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Ein zweiter Iran im Nahen Osten? Ägypten und die krisenhafte Entwicklung seiner Binnenstrukturen | APuZ 49/1983 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 49/1983 Artikel 1 Chancen und Risiken der Nah-und Mittelost-Politik der USA Ziele und Grenzen sowjetischer Interessenpolitik in Nah-und Mittelost Die PLO im regionalen Dreieckskonflikt Ein zweiter Iran im Nahen Osten? Ägypten und die krisenhafte Entwicklung seiner Binnenstrukturen

Ein zweiter Iran im Nahen Osten? Ägypten und die krisenhafte Entwicklung seiner Binnenstrukturen

Bassam Tibi

/ 37 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Von der empirischen Feststellung ausgehend, daß die iranische Revolution in einer Periode überregionaler Politisierung des Islam stattgefunden hat, wird die Frage gestellt, ob in Ägypten angesichts der krisenhaften Entwicklung seiner Binnenstrukturen eine solche islamisch legitimierte Revolution stattfinden könnte. Unter Berücksichtigung der besonderen strategischen Bedeutung Ägyptens ließe eine solche Wiederholung des iranischen Falles in jenem Land weitgehende sicherheitspolitische Folgen befürchten. Die vorliegende Untersuchung wird mit der Erläuterung der überregionalen Bedeutung Ägyptens als regionalem Zentrum der nahöstlichen Region eingeleitet, die der Illustrierung der angesprochenen sicherheitspolitischen Folgen dient. Der Frage, ob das iranische Modell sich in Ägypten wiederholen könnte, wird auf drei Ebenen nachgegangen. Zunächst wird die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens untersucht. Der Staatsdirigismus unter Nasser hat die ägyptische Wirtschaft bis auf eine jährliche Wachstumsrate von einem Prozent heruntergebracht. Mit Hilfe der Liberalisierungspolitik Sadats wird eine Verbesserung der Wachstumsrate bis auf 8 Prozent jährlich erreicht. Es wird aber festgestellt, daß dieser wirtschaftliche Aufschwung nicht auf Investitionen im produktiven Sektor (Landwirtschaft und Industrie) beruhte und zudem eine auffällige Korruption begünstigte. Anschließend wird die politische Entwicklung unter Sadat und Mubarak von einem Einpartei-zu einem Mehrparteiensystem untersucht und gezeigt, daß eine partielle Demokratisierung, nicht aber die erforderliche demokratische Partizipation erreicht wurde. Abschließend wird die Frage gestellt, ob die in den ägyptischen Städten, vor allem in Kairo, agierenden islamitisch-neofundamentalistischen Gruppen unter den vorhandenen Bedingungen die islamische Bevölkerung Ägyptens nach dem iranischen Vorbild mobilisieren und das von ihnen angestrebte islamische System einführen könnten. Die Analyse der Rahmenbedingungen, der Entstehung und Entfaltung dieser Gruppen zeigt, daß sie nicht in der Lage sind, weder das religiöse Establishment noch die modern gebildete Elite für sich gewinnen zu können. Die Schlußfolgerung aus der Analyse der wirtschaftspolitischen, innenpolitisch-institutionellen und religiösen Bedingungen führt zur Verneinung der sicherheitspolitischen Befürchtung einer Wiederholung des iranischen Falles in Ägypten.

Nach dem Ausbruch der von dem islamischschiitischen Klerus getragenen und unter Rückgriff auf den Islam legitimierten politischen Erhebung gegen das Schah-Regime in Iran hat sich die internationale und regionale sicherheitspolitische Situation im Nahen Osten erheblich verändert. Nicht nur für Politiker, sondern sogar für die meisten wissenschaftlichen Experten kam diese „Islamische Revolution“ unerwartet. Einige dieser Experten erwarteten sogar die Rückkehr des Schah nach Iran nach dem Muster der Ereignisse von 1953, als der Schah seinerzeit nach seiner Entmachtung mit amerikanischer Hilfe zurückkehren konnte. Die Erwartung hat sich nicht erfüllt. Es etablierte sich ein neues Regime und der Iran blieb nicht der einzige Unruheherd in der Region. Die „Spillover" -Effekte der iranischen Revolution haben sogar eine destabilisierende Wirkung auf die gesamte Region ausgeübt.

Leider sind viele Experten dazu übergegangen, ihre Unfähigkeit, die „islamische Revolution“ in Iran seinerzeit zu prognostizieren, dadurch zu kompensieren, daß sie nunmehr in jeder destabilisierenden Veränderung in der Region einen neuen Fall nach iranischem Muster sehen. Ägypten stand bei solchen Fehleinschätzungen im Mittelpunkt. Neben Iran unter dem Schah war Ägypten der zweit-wichtigste Regionalakteur im Nahen Osten. Eine „islamische Revolution“ in Ägypten, das die autoritativste Lehrstätte des sunnitischen Islam, die Azhar-Universität, beherbergt, würde unvergleichbar größere „Spillover“ -Effekte auf die ganze, vorwiegend sunnitische Region haben, als die schiitische und dazu auch nicht-arabische Revolution in Iran je hatte. Nach Sadats Ermordung meinten viele Experten voreilig, daß Ägypten nun vor einer „islamischen Revolution“ stünde. Das neue Mubarak-Regime hat sich aber trotz dieser Voraussagen etabliert, und es wird heute selbst von eben jenen Experten als stabil eingeschätzt Politische Prognosen dürfen nicht in Windeseile formuliert werden; sie bedürfen zuvor der gründlichen Expertise. Die vorliegende Abhandlung hat einen bescheidenen Anspruch; sie will lediglich zu einer solchen Expertise beitragen, zu deren Erfüllung weitere Bemühungen erforderlich sein werden. Es geht hier um einige Aspekte der Sicherheitspolitik im Nahen Osten unter der Perspektive der Entwicklung innerer Strukturen regionaler Vor-mächte und deren Einbettung in das regionale Gebilde bzw. in das internationale System. Ägypten ist trotz seiner Isolierung im Gefolge des Camp-David-Abkommens immer noch eine regionale Vormacht, deren Entwicklung für die gesamte Region von zentraler Bedeutung ist Saudi-Arabien hat sich im Rahmen des „Ol-Bonanza" seit 1973 zu dem wichtigsten Regionalzentrum " im Nahen Osten entwickelt Sowohl der Niedergang des Nasserismus als auch der Sturz der Pahlewi-Dynastie haben diese neue Stellung verstärkt. Eine effektive Außenpolitik eines regionalen Zentrums erfordert aber das Vorhandensein außenpolitischer Instrumente, über die das strukturell weitgehend unterentwickelte beduinische Saudi-Arabien nicht verfügt. Ölreichtum ist ein wichtiges außen-politisches Instrument. Es reicht alleine aber nicht aus, um eine regionale Vormacht-Au-ßenpolitik zu betreiben. Hieraus entspringt die Bedeutung Ägyptens als des am meisten strukturell entwickelten Landes der gesamten Region. Ein ehemaliger Wirtschaftsminister Nassers, der gegenwärtig als Berater in einem arabischen Golf-Scheichtum arbeitet, sagte dem Autor auf einer Konferenz: . Ägypten kann ohne die anderen Araber leben, diese können aber auf Ägypten nicht verzichten." Diese Aussage charakterisiert adäquat die Lage in der Region. Ägyptens Bedeutung hat seit der „iranischen Revolution" selbst für Saudi-Arabien erheblich zugenommen, da die arabischen Öl-Staaten sich alleine gegen die universellen Ansprüche Khomeinis, sein Revolutionsmodell in die gesamte islamische Welt (vierzig Staaten mit einer Bevölkerung von 800 Mio.) zu exportieren, nicht wehren können Ohne die ägyptische Militärhilfe hätte der Irak z. B.seinen von Saudi-Arabien und Kuweit finanzierten Krieg gegen Iran nicht so lange durchhalten können.

Diese Bemerkungen illustrieren die zentrale Bedeutung der sicherheitspolitischen Position Ägyptens für die gesamte Region des Nahen Ostens. Diese Arbeit stellt die innenpolitische Entwicklung Ägyptens in ihren Mittelpunkt, wobei der Analyse der wirtschaftlichen und sozio-politischen Strukturen und deren Verflechtungszusammenhängen eine zentrale Bedeutung zugemessen wird.

I. Ägypten als ein regionales Zentrum der nahöstlichen Region

Aus der zeitgeschichtlichen Perspektive mögen folgende Hinweise genügen, um die dieser Abhandlung zugrunde liegende These zu illustrieren, Ägypten sei das wichtigste regionale Zentrum des Nahen Ostens: Nach Indien ist Ägypten der größte Empfänger deutscher Entwicklungshilfe in Form von Kapitalhilfe und die Sowjetunion hat ihrerseits im Rahmen der regionalen Spezifizierung ihrer außenpolitischen Dritte-Welt-Strategie Ägypten die Stellung einer Schlüsselfigur zuerkannt Nach dem Tode Nassers und der danach von Sadat durchgesetzten Hinwendung zum Westen haben die USA zur Festigung ihrer regionalen Position „das seit dem Marshall-Plan größte und umfassendste Wirtschaftshilfe-Programm“ in Ägypten getragen, wie der Kairoer Direktor der US-Agency for International Development, Donald Brown, hervorhebt.

Aus der Perspektive der neueren Geschichte stellt Ägypten neben dem türkischen Kern-land des Osmanischen Reiches das zweite Begegnungsforum zwischen Orient und Okzident im modernen Zeitalter dar. Napoleons Ägypten-Expedition im Jahre 1798 leitete das ein, was der britische Wirtschaftshistoriker Roger Owen den Eintritt des Nahen Ostens in die Weltwirtschaft nannte In Ägypten wird die islamische Kultur am gründlichsten mit der europäischen Moderne konfrontiert Dort entstehen die führenden modernen Eliten der gesamten Region. Unter Mohammed Ali wird in Ägypten während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der erste Versuch im Nahen Osten unternommen, einen modernen, säkular orientierten Staat aufzubauen der allerdings durch die koloniale Penetration des Landes unterminiert und beendet wird. Ägypten wird im Jahre 1882 zu einer britischen Kolonie. Die ägyptische Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts und ihr Symbol, der , Urabi-Aufstand', prägen den Einbruch nationaler Orientierungen in die islamisch-universell orientierte arabische Region Die ersten säkular-national ausgerichteten Parteien im modernen Sinne wurden in Ägypten gegründet, und schließlich erlangte Ägypten als erstes arabisches Gebiet im Jahre 1922 seine völkerrechtliche Souveränität und führte als erstes arabisches Land das parlamentarische Mehrparteienregierungssystem als Regierungsform ein Der militärische Coup d'Etat der „Freien Offiziere" unter Nasser vom 23. Juli 1952 beendete den ägyptischen Parlamentarismus und brachte das revolutionäre Regime der militärischen Elite als Alternative

In allen angeführten Phasen und bei allen Innovationen galt Ägypten für die ganze Region als Vorbild. Zwar kannten auch Syrien und zuvor der Irak das parlamentarische Regierungssystem und sogar noch vor Ägypten die militärische Intervention in die Politik; aber der ägyptische Parlamentarismus stand als Modell für die Einführung dieser Regierungsform in die arabo-islamische Region. Der Niedergang des ägyptischen Parlamentarismus leitete überregional das Ende dieses Regierungssystems in den arabischen Ländern ein. Der Nasserismus war entsprechend die überregionale Alternative hierfür. Die arabische Niederlage im Sechs-Tage-Krieg von 1967 schwächte die Legitimität von Nassers Regime und beraubte die Ideologie des Nasserismus ihrer überregionalen Wirkung Auch diesmal ist es Ägypten, wo die Alternative entfaltet wird: Die Wiedergeburt des politischen Islam, aus der das wiederum überregionale Wiedererstarken des Islam hervorgegangen ist hat in Ägypten und nicht in Iran begonnen.

Unter Nasser hat die Sowjetunion den Höhepunkt ihres Einflusses in der gesamten Region gehabt Seit dem Tode Nassers und seit Sadats Aufstieg zur Macht, der mit der Ausschaltung des linken Flügels der Staatspartei „Arabische Sozialistische Union" (ASU) bzw. mit der Ausweisung der sowjetischen Militärberater aus Ägypten eingeleitet wurde beginnt in Ägypten eine Tendenzwende, die für die gesamte Region gilt. Parallel zu Ägyptens Hinwendung zum Westen wird die Rückkehr der meisten arabischen Länder in das westliche Lager ermöglicht. Innenpolitisch hat diese Wende in Ägypten mit der Politik der wirtschaftlichen, aber auch der politischen Liberalisierung „der Infitah“ (wortwörtlich: Öffnung) begonnen. Der regionale Ausdruck dieser Wende ist der Aufbau eines saudi-ägyptischen Gegengewichts am Roten Meer zu dem Übergewicht am Arabisch-Persischen Golf, das von Iran unter dem Schah als regionaler Ordnungsmacht getragen wurde

Sadat war sich der Legitimitätskrise des Nasserismus und des Wiedererstarkens des Islam bewußt. Sowohl um die ASU-Linke, die Nasser mitgetragen hat, zu schwächen, als auch um die „islamische Tendenz" für seine eigene Legitimität zu mobilisieren, entließ Sadat die unter Nasser zu Tausenden in Gefängnissen inhaftierten Muslim-Brüder und gab sein Regime u. a. dadurch als islamisch aus, daß er eine neue Verfassung erließ, in der das islamische Recht, die „Scharia", zur Hauptquelle der Rechtsprechung deklariert wurde

Zwei unerwünschte Störfaktoren haben diese Entwicklung beeinträchtigt und kumulierten in der Ermordung Sadats durch islamische Fundamentalisten, die er anfänglich protegiert hatte. Zum einen stand Sadat unter er-heblichem innenpolitischen Druck, schnelle Lösungen für die Probleme, die aus dem ungeheuren demographischen Wachstum und der gleichzeitigen Stagnation der ägyptischen Wirtschaft bei einem erheblichen Anteil der Militärausgaben an den gesamten öffentlichen Ausgaben herrühren zu bieten. Unter diesem Druck handelte Sadat, als er seinen Blitzbesuch nach Jerusalem unternahm und im Anschluß daran Camp David bzw. das ägyptisch-israelische Friedensabkommen unterschrieb Der erste Störfaktor war in diesem Zusammenhang die „arabisch-ägyptische Konfrontation" die aus der arabischen Ablehnung von Camp David hervorging und die zu der politischen Isolierung Ägyptens beitrug. Sadat verkalkulierte sich, als er davon ausging, daß zumindest Saudi-Arabien, das ökonomische regionale Zentrum des Nahen Ostens, bei seiner Friedensinitiative mitziehen würde. Saudi-Arabien, das sicherlich mitgezogen hätte, um den Nahen Osten durch die Beendigung der Kriegssituation mit Israel zu befrieden und somit eine Atmosphäre für saudisch-finanzierte Investitionen zu schaffen stand vor der Alternative, sich wie Ägypten zu isolieren oder zumindest durch Anschluß an die arabische Mehrheitsfront auf sie beschwichtigend einwirken zu können. Die Zeit für eine gründliche Abwägung dieser Alternative war nicht ausreichend genug und wurde durch den Ausbruch der Revolution in Iran erheblich verkürzt. Zudem wurde der Handlungsspielraum durch die neue Situation immens eingeengt. Saudi-Arabien ist eine islamisch legitimierte Monarchie und stellt den Islam auch als eine der wichtigsten Stützen ihrer Außenpolitik dar Iran unter Khomeini dagegen spricht den Saudis ab, den Islam zu vertreten und nimmt diese Rolle für sich selbst monopolistisch in Anspruch.

Hierin liegt der zweite Störfaktor, mit dem Sadat nicht kalkulieren konnte. Die Saudis hätten Sadats Friedensvertrag mit Israel auf keinen Fall unterstützen können, gerade in einer Situation, in der der Zionismus auch von Iran als der „Feind des Islam" angeklagt wurde, zumal die Saudis gerade beanspruchen, den Islam zu vertreten. Gegen Khomeinis Vindikation dieser Rolle bliebe den Saudis, im Falle einer Rückendeckung für Sadat, keine legitimatorische Stütze mehr. Für Sadat selbst wirkte diese neue Situation im Hinblick auf seine Legitimität verheerend. Die islamischen politischen Gruppen, denen er nach jahrelanger politischer Unterdrückung durch Nasser einen politischen Handlungsspielraum gewährt hatte, begannen gegen ihn zu agitieren und ihn als „Feind des Islam" zu inkriminieren. Schließlich ermordeten sie ihn. Neben diesen außenpolitischen Störfaktoren für die Sadat'sche Politik zeitigte die Wirtschaftspolitik der „Infitah" keine großen Erfolge; sie verschärfte sogar die innenpolitische Situation.

II. Ägyptens interne Entwicklung von Nasser zu Mubarak: Sadats Erbe

Als die „Freien Offiziere", zu denen sowohl Nasser als auch Sadat gehörten, 1952 die Macht in Ägypten eroberten, hatten sie keine gesellschaftspolitische Konzeption; sie empfanden lediglich den Status quo als ungerecht und somit als veränderungsbedürftig. Das war das Motiv ihrer Erhebung. Auf verschiedenen Etappen der Entwicklung ihres politischen Regimes hatten sie unter Nassers Führung eine Agrarreform eingeführt und später den Handel sowie die Industrie verstaatlicht Viele Armeeoffiziere avancierten im Rahmen dieser Reformen zu Direktoren staatlicher Be-triebe. Zu der politisch herrschenden militärischen Elite, die das ägyptische Regime getragen hat, kam somit ein neues Segment hinzu, das A. Perlmutter „strategische Elite" nennt und die als zivil gekleidete Militärs zu charakterisieren ist

Nach Nassers Tod befand sich Ägypten in einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Krise, die eine Kursänderung auf allen Ebenen erforderlich machte. Das waren die Rahmenbedingungen, innerhalb derer Nassers Nachfolger Sadat handelte: Innenpolitisch liberalisierte er, indem er das Einparteisystem und somit die Staatspartei ASU allmählich auflöste. Wirtschaftspolitisch führte er den Markt wieder ein, indem er die dirigistische Staats-politik aufgab und weite Teile des öffentlichen Sektors in Industrie und Landwirtschaft reprivatisierte. Außenpolitisch koppelte er Ägypten vom sowjetischen Lager ab und ging eine Allianz mit den Vereinigten Staaten ein. 1. Die ägyptische Wirtschaft und ihre zentralen Probleme Man kann weder retrospektiv eine Bewertung der wirtschaftspolitischen Leistungen des ägyptischen Militärregimes unter Nasser vornehmen, noch eine Einschätzung der Liberalisierungsmaßnahmen unter Sadat wagen, um das von Mubarak übernommene Erbe adäquat einzuschätzen, wenn man nicht auf die Strukturprobleme Ägyptens eingeht, mit denen jedes Regime, gleich welcher Art, unmittelbar konfrontiert wird.

Ägypten gehört zwar zu den am meisten entwickelten arabischen Ländern, aber gleichermaßen zu den ärmsten. Mit einer noch größeren Bevölkerungsdichte als Bangladesch hat Ägypten heute eine Bevölkerung von 43 Mio., die jährlich um 2, 8 % wächst, so daß es ca. alle zehn Monate eine Million Ägypter mehr gibt, die behaust und ernährt werden müssen Das Land hat zwar eine Fläche von 1 001 000 km 2, von der allerdings nur die beiden Nil-Ufer und das Nil-Deltagebiet bevölkert werden können. Erschwerend kommt noch hinzu, daß das Land vergleichbar arm an Ressourcen ist. Jede Wachstumsrate wird von der Bevölkerungswachstumsrate, aber auch von den steigenden Militärausgaben aufgesogen. Ägypten ist nämlich nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Region, sondern hat auch — abgesehen von Israel — die stärkste (367 000 Soldaten) und somit kostspieligste Armee der Region.

Der in Ägypten geborene und aufgewachsene, heute in Oxford lehrende Ökonom Robert Mabro wiederholt in seinem Standardwerk über die Entwicklung der ägyptischen Wirtschaft während der Nasser-Ära unermüdlich, daß man hierüber nicht gerecht urteilen würde, wenn man nicht gleichzeitig die Rahmenbedingungen und die kaum überwindbaren sachlichen Schwierigkeiten berücksichtigte Nur unter dieser Einschränkung stellt er fest, daß die Bilanz der Nasser-Ära ausgesprochen bescheiden ist. Nun muß man aber zwischen einzelnen Perioden differenzieren: Während zu Beginn der sechziger Jahre eine Wachstumsrate von 4, 2 % verzeichnet werden konnte, sank diese im Zeitraum 1966— 1973 auf maximal 1 % Hierfür waren nicht nur die Bevölkerungsprobleme verantwortlich. Nasser demokratisierte das Bildungssystem und blähte es dermaßen unproportional auf, daß nicht nur sehr viele nicht benötigte Universitätsabsolventen ausgebildet wurden, sondern auch Erwartungen entstanden, die Ägypten mit seinen geringen Ressourcen nicht befriedigen konnte. Nasser erließ ein Gesetz, das eine Beschäftigungsgarantie für jeden Universitätsabsolventen sicherte. Der Staats-sektor wuchs somit ungeheuer und wurde unvorstellbar kostspielig, ohne parallel eine entsprechende produktive Leistung durch die Wirtschaft des Landes erbringen zu können. Hinzu kommt die kaum funktionsfähige Verwaltung der verstaatlichten Betriebe, die den öffentlichen Sektor konstituierten. Ein Höhepunkt dieser Malaise war die Niederlage im Sechs-Tage-Krieg, die das Land nicht nur wirtschaftlich erheblich ruinierte. Dieses wirtschaftliche Erbe hinterließ Nasser, als er im Jahre 1970 starb.

Die Kursänderung unter Sadat hatte zwar auch politische Gesichtspunkte; aber die wirtschaftlichen Aspekte standen im Mittelpunkt. Der Re-Privatisierung der Wirtschaft und der Hinwendung zum Westen lag die Annahme, ja der feste Glaube zugrunde, daß diese neue Politik einen unerschöpflichen Kapitalzufluß sowohl aus den westlichen Industrienationen als auch aus den arabischen erdölreichen Staaten mit sich bringen würde. In der Tat stieg die Wachstumsrate unter Sadat; Mubarak übernahm das Regierungsamt in einem Land mit einer Wachstumsrate von 8 %.

Ein Ökonom, der nicht nur mit Zahlen hantiert, würde sich aber von einer solchen hohen Wachstumsrate nicht blenden lassen. Zwar gibt es auf dem ägyptischen Markt nunmehr erheblich mehr Waren und auch eine höhere Geldliquidität als zuvor, aber ein Blick unter die Oberfläche zeigt, daß die produktiven Sektoren Landwirtschaft und Industrie nicht nur nicht die Quelle dieser Wachstumsrate sind, sondern sogar erheblich schrumpfen.

Der erwartete Kapitalzufluß aus dem westlichen und dem ölreichen arabischen Ausland ließ nicht sehr lange auf sich warten. Die arabischen Öl-Reichen haben die Finanzorganisation „Gulf Organization for the Development of Egypt" gegründet, deren Mitglieder, Saudi-Arabien, Kuweit, Vereinigte Arabische Emirate (VAE) und Katar, zwei Milliarden US $für Ägypten aufbrachten, womit seinerzeit die für 1977 erwartete Zahlungsunfähigkeit des Landes überwunden werden konnte Für Saudi-Arabien stand damit der Plan einer neuen saudisch-kontrollierten Ordnung in der Region unter Nutzung der strukturell entwickelten ägyptischen Fazilitäten, an denen es in Saudi-Ärabien mangelt, fest. Von westlicher Seite kam eine koordinierte westeuropäisch-amerikanische Wirtschaftshilfe. Während die US-Finanzhilfe im Jahre 1977 390 Mio. $betrug, erhöhte sie sich im Jahre 1980 auf 850 Mio. $ So hoch diese Summe sein mag, sie lag unterhalb der ägyptischen Erwartungen. Ein erheblicher Teil der amerikanischen Wirtschaftshilfe diente der Finanzierung der amerikanischen Nahrungsmittel-exporte nach Ägypten. Ägypten steht auf der internationalen Liste der Konsumenten amerikanischen Weizens an sechster Stelle. Unter dem Gesichtspunkt des amerikanischen Gesetzes „Public Law 480/Food Aid Program" rangiert Ägypten an erster Stelle der Hilfeempfänger.

Solche Einfuhren von Nahrungsmitteln in ein Agrarland bringen die Frage nach der Lage der dortigen Landwirtschaft mit sich. Nach der Einschätzung der Weltbank muß die ägyptische Landwirtschaft eine jährliche Wachstumsrate von mindestens 4 % erreichen, um das Bevölkerungswachstum von 2, 8 % unter dem Gesichtspunkt der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu bewältigen. Nun stagnierten unter Nasser die landwirtschaftlichen Investitionen mit 20 % an den Gesamtinvestitionen, sanken aber im Rahmen der Liberalisierung (Open Door Policy, arab. Infitah) auf genau 8 % Wenn man sich diese Zahlen anschaut, dann kann man das folgende Urteil der beiden amerikanischen Ökonomen Parvin und Putterman verstehen: „Wenn man auch das Nahrungsmittelproblem in Ägypten als ein solches charakterisieren muß, das selbst verursacht in dem Sinne ist, daß sonst bei einer adäquaten Politik die landwirtschaftlichen Ressourcen zur Ernährung der Bevölkerung ausreichen würden, muß man anerkennen, daß es sich um ein allgemeines wirtschaftliches Problem handelt. Die wichtigste Ursache bleibt der Druck, der durch das Bevölkerungswachstum entsteht . .. In einem Postskript zu ihrer Analyse fügen sie hinzu, daß sie, trotz ihrer dramatischen Schlußfolgerungen, eher die Bedeutung der Disproportion in der Entwicklung der Nahrungsmittelerzeugung/Bevölkerungszunahme unterschätzt hätten.

Im Rahmen der Infitah-Liberalisierungspolitik haben die Landeseinnahmen an Devisen er-heblich zugenommen. Diese kamen aber vorwiegend weder aus der Landwirtschaft noch aus der Industrie, sondern aus folgenden vier Quellen: aus der Erdöl-Ausfuhr, den Überweisungen der ägyptischen Gastarbeiter in den ölreichen Ländern, dem Suez-Kanal und schließlich aus dem Tourismus

Ägypten produziert täglich 675 000 Barrel öl und erhielt im vergangenen Jahr 3, 8 Milliarden $aus Erdölausfuhren. Hierzu kommen die Überweisungen von zwei Millionen Ägyptern (vom Professor bis zum Hilfsarbeiter), die vor allem in Saudi-Arabien und den Golfstaaten arbeiten. 1978 betrugen diese Überweisungen eine Milliarde Dollar, im Jahre 1980 waren sie schon auf 3, 8 Milliarden $gestiegen. Es gehen zwar auch deutsche Touristen nach Ägypten, aber die 700 Mio. $, die durchschnittlich pro Jahr dem Lande aus dem Tourismus zugute kommen, stammen nicht von westlichen, sondern von ölreichen arabischen Touristen, die sich u. a. in der Night-Club-Straße in Kairo (al-Ahram Street) vergnügen können. Diese Straße war schon mehrmals eine Ursache innenpolitischer Unruhen, da ihre Etablissements in einer strengen islamischen Gesellschaft betrieben werden. Auch war sie einmal der Anlaß einer libysch-ägyptischen Krise. Schließlich ist noch der SuezKanal zu erwähnen, der dem Lande 1, 8 Milliarden $im Jahre 1981 erbrachte. Die verzeichnete Wachstumsrate von 8 % bezieht sich auch auf das Wachstum dieser vier Wirtschaftsbereiche und nicht auf den produktiven Sektor.

Eine Entwicklung des produktiven Sektors der Wirtschaft (Landwirtschaft und Industrie) findet hingegen nicht statt. Die getätigten Investitionen lagen „meistens in Projekten im Bereich des Tourismus und des Bausektors: Neue Sheratons, Hiltons und Holiday Inns parallel zu den Coca-Cola-und Xerox-Fließbändern“ Fast alle Ökonomen, die über Ägypten arbeiten, stimmen darin überein, daß ein Großteil der Deviseneinnahmen des Landes über „inoffizielle Kanäle“ abgewickelt werden. Damit erklärt sich die in den siebziger Jahren in Ägypten verbreitete Wirtschaftskorruption, gegen die Mubarak sehr streng vorgeht. Es werden heute z. B.der Oppositionszeitung al-Ahali Schlagzeilen erlaubt wie „Die Nationale Partei (die Sadat-Partei,

B. T.) protegiert die Korruption und die Korrupten“ oder „Der geflüchtete Millionär Kafrawi verrät die Geheimnisse des Ismat Sadat (Sadats Bruder, B. T.)" Neben dieser Wirtschaftskorruption leidet Ägypten unter einer Inflationsrate von 30 bis 35 % und einer immensen internationalen Verschuldung. Die Tilgungsrate der Schuldzinsen beträgt alleine eine Milliarde $pro Jahr.

Mubarak ist sehr resolut an diese Probleme herangegangen. Er setzt zwar die liberale Wirtschaftspolitik seines Vorgängers fort, versucht aber aus innenpolitischen Überlegungen heraus, einige dieser Auswüchse unter Kontrolle zu bekommen. Ägyptens Probleme scheinen unlösbar zu sein, solange sein Bevölkerungsproblem nicht bewältigt wird. Eine erfolgreiche Politik kann unter den vorhandenen Rahmenbedingungen nur eine solche des sozialen Gleichgewichts und der proportionierten Allokation von Mitteln und Ressourcen sein. 2. Vom Einparteistaat zum Mehrparteienstaat der National-Demokratischen Partei (NDP)

Der neue ägyptische Präsident Mubarak setzt nicht nur die liberale Wirtschaftspolitik seines Vorgängers fort, sondern übernimmt auch die Gestaltung des politischen Systems so, wie sie unter Sadat ihre letzte politische Form angenommen hat. Es handelt sich um ein formales Mehrparteiensystem auf parlamentarischer Basis. Wie Sadats Wiedereinführung des Marktes nicht Liberalisierung, sondern Korruption und die schnelle Entstehung einer schmalen, sehr korrupten sozialen Schicht von Neureichen begünstigte, so war der Sadat'sche Parlamentarismus lediglich eine Fassade, hinter der Sadats eigene Partei, die NDP, eine absolute Mehrheit hatte. Die NDP-Parlamentsfraktion ist in dieser Hinsicht mit der bisherigen Nasser’schen Einheitspartei, der Arabischen Sozialistischen Union, durchaus vergleichbar

Mubaraks bisherige Leistungen sind positiv einzuschätzen, da er einerseits die Marktwirt-schäft beibehalten hat, die Korruption aber bekämpft und andererseits das Mehrparteiensystem weiterbestehen läßt, es aber nicht nur als Form ansieht. Mubarak scheint es mit dem Pluralismus ernst zu meinen, obwohl er von seiner Sozialisation her ein Offizier und kein Politiker ist. Ob das Gewähren von Liberalität lediglich einer Schaukelpolitik zwischen den Fraktionen oder einer grundsätzlichen Orientierung entspringt, kann allerdings in diesem Stadium der Entwicklung noch nicht ausgemacht werden.

Sadats Liberalität, die im Rahmen der „Korrektiv-Revolution" nach 1971 in das politische System anstelle von Nassers Geheimdienst-apparaturen und den anderen autoritären Staatsinstanzen eingeführt wurde, war eindeutig vom Anbeginn an ein taktischer Zug. Nach Nassers Tod entstand im damaligen Militärregime ein Vakuum, da das System nicht von Institutionen getragen wurde. Denn Nasser personifizierte den Staatsapparat und war selbst die Koordinationsinstanz zwischen allen Entscheidungsstufen. Die letzte Entscheidung lag immer bei ihm Alle Fraktionen ordneten sich ihm unter und akzeptierten seine Stellung im politischen System. Nach seinem Tode hatte keine dieser Fraktionen genügend Macht, um sein Erbe anzutreten. Sadat war sozusagen ein Interimspräsident, ein Kompromißkandidat, der ohne diese Fraktionen alleine nicht regieren durfte. Sadat hatte sich aber mit der Armee und dem Sicherheitsapparat arrangiert und es geschafft, in den Jahren 1971 bis 1973 seine „KorrektivRevolution" gegen diese vor allem im öffentlichen Sektor und der Staatspartei ASU verankerte Staatsklasse (vor allem die Sabri-Fraktion) durchzusetzen. Er nannte sie „marakiz al-quwwa" (Machtzentren) und verfolgte eine Politik der politischen Liberalisierung, die darauf abzielte, die ASU aufzulösen, gerade um dieses Segment der politischen Elite des Nasser-Regimes politisch zu neutralisieren. Deswegen wurde diese Politik auch mit dem Begriff der De-Nasserisierung umschrieben.

Der partielle ägyptische Sieg im OktoberKrieg trug zu einer Stärkung der politisehen Position Sadats bei und verlieh ihm Legitimität. Während Nasser noch zu seinen Lebzeiten als der geschlagene Präsident des Sechs-Tage-Krieges von 1967 galt, stieg Sadat nun mit dem selbst verliehenen Titel „batal al, ubur" (Held des überquerens) empor, da die Überquerung des Suez-Kanals im Oktober 1973 unter seiner Führung zustande kam. Auf dieser Legitimität aufbauend, konnte er sowohl mit dem Gesetz Nr. 43 seine Wirtschaftspolitik der „Infitah" einführen, als auch im August 1974 sein Reformpapier in bezug auf die ASU bekanntgeben Hiernach werden nun in der Staatspartei „Manabir“ (Foren) zugelassen, die entweder „die Rechte", „die Linke" oder „die Mitte" vertreten. Sadats Fraktion repräsentierte die der Mitte. Sowohl die „Linke“ als auch die „Rechte" waren Schlagworte zur Bezeichnung der politischen Kräfte der Opposition, mit der Sadat fertig werden mußte. Nasser hatte zuvor fast zwei Jahrzehnte lang eine ausbalancierende Politik der Bestrafung bzw. Belohnung aller politischen Kräfte je nach vorgegebener Situation verfolgt, deren Produkt ein stabiles Gleichgewicht unter seiner autoritären Herrschaft war. Sadat hatte ein ähnliches Spiel versucht, scheiterte jedoch.

Schon im November 1976 verkündete Sadat seinen Plan, die zugelassenen „Foren" der ASU in Parteien transformieren zu lassen. Die ASU sollte eine Art Dachorganisation bleiben. Aber schon im Juli 1978 wurde die ASU für immer aufgelöst; Ägypten galt von nun an als ein parlamentarisches Regierungssystem. Das im Jahre 1977 erlassene Gesetz zur Einführung eines Mehrparteiensystems gewährt in seinen ersten Paragraphen allen Ägyptern das Recht, eine Partei zu gründen. Aber bereits der vierte Paragraph schränkt diese Freiheit ein. Allen Gruppen, die eine Partei auf einer die Nation spaltenden Basis (Klasse, Sekte, Fraktion etc.) gründen wollen, aber auch solchen, die Vertretungen im Ausland (die Linken) bzw. paramilitärische Organisationen (die rechten Muslimgruppen) hätten, kann das Recht auf Parteienbildung entzogen werden. Schließlich wurden vier Parteien zugelassen: Sadats eigene Partei, die National-Demokratische Partei (NDP), die Liberal-Sozialistische Partei (LSP), die als die zugelassene Rechte galt (Führung: Mustafa Kamil Murad), sowie die linke National-Progressive Unionistische Sammlung (NPUS, englische Abkürzung NPUR) unter Führung von Khalid Muhieddin und schließlich die Wafd-Partei, die sich später selbst auflöste.

Der Schweizer Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung", Arnold Hottinger, berichtete seinerzeit aus Kairo über die Wahlen, die 1979 durchgeführt wurden: „Die Wahlen sind so angelegt, daß sie die Möglichkeit eines Machtwechsels von vornherein ausschließen. Die wirkliche Macht bleibt beim Präsidenten Sadat." Wahlurnen, die schon vor der Öffnung der Wahllokale vollgestopft waren, wie Hottinger sah, gehörten offenbar zum allgemeinen Bild dieser Wahl

Trotz dieser kritisierten Umstände der Demokratisierung Ägyptens im Rahmen der Über-windung der „Mukhabarat" (= Geheimdienst) -Ära Nassers kann kein Kritiker leugnen, daß das öffentliche Leben in Ägypten unter Sadat liberal wurde, da Freiheiten eingeführt wurden, die unter Nasser unvorstellbar waren. Obwohl Sadat durch sein eigenartiges Verständnis von Demokratie dem neuen ägyptischen Parlamentarismus jene Prägung verlieh, die oben beschrieben wurde, beinhaltete das neu eingeführte Mehrparteiensystem den Ausbruch von Dissens und auch die Zulassung von Pluralität Die beiden ÄgyptenExperten Shamir und Segev vermitteln in ihrem Ägypten-Bericht zu dem vom israelischen Shiloah Center herausgegebenen Middle East Contemporary Survey des Jahres 1978 folgende Einschätzung:

„Die Zulassung der Parteien kam wie die Öffnung der Büchse der Pandora, da dadurch Kräfte entfesselt wurden, die im Rahmen des Wachsens oppositioneller Gruppen die politische Struktur Ägyptens fragmentieren können. Die größte Drohung für das System kommt von drei Gruppen, die alle bisher nicht organisiert und somit ineffektiv waren: die Marxisten und Nasseristen, die Muslim-Brüder und schließlich die Wafdisten. Zunächst sahen diese Kräfte so aus, als würden sie eine Herausforderung für das politische Regime werden. Im Jahre 1977 versuchte Sadat mit dieser Herausforderung einerseits dadurch fertig zu werden, daß er das innere Sicher-heitssystem verstärkte, und andererseits dadurch, daß er diese politischen Kräfte gegeneinander auszuspielen versuchte“

Der gefährlichste Teil dieses Spiels war die Entlassung der unter Nasser politisch verfolgten Muslim-Brüder aus den Gefängnissen und der Versuch, sie als Gegengewicht zu den Nasseristen/Marxisten, die bisher ihre Stütze im staatlichen Sektor bzw. in der ASU hatten, aufzubauen. Sowohl durch die Re-Privatisierung der verstaatlichten Betriebe als auch durch die Auflösung der ASU hat Sadat diese politische Fraktion erheblich geschwächt. Er hat sie für die Unruhen vom Januar 1977 verantwortlich gemacht und verfolgte sie seitdem mit Mitteln, die denen seines Vorgängers ähnelten Parallel hierzu konnten die Muslim-Brüder, die zwar keine Partei gründen durften, öffentlich agitieren und ihre Publikationen, vor allem die Blätter ad-Da'wa und al-I'tisam, veröffentlichen Sadat hatte scheinbar nicht das in diesen Organen gelesen, was Experten unübersehbar auffiel. Nicht nur wurde in beiden Organen zur Errichtung des „Islamischen Systems" (an-Nizam al-Islami) aufgerufen; auch indirekt wurde Sadats Regime als unislamisch abqualifiziert, obwohl Sadat der Wiedereinführung des islamischen Rechts (Scharia) als Orientierungsmaxime für die gesamte Gesetzgebung zustimmte. In den fundamentalistischen Blättern wurde der Name Sadat mit „ra'is al-gumhuriyya" (Präsident der Republik) und nicht mit „al-mu'min" (der Gläubige) oder „al-akh al-muslim" (der islamische Bruder) angeführt. Nach der Iranischen Revolution wurde Khomeinis Name stets mit solchen Attributen versehen. Sadat behielt seine Obsession, daß sein Regime von den Nasseristen/Marxisten an erster Stelle bedroht wurde, bis er von den islamischen Gruppen ermordet wurde, mit deren Hilfe er ein Gegengewicht zu der linken Opposition schaffen wollte. Noch kurz vor seiner Ermordung ließ er siebzig führende ägyptische Intellektuelle inhaftieren. Schon einige Wochen nach seinem Amtsantritt ließ der neue ägyptische Präsident diese Intellektuellen frei und empfing sie offiziell in seinem Präsidentenpalast. Zur gleichen Zeit ließ er fundamentalistische Aktivisten der islamischen Gruppen verhaften. Damit gab Mubarak ein Zeichen dafür, daß er fühlt, aus welcher Ecke das bestehende politische System Ägyptens gefährdet wird.

über die Feststellung hinaus, daß Sadat, im Gegensatz zu Nasser, das Spiel des Gegeneinander-Ausspielens der unterschiedlichen politischen Kräfte nicht beherrschte, ist für die sicherheitspolitische Fragestellung dieser Abhandlung von besonderem Interesse, ob die islamischen Gruppen in Ägypten den Fall Iran auf ägyptischem Boden wiederholen können. Deswegen ist es wichtig, das Phänomen des Wiedererstarkens des Islam und seiner Ursachen näher unterhalb der Oberfläche zu beleuchten. Nur auf dieser Basis kann eine fundierte Antwort auf die anstehende Frage gefunden werden. 3. Der politische Islam als interner und regionaler sicherheitspolitischer Faktor:

Iran in Ägypten?

Viele politische Beobachter fürchten eventuelle „Spillover" -Effekte der iranischen Revolution auf die regionale Umgebung. Eben diese Wirkung war auch ein erklärtes Ziel der iranischen Revolutionsführung Bekannt ist, daß die gegenwärtige Variante des politischen Islam nicht in Iran, sondern in Ägypten ihre Wurzeln hat. Es wurde schon angedeutet, daß die Niederlage im Sechs-Tage-Krieg im Jahre 1967 eine erhebliche Legitimitätskrise in allen arabischen Ländern hervorgerufen hat, die einerseits die dominierenden säkularen Ideologien (Nationalismus, Sozialismus, Liberalismus) schwächte und andererseits das Wiedererstarken des Islam weitgehend be-günstigte. Aber es kam in Iran zur Islamischen Revolution und nicht in Ägypten. Beide Länder unterscheiden sich nicht nur dadurch, daß Iran — im Gegensatz zu Ägypten — nicht zur arabischen Staatengemeinschaft gehört, sondern auch dadurch, daß in Ägypten — im Gegensatz zu Iran — der orthodoxe, d. h.der Sunna-Islam und nicht der Schi'a-, d. h.sektiererische (= wortwörtliche Übersetzung) Islam dominiert. Doch kann man mit diesen Hinweisen die möglichen Spillover-Effekte noch nicht abweisen.

Wichtiger ist der Hinweis darauf, daß Ägyptens Modernisierungsgeschichte einen erheblich längeren Zeitraum als die iranische vorweist, die in der Tat erst nach der Gründung der Pahlawi-Dynastie begonnen hatte. Die Erdölentdeckung im Jahre 1908 und der Wunsch des 1925 zur Macht gekommenen Reza Schah, die Erdölkonzessionen zentral abzuwickeln, d. h. auch selbst die Revenues zu bekommen, waren der Hintergrund des Aufbaus eines modernen zentralistischen Staates, der vorher nicht existierte In Ägypten dagegen beginnt die Geschichte der Modernisierung schon im Jahre 1805 mit Muhammad Alis Reformen im Anschluß an die Expedition Napoleons. Schon während Napoleons Aufenthalt revoltierten die religiösen Autoritäten der Azhar-Universität gegen die von ihm eingeführten Neuerungen. Dies geschah auch unter Muhammad Ali, der allerdings die politische Macht der Ulama (islamische Schriftgelehrte/Klerus) sehr beschnitten hatte

Ägypten ist sowohl die Wiege der Anpassung des Islam an die Moderne (islamischer Modernismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) als auch des islamischen Fundamentalismus, d. h.der defensiv-kulturellen Ablehnung der Moderne (Muslim-Bruderschaft) Im 1922 unabhängig gewordenen Ägypten bestimmten die liberal-säkularen Parteien die politische Szene — bis zum Coup d’tat der „Freien Offiziere" vom 23. Juli 1952. Die im Jahre 1928 gegründete Bewegung der „Muslimbruderschaft" blieb aktiv im Unter-grund; sie wurde auch politisch mächtig, hatte aber nie die Möglichkeit einer revolutionären Eroberung der Macht. Es ist wichtig, hier an-zuführen, daß der Sunna-Islam, der auch in Ägypten dominiert, im Gegensatz zum Schi'a-Islam eine legitimatorische Tradition hat, d. h. daß seine religiösen Institutionen stets ein Bestandteil des politischen Establishments waren und noch sind. Der Schi'a-Islam mit seiner Lehre des entrückten Imam spricht dagegen dem Staat die Legitimität ab, solange der zwölfte Imam in Verborgenheit lebt Mit anderen Worten: Der Schi'a-Islam nimmt eine oppositionelle, ja eine ablehnende Haltung gegenüber jeder bestehenden Herrschaft ein. Die al-Azhar-Universität, die in diesem Jahr ihre 1000-Jahrfeier hatte, ist die autoritative Stätte des sunnitischen Islam; sie hat sich in der Regel legitim gegenüber den jeweiligen Regenten erwiesen. Die Muslim-Brüder opponieren jedoch, obwohl sunnitisch, nicht nur gegen das bestehende politische, sondern auch gegen das religiöse Establishment, das sie für korrupt halten.

Während der Jahre des Militärregimes unter Nasser wurden beide Islam-Richtungen in Ägypten politisch neutralisiert bzw. entmachtet. Die Azhar-Universität, die noch vor 1964 autonom war und nur die Islam-Wissenschaften (= Koran-Exegese, Hadith-Wissenschaft, d. h. die Beschäftigung mit der Überlieferung des Propheten, die Fiqh, d. h. islamische Jurisprudenz) beherbergte, wurde durch ein entsprechendes Gesetz im Jahre 1964 dem Präsidialamt, d. h. Nasser direkt, untergeordnet und erhielt durch ein Reformwerk zusätzliche Fakultäten für Medizin, Ingenieurwissenschaft, Agrarwissenschaft, Ökonomie und für eine Reihe von säkularen geisteswissenschaftlichen Fächern. Somit verlor sie ihren exklusiven religiösen Charakter; sie bleibt aber bis heute die autoritative Stätte für alle Sunniten, da der Scheich der al-Azhar (Rektor) die höchste Fetwa-(= Rechtsgutachten) Instanz für alle Sunniten inauguriert. Schon vor der „Säkularisierung“ der al-Azhar hatte Nasser im Verlaufe der fünfziger Jahre durch die breit angelegte politische Verfolgung die Bewegung der Muslim-Brüder niedergeschlagen Ihre führenden Mitglieder landeten entweder in Konzentrationslagern oder wurden gehenkt. Nasser bemühte den Islam jedoch als Legitimität und deklarierte sich nicht wie Atatürk als Säkularist. Seine islamische Legitimität diente aber der Untermauerung seiner populistischen Ideologie, die faktisch säkular war. Nasser blieb bis zur Niederlage von 1967 ein überregional gefeierter Held in der ganzen Region. Um Mißverständnisse auszuräumen ist es wichtig hervorzuheben, daß unter Nasser der Islam entpolitisiert, nicht aber aus dem öffentlichen Leben entfernt wurde. Der Islam blieb als Volksreligion dominierend und prägte das öffentliche Leben in Ägypten, wie Berger im einzelnen belegt hat. Die heutige Wiederkehr bezieht sich auf den politischen Islam, nicht aber auf den Islam schlechthin; neu ist nur die Re-Politisierung

Sadat hat in seinem Kampf um Nassers Erbe, d. h. um seine Anerkennung als wirklichen Landesherrn und nicht bloß als Interimspräsident, den Islam als Legitimität mobilisiert. Die Muslim-Brüder wurden aus den Gefängnissen entlassen und erhielten volle politische Bewegungsfreiheit. Erst mit Camp David und noch mehr seit der Iranischen Revolution brach diese Zweckallianz zusammen und endete mit Sadats Ermordung durch islamische militante Fundamentalisten für immer. Weder Sadat noch die Muslim-Brüder selbst haben in dieser Allianz mehr als eine taktische Angelegenheit gesehen. Für Sadat waren die Muslim-Brüder eine Schachfigur gegen die fast paranoid perzipierten Nasseristen/Marxisten. Für die Muslim-Brüder war sie ein Bestandteil des Versuches, sich wieder nach ca. anderthalb Jahrzehnten totaler politischer Unterdrückung neu zu etablieren. Der bekannte französische Journalist Eric Rouleau berichtet aus einer vertraulichen Quelle über eine Sitzung Sadats mit seinen Sicherheitsberatern gegen Ende 1979, auf der Sadat die Empfehlung bekam, die erstarkenden fundamentalistischen Gruppen niederzuschlagen, ehe es zu spät sei. Sadat soll verärgert geant-wortet haben: „Ich bin nicht der Schah von Iran und unsere Muslime sind keine Khomeinisten." Am nächsten Tag wurde der Berater entlassen

Eine umfassende Untersuchung der Bedingungsfaktoren des Wiedererstarkens des Islam würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen. Hinzu kommt, daß der Islam nicht nur konfessionell (Sunna und Schiä) bzw. in seiner Praktizierung (der theologische Islam der Ulama versus Volksislam unterschiedlich ist, sondern auch, daß er regional sehr weit voneinander abweichende Varianten hat Es läßt sich zwar heute eine überregionale Islamisierung des politischen Lebens beobachten, die jedoch von einem Land bzw. von einer Region zur anderen stark variiert Hier sei daher im wesentlichen nur die Fragestellung angesprochen: Welches sind die Bedingungsfaktoren des Wiedererstarkens des Islam mit der sicherheitspolitischen Perspektive eines zweiten Iran in Ägypten.

Dazu liegen zwei wertvolle Untersuchungen von zwei ägyptischen Sozialwissenschaftlern über diesen Gegenstand vor, die an Ort und Stelle entstanden sind. Besonders wichtig ist die Arbeit des an der American University of Cairo (AUC) lehrenden Saad Eddin Ibrahim der mit einer Regierungsgenehmigung noch unter Sadat ein Forschungsteam leitete, das zwei Jahre lang in ägyptischen Gefängnissen inhaftierte islamische Fundamentalisten interviewte. Es handelte sich nicht um Muslim-Brüder, sondern um Mitglieder noch fanatischerer Gruppen wie „Takfir wa Higra“ u. a., deren Ideologie sich wie die der Muslim-Brüder schlicht mit dem politischen Ziel der Errichtung des islamischen, auf dem Sakralrecht (schari'a) basierenden Systems (an-Nizam alIslami) zusammenfassen läßt. Was steht hinter dieser politischen Ideologie?

Für das Verständnis des Gegenstandes sind zunächst folgende soziologische Aussagen über die ägyptische Gesellschaft von zentraler Bedeutung: Ägypten durchläuft schon seit dem 19. Jahrhundert Prozesse des rapiden und ungleichen sozialen Wandels -Eines der Merkmale solcher Prozesse ist die ungleichmäßige Urbanisierung, von der Kairo am meisten betroffen wird. Am Ende des Zweiten Weltkrieges hatte Kairo ca. zwei Millionen Bewohner, heute aber schon über zehn Millionen. Immer noch leben ca. 56, 1% der Ägypter auf dem Land, aber die Landfluchtrate ist sehr hoch Erschwerend zu der sehr hohen Urbanisierungsrate Kairos kommt hinzu, daß nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 auf einmal ca. 2 Mio. Flüchtlinge nach Kairo aus der Kanalregion strömten. Jeder Europäer, der Dritte-Welt-Verhältnisse nicht kennt, würde sich bei der Ankunft in Kairo über die Menschendichte auf den Straßen erschrecken und z. B. kaum verstehen können, wie Menschen ausgerechnet auf dem Friedhof (ca. 200 000 Kairoer) wohnen. Der Behausungsmangel in Kairo läßt den zugewanderten Bauern aber keine andere Möglichkeit. Im Elendsviertel Schubra unter einem Dach zu wohnen scheint noch ein Luxus im Vergleich hierzu zu sein

Nach den soziologischen Daten der Professoren Ibrahim und Ayubi kommen die Mitglieder der fundamentalistischen Gruppen in der Regel aus der unteren Mittelschicht und haben meistens eine akademische Ausbil-düng oder sind noch dabei, eine solche zu erlangen. Diese Menschen wohnen zwar in Kairo, aber sind herkunftsmäßig nicht urban und erst kürzlich nach Kairo eingewandert. Diese Menschen finden sich aus ihrer ländlichen Umwelt entwurzelt, fremd und verloren in einer überlauten, dicht bevölkerten und sehr schmutzigen Stadt, in der alles anonym ist. Sie haben ihr ländliches Milieu in der Erwartung einer besseren Zukunft durch Zuwanderung in die Stadt und den Erwerb einer akademischen Ausbildung verlassen und sehen sich nun in einer anomischen Situation

Äußerlich vermittelt Kairo einen westlichen Eindruck: Die Neon-Reklamen und die Produkte der modernen Technologie (Autos und Busse etc.) prägen das äußere Bild. In der Wahrnehmung der Fundamentalisten ist der Westen, einer der drei „Feinde des Islam" (neben Kommunismus und Zionismus), an dieser Situation schuld. Nur durch die Rückkehr zum Islam und durch eine totale Ablegung all dessen, was vom Westen übernommen wurde, ist ihrer Meinung nach das Heil zu erwarten. Die Ideologie des islamischen Fundamentalismus ist in diesem Sinne eine Heilsideologie. Um diese Gruppen (Gama'at al-Islamiyya/Islamische Gruppen) von der ursprünglichen Bewegung der Muslim-Brüder zu unterscheiden, werden sie in der Literatur als Neo-Fundamentalisten bezeichnet. Die Frage ist, ob es sich bei ihnen um eine soziale Bewegung oder um Randgruppen handelt, ob sie die islamische Bevölkerung mobilisieren können oder doch ein Randphänomen bleiben.

Das Vorhandensein dieser islamischen Militanten hängt nicht nur mit der beschriebenen sozialen Situation zusammen. Unter Nasser wurde das einst vorbildliche ägyptische Bildungssystem dermaßen ausgebaut und verflacht, daß nun sehr viele Akademiker mit einem Minimum an Fachwissen und einem Maximum an sozialen Erwartungen ausgebildet wurden. Das bundesrepublikanische Bildungssystem hat heute nicht unähnliche Züge. Aber in einer armen Gesellschaft wie der ägyptischen kann dieses Potential das ganze politische System erschüttern. Nasser versuchte mit einer Einstellungsgarantie für alle Hochschulabsolventen — allerdings mit einem Minimalgehalt — den Auswüchsen seiner Bildungspolitik zu entkommen, doch heute plagen sie noch immer die ägyptische Gesellschaft.

Die Untersuchungen von Ibrahim und Ayubi, aber auch eigene Nachforschungen des Autors in Kairo belegen, daß diese Fundamentalisten sehr wenig über den Islam wissen, dessen System sie ja errichten wollen. Andererseits haben sie eine hohe Anziehungskraft auf die Studenten, die Saad Eddin Ibrahim so erklärt: „Die militanten islamischen Gruppen haben für die jüngeren, vom Land stammenden Menschen den Stellenwert eines Funktionaläquivalents ihrer bisherigen Großfamilie, da sie Brüderlichkeit, gegenseitiges Aufteilen und spritituelle Unterstützung gewähren. Mit anderen Worten, die islamischen Gruppen haben für ihre Mitglieder die Funktion einer entfremdungsaufhebenden Bezugsgruppe." Ibrahim stellt Ähnlichkeiten zwischen diesen ägyptischen Gruppen und iranischen Mujaheddin fest und meint, daß ein Erfolg der iranischen Revolution in der Bewältigung der Folgen des rapiden sozialen Wandels die ägyptischen Militanten stärken würde. Ihr Mißerfolg dagegen würde der von diesen Gruppen propagierten Ideologie des „Islamlischen Systems" Abbruch tun. Heute, drei Jahre nach dieser Prognose, kann man vom Scheitern der iranischen Revolution sprechen und dennoch feststellen, daß diese militanten islamischen Gruppen nach wie vor in Ägypten als Gefahr existieren.

Obwohl der Mörder Sadats (Khalid al-Istanbuli) ein Armeeoffizier war, wird hier die These vertreten, daß die militanten islamischen Gruppen wenig Einfluß in der Armee haben und daß ihr Tätigkeitsfeld immer noch vorwiegend der Untergrund und der Universitätscampus ist. Um politisch für eine Veränderung des bestehenden Systems relevant zu werden, müssen sie mindestens drei andere soziale Gruppen mobilisieren können: an erster Stelle die Armee, dann die Landbevölkerung bzw. die Zugewanderten vom Land; schließlich müßten sie wichtige Teile der ägyptischen politischen Elite für sich gewinnen können.

Man braucht nicht viel über Ägypten zu wissen, um gleich bei der Ankunft dort die überall dominierende Religiosität zu beobachten. Kann eine fundamentalistische Bewegung in dieser Atmosphäre mobilisieren? Zur Beantwortung dieser Frage muß man sich den schon angeführten islamischen Unterschied zwischen Sunna und Schi’a vergegenwärtigen. In Ägypten ist der al-Azhar die Säule des Islam. Im ägyptischen Fernsehen wenden sich fast täglich Azhar-Autoritäten und manchmal sogar der Azhar-Scheich persönlich gegen die islamischen Gruppen und stempeln sie als Irregeführte bzw. als Fälscher des „wahren Islam" ab. Die regierende National-Demokratische Partei, die Mubarak von Sadat geerbt hat, gibt die Wochenzeitung „al-Liwa'al-Islami" (Das Islamische Banner) heraus, in der wiederum die Mitglieder des religiösen Establishments, das auf Seiten des Regimes steht, schreiben und bestimmen, was „Islam" ist. Somit ist das islamische Deutungsmonopol auf der Seite der Mubarak-Regierung.

In Iran ist die moderne, westlich gebildete Elite sehr dünn und kaum in der Gesellschaft verankert. In Ägypten, wie übrigens auch in der Türkei, gehen die Anfänge dieser westlich gebildeten Elite auf das beginnende 19. Jahrhundert zurück. Die erste große ägyptische Stipendiatengruppe, die selbst von einem Imam (at-Tahtawi) geleitet wurde, der später Rousseau und Voltaire übersetzte, ging schon in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts nach Paris. In einer empirischen Untersuchung über die bürgerliche Elite in Kairo stellte Raymond Hinnebusch fest, daß die Angehörigen dieser Elite immer noch den „säkular-liberal-demokratischen" Weg und die Bindung an die westlichen Industriestaaten bevorzugen Mit anderen Worten: Ein zweiter Iran ist in Ägypten nicht zu erwarten.

Unter Mubarak haben die Fundamentalisten nicht mehr den Handlungsspielraum, den sie einst unter Sadat hatten. Das Regime bemüht die islamischen Werte, übertreibt deren Heranziehung für die Untermauerung der eigenen Legitimität jedoch nicht. Ägypten bleibt eine islamische Gesellschaft ohne iranische Auswüchse.

Die Verneinung der Möglichkeit einer Wiederholung des iranischen Falles in Ägypten ist keine generelle Verneinung jeglicher „Spill-Over" -Effekte der iranischen Revolution auf ihre Umgebung. Der irakisch-iranische Krieg sowie die Exzesse des schiitischen Klerus und seines paramilitärischen Fußvolkes, der Pasdaran (Revolutionswächter), und nicht zuletzt der ausgebliebene Erfolg der islamischen Verheißung haben jedoch die Ausstrahlung der „iranischen Revolution" weitgehend verringert. Jugendlich-militante Angehörige neofundamentalistischer Gruppen, die aus dem Land stammen und in Kairo und anderen Großstädten des Landes unter den Folgen ihrer Entwurzelung leiden, schauen zu Khomeini als Sympbol für die Lösung ihrer Probleme hinauf. Dies mag für Jugendsoziologen von Interesse sein. Von der sicherheitspolitischen Analyse der zwar krisenhaften, aber nicht destabilisierten Binnenstruktur Ägyptens her gesehen hat aber selbst kurz nach der Ermordung Sadats kein „Iran in Ägypten" bestanden, obwohl der politische Islam der Gegenwart seinen Ursprung in Ägypten hat.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Eine kompetente politische Geschichte hierüber vermittelt N. R. Keddie, Roots of Revolution. An Interpretative History of Modern Iran, New Haven 1981; eine gute Analyse des iranischen Islam als Hintergrund der Revolution legte vor: M. M. Fischer, Iran. From Religious Dispute to Revolution, Cambridge (Mass.) 1980; eine Einordnung in den internationalen Rahmen unternimmt B. Tibi, Die iranische Revolution und die Re-Islamisierung im Lichte des Nord-Süd-Konflikts, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 14/81, S. 12— 26.

  2. Vgl. B. Tibi, Ägypten und seine arabische Umwelt. Eine historische Retrospektive über Ägyptens Abkopplung nach Sadats Friedensinitiative, in: Beiträge zur Konflikt-Forschung, 12 (1982) 4, S. 33— 60.

  3. Siehe besonders T. R. McHale, A Prospect of Saudi Arabia, in: International Affairs, 56 (1980) 4, S. 622— 647, und L. Turner/J. Bedore, Saudi Arabia: The Power of the Purse-Strings, in: International Affairs, 54 (1978) 3, S. 405— 420.

  4. Vgl. die ausgezeichnete Untersuchung von Ch. Helms, The Cohesion of Saudi Arabia, London 1981.

  5. B. Tibi, Die Folgen der Re-Islamisierung für Weltpolitik und Weltwirtschaft, in: Gegenwartskunde, Bd. 30 (1981), S. 187— 196 (überarbeitete Fassung des Vortrages vor dem Industrie-Club, Düsseldorf).

  6. Bericht Ägypten", in: Internationales Afrika-Forum, 18 (1982), S. 117 ff., hierzu S. 119.

  7. Vgl. R. O. Freedman, Soviet Policy towards the Middle East since 1970, New York 19782, S. 12ff., 19 ff.

  8. D. S. Brown, Egypt and the United States: Collaborators in Economic Development, in: The Middle East Journal, 35 (1981), S. 3— 14, hierzu S. 8.

  9. Vgl. R. Owen, The Middle East in the World Economy 1800- 1914, London-New York 1981, bes. S. 65ff.

  10. Hierüber ausführlich I. Abu-Lughod, The Arab Rediscovery of Europe. A Study in Cultural Encounters, Princeton (N. J.) 1963, und B. Tibi, Nationalismus in der Dritten Welt am arabischen Beispiel, Frankfurt/M. 1971 (Engi.: London 1981; Amerika: New York 1981), bes. S. 64ff.

  11. Vgl. H. Dodwell, The Founder of Modern Egypt. A Study of Mohammed Ali, Cambridge 1931.

  12. Vgl. A. Schölch, Ägypten den Ägyptern, Zürich-Freiburg/Br. 1972 (Engi.: London 1981).

  13. Vgl. N. Safran, Egypt in Search of Political Community. An Analysis of the Intellectual and Political Evolution of Egypt 1804— 1952, Cambridge (Mass.) 1961, bes. S. 101 ff.

  14. Vgl. die immer noch grundlegende Studie hierüber von A Abdel-Malek, Ägypten: Militärgesellschaft, Frankfurt/M. 1971 (Orig. Franz., Paris 1962), bes. S. 93 ff., und B. Tibi, Militär und Sozialismus in der Dritten Welt, Frankfurt/M. 1973, darin das Kap. über Ägypten, S. 193 ff.

  15. Vgl. die Diskussion über Ägyptens Bedeutung und zum historischen Stellenwert des Nasserismus in F. Ajami, The Arab Predicament. Arab Political Thought and Practice since 1969, Cambridge 1981, S. 77 ff. und bes. S. 122 ff.

  16. Vgl. hierüber B. Tibi, Die Krise des modernen Islam. Eine vorindustrielle Kultur im wissenschaftlich-technischen Zeitalter, München 1981, S. 59ff.

  17. Vgl. R. O. Freedman, a. a. O. (Anm. 7), Kap. II.

  18. Vgl. Kap. Die Armee, die Staatspartei und der politische Aufstieg Sadats, in: B. Tibi, a. a. O. (Anm. 14), S. 319ff.

  19. Vgl. G. G. Klöwer, Ägypten. Zwischenbilanz und Perspektiven Sadatischer Entwicklungspolitik, Arbeiten der Abteilung Entwicklungsländer-Forschung der Friedrich-Ebert-Stiftung, Heft Nr. 42, Bonn 1976.

  20. Siehe U. Steinbach, Arabische Politik um das Horn von Afrika, in: Außenpolitik, 28 (1977), S. 300— 311, bes. S. 307 ff.

  21. *DSi. e zweifellos grundlegende Geschichte der Muslim-Brüder legte Vor: R. Mitchell, The Society of the Muslim Brothers, Oxford 1969, zur Periode unter Nasser S. 105ff; Mitchell betreibt gegenwärtig Feldforschung in Ägypten, um entsprechende Materialien über die Nachfolgeorganisationen zu sammeln; in dem sehr informativen Aufsatz von M. Wenner/A. Said Aly, Modern Islamic Reform Movements: The Muslim Brotherhood in Contemporary Egypt, in: The Middle East Journal, 36 (1982), S. 336— 361, werden Informationen vermittelt, die zeitlich gesehen über die Arbeit von Mitchell hinausgehen (Mitchell ist inzwischen in Kairo verstorben).

  22. J. P. O'Kane, Islam in the New Egyptian Constitution, in: The Middle East Journal, 26 (1972), S. 137— 148.

  23. Hierüber informiert im einzelnen die ausgezeichnete Analyse von J. Waterbury, Egypt. Burdens of the Past/Options for the Future, Bloomington 1978, bes. S. 113 ff., 125 ff. und 201 ff. Waterbury forschte und lehrte sieben Jahre in Ägypten.

  24. Eine Analyse sowie eine Dokumentierung dieses Friedensprozesses sind enthalten in P. A. Jureidini/R. D. McLaurin, Beyond Camp David. Emerging Alignments and Leaders in the Middle East, Syracuse 1981 (Dokumente auf S. 105ff.); vgl. auch B. Tibi, a. a. O. (Anm. 2), S. 47 ff.

  25. A. R. Taylor, The Arab Balance of Power, Syracuse 1982, S. 73 ff.

  26. So lautet auch die Interpretation des Ökonomen O. Hamed, Egypt’s Open Door Economic Policy: An Attempt at Economic Integration in the Middle East, in: International Journal of Middle East Studies, 13 (1981), S. 1— 9, hierzu S. 6 ff.

  27. Vgl. B. Tibi, Zum Verhältnis von Religion, Politik und Staat in islamisch legitimierten Monarchien. Eine komparative Studie über Marokko und Saudi-Arabien, in: Orient, 21 (1980), S. 158— 174.

  28. Hierüber im einzelnen A. I. Dawisha, Internal Values and External Threats: The Making of Saudi Foreign Policy, in: Orbis, 23 (1979) 1, S. 129— 143.

  29. Hierüber ausführlich die entsprechenden Kapitel in B. Tibi, a. a. O. (Anm. 14), S. 194 ff., S. 223 ff.

  30. A. Perlmutter, Egypt. The Pretorian Society, New Brunswick 1974, S. 163 ff.

  31. B. Tibi, a. a. O. (Anm. 14), S. 208.

  32. Hierüber informiert sehr fundiert J. Waterbury, a. a. O. (Anm. 23), S. 67 ff. (über die Bevölkerungsexplosion), S. 113 ff. (über die Ernährungsprobleme), S. 177 (über die Behausungsprobleme).

  33. R. Mabro, The Egyptian Economy 1952— 1972, Oxford 1974, bes. S. 228ff„ vgl. auch D. Weiß, Wirtschaftliche Entwicklungsplanung in der Vereinigten Arabischen Republik. Analyse und Kritik der ägyptischen Wachstumspolitik, Köln-Opladen 1964. So wenig man Nassers Erbe positiv beurteilen kann, ist es für den Experten auch kaum zu übersehen, wie sehr dieses Erbe heute im Orient mit Mythen verhüllt wird. Nasser gilt einfach als der historische Held des modernen Nahen Ostens, auch wenn manchmal seine Fehler registriert werden. Die repräsentativste arabische Publikation hierüber ist das Sonderheft der großen Beiruter Zeitschrift Qadaya Arabiyya, an dem 30 führende arabische Publizisten und Wissenschaftler als Autoren mitgewirkt haben. Vgl. A. Sayigh (ed.), Abd anNasir wa ma bad (Abdul Nasser und sein Nach-Zeitalter), Beirut 1980.

  34. O. Hamed, a. a. O. (Anm. 26), hierzu S. 4f.

  35. Vgl. J. Merriam, Egypt after Sadat, in: Current History, 81 (1982), S. 5— 8. Weniger fundiert dagegen ist leider: G. G. Klöwer, Ägypten unter Mubarak, in: Internationales Afrika-Forum, 18 (1982), S. 267— 272.

  36. D. Radke/H. H. Taake, Das internationale Management der Finanzkrisen Ägyptens und der Türkei, in: Europa-Archiv, 38 (1983), S. 53— 62, hierzu S. 54 f.

  37. D. S. Brown, a. a. O. (Anm. 8), S. 5.

  38. O. Hamed, a. a. O. (Anm. 26), S. 4.

  39. M. Parvin/L. Putterman, Population and Food Dynamics: A Caloric Measurement in Egypt, in: International Journal of Middle East Studies, 12 (1980), S. 81— 100, hierzu S. 98.

  40. Vgl. zu diesen Angaben die Aufsätze von J. Merriam, a. a. O. (Anm. 35), D. S. Brown, a. a. O. (Anm. 8) und O. Hamed, a. a. O. (Anm. 26).

  41. O. Hamed, a. a. O. (Anm. 26), S. 4.

  42. al-Hizb al-Watani waffar al-himaya lil-fasad wa'1-mufsidin, in: al-Ahali vom 30. 3. 1983 und al-Kafrawi al-millioner al-harib yakshuf asraran khatira an Ismat Sadat, in: al-Ahali vom 16. 3. 1983.

  43. Siehe das Kapitel „fat cats“ über diese ägyptischen Neureichen in: D. Hirst/I. Beeson, Sadat, London 1982, S. 215ff.

  44. Zur ASU vgl. die Monographie von R. Büren, Die Arabische Sozialistische Union, Opladen 1970.

  45. Zur Diskussion der Problematik Personifizierung/Institutionalisierung der Macht als Merkmale politischer Unterentwicklung bzw. Entwicklung am Beispiel Ägyptens vgl. B. Tibi, Schwache Institutionalisierung als politische Dimension der Unterentwicklung. Der Fall Ägypten, in: Verfassung und Recht in Ubersee, 13 (1980), S. 3— 26.

  46. Zum Oktober-Krieg vgl. die Beiträge in: N. H. Aruri, Middle East Crucible. Studies on the Arab-Israeli War of October 1973, Wilmette (111.) 1975.

  47. Zum folgenden ausführlich B. Tibi, a. a. O. (Anm. 45), bes. S. 16 ff.

  48. A Hottinger, Parlamentswahlen in Ägypten, in: Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 8. 6. 1979, und ders., Zweite Runde der ägyptischen Wahlen, in: NZZ vom 16. 6. 1979.

  49. Vgl. das Kap. Sadat's Egypt takes form, in: R. W. Baker, Egypt's Uncertain Revolution under Nasser and Sadat, Cambridge (Mass.) 1978, S. 132 ff. und die einschränkenden Bemerkungen auf S. 161 ff.

  50. Sh. Shamir/R. Segev, Arab Republic of Egypt, in: C. Legum (ed.), Middle East Contemporary Survey, Bd. 1, New York-London 1978, S. 284ff., hierzu S. 300.

  51. Vgl. hierzu den Abschnitt Die neue Phase des ägyptischen Militärregimes, in: B. Tibi, Internationale Politik und Entwicklungsländer-Forschung, Frankfurt/M. 1979, S. 127— 135.

  52. Wenn man berücksichtigt, daß die Christen-Kopten ca. 12 % der Bevölkerung Ägyptens ausmachen, dann versteht man, warum Sadat im Sinne von § 4 des Parteiengesetzes keine islamische Partei zulassen konnte, deren erklärtes Ziel die Errichtung eines islamischen Systems ist.

  53. Zum islamischen Sakralrecht, der Scharia, vgl. die Einführung von J. Schacht, An Introduction to Islamic Law, Oxford 1979'; zu den Problemen dieses Rechts in einer Phase rapiden sozialen Wandels vgl. B. Tibi, Topik, Islamisches Recht und Weltfriede, in: Orient, 23 (1982), S. 93— 105.

  54. Zur Einordnung der Iranischen Revolution in ihre internationale Umwelt vgl. F. Halliday, The Iranian Revolution in International Affairs: Programme and Practice, in: A. M. Farid (ed.), Oil and Security in the Arabian Gulf, New York 1981, hierzu S. 18— 35; zur Diskussion des Anspruches auf Übertragbarkeit der Iranischen Revolution siehe den Abschnitt A Revolution for Export, in: E. Mortimer, Faith and Power. The Politics of Islam, New York 1982, S. 353 ff. und das Urteil auf S. 405.

  55. Vgl. N. R. Keddie, Oil, Economic Policy and Conflict in Iran, in: Race and Class, 21 (1979), S. 13— 29, sowie ders., a. a. O. (Anm. 1), S. 86 ff.

  56. Hierzu B. Tibi, Nationalismus in der Dritten Welt am arabischen Beispiel, Frankfurt/M. 1979, S. 64 ff.

  57. Zum islamischen Modernismus siehe Ch. C. Adams, Islam and Modernism in Egypt, London 1933; zu den Muslim-Brüdern R. Mitchell, a. a. O. (Anm. 21).

  58. Hierzu A L. al-Sayyid-Marsot, Egypt’s Liberal Experiment 1922— 1936, Berkeley 1977.

  59. über den Schi'a-Islam informieren S. H. M. Jafri, The Origins and Early Development of Shia Islam, London 1979, und aus schiitisch-klerikaler Sicht A. S. M. H. Tabataba i, Shi ite Islam (aus dem Persischen von S. H. Nasr), London 1975.

  60. M. Wenner/A. Said Aly, a. a. O. (Anm. 21), hierzu S. 343.

  61. R. Mitchell, a. a. O. (Anm. 21), S. 105 ff.

  62. M. Berger, Islam in Egypt Today. Social and Political Aspects of Populär Religion, Cambridge 1970; siehe auch M. Gilsenan, Saint and Sufi in Modern Egypt. An Essay in the Sociology of Religion, Oxford 1973.

  63. über diesen Zusammenhang im einzelnen: B. Tibi, The Renewed Role of Islam in the Political and Social Development of the Middle East, in: The Middle East Journal, 37 (1983), S. 3— 13 (ursprünglich ein Papier zu dem Harvard Middle East Seminar, Spring Term 1982, vgl. Orient (1982) 2, S. 183 ff.).

  64. E. Rouleau, Who Killed Sadat?, in: MERIP-Reports, 12 (1982) 103, S. 3— 5, hierzu S. 5.

  65. Vgl. B. Tibi, Krise des modernen Islam. Eine vorindustrielle Kultur im wissenschaftlich-technischen Zeitalter, München 1981.

  66. Siehe die exemplarische Fallstudie über den marokkanischen Volks-Islam von D. Eickelman, Moroccan Islam, Austin 1976.

  67. Siehe die komparative Studie von C. Geertz, Islam Observed. Religious Development in Morocco and Indonesia, Chicago 19712*.

  68. Vgl. folgende Bände mit diversen Länder-Fallstudien: J. L. Esposito (ed.), Islam and Development, Syracuse 1980 (über Ägypten S. 49ff. und 71 ff.), P. H. Stoddard et al (eds.), Change and the Muslim World, Syracuse 1981 (über Ägypten S. 49 ff. von J. Waterbury).

  69. S. E. Ibrahim, Anatomy of Egypt's Militant Islamic Groups: Methodological Note and Preliminary Findings, in: International Journal of Middle East Studies, 12 (1980), S. 423— 453; siehe auch N. N. M Ayubi, The Political Revival of Islam: The Case of Egypt, in: International Journal of Middle East Studies, 12 (1980), S. 481— 499; Ayubi hat in Kairo gelehrt und wirkt jetzt in den USA an der UCLA.

  70. Zur Bedeutung dieses Titels siehe F. Steppat,

  71. Zu dieser Problematik im einzelnen siehe das ausgezeichnete Kapitel „Modernization and its Consequences" in: M. Hudson, Arab Politics. The Search for Legitimacy, New Haven 1977, S. 126 ff.

  72. Nach den Statistiken von 1976: J. Waterbury, a. a. O. (Anm. 23), S. 79; im Jahre 1966 war der Anteil der Landbevölkerung noch 59, 5 %; heute dürfte er noch gerade über 50 % liegen.

  73. Die beste Darstellung über Kairo stammt von J. Abu-Lughod, Cairo: One Thousand-One Years of the City Victorious, Princeton 1971; sehr lesenswert ist auch das Kapitel über Kairo in J. Waterbury, a. a. O. (Anm. 23), S. 125 ff. mit Karten-und Bildmaterial.

  74. S. E. Ibrahim, a. a. O. (Anm. 69), s. 443 ff., und N. N. M. Ayubi, a. a. O. (Anm. 69), S. 488 ff.

  75. Der Begriff Anomie stammt aus der klassischen Selbstmord-Studie von Durkheim und bezieht sich auf einen Zustand der Desintegration der Persönlichkeitsstruktur aufgrund des Auseinanderklaffens von normativer Bindung und gelebter Wirklichkeit.

  76. S. E. Ibrahim, a. a. O. (Anm. 69), S. 448.

  77. R. A. Hinnebusch, Children of the Elite: Political Attitudes of the Westernized Bourgeoisie in Contemporary Egypt, in: The Middle East Journal, 36 (1982), S. 353— 561.

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Bassam Tibi, Dr. phil. habil, geb. 1944 in Damaskus; dort auch Schulbildung; seit 1962 in der Bundesrepublik (seit Juni 1976 deutscher Staatsbürger); Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichte und Philosophie an der Universität Frankfurt; Promotion in Frankfurt, Habilitation in Hamburg; seit 1973 Professor für internationale Beziehungen an der WiSo-Fakultät der Universität Göttingen; Spring Term 1982 Visiting Scholar Harvard University. Veröffentlichungen u. a.: Die arabische Linke, Frankfurt 1969; Nationalismus in der Dritten Welt am arabischen Beispiel, Frankfurt 1971; Militär und Sozialismus in der Dritten Welt, Frankfurt/M. 1973; Zur Soziologie der Dekolonisation in Afrika (mit Gerhard Grohs), Frankfurt 1973; Unterentwicklung (mit V. Brandes), Köln 1975; Internationale Politik und Entwicklungsländerforschung, Frankfurt/M. 1979; Arab Nationalism. A. Critical Enquiry, London 1981; Die Krise des modernen Islam. Eine vorindustrielle Kultur im wissenschaftlich-technischen Zeitalter, München 1981.