 150 bei den USA), würde diese Lösung für sie doch wesentlich attraktiver als die Reduktion um 1 500 ICBM-und SLBM-Startern sein, wie sie der amerikanische START-Vorschlag vorsieht. Der vorgeschlagene Kompromiß würde außerdem das Verhältnis von ICBM-Sprengköpfen zu -Start-geräten zugunsten letzterer ändern (um ihre Überlebensfähigkeit und die strategische Stabilität zu erhöhen), selbst wenn keine spezifischen Zwischengrenzen für landgestützte Raketen vorgesehen werden.
Unter dem Aspekt strategischer Stabilität besteht ein zusätzlicher Vorteil darin, daß die Beibehaltung einer passabel hohen Obergrenze für Abschußvorrichtungen bei gleichzeitiger Einführung einer größeren Beschränkung der Sprengkopfzahl den Einsatz von Mehrfachsprengköpfen reduzieren würde. Wenn auch der Kompromißvorschlag die USA für die Entwicklung neuer Systeme wie die mit zehn Sprengköpfen bestückte MX bestrafen würde, befände er sich andererseits in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Sonderausschusses des Präsidenten zur Frage der MX-Stationierung, die eine neue Generation von kleinen, mit einem Sprengkopf versehenen ICBM Vorschlägen.
VI. Schlußfolgerungen
Die vorangegangene Analyse hat die Distanz zwischen den Anforderungen strategischer Stabilität und den Möglichkeiten, diese durch den Abschluß von Rüstungskontrollvereinbarungen zu erreichen, herausgearbeitet. Sie legt überdies nahe, daß der einleitende amerikanische START-Vorschlag, selbst wenn er von der Sowjetunion akzeptiert würde, diese Stabilität kaum erhöhen, sondern ihr eher schaden könnte. Ein Kompromißabkommen, das Aspekte der amerikanischen und sowjetischen Vorschläge vereint, scheint den Eröffnungsvorschlägen beider Seiten vorzuziehen zu sein, zumindest mit Blick auf eine Verminderung der ICBM-Verwundbarkeit und Erhöhung der Krisenstabilität. Ironischerweise hätte man sowohl die START-Reduzierungen, wie sie die Reagan-Administration anstrebt, als auch die von der Sowjetunion vorgeschlagenen im Rahmen des SALT-II-Vertrages aushandeln können. Das von Präsident Reagan geforderte strategische Modernisierungsprogramm wäre von den Bestimmungen des SALT-II-Vertrages ebenfalls nicht berührt worden. Betrachtet man aber SALT II als „fatal fehlerhaft“ (wie die Kritiker des Vertrags-werkes), dann ist nicht zu erkennen, worin bei den bisherigen START-Vorschlägen die Verbesserungen liegen.
William C. Potter, Prof. Dr.; Associate Director of the Center of International and Strategie Affairs der University of California, Los Angeles; 1982 und 1983 Gastprofessor an der Universität Bonn. Veröffentlichungen u. a.: Verification and SALT: The Challenge of Soviet Strategie Deception, Los Angeles 1980; Nuclear Power and Non-Proliferation, Cambridge (Mass.) 1982.
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