Das Produktivvermögen ist in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor sehr einseitig verteilt. 1983 besaßen 2, 4 Prozent der privaten Haushalte 50 Prozent des Eigentums an gewerblichen Unternehmen. Diese Konzentration ist gesellschaftspolitisch bedenklich, weil Produktivvermögen wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht verleiht. Ziel der Vermögenspolitik muß es daher sein, die sich aus dem Produktivvermögen ableitende Verfügungs-und Entscheidungsgewalt über Menschen und Maschinen anders zu verteilen. Guski/Schneider haben vor kurzem eine empirische Untersuchung über die Ergebnisse betrieblicher Vermögensbeteiligungsmodelle vorgelegt, die es ermöglicht zu prüfen, ob diese Systeme geeignet sind, das oben genannte Ziel der Vermögenspolitik zu verwirklichen. ihre Ergebnisse belegen: Unternehmen, die ein betriebliches Vermögensbeteiligungsmodell bei sich praktizieren, haben in der Regel erhebliche Liquiditätsvorteile. Arbeitnehmer erlangen manchmal beachtliche Vermögenswerte, treten — entgegen früheren Befürchtungen von Gewerkschaftsseite — nicht aus der Gewerkschaft aus, erlangen aber in der Mehrzahl der Fälle keine Mitbestimmungsrechte im Unternehmen, die über das gesetzlich Geforderte hinausgehen. Da eine Umverteilung der Entscheidungsbefugnisse nicht stattfindet, betriebliche Vermögensbeteiligungsmodelle Steuerausfälle nach sich ziehen und viele Arbeitnehmer von dieser Begünstigung ausgeschlossen bleiben, wird die betriebsbezogene Vermögensbeteiligung als kein gangbarer Weg bezeichnet. Statt dessen wird der Einführung der paritätischen Mitbestimmung und überbetrieblichen Lösungen der Vermögensbeteiligung als Instrumente zur Kontrolle wirtschaftlicher Macht der Vorzug gegeben.
I. Grundsatzfragen der Vermögenspolitik
Die aktuelle vermögenspolitische Situation Nachdem die sozialliberale Koalition ihre ursprünglichen Pläne, eine überbetriebliche Gewinnbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland einzuführen 1), wieder fallengelassen hatte — angeblich, weil bei der Bewertung von Eigentumsanteilen, die Nicht-Kapitalgesellschaften an den Vermögensbildungsfonds abzuführen gehabt hätten, unüberwindliche Schwierigkeiten auftraten —, gab es keinerlei gesetzgeberische Initiativen mehr in Richtung einer breiteren Vermögensstreuung. Im Gegenteil: Im Zuge der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte wurden die bestehenden Sparförderungsmaßnahmen abgebaut, d. h. beim Wohnungsbau-Prämiengesetz und beim Spar-Prämiengesetz die Prämiensätze und beim Dritten Vermögensbildungsgesetz die Arbeitnehmer-Sparzulage gekürzt
Seit kurzem ist jedoch wieder Bewegung in die Vermögenspolitik gekommen. Mit dem Vierten Vermögensbildungsgesetz, das am 22. Dezember 1983 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde hat die Koalition aus CDU/CSU und F. D. P.den Katalog der Anlagen, für die vom Staat Zulagen gewährt werden, erweitert. Während Arbeitnehmer, die eine bestimmte Einkommenshöhe nicht überschreiten (24 000/48 000 DM — Ledige/Verheiratete) bisher nur für Anlageformen, die zum Geldvermögen zu zählen sind (Sparbuch, Bausparvertrag, Lebensversichung, festverzinsliche Wertpapiere), sowie für Aktiensparen eine Sparzulage erhielten, werden ab 1. Januar 1984 auch vermögenswirksame Anlagen bei Nicht-Aktiengesellschaften, also bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Einzelunternehmen und Personengesellschaften, begünstigt. Als Anlageform kom-men bei diesem Kreis von Unternehmen vor allem das Arbeitnehmerdarlehen und die stille Beteiligung in Betracht.
Ist dies ein geeigenter Weg, das Problem einer gerechteren Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland zu lösen? Oder handelt es sich hierbei um einen Irrweg, der vom eigentlichen Ziel einer gleichmäßigeren Vermögensverteilung wegführt?
Die Beantwortung dieser Fragen setzt zweierlei voraus:
— eine Bestandsaufnahme der Vermögens-verteilung in der Bundesrepublik Deutschland, so wie sie sich nach den neuesten Untersuchungen darstellt; — eine klare Definition der Ziele, die mit einer gleichmäßigeren Vermögensverteilung erreicht werden sollen. 2. Die Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland zu Beginn der achtziger Jahre Vor etwa 15 Jahren beherrschten zwei Zahlen die vermögenspolitische Diskussion und erhitzten die Gemüter. Sie stammten von Krelle und Siebke, die unter Auswertung der Ergebnisse der Vermögensteuerstatistik für 1960 (Krelle) bzw. 1966 (Siebke) ermittelten:
— 1, 7 Prozent der privaten Haushalte besaßen 1960 (1966) 35 Prozent (31 Prozent) des gesamten privaten Vermögens und — 1, 7 Prozent der privaten Haushalte besaßen 1960 (1966) 70 Prozent (74 Prozent) des Eigentums an gewerblichen Unternehmen Wenngleich diese Zahlen in der öffentlichen Diskussion oftmals nicht ganz korrekt zitiert wurden — die 1, Prozent der privaten Haushalte besaßen „nur" 74 Prozent des Eigentums, d. h.des Eigenkapitals, an den gewerblichen Unternehmen, also nicht 74 Prozent des Produktivvermögens, denn der Wert des Produktivvermögens setzt sich aus Eigenkapital plus Fremdkapital zusammen —, so belegten sie doch eines ganz deutlich: Die soziale Marktwirtschaft hatte bislang bei der Lösung des Problems, eine gleichmäßigere Einkommens-und Vermögensverteilung zu schaffen, völlig versagt, und die Formel Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“ 7), die durch hohes Wirtschaftswachstum im Verein mit gewerkschaftlicher Tarifpolitik Wirklichkeit geworden war, reichte nicht aus, um das Wirtschafts-und Gesellschaftssystem der Bundesrepublik für alle akzeptabel zu machen.
Wie sieht die Vermögensverteilung zu Beginn der achtziger Jahre aus? Seit der Veröffentlichung der Krelle- und Siebke-Zahlen haben mehrere Forscher versucht, aktuellere Daten zur Vermögensverteilung vorzulegen. Die jüngsten stammen von Mierheim/Wicke von Hoher und von MiegeE Ihre Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: — Die Verteilung des Cesamtvermögens ist in der Bundesrepublik in den Jahren nach 1966 gleichmäßiger geworden. Für 1973, das Jahr, auf das sich die Untersuchung von Mierheim/Wicke bezieht, gilt: 1, 7 Prozent der privaten Haushalte besaßen weniger als 24 Prozent des privaten Nettogesamtvermögens (1966 waren es nach Siebke noch 31 Prozent gewesen). Ein Viertel aller Haushalte, also 25 Prozent, besaßen allein 80 Prozent des gesamten Nettovermögens — Bezieht man die Versorgungsvermögen ein, also die kapitalisierten Ansprüche, die Arbeitnehmer gegenüber der Sozialversicherung haben, so wird die ausgewiesene Vermögensverteilung noch gleichmäßiger. Dieses Resultat ist jedoch nicht weiter überraschend. Während die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen ihre Altersversorgung fast überwiegend auf die Leistungen der gesetzlichen; Sozialversicherung stützen, bauen die Bezie her höherer Einkommen ihre Altersversorgung auf private Lebensversicherungen und ihre sonstigen Vermögensbestände auf. Letztere Vermögenswerte waren indessen seit jeher Gegenstand von Vermögensverteilungsrechnungen, die Versorgungsvermögen blieben hingegen lange Zeit völlig ausgeklammert. — Beim Produktiwermögen ist nach wie vor eine starke Konzentration festzustellen 1, 7 Prozent der privaten Haushalte besaßen 1973 51 Prozent des Eigentums an gewerblichen Unternehmen Der Konzentrationsgrad war somit 1973 erheblich geringer als der von Krelle und Siebke für 1960 bzw. 1966 ermittelte. Trotzdem ist die Konzentration des Produktivvermögens immer noch als zu hoch einzuschätzen.
Hoher bewertete deshalb die Ergebnisse seiner Untersuchung mit den Worten: „Die Vermögensverteilung ist damit wesentlich gleichmäßiger, als bisher angenommen werden konnte. An dieser Stelle soll ausdrücklich betont werden, daß eine völlige Gleichverteilung des Vermögens unter den Haushalten weder erstrebenswert noch in einer Gesellschaftsordnung, die Privateigentum an den Produktionsmitteln vorsieht, überhaupt realisierbar ist. Trotz dieser Erkenntnisse ist der Zustand der Verteilung jedoch nicht als ideal zu bezeichnen, denn noch immer verfügen die reichsten 20 Prozent der Haushalte über fast 60 Prozent des privaten Nettovermögens und umgekehrt die 60 Prozent vermögensmäßig ärmsten Haushalte über nur gut 20 Prozent des privaten Nettovermögens ... Extrem ungleich verteilt ist das Produktivvermögen und das Wertpapiervermögen. Beide Vermögens-arten werden nur von vergleichsweise wenigen Haushalten besessen und sind darüber hinaus sehr hoch konzentriert."
Und bezüglich der Verteilung auf die sozialen Schichten heißt es bei Hoher: „Betrachtet man die Haushalte der einzelnen sozialen Schichten, so erweisen sich die Arbeiterhaushalte als das Stiefkind der Vermögensverteilung. Ihr gewichteter Anteil am Versorgungsvermögen ist der geringste aller unselbständigen Erwerbstätigen, und nach Einbeziehung des Versorgungsvermögens ist ihre relative Vermögensposition die schlechteste aller Schichten.“ Die aktuellsten Daten zur Vermögensverteilung in der Bundesrepublik stammen von Miegel. Unter Auswertung aller bisher vorliegenden Statistiken errechnete das Institut für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik (IWG) die Bestände der verschiedenen Vermögens-arten auf das Jahr 1983 hoch und schlüsselte die so gewonnenen Vermögenswerte nach Haushaltstypen und sozialen Gruppen auf. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengefaßt.
Auf den ersten Blick mögen Miegels Zahlen überraschen. Immerhin gehören nach seiner Rechnung mehr als die Hälfte aller im Erwerbsleben stehenden Arbeitnehmer, nämlich 18, 2 Millionen oder 51 Prozent, zur wohlhabenderen Bevölkerungshälfte. Dennoch läßt sich ein Charakteristikum der Vermögensverteilung nicht leugnen: Die einzelnen Vermögensarten sind sehr ungleichmäßig auf die sozialen Gruppen verteilt. Das Vermögen, das die ärmere Hälfte der Bevölkerung besitzt, besteht zum überwiegenden Teil aus Haus-und Grundvermögen und aus Sachvermögen. Hierbei handelt es sich um Vermögensarten, die der Befriedigung täglicher Konsumbedürfnisse dienen. Zu diesen typischen „Wertgegenständen" gehören etwa die Wohnungseinrichtung und der PKW. Vermögensarten, die eine zusätzliche materielle Sicherung bedeuten, wie etwa ein größeres Geldvermögen, oder die als Erwerbsgrundlage bzw. Einkommensquelle dienen, wie das Betriebsvermögen, fehlen hingegen entweder völlig oder sind nur in Ansätzen vorhanden. Anders bei der wohlhabenderen Bevölkerungshälfte: Hier spielen das Geldvermögen und das Betriebsvermögen eine ungleich wichtigere Rolle im Rahmen des gesamten Vermögensbestandes. Daß Haus-und Grundvermögen sowie Sachvermögen ebenfalls vorhanden sind, versteht sich von selbst.
Noch ein weiteres fällt auf, wenn man die Zahlen in Tabelle 1 näher betrachtet. In der ärmeren Bevölkerungshälfte sind Selbständige so gut wie gar nicht vertreten. Sie gehören ausschließlich zum wohlhabenderen Bevölkerungsteil. Demgegenüber befindet sich die Mehrzahl der Arbeiter, der Rentner und der Versorgungsempfänger in der ärmeren Bevölkerungshälfte.
Auch Konzentrationswerte lassen sich aus der Untersuchung von Miegel ableiten. Die Gruppe der Bevölkerung mit sehr großen Einkommen und Vermögen machte nach Miegel 1983 2, 4 Prozent der privaten Haushalte aus. In ihnen leben rund 1, 3 Millionen Menschen, das sind 2, 1 Prozent der Bevölkerung. Sie besitzen ein Gesamtvermögen in Höhe von 1 029, 8 Mrd. DM, das sind gut 19 Prozent des Gesamtvermögens der privaten Haushalte. Ihr Produktiwermögen (hier ohne Aktienkapital, das Miegel zum Geldvermögen rechnet) beläuft sich auf über 250 Mrd. DM. Gemessen am Gesamtbestand des Betriebsvermögens, das Miegel mit rund 500 Mrd. DM angibt (wiederum ohne Aktienkapital), errechnet sich ein Anteil dieser reichsten privaten Haushalte von rund 50 Prozent. Unterstellt man, daß auch das Aktienkapital ähnlich auf die privaten Haushalte verteilt ist wie das Betriebsvermögen, dann gilt für 1983:
— 2, 4 Prozent der privaten Haushalte besaßen 50 Prozent des Produktiwermögens (d. h.des Eigentums an gewerblichen Unternehmen). Die Konzentration des Produktivvermögens hat damit seit 1973 nur mehr unwesentlich abgenommen.
— 80 Prozent dieser Haushalte waren Selbständige, 12 Prozent leitende Angestellte und 7 Prozent gutverdienende Beamte. Arbeiter waren in dieser Gruppe nicht vertreten.
Auch die neuesten Untersuchungen können damit einen Tatbestand nicht verleugnen: Eine Vermögensart, nämlich das Produktivvermögen, konzentriert sich in der Bundesrepublik Deutschland in wenigen Händen. Dies ist gesellschafts-und ordnungspolitisch außerordentlich problematisch; denn im Unterschied zu anderen Vermögensarten verleiht Produktivvermögen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Macht. Wer über Produktivvermögen verfügt, entscheidet über den Einsatz von Arbeitskräften und Maschinen, er hat damit Macht über Menschen. Von daher hat das Produktivvermögen eine ganz andere Qualität als jede andere Vermögensform. Insbesondere kann das Produktiv, vermögen der Selbständigen nicht gegen das Versorgungsvermögen der Arbeitnehmer aufgerechnet werden, weil die Ansprüche an die Sozialversicherung, wie übrigens auch Miegel betont, „keinerlei materielle Absicherung (haben), sondern ausschließlich politisch gesichert (sind)" Daß hier ohne weiteres Einschnitte zu Lasten der Versicherten vorgenommen werden können, haben gerade die letzten Jahre mit ihren haushaltsbedingten Sparmaßnahmen auch im Rentenbereich bewiesen 3. Ziele der Vermögenspolitik Die Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Vermögensverteilung war aus zwei Gründen notwendig: zum einen, um die Ergebnisse der bisherigen Vermögenspolitik fundiert würdigen zu können, zum anderen, weil die Definition von Zielen politischer Maßnahmen nur sinnvoll ist, wenn Klarheit darüber herrscht wo man sich im Augenblick befindet.
Die nicht zu bestreitende Dekonzentration bei der Verteilung des Gesamtvermögens, die in den letzten 20 bis 25 Jahren stattgefunden hat, stellt der Vermögenspolitik in der Bundesrepublik Deutschland im ganzen kein schlechtes Zeugnis aus. Dank des wirtschaftlichen Wachstums und des Produktivitätsfortschritts konnten auch die Gewerkschaften Einkommenssteigerungen durchsetzen, die ausreichten, um einer immer größeren Zahl von Arbeitnehmern das Sparen zu ermöglichen. Naturgemäß fließen die Ersparnisse von Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen zunächst in Anlagen, die sicher sind: Sparbücher, Bausparverträge, Lebensversicherungen. Mit Risiko verbundene Anlageformen werden gemieden, weil hierfür die materielle Grundlage fehlt; denn ein Verlust dieser Anlagen würde , bei kleineren Einkommensbeziehern schnell zur Existenzgefährdung führen. So gesehen kann die unverändert geringe Beteiligung unterer Einkommensbezieher am Produktivvermögen nicht überraschen. Produktivvermögen ist mit höherem Risiko behaftet und deshalb eine Anlageform, von der Personen mit niedriger Sparquote verständlicherweise zurückschrecken.
Beteiligung aller sozialer Schichten am Produktivvermögen ist jedoch kein Wert an sich. Dahinter verbirgt sich ein gesellschaftspolitisches Grundproblem, das die Industriegesellschaft seit über 100 Jahren begleitet, nämlich: * Wer soll die Produktionsmittel besitzen und über ihren Einsatz verfügen? Unverändert gilt daher: Fragen der Vermögenspolitik sind immer gleichzeitig auch Fragen der sozialen Kontrolle wirtschaftlicher Macht Ziel der Vermögenspolitik, soweit sie die bloße Förderung von Konten-und Bausparen überschreitet und die Bildung von Produktivkapital unterstützen will, muß folglich sein, nicht nur das Produktivvermögen, sondern auch die daraus sich ableitende Verfügungs-und Entscheidungsgewalt über Menschen und Maschinen anders zu verteilen. Mit anderen Worten: Vermögenspolitik muß Teil einer Strategie sein, die darauf abzielt, die Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung so zu verändern, daß niemand mehr in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik allein deshalb größeren Einfluß hat und Macht ausüben kann, weil er Produktivvermögen besitzt
Es kann hierbei jedoch nicht darum gehen — dies sei ausdrücklich betont —, den marktwirtschaftlichen Lenkungsmechanismus abzuschaffen. Im Gegenteil: Trotz vieler Unzulänglichkeiten hat der Marktmechanismus, d. h. das System dezentraler Wirtschaftslenkung, bislang seine Überlegenheit gegenüber allen Systemen zentraler Lenkung bewiesen. Vielmehr geht es um die Schaffung einer Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung, die die Vorteile des Wettbewerbs mit größerer sozialer Gleichheit verbindet.
Können betriebliche Beteiligungsformen, also die Beteiligung von Arbeitnehmern am Kapital des Unternehmens, in dem sie tätig sind, ein Schritt zur Verwirklichung der eben genannten Ziele sein? Mit dieser Frage wird sich ausführlich der folgende Abschnitt auseinandersetzen.
II. Betriebliche Vermögensbeteiligung — Erfahrungen und kritische Würdigung
1. Bisherige Beurteilung betrieblicher Beteiligungsmodelle Unternehmerverbände wie Gewerkschaften haben bisher betriebliche Beteiligungsmodelle äußerst reserviert betrachtet. Die überwiegende Mehrzahl der Unternehmer verfolgte die Experimente ihrer Kollegen, die in ihrem Lager eine Außenseiterrolle spielen, mit Mißtrauen und Skepsis. Viele sahen in diesen Einzelgängern so etwas wie „unverbesserliche Sozialromantiker", die unnötigerweise den Arbeitnehmern Zugeständnisse machten und die Geschlossenheit der eigenen Reihen beeinträchtigten.
Die Vorbehalte der Gewerkschaften wurden vor allem von den Motiven ausgelöst, die viele „Unternehmerpioniere" veranlaßte, in ihren Unternehmen betriebliche Vermögensbeteiligungsmodelle zu praktizieren, und zu denen sie sich unverhohlen auch in öffentlichen Verlautbarungen bekannten. So hieß es beispielsweise in einer der ersten Veröffentlichungen des damaligen Deutschen Industrie-
Instituts zur Problematik betrieblicher Beteiligungsmodelle: „Nicht nur sozial-und gesellschaftspolitische Motive, sondern auch betriebswirtschaftliche Überlegungen können Unternehmen veranlassen, Beteiligungssysteme einzuführen: Die Beschaffung zusätzlicher Finanzierungsmittel zur Erleichterung der Investitionen, die überdies den Vorzug besitzen, in der Regel preisgünstiger zu sein als auf dem Geld-und Kapitalmarkt aufgenommenes Fremdkapital... So verhehlt z. B. die Firma Bertelsmann keineswegs, daß ihr Modell nicht allein als eine Sozialmaßnahme verstanden werden soll. Vielmehr wolle man ohne Illusionen und ohne Sozialromantik ein Konzept verwirklichen,... von dem man sich auch ganz klare Vorteile für das Unternehmen und seine Führung verspricht. Man erwartet zum einen, daß mitbeteiligte Arbeitnehmer ein ungleich größeres Interesse am Firmengewinn entwickelten und über dieses größere Interesse die Produktivitätsleistung steigen werde. Zum anderen wird nach Angaben der Firma durch die Mitbeteiligung die Kapitalbildungsrate des Unternehmens auf das Zwei-bis Zweieinhalbfache der Eigenfinanzierung erhöht. Dies ergibt sich zunächst daraus, daß der Steuersatz der neuen Gesellschafter weitaus geringer ist als der des Firmeninhabers Mohn, der der höchsten Besteuerungsrate unterliegt... Ferner erhält das Unternehmen dadurch weitere Finanzierungsmittel, daß die Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter an eine Eigenleistung geknüpft ist."
Dieses Zitat zeigt: Nicht aus Selbstlosigkeit oder sozialer Gesinnung praktizieren die Unternehmer betriebliche Beteiligungsmodelle, sondern aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Ein anderes Motiv offenbart die Verlautbarung eines Bekleidungsunternehmens:
. Alle Mitarbeiter, die das 28. Lebensjahr überschritten haben und zugleich mindestens 4 Jahre im Betrieb ununterbrochen tätig sind, können zum Partner ernannt werden. Als Miteigentümer müssen sie fachlich, charakterlich und in ihrem Verhalten im Betrieb ein gutes Beispiel geben. Wer bei Vorliegen dieser geforderten Merkmale noch nicht zum Partner ernannt worden ist, erhält eine Bewährungschance. Nach Ablauf der gestellten Frist wird dieser Mitarbeiter entweder endgültig als Partner aufgenommen, oder aber ihm wird nahegelegt, innerhalb einer bestimmten Zeit das Unternehmen zu verlassen. Auf diese Weise sucht die Firma eine systematische Auslese guter, mitunternehmerischer Arbeitskräfte zu erreichen."
Das patriarchalische Gesellschaftsbild, das hinter diesen Ausführungen steckt, ist eindeutig: Der Unternehmer ist der „gute Herr und Vater", der in seiner „unermeßlichen Güte“ tüchtige und treue Arbeitskräfte für ihre Dienste „belohnt" und sie zum „Partner" ernennt, während andere, die nicht das Wohlgefallen des „Herrn“ finden, ausgeschieden werden. „Partner" ist man also nicht von vornherein dadurch, daß man seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt und mit anderen im Betrieb zusammenarbeitet, sondern zum „Partner" wird man erst, wenn der „Herr" es für richtig befindet.
Bezeichnend ist auch der letzte Satz, in dem von systematischer Auslese guter mitunternehmerischer Arbeitskräfte die Rede ist. Die Absicht, betriebliche Vermögensbeteiligung als Personalführungsinstrument einzusetzen, ist hier nicht mehr zu leugnen. Brave Arbeitnehmer, das sind solche, die mitunternehmerisch denken (also so wie der Chefl), sollen von denen geschieden werden, die andere Vorstellungen von betrieblichen Abläufen und wirtschaftlich sinnvollen Entscheidungen haben.
Die Vorteile, die von den Unternehmern mit betrieblichen Beteiligungssystemen bei der Personalführung verfolgt wurden, ließen die Gewerkschaften ferner befürchten, daß ihre Forderung nach paritätischer Mitbestimmung des Faktors Arbeit unterlaufen werden könnte, ja, daß betriebliche Beteiligung die Arbeitnehmer von den Gewerkschaften schlechthin entfremden würde. Sie sahen in betrieblichen Beteiligungsmodellen den Versuch der Unternehmer, die Gewerkschaften als Organisation zu schwächen und durch vorgebliche Praktizierung von Partnerschaft im Betrieb langfristig ganz überflüssig zu machen -Die Diskussion über betriebliche Partnerschaftsmodelle litt in all den Jahren darunter, daß die Wege, die hier von Einzelgängern beschritten wurden, Neuland waren und keinerlei Erfahrungen vorlagen. So beruhten die Argumente, die von Gegnern wie Befürwortern ausgetauscht wurden, weitgehend auf Spekulationen und z. T. auch auf Verdächtigungen des anderen, die der Förderung des Partnerschaftsgedankens wahrlich nicht förderlich waren. Um so mehr ist es zu begrüßen, daß kürzlich eine Untersuchung vorgelegt wurde, die Fakten zusammengetragen hat und die tatsächlichen Wirkungen der betrieblichen Beteiligungsmodelle in der Praxis mit wissenschaftlichen Methoden analysiert hat 2. Die tatsächlichen Erfahrungen mit betrieblichen Beteiligungsmodellen Inwieweit sind die Befürchtungen der Gewerkschaften eingetroffen und inwieweit ist Wirklichkeit geworden, was die Unternehmer von ihrem jeweils praktizierten Modell erwartet haben? Die Arbeit von Gusldl Schneider macht es möglich, hierüber Aussagen zu machen. Zunächst werden die dem Verfasser am wichtigsten erscheinenden Ergebnisse kurz referiert. Anschließend werden sie vor dem Hintergrund der vorhin entwik kelten Ziele der Vermögenspolitik gewürdigt. a) Betriebswirtschaftliche Ergebnisse Während man bislang nur aus Einzeläußerungen wußte, welche Motive Unternehmen zur Einführung betrieblicher Vermögensbeteiligungen veranlassen (s. o.), hat die Befragung von Guski/Schneider es jetzt eindeutig be- legt: Betriebswirtschaftliche bzw. betriebsegoistische Motive stehen bei den Unternehmen ohne jeden Zweifel im Vordergrund. Sie erwarten, daß sich Arbeitsleistung und Einsatz der Mitarbeiter verbessern, ihre Identifikation mit dem Unternehmen wächst, das Unternehmen eine solide Eigenkapitalbasis erhält und seine Liquidität steigt. Das eigentliche Ziel vermögenspolitischer Maßnahmen, nämlich Arbeitnehmer am Produktivvermögen zu beteiligen und damit eine soziale Ungerechtigkeit in unserer Wirtschaftsordnung zu beseitigen, rangiert bei den Unternehmern als Motiv dagegen an vorletzter Stelle Wenn man mit der Mitarbeiterbeteiligung das betriebswirtschaftliche Ziel verfolgt, die Liquidität des Unternehmens zu erhöhen und/oder seine Eigenkapitalquote zu verbessern, so weisen die bisher praktizierten Modelle unzweifelbar Erfolge auf. Nach Guski/Schneider beliefen sich die kurzfristigen Liquiditätseffekte von Beteiligungsmodellen auf etwa 30 Prozent des Zuwendungsbetrages, und die durchschnittliche Eigenkapitalquote lag in Beteiligungsunternehmen mit rund 31, 5 Prozent deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft (20, 9 Prozent) Diese Vorteile fallen noch höher aus, wenn Eigenkapitalleistungen der Arbeitnehmer hinzukommen. Werden in Zukunft die Anlagebeträge auch noch durch staatliche Arbeitnehmer-Sparzulagen aufgestockt, wird der Liquiditätszufluß für die Unternehmen noch größer.
Zwar dürften für einen Unternehmer — dies sei durchaus eingeräumt — diese betriebswirtschaftlichen Vorteile allein nicht ausschlaggebend sein, betriebliche Vermögens-beteiligung der Arbeitnehmer bei sich einzuführen. Zumindest sind sie jedoch ein Faktor, der diese Art der Vermögensbildung vor allem kleineren und mittleren Unternehmen besonders schmackhaft macht und vielfach geeignet ist, sie dazu zu bewegen, ihre anfänglichen Bedenken zurückzustellen.
b) Die Höhe des gebildeten Vermögens in Arbeitnehmerhand In welchem Umfang sich die praktizierten Beteiligungsmodelle in Mark und Pfennig bei den Arbeitnehmern niederschlagen, ist unter vermögenspolitischen Gesichtspunkten natürlich besonders interessant. Guski/Schnei-
der ermittelten für das Jahr 1983 pro beteiligtem Mitarbeiter ein durchschnittlich angesammeltes Kapital von 10 000 DM und eine Gesamtsumme an so gebildetem , „Arbeitnehroervermögen“ von 5, 5 Mrd. DM
Auf den ersten Blick sind diese Ergebnisse eindrucksvoll. Bei näherem Hinsehen erweist sich jedoch, daß der (korrekt ermittelte) arithmetische Durchschnittsbetrag von 10 000 DM stark nach oben verzerrt ist. In der Hälfte der untersuchten Unternehmen liegt nämlich das Mitarbeiterkapital pro Kopf unter 5 000 DM, und nur in etwa jedem fünften Unternehmen beträgt es durchschnittlich 10 000 DM und mehr. Nur eine kleine Minderheit der in der Untersuchung von Guski/Schneider erfaßten 500 000 Arbeitnehmer hat also ein Kapital von mindestens 10 000 DM angesammelt.
Die 5, 5 Mrd. DM Arbeitnehmer-Kapital sind indessen kein Produktiwermögen im Sinne des Eigentums an gewerblichen Unternehmen. Nur in gut einem Viertel der untersuchten Unternehmen 4 Prozent) haben die Arbeitnehmer die Rolle von Miteigentümern erlangt, indem sie Aktionäre, GmbH-Gesellschafter oder Kommanditisten geworden sind 26). In fast drei Viertel der Unternehmen sind die Arbeitnehmer hingegen lediglich Darlehensgeber, stille Teilhaber oder in einer anderen Weise in einer gläubigerähnlichen Position gegenüber dem arbeitgebenden Unternehmen. Betriebliche Vermögensbeteiligungsmodelle haben daher bisher in drei von vier Fällen nicht zu einer anderen Verteilung des Produktivvermögens geführt, sondern allenfalls die bisherigen Formen der Anlage von Geldvermögen der Arbeitnehmer erweitert.
Interessant wäre es nun gewesen zu erfahren, wie hoch der Gesamtwert des Produktivvermögens der von Guski/Schneider untersuchten Unternehmen ist Man hätte dann nämlich ermitteln können, welchen Anteil die Arbeitnehmer am Produktivvermögen der untersuchten Unternehmen tatsächlich durch die betriebliche Vermögensbeteiligung erworben haben. Doch hier fehlen leider die Daten, die man brauchte, um beurteilen zu können, wieweit man dem eigentlichen Ziel der Vermögenspolitik — der Umverteilung der Kontrolle der Verfügungsrechte über Produktionsmittel — auf dem Weg über betriebliche Beteiligungsmodelle näher gekommen ist.
Deshalb sei hier eine kleine Rechnung angefügt. Unterstellen wir einmal, die 5, 5 Mrd. DM Arbeitnehmervermögen bestehen zu gut einem Viertel aus Produktivvermögen im Sinne des Eigentums an gewerblichen Unternehmen, dann ergibt das ein Produktivvermögen in Arbeitnehmerhand von rund 1, 4 Mrd. DM. Gemessen am gesamten Produktivvermögen in der Bundesrepublik Deutschland, das Miegel für 1983 auf ca. 800 Mrd. DM schätzt errechnet sich ein Anteil von weniger als 0, 2 Prozent. So betrachtet ist das Ergebnis der betrieblichen Vermögensbeteiligung nicht mehr als ein Tröpfchen auf den heißen Stein. Von einer effektiven Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen kann bei einer derart mageren Bilanz nicht gesprochen werden. c) Wirkung aufdas Verhältnis der Arbeitnehmerzu ihren Gewerkschaften Ein besonders brisantes Problem bei betrieblichen Vermögensbeteiligungsmodellen ist ihre Wirkung auf das Verhältnis der Arbeitnehmer zu ihren Gewerkschaften. Guski/Schneider haben auch hierzu von ihnen erhobene Daten vorgelegt.
Die Befürchtung der Gewerkschaften, betriebliche Vermögensbeteiligungsmodelle würden die Arbeitnehmer von ihrer Interessenorganisation entfremden, bezeichnen sie als gegenstandslos; denn in vier Fünfteln der von ihnen befragten Unternehmen sei der gewerkschaftliche Organisationsgrad trotz Mitarbeiterbeteiligung nicht gesunken, und auch die Streikbereitschaft werde kaum tangiert
Bei dieser Frage bleibt die Untersuchung bedauerlicherweise zu sehr an der Oberfläche. Gewiß: Der gewerkschaftliche Organisationsgrad und die Streikbereitschaft der Arbeitnehmer sind wichtige Indikatoren für das Verhältnis der Arbeitnehmer zu ihren Gewerkschaften. Das gesellschaftliche Bewußtsein der Arbeitnehmer drückt sich jedoch nicht allein in diesen beiden Variablen aus. Wesentlich in diesem Zusammenhang sind vielmehr auch folgende Aspekte:
1. Arbeitnehmer in kleinen und mittelständischen Unternehmen, zu denen die Mehrzahl der von Guski/Schneider untersuchten Unternehmen gehört, haben in der Regel ein anderes Bewußtsein und legen auch ein anderes Verhalten an den Tag als ihre Kollegen in ausgesprochenen Großbetrieben. Dies hängt mit der Überschaubarkeit kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie mit der räumlichen und persönlichen Nähe zum Inhaber des Betriebes zusammen Arbeitgeber und Kapitaleigner bleiben hier nicht, wie in Großunternehmen, anonym, sondern sind namentlich, vom Sehen und häufig sogar auch persönlich bekannt. Dies schafft in kleinen und mittelständischen Betrieben von vornherein ein anderes soziales Klima als in einem Großunternehmen.
2. Für das Ausmaß der Bindung der Arbeitnehmer an ihre Gewerkschaft spielt eine Vielzahl von Gründen eine Rolle. Die wichtigsten dürften sein: Konfession und Bindung an die Kirche bzw. Distanz zu ihr, Parteipräferenz, Geschlecht, Sozialisation (durch familiäre Erziehung verinnerlichte politische, soziale und ethische Werte), soziale Stellung und soziales Umfeld im Betrieb (gewerkschaftliche Bindung bzw. Distanz der unmittelbaren Arbeitskollegen) Die Bindung der Arbeitnehmer an ihre Gewerkschaft ist also das Produkt eines ganzen Bündels sozialer Faktoren und kann sowohl intensiver werden als auch erheblich nachlassen, ohne daß sich dies gleich in einem Austritt aus der Gewerkschaft oder, im umgekehrten Fall, in einem Beitritt zur Gewerkschaft niederschlagen muß. Mit anderen Worten: Die Einstellung der Arbeitnehmer gegenüber den Gewerkschaften kann sich durchaus ändern und die Distanz zu ihnen größer werden, ohne daß deshalb sofort der Austritt vollzogen wird. Derartige Einstellungsänderungen erfassen Guski/Schneider bei ihrer groben Meßmethode leider nicht. Ihr Hinweis auf den gleich-bleibenden Organisationsgrad widerlegt zwar die von Seiten der Gewerkschaften früher geäußerten Befürchtungen von Austritten aus der Gewerkschaft er ist indessen allein noch kein hinreichendes Indiz dafür, daß die Identifikation der Arbeitnehmer mit ihren Gewerkschaften in Wirklichkeit nicht doch schwächer geworden ist. 3. Ein anderer Aspekt der Identifikation der Arbeitnehmer mit ihren Gewerkschaften ist der Umfang des Engagements der Mitglieder. So können sie entweder ihre Gewerkschaft nur als eine Art große Versicherung ansehen, in die sie ihren Beitrag „hineinwerfen", damit sie bei Konflikten im Arbeitsverhältnis von ihr geschützt werden Oder sie können die Gewerkschaften als eine große emanzipatorische soziale Bewegung betrachten mit dem Ziel, die Wirtschafts-und Gesellschaftsord-nung zu verändern. Ferner können Arbeitnehmer bloß passiv zahlende Mitglieder in einer Gewerkschaft sein, ohne daß sie sich weiter um die gewerkschaftlichen Forderungen und Vorstellungen kümmern. Oder sie können aktiv an allem, was die Gewerkschaften organisieren, mitwirken, d. h. an Kundgebungen und Demonstrationen teilnehmen, Schulungsveranstaltungen besuchen und am Arbeitsplatz und im privaten Freundeskreis ständig die gewerkschaftlichen Auffassungen vertreten und für die Ziele der Gewerkschaften werben. Aufschlußreich wäre es jetzt gewesen zu erfahren, wie das gewerkschaftspolitische Engagement der Arbeitnehmer in Beteiligungsuntemehmen konkret aussieht und ob es durch die Vermögensbeteiligung im Laufe der Zeit Wandlungen unterworfen war. Dies würde dann verläßlichere Aussagen darüber zulassen, wie sich betriebliche Vermögensbeteiligung auf das Bewußtsein der Arbeitnehmer und ihr Verhältnis zu den Gewerkschaften auswirkt. Die Untersuchung von Guski/Schneider greift hier eindeutig zu kurz, weil sie sich auf die Ermittlung des Organisationsgrades und der Streikbereitschaft der Arbeitnehmer beschränkt
Nicht überraschen kann andererseits ihre Feststellung, daß die überwiegende Mehrzahl der Betriebsräte in den untersuchten Unternehmen betrieblichen Beteiligungsmodellen positiv gegenübersteht Betriebsräte sind nämlich kein'verlängerter Arm der Gewerkschaften in den Betrieben, wie Guski/Schneider zu Unrecht annehmen, sondern ein eigenständiges Organ zur Vertretung von Arbeitnehmerinteressen. Als solche haben die Betriebsräte autonome Interessen, die gelegentlich von denen der Gewerkschaften abweichen, wenngleich sie die Gewerkschaften zur Rechtsberatung und zur Erlangung des erforderlichen wirtschaftlichen und arbeitsrechtlichen Wissens dringend brauchen. Da die Betriebsräte sich in ihrer Funktion in regelmäßigen Abständen zur Wahl stellen müssen, stehen sie unter einem gewissen Zwang, ihren Wählern, d. h.den Belegschaftsmitgliedern, gegenüber, Leistungen und Erfolge vorweisen zu müssen. Von daher erklärt es sich, daß sie Angebote ihrer Arbeitgeber zur Einführung einer betrieblichen Beteiligung meist gern aufgreifen, stärken doch solche Vereinbarungen ihren Einfluß im Unternehmen und ihr Ansehen bei der Belegschaft.
Bedingt durch ihre spezielle Interessenlage waren Betriebsräte von jeher aufgeschlossen, wenn es darum ging, mit ihrem Arbeitgeber Vereinbarungen über betriebliche soziale Sonderleistungen zu treffen; die Gewerkschaften haben es hingegen schon immer vorgezogen, derartige Sozialleistungen tarifvertraglich abzusichern, damit gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer einen einklagbaren Rechtsanspruch darauf hatten. Nicht verwundern kann es daher auch, wenn örtliche Stellen der Gewerkschaften in die Zwickmühle geraten, sobald ein Unternehmen in dem von ihnen betreuten Gebiet ein betriebliches Vermögensbeteiligungssystem anbietet, sind sie doch einerseits gehalten, bei auftauchenden Problemen im Betrieb Hilfestellung zu leisten, andererseits aber verpflichtet, die Auffassungen ihres Vorstands loyal zu vertreten.
Nach allem kann die Schlußfolgerung, die Guski/Schneider aus ihrer Untersuchung dieses Fragenkomplexes ziehen, nicht geteilt werden. Sie schreiben: „Beteiligungsmodelle richten sich nicht gegen die Gewerkschaften.“ Sieuntersuchen aber eventuelle Bewußtseins-und Verhaltensänderungen bei den betroffenen Arbeitnehmern nicht gründlich genug, um diese Aussage hinreichend untermauern zu können. Sie behaupten, „die vom DGB befürchtete Schwächung der Geschlossenheit der Arbeitnehmervertretung wird durch seine ablehnende Haltung auf diesem Gebiet selber provoziert" verkennen dabei jedoch, daß die tiefere Ursache für die abweichende Haltung der Betriebsräte von der der Gewerkschaftsspitze in der Frage der betrieblichen Vermögensbeteiligung in der Rivalität zwischen Betriebsräten und Gewerkschaften zu sehen und im dualen System der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen strukturell angelegt ist. d) Wirkung auf die innerbetrieblichen Arbeitgeber-ZArbeitnehmerbeziehungen Ein nicht minder interessanter Aspekt betrieblicher Vermögensbeteiligungsmodelle ist ihre Wirkung auf die innerbetrieblichen Konflikte. Können derartige Modelle ein neues Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern schaffen und eine betriebliche Partnerschaft herbeiführen?
Die hochgesteckten Erwartungen mancher Befürworter des Partnerschaftsgedankens, der durch betriebliche Vermögensbeteiligung Realität werden sollte, dürften sich nicht er-füllt haben. Noch 1977 schrieben Guski/Schneider, betriebliche Vermögensbeteiligung könne die soziale Marktwirtschaft fortentwickeln, „indem sie zur Überwindung verkrusteter Gegensätze von Kapital und Arbeit beiträgt" Dieser damalige Optimismus ist inzwischen einer etwas zurückhaltenderen Betrachtungsweise gewichen. So heißt es in ihrer jetzt vorgelegten Untersuchung: „Die Ausführungen und Beispiele könnten vielleicht den Eindruck erwecken, in der Verwirklichung des betrieblichen Partnerschaftsgedankens die Lösung aller Probleme zu sehen, weil anscheinend die Unternehmen dann zu konfliktfreien Oasen werden: Gegensätze von Kapital und Arbeit sind abgebaut; zu Spannungen führende unterschiedliche Interessenlagen existieren nicht mehr. Wer betriebliche Partnerschaft so interpretiert, steht nicht auf dem Boden der Wirklichkeit.“ Und ihr Ergebnis lautet: „Partnerschaft hebt die Gegensätze zwischen Kapital und Arbeit nicht auf, da die Mitarbeiter ihre Arbeitnehmerinteressen nicht aufgeben können und sollen. Die auch in Partnerschaftsunternehmen stattfindenden Konflikte werden allerdings ohne die sonst üblichen Reibungsverluste im Geiste gegenseitigen Verstehens ausgetragen und bewältigt.“
Hier hätte man sich ebenfalls etwas detailliertere Informationen gewünscht Partnerschaft kann sich doch nicht allein auf eine vom Geist gegenseitigen Verstehens geprägte Atmosphäre beschränken, in der Konflikte ausgetragen werden. Entscheidend ist doch vielmehr, wie die Konfliktlösungen in Partnerschaftsunternehmen inhaltlich aussehen, d. h, ob ein fairer Kompromiß gefunden wird, bei dem alle etwas in ihren Interessen zurückstecken müssen. Guski/Schneider führen ein, wie sie meinen, eindrucksvolles Beispiel partnerschaftlicher Zusammenarbeit an, das jedoch ganz und gar nicht überzeugen kann. So wurden in einem Beteiligungsunternehmen, das in eine schwierige Wirtschaftslage geraten war, 1980 nach langwierigen, aber sachlich geführten Verhandlungen die Einkommen einvernehmlich um 8, 8 Prozent gekürzt Partnerschaft — richtig verstanden — hätte aber wohl zur Folge haben müssen, daß alle Beteiligten Abstriche an ihrer persönlichen Lebensführung vornehmen. Eine lineare Einkommenskürzung bewirkt dies jedoch eindeutig nichtl Denn während die Bezieher niedriger Einkommen eine Kürzung um 8, 8 Prozent unmittelbar bei ihrer täglichen Lebensführung schmerzlich empfinden und sich einschränken müssen, kann derjenige, der das Vier-oder Fünffache im Monat verdient, die Kürzung ohne weiteres durch eine geringere Ersparnis auffangen, ohne daß er bei seinen Konsumausgaben Abstriche zu machen braucht. Haben die gutverdienenden Angestellten und der Leiter des besagten Partnerschaftsunternehmens persönliche Konsumopfer gebracht, indem sie beispielsweise ihren Urlaub in einem Hotel niedrigerer Kategorie verbracht, ab sofort ein Auto der niedrigeren Klasse gefahren oder einen Theaterbesuch mit vorherigem exklusiven Essen gestrichen haben? Guski/Schneider erwähnen von derartigen „partnerschaftlichen'Opfern kein Wort; sie haben deshalb — so ist zu vermuten — auch nicht stattgefunden, und die Lasten der Wirtschafts-und Unternehmenskrise sind also auch in einem Partnerschaftsunternehmen stärker auf die sozial Schwächeren abgeladen worden. Partnerschaft — richtig verstanden — darf deshalb nicht im atmosphärischen Bereich steckenbleiben. Partnerschaft muß vielmehr grundsätzlich Mitbestimmung der Arbeitnehmer in allen sozialen, personellen und wirtschaftlichen Fragen eines Unternehmens bedeuten. Dieses Mitbestimmungsrecht legitimiert sich allein aus ihrem Arbeitsverhältnis. Weil Arbeitnehmer ihre Arbeitskraft einsetzen und damit einen wirtschaftlichen Werf schaffen, den zu erzeugen die Kapitaleigner und die Unternehmensleitungen — auf sich allein gestellt — nicht in der Lage wären haben sie einen Anspruch darauf, in allen das Unternehmen betreffenden Fragen gleichberechtigt mitzubestimmen.
Von einer Ausweitung der Mitbestimmungs rechte derArbeitnehmer kann jedoch in den untersuchten Partnerschaftsunternehmen keine Rede sein. In 80 Prozent der Fälle beschränkte man sich auf die (noch unzulänglichen) gesetzlichen Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz, und nur eine kleine Minderheit (14 Prozent) geht freiwillig etwas darüber hinaus -Wie bereits dargestellt, ist das gebildete Arbeitnehmervermö gen in der Mehrzahl der Fälle nicht mit Mitbestimmungsrechten ausgestattet — Darlehen und stille Beteiligungen räumen eber. keinen Einfluß auf die wirtschaftlichen Ent Scheidungen eines Unternehmens ein. Der „Herr im Hause" bleibt weiterhin der Unternehmer bzw.der von den Kapitaleignern eingesetzte und ihnen gegenüber verantwortli-ehe Manager. Das eigentliche Ziel einer Bildung von Arbeitnehmervermögen, nämlich die soziale Kontrolle wirtschaftlicher Macht, wird damit verfehlt.
III. Fazit und Ausblick
Was ist nach den Untersuchungsergebnissen von Guski/Schneider letzten Endes betriebliche Vermögensbeteiligung und wozu führt sie? Man sollte weniger von einer „Förderung der Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligung" sprechen, wie es die offizielle Bezeichnung des neuen 936-DM-Gesetzes nahelegt, sondern eher von einer Maßnahme zur Subventionierung kleiner und mittelständischer Unternehmen. Denn die für die Unternehmen positiven Liquiditätseffekte durch Steuerersparnisse und möglicherweise auch durch Zufluß von Arbeitnehmergeldern zuzüglich Arbeitnehmer-Sparzulagen sind offensichtlich. Auf Seiten der öffentlichen Haushalte lösen diese Unternehmensvorteile allerdings Steuereinnahmenverluste aus, die, je nachdem, wie weit betriebliche Beteiligungssysteme um sich greifen, erheblich sein können So ist zu fragen, wer diese Einnahmen-ausfälle des Staates schließlich zu tragen hat Führen sie zu öffentlichen Ausgabenkürzungen im Sozialbereich oder kommt es zur Erhöhung gerade der Steuern, die überwiegend von den Arbeitnehmern aufgebracht werden, so finanziert letztlich die Gesamtheit der Arbeitnehmer die „Vermögensbildung''ihrer Kollegen in Beteiligungsunternehmen auf dem Umweg über die öffentliche Hand.
Diese möglichen Verteilungsfolgen wiegen um so schwerer, als der von den Gewerkschaften seit jeher kritisierte Nachteil betriebsbezogener Vermögensbildung, nämlich die einseitige Begünstigung von Arbeitnehmern, die in Beteiligungsunternehmen tätig sind, nach wie vor besteht. Selbst wenn — womit zu rechnen ist — die Zahl der betrieblichen Beteiligungsmodelle in nächster Zeit beschleunigt wächst und dadurch mehr Arbeitnehmer erfaßt werden, der öffentliche Dienst wird bei einer betriebsbezogenen Lösung ausgespart bleiben müssen, und auch in der Privatwirtschaft dürfte es vor allem in schrumpfenden Branchen zahlreiche Unternehmen geben, für die eine Vermögensbeteiligung auf betrieblicher Basis nicht in Frage kommen. Der einseitigen Bevorzugung von bestimmten Arbeitnehmergruppen kann nur durch eine überbetriebliche Lösung in der Vermögenspolitik begegnet werden, bei der man die Vermögenswerte in Fonds sammelt, um dann alle Arbeitnehmer an den dort entstehenden Werten teilhaben zu lassen Hätte man zum 1. Januar 1975 eine überbetriebliche Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer qua Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt, betrüge das in den Fonds gebildete Arbeitnehmervermögen 1984 schätzungsweise bereits rund 90 Mrd. DM. Unterstellt, die Hälfte davon wäre Produktivvermögen, also Eigentum an gewerblichen Unternehmen, so läge der Anteil der Arbeitnehmer am Produktivvermögen heute schon bei über 5 Prozent. Diese Zahlen sollte man im Auge behalten. Die Ergebnisse der freiwilligen betrieblichen Vermögensbeteiligungsmpdelle nehmen sich im Vergleich dazu wirklich mager aus.
Weit übertrieben dürften die Erwartungen von Guski/Schneider sein, durch betrieblicheVermögensbeteiligung klassenkämpferisches Gegeneinander durch faire Zusammenarbeit ersetzen und damit einen wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden leisten zu können Die Bedeutung und die Ausstrahlungskraft dieser wenigen und zudem meist kleinen und mittelständischen Unternehmen reicht bei weitem nicht aus, um diese Hoffnung Wirklichkeit werden zu lassen. Der geeignete Weg zu einer fairen Sozialpartnerschaft in Wirtschaft und Gesellschaft ist vielmehr die Verwirklichung der paritätischen Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach dem Montanmodell und ihre Beteiligung am Produktivvermögen in einer Form, die ihnen einen wirksamen Einfluß auf die wirtschaftlichen Entscheidungen sichert und eine effektive Kontrolle wirtschaftlicher Macht garantiert. Betriebliche Vermögensbeteiligung führt nicht zu diesem Ziel. Sie ist daher kein Ausweg, sondern ein Irrweg.
Hermann Adam, Dr. rer. pol, geb. 1948; 1970 bis 1977 Referent im Wirtschafts-und Sozialwissenschaftlichen Institut des DGB (WSI), Düsseldorf; seit 1978 Abteilungsleiter im Bund-Verlag des DGB, Köln; Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Universität Düsseldorf. Veröffentlichungen u. a.: Bausteine der Volkswirtschaftslehre, Köln 1 9828, Der Kampf um Löhne und Gewinne, Köln 19834, Macht und Vermögen in der Wirtschaft, Köln 197621 Brauchen wir eine neue Wirtschaftspolitik, Köln 1978-; Staatsmonopolistischer Kapitalismus oder soziale Demokratie?, Köln 1980.
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