Die Notwendigkeit einheitlicher europäischer Lösungen für das Asylrecht wird immer dringlicher. Es erscheint erforderlich, daß die europäischen Staaten sich sowohl über die Kriterien als auch über das anzuwendende Verfahren einigen. Die europäischen Rechtsordnungen erkennen zwar durchweg die Möglichkeit der Asylgewährung an. Die Bundesrepublik Deutschland nimmt aber eine Ausnahmestellung insofern ein, als hier ein verfassungsrechtlich gewährtes Asylrecht besteht. Das Asylverfahren ist sehr unterschiedlich ausgestaltet. Die gerichtliche Überprüfung der Asylentscheidung ist teilweise nur begrenzt möglich. Der Status des Ausländers während des Asylverfahrens bedarf der Überprüfung. Die Fernhaltung vom Arbeitsmarkt kann für seine spätere Eingliederung Schwierigkeiten hervorrufen.
I. Die Notwendigkeit europäischer Lösungen
In vielen europäischen Ländern hat die Zunahme von Asylbewerbern in den letzten Jahren zu Reaktionen geführt, die das Asylrecht nicht unerheblich eingeschränkt haben. Auch in der Bundesrepublik Deutschland, die nach wie vor eine besondere Stellung insofern einnimmt, als sie das Asylrecht ohne Begrenzungsmöglichkeit verfassungsrechtlich gewährleistet, sind durch die Verschärfungen des Asylverfahrensgesetzes erhebliche Restriktionen wirksam geworden Auch ist nicht zu bezweifeln, daß die weitgehende Einführung der Visumspflicht die Möglichkeiten für echte Asylberechtigte wesentlich beschränkt, das Territorium eines europäischen Staates zu erreichen, in dem sie Asyl erlangen könnten.
Hier zeigt sich eine schwierige Antinomie der Konstruktion des Asylrechts. Das Asylrecht ist territoriales Asyl, das nur gewährt werden kann, wenn der Kontakt zum Territorium hergestellt worden ist. Das heißt, daß die betreffende Person sich entweder bereits in dem Staat befinden muß, in dem sie um das Asyl nachsucht, oder doch jedenfalls dessen Grenze erreicht haben muß. Es wäre völkerrechtlich eine mit dem Status diplomatischer Vertretungen unvereinbare Praxis, wenn im fremden Staat Asylberechtigte von den Botschaften ermittelt und ihnen Visen erteilt würden. Freilich kann durchaus aus humanitären Gründen eine großzügige Praxis der Visumserteilung etwa bei Minderheitengruppen gepflegt werden. Eine förmliche Entscheidung darüber, wem Asyl zu gewähren ist, im Gebiet des Verfolgerstaates würde aber von diesem als Einmischung in die inneren Angelegenheiten kritisiert werden. Soweit bekannt, ist dies auch bisher noch nie versucht worden
Immer deutlicher wird erkannt, daß es sich bei dem Flüchtlingsproblem, mit dem die industrialisierten und in ihrem Lebensstandard an der Weltspitze stehenden europäischen Staaten konfrontiert sind, um ein gesamteuropäisches Problem handelt. Das Europäische Parlament hat mit seiner Entschließung vom 9. Oktober 1986 an die Solidarität der europäischen Staaten appelliert. Im einzelnen wurde beschlossen: „Das Europäische Parlament, — in Anerkennung der VN-Flüchtlingskonvention (Genfer Konvention) von 1951 über die grundlegenden Prinzipien betreffend die Gewährung von Asylrecht und den Schutz der Flüchtlinge, — unter Bekräftigung des Inhalts des Übereinkommens über Rassendiskriminierung von 1965, wonach die Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Abstammung oder anderen Gründen untersagt wird, — im Bewußtsein der ganz besonderen Verantwortung, die die Gemeinschaftsinstitutionen in diesem Bereich haben, und insbesondere in Anbetracht der Gemeinsamen Erklärung im Anschluß an den Bericht Evrigenis, die sie vor kurzem unterzeichnet haben, — unter Hinweis auf den Initiativbericht von Herrn Vetter über Probleme des Asylrechts, der z. Z. vom Ausschuß für Recht und Bürgerrechte ausgearbeitet wird, — unter Hinweis auf frühere mündliche Anfragen an die Kommission (0-141/85) und an den Rat (0-142/85) betreffend Bestrebungen zur Ausarbeitung einer gemeinsamen europäischen Flüchtlings-politik, — in der Erkenntis, daß die derzeitige Situation betreffend das Asylrecht und die Flüchtlingsprobleme in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sofortige Initiativen erfordert, 1. fordert den Rat auf, so schnell wie möglich Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten einzuleiten im Hinblick auf die Ausarbeitung von Vereinbarungen und gemeimsamen Regeln für eine europäische Flüchtlingspolitik; 2. ist der Ansicht, daß einer gemeinsamen Politik die Menschenrechtspolitik, die das Europäische Parlament bereits befürwortet hat, als Ausgangspunkt dienen sollte; hält es für selbstverständlich und zweckmäßig, daß versucht wird, akute Probleme, bei denen einzelne Mitgliedstaaten Schwierigkeiten haben, die verhältnismäßig große Zahl an Flüchtlingen, die bei ihnen um Aufnahme ersuchen, aufzunehmen, solidarisch zu lösen, wobei ein „Export“ der Probleme von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu vermeiden ist, da ein solche Situation, in der man versucht, den Schwarzen Peter einem anderen zuzuspielen, sowohl für den einzelnen Flüchtling als auch für unsere offene demokratische Gesellschaftsform entwürdigend ist; schlägt vor, daß eine solidarische Lösung u. a. eine einheitliche Definition des Begriffs „politischer Flüchtling“, gemeinsame Regeln für eine angemessene und realisierbare Verteilung der Flüchtlinge, die an den Grenzen der Gemeinschaft um Asyl ersuchen, sowie einheitliche Regeln für die Behandlung dieser Personen umfassen sollte; schlägt vor, daß — unter Bezugnahme auf die beste Durchführung der in der vorhergehenden Ziffer genannten Maßnahmen — die zuständigen Gemeinschaftsinstanzen eine Untersuchung über die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einleiten, daß die Gemeinschaft als solche der VN-Flüchtlingskonvention beitritt;
beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.“ 3)
Es hat den Rat aufgefordert, so schnell wie möglich Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten einzuleiten im Hinblick auf die Ausarbeitung von Vereinbarungen und gemeinsamen Regeln für eine europäische Flüchtlingspolitik. Auch im Rahmen des Europarates sind seit langem Bestrebungen in diesem Sinne im Gang 4). Freilich kann man nicht sagen, daß die Erfolge bisher schon deutlich geworden wären. Es scheint vielmehr, als ob in der letzten Zeit eher eine Nationalisierungstendenz bei den Lösungen anzutreffen ist.
Eine Schwierigkeit besteht schon darin, daß keine Einigkeit über die Zahlen besteht, von denen ausgegangen werden muß. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen gibt in seiner Statistik primär die Flüchtlinge an, die seit Inkrafttreten der Genfer Konvention von 1951 in einem Land anerkannt wurden. Nach seinen Zahlen liegt die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Anerkennungsquote hinter den meisten europäischen Staaten. Mit 134 000 anerkannten Flüchtlingen zum 1. Januar 1986 erreicht die Zahl 0, 21 % der gesamten Bevölkerung. Für Frankreich lautet die vergleichbare Zahl 0, 31 % und für die Schweiz etwa 0, 49% 5).
Das Bundesministerium des Innern weist dagegen darauf hin, daß die Zahl der Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland mit und ohne Rechtsstatus nach der Genfer Konvention insgesamt 605 000 betrage. Darin seien enthalten 59 000 Asylberechtigte, 118 000 Familienangehörige von Asylberechtigten, 31 000 Kontingentflüchtlinge, 52 000 heimatlose Ausländer, 5 000 vom Ausland anerkannte Flüchtlinge mit ihren Familienangehörigen und 220 000 de facto-Flüchtlinge. Als de facto-Flüchtlinge werden diejenigen bezeichnet, die zwar keinen formellen Flüchtlingsstatus haben, aber auf Grund der Rechtslage oder der Verwaltungspraxis nicht in ihr Heimatland ausgewiesen werden können, etwa weil ihnen dort Folter oder unmenschliche Behandlung droht oder wegen einer Bürgerkriegssituation keine Ausweisungen und Abschiebungen erfolgen. Das gilt etwa nach der gegenwärtigen Praxis für den Libanon 6).
Es erscheint dringend notwendig, anhand von offenen und solidarisch geführten Diskussionen zwischen den europäischen Staaten Klarheit über die eigentliche Belastung durch Flüchtlinge zu erhalten. Naturgemäß überzeugt es nicht, wenn bei der Aufstellung hier lediglich die formell auf Grund der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannten Flüchtlinge, nicht aber nach nationalem Asylrecht Asyl-berechtigte oder de facto-Flüchtlinge einbezogen werden.
II. Die Prägungen der europäischen Rechtsordnungen durch die Völkerrechtsordnung
Versucht man, die in den westeuropäischen Staaten geltende Rechtslage zu ermitteln, so fällt zunächst auf, wie stark diese Staaten durch das vor allem mit der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ausgestaltete völkerrechtliche Flüchtlingsrecht geprägt sind. In erheblichem Umfang entspricht die national geltende oder praktizierte Begriffsbestimmung des Flüchtlings dem der Genfer Flüchtlingskonvention.
Nach dieser Praxis istjemand verfolgt, der die wohl-begründete Furcht vor individueller Verfolgung oder Verfolgung als Mitglied einer Gruppe hat, wenn diese Verfolgung auf rassischen, religiösen, nationalen oder sozialen Gründen beruht. Nur ausnahmsweise ist allerdings ein formelles Recht auf Gewährung des Status und der Einreise auf dieser Grundlage niedergelegt. Während in der Bundesrepublik Deutschland das Asylrecht verfassungsrechtlich anerkannt ist, haben Dänemark und Österreich es durch einfaches Gesetz als subjektives Recht festgelegt. Aber auch in diesen Ländern besteht ein weites Ermessen der zuständigen Behörden. Ein im Herbst 1985 vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg durchgeführtes Kolloquium über das Ausländerrecht, in dem auch das Asylrecht behandelt wurde, zeigte, daß die meisten Staaten sich auf diesem Gebiet keinen scharfen Regelungen unterworfen haben
Einige Rechtsordnungen, wie die Belgiens, Dänemarks, der Niederlande und Schwedens, unterscheiden zwischen zwei Kategorien von Flüchtlingen. Die erste wird als die des A-Status oder der Konventionsflüchtlinge bezeichnet. Hier liegen die Voraussetzungen der Konvention von 1951 in vollem Umfang vor. Die zweite Kategorie wird als
B-Status oder de facto-Flüchtlinge bezeichnet. Hier liegen die Voraussetzungen der Konvention von 1951 nicht vor, die Personen werden aber aus humanitären Gründen nicht in ihr Heimatland zurückgeschickt.
Hier ist in die Rechtsordnung ein besonders schwieriges Problem eingeführt worden, das die Lage des Flüchtlingsrechts in den letzten Jahren erheblich erschwert hat. Neben den Personen, die selbst als verfolgt anzusehen sind, gibt es eine größer werdende Gruppe, die ohne konkrete Verfolgung aus humanitären Gründen in derselben Lage wie Flüchtlinge ist. Es ist kennzeichnend, daß die afrikanische Flüchtlingskonvention von 1969 der einzige völkerrechtliche Vertrag ist, der diese Gruppe eindeutig einbezieht. Danach sind Flüchtlinge im Sinne dieser Konvention auch Personen, die ihr Land auf Grund von Bürgerkriegen oder anderen schweren Störungen der öffentlichen Ordnung verlassen haben
Es mag hier auch noch darauf hingewiesen werden, daß die europäischen Staaten, die an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden sind, auf der Grundlage dieser Konvention verpflichtet sind, bei Entscheidungen über Ausweisung oder Auslieferung das mögliche Schicksal der Personen im Zielland zu berücksichtigen. Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß ein Staat gegen Art. 3 der Konvention verstößt, wenn er Personen in ein Land schickt, wo ihnen unmenschliche Behandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. In diesen Fällen braucht zwar nicht formell Asyl gewährt zu werden. Es ist aber eine Aus-oder Zurückweisung in das betreffende Land unzulässig -
III. Das Asylverfahren
Da alle europäischen Staaten im Grundsatz politisch Verfolgten Asyl zu gewähren bereit sind, ist in der Praxis die wichtigste Frage, in welchem Verfahren und mit welchen Sicherheiten über die Asylgewährung entschieden wird. Hier gibt es erhebliche Unterschiede.
Zunächst einmal ist zu betonen, daß die europäischen Staaten den Grundsatz des „non-refoulement“ grundsätzlich anerkennen. Das besagt, daß sie Asylbewerber an der Grenze zumindest nicht in ein Land zurückschicken, in dem ihnen unmittelbare Gefahr droht. Da eine Gefahr in europäischen Ländern ausgeschlossen werden kann, bedeutet das aber nicht, daß nicht die Zurückschiebung in ein europäisches Land möglich ist. In der Tat scheint dies in der letzten Zeit zu einem zunehmenden Problem zu werden. Europäische Staaten schicken Asylbewerber, deren Reisedokumente zeigen, daß sie aus einem anderen europäischen Staat kommen, sofort in diesen zurück. Das bedeutet, daß etwa die Ankunft auf einem großen europäischen Flughafen wie Frankfurt, auf dem dann eine Maschine in ein anderes europäisches Land bestiegen wird, zur Konsequenz haben kann, daß der Asylbewerber mit dem nächsten Flugzeug nach Frankfurt zurückgeschickt wird. Damit wird der Druck auf diejenigen Staaten verstärkt, die auf Grund ihrer geographischen Lage und ihrer Flugverbindungen häufig das erste europäische Territorium sind, das Asylbewerber erreichen.
Das Verfahren zur Feststellung, ob Asylberechtigung vorliegt, ist in den meisten Staaten als ein besonderes Verwaltungsverfahren ausgestaltet. Nicht selten gibt es die Möglichkeit, daß bereits die Grenzbehörden einen Asylantrag als offensichtlich unbegründet zurückweisen und hiergegen Rechtsmittel nicht vorhanden sind oder jedenfalls keine aufschiebende Wirkung haben. Hier kommt naturgemäß alles darauf an, daß das Verfahren in einer Weise gehandhabt wird, dessen Ergebnis nicht zur Verneinung jedes Rechts auf Asyl führt.
Die Entscheidungen in Verwaltungsverfahren über das Recht auf Asyl können in den meisten Staaten gerichtlich überprüft werden. Das gilt allerdings nicht für Schweden und die Schweiz, wo keine gerichtliche Zuständigkeit gegeben ist Auch in Großbritannien gibt es keine Möglichkeit der Gerichte, die Flüchtlingseigenschaft zu überprüfen. Nur selten gibt es mehrere gerichtliche Instanzen. Die Ergebnisse des Verfahrens sind sehr unterschiedlich. Während in Dänemark im Jahre 1985 72 % der Bewerber anerkannt wurden, waren es in der Bundesrepublik Deutschland 29% und in
Frankreich 31%. Im Jahre 1986 waren es in der Bundesrepublik Deutschland noch 16%, in Frankreich 39 %. In Dänemark war die Quote auf 47 % zurückgegangen Freilich muß man sich darüber klar sein, daß auch diese Zahlen nicht immer ein zuverlässiges Bild bieten, weil nicht immer festgestellt werden kann, inwieweit etwa an der Grenze zurückgewiesene Personen eingerechnet sind.
IV. Status während des Asylverfahrens
Der Status während des Asylverfahrens ist sehr unterschiedlich. In vielen Staaten werden Asylbewerber in Sammelunterkünften untergebracht. Das wirft dann Probleme auf, wenn Asylverfahren sehr lange dauern. Vor allem in der Bundesrepublik Deutschland, in der Verfahren einschließlich der gerichtlichen Kontrolle oft viele Jahre dauern, haben sich erhebliche Unzuträglichkeiten ergeben
Immer deutlicher zeigt sich auch, daß ein besonderes Problem im Zugang von Asylbewerbern zum Arbeitsmarkt während der Dauer des Verfahrens besteht. In Dänemark, Italien, Spanien und in der Bundesrepublik Deutschland ist die Arbeitsaufnahme während des gesamten Asylverfahrens nicht erlaubt In Italien wird angeblich „Schwarzarbeit“ in erheblichem Umfang toleriert. Es spricht sicher viel dafür, daß dies auch in anderen Ländern zum Teil geschieht. Je länger das Asylverfahren dauert, desto problematischer ist das Verbot der Arbeitsaufnahme. Es führt mit fast notwendiger Konsequenz dazu, daß Asylbewerber die verschiedensten Aktivitäten illegaler Art aufnehmen. Das gilt offenbar in erheblichem Umfang für die Prostitution, aber auch für den Drogenhandel.
Hier liegt ein dringend der Überprüfung bedürftiges Problem in der Behandlung der Asylbewerber.
Es kann nicht erwartet werden, daß jemand, dessen Antrag schließlich erfolgreich ist, sich im Aufenthaltsstaat in den Arbeitsmarkt vernünftig eingliedem kann, wenn er mehrere Jahre gezwungen war, untätig zu sein.
Auch wenn man verstehen kann, daß Staaten sich scheuen, den Zugang zum Arbeitsmarkt voll zu eröffnen, so fragt sich, ob hier nicht Zwischenlösungen gefunden werden müßten. Das Arbeitsverbot von fünfJahren, das zur Zeit in der Bundesrepublik Deutschland besteht, erscheint kaum vertretbar. Es sollte auch diskutiert werden, inwiefern Asylbewerber nicht bestimmte Arten von Gemeinschaftsarbeiten durchaus durchführen könnten. Bei dieser Frage sollte nicht unberücksichtigt bleiben, daß der dem traditionellen Begriff des politischen Flüchtlings im 19. Jahrhundert entsprechende „Intellektuelle“ sich seine geistige Arbeit immer selbst suchen konnte und gesucht hat. Bekanntlich sind viele wichtige literarische Zeugnisse im Exil entstanden. Der aus einfachen Verhältnissen stammende rassisch oder politisch Verfolgte kann dies nicht. Er ist automatisch diskriminiert, wenn er keinerlei Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten kann.
V. Möglichkeiten der Entwicklung
Die Flüchtlingsfrage und die Art und Weise, wie sich die europäischen Staaten zu ihr stellen, dürfte eines der grundlegenden Probleme der internationalen Zusammenarbeit zu Ausgang des 20. Jahrhunderts werden. Dabei ist sicher, daß die Lösung der Flüchtlingsprobleme in der Welt nicht durch Aufnahme der Menschen in Europa erreicht werden kann. Die schon heute unternommenen Anstrengungen, mit europäischem Geld Voraussetzungen für eine Unterbringung von Flüchtlingen in der Herkunftsregion zu schaffen, müssen weiterverfolgt werden. Es erscheint aber dringend notwendig, daß die europäischen Staaten in einem koordinierten Prozeß ihre gemeinsame Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen in Europa wahrnehmen. Es darf nicht dazu kommen, daß die Staaten mit zum Teil restriktiven Maßnahmen lediglich die Probleme dem europäischen Nachbarn zuweisen.
Jochen Abr. Frowein, Dr. jur., Dr. jur. h. c., M. C. L., geb. 1934; ordentlicher Professor an der Hochschule der Universität Bochum 1967— 1969; ordentlicher Professor an der Universität Bielefeld 1969— 1981; seit 1981 Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völker-recht und Professor an der Universität Heidelberg; Vizepräsident der Europäischen Kommission für Menschenrechte. Veröffentlichungen auf dem Gebiet des Völkerrechts, des deutschen und vergleichenden Verfassungsrechts.
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