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Johann Gottfried Herder — Nationsbegriff und Weltgefühl | APuZ 1/1986 | bpb.de

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APuZ 1/1986 Artikel 1 Die Brüder Grimm und die deutsche Politik Nationalbewußtsein und Nationalstaat der Deutschen Johann Gottfried Herder — Nationsbegriff und Weltgefühl

Johann Gottfried Herder — Nationsbegriff und Weltgefühl

Ernest A. Menze

/ 42 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Teilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und die sich daraus ergebende Krise des Nationsbewußtseins lassen eine Prüfung des Nationsbegriffs der Deutschen des 18. Jahrhunderts wünschenswert erscheinen. Als Vertreter eines Nationsbegriffs, der klar dem Humanitätsideal untergeordnet war, bietet sich Johann Gottfried Herder an. Der größere Rahmen, in den ein Bericht über die Genese von Herders Nationsbegriff und Weltgefühl gehört, schließt eine Über-sicht des deutschen Nationsbewußtseins vor der Französischen Revolution ein. In dem Beitrag werden die Stationen der Ausbildung von Herders Nationsbegriff umrissen. Besondere Betonung erfahren dabei die Entwicklung seiner Auffassung der deutschen Nation, die Rolle der Sprache im Hinblick auf Nationsbegriff und Weltgefühl sowie das Verhältnis von Volk und Staat zur Nation in Herders Denken. Ein Umriß des Herder-Bildes im Wandel der Zeiten führt zu einer Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Akzenten der Herder-Interpretation in den beiden deutschen Teilstaaten und zu einer Erörterung der Möglichkeit, daß eine Beschäftigung in Ost und West mit Herders Nationsbegriffhelfen kann, bestehende Unstimmigkeiten zu überbrücken.

Einführung

Obwohl die verantwortungsbewußte Herder-Forschung die weltbürgerliche Einstellung Herders immer anerkannt hat, wird das allgemein vorherrschende Herder-Bild nach wie vor durch die einseitige Betonung seiner Ansichten über Nation und Volk gestaltet. In Deutschland wie auch in Amerika wird dem großen Ostpreußensohn der deutschen Aufklärung weithin die Anerkennung versagt, die seinem Streben nach einer Synthese von Humanität und Nationalität zukommt. v Die geographischen Stationen seines Lebenswegs — Mohrungen, Königsberg, Riga, Bückeburg, Weimar — und die Stadien seiner geistigen Entwicklung als der große Anreger von Sturm und Drang und Klassik umreißen nur unvollkommen die Bedeutung, die Herder in der deutschen wie in der Weltgeschichte zukommt. Während sich jetzt in West-wie in Ost-Deutschland, in Osteuropa und Japan sowie auch in den Vereinigten Staaten die Wirkungen der intensiven Herder-Forschung bemerkbar machen, läßt die Herder-Rezeption im allgemeinen doch noch viel zu wünschen übrig. Die Bemühungen der Herder-Forschung und die zunehmende Herausgabe von Übersetzungen berechtigen indessen zur Hoffnung. Es geht in diesem Beitrag darum, die weltgeschichtliche Leistung Herders, sein bahnbrechendes Streben, nämlich das unaufhaltsame Vordringen des Nationsbegriffs im Rahmen des Menschheitsideals zu bändigen, gebührend herauszustellen. Eine umfassende Behandlung dieses Themas müßte sich eine eingehende Untersuchung der großen Werke Herders in dessen Weimarer Zeit, also besonders der Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit und der Humanitätsbriefe, zur Aufgabe machen. Dann sollte sich noch deutlicher zeigen, was hier auf Grund zumeist der Frühschriften skizziert wird, nämlich die Unterordnung des Nationsbegriffs in Herders Werk unter den Primat des Menschheitsideals. Dabei läßt sich nicht bestreiten, daß Herders Nationsbegriff, richtig verstanden, nach wie vor konkret definierten, positiven nationalen Werten dienstbar ist. Dies gilt auch für den Nationsbegriff der beiden heutigen deutschen Staaten.

„Sie wollen von der Eintheilung Deutschlands in zwo Hälften, deren eine licht, die andere dunkel sei, nicht mehr wissen, und sagen: , was thut Ihr jetzt denn mehr, als wir? *“

Mit der hier zitierten Schrift über die Idee zum ersten patriotischen Institut für den Allgemeingeist Deutschlands wollte Herder die Förderung des deutschen Nationalgeistes bewirken. Die Klage über die Teilung Deutschlands schreibt er den großen „Provinzen“ zu, die sich von den aufgeklärten Provinzen als nicht aufgeklärt in den Schatten gestellt fühlen. Vom Herausgeber von Herders Gesamtwerk, Bernhard Suphan, als „Denkmal seines nationalen Idealismus“ bezeichnet, stellt diese Schrift ein Zeugnis von Herders lebenslangen Bemühungen dar, die politische Teilung Deutschlands durch die Förderung eines deutschen Allgemeingeistes zu überbrükken. Dabei soll fürs erste dahingestellt bleiben, ob Herder jemals ernsthaft an eine baldige und grundlegende Änderung der politischen Struktur Deutschlands glaubte. Doch hat seinen Nachfahren, die in einem politisch geteilten Deutschland leben, dieses Streben nach einem überbrückenden Nationalgeist viel zu sagen, solange Klarheit über den diesem Geist zugrunde liegenden Nationsbegriff herrscht. Denn dieser Nationsbegriff war im Denken Herders immer dem Streben nach Menschlichkeit untergeordnet: Er diente der „Beförderung der Humanität“.

I. Nationsbegriff und Weltgefühl im Deutschland des 18. Jahrhunderts

In den Tagen, als sich die Wiederbelebung des Geistes von Weimar in der Nachkriegsrepublik von 1919 als zunehmend schwierig erwies, reflektierte Gerhard Masur in seiner Antrittsvorlesung vor der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin über „Deutsches Reich und deutsche Nation im 18. Jahrhundert“ Masur stellte im 18. Jahrhundert neben den durch den Preußisch-Österreichischen Dualismus bedingten „großen Gegensätzen der politischen Gewalt“ ein erwachendes Nationalbewußtsein fest, welches aber „politischen Atem“ vermißte und sich „nationalethisch“, nicht „nationalstaatlich“ gestaltete Außer diesem „unstaatlichen“ Nationsbewußtsein gab es aber auch einen spezifisch staatlichen Patriotismus, der „weder deutsch noch reichisch“, sondern „preußisch“ war. Weiterhin stellte Masur einen von Juristen vertretenen Standpunkt fest, der sich auf das alte deutsche Staatsrecht berief „So spielte der deutsche Nationalgeist gleichsam auf drei getrennten Bühnen. Er konstituierte sich als Kulturnation, er stabilisierte sich als Staatsnation, und er suchte die alte Form des nationalen Zusammenhalts, das Reich, zu restaurieren“

Als beispielhafte Akteure auf zwei dieser Bühnen — der der Staatsnation und der des alten Reichs — sollten hier Thomas Abbt und Friedrich Karl von Moser erwähnt werden. Als Vertreter der Kulturnation drängt sich natürlich Johann Wolfgang von Goethe auf. Im Werk Goethes wurde nach Masur klar, „... daß zwischen dem alten und dem neuen Imperium deutscher Nation keine Brücke zu schlagen war. Das neue Reich des Geistes war eine überstaatliche Einheit, die Sammlung der Deutschen als Kulturnation zu einer überstaatlichen Menschheitsmission“

Vielleicht noch mehr als Goethe bietet sich Her-der als beispielhafter Vertreter der Idee der Kulturnation an, obwohl er in den Masurs Antritts-vorlesung folgenden Jahren zum Bannerträger eines anderen Nationalgeistes herabgewürdigt wurde

Eine nähere Untersuchung der Schriften von Herder, Abbt und Moser als Repräsentanten dreier getrennter Bühnen des deutschen Nationalgeists offenbart eine Drehbühne, die den Akteuren Bewegungsmöglichkeit ließ. Hier sollen zuerst Abbt und Moser kurz als Wegbereiter vorgestellt werden.

Thomas Abbts Essay Vom Todefür das Vaterland (1761), der nachweisen wollte, daß auch die Monarchie Vaterland sein könne, war im Blick auf Preußen geschrieben Es ging in Abbts Schriften Vom Tode für das Vaterland und Vom Verdienst (1765) um „die Aufforderung zum gesellschaftlichen Engagement, zur Übernahme von Verantwortung“ Der preußische Staat als Staatsnation und Vaterland sollte der Realisierung dieser Aufforderung dienen: „Nicht zuletzt im Zweifel an der Existenz eines , deutschen Interesses 4 lag Abbts Zuwendung zum preußischen Territorialstaat. Ansatzweise jedoch manifestiert sich auch bei ihm ein kulturelles Nationalbewußtsein 4.

Diesen Zweifel an der Existenz eines „deutschen Interesses“ gab es für Friedrich Karl von Moser nicht. Vielmehr bezweifelte Moser die Würdigkeit der Ziele derer, die sich zu seiner Zeit als Patrioten bezeichneten. „Denn gewiß!“, sagte er, „es kann kein seltsameres politisches Geschöpf erdacht werden, als ein Teutscher Patriot... In currentem Sinn ist ein Patriot derjenige so es gut mit sich selbst und seinem Herzen meynet, es mag seinem Nachbarn und dem ganzen übrigen Reich ergehen, wie es will. Unter dem Vaterland verstehen sie nur dasjenige Land worinn sie wohnen“

Moser bemühte sich um das Ideal eines Patrioten, der selbstlos dem ihm vorschwebenden grö-ßeren Vaterland dient, . von wahrer Menschenliebe entzündet, ohne Ansehen einer Parthie oder Person und mit Verläugnung seines eigenen Nutzens oder Schadens .. Ohne Zweifel, solch ein Patriot mußte . Gott mehr gehorchen als den Menschen“ Obwohl er die politische Freiheit in vielen „ansehnlichen Provinzien ... vor die Unterthanen" für eine „Chimäre“ hielt, war dieses größere Vaterland für Moser keine Chimäre Dieses Vaterland war das rechtlich und zu Recht bestehende alte Reich: „der eigentliche Sitz dieser Freyheit der Gedanken und Stimmen sitzt auf Reichs-und Craystagen“ Die zwei großen Gefahren, die das Vaterland und die deutsche Freiheit bedrohten, waren die „militärische Regierungsform“ und „Hochmuth, Eigendünkel, Hoheits-Sucht und Wahrheitsflucht vieler Regenten“

Für Thomas Abbt war das von Moser erörterte Vaterland ein utopisches Ideal. „Was für einen Mann will denn der Herr von M. haben? Den Weltbürger?“, fragte er in seiner Besprechung der Moserschen Schrift In der schwierigen Zeit des Siebenjährigen Krieges schreibend, sah Abbt keine andere Wahl, als der Pflicht dem Vaterland gegenüber, welches den Patrioten durch seine Gesetze schützte und glücklich machte, den Vorzug zu geben — Preußen hier und Österreich da. Einen besonderen, den deutschen Reichsständen und der Verfassung des „teutschen Reichs“ zustehenden Patriotismus lehnte er nicht grundsätzlich ab, ordnete ihn jedoch klar dem Territorialpatriotismus unter Auch verneinte Abbt als Advokat der Staatsnation nicht das Prinzip der allgemeinen Menschenliebe; vielmehr machte sie seiner Ansicht nach das „Wohlwollen“ zur Nation und zu den ihr untergeordneten Menschengruppen erst möglich. Für ihn war jedoch die Staatsnation das Wirkungsfeld der praktischen Bürgerlichkeit, die zu Staatsbürgerschaft und staatsbürgerschaftlicher Gesellschaft führen konnte

Herder bewunderte den gesunden „Menschenund Bürgerverstand“ in Abbts Schriften, die . für die Deutschen Original“ waren Doch war ihm auch Moser bedeutend. Moser war für ihn „ein Patriot für drei Zeitalter in Deutschland ...“, und er meinte, er . kann den Geist der Deutschen malen, wie er war, und seyn sollte“ Herder konnte sich mit Abbt und Moser identifizieren, weil beide auf ihre Weise letzten Endes seinem Ideal der Kulturnation und ihrem Zweck, der Beförderung der Humanität, dienten.

Bevor Herders Nationsbegriff und Weltgefühl im folgenden näher erörtert werden sollen, läßt sich vorerst feststellen, daß neben dem durch die bestehenden Staaten bedingten Abhängigkeitspatriotismus- und Weltgefühl im vorrevolutionären Deutschland ein Nationsbewußtsein um sich griff, welches ideelle wie reale deutsche Grundlagen hatte. „Das Reich“, bemerkte Rudolf Vier-haus, ...... war keineswegs eine politische quantite negligeable. Stellte es doch noch immer den Rahmen dar, der allein die Existenz von geistlichen Staaten, reichsgräflichen und reichsritterschaftlichen Territorien, Reichsstädten, überhaupt der zahllosen Klein-und Klein(st) staaten möglich machte“

Aber dieses in der Geschichte wurzelnde, in seinem-ehrwürdigen Recht und seinen reichsständischen Freiheiten so von Moser bewunderte größere Vaterland der Deutschen bestimmte auch des Deutschen Weltgefühl. Rudolf Vierhaus hat das im gebildeten Deutschland des 18. Jahrhunderts vorherrschende Verhältnis von Individuum, Staat und Menschheit wie folgt treffend umrissen: „Der Aufklärungspatriotismus, in dem das Moment der bürgerlichen Selbstversicherung und Selbstbestätigung eine oft beherrschende Rolle spielte, konnte gerade wegen seiner stark moralischen Prägung den Raum des konkreten Vater-landes 4, also der Stadt oder des Staates überschreiten. Er konnte sich auf das Reich als geschichtliche und auf die Nation als kulturelle Gemeinschaft richten; je stärker er jedoch moralisch-politische Haltung und Bildungsbestand war, um so leichter erweiterte er sich zum Welt-bürgertum.“

II. Die Genese von Herders Nationsbegriff und Weltgefühl

Der größere Rahmen, in den ein Bericht über die Genese von Herders Nationsbegriff und Weltgefühl gehört, bedarf zunächst einer Klärung der im vorhergehenden angeschnittenen Frage des deutschen Nationsbewußtseins vor dem Ausbruch der Französischen Revolution. Hierzu erscheint es notwendig, die bis zum heutigen Tage vorherrschende Auslegung einer durch die Französische Revolution bewirkten radikalen Zäsur des Nationsbegriffs im Lichte der unzureichend erforschten Ausprägungen zu erörtern, die der Nationsbegriff in der vorhergehenden Zeit fand. Die Selbstverständlichkeit, mit der das Wort Nation gebraucht wurde, die vielen Wortverbindungen, zu denen es Anlaß gab — z. B. Nationaler-zählung Nationalsache National-Gott Nationalcharakter Nationalvollkommenheit National-Seele gelehrte Nation Nationalschulden Nationalschriftsteller Nationalautor National-Wohlfahrt —, allein diese Äußerungen als Beipiele aus dem Früh-werk von Herder sollten zu denken geben. Der junge Herder sprach die Sprache seiner Umwelt; er schöpfte die Anregungen zur weiteren Ausbildung des Begriffs Nation aus den ihm zur Verfügung stehenden Quellen, wie z. B. Nicolais Litteraturbriefen.

Bei den Stationen dieser Ausbildung des Nationalbegriffs sind die Entwicklung seines Begriffs der deutschen Nation, die Rolle der Sprache im Hinblick auf Nationsbegriff und Weltgefühl und das Verhältnis von Volk und Staat zur Nation in Herders Denken von besonderem Interesse. Weiterhin öffnet eine Bestimmung der Wirkung des Herderschen Nationsbegriffs und Weltgefühls durch die Sichtung der Schriften seiner Nachfahren die Möglichkeit, die Ansätze zu Fehlinterpretationen zu lokalisieren. Endlich sollte eine Erörterung der gegenwärtigen Auffassung von Herders Nationsbegriff und Weltgefühl in Ost und West sicher auch für die Erörterung des heutigen Nationsproblems von Wichtigkeit sein.

Wilhelm Dobbek hat das erste Aufklingen des „nationalen Themas“ bei Herder auf dessen Königsberger Zeit festgelegt, und zwar in dem Aufsatz Problem: wie die Philosophie zum Besten des Volkes allgemeiner und nützlicher werden kann, welcher zwar in Riga geschrieben, aber noch 1764 vom damals zwanzigjährigen Herder in Königsberg konzipiert wurde In diesem Aufsatz sagte Herder: „Ich rede über ein deutsches Thema, ich rede vor Deutschen, die die tiefsten und nach den Engländern die unparteiischsten Welt-weisen Europens sind: ich rede als Deutscher; statt Worte zu säen, pflanze ich Gedanken und Aussichten.“ Herder sprach als Deutscher, aber er sprach auch im Namen und zum Wohle der Menschheit, wenn er im folgenden ausrief: „So dringe denn, o Volk, in die Heiligtümer der Weltweisheit, reiß alle Götzen nieder, und baue dahin Staatshäuser: Versammlungen, wo statt des Philosophischen Unsinns der gesunde Verstand dem Staat, der Menschheit, Berathschlagungen hält...“

Vorbedingung einer Verfeinerung des Geschmacks des Volkes und somit einer rechten Auffassung von Nation und Menschheit war nach Herders Ansicht eine Sprache, die allgemein verständlich ist So klangen also schon in diesem Aufsatz des jungen Herder alle hier zu besprechenden Begriffe an: Deutschtum, Sprache, Volk, Staat und Humanität. Aber wie kam es zu dieser Begriffsbildung, und welcher Begriff hielt den Primat?

Als Ostpreuße und Kind einer kleinen preußischen Garnisonsstadt, die noch ein polnisches Viertel hatte, war Herder zwar ein gehorsamer Untertan seines Königs, doch vermitteln seine frühen Selbstzeugnisse nicht das Bild eines Preußen, sondern das einer suchenden Seele, die in seiner Heimatstadt Mohrungen die Menschheit, Welt und Gott vereint fand Vieles spricht dafür, daß in Herders Denken von Anfang an das allgemein menschliche wichtiger war als alle anderen Begriffe, daß es ihm aber auch bald klar wurde, wie untrennbar verbunden die nationale Identität mit dem Humanitätsbegriff ist.

„Ich führe meine Leser“, schrieb er schon 1765, „auf eine Anhöhe, und zeige Ihnen, wie im Thale und auf der Ebene Geschöpfe umherirren, die so verschieden sind, daß ihnen kaum ein gemeinschaftlicher Name übrig bleibt; indessen sind sie unsere Mitbrüder, und ihre Geschichte ist die Geschichte unserer Natur—."

„Unwissenheit und Stolz“, führte er aus, „(zwei Geschwister, die so untrennbar sind, als der Neid und die Dummheit), bringen Menschen zu dem Glauben, ihre Zeiten sind die besten, weil sie darin leben, und andere Zeitalter nicht die Ehre ihrer Bekanntschaft haben. Diese Leute sind den Chinesen ähnlich, die, weil sie keinen als sich kannten, ihr Land für das Viereck der Erde hielten und die Winkel dieses Vierecks mit Fratzen-gesichtern und Ungeheuern bemalten, ein Raum, der uns arme Bewohner der übrigen Welt porträtiren sollte“

Als einundzwanzigjähriger also hatte Herder sich schon einen Nationsbegriff erarbeitet, der einem allgemeinen Humanitätsideal untergeordnet, aber zur Verwirklichung dieses Humanitätsideals unerläßlich war.

Als Herder sich im Oktober 1764 auf das Verlassen seiner Heimat vorbereitete, konnte er noch sagen: „Ich hinterlasse in meinem ganzen Lande nichts von besonderer Anziehungskraft; nichts was meine Sehnsucht zurückriefe, keine Muse, keinen Apoll; und um weiter zu kommen muß man jederzeit da seyn, wo man ist.“ Noch nicht ein Jahr in Riga, veröffentlichte er den zur Feier der Einweihung des neuen Gerichtshauses geschriebenen Aufsatz Haben wir noch jetzt das Publikum und Vaterland der Alten?, welcher die Zeilen enthält: „Dein ist dieses Haus in Catharinens Schatten das sie dir selbst Voll Majestät geweiht:

so lang sich Rußlands Adlershäupter gatten so lange bleibt hier Recht und Billigkeit.. ,“

Ja, nun war das Vaterland dort, wo er sich befand, doch gebrauchte er die deutsche Sprache, um es zu feiern. Auch machte er sich zur gleichen Zeit Gedanken über sein sprachliches Vaterland. „Die Deutschen“, sagte er in dem Fragment einer Abhandlung über die Ode aus dem Jahre 1764, „behaupten am wenigsten ihren Charakter“ „Der Deutsche“, fügte er hinzu,...... ohne Patriotismus und Vaterland, ohne Hauptstadt und Modegeschmack ...“ sei am füglichsten geeignet, die Gegenden der Poesie zu durchreisen und die Dichter zu wägen Zwar sehnte sich Herder nach einem „Deutschen Philosophen“, der unserer Sprache eine Philosophie „anschaffte“, „Ein Werkchen, in dieser Gestalt auf Deutschem ... Schulboden gebauet...der Deutschen Nation ein schätzbares Eigenthum“ Doch wehrte er sich zugleich entschieden gegen Nicolais Forderung in den Litteraturbriefen nach einer Hauptstadt und einem Fürsten mit herrschendem Einfluß

„Diesem Unitarismus“, kommentierte Rudolf Haym, „der am liebsten Berlin zu einem zweiten Paris gemacht hätte, stellt sich Herder mit Recht aufs Entschiedenste entgegen“ Obwohl er sich in Riga wohlfühlte, schien ihn die Abwesenheit von Deutschland doch zu bedrücken: „In einer-fremden, weit entfernten Gegend“ beklagte er den Tod von Alexander Gottlieb Baumgarten, Johann David Heilmann und Thomas Abbt, „... und leider alle drei sind Deutschland viel zu früh entrissen“ Das Gefühl der Verbundenheit mit Deutschland verstärkte sich während seines Aufenthalts in Frankreich, wie ein am 30. November 1769 von Paris an Nicolai gesandter Brief bezeugt:......der Patriotismus für Deutschland verstärkt sich in mir nach dem Verhältnis der Örter und Zeiten, statt daß er sich wie bei anderen Expatriierten schwächt. Ich lerne beßer urteilen und die deutsche Literatur übersehen, da ich andere Völker kennen lerne, da ich mich auf einmal dem eingeschränkten Kreise unserer Deutschen Streitsucht entziehe, da ich unter andern Nationen wandle, um mich einst beßer und ganzer meinem Vaterland wiedergeben zu können .. “ In Frankreich hatte Herder bereits ein klares , Konzept der deutschen Nation in seinem Gepäck, welches er Clio verdankte. Dies wird aus dem berühmten historischen „Spatziergang“

durch die Reichsgeschichte des Dritten Kritischen Wäldchens erwiesen: „... Es ist in sich eingezogen ein werdendes heiliges Römisches Reich, das noch heute in seiner Einrichtung das sonderbarste von Europa ist, es ist Jahrhunderte durch ein Chaos, aus dem sich Herzöge, Grafen und Herren, Bischöfe und Prälaten heben: ohne die es kein Deutschland gibt“ Beeindruckt von der nachahmungswürdigen Schönheit der Historiographie der Griechen und Römer, die ihre Zivilisation verewigten, fragte er, „wo sind die Thucydides, Xenophons, Livius, Tacitus, und Hume’s unseres Deutschlands?“ „Die Geschichte von Deutschland muß so ein Original seyn, als Deutschlands Verfassung“ Im Hinblick auf die „rechtlich-kirchliche Verwicklung“ Deutschlands mit Italien stellte er fest: „Und doch ist eben diese Entäußerung Deutschlands Deutsche Geschichte. Und doch eben diese Streitigkeiten und Rank-und Römerzüge der Ursprung Deutscher Verfassung — wie wenig Französiren kann hier unsere Geschichte! Der Historiograph muß hier schon Schild-und Wappenträger des heiligen Römischen Reichs werden, er wolle, oder nicht.“

Herder verlangte eine „Historie Deutscher Nation“ geschrieben nach der vorher bestimmten Hauptregel, „... genau dem Leser die Gränze zu bezeichnen, wo Geschichte aufhört, und Vermuthung anfängt“ Aus dieser Geschichte erscheint dann, besonders unter Maximilian und Karl dem Fünften, „Deutschlands Geist“ Und dieser Geist offenbart sich in der deutschen Sprache. Die Wichtigkeit der Sprache in Herders Denken wurde von James W. Marchand herausgestellt

Durch eine Erörterung von Herders Verhältnis zu neun Schlüsselbegriffen der modernen Sprach-philosophie zeigt Marchand, wie Herder diese antizipierte und daher als eine überragende und befruchtende Figur, als der Innovator und Über-mittlervon Ideen betrachtet werden muß. Von Bedeutung in Marchands Aufsatz ist die Hervorhebung von Herders Sprachauffassung als „... nicht nur eines Spiegels des Denkens“, sondern als „... Kneters und Schöpfers des Denkens“, als eines Mittels, welches „...den amorphen Inhalt der Welt auf seine eigene Art zerteilt (Whorfianism)"

Noch in Königsberg verfaßte Herder die 1764 in den Rigischen Anzeigen erschienene Schul rede Über den Fleiß in mehreren gelehrten Sprachen, in der es schon heißt: „Wenn wir unsere Muttersprache auf der Zunge behalten: so werden wir desto tiefer in den Unterschied jeder Sprache eindringen ... Denn in welchem genauen Bande steht Sprache und Denkungsart!... Und wozu kann unsre Muttersprache unentbehrlicher seyn, als zur Dichtkunst und Beredsamkeit.“ Nach Herder entsteht somit aus der Gegenseitigkeit von Sprache und Denken der Nationalcharakter, der sich in der Nationalliteratur niederschlägt. Herders erstes großes Werk Über die neuere Deutsche Litteratur. Fragmente war dementsprechend bestimmt, wie Rudolf Haym schon richtig bemerkte, ...... das Ganze der neueren deutschen Literatur...“ im Verhältnis „... zu den ihr als Vorbild dienenden ...“ zu übersehen „Sprache, Geschmackswissenschaften, Geschichte und Weltweisheit sind die vier Ländereien der Litteratur, die gemeinschaftlich sich zur Stärke dienen, und beinahe unzertrennlich sind.“ Für Herder waren sprachliche „Idiotismen Schönheiten, die uns kein Nachbar durch eine Übersetzung entwenden kann, und die der Schutzgöttin der Sprache heilig sind. ... Und sind die Idiotismen zu nichts gut“, fuhr er fort, „so eröffnen sie dem Sprachweisen die Schachten, um das Genie der Sprache zu untersuchen, und dasselbe zuerst mit dem Genie der Nation zusammen zu halten“ Die Erforschung der Sprache bewirkt demnach ein tieferes Nationsbewußtsein: „... das kühne Genie ... gräbt in die Eingeweide der Sprache, wie in die Bergklüfte, um Gold zu finden ... Möchten sich nur viele solcher Bergleute und Schmelzer in Deutschland finden...“ „So wie sich das Kind oder die Nation änderte“, sagte er in der Ersten Sammlung der Fragmente unter der Überschrift Von den Lebensaltern einer Sprache, „so mit ihr die Spra-ehe“ „Kein größerer Schaden kann der Nation zugefügt werden, als wenn man ihr den Nationalcharakter, die Eigenheit ihres Geistes und ihrer Sprache raubt.. .“

Hier, in der Dritten Sammlung der Fragmente, bemerkte Haym, vor Allem nimmt, unter dem mitwirkenden Einfluß seines Lebens in Riga, seine Grundforderung, daß unsere Literatur sich auf eigene Füße zu stellen habe, die Farbe deutsch-nationalen Patriotismus an, und mit dem Eifern endlich für das Nationale mischt sich das Dringen auf das Volksmäßige, allgemein Verständliche“

Überzeugt von der Untrennbarkeit von Gedanke und Ausdruck, die sich wie der Körper zur Haut, beim Dichter wie die Seele zum Körper verhalten, kommt Herder immer klarer zur Definition des Nationalcharakters durch Sprache In dem schönen siebenten Fragment der Dritten Sammlung feiert er überschwenglich die Muttersprache, die durch keine andere je ersetzt werden kann: „Sie übertrifft, so wie das Vaterland, an Reiz alle übrigen Sprachen in den Augen dessen, der der Sohn ihres Herzens, der Säugling ihrer Brust, der Zügling ihrer Hände gewesen, jetzt die Freude ihrer besten Jahre ist, und die Hoffnung und Ehre ihres Alters seyn soll.“

Das individuelle Genie war für Herder ohne die Muttersprache schwer denkbar: „Ein Original-schriftsteller im hohen Sinne der Alten ist, wenige Beispiele ausgenommen, beständig ein Nationalautor.“ Doch blieb für ihn der höchste Sinn der Alten die Humanität, zu der sich die Menschheit auf dem Wege vieler Muttersprachen hin entwickelt

In der erst nach seinem Tode veröffentlichten, aber schon in Riga geschriebenen und gedruckten zweiten Ausgabe der ersten beiden Sammlungen der Fragmente nennt Herder die „Semiotik ... eine Entzieferung der Menschlichen Seele aus ihrer Sprache“ die „Nationalsprache“ ein jeder Nation „... eignes Vorrathshaus ... zu Zeichen gewordener Gedanken,...der Gedanken-schatz eines ganzen Volks. Schriftsteller der Nation! wie könnt ihr ihn nutzen? und ein Philolog der Nation, was könnte er nicht in ihm zeigen, durch ihn erklären?“ Aber solch ein Sprach-forscher, so Herder weiter, muß ein Mann mit drei Köpfen sein, „...der Philosophie und Geschichte und Philologie verbinde — der als Fremdling Völker und Nationen durchwandert, und fremde Zungen und Sprachen gelernt hätte, um über die seinige klug zu reden — der aber zugleich als ein wahrer Idiot, alles auf seine Sprache zurückführte, um ein Mann seines Volks zu seyn“

Dem so durch Erfahrung gereiften Menschen erweitert sich der Blick, sagte Herder, „... wenn ich die Aufschlüsse betrachte, die dadurch die Abstrakte Weltweisheit, die Litteratur eines Volks, jede einzelne Wissenschaft, und was das beste ist, die Känntniß der Seele erhalten müßte“ Die Reinheit der Sprache bewirkt die Reinheit der Gedanken, führte er weiter aus; Zwistigkeiten, Verwirrungen und Rangstreitigkeiten werden nun durch den Vergleich der Schriftsteller verschiedener Nationen beseitigt Obwohl nach Herder „jede Nation spricht also, nach dem sie denkt, und denkt, nach dem sie spricht“, blieb für ihn jede voll entwickelte Sprache „ein Vehiculum Menschlicher Gedanken und ... Inhalt aller Weisheit und Känntnisse" Seine Fragmente sollen dementsprechend der Entwicklung der deutschen Sprache dienen, damit diese wiederum im Chor der Weltsprachen dem Wohl der Menschheit diene: Das Nationale realisiert sich im Dienste der Menschheit.

Herder bewunderte Thomas Abbt, weil dieser „... als Mensch fühlte, als Bürger dachte, als Unterthan schrieb“ Abbt wiederum sprach zu Herder: „... mit Bescheidenheit, aus vollem Herzen, der Natur gemäß, als ein Lehrer der Menschen und des ehrwürdigsten Theils derselben, des Volks“ Seine Beschäftigung mit Abbt bestätigte Herder in dem Bewußtsein der nationalen Identität als Schlüssel zur Menschlichkeit, und es freute ihn, wenn seine Betrachtungen auch nur dazu gereichten,...... uns eifriger gemacht auf die Ehre, Deutsche in der Sprache zu seyn“

„Deutsch in der Sprache zu seyn“ und dem „ehrwürdigsten Theil“ der Menschen, dem Volk, zu dienen, dies waren zwei Anliegen, die sich bei Herder zum Glaubensbekenntnis zur Menschheit verdichteten. Doch mußten erst die Begriffe von Volk und Staat geklärt werden, bevor Herder sich die „Beförderung der Humanität“ zur größten Aufgabe machen konnte.

Herder erarbeitete sich einen Begriff des Volks durch das Studium der Bibel. Im Versuch einer Geschichte der Lyrischen Dichtkunst, auf der Suche nach dem Ursprung der Hymnen der Menschheit, sagte er schon: „Bei einem Volke müssen wir doch den Anfang der Känntnisse suchen, und die Religion zeigt uns hier auf das Jüdische, so wie es schon der, Geschichte nach ein Morgenländisches seyn muß.“

Von Anfang an mischen sich in Herders Beschreibung dieses exemplarischen Volkes die Begriffe von Volk und Nation: „Man muß sich von einer solchen sinnlichen Nation nicht so ein häßliches Bild malen, als man es auch noch von einigen unserer Zeit sich macht. Je langsamer, desto sicherer waren die Fortschritte ihres Geistes; je minder ihre Vernunft, desto mehr war ihr guter Verstand ausgebildet: ihre Einbildungskraft lebte: ihre Sinnen waren munter, und genau: ihr sinnlicher Scharfsinn, ihre Erfindungskraft blühete: ihre Sprache malete und sang: kurz, eben eine sinnliche Nation von diesem Charakter lebet in dem Zeitalter der Dichtkunst, je minder sie das Jahrhundert der Philosophie erreicht. Eine bildliche, typische Religion, die diesem Volk eigen ist, enthält den Samen zu den prächtigsten heiligen Gedichten, wenn man nur dies Prächtige, dies Heilige, dies Dichterische nicht nach einem fremden Maasstabe mißt.. .“

Der sprachliche Ausdruck sinnlicher Beschäftigungen führte langsam zu höheren Neigungen und deren dichterischen Gestaltung. Das Volk wurde sich seiner Existenz bewußt; die Nation gewann Gestalt. Moses, sagte der junge Herder, ...... erhielt sich ... nicht durch kalte Nachrichten, sondern durch das Mächtigste, was würken konnte: Gesetze, Stiftungen, Religion und das Land, was er ihnen gegeben. Diese Traditionen sind als eine Nationalsache, zu sehen aus den Psalmen, der einzigen allgemeinen Nationalstimme, die unter den Juden galt und die sehr zu nutzen...“ Doch kam Herder in dem Rigaer Entwurf Ueber die Bildung der Völker — nach Aufzählung der Dienste, die Religion, Poesie, Schöner Geist, und Philosophie hierzu bisher geleistet haben — zu dem Schluß, daß Regierung durch Erziehung und „Einführung der Lebens-art“ eine wichtige Rolle spielen muß, und er nahm sich vor zu beschreiben, „wie ein Landes-herr den Ton bestimmen kann“, der in einer Gesellschaft vorherrscht

In der Bildung der Völker schwebte ihm das jüdische Volk als das Ideal vor. Aus dieser Bewunderung wuchs sein eigener Nationsbegriff wie auch sein Weltgefühl. „Die Hauptsache, der Grund von Allem ist“, sagte er in Briefe, das Studium der Theologie Betreffend, „ob die Geschichte dieses Volkes wahr? das ist, mit anderen Worten, ob dies Volk Israel sey oderje gewesen? Mich dünkt, nur Frechheit oder Verzweiflung könne dies läugnen. Es war und ist das ausgezeichnetste Volk der Erde; in seinem Ursprung und Fortleben bis auf den heutigen Tag, in seinem Glück und Unglück, in Vorzügen und Fehlern, in seiner Niedrigkeit und Hoheit so einzig, so sonderbar, daß ich die Geschichte, die Art, die Existenz des Volks für den ausgemachtesten Beweis der Wunder und Schriften halte, die wir von ihm wissen und haben ... kurz, solch ein Volk läßt sich nicht erlügen. Seine noch unvollendete Führung ist das größte Poem der Zeiten, und geht wahrscheinlich bis zur letzten Entwicklung des großen, noch unberührten Knotens aller Erdnationen hinaus.“ Wenn also „Regierung“ zur Bildung eines solchen Volkes und aller Völker unerläßlich ist, so muß aber nach Herder durch eine Politik der Freiheit regiert werden Um „zum Besten des Volks“ zu dienen,...... muß unsere Philosophie sich von den Sternen zu den Menschen herablassen“ Die von Herder verlangte Philosophie soll den Menschen im Selbstdenken bilden, damit er ein handelnder Bürger werde „Alle Philosophie, die das Volks seyn soll, muß das Volk zu seinem Mittelpunkt machen. ... welche neue fruchtbare Entwicklungen“, schließt Herder, „müssen sich hier nicht zeigen, wenn unsere ganze Philosophie Anthropologie wird“ Herders Staatsverständnis wies also den Staat von Anfang an in seine Schranken. Er hielt an dieser Einstellung auch im weiteren Verlauf seines Lebens fest. Mit tiefer Zustimmung brachte er Johann Valentin Andreaes Parabeln über den Staat wieder zum Leben: „Auf nimm die Arznei, die dir die bittre [Vahrheit, die genaue Oekonomie, die arbeitsame Gerechtigkeit reicht, und du wirst genesen“, hatte Andreae dem Staat geraten Vor allem war ihm die sogenannte Staatsräson zuwider. Andreae hatte Herder aus dem Herzen gesprochen, als er schon im 17. Jahrhundert gegen die Willkürlichkeit der Staatsräson zu Werke gegangen war und hingewiesen hatte auf „. eine höhere Staatsraison in der Welt, deren Werk es ist, alle ungerechte frevelnde Staatsräson zu ihrer Zeit mit Schauder zu vernichten“ * Herders Staatsverständnis fand in den Humanitätsbriefen seine Krönung: „Je beßer ein Staat ist, desto angelegentlicher und glücklicher wird in ihm die Humanität gepflegt; ...der Politik ist der Mensch ein Mittel, der Moral ist er Zweck. Beide Wissenschaften müssen Eins werden, oder sie sind schädlich wider einander“ „Ist der Staat das was er seyn soll, das Auge der allgemeinen Vernunft, das Ohr und Herz der allgemeinen Billigkeit und Güte“, predigte Herder, so wird er jedem das Seine geben, und der Fortschritt der Menschheit und die Perfektibilität der Welt wird gesichert sein: „...denn auch Laster, Fehler und Schwachheiten der Menschen stehen als Natur-begebenheiten unter Regeln, und sind oder sie können berechnet werden. Das ist mein Credo. Speremus atque agamus.“

Wie die Sprache Werkzeug, Inhalt und Form menschlicher Gedanken ist so ist also der Staat gemäß Herder Auge, Ohr und Herz des All-gemeinguts. Der Staat wird durch seinen Zweck als „Commonwealth“ definiert. Seine Form und seine Funktionen sind immer durch den Augenblick bedingt, müssen aber beständig mit dem hohen Ideal in Einklang gebracht werden. Das hohe Ideal, der Inbegriff von Herders Weltgefühl, ist die Humanität.

„Humanität ist sein Wesen“, sagte Rudolf Haym und Friedrich Meinecke stellte fest: „Herders Sinn für die geschichtliche Welt und damit auch für das Wesen der Nation floß in letzter Linie aus seinem Humanitätsideal und fand in letzter Linie in diesem auch wiederum seine Schranke.“

Dem Urteil dieser beiden großen Kenner Herders läßt sich aus heutiger Sicht grundsätzlich nichts hinzufügen. Doch interessiert die Rückwirkung vom Nationsbegriff auf das Humanitätsideal. Herders im Humanitätsideal gipfelndes Weltgefühl konkretisierte sich von Anfang an im Nationalen. Dies wurde schon von Bernhard Suphan in seiner Einleitung zur Archäologie des Morgenlandes bemerkt, allerdings mit dem Hinweis, daß der Begriff des Nationalen weit gefaßt ist Die Verankerung des Humanitätsideals im Nationalen setzt sich in der in Bückeburg entstandenen Ältesten Urkunde und den großen Werken aus Herders Weimarer Zeit fort Hier interessieren vor allem die Schriften des jungen Herder. Die Archäologie der Hebräer, die Haym im Vergleich zur überwucherten Ältesten Urkunde des Menschengeschlechts den „gesunden kräftigen Sprößling“ nennt fällt noch in die Zeit von Herders „freigeistiger“ Religiosität in Riga, „als jener ... »religiöse Freigeist* “ hatte er sie geschrieben Es war Herder um die Geschichte der Menschheit zu tun, die er aus dem Geist dieser mythologischen Dichtungen herleiten wollte Folglich wäre es verkehrt, Herders Weltgefühl auf religiöse Schwärmerei zurückzuführen. Vielmehr war es ihm um die Geschichte des menschlichen Verstandes zu tun, der sich im Rahmen des Nationalen reflektiert und allgemeingültigen Begriffen in der Nationalsprache Ausdruck gibt. Daß „das Streben, geschichtliche Zusammenhänge nachzuweisen ..., zu ungeschichtlichen Phantasien ...“ führte, war nur eine weitere Manifestation der Dialektik zwischen Herders kritischer Intelligenz und seinem tiefen Bedürfnis zu glauben, der Dialektik, die sein Leben charakterisiert

In der Archäologie des Morgenlandes weist Her-der der Menschheit ihren Platz auf Erden an. „Welch ein schöner Zweck, die Religion zum Wohl der Menschheit und der Gesellschaft anzuwenden!“ „Hier auf Erden ist dein Ursprung, dein Geburtsland, deine Wohnung, dein Königreich, dein Zweck, deine Bestimmung. Der Himmel ist der Pallast Gottes, und über deinen Blikken zugewölbet; dein ist die Erde; die ist dir gegeben, zu beherrschen, zu erfüllen, zu genie-ßen. In Träumen über die Zukunft, in Spekulationen des Müßiggangs, bist du nicht ein Bild der Gottheit, sondern in Würde der Menschheit — in Würksamkeit deiner Tage — in Erfüllung deiner Bestimmung.“

Herder wehrte sich gegen die Dogmatiker, die ein uraltes, Orientalisches, Poetisches, National-und Popularstück, was lebender Gesang der Tradition seyn sollte,... wie ein gerichtliches Testament ..." behandeln, es aus seinem ganzen Zusammenhang, aus seiner ganzen Poetischen Haltung, aus alle seinem National-und Locallicht.. herausreißen

Im Jahre 1769, vor Herders Abwendung von Riga, war die Verkettung des Nationalen mit dem Humanitätsideal in der Archäologie des Morgenlandes schon grundlegend gestaltet. Immer wieder diente der „Nationalschaup\atz des jüdischen Volkes .. ihm dazu, durch den „Gott in Nationalbildern und Geschichten die Hoffnung eines künftigen Lebens dem menschlichen Herzen näher“ zu bringen Was sich hier in dem von Rudolf Haym zitierten, unvollendeten Aufsatz über die Unsterblichkeitsfrage andeutete, reifte in dem Aufsatz des Jahres 1791 Geber die menschliche Unsterblichkeit zur Gewißheit: „So erhob sich der Baum der Humanität über die Völker; unzählige Hände trugen zu seiner Wartung und Pflege bei: wir geniessen seine Früchte und müßten zu seiner weiteren Cultur mithelfen.“

III. Das Herder-Bild im Wandel der Zeiten: Wirkung und Verzerrungen in Deutschland

Eine Diskussion des Herder-Bildes über Deutschland hinaus und eine Prüfung der breiteren Wirkung des Werkes von Johann Gottfried Herder würden den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Hier mögen nur einige Beispiele die wichtigsten Züge des Herder-Bildes, seine Wirkung und Verzerrungen in Deutschland, umreißen. „... Streng genommen,“ urteilte Hugh Barr Nisbet, „gibt es überhaupt kein traditionelles Herder-Bild. Es würde einen Grad von Einstimmigkeit in der Forschung voraussetzen, der noch nie existiert hat“ 4. Dafür hat Herder selbst gesorgt, denn wie Nisbet bemerkt, „es gibt nicht viele Denker, bei denen Verallgemeinerungen so wenig zutreffen wie bei ihm: Widersprüchlichkeiten und ständiger Wechsel des Standpunktes gehören ja zu den wesentlichsten Kennzeichen seines Schaffens“

Schon zu seinen Lebzeiten gestalteten die Widersprüchlichkeiten seines Schaffens die Matrizen, deren sich seine Zeitgenossen, wie später auch seine Nachfahren, je nach ihrer eigenen Disposition, zur Fertigung ihrer Herder-Bilder bedienten. Wenn man also von Verzerrungen des Her-der-Bildes spricht, muß man darauf hinweisen, daß in seinem Werk die Einladung zu Verzerrungen vorlag und vorliegt. Es muß aber auch zwischen durch werkinhärente Widersprüchlichkeiten verursachten Verzerrungen und gezielten Verfälschungen unterschieden werden. Die Frage, inwieweit die Widersprüchlichkeiten in Herders Schaffen „umweltbedingt“ waren, d. h. inwieweit er bewußt oder unbewußt den ihm durch seinen Beruf und Verpflichtung gegenüber seiner Umgebung aufgelegten Rücksichtnahmen Rechnung trug, soll im abschließenden Abschnitt dieses Beitrages berührt werden.

Der Kronzeuge von Herders Bild im Spiegel seiner Zeitgenossen, wie auch seiner Wirkung auf diese, ist Goethe. Neben der viel zitierten Passage in Dichtung und Wahrheit, die die grundsätzlichen, von Herder auf Goethe ausgehenden Impulse bezeugt, fallen hier ein Brief Goethes an Frau von Stein sowie sein Bericht über sein letztes Beisammensein mit Herder ins'Auge. Während der Brief an Frau vom Stein Goethes Erwartung von Herders Ideen als trefflicher Ausdruck des Traumwunschs der Menschheit, „daß es dereinst besser mit ihr werden möge“, bestätigt, macht der Bericht aus Herders Todesjahr die Widersprüchlichkeit von Herders Charakter noch einmal erschreckend deutlich

Wenn auch die Widersprüchlichkeiten in Herders Charakter und Werk zu Verzerrungen einluden, so war es wiederum der jeweilige Zeitgeist, der die Emphase der Kommentatoren bestimmte. Zu seinen Lebzeiten hat Herder den Zeitgeist we-sentlich mitbestimmt. Der Geist und die Sprache des Sturm und Drangs wie auch der Klassik enthielten das Echo seines Werks. Auf vielen Gebieten wurden seine Absichten schnell selbstverständlicher Allgemeinbesitz, so daß sein Einfluß rückblickend präzisiert werden muß. Doch war Herder nicht nur der große Anreger der Goethe-Zeit, sondern er war auch der große Hellseher seiner Epoche, der die Tendenzen der Zeitgeschichte spürte und ihnen Hilfestellung leistete, ohne immer die ihm selbst zukommenden Anregungen zu belegen.

Während also zu Herders Lebzeiten eine enge Beziehung zwischen dem widersprüchlichen Eindruck, den seine Zeitgenossen von ihm hatten, seinem Werk und seiner umstrittenen Persönlichkeit bestand, wurde Herders Andenken nach seinem Tode zunehmend mythologisiert. Diese Mythologisierung blieb vorerst begrenzt, da die überlebenden Zeitgenossen das Herder-Bild im Rahmen hielten. So war etwa Jean Paul, obgleich dieser an Herder als den berufenen Richter „seiner letzten Anstrengungen und Entschlüsse“ appellierte, doch niemals ein unkritischer Elogist Dasselbe dürfte von Heinrich Heine gesagt werden, der Herder als Lessings nächsten Nachfolger betrachtete und ihm einen ganz einsamen Platz in der Literaturgeschichte und ein Ehrengrab in ihrer großen „Morgue“ zuwies Schwieriger fällt hingegen die Bewertung des Verhältnisses von Herders Werk zum Schaffen von Männern wie beispielsweise Ernst Moritz Arndt. Es mag berechtigt sein, Ernst Moritz Arndt einer Entfesselung des Nationalismus zu bezichtigen, die der Absicht Herders entgegen-läuft Doch sagte Arndt nicht nur: „Das ist die höchste Religion, zu siegen oder zu sterben für Gerechtigkeit und Wahrheit... das Vaterland lieber zu haben als Herren und Fürsten, als Väter und Mütter, als Weiber und Kinder ...“, sondern auch, „zu siegen oder zu sterben für die heilige Sache der Menschheit, die durch alle Tyrannen in Lastern und Schanden untergeht; das ist die höchste Religion“

Es scheint also, als ob die Entfesselung des Nationalismus zu Arndts Zeiten noch durch das Herdersche Weltbürgertum zurückgehalten wurde, wie auch die ganze Geschichtsauffassung Arndts von Herders Denken geprägt wurde Die Bemühung, das Herder-Bild von den Verzerrungen der Hitlerzeit zu befreien, darf folglich nicht auf Kosten von Männern wie Arndt geschehen; ihre Distanz zu Herder war durch die Befreiungskriege bedingt, und sie spricht auch klar aus ihren Werken zu uns.

Noch in dem Weimarer Erinnerungsalbum zu Herders hundertstem Geburtstag 1844 stand dessen Humanitätsideal im Vordergrund. Hier wurde er als „ein Hoherpriester der Humanität“ gefeiert, dessen ernstes Streben auf das Wohl der Menschheit gerichtet war Der Glaube Herders an die Menschen konnte ihm schwerlich aberkannt werden.

Der von Heine hervorgehobene Beitrag Herders zu dem, was er „das Herrlichste“ und das „Heiligste“ nannte,...... Was Deutschland hervorgebracht hat ... jene Humanität ... jenen Kosmopolitismus ...“, sollte bis auf Thomas Mann und weiter fortwirken Auch der Einfluß Herders auf Ludwig Feuerbach läßt sich belegen Von Jean Paul bis zum Jungen Deutschland half also Herder den Geist neuer Generationen zu beflügeln und Impulse zu vermitteln, deren Wert von der akademischen Literaturgeschichtsschreibung des Kaiserreichs noch anerkannt wurde

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich das Herder-Bild jedoch zu ändern. Obwohl sein Humanitätsstreben keineswegs rundum bestritten wurde, machte sich eine größere Betonung der nationalen Komponente bemerkbar. Doch wäre es verkehrt, die Zeit der Reichsgründung und die Jahrzehnte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges als eine Periode der gezielten Verfäl-schung des Herder-Bildes zu betrachten. „Herders Humanität war gleichsam die Quintessenz seiner theologischen, historischen und aesthetischen Bestrebungen“, bemerkte Rudolf Gott-schall zum Beispiel noch 1875

Aber bei Julian Schmidt hatte sich schon 1858 ein anderer Schwerpunkt herausgeschält, wenn er sagte: . wie denn auch das Ideal der Humanität, das er in allen seinen Werken zu erfüllen strebt, nur durch Verleugnung aller historischen Mächte zur Geltung kommt“ 0. Schmidt erkannte an, „wie fein Herder durch Ausmerzung alles Barbarischen auch bei der Nachbildung der Volkspoesie das Prinzip der Humanität, die leitende Idee seines ganzen Lebens, zu retten verstand“ Doch blieb eben für Schmidt „der aufgeklärte Despotismus ... die einzige productive Macht Deutschlands, von ihm ging, und zwar in der Person Friedrich des Großen, die Schöpfung eines neuen, bessern Zeitalters aus“ Auch Karl Biedermann zog bereits 1858 Herder als einen Zeugen heran, der „... das deutsche Kulturleben seiner Zeit mit jenem sagenhaften Paradiesvogel verglichen“ hatte, „der, ohne Füße, immer nur in den Lüften sich halten .. konnte. „Erst als der allzu luftige Idealismus, der die Signatur des 18. Jahrhunderts für die geistigen Bestrebungen der Deutschen war, sich mit der Realität des Lebens auszugleichen und zu vermählen begann ... erst da erhob sich Deutschland allmählich aus dem tiefen Verfall ...“ Herder hatte demnach also schon früh die Wichtigkeit der Realpolitik erkannt.

Der junge Heinrich von Treitschke sah Herder mit Lessing als einen „kühnen Geist“, den der deutsche Protestantismus „einer unendlichen Weiterbildung fähig ...“ hatte ertragen können, wie er einst auch noch kühnere Geister ertragen würde Während Hermann Hettner vor der Reichsgründung bestätigte, „... daß die große Dichtung Goethes und Schillers, die sogenannte Romantische Schule, die Philosophie Schellings und Hegels, ohne das Vorangehen Herders gar nicht gedacht werden können“, flehte Julius Langbehn 1890 anonym, „möge also der preußische Offiziersgeist, im innerlichen Sinne, wie er in Kant, Herder, Humboldt lebte, über den entsprechenden preußischen Unteroffiziersgeist, wie er in Wöllner, Nicolai, Dubois-Reymond sich kundgegeben hat, dauernd triumphieren“

Und Kurt Eisner beklagte sich 1903: „Ganz besonders leicht ist es, Herder, das Opfer der Zeitungsartikel dieser Tage, den reaktionären Bedürfnissen der vom Junkertum und dem Klerikalismus regierten Welt anzupassen. Der leidenschaftliche Prophet des revolutionären Humanitätsideals wird dergestalt fähig, als gepriesener Ahn einer Zeit mißbraucht zu werden, deren Ideal der profitable Abscheu vor der Humanitäisduselei ist. Jedes Wort Herders trifft den Geist der herrschenden Klassen der Gegenwart ins Herz, dennoch schmücken sie sich mit Her-der-Zitaten.“

Doch war es vor allem die scheinbar harmlose Umdrehung der Vorzeichen von Herders Werk, das willige Zugeständnis seiner Hervorhebung des Humanitätsideals, gesehen jedoch als Vorbereitung des Durchbruchs zum Nationalen, welches das Herder-Bild verzerrte: „Gerade weil er sich über das national Beschränkte erhebt“, lautete ein charakteristischer Kommentar, „findet er den richtigen Standpunkt zur liebevollen Würdigung des national Wesentlichen ... Durch Her-der vor allen Dingen hat der deutsche Geist sich wieder besonnen auf das, was ihm ureigentlich ist ...“

Obwohl die große Herder-Biographie von Rudolf Haym, die in zwei Bänden 1876 und 1885 erschien, sowie die 33bändige kritische Ausgabe des Gesamtwerks von Bernhard Suphan, veröffentlicht zwischen 1877 und 1913, reichhaltiges Material enthalten, um ein ausgewogenes Her-der-Bild möglich zu machen, diktierte der Zeitgeist die Betonung des Nationalen in seinem Schaffen.

Die das Kaiserreich kennzeichnende vorsichtige Uminterpretierung von Herders Humanitätsideal zu einem Vorbereitungsmittel für das nationale Erwachen war radikaleren Nationalisten nicht genug. Zwar paßten Aussprüche Herders wie dieser aus Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit: „Alle bloß körperliche und Politische Zwecke zerfallen, wie Scherb’ und Leichnam: die Seele, der Geist. Inhalt fürs Ganze der Menschheit .. nicht in ihr Konzept; denn, „so konnte Herder, dieses Schicksal mit Goethe teilend, in den Ruf eines apatriotischen Kosmopoliten mit dem ausschließenden Ideal weltbürgerlicher Kultur kommen“ Doch Herders Geist war zu verlockend, und die von ihm gehegten Ideale waren manipulierbar genug, um nicht von den „schrecklichen Vereinfachern“ der Hitlerzeit rücksichtslos ausgeschlachtet zu werden.

Diese Verfälschungen verdienen indessen keine eingehende Behandlung. Viel wichtiger ist heute die Erstellung eines Herder-Bildes, welches ihm endlich gerecht wird und gleichzeitig die verdiente Breitenwirkung hat. Um dieses zu bewirken, müssen zunächst die Persönlichkeit und das Werk dieses großen Deutschen entmythologisiert werden. Dies blieb zwei selbst schwierigen Menschen Vorbehalten: Friedrich Nietzsche und Thomas Mann.

In Menschliches, Allzumenschliches (1878/79) ging Nietzsche Herders Geist und Schaffen auf den Grund: „Herder ist alles das nicht, was er von sich wähnen machte (und selber zu wähnen wünschte): Kein großer Denker und Erfinder ... Aber er besaß im höchsten Maße den Sinn der Witterung, er sah und pflückte die Erstlinge der Jahreszeit früher als alle anderen ... Aber überall, wo zuletzt Kronen wirklich vergeben wurden, ging er leer aus ... Er hatte wirklich Begeisterung und Feuer, aber sein Ehrgeiz war viel größer! Dieser blies ungeduldig in das Feuer, daß es flakkerte, knisterte und rauchte — sein Stil flackert, knistert und raucht — aber er wünschte die große Flamme, und diese brach nie hervor! ... So war er ein unruhiger Gast, der Vorkoster aller geistigen Gerichte, die sich die Deutschen in einem halben Jahrhundert aus allen Welt-und Zeitreichen zusammenholten. Nie wirklich satt und froh, war Herder überdies häufig krank; da setzte sich bisweilen der Neid an sein Bett, auch die Heuchelei machte ihren Besuch. Etwas Wundes und Unfreies blieb an ihm haften; und mehr als irgendeinem unserer sogenannten , Klassiker 1 geht ihm die einfältige wackere Mannhaftigkeit ab...“ „Herder hatte das Unglück, daß seine Schriften immer entweder neu oder veraltet waren.“

Dieser von Nietzsche grausam-genial gezeichnete Herder wurde auch von Thomas Mann erkannt. Er sah, daß Herder letzten Endes „der Zauber, die Gnade, das zwingende Geheimnis“ fehlte, welches Goethe, seinen ehemaligen Planeten, zur Sonne machte, „um die das neue geistige Leben in Deutschland sich drehen sollte“. Herder überwand nie die Bitterkeit über das Schicksal, welches ihm die letzte große Anerkennung vorzuenthalten schien Vielleicht ist es das „Allzumenschliche“ an Herder, welches ihn heute so anziehend macht. Jedenfalls besaß Herder für Thomas Mann trotz Herders durch Eitelkeit und Eifersucht gespaltenen Persönlichkeit eine bleibende Anziehungskraft, wie Regine Otto nach-wies

IV. Pespektiven für Ost und West

Das heutige Herder-Bild in Ost und West ist stärker durch die Widersprüchlichkeit seines Geistes und Schaffens geprägt als je zuvor. Bieten sie doch den wetteifernden Ideologien unserer Zeit reichlich Nahrung für parteiliche Aneignung. Doch findet sich im Schatz des Herderschen Er-bes auch genug Material, welches zum Brücken-schlag in dieser entzweiten Welt geeignet wäre. Hier handelt es sich vor allem um sein Humanitätsideal, welches den unbestrittenen Primat in seinem Weltgefühl innehielt. Eine konstruktive Würdigung von Herders Humanitätsideal als Ausgangspunkt einer Einigung zwischen Ost und West über die „Ehre deutsch in der Sprache zu seyn“, und so gemeinsam Gedanken zu hegen, die noch immer an dieser Sprache kleben, scheint angebracht. Sie wird nicht durch die bestehenden Unterschiede der Herder-Interpretation in Ost und West beeinträchtigt. Vielmehr dürfte die Anerkennung von Herders Humanitätsideal in Ost und West dem Ton der Auseinandersetzung über weiterhin strittige Fragen zuträglich sein.

Eine der Grundfragen der zeitgenössischen Her-der-Interpretation betrifft das Ausmaß der umweltbedingten, bewußten oder unbewußten Verdrängung von Einsichten aus Herders veröffentlichtem Werk. Herder selbst hat wiederholt beklagt, daß seine Stellung und seine Rücksicht auf den Hof ihm Schranken auferlegten, die ihm die offene Stellungnahme zu kritischen Fragen seiner Zeit sehr erschwerten Ob man nun aber aus Andeutungen im Text seiner Werke, aus Klagen über den Zwang zur Rücksichtnahme, aus seiner Wahl von Freunden mit radikalen Einstellungen wie Einsiedel und Johann August von Georg Forster Schlüsse ziehen kann, die ihm die Aufrichtigkeit seines Christentums verneinen oder seine der Französischen Revolu Abwendung von -tion als Altersschwäche bagatellisieren, müßte eingehender erörtert werden. Hier sollen nur einige gegenwärtigen Herder-Dis der -kussion als Beispiel angeführt werden.

Das anläßlich von Herders 175. Todestage in Weimar veranstaltete Kolloquium gab einen guten Überblick über die intensive Beschäftigung von vornehmlich aus der DDR und Ostblockländern stammenden Wissenschaftlern mit Herders Werk und Persönlichkeit Wenn auch der daraus entstandene Buchband erneut verdeutlicht, wie schwierig es für Herders Bewunderer im Osten ist, sein Christentum als mehr als eine Konzession an den Zeitgeist zu bewerten, so bekam jedoch in diesem Land auch ein Autor die

Gelegenheit, mit Entschiedenheit auf eine Konstante hinzuweisen, „die sich durch sein gesamtes Schaffen hindurchzieht: auf seine persönliche Verantwortung vor dem Weltenrichter Jesus Christus, wie sie in dem Gleichnis zum Ausdruck kommt, das im Matthäusevangelium (Kapitel 25, Vers 31 ff.) berichtet wird“

Die intensive und fruchtbare Beschäftigung der Forschung der DDR bringt denn auch, wie Günter Arnolds Literaturbericht zeigt trotz weiter bestehender Unterschiede vom Herder-Bild des Westens Einsichten und Berichtigungen von weittragender Bedeutung.

Im Hinblick auf Herders Christentum schließt Arnold'hier, entgegen den Äußerungen in der 1978/79 vom Verlag Volk und Wissen herausgegebenen mehrbändigen Geschichte der deutschen Literatur, daß Herders „Jenseitstrost für die Unterdrückten“ nicht „Hohn“ und „Eiapopeia vom Himmel“ gewesen sei und daß „seine echte volks-mäßige Religiosität ... von seiner Humanitätsphilosophie nicht zu trennen“ ist In einem Beitrag stellt Wolfgang Förster zwar fest, daß der Widerspruch von Materialismus und Idealismus durch Herders Werk hindurch“ geht, doch schließt er, daß „... Grundtendenz sei die -ner späteren Entwicklung das Ausreifen von materialistischen Ideen“ war Das bisher am wenigsten erforschte Spätwerk Herders scheint indessen auch andere Schlüsse als die von Förster festgestellte Tendenz zum Ausreifen materialistischer Ideen zuzulassen

Eine Klärung dieser wie auch anderer wichtiger Fragen muß der weiteren Forschung überlassen bleiben. Diese Klärung wiederum dürfte durch einen Dialog zwischen ost-und westdeutschen Wissenschaftlern gefördert werden.

Während Arbeiten wie die mit „entschiedener Parteilichkeit“ ausgeführte von Claus Träger — in der „Legendenzerstörung ... zum Bestandteil des antiimperialistischen Klassenkampfes“ wird — weniger zu diesem Zweck geeignet sein dürften, lädt ein Beitrag wie der von Wolfgang Förster zu einem konstruktiven Gespräch ein Försters Kritik der „spätbürgerlichen“ Herder-Interpretation steht einer vernünftigen Auseinandersetzung über strittige Punkte nicht im Wege. Seine Analyse von dem Verhältnis von Geschichtsphilosophie und Humanitätsbegriff in Herders Denken, seine Erörterung von Herders Religion als „Synonym der , höchste(n) Humanität“ 1 und seine Diskussion von Patriotismus und Nationsbewußtsein in Verbindung mit Herders Humanitätskonzeption entsprechen in mancher Hinsicht den in Vorbereitung auf die hier vorgestellte Arbeit gewonnenen Einsichten

Dabei schadet es nicht, wenn über das Wesen von Herders Glauben keine Übereinstimmung erzielt werden kann Die Anerkennung einer Dualität in Herders Wesen, die sich auch in der Forschung der DDR zunehmend bemerkbar macht, ermöglicht es vielmehr, Wilhelm Dobbek zuzustimmen, der ausführte: „Mochte er (Her-der) auch oft genug an Dogmen und kirchlichen Einrichtungen herbe Kritik üben, für seine Pflichten als Seelsorger gab er sein Leben hin. Das kann gegenüber älteren und heute wiederholten Versuchen, ihm Ehrlichkeit und Überzeugungstreue abzusprechen, vor allem aber seine im Dienste der Kirche geleistete Arbeit zu übersehen oder geflissentlich zu verschweigen, nicht nachdrücklich genug gesagt werden.“

Genauso kann Herder Ehrlichkeit und Überzeugungstreue nicht abgesprochen werden, wenn er, wie Wolfgang Heise ausführte, in den Ideen die „Säkularisierung’ seines theologischen Stand-punktes“ durchführte, um „die theoretisch-weltanschauliche Grundposition der , Humanität 1“ zu entwickeln

Noch scheint es berechtigt zu sein, Herders Kritik der Französischen Revolution im Atlantis-Kapitel der Adrastea leichtzunehmen. Hier sagte Herder: „Hätte am unglücklichen Ausgange des verflossenen Jahrhunderts ein Genius Macht gehabt, alle Genien Europas zu vereinigen, um mit einer Stimme den Betrug zu verkündigen, daß man für einefalsche Helena, genannt Freiheit und Gleichheit, Glück und Leben aufopfere, indes die wahre Helena, von den Göttern längst gerettet sei; welch unermeßlichem Unheil hätte er vorgebeugt! Als das Wahnbild zerfiel, freilich da sahen die Geister zu spät, wie häßlich sie hintergangen waren.“

Warum sollte Herder nicht zu einem Zeitpunkt die Französische Revolution überzeugt ablehnen, da ihre Auswirkungen dem wichtigsten Maßstab seines Denkens, nämlich dem Humanitätsideal, zuwiderzulaufen schienen? Als einem Pionier des Prinzips der Geschichtlichkeit alles menschlichen Seins und Schaffens sollten doch gerade ihm Urteile widerfahren, die den geschichtlichen Zusammenhang seiner Äußerungen berücksichtigen. Bei den Widersprüchlichkeiten in Herders Werk handelt es sich nicht so sehr um Rücksicht, die er auf seine Umwelt nahm, sondern oft um Einsichten, die er dem jeweiligen Augenblick entnahm.

Herders Bewußtsein und positive Einschätzung der Perspektivik in der Geschichtsbetrachtung sowie sein Verständnis der „Geschichtsbedürftigkeit“ des Menschen wurden von Hans Dietrich Irmscher treffend umrissen Dieser Beitrag bestätigt nachdrücklich den Primat des Allgemein-menschlichen im geschichtlichen Denken des jungen Herders, der fordert, „man bringe „alle diese Nationalsagen und mythologische Ein-kleidungen und Fragmente von Urkunden in die nackte, dürftige, menschliche Seele zurück“ * Der von Irmscher zitierte Aufsatz „Ueber die verschiedenen Religionen“ behandelt die Kindheit der Menschheit und findet in der Verschiedenheit der „Gesänge“ der Nationen doch „eine gesamte Stimme“

Es ist bedauerlich, daß Treffen wie die „Bückeburger Gespräche“ oder auch Konferenzen wie die im November 1984 in Saarbrücken stattgefundene Herder-Konferenz nicht zum Dialog zwischen Ost und West benutzt werden. Hier, wie auch anläßlich von Herder-Konferenzen in Amerika, wurden und werden differenzierte Programme vorgelegt, die der Forschung fruchtbare Wege offenlegen. Ost und West, politisch geteilt, befahren gemeinsam, um mit Herder zu sprechen, das „Gränzenlose Meer“ mittels einer „Rinde“, der deutschen Sprache, die die Navigation ermöglicht auf dem Kurs zu größerer Humanität Doch sollte man über den gelehrten Nutzen der Muttersprache ..." den ...... Gesichtspunkt der Menschheit ...“ nicht vergessen Diese Mahnung des Zwanzigjährigen sollte seiner Beschlagnahme durch jedwede Ideologie wie auch seiner Indienststellung für nationale Belange und historiographische Steckenpferde entgegenwirken und seinem Kernanliegen, der „Beförderung der Humanität“, dienen

Fussnoten

Fußnoten

  1. Bernhard Suphan (Hrsg.), Johann Gottfried Herder. Idee zum ersten patriotischen Institut für den Allgemeingeist Deutschlands, Sämtliche Werke, 33 Bde., Berlin 1877 ff., Bd. XVI, S. 600— 616, 603 (fortan SWS und Band).

  2. Gerhard Masur, Deutsches Reich und deutsche Nation im 18. Jahrhundert, Antrittsvorlesung vor der Friedrich Wilhelm Universität Berlin am 22. Juli 1930, in: Preußische Jahrbücher, 229 (1932), S. 1— 23.

  3. Ebd., S. 17f.

  4. Ebd., S. 18f.

  5. Ebd., S. 20.

  6. Ebd., S. 18.

  7. Doch mußte selbst zu dieser Zeit noch zugestanden werden, daß es eine Zeit gab, die „Herder nicht nur als

  8. So Hans Erich Bödeker, Thomas Abbt: Patriot, Bürger und bürgerliches Bewußtsein, in: Rudolf Vierhaus (Hrsg.), Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der Aufklärung, Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung, Bd. VII, Heidelberg 1981, S. 221— 253, 225— 226.

  9. Ebd., S. 231.

  10. Ebd., S. 233.

  11. Friedrich Carl von Moser, Beherzigungen als der Zweyte Theil des Herrn und Dieners, Frankfurt—Leipzig 1766, in: ders., Der Herr und Diener geschildert mit patriotischer Freyheit, Frankfurt—Leipzig 1774, S. 154f.

  12. Ebd., S. 156.

  13. Ebd., S. 157.

  14. Ebd., S. 324.

  15. Ebd., S. 323.

  16. Ebd., S. 334f.

  17. Thomas Abbt, Briefe die Neueste Litteratur betreffend, Xlter Theil, Berlin 1761, S. 178— 180, Brief S. 3 bis 38, 27.

  18. Ebd., S. 27 f.

  19. Hans Erich Bödeker (Anm. 8), S. 234f, 232.

  20. SWS, S. 222.

  21. Ebd., S. 221 f.

  22. Rudolf Vierhaus, Deutschland im 18. Jahrhundert: soziale Gefüge, politische Verfassung, geistige Bewegung, in: Franklin Kopitzsch (Hrsg.), Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum in Deutschland, München 1976, S. 173— 191, 176f.

  23. Rudolf Vierhaus, Politisches Bewußtsein in Deutschland vor 1789, in: Der Staat, 6 (1967), S. 175— 196, 183.

  24. SWS, XXXII, S. 204.

  25. Ebd.

  26. Ebd., S. 207.

  27. Ebd., S. 210; siehe auch SWS, II, S. 271, und I, S. 79.

  28. Ebd., S. 34.

  29. SWS, III, S. 29.

  30. SWS, II, S. 357.

  31. Ebd., S. 287.

  32. Ebd., S. 283.

  33. Ebd., S. 281.

  34. SWS, XVI, S. 601.

  35. Wilhelm Dobbek, Johann Gottfried Herders Jugendzeit in Mohrungen und Königsberg: 1744— 1764, Würzburg 1961, S. 173 f.; SWS, XXXII, S. 31— 61.

  36. Ebd., SWS, XXXII, S. 34f.

  37. Ebd., S. 48.

  38. Ebd., S. 59 ff.

  39. SWS, XXIX, S. 225— 318; 230; als Beispiel einesSelbstzeugnisses mag dieses „Fragment“ dienen, welches schloß: „... O Gott, was gabst du mir! — all dein Welt schaff ich dir in mir nach!“ Siehe auch Willi Ehrlich, Die Neugestaltung und Erweiterung des Herder-Museums in Morag, in: Impulse, Folge 2, Walter Dietze/Peter Goldammer (Hrsg.), Berlin 1979, S. 336— 350, 341.

  40. SWS, XXXII, S. 18— 29, 20.

  41. Ebd., S. 28.

  42. Wilhelm Dobbek/Günter Arnold (Hrsg.), Johann Gottfried Herder, Briefe, 7 Bde., Bd. I, Weimar 1977, S. 32 (an Johann Gotthelf Lindner, Königsberg, 16. Oktober 1764).

  43. SWS, I, S. 13— 28, 27.

  44. SWS, XXXII, S. 61— 85, 66.

  45. Ebd., S. 82.

  46. Ebd., S. 178— 192, 179.

  47. Christoph Friedrich Nicolai, Briefe die neueste Litteratur betreffend, XHter Theil, Berlin 1762, Zweyhunderter Brief, S. 299— 306, 303 f. Nicolai beklagte die Unmündigkeit der deutschen Schaubühne, die er unter anderem aus Deutschlands Teilung in verschiedene „Reiche“ und verschiedene Hauptstädte mit minderwertigen Theatern zurückführte.

  48. Rudolf Haym, Herder, 2 Bde., Berlin 1954, Bd. I, S. 190.

  49. SWS, XXXII, S. 175— 178, 175.

  50. Wilhelm Dobbek/Günter Arnold (Hrsg.) (Anm. 42), Bd. I, S. 175 ff.

  51. SWS, III, S. 462— 471, 466.

  52. Ebd., S. 462.

  53. Ebd., S. 467.

  54. Ebd., S. 470.

  55. Ebd.

  56. Ebd., S. 469.

  57. Ebd., S. 470.

  58. James W. Marchand, Herder: Precursor of Humboldt, Whorf, and Modern Language Philosophy, in: Wulf Koepke/Samson B. Knoll (Eds.), Johann Gottfried Herder: Innovator Through the Ages, Bonn 1982, S. 20— 34.

  59. Ebd., S. 21f., 28.

  60. SWS, I, S. 1— 7, 6.

  61. Rudolf Haym (Anm. Bd. I, S. 154 f.

  62. SWS, I, S. 142.

  63. Ebd., S. 162, 165.

  64. Ebd., S. 166.

  65. Ebd., S. 151— 155, 153.

  66. Ebd., S. 366.

  67. Rudolf Haym (Anm. 48), Bd. I, S. 174 f.

  68. SWS, I, S. 386. 394.

  69. Ebd., S. 400— 406, 400.

  70. Ebd., S. 402.

  71. SWS, XVI, S. 42f„ 46f.

  72. SWS, II, S. 13.

  73. Ebd.

  74. Ebd., S. 14.

  75. Ebd., S. 15.

  76. Ebd., S. 15 f.

  77. Ebd., S. 16, 18.

  78. Ebd., S. 269.

  79. Ebd.

  80. Ebd., S. 283.

  81. SWS, XXXII, S. 85— 140, 126.

  82. Ebd., S. 136— 137.

  83. Über Moses, in: SWS, XXXII, S. 203— 209, 204.

  84. Über die Bildung der Völker, in: SWS, XXXII, S. 231 ff.

  85. SWS, X, Zwölfter Brief, S. 139— 152, 139.

  86. Problem: wie die Philosophie zum Besten des Volkes allgemeiner und nützlicher werden kann, in: SWS, XXXII, S. 31— 61, 36.

  87. Ebd., S. 49.

  88. Ebd.

  89. Ebd., S. 61.

  90. Der kranke Staat, aus: Zerstreute Blätter, Fünfte Sammlung, in: SWS, XVI, S. 137— 167, 143.

  91. Die Staatsräson, ebd., S. 146.

  92. Briefe zu Beförderung der Humanität, Zweite Sammlung, 25. Brief, in: SWS, XVII, S. 115— 122, 121.

  93. Ebd., S. 122.

  94. SWS, II, S. 24.

  95. Rudolf Haym (Anm. 48), Bd. II, S. 245.

  96. Friedrich Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat, München 1962, S. 35.

  97. SWS, VI, S. VII.

  98. SWS, VI, S. 363.

  99. Rudolf Haym (Anm. 48), Bd. I, S. 301.

  100. Ebd., S. 308.

  101. Ebd., S. 311.

  102. Ebd., S. 317.

  103. SWS, VI, S. 63.

  104. Ebd., S. 64 f.

  105. Ebd., S. 35 f.

  106. Rudolf Haym (Anm. 48), Bd. I, S. 543 f.

  107. Über die menschliche Unsterblichkeit, in: SWS, XVI, S. 28— 50, 42 f.

  108. Hugh Barr Nisbet, Zur Revision des Herder-Bildes im Lichte der neueren Forschung, in: Johann Gottfried Maltusch (Hrsg.), Bückeburger Gespräche über Johann Gottfried Herder, Bückeburg 1973, S. 101— 117, 103.

  109. Ebd., S. 102.

  110. Lutz Richter (Hrsg.), Johann Gottfried Herder im Spiegel seiner Zeitgenossen, Göttingen 1978, S. 89 bis 100, 249, 316f.

  111. Jean Paul, Vorschule der Ästhetik, Sonderdruck von Bd. V der Werke, München 1963, S. 514.

  112. Manfred Windfuhr (Hrsg.), Heinrich Heine. Die romantische Schule. Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke, Bd. 8/1, Hamburg 1979, S. 135f.

  113. Hans-Walter Krummwiede, Herder in Bückeburg. Die europäische Bedeutung seines Werkes, in Johann Gottfried Maltusch (Hrsg.) (Anm. 108), S. 9.

  114. Wilhelm Steffens (Hrsg.), Arndts Werke, Auswahl in zwölf Teilen, Siebenter Teil, Berlin—Leipzig— Wien—Stuttgart u. a. o. J., Geist der Zeit, II, S. 85.

  115. Ingrid Hruby/Imago Mundi, Eine Studie zur Bildungslehre Ernst Moritz Arndts, Frankfurt/M. —Bern 1981. Siehe auch Ernst Müsebeck, Ernst Moritz Arndt: Ein Lebensbild, Gotha 1914.

  116. Christian Schreiber, „Prolog“ und Konrad Schwenck, „Kurze Charakteristik Herders“, in: Weimarsches Herder-Album, Jena 1845, S. l— 6, 5; 115 bis 136. 127.

  117. Volkmar Hansen, Thomas Manns Heine Rezeption, Hamburg 1975, S. 68.

  118. Alfred Schmidt, Feuerbachs Stellung in der Geschichte des Materialismus, in: Erich Thiess (Hrsg), Ludwig Feuerbach. Wege der Forschung, Bd. CDXXXVIII, Darmstadt 1976, S. 405— 430, 423, 425 bis 429.

  119. Rudolf Gottschall, Die deutsche Nationälliteratur des neunzehnten Jahrhunderts, 4 Bde., Breslau 1875, Bd. I, S. 17.

  120. Ebd., S. 16. Diese Auffassung wurde auch in der Ausgabe dieses Werks von 1891 beibehalten.

  121. Julian Schmidt, Geschichte der Deutschen Literatur seit Lessings Tod, Leipzig 1858, Erster Band, S. 50.

  122. Ebd., S. 468.

  123. Ebd., S. 16. Herders eigene, widersprüchliche Äußerungen über Friedrich und sein Werk können nur im geschichtlichen Zusammenhang verstanden werden. Während er, als junger Mann, im Reisejournal glaubte, „die Staaten des Königs von Preußen werden nicht glücklich seyn, bis sie in der Verbrüderung zertheilt werden“, konnte er zu einem späteren Zeitpunkt, unter veränderten politischen Umständen, schließen, daß der preußische Staat eine Gabe der Vorsehung und, im Bündnis mit Österreich, Garant der mitteleuropäischen Sicherheit sei. SWS, IV, S. 405; XXIII; Adrastea, Dritter Band, 1802, Preußische Krone, S. 455— 463, 462 f.

  124. Wolfgang Emmerich (Hrsg.), Karl Biedermann. Deutschland im 18. Jahrhundert, Ausgabe in einem Band, Berlin—Wien 1979, S. 440.

  125. Max Cornelius (Hrsg.) Heinrich von Treitschkes Briefe, 4 Bde., Leipzig 1913, Bd. 2, S. 333 f. (An den Vater, Freiburg, 28. Juni 1864).

  126. Hermann Hettner, Geschichte der Deutschen Literatur im Achtzehnten Jahrhundert (1856— 1870), Ausgabe in zwei Bänden, Berlin—Weimar 1979, S. 81; Julius Langbehn, Rembrandt als Erzieher, Leizpig 1922, S. 267.

  127. Kurt Eisner, Herder (1903). Gesammelte Schriften, Berlin 1919, S. 153— 164, 154f.

  128. Jacob Wychgram, Die Deutsche Dichtung, in: Hans Meyer (Hrsg.), Das Deutsche Volkstum, 2 Bde., Leipzig—Wien 1912, S. 181— 278, 264, 265.

  129. SWS, V, S. 580; Gisela Ulrich, Herders Beitrag zur Deutschkunde, Würzburg 1943, S. 26.

  130. Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, Zweiter Band: Der Wanderer und sein Schatten, in: ders., Werke in drei Bänden, München 1966, Bd. I, S. 924f., 928.

  131. Thomas Mann, Phantasien über Goethe, Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, Frankfurt 1960, Bd. IX, S. 713— 754, 746.

  132. Regine Otto, Ein Herder-Zitat im Jahre 1938: Zur Herder-Rezeption Thomas Manns, in: Walter Dietze (Hrsg.), Herder-Kolloquium 1978, Weimar 1980, S. 265— 271.

  133. So klagte er schon 1767 im Nachwort zur Dritten Sammlung der Fragmente: „Wäre unser Bücherton in Deutschland Republikanischer: wie manches hätte ich deutlich sagen können, wo ich jetzt, vielleicht dunkel, oder kühn in Parabeln und Anspielungen rede“, in: SWS, I, S. 528. Und 35 Jahre später heißt es in den Zerstreuten Blättern in bezug auf Johann Valentin Andreaes Parabien: „Dichtungen und Gespräche, die in den Jahren 1770 und 1780 ohn’ alle Gefährde erschienen wären, fand ich gut, im Jahr 1793 lieber zurückzuhalten, ob sie gleich 1617 oder 20 verfaßt waren; es waren unter diesen treffliche Parabeln und Gespräche“, in: SWS, XVI, S. 132. Siehe auch Rudolf Haym (Anm. 48), Bd. II, S. 559.

  134. Herder-Kolloquium (Anm. 132)

  135. Herbert von Hintzenstern, Humanist aus Christlicher Verantwortung, in: Herder-Kolloquium (Anm. 132), S. 244— 251, S. 244. Vgl. Wolfgang Förster, Zu Herders Theologie und seiner Religionskritik, ebd., S. 251— 258, Günther Wirth, Herder als Theologe, ebd., S. 259— 264.

  136. Günter Arnold, Neue Herder-Literatur in der DDR, in: Walter Dietze/Peter Goldammer (Hrsg.), Impulse, Folge 4, Berlin (Ost) —Weimar 1982, S. 413 bis 458.

  137. Ebd., S. 422.

  138. Wolfgang Förster, Geschichtsphilosophie und Humanitätsbegriff Herders, in: Jahrbuch für Geschichte, 19 (1979), S. 7— 43, 16.

  139. Günter Arnold (Anm. 136), S. 423.

  140. Günter Arnold (Anm. 136), S. 452; Claus Träger, Die Herder-Legende des deutschen Historismus, Berlin (Ost) 1979; Wolfgang Förster (Anm. 138).

  141. Wolfgang Förster (Anm. 138), S. 1— 19, 38— 42.

  142. Wolfgang Förster, Zu Herders Theologie und seiner Religionskritik, in: Herder-Kolloquium (Anm. 132), S. 251— 258, 254.

  143. Wilhelm Dobbek (Anm. 35), S. 84.

  144. Wolfgang Heise, Realistik und Utopie in Herders Humanitätskonzept, in: Herder-Kolloquium (Anm. 132), S. 73— 114, 78.

  145. SWS, XXIV, S. 164— 76, 172; vgl. Günter Arnold, Wandlungen von Herders Revolutionsbegriff, in: Her-der-Kolloquium (Anm. 132), S. 164— 172.

  146. Hans Dietrich Irmscher, Grundfragen der Geschichtsphilosophie Herders bis 1774, in: Bückeburger Gespräche über Johann Gottfried Herder, Rinteln 1984, S. 10— 32.

  147. Ebd., S. 32.

  148. SWS, XXXII, S. 145— 152.

  149. Über den Fleiß in mehreren gelehrten Sprachen in: SWS, I, S. 1— 7, 5f.

  150. Ebd., S. 7.

  151. Es sollte heute genauso vermeidlich sein, Herder als einflußreichen Propheten des Risorgimento-Nationalismus liberaler Prägung“ zu bezeichnen, siehe: Peter Alter, Nationalismus, Frankfurt/Main 1985, S. 34, als ihn zu sehr als Vorbereiter der Realisierung des dialektischen Materialismus zu engagieren, vgl. Claus Träger (Anm. 139), S. 24f.

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Ernest A. Menze, Dr. phil., geb. 1927; Professor für neuere europäische Geschichte am Iona College, New Rochelle (N. Y.), USA; 1971/72 Gastprofessor an der Universität Erlangen-Nürnberg; 1984/85 Visiting Fulbright Professor am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Totalitarianism Reconsidered, Washington (N. Y.) -London 1981; Land der begrenzten Möglichkeiten, Heidelberg 1975; Hermann Glasers The Cultural Roots of National Socialism, Austin-London 1978; Aufsätze zum Thema Nationalismus, Totalitarismus und Zeitgeschichte.