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Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern | APuZ 33-34/1987 | bpb.de

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APuZ 33-34/1987 „In den Händen des Volkes“ Erfahrungen mit Entwicklungshilfe im Niger Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern Technologietransfer deutscher Unternehmen in Entwicklungsländer

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern

Peter Nunnenkamp

/ 36 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Über den Stand der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern herrscht Unzufriedenheit, insbesondere in der Dritten Welt. Den traditionellen Konfliktfeldern der Nord-Süd-Verhandlungen. wie etwa die Vermarktung der Rohstoffe und die Rolle ausländischer Direktinvestitionen, haben sich neue Probleme hinzugesellt, unter denen die zunehmende Verschuldungskrise besondere Brisanz aufweist. Andererseits gibt es zum Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Norden und Süden auf absehbare Zeit keine Alternative. Umstritten ist der Weg dorthin. Die Entwicklungsländer, die trotz ihrer wirtschaftlichen Heterogenität gegenüber den Industriestaaten als Block aufzutreten versuchen, verlangen eine Neue Weltwirtschaftsordnung, die das Hauptgewicht auf die Umverteilung des erreichten Wohlstands von Norden nach Süden legt. Die Industrieländer üben sich in hinhaltendem Widerstand, ohne glaubhafte und klare Alternativen aufzuzeigen. Anhand der wichtigsten Konfliktfelder wird in diesem Beitrag die ökonomische Effizienz alternativer Ansätze zur Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern bewertet. Danach sind bessere Ergebnisse zum Nutzen aller zu erwarten, wenn auf weltwirtschaftliches Wachstum statt auf Verteilung des Erreichten gesetzt wird, wenn offene statt versteckte Transfers gewährt werden, wenn eine umfassende Handelsliberalisierung an die Stelle des dauerhaften Schutzes nicht wettbewerbsfähiger Industrien tritt, wenn offene Klubs für Freizügigkeit im internationalen Kapitalverkehr sorgen und wenn für Schuldner und Gläubiger Anreize gesetzt werden, die wirtschaftspolitisches Wohl-statt Fehlverhalten belohnen. Nicht die gegenwärtige Wirtschaftsordnung hat versagt; wirtschaftliche Nachteile der Entwicklungsländer resultieren vielmehr zu einem guten Teil daraus, daß die Industriestaaten die Prinzipien dieser Ordnung zunehmend ausgehöhlt haben. Statt einer Neuordnung der wirtschaftlichen Nord-Süd-Beziehungen mittels dirigistischer Markteingriffe gilt es deshalb, sich auf die Prinzipien der Vertragsfreiheit, der Rechtssicherheit, der Multilateralität und der unbedingten Meistbegünstigung rückzubesinnen.

I. Einleitung

Tabelle: Pro-Kopf-Einkommen und gesamtwirtschaftliches Wachstum in Entwicklungs-und Industrieländern

Quelle: Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1986

Noch vor wenigen Jahren stand die von den Entwicklungsländern geforderte sogenannte Neue Weltwirtschaftsordnung im Zentrum des Nord-Süd-Dialogs. Obwohl es während der langen Verhandlungen nur zu sehr begrenzten Vereinbarungen gekommen ist, ist es in jüngster Zeit um das Konzept einer durchgreifenden Änderung der weltwirtschaftlichen Spielregeln zugunsten der Dritten Welt still geworden. Die wirtschaftspolitische Grundsatzdebatte ist zunehmend überlagert worden von aktuellen Problemen in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern. Vornehmlich die weit verbreitete internationale Verschuldungskrise und die daraus resultierenden schwerwiegenden Anpassungsschwierigkeiten in vielen Entwicklungsländern versperren zur Zeit den Blick darauf, daß die grundlegenden Regeln des wirtschaftlichen Austausches zwischen Norden und Süden weiterhin heftig umstritten sind.

Die Auseinandersetzung kann also nicht als gelöst, sondern nur als verschoben angesehen werden. Die gegenwärtige Pause im politischen Dialog sollte genutzt werden, um aus ökonomischer Sicht schon Erreichtes kritisch zu bilanzieren und um über offene sowie neu hinzugekommene Probleme und alternative Ansätze zur Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern zu diskutieren.

II. Das Wohlstandsgefälle zwischen Norden und Süden und seine Gründe: Ist die Entwicklungspolitik gescheitert?

Nicht nur im Rahmen des politischen Nord-Süd-Dialogs, sondern auch auf wissenschaftlichen Konferenzen und in Berichten unabhängiger Kommissionen wird immer wieder gefordert, neue Ideen zu entwickeln und neue Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet erscheinen, die wirtschaftliche Entwicklung der Dritten Welt voranzutreiben Das Drängen nach Neuem legt den Schluß nahe, daß es die bisher angewandten entwicklungspolitischen Instrumente nicht vermocht haben, Entwicklungsrückstände gegenüber den reichen Industrieländern abzubauen.

Tatsächlich ist es nicht zu leugnen, daß sich der Abstand zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen der Entwicklungsländer und jenem der Industrieländer in den letzten 20 Jahren nicht verringert, sondern weiter vergrößert hat Dies gilt mit Ausnahme der reichen Ölexportländer für alle anderen Entwicklungsländergruppen (s. Tabelle). Auch der relative Einkommensrückstand schwächte sich für die meisten Gruppen nur geringfügig ab, obwohl das gesamtwirtschaftliche Wachstum in den Entwicklungsländern mit mittlerem und höherem Einkommen die Zuwachsrate der Industrieländer übertraf. Die Staaten mit niedrigem Einkommen (ohne China und Indien) fielen sogar weiter zurück; gerade in den ärmsten Ländern wurden nur geringeEinkommenszuwächse erzielt; im südlichen Afrika war das Pro-Kopf-Einkommen im Jahre 1984 sogar etwas niedriger als 20 Jahre zuvor.

Die alles in allem enttäuschende Entwicklung verdeckt jedoch, daß einer Reihe von Entwicklungsländern unterschiedlicher Einkommenskategorien und verschiedener Regionen bemerkenswerte Aufholprozesse gelungen sind. Neben den allseits bekannten ost-und südostasiatischen Erfolgsfällen — insbesondere Hongkong, Singapur, Südkorea und Taiwan — traf dies z. B. auch für Brasilien und für vergleichsweise arme Staaten wie Botsuana und Lesotho zu Ähnlich starke Unterschiede zeigen sich auch in anderen Bereichen. So gelang es einer Reihe von Entwicklungsländern hauptsächlich in Asien selbst in Zeiten weit verbreiteter internationaler Verschuldungsprobleme, den Schuldendienst ohne größere Schwierigkeiten aufzubringen, obwohl sie — pro Kopf der Bevölkerung gerechnet — teilweise höher im Ausland verschuldet waren als die wichtigsten Problemschuldner in Lateinamerika.

Die sogenannte Dritte Welt ist deshalb alles andere als ein homogenes Gebilde. Innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer tut sich vielmehr eine enorme Kluft auf, nicht nur im Hinblick auf den erreichten Entwicklungsstand, sondern auch hinsichtlich der Schwerpunkte, die die wirtschaftlichen Beziehungen zu den Industrieländern prägen. Für Staaten wie Argentinien, Kolumbien, die Elfenbeinküste oder Kenia, deren Exporte in den achtziger Jahren weiterhin zu mehr als vier Fünfteln aus unverarbeiteten /agrarischen und mineralischen Produkten bestanden, bleibt die Rohstofffrage von zentraler Bedeutung. Für industriell bereits stark diversifizierte Länder wie Hongkong oder Südko-Tabelle: rea (Exportanteil verarbeiteter Produkte über 90 v. H.), aber auch für Länder mit vergleichsweise geringem Einkommensniveau wie Bangladesh, Indien oder Pakistan, in denen Rohstoffe deutlich weniger als die Hälfte aller Ausfuhren stellten, steht dagegen im Vordergrund, ob die Industrieländer bereit sind, ihre Märkte für verarbeitete Produkte aus Entwicklungsländern offenzuhalten bzw. zu öffnen. Die internationale Handelspolitik ist insbesondere von Interesse für Volkswirtschaften, die eine weltmarktorientierte Strategie verfolgen; stärker binnenmarktorientierte Länder können eher auf eine weltweit geplante Verlagerung von Industrien aus den entwickelten Volkswirtschaften in die Dritte Welt setzen, die auf Standortvorteile wenig Rücksicht nimmt

Deutlich unterschiedliche Schwerpunkte zeigen sich auch im Bereich der finanziellen Beziehungen zwischen Entwicklungs-und Industrieländern. Viele Länder der unteren Einkommensklasse sind weiterhin nahezu ausschließlich auföffentliche Entwicklungshilfeleistungen angewiesen, die von 1980 bis 1983 teilweise bis zu 10 v. H.des inländischen Bruttosozialprodukts ausmachten Diese Gruppe sucht vor allem zu erreichen, daß die Industrieländer sich verpflichten, auf Dauer und in vermehrtem Maße finanzielle Unterstützung zu gewähren. Selbst innerhalb der Gruppe der fortgeschrittenen Entwicklungsländer, die kaum noch von öffentlicher Hilfe profitieren, existieren widerstreitende Interessen. Einige überschuldete Entwicklungsländer, vor allem in Lateinamerika, die umfangreiche Kredite bei den westlichen Geschäftsbanken aufgenommen haben, streben nach Schuldenerleichterungen oder einseitiger Schuldenstreichung. Länder, die ihren Schuldendienstverpflichtungen bisher vereinbarungsgemäß nachgekommen sind, ist dagegen kaum an nicht-kooperativen „Lösungen“ des Schuldenproblems gelegen, weil sie im Gegensatz zu vielen Problemschuldnern noch viel zu verlieren haben. Konfliktstrategien und kooperative Lösungsansätze stehen sich nicht nur im Bereich der Schulden aus Auslandskrediten, sondern auch im Bereich der ausländischen Direktinvestitionen gegenüber.

Die ausgeprägten Unterschiede in der wirtschaftlichen „performance“ und die unterschiedlichen Schwerpunkte in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Industrieländern und einzelnen Entwicklungsländergruppen lassen stark verallgemeinernde Erklärungsansätze für verbliebene oder sogar zunehmende Entwicklungsrückstände wenig plausibel erscheinen. Zu den allzu pauschalen Versuchen, das internationale Wohlstandsgefälle zu erklären, gehört die These der sogenannten kolonialen Hypothek. Sie besagt, daß die von den damaligen Kolonialmächten durchgesetzte Arbeitsteilung, die die Dritte Welt in die Rolle des Rohstoff-lieferanten gedrängt habe, auch nach der politischen Unabhängigkeit erhalten geblieben sei Weil die Spielregeln des Welthandels-und Welt-währungssystems bis heute von den Industrieländern bestimmt würden, sei es diesen gelungen, die Fertigung verarbeiteter Produkte — die wegen der für diese Güter typischen Produktions-und Nachfragebedingungen auf Dauer kräftigere Wachstumsimpulse verspricht als die Rohstoffgewinnung — weitgehend für sich selbst zu reservieren. Danach wäre das Streben nach einem Abbau der Einkommensdisparitäten zwischen Norden und Süden nicht nur gescheitert; dem Norden wird vielmehr unterstellt, er habe derartige Bemühungen sogar planmäßig sabotiert.

Die These von der kolonialen Hypothek verliert an Plausibilität, wenn man die weltwirtschaftliche Wirklichkeit berücksichtigt. So kann offensichtlich „ein Land einen sehr hohen Lebensstandard haben, ohne je Kolonialmacht gewesen zu sein (Schweiz); es kann wirtschaftlich schnell expandieren, obwohl es noch eine Kolonie ist (Hongkong). . . Aber ein Land kann auch arm sein, obwohl es reich an Kolonialerfahrungen ist (Portugal) (oder) nicht dauerhaft Kolonie war (Äthiopien).“ Mehr Aufmerksamkeit verdient das Argument, die vorherrschende Weltwirtschaftsordnung diskriminiere die Entwicklungsländer, weil hieraus die Förderungen der Dritten Welt nach geänderten weltwirtschaftlichen Spielregeln abgeleitet werden. Die bestehende Ordnung fußt — idealtypisch gesehen — auf den Prinzipien der Vertragsfreiheit, der Rechtssi- cherheit, der Multilateralität und der unbedingten Meistbegünstigung Die Koordinierung dezentral getroffener Entscheidungen erfolgt ex post über den Preismechanismus, so daß im Hinblick auf die Vertragsfreiheit kein weiterer Regelungsbedarf besteht. Zur Sicherung der anderen drei Prinzipien sind dagegen mit dem Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommen (GATT) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) institutioneile Vorkehrungen getroffen worden. Sie verlangen grundsätzlich allen beteiligten Ländern, unabhängig von ihrem Entwicklungsstand, gleiche Pflichten ab und gewähren ihnen gleiche Rechte.

Die bestehende weltwirtschaftliche Ordnung verspricht allen Teilnehmern Gewinn: „Warum sollte jemand freiwillig einen Vertrag abschließen, wenn er sich davon nicht ex ante einen Vorteil verspräche; und warum sollten sich systematische Handelsbeziehungen entwickeln, wenn die aufeinanderfolgenden Verträge nicht auch ex post, also tatsächlich, von beiderseitigem Vorteil waren?“ Allerdings garantiert das auf Regelgleichheit fußende System keine Ergebnisgleichheit; eine Seite kann mehr als die andere gewinnen. Diejenigen, die eine systematische Benachteiligung der Entwicklungsländer diagnostizieren, verwerfen deshalb die gegenwärtig gültigen Prinzipien und setzen auf einen Ex-ante-Interessenausgleich zwischen Entwicklungs-und Industrieländern durch staatliche und supranationale Eingriffe in den Marktmechanismus. Die reichen Länder des Nordens und die armen Länder des Südens stellen danach ungleiche Fälle dar, die nicht einheitlichen Prinzipien unterworfen werden dürfen, sondern ungleich behandelt werden müssen. Der Entwurf einer Neuen Welt-wirtschaftsordnung sieht folglich mehr Rechte und weniger Pflichten für die Dritte Welt und andererseits mehr Pflichten und weniger Rechte für die Industrieländer vor. Die Maxime „ungleiche Behandlung ungleicher Fälle“ wird nur auf das Verhältnis zwischen Industrie-und Entwicklungsländern angewandt, obwohl unter dem Begriff Entwicklungsländer solch unterschiedliche Fälle wie z. B. Äthiopien, Indien, Brasilien und Hongkong zusammengefaßt werden, die wenig mehr als diese Klassifizierung gemein haben

Die Tatsache, daß einige Entwicklungsländer in ihrem wirtschaftlichen Aufholprozeß trotz ungünstiger Weltmarktbedingungen weit fortgeschritten sind, deutet darauf hin, daß auch auf der Basis von Regelgleichheit eine stärkere Ergebnisgleichheit erzielt werden kann, und dies auf einem für alle Teilnehmer höheren Niveau. Letzteres erscheint aber nur möglich, wenn die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Ländergruppen weniger als Verteilungsproblem, sondern mehr als Produktions-und Wachstumsproblem angesehen werdeh. Wenn man die Vorstellung vom weltwirtschaftlichen Geschehen als einem NullsummenSpiel verwirft, kommt es auf zweierlei an:

— die Bereitschaft und Fähigkeit jedes einzelnen Entwicklungslandes, in erster Linie selbst die Verantwortung für das eigene wirtschaftliche Fortkommen zu übernehmen;

— die Bereitschaft der Industrieländer, Aufholprozesse in der Dritten Welt zu erleichtern, indem die Spielregeln des gegenwärtigen Systems internationaler Wirtschaftsbeziehungen eingehalten und nicht zum Nachteil von Entwicklungsländern verletzt werden.

Die Bedeutung dieser beiden Faktoren für den Abbau des Wohlstandsgefälles zwischen reichen und armen Ländern wird im folgenden konkretisiert. Für die wichtigsten Bereiche des wirtschaftlichen Austausches zwischen Industrie-und Entwicklungsländern wird die These diskutiert, daß die bisherige Entwicklungspolitik zwar nicht zum Scheitern verurteilt war, weil den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Teilnehmern falsche, da ökonomisch wenig effiziente Prinzipien zugrunde lagen, die wirtschaftlichen Früchte, die die Dritte Welt hieraus ziehen konnte, aber unzureichend blieben, weil die ursprünglich vereinbarten Prinzipien von den Industrieländern, aber auch von Entwicklungsländern in zunehmendem Maße nicht befolgt worden sind.

III. Ansätze zur Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern in den wichtigsten Problembereichen

1. Die Rohstofffrage: Sind die erzielten Vereinbarungen ökonomisch effizient?

Die Diskussion um eine Neue Weltwirtschaftsordnung hat kaum zu substantiellen Ergebnissen geführt. Veränderungen der weltwirtschaftlichen Spielregeln sind am ehesten im Bereich der Rohstoffpolitik erfolgt, obwohl auch hier erhebliche Abstriche an den ursprünglich erhobenen Forderungen der Dritten Welt vorgenommen worden sind Es ist verständlich, daß die Rohstoffpolitik lange Zeit den Kem der Auseinandersetzungen im Nord-Süd-Dialog gebildet hat. Rohstofforientierte Entwicklungsländer sind in einer Weltwirtschaft, deren Wachstum industriebestimmt ist, doppelt benachteiligt: Ihre Exporterlöse steigen in der Regel langsamer, da die Nachfrage nach Primärgütem weniger einkommenselastisch ist als die nach Halb-und Fertigwaren und viele Rohstoffe starken Substitutionsprozessen unterworfen sind; wegen einer kurzfristig preisunelastischen Nachfrage schwanken ihre Exporterlöse überdies oftmals recht heftig, wenn beispielsweise sinkende Absatz-mengen aufgrund konjunktureller Schwächen in den Abnehmerländern mit drastischen Preiseinbrüchen einhergehen.

Die Rohstoffproduzenten unter den Entwicklungsländern wollen derartige Nachteile durch eine Ordnung der internationalen Rohstoffmärkte abbauen, die Preisschwankungen mildert und die Preise so stabilisiert, daß sie für die Konsumenten gerecht und für die Produzenten lohnend sind Es ist ihnen gelungen, ihre Forderungen zu einem Anliegen der gesamten Dritten Welt zu machen, obwohl nicht nur Industrie-, sondern auch viele Entwicklungsländer stark auf Rohstoffimporte angewiesen sind. Sie erreichten schließlich auch einige Zugeständnisse der Industrieländer. So wurde eine Reihe von Rohstoffabkommen fortgeschrieben oder neu vereinbart (Kautschuk), und im Jahre 1980 wurde der sogenannte Gemeinsame Rohstoff-

Fonds gegründet Die einzelnen Abkommen sind unterschiedlich ausgestaltet. Im Kern geht es jedoch darum, die Rohstoffpreise zu stabilisieren, indem überschüssige Angebotsmengen beim Unterschreiten eines vorher festgelegten Mindestpreises zu diesem Garantiepreis aus dem Markt genommen und in Ausgleichsläger eingestellt werden. Wird der obere Interventionspreis überschritten, wird das Marktangebot aus den Lagerbeständen ergänzt.

Im internationalen Maßstab verfährt man damit ähnlich wie im Falle der Landwirtschaft in vielen Industrieländern, wo durch Marktordnungen und staatliche Stützungssysteme Preisschwankungen und Einkommensrückstand verhindert werden sollen. Diese Parallele weckt erhebliche Zweifel, ob behördliche Interventionen in den Marktmechanismus einen effizienten Weg weisen, Benachteiligungen der Rohstoffländer im weltwirtschaftlichen Beziehungsgeflecht abzubauen. Die Preisstabilisierung ist nur dann geeignet, die Verkaufserlöse zu verstetigen, wenn — wie vorwiegend bei industriellen Rohstoffen — die Nachfrage schwankt. Stabile Rohstoffpreise sind dagegen für die Anbieter nachteilig, wenn — wie typischerweise bei landwirtschaftlichen Rohstoffen — die Ursache der Schwankungen auf der Angebotsseite liegt. Bei Frostschäden beispielsweise ist den betroffenen Produzenten nicht mit fixierten Preisen geholfen, sondern mit höheren Preisen, wie sie ohne Marktinterventionen zustande kämen.

Erhebliche volkswirtschaftliche Kosten drohen, wenn „falsche“ Preise stabilisiert werden sollen. Das kaum lösbare Problem der Prognose des längerfristig marktgerechten Preistrends wird oftmals so „gelöst“, daß überhöhte Interventionspreise festgesetzt werden. Die Rohstoffpolitik beschränkt sich dann nicht auf das Stabilisierungsziel, sondern wird zum Instrument für versteckte Transfers von den Abnehmern zu den Rohstoffproduzenten. Dies mag für die Anbieter kurzfristig von Vorteil sein, längerfristig jedoch dürften selbst sie Schaden nehmen. Bei überhöhten Interventionspreisen wird zusätzliche Produktion angeregt. Die dort absorbierten Ressourcen sind verschwendet, weil über- höhte Preise gleichzeitig die Nachfrage dämpfen; es kommt leicht zu einer permanenten Notwendigkeit, Produktion aus dem Markt zu nehmen. Den Anbietern wird eine Profitabilität angezeigt, die volkswirtschaftlich gar nicht besteht. Ressourcen bleiben in der Rohstoffproduktion gebunden und stehen für die industrielle Diversifizierung nicht zur Verfügung. Der wachstumsträchtige und entwicklungsfördernde Strukturwandel wird zum Schaden der angeblich Begünstigten verlangsamt.

Die Befrachtung der Rohstoffpolitik mit dem Ziel einer gerechteren Verteilung des Wohlstandes zwischen Industrie-und Entwicklungsländern erschwert es, für alle Teilnehmer am weltwirtschaftlichen Geschehen ein höheres Wohlfahrtsniveau zu erreichen. Die versteckten Transfers lassen sich nur mit zunehmendem Zwang gegen den Markt durchsetzen, was deutlich höhere Kosten verursacht, als es offene Transfers ohne induzierte Allokationsverzerrungen täten Die versteckten Transfers kommen Bedürftigen wie Nicht-Bedürftigen zugute; besonders kraß ist das Mißverhältnis bei der Verteilung der Transfers im Falle der begünstigten Rohstoffproduzenten Australien, Kanada und Vereinigte Staaten. Ein Teil der Bedürftigen, insbesondere von Rohstoffimporten abhängige Entwicklungsländer mit geringem Einkommen, muß zudem die Transfers mit aufbringen, statt von ihnen zu profitieren. Der Versuch, Rohstoffpreise auf überhöhtem Niveau zu stabilisieren, ist folglich ökonomisch ineffizient und trägt der Heterogenität der wirtschaftlichen Interessen unterschiedlicher Entwicklungsländergruppen in keiner Weise Rechnung.

Die Industrieländer haben es bislang weitgehend versäumt, eine rohstoffpolitische Alternative zum Preisstabilisierungsansatz vorzulegen, die die Benachteiligung rohstofforientierter Entwicklungsländer im weltwirtschaftlichen Gefüge abbaut, ohne unerwünschte Verteilungseffekte und allokative Verzerrungen auszulösen. Wesentliche Elemente einer Ursachentherapie bestehen darin, daß die Industrieländer — ihre Nachfrage nach Rohstoffen verstetigen, — Marktzugangsbeschränkungen gegenüber Entwicklungsländern bei Rohstoffen und rohstoffintensiven Verarbeitungsprodukten aufheben und -industrielle Diversifizierungsprozesse in der Dritten Welt ermutigen.

An den Ursachen der Rohstoffproblematik ansetzende Maßnahmen können durch ein kompensatorisches Finanzierungssystem ergänzt werden, das verbleibende Schwankungen der Exporterlöse ausgleicht In Anspruch genommene Kompensationskredite sollten marktgerecht verzinst werden, d. h. kein Entwicklungshilfeelement enthalten. Nur so können strukturkonservierende Allokationseffekte und nicht bedürfnisgerechte Verteilungswirkungen versteckter Transfers vermieden werden.

Glaubwürdig kann ein derartiger Ansatz allerdings nur sein, wenn die Industrieländer ihre ordnungspolitischen Bedenken nicht nur gegenüber dirigistischen rohstoffpolitischen Konzepten der Dritten Welt vorbringen, sondern den marktwirtschaftlichen Maximen endlich auch im eigenen Hause Geltung verschaffen. Solange beispielsweise die EG an den europäischen Agrarmarktordnungen festhält, ist es wenig erfolgversprechend, die Entwicklungsländer von der Ineffizienz einer interventionistischen Rohstoffpolitik überzeugen zu wollen. 2. Der Nord-Süd-Handel: Präferenzregelungen für Entwicklungsländer oder Stärkung der allgemeinen GATT-Regeln?

Nicht nur im Bereich der Rohstoffe, sondern auch beim Handel mit verarbeiteten Produkten zwischen dem Süden und dem Norden sind die Industrieländer mit Zugeständnissen dort recht zurückhaltend, wo es ordnungspolitisch unbedenklich und entwicklungspolitisch sogar höchst erwünscht wäre. Auch hier gilt, daß die fehlende Realisierung einer freihändlerischen Alternative die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern unnötigerweise und zum Schaden äller verschlechtert. Dies mag zunächst nicht einleuchten, haben doch die wichtigsten Industriestaaten seit Beginn der siebziger Jahre den Marktzugang für verarbeitete Erzeugnisse aus der Dritten Welt erleichtert, indem sie einseitige Zollpräferenzen gewähren; sie haben damit der Forderung nach ungleicher Behandlung ungleicher Handelspartner zumindest teilweise Rechnung getragen. Für Entwicklungsländer gelten inzwischen auch andere Sonderregelungen im Rahmen des GATT, vor allem in bezug auf Exportsubventionen und Import-restriktionen

Die den Entwicklungsländern eingeräumten Vorteile sind jedoch „eng begrenzt, ja mitunter kleinlich, und alles andere als klar definiert Eine kritische Bewertung der allgemeinen Zollpräferenzen am Beispiel der Europäischen Gemeinschaft zeigt, daß sie die Industriegüterexporte aus Entwicklungsländern nicht so stimuliert haben, wie es von diesen erhofft wurde Das Präferenzschema ist sehr kompliziert und von diskretionärem Charakter, so daß alle Handelspartner mit hohen Informations-und Unsicherheitskosten belastet werden. Es ist gekennzeichnet durch vielfältige produkt-und länderspezifische Höchstgrenzen, restriktive Ursprungsregeln, die die internationale Arbeitsteilung behindern, und Ad-hoc-Entscheidungen über den Präferenzstatus eines Gutes. Überdies findet sich im Präferenzsystem die allgemeine Tendenz der EG-Handelspolitik wieder, nämlich selektiv einzelne Länder zu diskriminieren: Lieferstarke Entwicklungsländer werden behindert, „um innerhalb des zollfreien Importvolumens, in das sich alle Begünstigten teilen müssen, weniger lieferstarken Entwicklungsländern ein , Stück vom Kuchen* zu garantieren“

Derartige Verteilungsziele entwerten den ökonomischen Nutzen des Präferenzsystems erheblich. Handelsumlenkung statt Handelsschaffung steht im Vordergrund. Die besonders armen Länder konnten überdies von den Präferenzen kaum profitieren, weil ihre Exportengpässe weniger auf der Nachfrage-als vielmehr auf der Angebotsseite liegen. Gegenüber angebotsstarken Entwicklungsländern hingegen meint man, Schutzinteressen heimischer Anbieter geltend machen zu müssen. Bei diesen Ländern werden die Zollpräferenzen häufig an Gegenleistungen geknüpft. Allerdings wird von Schwellenländern nicht etwa verlangt, daß auch diese ihre Binnenmärkte öffnen, wie es klassischen GATT-Regeln entspräche und wie es ökonomisch sinnvoll wäre, weil sich gezeigt hat, daß es gerade Entwicklungsländer mit relativ offenen Märkten waren, die international wettbewerbsfähig geworden sind. Vielmehr werden die Präferenzen an die Bereitschaft der angebotsstarken Länder gekoppelt, ihre Exporte in die Industriestaaten „freiwillig“ einzuschränken. „Rechnet man beide Aspekte — Zugeständnisse und freiwillige’ Beschränkung — gegeneinander auf, so ist es nicht wahrscheinlich, daß die Entwicklungsländer die Gewinner sein werden.“ Dies gilt um so mehr, als Zollpräferenzen wegen des bereits niedrigen Zollniveaus zum „Nebenkriegsschauplatz“ im Kampf um den Markt-zugang geworden sind.

Im Bereich nicht-tarifärer Hemmnisse zeigen sich die Industrieländer weniger nachgiebig. Der gezielte Protektionismus hat hier trotz gegenteiliger Beteuerungen weiter zugenommen Neben „freiwilligen“ Exportselbstbeschränkungsabkommen mit besonders wettbewerbsfähigen Schwellen-ländern und der „Ordnung“ vor allem der Agrar-, Textil-und Stahlmärkte umfaßt der nicht-tarifäre Protektionismus der Industrieländer wert-oder mengenmäßige Importkontingente, Anti-Dumping-Klagen gegen angebotsstarke Länder wie Brasilien, Südkorea und Taiwan, dauerhafte Subventionen an notleidende heimische Industrien (vor allem im Schiffbau, im Energiebereich und in der Stahlindustrie) sowie zahlreiche versteckte Maßnahmen wie technische Normen, Verbraucherschutzbestimmungen und diskriminierende Zollabfertigungsverfahren. Der Protektionismus ist teilweise sozialpolitisch verbrämter Natur, indem auf ausbeuterische und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in den vielgeschmähten Niedriglohnländern verwiesen wird. Dies scheint jedoch hauptsächlich ein Vorwand zu sein, wettbewerbsfähige Länder mit hochelastischem Arbeitsangebot vom eigenen Markt fernzuhalten; denn am wirksamsten helfen könnte man den niedrig entlohnten Arbeitskräften und den noch viel stärker benachteiligten Arbeitssuchenden in der Dritten Welt, indem man ihnen erlaubte, einen möglichst großen Teil ihrer Produktion abzusetzen. Die Nachfrage nach Arbeit stiege dadurch. Der nicht-tarifäre Protektionismus ist oftmals gezielt gegen einzelne Länder gerichtet. Damit wird eines der Prinzipien der internationalen Handelsordnung, der Grundsatz der Nichtdiskriminierung, zunehmend ausgehöhlt. Insbesondere Entwicklungsländer sind hiervon betroffen, weil sie als die schwächeren Handelspartner im allgemeinen kaum in der Lage sind, sich mit wirksamen Gegenmaßnahmen gegen den selektiven Protektionismus der Industrieländer zu wehren.

Dies deutet darauf hin, daß den Entwicklungsländern mehr mit einer Rückbesinnung auf die klassischen GATT-Prinzipien geholfen wäre als mit Präferenzregelungen, deren ökonomische Wirksamkeit zweifelhaft ist. Hierzu gehört zunächst, daß Sektoren, die von der Handelsliberalisierung bisher weitgehend ausgenommen blieben, in der im September 1986 in Punta del Este (Uruguay) beschlossenen neuen Liberalisierungsrunde im Rahmen des GATT vorrangig behandelt werden. Im für viele Entwicklungsländer wichtigen Agrarbereich ist insbesondere von der EG eine zweigleisige Liberalisierungsstrategie zu verlangen. Zum einen müssen importbeschränkende Maßnahmen abgebaut werden, damit wettbewerbsfähige Entwicklungsländer auf dem Gemeinsamen Markt verstärkt Fuß fassen können. 'Zum anderen dürfen strukturelle Produktionsüberschüsse, hervorgerufen durch die EG-Politik garantierter Mindestpreise, nicht länger subventioniert in den Weltmarkt geschleust werden. Diese Praxis senkt das Weltmarktpreisniveau künstlich und verursacht Instabilitäten auf den Weltagrarmärkten, so daß landwirtschaftliche Investitionen in der Dritten Welt entmutigt werden.

Im industriellen Bereich geht es vorrangig darum, daß keine neuen nicht-tarifären Importbeschränkungen eingeführt und die bestehenden Hemmnisse gelockert werden. Als erster Schritt muß das in Punta del Este beschlossene Stillhalteabkommen besser definiert und strikt eingehalten werden. Besonders wichtig ist es, dem GATT-Prinzip der Nichtdiskriminierung wieder Geltung zu verschaffen. Für die Handelsliberalisierung muß überdies ein verbindlicher und konkreter Fahrplan festgelegt werden, so daß bei allen Handelspartnern Planungssicherheit geschaffen wird. Dies würde dem verbreiteten Exportpessimismus in der Dritten Welt entgegenwirken, neue Wachstumschancen bieten und Verschuldungskrisen entschärfen. Ohne Zweifel würde die Handelsliberalisierung im industriellen Bereich zunächst hauptsächlich den Schwellenländern mit dem entsprechenden Angebotspotential zugute kommen. Indirekt würden sich jedoch auch für die wirtschaftlich rückständigen Entwicklungsländer bessere Absatzchancen bieten, weil die fortgeschrittenen Länder sich zunehmend auf anspruchsvollere Industriegüter konzentrieren könnten und Standortvorteile bei relativ einfachen und arbeitsintensiven Produkten schneller auf ärmere Länder übergingen.

Ein effizienteres Spezialisierungsmuster innerhalb der heterogenen Gruppe der Entwicklungsländer würde die vergleichsweise armen Dritte-Welt-Staaten besonders dann begünstigen, wenn die Schwellenländer stärker den generellen GATT-Pflichten unterworfen würden. Der Protektionismus vieler Schwellenländer richtet sich nämlich nicht nur gegen Industriestaaten, sondern ebenfalls gegen andere Entwicklungsländer. Die Forderung nach Liberalisierung sollte sich darum auch an die fortgeschrittenen Entwicklungsländer richten, zumal sie hiervon selbst profitieren könnten. Die Inanspruchnahme der GATT-Sonderregelungen für Entwicklungsländer in bezug auf Importrestriktionen für sogenannte „infant Industries“ hat häufig der Wettbewerbsfähigkeit solcher Industrien geschadet, die auf überteuerte Vorleistungen von geschützten Branchen angewiesen waren. Dies gilt nicht nur für industrielle Vorlieferungen, sondern häufig auch für Dienstleistungen, die folgerichtig einen weiteren Schwerpunkt in der Uruguay-Runde des GATT bilden sollten 3. Ausländische Direktinvestitionen und Industrialisierung:

Geplanter versus unreglementierter Strukturwandel Das Verlangen insbesondere der Vereinigten Staaten, Auslandsinvestitionen im Rahmen des GATT gegen willkürliche Enteignungen u. ä. zu sichern, stößt in noch stärkerem Maße auf den Widerstand einiger Entwicklungsländer als die Einbeziehung des Dienstleistungsbereichs. Vielerorts wird dies als unzulässiger Eingriff in nationale Souveränitätsrechte betrachtet. Hier offenbart sich einer der vielen Widersprüche im Forderungskatalog der Dritten Welt nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung: Wie soll der Anteil der Entwicklungsländer an der Weltindustrieproduktion — wie es verlangt wird — auf 25 v. H. im Jahre 2000 gesteigert werden, wenn die ausländischen Direktinvestitionen, die hierzu erforderlich sind, offenen oder verschleierten Enteignungsrisiken ausgesetzt werden? Wie beim internationalen Handel von Gütern und Dienstleistungen läßt sich auch für internationale Kapitalbewegungen zeigen, daß kapitalexportierende wie kapitalimportierende Länder Wohlfahrtsgewinne erzielen können, die Verteilung der Gewinne aber nicht gleichmäßig sein muß An zwei typischen Konfliktfeldern zwischen ausländischen Investoren und den Gastländern in der Dritten Welt wird deutlich, daß es die Entwicklungsländer zumindest teilweise selbst in der Hand haben, in welchem Maße sie profitieren. Zum einen wird oft beklagt, daß multinationale Unternehmen, die in Entwicklungsländern tätig sind, weniger exportieren, als es die Regierungen der Gastländer wegen der vorherrschenden Devisenknappheit wünschen. Zum zweiten beschwert man sich darüber, daß die ausländischen Investoren sich großenteils im Gastland finanzieren, statt die nationalen Investitionsmittel zu ergänzen, indem sie Kapital importieren. In beiden Fällen ist es weniger Ausdruck der Willkür multinationaler Unternehmen, sondern Konsequenz wirtschaftspolitischer Fehlentwicklungen im Gastland, wenn die Zielvorstellungen der Entwicklungsländer nicht zufriedenstellend erfüllt werden. Häufig verhindert eine exportdiskriminierende Handels-und Wechselkurspolitik, daß die Unternehmen stärker auf Exporte setzen, und subventionierte Kreditkosten und Höchstzinsvorschriften auf den nationalen Kapitalmärkten in der Dritten Welt bewirken, daß die heimischen Zinssätze unter den Weltmarktzinsen liegen.

Viele Entwicklungsländer vertrauen nicht auf die Anreizfunktion stetiger und effizienzfördernder Wirtschaftspolitiken für ausländische Direktinvestitionen. Vor allem dort, wo hohe Unsicherheiten über den zu erwartenden Kurs herrschen, ergibt sich leicht ein circulus vitiosus: Um dringend benötigte ausländische Investoren anzulocken, werden diesen Privilegien eingeräumt, die bald für Spannungen im Inland sorgen. Wollen sich die als Ausbeuter angeklagten Unternehmen daraufhin wieder zurückziehen, wird ihnen auch dies verübelt, da Neu-und Ersatzinvestitionen unterbleiben und die Repatriierung von Gewinnen angestrebt wird. Die Regierungen der Gastländer greifen dann oft reglementierend in den Kapitaltransfer ein, was nicht selten eine schleichende Kapitalentwertung bewirkt. „Unternehmen, die Anlaß haben, einen solchen Prozeß zu antizipieren, werden von vornherein nur solche Investitionen vornehmen, die sich in einer überschaubar kurzen Periode auszahlen. Dann sind die Gewinne pro Jahr so hoch, daß der Vorwurf der Ausbeutung noch näher liegt.“

Es hilft den Entwicklungsländern wenig, angesichts der beklagten einseitigen Verteilung der Wohlfahrtsgewinne aus ausländischen Direktinvestitionen auf internationale Rechtsnormen und Verhaltenskodices für multinationale Unternehmen zu drängen, die von der materiellen Ungleichheit der Wirtschaftspartner ausgehen, und internationale Schiedsverfahren abzulehnen, die Arme und Reiche nicht systematisch unterschiedlichen Regeln unterwerfen. Ausländische Investitionen lassen sich nicht erzwingen. Darüber kann auch nicht das sogenannte Lima-Ziel der UNIDO hinwegtäuschen, mit dem der Norden aufgefordert wird, der Dritten Welt bis zum Jahre 2000 einen Anteil von 25 v. H. an der Weltindustrieproduktion einzuräumen.

Ohne Zweifel müssen die Chancen der Entwicklungsländer verbessert werden, in der industriellen Produktion eine größere Rolle zu spielen. Es macht aber wenig Sinn, das zukünftige internationale Spezialisierungsmuster — wie gefordert — im voraus zu planen und über die regionale Verteilung der Industriestruktur auf Regierungsebene im Nord-Süd-Dialog zu entscheiden. Auch hier dominiert wieder das Umverteilungsziel, mit der wahrscheinlichen Konsequenz, daß das Wachstumsziel für alle Beteiligten beeinträchtigt wird. Eine internationale Lenkung von Investitionen droht Produktivkräfte an Standorte zu binden, die in den entsprechenden Produktionen nicht wettbewerbsfähig sind. Ebensowenig ist es allerdings zu leugnen, daß das gegenwärtig zu beobachtende Ausmaß und die Geschwindigkeit der Verlagerung von Industrien aus dem Norden in den Süden unzureichend ist und gesamtwirtschaftliche Kosten in Industrie-und Entwicklungsländern verursacht. Von den Ländern der Dritten Welt kann nicht erwartet werden, daß diese auf einen weltweiten Strukturwandel vertrauen, der durch Marktvorgänge gesteuert wird, wenn die Industrieländer diesen ihrerseits durch behördliche Eingriffe behindern und verlangsamen. Der Norden muß zum eigenen Nutzen wie zu dem der Dritten Welt aufhören, Branchen mittels permanenter Subventionen und sonstiger Schutzmaßnahmen vom Strukturwandel auszunehmen. Wenn Entwicklungsländer zunehmend Standortvorteile beispielsweise in der Textilindustrie, im Schiffbau und in der Stahlindustrie erlangen, dürfen der Verlagerung dieser Industrien keine dauerhaften Hindernisse in den Weg gelegt werden. Es wird dann leichter sein, die Entwicklungsländer davon zu überzeugen, daß sie zu einem gewissen Grade den Schlüssel für das Tempo ihrer Industrialisierung in den eigenen Händen halten.

Das weite Feld hausgemachter Entwicklungshemmnisse in der Dritten Welt kann hier nicht näher behandelt werden Nur soviel sei gesagt: Eine dauerhaft angelegte wachstumsträchtige Wirtschaftspolitik würde auch bei ausländischen Investoren Vertrauen schaffen und Auslandskapital anlocken. Auf administrative Willkür könnte dann verzichtet werden. Statt dessen sollten für alle Länder offene Klubs entstehen, in denen eindeutige Normen über Auslandsinvestitionen gelten, die die Gefahr von Willkür weitestgehend ausschalten und die Frage der Entschädigung bei politisch motivierten Enteignungen klar regeln. Dieser Ansatz ist Second-best-Lösungen vorzuziehen, die, wie beispielsweise die von der Weltbank ins Spiel gebrachte „Multilateral Investment Guarantee Agency“ (MIGA), eine staatlich subventionierte Versicherung politischer Investitionsrisiken vorsehen 4. Entwicklungshilfe zwischen Anspruch und Wirklichkeit Die Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen in der Dritten Welt waren in der Vergangenheit sehr stark auf eine kleine Gruppe von Gastländern konzentriert. Dies dürfte sich kurzfristig selbst bei durchgreifenden Korrekturen hausgemachter Entwicklungshemmnisse nicht entscheidend ändern. Viele Entwicklungsländer bleiben auf andere Finanzierungsquellen angewiesen; insbesondere für die ärmsten unter ihnen kommt wegen unzureichender Kreditwürdigkeit auf den privaten Kapitalmärkten hauptsächlich die öffentliche Entwicklungshilfe in Frage. Es verwundert deshalb nicht, daß angesichts verbreiteter Finanzierungsund Schuldenprobleme auch in den ärmeren Entwicklungsländern (vor allem in Afrika) nach quantitativ verstärkter und qualitativ verbesserter staatlicher Hilfe aus dem Norden gerufen wird. Vorrangig wird von den Industrieländern gefordert — sich bindend auf die Erfüllung des 0, 7 v. H. -Ziels (Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe am Sozialprodukt der Geberstaaten) zu verpflichten, — die Hilfe an die ärmsten Entwicklungsländer zu verdoppeln und mindestens 0, 15 v. H.des Sozial-produkts für diese Staatengruppe aufzubringen, — den am wenigsten entwickelten Staaten der Dritten Welt alle Rückzahlungen auf öffentliche Entwicklungskredite zu erlassen, — verstärkt auf Programmkredite zu setzen und auch die Finanzierung von Projektkosten in Landeswährung zu übernehmen, — die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe durch eine bessere Koordinierung der verschiedenen Geber zu erhöhen.

Diesem Forderungskatalog steht in jüngster Zeit eine wachsende Skepsis gegenüber, ob die Entwicklungshilfe die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt hat bzw. überhaupt erfüllen kann. Die noch in den siebziger Jahren kaum bestrittene Auffassung, daß die Kluft im Entwicklungsstand zwischen den Industriestaaten und der Dritten Welt durch finanzielle und technische Unterstützung der wohlhabenden Länder entscheidend verringert werden könne, wird immer häufiger angezweifelt In vielen Ländern stellt nicht Kapitalmangel den zentralen Engpaß dar; vielmehr verhindern entwicklungshemmende Sozialstrukturen und ungeeignete wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, daß die Hilfe effizient absorbiert werden kann. Überdies kann Entwicklungshilfe dazu führen, daß Eigenanstrengungen sich nicht mehr lohnen oder als verzichtbar angesehen werden. Die anfängliche Unterstützung erzeugt dann immer neue Hilfsbedürftigkeit („Samariter-Dilemma“ der Geber).

Empirische Untersuchungen bestärken eher die Zweifel daran, daß die Entwicklungshilfe den gestellten Ansprüchen in der Vergangenheit gerecht geworden ist Die eigenen Sparanstrengungen der begünstigten Staaten wurden häufig entmutigt. Wachstumseffekte blieben vor allem dort aus, wo sie — wie in Schwarzafrika — am dringendsten erforderlich gewesen wären. Eine quantitative Steigerung der Hilfeleistungen allein ist vor diesem Hintergrund nicht erfolgversprechend. Ob qualitative Maßnahmen bessere Ergebnisse bewirken, ist gegenwärtig schlecht zu beurteilen. Die Geberländer versichern zwar, aus Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben; es sollen hauptsächlich die ärmsten Empfänger gefördert werden, die Hilfe soll verstärkt Grundbedürfnisse der Bevölkerung in der Dritten Welt befriedigen, und die industrielle Förderung soll in zunehmenden Maße durch eine Unterstützung von kleineren Handwerks-und Landwirtschaftsprojekten ergänzt werden Diese Vorhaben sind bisher allenfalls in Ansätzen verwirklicht worden -In bezug auf das Grundbedürfnisziel wird in einer Studie sogar ein „vernichtende(s) Urteil über die Effizienz der Entwicklungshilfe“ gefällt, weil die empirische Analyse keinen positiven Einfluß der Auslandshilfe erbrachte.

Den zweifelhaften Qualitätsverbesserungen stehen überdies eindeutige Qualitätsverschlechterungen gegenüber. So wurde in der jüngeren Vergangenheit die Gewährung von Unterstützung wieder stärker an den Bezug von Waren und Dienstleistungen aus dem jeweiligen Geberland gekoppelt Die Lieferbindung reduziert den realen Wert der Hilfe für die Empfänger beträchtlich, weil es diesen verwehrt wird, die jeweils günstigsten Bezugsquellen zu benutzen. Die Politisierung der Entwicklungshilfe äußert sich aber nicht nur in der wachsenden Betonung eigener Beschäftigungsinteressen durch die Geberländer. Hinzu kommt, daß die Vergabe zunehmend unter außenpolitischen Gesichtspunkten zu erfolgen scheint. Hauptsächlich in den Vereinigten Staaten wird immer nachhaltiger gefordert, die Entwicklungshilfepolitik in die Ost-West-Auseinandersetzung einzubeziehen.

All dies macht deutlich, daß auch bei der öffentlichen Entwicklungshilfe als grundsätzlich offenem (direktem) Transfer auf Empfänger-und auf Geberseite Vorkehrungen getroffen werden müssen, die für Effizienz und Wirksamkeit sorgen; dies gilt, obwohl offene gegenüber versteckten Transfers den prinzipiellen Vorteil haben, daß sie die Gefahr schwerwiegender Fehlallokationen von Faktoren und daraus resultierender Verzerrungen in der Produktionsstruktur der Empfängerstaaten vermindern, Übertragungsverluste leichter in Grenzen halten und zudem ungewollte Verteilungseffekte wie die Begünstigung bereits fortgeschrittener Länder vermeiden können. Die Industrieländer können die Wirksamkeit ihrer Hilfe erhöhen, indem sie über die angekündigten Qualitätsverbesserungen hinaus — vorrangig kurzfristige Katastrophenhilfe statt permanenter Unterstützung gewähren, um dem „Samariter-Dilemma“ möglichst aus dem Wege zu gehen, — allgemeine Mittel statt bestimmter Sachleistungen transferieren, da insbesondere dauerhafte Gütertransfers die Produktionsanreize für nationale Anbieter schwächen, — die Rolle privater Organisationen sowohl auf der Geber-als auch auf der Empfängerseite stärken, um bürokratische Übertragungsverluste zu begrenzen und um zu erleichtern, daß die bedürftigen Bevölkerungskreise tatsächlich erreicht werden, — dazu beitragen, daß hausgemachte Entwicklungshemmnisse in der Dritten Welt behoben werden, damit die Auslandshilfe nicht in ein Faß ohne Boden fällt.

Die zentrale Bedeutung der heimischen Wirtschaftspolitik in den Empfängerstaaten für die Wirksamkeit der externen Hilfe schreibtjedoch den Entwicklungsländern selbst die Hauptverantwortung dafür zu, ob es in Zukunft doch noch gelingen wird, dem bisher weitgehend verfehlten Anspruch der Hilfe gerecht zu werden, nämlich wichtige Anstöße zu einer eigenständigen Entwicklung zu geben. 5. Internationale Verschuldung: Ist es Zeit für einen Schuldenerlaß?

Eine ebenso wichtige Rolle kommt der in den Entwicklungsländern verfolgten Wirtschaftspolitik im Rahmen des internationalen Schuldenproblems vieler Dritte-Welt-Staaten zu, was bei der Analyse der Entstehung und Überwindung von Verschuldungskrisen lange verkannt worden ist. Letzteres konnte zunächst kaum überraschen, stand doch angesichts akuter Gefahren für das weltweite Finanzsystem das kurzfristige Krisenmanagement im Vordergrund. Durch schnelle Rettungsaktionen und vielfältige Umschuldungsabkommen ist jedoch lediglich Zeit erkauft worden. Eine dauerhafte Lösung der Probleme vieler Entwicklungsländer, ihre Auslandsverbindlichkeiten termingerecht zu bedienen, steht weiter aus, obwohl die Verschuldungsfrage die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern nunmehr seit Jahren entscheidend prägt und alle anderen Konfliktfelder in den Hintergrund gedrängt hat. Hochverschuldete Staaten des Südens betrachteneine Schuldenerleichterung als Voraussetzung für wirtschaftliche Fortschritte in anderen Bereichen und beklagen die angeblich untragbare Situation eines Nettokapitaltransfers aus der Dritten Welt in die Industrieländer Industrieländer sorgen sich weiterhin um die Stabilität des internationalen Finanzsystems und fürchten bei mangelndem Entgegenkommen ihrerseits, daß immer mehr Schuldner einseitig den Schuldendienst einstellen. Der Druck auf die Gläubiger, Konzessionen zu machen, wird durch die Behauptung verstärkt, daß „zwischen der Verbesserung unserer sozialökonomischen Situation einerseits und der Misere der Entwicklungsländer andererseits . . . ein unmittelbarer elementarer Zusammenhang besteht“ so ziehe der Norden erheblichen Nutzen aus dem Verfall vieler Rohstoffpreise, der dem Süden verschärfte Verschuldungsprobleme beschere

Auch in der aktuellen Diskussion über mögliche Wege aus dem Verschuldungsdilemma dominiert weiterhin das Kurieren an Symptomen; eine längerfristig wirksame Ursachentherapie wird trotz gegenteiliger Beteuerungen immer noch nicht in Angriff genommen. Statt wirtschaftlich effizienter Lösungen werden „politische Lösungen“ gefordert, die die volkswirtschaftlichen Kosten eines verstärkten staatlichen Engagements außer acht lassen und die — sofern sie von Repräsentanten der Industrieländer stammen — häufig recht eigennützig sind, der Dritten Welt dagegen eher schaden als nützen. So lag das Hauptmotiv des sogenannten Baker-Plans, nach dem sowohl die westlichen Geschäftsbanken als auch die internationalen Entwicklungshilfeorganisationen einer Reihe von Problem

Schuldnern neue Kredite einräumen sollen in der Sorge des amerikanischen Finanzministers um die finanzielle Stabilität der US-Banken angesichts deren hohen Verletzlichkeit gegenüber Zahlungsausfällen in Lateinamerika begründet Politische Initiativen aus dem amerikanischen Kongreß (z. B.der Bradley-Plan), die auf einen partiellen Schuldenerlaß zielen, beruhen vor allem auf der trügerischen Annahme, auf diese Weise ließen sich die Export-und Beschäftigungsaussichten der Vereinigten Staaten nachhaltig verbessern

Volkswirtschaftliche Kosten drohen zum einen, wenn die Regierungen der Industrieländer die Geschäftsbanken drängen, ihre wohlbegründete Zurückhaltung aufzugeben und den wichtigsten Problemschuldnem neue Kredite zu gewähren. Falls Banken wegen dieser offiziell veranlaßten Engagements später in Schwierigkeiten geraten, kann staatliche Hilfe kaum ausgeschlagen werden. Dies beschwört schwerwiegende „moral hazard“ -Probleme herauf; mit anderen Worten: Die leichtfertige Kreditvergabe der siebziger Jahre könnte sich wiederholen. Eine Strategie, wie sie der Baker-Plan vorsieht, kann sogar zusätzliche Verschuldungsprobleme auslösen, da viele hochverschuldete Länder in der Dritten Welt diskriminiert werden, die sich bisher erfolgreich bemüht haben, ihre Auslandsverbindlichkeiten termingerecht zu bedienen. Ihr Wille zur Selbsthilfe wird geschwächt, wenn Länder, die ihre Zahlungsschwierigkeiten nachweislich weitgehend selbst verursacht haben, eine bevorzugte Stellung in bezug auf Neukredite eingeräumt wird. Ähnlich problematische Kapitalfehlallokationen sind zum anderen zu erwarten, wenn internationale Organisationen wie die Weltbank ihre Kreditvergabe zum Beispiel an die lateinamerikanischen Problemschuldner ausweiten, die in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung überwiegend schon recht fortgeschritten sind. Insbesondere die ärmsten Länder, die traditionell sehr stark auf Kapitalimporte aus öffentlichen Quellen angewiesen sind, müssen dann befürchten, daß sich für sie die Schwierigkeiten verschärfen, in ausreichendem Maße Kapitalzufuhren zu erhalten.

Die volkswirtschaftlichen Kosten würden noch steigen, wenn — wie es immer stärker gefordert wird — über eine Neukreditgewährung gemäß dem Baker-Plan hinaus ein Erlaß von Zins-und Amortisationszahlungen für Altschulden der Hauptschuldnerländer ins Auge gefaßt würde. Ein Schuldenerlaß würde die Anreize für „moral hazard“ bei den Schuldnerländem verstärken, insbesondere wenn nicht berücksichtigt wird, ob Rückzahlungsprobleme selbst verschuldet oder durch unvorhersehbare externe Einflüsse verursacht worden sind. Forderungen nach einem „Vergleich“ nach dem Muster des Londoner Schuldenabkommens von 1953 und einem Marshall-Plan für Lateinamerika, die eine Parallele zur Überwindung des deutschen Nachkriegsschuldenproblemsziehen, übersehen, daß die wirtschaftspolitischen Grundvoraussetzungen für den Erfolg einer derartigen Strategie damals — im Gegensatz zur heutigen Situation der meisten Problemländer — gegeben waren. Die Bereitschaft und Fähigkeit zum wirtschaftlichen Wiederaufbau stand damals außer Frage, während heute viele lateinamerikanische Staaten wenig Bereitschaft zeigen, von ökonomischem Mißmanagement auf eine effizienzfördernde und wachstumsträchtige Wirtschaftspolitik umzuschalten. Vor allem solchen Ländern, die auf freiwillige Neukredite der Geschäftsbanken hoffen, wäre mit einer politisch vereinbarten Schuldenstreichung wenig gedient. Die Banken würden sich voraussichtlich auf Jahre hinaus von Ländern fernhalten, die diesen Weg beschreiten oder sich einer von Schuldnerseite einseitig deklarierten Verweigerungshaltung anschließen Von den westlichen Privatbanken kann nur erwartet werden, daß sie ihre Rolle bei der Überwindung von Verschuldungskrisen spielen und freiwillig Neukredite gewähren, wenn mittelfristig gute Chancen auf eine Besserung der wirtschaftlichen Lage in den heutigen Problemländern bestehen. Eine Ursachentherapie ist deshalb unverzichtbar. Es gibt kein globales Verschuldungsproblem der Dritten Welt. Es sind zuallererst die Länder mit schwerwiegenden Schuldendienstschwierigkeiten, die die Lehren aus den wirtschaftspolitischen Fehlentwicklungen der Vergangenheit ziehen müssen Sie müssen erkennen, warum die bisherigen Anpassungsversuche weitgehend gescheitert sind. Vor allem in Lateinamerika sind falsche, weil auf kurzfristige Zahlungsbilanzeffekte ausgerichtete Schwerpunkte gesetzt worden. Drastische Import-kürzungen haben Wachstumschancen zunichte gemacht, statt neue zu eröffnen. Die Beschränkung der inländischen Absorption hat hauptsächlich die Investitionen getroffen, so daß die erforderliche Umstrukturierung der nationalen Volkswirtschaften erheblich erschwert wurde.

Für die Industrieländer gilt es ebenso, schmerzhafte Anpassungsprozesse endlich in Gang zu setzen. Auch bei der Überwindung von Schuldendienstschwierigkeiten hilft es den Entwicklungsländern am meisten, wenn sie offene Märkte vorfinden. Der Norden sollte die Transferprobleme des Südens lindem, indem er verstärkte Exporte der Schuldner-länder zuläßt. Ferner kann durch eine Reduktion hoher staatlicher Budgetdefizite (insbesondere in den Vereinigten Staaten) Druck auf die internationalen Zinssätze ausgeübt und so für eine marktgerechte Senkung der Schuldendienstbelastungen von Entwicklungsländern gesorgt werden.

IV. Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern: Beachtenswerte Grundsätze und wenig verheißungsvolle Alternativen

Die Dritte Welt ist mit einiger Berechtigung mit den bisherigen Ergebnissen der Nord-Süd-Verhandlungen unzufrieden, wenn auch aus den falschen Gründen. Die Industrieländer haben es versäumt, den dirigistischen Vorstellungen einer Neuen Welt-wirtschaftsordnung die Alternative der Rückbesinnung auf freihändlerische Grundsätze zum Nutzen aller glaubhaft entgegenzusetzen. Die Entwick-lungsländer haben sich deshalb in zunehmendem Maße darauf verlegt, die wirtschaftlichen Beziehungen untereinander zu intensivieren. Ein verstärkter Süd-Süd-Handel könnte durchaus Vorreiterfunktion haben, wenn er der Welthandelsordnung neue Impulse in Richtung stabiler, transparenter und liberaler Regeln gäbe. Die Entwicklungsländer müßten sich als Gruppe auf eine bedingte Meistbegünstigung einigen, also nach dem Prinzip offener Klubs Hemmnisse untereinander mit der Maßgabe abbauen, daß auch Industrieländer davon profitieren dürfen, wenn diese ihrerseits Hemmnisse gegenüber der Dritten Welt beseitigen

Die gegenwärtig verfolgte Strategie der Entwicklungsländer verspricht jedoch wenig Hoffnung, daß es zu einer bedingten Meistbegünstigung und einer Liberalisierungswelle in der Dritten Welt kommt. Viele Entwicklungsländer wollen weiterhin wirtschaftliche „Abhängigkeiten“ vermeiden und streben eher ein gemeinsames Abkoppeln vom Norden an. Sie setzen auf den dauerhaften Ausschluß der Industrieländer von Liberalisierungsvereinbarungen, also auf Diskriminierung und Markttrennung. Das internationale Handelssystem wird weiter fragmentiert, weil derjenige, der Präferenzen erhalten will, gegen die Senkung von Meistbegünstigungszöllen im Rahmen multilateraler Liberalisierungsrunden votieren wird. Überdies rechtfertigen die bisherigen Liberalisierungsansätze zwischen Entwicklungsländern wenig Optimismus Der propagierten größeren Solidarität untereinander widerspricht es, daß Entwicklungsländer aller Erfahrung nach nicht weniger zurückhaltend sind als Industrieländer, wenn es um den Abbau des Importschutzes für heimische Branchen geht. Die Handelspolitik vieler Entwicklungsländer ist zudem noch weniger stabil und vorhersehbar als die von Industriestaaten, so daß der Süd-Süd-Handel besonders hohen Unsicherheiten ausgesetzt ist. Der weltwirtschaftliche Strukturwandel stockt auch auf der Ebene der Entwicklungsländer, obwohl aufgrund des ausgeprägten Entwicklungsgefälles innerhalb der Dritten Welt ein großes Potential wachstumsträchtiger Verlagerungen von Industrien besteht. Es ist wenig wahrscheinlich, daß der Süd-Süd-Handel auf absehbare Zeit zum tragenden Element der dringend benötigten Entwicklungsländer-exporte wird.

Zum Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu den Industrieländern scheint es in näherer Zukunft keine Alternative, sondern allenfalls Ergänzungen zu geben. Die obigen Überlegungen zu den wichtigsten Konfliktfeldern im Nord-Süd-Dialog zeigen einige Grundsätze auf, die von beiden Seiten beachtet werden müßten, um zu beiderseitig befriedigenden Ergebnissen zu kommen. Dies gilt zum Beispiel für die Verstetigung der Wirtschaftspolitik. Obwohl die Entwicklungsländer hier, wie erwähnt, eher einen Nachholbedarf aufweisen, dessen Abbau zum Beispiel im Bereich der ausländischen Direktinvestitionen viele Probleme beheben könnte, sollten von den Industrieländern (weitere) Vorleistungen erbracht werden. Dies würde ihre Glaubwürdigkeit im Nord-Süd-Dialog stärken, weil die weiterhin krasse Diskrepanz zwischen den verbal gepriesenen wirtschaftspolitischen Prinzipien und dem tatsächlichen Handeln verringert würde. Eine stetige Wirtschaftspolitik der Industriestaaten erhöht die Planungssicherheit der Dritten Welt in bezug auf ihre Export-und Industrialisierungsbemühungen und schafft Anreize für eine solide Politik im Bereich der Auslandsschulden.

Vorleistungen der Industrieländer sind auch bei der Liberalisierung des Außenhandels gefragt. Eine Verminderung des Schutzes für nicht wettbewerbsfähige Branchen kann kurzfristig erhebliche Anpassungslasten verursachen. Es kann von relativ armen Volkswirtschaften nicht erwartet werden, daß sie bereit sind, Anpassungslasten zu tragen, wenn die reichen Länder vergleichbare Lasten für sich als unzumutbar ablehnen. Eine durchgreifende Handelsliberalisierung ist ein wesentliches Element einer wirksamen Ursachentherapie in mehreren Problembereichen. Sie ist geeignet, die Rohstoffabhängigkeit von Entwicklungsländern zu vermindern, ausländische Direktinvestitionen anzuregen und die Überwindung von Verschuldungskrisen zu erleichtern.

Die ökonomische Kosten-Nutzen-Abwägung zeigt in allen wichtigen Konfliktfeldern, daß Ursachen-therapien dem bloßen Kurieren an Symptomen überlegen sind. Auch die Entwicklungsländer sollten deshalb verstärkt dazu übergehen, ihre Märkte zu öffnen, statt sie behördlich zu „ordnen“, was ihnen angesichts der vielversprechenden Erfahrungen einer Reihe weltmarktorientierter Dritte-Welt-Staaten nicht allzu schwerfallen sollte. Wie schnell und wie reibungslos der Prozeß des „Weiterreichens“ von Branchen von den reichsten bis zu den ärmsten Staaten abläuft und wie stark gerade die ärmsten Länder an ihm teilhaben, hängt auch von den Entwicklungsländern selbst ab Der Norden sollte dem Süden großzügige, offene Transfers als Preis für die Öffnung der Märkte und des Verzichts auf — durch hohe Übertragungsverluste gekennzeichnete — versteckte Transfers anbieten.

Die Liberalisierung des Welthandels muß schließlich durch die Freizügigkeit des internationalen Kapitalverkehrs ergänzt werden. So wie im Handel die Meistbegünstigung dem Bilateralismus vorzuziehen ist, so ist im Finanzbereich Multilateralität statt Diskriminierung gefragt. Dies bedeutet zum Beispiel im Bereich der Auslandsverschuldung, daß Entwicklungsländer mit selbstverursachten Zahlungsproblemen nicht auf Kosten von Schuldnern belohnt werden dürfen, die sich trotz hoher Aus-landsverbindlichkeiten erfolgreich bemüht haben, Schuldendienstschwierigkeiten zu vermeiden. Für ausländische Direktinvestitionen bedeutet es, daß offene Klubs mit gemeinsamen Regeln für den Kapitalverkehr untereinander zweiseitigen Kapitalschutzabkommen, die Dritte benachteiligen und Transparenz verringern, vorzuziehen sind.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Beispiele bieten Willy Brandt (Hrsg.). Das Überleben sichern, Köln 1980; ders. (Hrsg.). Hilfe in der Weltkrise. Ein Sofortprogramm. Der 2. Bericht der Nord-Süd-Kommission. Reinbek 1983; Justus-Liebig-Universität Gießen, Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung. International Symposium „Scientific Positions Challenging Rural and Urban Poverty in Developing Countries“. Schloß Rauischholzhausen, 22. -26. Juni 1987 (Konferenzband in Vorbereitung).

  2. Internationale Vergleiche des Pro-Kopf-Einkommens sind nur begrenzt geeignet, den Entwicklungsstand und die relative Wohlstandssituation eines Landes anzuzeigen; allerdings gibt es keinen anderen einzelnen Indikator, der ein umfassendes Bild vom Entwicklungsstand eines Landes zeichnet und gleichzeitig weniger umstritten ist. Eine ausführliche Diskussion der wichtigsten Einschränkungen findet sich z. B. in Rolf J. Langhammer/Bemd Stecher, Der Nord-Süd-Konflikt, Würzburg 1980. S. 16ff.. und Wolfgang Ochel. Die Entwicklungsländer in der Weltwirtschaft, Köln 1982, S. 17 ff. Faßt man die wesentlichen Einwände zusammen, so ergibt sich, daß das Nord-Süd-Gefälle um so stärker überzeichnet wird, je weniger entwickelt das betreffende Entwicklungsland ist.

  3. Das Pro-Kopf-Einkommen Lesothos verdreifachte sich im Zeitraum 1965— 1984; im Falle Botsuanas war das Einkommensniveau 1984 mehr als 4, 5mal so hoch wie 20 Jahre zuvor. Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1986. Statistischer Anhang, Tabelle 1.

  4. Die unterschiedliche Bedeutung des Weltmarktes für verschiedene Entwicklungsländer zeigt sich bei einem Vergleich des Anteils der Exporte von Gütern und Dienstleistungen am Bruttosozialprodukt. Dieser betrug im Jahre 1984 beispielsweise für Botsuana 61 v. H.. Malaysia 56 v. H.. die Elfenbeinküste 46 v. H.; für Indien, Argentinien, Brasilien und Kolumbien lag er dagegen lediglich zwischen 6 und 14 v. H. Weltbank, Weltentwicklungsbericht, Statistischer Anhang, Tabelle 5.

  5. Die in den Jahren 1980— 1983 gewährten öffentlichen Entwicklungshilfekredite und nicht rückzahlbaren Zuschüsse beliefen sich beispielsweise für Länder wie Bangladesh. Haiti, Nepal und den Sudan auf 8— 10 v. H.des jeweiligen Bruttosozialprodukts in diesem Zeitraum. OECD. Geographica! Distribution of Financial Flows to Developing Countries, Paris 1984.

  6. Eine ausführliche Diskussion der These findet sich bei R. J. Langhammer/B. Stecher (Anm. 2), S. 27 ff.

  7. Juergen B. Dönges, Außenwirtschafts-und Entwicklungspolitik. Die Entwicklungsländer in der Weltwirtschaft. Berlin 1981. S. 10.

  8. Vgl. J. B. Dönges (Anm. 7). S. 189f.; Hans-Rimbert Hemmer. Necessary Improvements of the Existing World Economic Order. Needs. Possibilities, and Limits, University of Gießen, Discussion Papers in Development Economics, Nr. 4. Gießen 1986.

  9. Herbert Giersch, Kritisches und Positives zu den Forderungen nach einer Neuordnung der Weltwirtschaft, Kieler Diskussionsbeiträge, Nr. 53, Kiel 1978, S. 3.

  10. Hierin ist der Grundwiderspruch der Forderung nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung zu sehen. Daneben enthält der Forderungskatalog eine Reihe weiterer Inkonsistenzen. So paßt es beispielsweise kaum zusammen, höhere Rohstoffpreise und eine beschleunigte Industrialisierung zu wollen oder eine erhöhte Kapitalzufuhr aus dem Ausland zu fordern und Auslandsschulden nicht oder nicht mit Sicherheit zurückzahlen zu wollen; vgl. J. B. Dönges (Anm. 7), S. 191.

  11. Zu den Forderungen nach einem sogenannten Integrierten Rohstoffprogramm und dessen ökonomischer Bewertung vgl. Stefan Baron/Hans H. Glismann/Bernd Stecher, Internationale Rohstoffpolitik. Ziele, Mittel, Kosten, Tübingen 1977; Juergen B. Dönges, Zur Neuordnung des Rohstoff-handels zwischen Entwicklungs-und Industrieländern, Kieler Arbeitspapiere, Nr. 45, Kiel 1976.

  12. Vgl. hierzu Hans H. Glismann/Paulgeorg Juhl/Bernd Stecher, Ökonomische Implikationen der „Neuen Weltwirtschaftsordnung“, Kieler Diskussionsbeiträge. Nr. 46, Kiel 1976, S. llf.

  13. Zum Gemeinsamen Fonds vgl. Bernd Stecher, Der „Gemeinsame Rohstoff-Fonds“. Gestärkte Entwieklungsländer-Position oder Pyrrhussieg?, in: Europa-Archiv, 36 (1981) 2, S. 57— 64; Peter Nunnenkamp, Der Nord-Süd-Dialog: Zwischenperiode vielfältiger Detailverhandlungen vor UNCTAD V, in: Die Internationale Politik 1977— 1978, Jahrbücher des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, München 1982, S. 67— 79.

  14. Zur ökonomischen Bewertung offener und versteckter Transfers vgl. H. Giersch (Anm. 9).

  15. Zur Darstellung und Bewertung der bereits existierenden Systeme kompensatorischer Finanzierung vgl. J. B. Dönges (Anm. 11); Peter Nunnenkamp. Die rohstoffpolitischen Forderungen der Entwicklungsländer im Rahmen einer Neuen Weltwirtschaftsordnung: Ausweg oder Irrweg? Referat für die Studientagung „Dritte Welt im Unterricht der Sekundarstufe II“ des Oberstufen-Kollegs an der Universität Bielefeld, Mai 1986 (unveröffentlichtes Manuskript).

  16. Einzelheiten hierzu finden sich in: Bernd Stecher. Zum Stand der internationalen Handelspolitik nach der Tokio-Runde. Kieler Diskussionsbeiträge, Nr. 69. Kiel 1980; vgl. auch „Entwicklungsländer von vielen GATT-Pflichten befreit“, in: Nachrichten für Außenhandel vom 2. April 1986.

  17. Juergen B. Dönges, Neue Wege im Verhältnis zu den Entwicklungsländern, in: Herbert Giersch (Hrsg.). Wie es zu schaffen ist. Agenda für die deutsche Wirtschaftspolitik, Stuttgart 1983, S. 71.

  18. Vgl. Rolf J. Langhammer, Die Allgemeinen Zollpräferenzen der Europäischen Gemeinschaft für Entwicklungsländer: Fehlschlag oder Erfolg? Eine kritische Bewertung der ersten Dekade, Kieler Diskussionsbeiträge, Nr. 95, Kiel 1983.

  19. R. J. Langhammer/B. Stecher (Anm. 2), S. 94.

  20. R. J. Langhammer/B. Stecher (Anm. 2). S. 95.

  21. Obwohl verschiedene Schätzungen über die quantitative Bedeutung nicht-tarifärer Importbarrieren zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, scheint sicher, daß mindestens ein Fünftel der von Entwicklungsländern ausgeführten Industriegüter in den wichtigsten Exportmärkten des Nordens derartigen Beschränkungen unterliegen; vgl. die Übersicht in Siegfried Schultz. Neuer Protektionismus: Formen und Folgen im industriellen Bereich, in: Konjunkturpolitik. 31 (1985) 3, insbes. S. 196ff.; siehe auch Wirtschaftswoche vom 10. Mai 1985. S. 16. Wahrscheinlich dürfte die Bedeutung nicht-tarifärer Hemmnisse hiermit sogar erheblich unterschätzt werden, da in der Regel nur bestimmte Formen berücksichtigt werden. Überdies stützen sich die Schätzungen zumeist auf die tatsächlich erfolgten Ausfuhren, die um so geringer sind, je wirksamer die Importrestriktionen sind.

  22. Länder wie Brasilien und Indien, die sich lange dagegen gesträubt hatten, über den Dienstleistungsbereich im Rahmen des GATT zu beraten, haben ihren Widerstand im September 1986 in Uruguay schließlich mit der Maßgabe aufgegeben, daß in einem getrennten Sonderausschuß verhandelt wird.

  23. Vgl. J. B. Dönges (Anm. 7), S. 129ff.

  24. H. Giersch (Anm. 9), S. 6.

  25. Vgl. hierzu ausführlich R. J. Langhammer/B. Stecher (Anm. 2). S. 81 ff.

  26. Zu den Nachteilen öffentlicher, multilateraler Investitionsgarantien vgl. die umfassende Analyse der MIGA, in: Roland Vaubel. The International Organizations and the International Debt Problem: The Next Steps, in: The Report of the Technical Committee of the Global Economic Action Institute, New York 1985, insbes. S. 28ff.

  27. Vgl. beispielsweise W. Brandt, Hilfe in der Weltkrise (Anm. 1). S. 153.

  28. Vgl. Peter Nunnenkamp, Entwicklungshilfe auf dem Prüfstand, in: Die internationale Politik 1983— 1984, Jahrbücher des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, München 1986. S. 1— 14, und die dort angegebene Literatur.

  29. Zu den ökonomischen Wirkungen der Entwicklungshilfe vgl. Jamuna P. Agarwal/Martin Dippl/Hans H. Glismann. Wirkungen der Entwicklungshilfe. Bestandsaufnahme und Überprüfung für die zweite Entwicklungsdekade, Forschungsberichte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Band 50, Köln 1984, und die dort angegebene umfangreiche Literatur.

  30. Für die Bundesrepublik vgl. Deutscher Bundestag, Sechster Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung, 10. Wahlperiode, Drucksache 10/3028. Bonn 1985, insbes. S. 35.

  31. Zu den Einzelheiten vgl. P. Nunnenkamp (Anm. 28). S. 2ff.

  32. J. P. Agarwal/M. Dippl/H. H. Glismann (Anm. 29), S. 115.

  33. Auch die Bundesregierung achtet verstärkt auf die Beschäftigungswirksamkeit ihrer Hilfe in der Bundesrepublik; kritische Bewertungen dieser Politik finden sich bei Dieter Schumacher, Lieferbindung taugt nicht zur Steigerung der Beschäftigung, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, 26 (1985) 2, S. 8— 10; Herbert Wilkens, Deutsche Entwicklungshilfe im internationalen Vergleich — Überdurchschnittliche Qualität gefährdet, in: DIW-Wochenbericht, 52 (1985), S. 255-262.

  34. Weil bei anhaltend hohem Zinsendienst der Nettokreditzufluß aus den Industrieländern praktisch zum Erliegen kam, mußten die lateinamerikanischen Staaten im Zeitraum 1983— 1986 einen Nettotransfer in Höhe von ca. 120 Milliarden US-Dollar an die Gläubiger leisten. Diese Umkehr der Kapitalströme ist allerdings erst dann als Anzeichen für ein Versagen der internationalen Kapitalmärkte zu werten, wenn sie dauerhaft ist. Kurzfristig können derartige Netto-transfers als notwendige Investitionen der Schuldnerländer in die Wiederherstellung der verlorenen internationalen Kreditwürdigkeit angesehen werden; vgl. Willem H. Buiter/T. N. Srinivasan, Rewarding the Profligate and Punishing the Prudent and Poor: Some Recent Proposals for Debt Relief, in: World Development, 15 (1987) 3, insbes. S. 414.

  35. Wilhelm Nölling, Plädoyer für eine politische Lösung: Den Entwicklungsländern darf der Geldhahn nicht zugedreht werden, in: Die Zeit vom 27. März 1987, S. 47.

  36. Diese Argumentation, die sich nicht zuletzt auf die Ölpreisentwicklung stützt, vernachlässigt, daß niedrigere Rohstoffpreise es auch allen von Rohstoffimporten abhängigen Entwicklungsländern erleichtern, ihre Auslandsschulden zu bedienen; überdies haben insbesondere die jetzt benachteiligten Ölexporteure früher von sehr hohen Exportpreisen profitiert und gehörten teilweise trotzdem kurze Zeit später zu den Problemfällen.

  37. Eine umfassende Analyse des Baker-Plans findet sich in Peter Nunnenkamp, Das internationale Schuldenproblem: Ein Fall für die Regierungen der Gläubigerländer?, Kieler Diskussionsbeiträge, Nr. 117, Kiel 1986.

  38. Vgl. W. H. Buiter/T. N. Srinivasan (Anm. 34), S. 416.

  39. Vgl. die kritische Einschätzung in: LDC Debt: Debt Relief or Market Solutions?, in: Morgan Guaranty Trust Company of New York, World Financial Markets, September 1986. insbes. S. 1 und S. 10.

  40. Vgl. z. B. World Financial Markets (Anm. 39). S. 7 und S. 10; H. Robert Heller. The Debt Crisis and the Future of International Bank Lending. Referat, gehalten auf der Annual Convention of the American Economic Association. New Orleans, 29. Dezember 1986 (unveröffl. Manuskript), S. 4.

  41. Die wichtigsten Ansatzpunkte für wirtschaftspolitische Reformen finden sich in Ulrich Hiemenz, Strategien zur Vermeidung neuer Verschuldungskrisen: Anpassungsmaßnahmen der Schuldnerländer. Referat, gehalten beim Malenter Symposium V „Die internationale Verschuldungskrise: Ursachen, Auswirkungen, Lösungsperspektiven". Malente, 11. — 13. November 1985 (im Druck).

  42. Vgl. Rolf J. Langhammer/Dean Spinanger. Wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern. Chancen und Risiken. Tübingen 1984. insbes. S. 101 ff.

  43. Vgl. R. J. Langhammer/B. Stecher (Anm. 2), S. 96 ff.

  44. Vgl. R. J. Langhammer/B. Stecher (Anm. 2). S. 132.

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Peter Nunnenkamp, Dr. rer. pol., geb. 1952; Studium derVolkswirtschaftslehre in Münster; Promotion am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Gießen; seit 1978 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsabteilung „Entwicklungsländer und Weltwirtschaft“ des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel; dort seit 1987 als Leiter der Forschungsgruppe „Grundlagen der Entwicklungspolitik“. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Jamuna P. Agarwal und Hans H. Glismann) Ölpreisschocks und wirtschaftliche Entwicklung. Anpassungsprobleme in der Dritten Welt, Tübingen 1983; (zus. mit Georg Junge) Die Kreditbeziehungen zwischen westlichen Geschäftsbanken und Entwicklungsländern. Unternehmerisches oder gesellschaftliches Risiko?, Köln 1985; Die Rolle öffentlicher Industrieunternehmen im Exportsektor Indiens, Hamburg 1985; The International Debt Crisis of the Third World: Causes and Consequences for the World Economy, Brighton 1986; (zus. mit Ugo Fasano-Filho und Bernhard Fischer) Manufactured Export Performance of Brazil. An Empirical Test of Alternative Hypotheses, Tübingen 1987 (im Erscheinen); zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften und Sammelbänden, insbesondere zu den Themen: Nord-Süd-Dialog, externe Schocks und wirtschaftspolitische Anpassungsstrategien, Rolle öffentlicher Unternehmen im Industrialisierungsprozeß, internationale Verschuldungskrise.