Aufbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern
Hans-Jürgen Ewers
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Zusammenfassung
Der Beitrag entfaltet zunächst den Infrastrukturbegriff als „sämtliche materiellen, personellen und institutionellen Produktionsvoraussetzungen für eine private Wirtschaftstätigkeit“. Gezeigt wird, daß insbesondere die Eigenschaften der Polyvalenz (für viele Aktivitäten tauglich), der Unteilbarkeit und der Immobilität den Infrastrukturcharakter von Einrichtungen konstituieren. Weiter wird gezeigt, daß trotz genereller Verantwortlichkeit des Staates für das Vorhandensein angemessener Infrastruktureinrichtungen („Daseinsvorsorge“) ein staatliches Angebot im Infrastrukturbereich nicht zwingend erforderlich ist. Im weiteren werden Probleme des Aufbaus der Infrastruktur in den neuen Bundesländern am Beispiel der Verkehrsinfrastruktur behandelt. Dazu wird zunächst der Bestand an Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern differenziert nach Straßen, Schienenwegen, Wasserstraßen, Seehäfen und Flughäfen beschrieben und der absehbare Bedarf umrissen. Es wird gezeigt, daß bei praktisch allen Verkehrsträgern, im besonderen bei Schiene und Straße, schon zum Zeitpunkt der Wende erhebliche qualitative und z. T. auch quantitative Engpässe bestanden. Durch den sprunghaften Anstieg der Verkehrsleistungen nach der Wiedervereinigung und das absehbare weitere Wachstum der Verkehrsnachfrage werden sich diese Engpässe selbst unter restriktiven, an Umweltzielen orientierten Rahmenbedingungen dramatisch verschärfen. Bei den im Anschluß beschriebenen Planungsvorhaben seit der Vereinigung (Verkehrsprojekte Deutsche Einheit, Bundesverkehrswegeplan ’ 92) wird auf Finanzierungsvorbehalte hingewiesen. Private Formen der Lösung von Finanzierungsproblemen werden diskutiert. Dabei zeigt sich, daß es mit isolierten Projektfinanzierungen oder einer einfachen Verlagerung der Kreditfinanzierung aus dem Bereich des Bundeshaushalts in private Trägerschaft nicht getan ist. Benötigt werden vielmehr ganzheitliche Lösungen, die einerseits die besonderen Vorteile Privater beim Bau und Betrieb von Infrastrukturanlagen nutzen, andererseits die Dekkung der Wegekosten und eine knappheitsorientierte Lenkung der Verkehrsnachfrage über ein durchgängiges System von Benutzergebühren sicherstellen.
I. Bedeutung einer funktionierenden Infrastruktur
Jede private Wirtschaftstätigkeit -gleich ob Produktion oder Konsum -ist mehr oder weniger vom Vorhandensein materieller, personeller oder institutioneller Voraussetzungen abhängig, die im allgemeinen als Infrastruktur bezeichnet werden. Gäbe es keine (staatliche) Organisation, die Sicherheit garantierte, so müßte man vermutlich den größten Teil der Zeit auf Vorkehrungen zum Schutze von Leben, Gesundheit und Eigentum verwenden. Ohne medizinische Versorgung, Energie-und Wasserversorgung, ohne Müllabfuhr und Abwasserentsorgung wird das Leben schwierig, wenn nicht unmöglich. Ohne ein leistungsfähiges Verkehrs-und Kommunikationswesen, Einrichtungen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Freizeit wären Produktivität und Lebensqualität wesentlich geringer. Gäbe es kein funktionierendes Rechtssystem, würden vor allem längerfristige Verträge nur unter größten Kosten und Risiken abgeschlossen; darauf basierende Aktivitäten wären unter Umständen unmöglich.
Weil die Produktivität privater Wirtschaftstätigkeit (und damit das Wirtschaftswachstum) ebenso wie die Lebensqualität ganz entscheidend von der Qualität und Quantität der Infrastruktur abhängen, steht der Auf-und Ausbau der Infrastruktur in den neuen Bundesländern mit Recht ganz oben auf der politischen Agenda. Dabei geht es nicht nur um die Beseitigung jener Ausstattungsmängel, die -wie Ausstattungsdefizite im Telekommunikationsbereich oder der Zustand der Straßen -auch dem wirtschaftlichen Laien unmittelbar ins Auge fallen. Mindestens ebenso wichtig ist der Aufbau jener institutioneilen Infrastruktur, ohne die auch idealistisch gesinnte private Investoren nicht tätig werden können, weil sie ein gewisses Maß an Rechtssicherheit benötigen, z. B. Genehmigungsbehörden und Verwaltungsgerichte. Daß diese institutioneile Infrastruktur in den neuen Bundesländern fehlte, hat nichts mit der Ineffizienz eines sozialistischen Systems zu tun, das gerade im Infra23
Strukturbereich von der Substanz lebte. Da es Märkte und private Wirtschaftstätigkeit in diesem System nur in sehr beschränktem Umfang gab, war auch die dafür erforderliche institutionelle Infrastruktur nur in geringem Maße vorhanden. Ihr Aufbau wird vermutlich viel Zeit in Anspruch nehmen, denn man kann zwar möglicherweise mit einem Federstrich Gesetze übertragen, nicht aber über die zur Ausfüllung dieser Gesetze erforderlichen erfahrenen Richter und Verwaltungsbeamten verfügen.
Diese Vorbemerkung ist notwendig in einem Beitrag, der im folgenden ausschließlich dem Auf-und Ausbau der materiellen Infrastruktur in den neuen Bundesländern gewidmet ist, und zwar am Beispiel der Verkehrsinfrastruktur. Hier besteht, wie zu zeigen sein wird, das Problem weniger im Mangel an erfahrenen Richtern und Verwaltungsbeamten, sondern vor allem im Finanzmangel, nachdem der Engpaß zu langer Genehmigungsverfahren durch das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz (Gesetz zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin vom 16. 12. 1991) für die neuen Bundesländer entschärft wurde.
II. Zum Infrastrukturbegriff und zur Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur
Abbildung 3
Tabelle 2: Anteile der Verkehrsträger an der Güterverkehrsleistung
Quellen: Verkehr in Zahlen 1992 (DIW); Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1992; eigene Berechnungen.
Tabelle 2: Anteile der Verkehrsträger an der Güterverkehrsleistung
Quellen: Verkehr in Zahlen 1992 (DIW); Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1992; eigene Berechnungen.
Der Infrastrukturbegriff ist schillernd. Zwar kann man, wie es landläufig geschieht, definieren: „Die Infrastrukturausstattung einer Volkswirtschaft umfaßt sämtliche materiellen, personellen und institutioneilen Produktionsvoraussetzungen für eine private Wirtschaftstätigkeit.“ Aber damit bleiben wesentliche Abgrenzungsfragen offen. Denn in einer arbeitsteiligen Wirtschaft trägt praktisch jeder Produzent mit seinen Gütern und Dienstleistungen zur Wirtschaftstätigkeit Dritter -Produzenten oder Konsumenten -bei. Auch die Bezug-nähme auf staatliche Dienstleistungen hilft kaum weiter. Zwar ist die öffentliche Hand -Bund, Länder, Gemeinden, Parafisci (Sozialversicherung etc.) und öffentliche Unternehmen -in vielen Bereichen für die Bereitstellung der Infrastruktur („Sozialkapital“) weitgehend alleine zuständig. Aber diese Alleinzuständigkeit ist weder verfassungsrechtlich geboten noch ökonomisch in den meisten Fällen notwendig.
Natürlich gehört z. B. die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für die Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse der modernen Industriegesellschaft heute zu den notwendigen, durch das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG verfassungsrechtlich fundierten Staatsaufgaben. Und den „Staat trifft von Verfassungs wegen eine Einstandspflicht für das Vorhandensein und den bedarfsgerechten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in allen relevanten Bereichen -insbesondere im Hinblick auf Straßen, Eisenbahnen, Wasserstraßen und Flughäfen. Aus dieser Einstandspflicht folgt indessen nicht, daß der Staat verfassungsrechtlich verpflichtet wäre, die erforderlichen Investitionen in jedem Fall selbst vorzunehmen bzw. Eigentum einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an den infragestehenden Anlagen zu begründen. Der Staat kann seiner sozialstaatlichen Einstandspflicht... grundsätzlich auch dadurch Rechnung tragen, daß er die Vornahme der von ihm als erforderlich angesehenen Investitionen durch private Rechtsträger zuläßt oder veranlaßt.“
Ob staatliches oder privates Tätigwerden im Infrastrukturbereich aus ökonomischen Gründen gefordert ist, hängt davon ab, ob der Markt zu einem nach Menge, Qualität und Preis angemessenen Infrastrukturangebot führen würde. Ein Versagen der Marktsteuerungskräfte („Marktversagen“) ist insbesondere dann zu befürchten, wenn das Ausschlußprinzip nicht faßt oder ein natürliches Monopol vorliegt.
Bei Versagen des Ausschlußprinzips können Nutznießer von Infrastrukturleistungen nicht zu vertretbaren Kosten von der Nutzung ausgeschlossen werden. Ein privater Anbieter wäre in einem solchen Fall mit dem Problem konfrontiert, daß er einen Nutznießer seines Angebots nicht zur Zahlung eines Preises zwingen könnte, dieser also keinen Beitrag zur Deckung der Kosten leisten würde. Der Kunde würde sich in der komfortablen Position eines „Trittbrettfahrers“ befinden, der genießt ohne zu zahlen. Unter diesen Gegebenheiten käme ein privates Angebot nicht zustande, als Lösung bleibt dann nur übrig, die Nutznießer einem kollektiven Finanzierungszwang zu unterwerfen (z. B. durch Steuern). Für die Benutzung der Verkehrsinfrastruktur wäre heute die Erhebung von Preisen möglich und damit eine Voraussetzung für ein privates Angebot erfüllt. Moderne elektronische Erhebungstechniken, wie z. B. Taxameter im Pkw in Verbindung mit Induktionsschleifen in der Straße, würden bei Befahren eines bestimmten Straßenabschnittes zu direkten Zahlungen des Nutzers führen, deren Höhe von der augenblicklichen Straßenbelastung abhängig wäre. Daß dieser Weg nicht beschritten wird, hat vor allem verteilungspolitische Gründe.
Von einem natürlichen Monopol spricht man dann, wenn ein einzelner Anbieter -etwa als Folge von technischen Unteilbarkeiten und entsprechend großen Mindestkapazitäten der Produktion -die gesamte Nachfrage am kostengünstigsten allein befriedigen kann: Wenn z. B. die gesamte Nachfrage der Schienenverkehrsunternehmen nach Streckenbenützungsrechten zwischen zwei Orten mit Hilfe einer eingleisigen Strecke befriedigt werden kann, wäre ein konkurrierendes Streckenangebot, selbst wenn es privat zustande käme, ökonomisch unsinnig, weil dann beide Strecken unterausgelastet würden, was eine Verschwendung von Produktiv-kräften bedeutete. Auch wenn in dem geschilderten Fall u. a. wegen der hohen Kosten eines Schienenweges ein zweiter Anbieter vermutlich nicht in den Markt eintreten würde, weil er ruinöse Konkurrenz befürchten müßte, könnte staatliches Handeln dennoch gefordert sein. Denn das etablierte Unternehmen ist ein Monopolist, der an der mißbräuchlichen Ausnutzung seiner Marktmacht zu hindern wäre. Untersucht man jedoch die Fälle, in denen technische Unteilbarkeiten vorliegen, genauer, so kann die Gefahr der mißbräuchlichen Ausnutzung dieser Monopolstellung durch technischen Fortschritt, die Trennung von Netz und Betrieb auf diesem Netz, durch Ausschreibung von Leistungen in gewissen Zeitabständen usw. verringert werden
Infrastrukturleistungen im allgemeinen und Verkehrsinfrastrukturleistungen im besonderen müssen also nicht notwendig vom Staat angeboten werden. Damit läßt sich auch das bisherige Überwiegen des staatlichen Angebots nicht als Abgrenzungskriterium für die Infrastrukturausstattung verwenden. Insofern bleibt nur ein Rückgriff auf -z. T. schon genannte -allgemeine Eigenschaften zur Charakterisierung der Infrastruktur, die allerdings eine trennscharfe Definition nicht ohne weiteres erlauben. Solche „konstitutiven“ Eigenschaften der Infrastruktur sind vor allem:
Polyvalenz: Nur solchen Einrichtungen bzw. Dienstleistungen kommt Infrastrukturcharakter zu, die notwendige Voraussetzung für sehr viele wirtschaftliche Aktivitäten sind. Dies trifft z. B. für weite Teile der öffentlichen Verwaltung, die Rechtsordnung, die innere und äußere Sicherheit, für viele Ver-und Entsorgungsleistungen, für das Gesundheitswesen, das Bildungswesen und die Wissenschaft zu.
Unteilbarkeit: Soweit Voraussetzungen privater Wirtschaftstätigkeit auch in einem Rahmen geschaffen werden können, der für einzelne Wirtschaftssubjekte oder kleine Gruppen von Wirtschaftssubjekten realisierbar ist, kommt ihnen infrastruktureller Charakter nicht zu. So kann ein Tennisplatz auch von Einzelpersonen oder einem „Club“ errichtet werden. Erst wenn die zur Realisierung solcher Einrichtungen erforderlichen Mindestgrößen die Möglichkeiten kleiner Gruppen übersteigen, kann von einer (öffentlichen) Infrastrukturaufgabe gesprochen werden.
Immobilität: Viele der notwendigen Vorleistungen privater Wirtschaftstätigkeit können relativ leicht auf dem Wege der Mobilität von Gütern und Personen beschafft werden. Sie sind praktisch überall verfügbar. Soweit dies der Fall ist, sind auch hohe Polyvalenz und große Unteilbarkeiten kein ausreichender Grund für die Annahme einer (öffentlichen) Infrastrukturaufgabe. Erst hohe Transportkosten bei der Bereitstellung notwendiger Vorleistungen für die private Wirtschaftstätigkeit konstituieren den infrastruktureilen Charakter der entsprechenden Vorleistung. Insofern sind die Verkehrswege in doppelter Weise infrastrukturell bedeutsam. Ihre Leistungen sind selbst immobil, weil z. B. die Straße nur dort genutzt werden kann, wo sie liegt: Sie gehört also selbst zur Infrastruktur. Gleichzeitig entscheidet ihre Qualität mit darüber, in welchem Umfang andere Güter und Dienste Infrastrukturcharakter tragen. Je leistungsfähiger die Verkehrsinfrastruktur ist, umso mobiler sind Leistungen anderer Wirtschaftsbereiche; damit verringern sich in ihnen die Eigenschaften der Infrastruktur.
III. Bestand an Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern und künftiger Bedarf
Abbildung 4
Tabelle 3: Bestand an Kraftfahrzeugen in den neuen Ländern und Berlin-Ost nach Fahrzeugarten (in 1000)
Quelle: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1992; eigene Berechnungen.
Tabelle 3: Bestand an Kraftfahrzeugen in den neuen Ländern und Berlin-Ost nach Fahrzeugarten (in 1000)
Quelle: Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1992; eigene Berechnungen.
Betrachtet man die Entwicklung der neuen Bundesländer seit der Vereinigung am 3. Oktober 1990, so sind die Veränderungen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Strukturen gravierend. Wirtschaftliche Abläufe und individuelles Mobilitätsverhalten nähern sich dabei immer stärker denen in den alten Bundesländern an. Dies bedeutet eine wesentliche Zunahme des Güterverkehrs ebenso wie des Individualverkehrs auf der Straße.
Die Zunahme des Güterverkehrs hat vor allem mit der Integration der Wirtschaft der neuen Bundesländer in das System der nationalen und internationalen Arbeitsteilung zu tun. Zu den Hinterlassenschaften der ehemaligen DDR gehörten zentralisierte Produktionsstrukturen mit hohen Produktionstiefen (Integration vor-und nachgelagerter Produktions-und Handelsstufen) in den Kombinaten, die zugunsten einer produktivitätssteigernden zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung z. T. bereits abgebaut wurden, z. T. noch abgebaut werden müssen.
Der zu erwartende Anstieg des Indiviudualverkehrs ist vor allem durch das Wachstum des Kraft-, fahrzeugbestandes und den Nachholbedarf an individueller Mobilität besonders im Freizeitbereich induziert. Wegen der zu erwartenden Angleichung der wirtschaftlichen Strukturen und des individuellen Mobilitätsverhaltens in den neuen Bundesländern an die Verhältnisse in den alten Bundesländern werden bei der folgenden Beschreibung der Bestände an Verkehrsinfrastruktur vor der Vereinigung stets Vergleichszahlen aus den alten Bundesländern genannt (vgl. Tabellen 1 und 2) 1. Straße a) Situation vor der Wiedervereinigung Rein quantitativ präsentierte sich das Straßennetz der DDR nicht schlecht. Mit einer Gesamtlänge von 124 604 km (unter Einschluß aller Ortsstraßen) im Jahre 1988 hatte es eine Dichte von 1150 km pro 1000 km 2 Fläche (alte Bundesländer: 1991 km pro 1000 km 2). In qualitativer Hinsicht waren jedoch eklatante Mängel festzustellen, die auf eine zu geringe und wenig effiziente Investitionstätigkeit zurückzuführen sind. Zwischen 1960 und 1988 wurden beispielsweise nur 480 km Autobahn neu gebaut (alte Bundesländer 6000 km). Mehr als 80 Prozent des Budgets für Straßenwesen wurden 1987 für Instandhaltung ausgegeben
In den letzten zehn Jahren vor der Vereinigung war der Anteil der Streckenabschnitte des Straßennetzes mit erheblichen Schäden (mindestens Zerstörung der Verschleiß-und Tragschicht, teilweise des Unterbaus) vor allem beim Fernverkehrsstraßennetz (von 14, 3 auf 22, 1 Prozent) und beim Bezirksstraßennetz (von 27, 9 auf 40, 8 Prozent) dra-matisch angestiegen Beim kommunalen Straßennetz betrug dieser Anteil zum Zeitpunkt der Wende 68, 1 Prozent. Lediglich beim Autobahn-netz war (hauptsächlich infolge der von der Bundesrepublik finanzierten Neubauten) der Strecken-anteil mit erheblichen Schäden leicht abgesunken (von 52, auf 44, 7Prozent). Von 31255 Straßen-brücken schließlich wurden 38, Prozent als erheblich beschädigt eingestuft.
Obwohl im Güterverkehr alle Transporte über mehr als 50 km mit der Bahn durchgeführt werden mußten und deshalb der Straßengüterverkehr nur im Nahbereich und im Verkehr mit dem Ausland eine Rolle spielte, war das überörtliche Straßennetz schon zu DDR-Zeiten zumindest qualitativ überfordert. Dafür sprachen die ungezählten Verkehrsbeschränkungen aufgrund von Straßenschäden. Aber auch die quantitative Überlastung kündigte sich an: Seit Beginn der achtziger Jahre wuchs der Individualverkehr absolut und relativ. Weder Lieferzeiten von 10 bis 15 Jahren bei Pkw noch hohe Gebrauchtwagenpreise konnten diese Entwicklung verhindern 6.
Erhebliche Engpässe zeigten sich auch im innerstädtischen Bereich. Viele Stadtstraßennetze sind heute kaum größer als zu Vorkriegszeiten. Nachholbedarf besteht vor allem bei Ortsgebiete tangierenden Verkehrswegen wie verkehrsverteilenden Ringstraßen oder bei Umfahrungsstraßen. Defizite sind auch in der Verkehrssteuerung unverkennbar; in der gesamten DDR gab es 1988 nur 1591 Lichtsignalanlagen 7. b) Zukünftige Anforderungen an die Straßeninfrastruktur Bestand schon vor der Wende ein erheblicher Modernisierungs-und Ausbaubedarf bei der Straßenverkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern, so sprechen die vorliegenden Verkehrsprognosen bis zum Jahre 2010 eine noch deutlichere Sprache im Hinblick auf das in den kommenden Jahren erforderliche Investitionsprogramm. Angesichts der für den Güterverkehr insbesondere zwisehen den neuen und den alten Bundesländern, aber auch für den Personenverkehr prognostizierten Zuwachsraten und angesichts der auf eine Angleichung zwischen den neuen und alten Bundesländern hin drängenden Kräfte sind Spekulationen müßig, ob man etwa die in Tabelle 2 für den Güter-verkehr dargestellten Anteile der Verkehrsträger an der Gesamtverkehrsleistung vor der Wende mit geeigneten Maßnahmen werde halten oder ob man gar die gesamten Verkehrszuwächse auf umwelt-freundlichere Verkehrsmittel als die Straße werde lenken können. Dies ist nicht so zu verstehen, daß hier einem bedenkenlosen Ausbau der Straßeninfrastruktur proportional zum prognostizierten Wachstum des Straßenverkehrs das Wort geredet würde. Denn die genannten Prognosen basieren auf der Annahme von Rahmenbedingungen für den Straßenverkehr, die angesichts der vom Straßenverkehr ausgehenden Belastungen für Mensch und Umwelt mit guten Gründen als zu wenig restriktiv angesehen werden können.
Freilich sollte man sich bei allen berechtigten ökologischen Bedenken keiner Illusion über das unter einer angemessenen Belastung aller Verkehrsträger mit den von ihnen erzeugten Wege-und Umweltkosten zu erwartende Ausmaß an Straßenverkehr hingeben. Es wird immer noch erheblich größer sein als das heutige. Dafür spricht zunächst der erzwungen niedrige Anteil der Straße im Güter-verkehr in den neuen Bundesländern (vgl. Tabelle 2), der gemessen am komparativen Vorteil dieses Verkehrsträgers gegenüber der Schiene und der Binnenwasserstraße selbst unter sehr restriktiven Rahmenbedingungen für den Straßenverkehr höher wäre, als er heute ist. Dafür spricht auch der rapide Zuwachs der Anzahl der Kraftfahrzeuge (insbesondere der Pkw) in den neuen Bundesländern (vgl. Tabelle 3). Dieser Zuwachs wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen, es sei denn, man wollte den Einwohnern in den neuen Bundesländern das abschlagen, was die Einwohner in den alten Bundesländern seit langem zu ihrem Besitzstand rechnen. Schließlich muß ein Mehr an Straßenverkehr nicht notwendig auch ein Mehr bei den Emissionen bedeuten. Gerade bei hohen preislichen Belastungen jeder emittierenden Aktivität wird die Kreativität der Betroffenen wie der Automobilindustrie in Richtung auf umweltfreundliche, technische und organisatorische Lösungen von Straßentransportproblemen angespornt.
Schließlich ist zu bedenken, daß nicht jede Straßen-baumaßnahme als solche zusätzliche Umweltbelastungen bewirkt. Denn gerade Lückenschlüsse, Ortsumgehungen und andere engpaßbeseitigende Straßenbaumaßnahmen können umweltentlastende Wirkungen haben (weil sie Umwegfahrten vermeiden und den Verkehr flüssiger gestalten), sofern es gelingt, eine weitere Erhöhung des Verkehrsaufkommens z. B. durch Benutzungsgebühren in Grenzen zu halten. Notwendig ist deshalb ein um geeignete ökologische Rahmenbedingungen für den Straßenverkehr in der gesamten Bundesrepublik ergänztes Straßenaufbauprogramm für die neuen Bundesländer. Dabei sollten insbesondere für den innerstädtischen Verkehr neue, zukunftsweisende Gesamtlösungen für eine hinreichend individualisierte und dennoch umweltfreundliche Mobilität von Personen und Gütern ausprobiert werden, weil jetzt die Gestaltungsspielräume am größten sind. 2. Schienenwege a) Situation vor der Wiedervereinigung Im Bereich der Schiene konnte die Deutsche Reichsbahn (DR) mit eindrucksvollen Zahlen aufwarten. Ihr Schienennetz war mit 132 km je 1000 km 2 eines der dichtesten in Europa (alte Länder: 120 km je 1000 km 2). Mit 1370 Personenkilometem wurde je Einwohner doppelt soviel Personenverkehr auf der Schiene durchgeführt wie in der alten Bundesrepublik. Auf einem Streckennetz von rund 14000 km lag die Verkehrsleistung im Güterverkehr 1988 mit rund 60 Mrd. tkm (Tonnenkilometer = Gewicht mal Transportweite) in beiden Staaten ungefähr gleich hoch, obwohl die alte Bundesrepublik insgesamt ein wesentlich höheres Güterbinnenverkehrsaufkommen auf ihrer mehr als doppelt so großen Fläche bei mehr als der dreifachen Bevölkerung hatte
Für den hohen Anteil der Bahn an der gesamten Verkehrsleistung gibt es eine Reihe offenkundiger Gründe: Zunächst zwang der Mangel an Devisen dazu, den Verbrauch von zu importierendem Erdöl gering zu halten und vor allem heimische Braunkohle zur Energiegewinnung zu verwenden. Dementsprechend wurde der Bahn der Vorzug vor der Straße gegeben. Alle Gütertransporte von mehr als 50 km Transportentfernung mußten mit der Bahn durchgeführt werden. Ferner war es der Binnenschiffahrt kaum möglich, die Hauptstandorte der Rohstoffgewinnung und -Verarbeitung miteinander zu verbinden. So entfielen allein 108 Mio. t der von der DR 1988 transportierten 323 Mio. t (DB 302 Mio. t) auf den Transport von Braunkohle Desweiteren vereinfachte die deutliche Konzentration der Industriestandorte auf den Süden der DDR die Bündelung der Gütertransporte. Schließlich wirkte die Knappheit des Pkw-Angebots zugunsten eines hohen Anteils der Bahn an den Verkehrsleistungen im Personenverkehr.
Gegenstück der Erfolgsbilanz der DR beim Güter-und Personentransport waren freilich eine chronische Überlastung wichtiger Schienenwege, vor allem aber erhebliche Qualitätsmängel wie zum Beispiel: -Eisenbahnstrecken waren 1990 nur zu 28 Prozent elektrifiziert (in den alten Bundesländern zu 40 Prozent)
-Nach Informationen von Verkehrsexperten der DDR waren von 8 200 Eisenbahnbrücken 3 500 älter als 85 Jahre, ohne daß sie jemals renoviert worden wären. 33 Prozent der Eisenbahnbrükken seien nur beschränkt befahrbar gewesen, zwei Drittel der Stellwerke vor 1945 erbaut worden
-Die schlechte bauliche " Beschaffenheit des Schienenkörpers führte 1988 zu ca. 1000 Geschwindigkeitsbeschränkungen auf einer gesamten Gleislänge von 950 km. Infrastrukturbedingt ergab sich so eine niedrige Durchschnitts-geschwindigkeit. Die 129 km zwischen Dresden und Leipzig z. B. konnten nur mit einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 60 km/h zurückgelegt werden. Auf 30 Prozent des Gesamtnetzes mußten Achslastbeschränkungen eingeführt werden, da die verwendeten Beton-schwellen infolge eines Produktionsfehlers zu schnell verschlissen b) Zukünftige Anforderungen an die Schieneninfrastruktur Die Verschiebung der Verkehrsnachfrage vom Binnenmarkt der DDR und den osteuropäischen Nachbarn zu den alten Bundesländern und den westeuropäischen Nachbarstaaten erfordert von der DR große Anstrengungen zur neuen Ausrichtung nach Westen, insbesondere beim Strecken-ausbau.
Mit der Vereinigung ist ihr im Güterverkehr mit dem Lkw ein mächtiger Konkurrent erwachsen, dessen größere Flexibilität und kürzere Lieferzeit sie durch ihren Preisvorteil allein nicht ausgleichen kann. Zusätzlich wirkt der Güterstruktureffekt (Abnahme der Anteile transportkostenempfindlicher, da billiger Massengüter und Zunahme der Anteile von hochwertigen Gütern) gegen die DR. Auf der anderen Seite eröffnen sich ihr neue Chancen im Stückgut-und Wagenladungsverkehr, weil gerade die stark zunehmenden Transporte zwischen den neuen und alten Bundesländern auf relativ wenige Hauptverkehrsadern konzentriert sein werden. Neu gewonnene Kapazitätsreserven der DR durch den Wegfall eines Teils der Braunkohle-transporte für die Energiewirtschaft und durch den Produktionsrückgang der Wirtschaft haben schon zu einem besseren Leistungsangebot geführt und können weiter in diesem Sinne genutzt werden.
Im Personenverkehr konkurriert die DR nicht nur mit dem motorisierten Individualverkehr, sondern auch mit dem innerdeutschen Luftverkehr. Ohne eine Erhöhung der Reisegeschwindigkeit im Fern-reiseverkehr, was erhebliche Investitionen in die Infrastruktur erforderlich macht, hat die DR kaum eine Chance auf diesem Markt Bereits am 28. Juni 1990 wurde zwischen den damals noch getrennten deutschen Staaten eine Grundsatz-vereinbarung über den Bau der Schnellbahn Hannover-Berlin als Teil des europäischen Schnellbahnnetzes geschlossen. Durch die Verlängerungsmöglichkeit nach Warschau und Moskau ergeben sich auch für Transporte nach Osteuropa neue Perspektiven. Nach der Fertigstellung dieser Strekkenführung über Stendal Mitte 1997 wird der Ausbau der zweiten, bereits vorhandenen Streckenführung Hannover-Berlin über Braunschweig und Magdeburg die Verkehrsanbindung der an dieser Strecke gelegenen Zentren sicherstellen.
Im Verkehr von und nach Berlin verlaufen auf absehbare Zeit die wichtigsten Ströme nach Westen und Süden. Während mit der Stadtbahn eine viergleisige Streckenführung für Nah-und Fernverkehr in Ost-West-Richtung vorhanden ist, fehlt eine solche Verbindung für den Fernverkehr in Nord-Süd-Richtung völlig. Für die Bewältigung der nach der Jahrtausendwende im Verkehr mit Berlin täglich erwarteten ca. 160 Fernzugpaare und 270 Regionalzugpaare ist das vorhandene Schienennetz absolut unzureichend 3. Wasserstraßen a) Situation vor der Wiedervereinigung Gemessen an der Verkehrsleistung von Schiene und Straße in den neuen Bundesländern und an der westdeutschen Binnenschiffahrt war der Anteil der Binnenschiffahrt an der Güterverkehrsleistung der ehemaligen DDR verschwindend gering (vgl. Tabelle 2). Zwar hatte die ehemalige DDR (und haben die neuen Bundesländer) ein dichteres Wasserstraßennetz als die alte Bundesrepublik (s. a. Tabelle 1), das Netz weist jedoch einige für den Erfolg der Binnenschiffahrt entscheidende Mängel auf: -Die Nord-Süd-Erschließung war unzureichend, wobei sich besonders die fehlende Einbindung des Seehafens Rostock bemerkbar machte.
Von den Wirtschaftszentren in Thüringen und Sachsen war nur das Gebiet um Dresden auf den Binnenwasserstraßen erreichbar
-In Ost-West-Richtung waren lediglich die Industriegebiete in der Mitte Ostdeutschlands angeschlossen.
Da der größte Teil des schiffahrtsbezogenen Im-und Exports über die eigenen Ost-seehäfen abgewickelt wurde, hatte auch der Schiffsverkehr auf der Elbe mit Anschluß an den Hafen Hamburg nicht dieselbe Bedeutung wie vor 1945. -Wegen der Präferierung der Eisenbahn unterblieb der Ausbau des Wasserstraßennetzes.
Lückenschlüsse wie die schon in den dreißiger Jahren geplante Überbrückung der Elbe bei Magdeburg wurden nicht realisiert. Der Ausbau der einzelnen Wasserstraßen auf „EuropaMaß“ wurde nicht vollzogen. Die Querschnitte fast aller Wasserstraßen sind für moderne Güterschiffe und Schubverbände zu gering. Während alle westdeutschen Kanäle mit Binnenfrachtschiffen von 80m Länge, 9, 5 m Breite und 2, 5 m Tiefgang (1350 t Tragfähigkeit) befahren werden können, sind die Binnenwasserstraßen der ehemaligen DDR nur bedingt für Schiffe von 67 m Länge, 8, 20 m Breite und 2, 5m Tiefgang mit Tragfähigkeiten bis zu 1000 t nutzbar.
In der Regel wären jedoch nur 2 m Tiefgang möglich. Die von Berlin nach Osten zur Oder führenden Kanäle ließen sogar m Breite und 2, 5m Tiefgang mit Tragfähigkeiten bis zu 1000 t nutzbar.
In der Regel wären jedoch nur 2 m Tiefgang möglich. Die von Berlin nach Osten zur Oder führenden Kanäle ließen sogar nur 1, 85 m zu.
Ähnlich sah es auf Teilen der Oder und auf der Elbe südlich von Magdeburg aus. Immer häufiger auftretende Flachwasserperioden haben bei beiden Flüssen in den letzten 20 Jahren zu Tauchtiefenabsenkungen von 25 cm und mehr geführt 18. b) Zukünftige Anforderungen an die Binnengewässerinfrastruktur Bei Transporten von Massenstückgütern, Containern, Schwer-und Sperrgütern ergeben sich, insbesondere unter Berücksichtigung der auf der Schiene wie auf der Straße zu erwartenden Engpässe, neue Chancen für die Binnenschiffahrt. In seiner traditionellen Rolle als Hinterland des Hamburger Hafens scheint das Einzugsgebiet der Elbe hierfür besonders geeignet.
Durch die Erweiterung der Aufgaben der Binnenhäfen vom reinen Umschlag zu einem breiten Dienstleistungssortiment ergeben sich neue Optionen für die Intensivierung der Kooperation mit anderen Verkehrsträgern. Besonders der Hafen Magdeburg zeichnet sich durch eine gute Einbindung in europäische Verkehrsnetze mit den Anschlüssen an die Autobahn Hannover-Berlin und den Güterbahnhof Rothensee aus. Aber auch in Dresden und Berlin wird über Konzepte zur Integration von Güterverkehrszentren und Binnenhäfen nachgedacht 19. 4. Seehäfen Die DDR wickelte ihr seeseitiges Güteraufkommen überwiegend in den Ostseehäfen Rostock, Wismar und Stralsund ab, mit erheblichem Gewicht auf Rostock. Kleinere Mengen wurden auch in den Fährhäfen Saßnitz, Mukran und Warne-münde umgeschlagen.
Die Konzentration des Güteraufkommens auf Rostock spiegelt sich auch in den Zahlen von 1990 wider, wo in Rostock mit 13, 2 Mio. t fast 80 Prozent des Umschlags der drei großen Häfen getätigt wurden. Wismar hat mit 17 Prozent immerhin noch 3Mio. t abgewickelt, wobei 60 Prozent dieser Menge auf den Umschlag von Kali entfallen 20.
Mittelfristig muß für alle Häfen in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Aufkommensrückgang gerechnet werden. Generell ist zu erwarten, daß ein großer Teil der Überseeverkehre (wie vor 1945) wieder vor allem mit Hamburg, teilweise auch mit anderen Nordseehäfen wie Bremen/Bremerhaven abgewickelt werden wird. Neue Perspektiven können sich durch eine Zunahme der Verkehre mit den Ostsee-Anrainerstaaten ergeben. Gleichzeitig kann eine Stärkung der Transittransporte von Skandinavien nach Südosteuropa erwartet werden. Von der Intensivierung des Fährbetriebs würden Mukran und Saßnitz profitieren. 5. Flughäfen In den neuen Bundesländern standen zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung die Flughäfen Berlin-Schönefeld, Leipzig/Halle, Dresden und Erfurt für den regelmäßigen Linienverkehr zur Verfügung. Nur das Land Mecklenburg-Vorpommern verfügt nicht über einen für den regelmäßigen, gewerblichen Luftverkehr geeigneten Flughafen.
Der Flughafen Berlin-Schönefeld an der südlichen Peripherie der Stadt fertigte im Jahre 1989 2, 61 Mio. Passagiere ab, wovon rund 90 Prozent internationale Linienflüge nutzten. Der nationale Flugverkehr war 1980 aus energiewirtschaftlichen Gründen eingestellt worden Während der Flughafen Leipzig/Halle noch über ein beachtliches Passagieraufkommen (439000) verfügte, waren Erfurt (48000) und Dresden (24000) kaum relevant
Im Hinblick auf zukünftige Anforderungen zeichnet sich ein Engpaß vor allem für den Luftverkehr von und nach Berlin ab. Abgesehen von Berlin-Schönefeld verfügt Berlin noch über die Flughäfen Tegel und Tempelhof in relativ zentraler Lage im Westteil der Stadt. Nach der Vereinigung stieg die Zahl der Flüge von und nach Berlin um etwa 40 Prozent. Die Belastung der beiden Flughäfen im Westteil der Stadt ist seit 1989 stark gestiegen, während sich das Passagieraufkommen in Schöne-feld nahezu halbiert hat. Aus Umweltschutzgründen können weder Tegel noch Tempelhof ausgebaut werden. Wegen der Fluglärmprobleme in den innerstädtischen Nahbereichen Tegels und Tempelhofs soll vor allem der Flughafen Tempelhof in absehbarer Zeit aufgegeben werden.
Die bundesweite Luftverkehrsprognose der Deutschen Forschungsanstalt für Luft-und Raumfahrt (DLR) sagt für das Jahr 2000 mit 18 Mio. Passagieren eine Verdopplung des Passagieraufkommens in Berlin (bezogen auf 1990) voraus. Bei entsprechendem Angebot (Großflughafen) könne bis 2010 mit mehr als 30 Mio. Passagieren gerechnet werden Da ein zusätzlicher Großflughafen (voraussichtlich im Süden Berlins, frühestens ab dem Jahr 2005) den gesamten Flugverkehr Berlins übernehmen könnte und das gegenwärtig in Tegel errichtete Interimsterminal maximal für zusätzliche 3 Mio. Passagiere ausreicht, müssen erhebliche Investitionen (die schon erwähnte DLR-Studie spricht von 4, 7 Mrd. DM) in Schönefeld getätigt werden, um das bis 2005/06 zu erwartende Passagieraufkommen bewältigen zu können. Ob ein weitgehender Ausbau Schönefelds anstelle eines neuen Großflughafens zweckmäßig ist, wird z. Z. noch diskutiert.
IV. Investitionen und Planungsvorhaben seit der Vereinigung
Abbildung 5
Tabelle 4: Bundesverkehrswegeplan 1992 (Gesamtinvestitionsbedarf in Mrd. DM)
Quelle: Bundesverkehrswegeplan 1992.
Tabelle 4: Bundesverkehrswegeplan 1992 (Gesamtinvestitionsbedarf in Mrd. DM)
Quelle: Bundesverkehrswegeplan 1992.
1. „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“
Bei dem Programm „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ handelt es sich um einen Vorgriff auf den Bundesverkehrswegeplan 1992. 17 dringliche Projekte mit Schlüsselfunktionen für das Zusammenwachsen der alten und neuen Bundesländer mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 57 Mrd.
DM wurden per Kabinettsbeschluß vom 9. April 1991 von der Erstellung von Planungsunterlagen im Rahmen der Genehmigungsverfahren und von den Verfahren selbst befreit. Von den 17 Projekten beziehen sich neun auf den Schienenverkehr, sieben auf das Straßennetz und eines auf Wasserstraßen.
Im Bereich der Bahnen werden 30 Mrd. DM für Verbindungen der alten Bundesländer mit Berlin, aber auch mit Stralsund und den Regionen Halle/Leipzig und Dresden investiert. Fahrzeitverkürzungen durch Maßnahmen zur Erhöhung der Reisegeschwindigkeiten, Elektrifizierung und die Errichtung von Hochgeschwindigkeitstrassen für ein europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz der Eisenbahnen sind wesentliche Zielsetzungen im Bereich der Schiene.
Mit den sieben Straßenprojekten (23, 5 Mrd. DM) werden einerseits die verkehrsmäßige Erschließung Mecklenburg-Vorpommerns und die Verkehrsverbindungen nach Polen verbessert, andererseits die wichtigsten Straßenverbindungen zwischen den Ballungsräumen im Süden der neuen Bundesländer und den alten Ländern ausgebaut.
Da die Binnenschiffahrt als einziger Binnenverkehrsträger noch über freie Kapazitäten verfügt und gleichzeitig Potentiale für ihre Nutzung erkennbar sind, ergibt sich daraus Handlungsbedarf, der auch im Programm „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ zum Ausdruck kommt (4 Mrd. DM). Rund 300 km Wasserstraßen sollen im Vorgriff auf den Bundesverkehrswegeplan ’ 92 so ausgebaut werden, daß Motorgüterschiffe bis zu 2000 t Tragfähigkeit und Schubverbände bis zu 3500 t Tragfähigkeit verkehren können. Lückenschlüsse in der Verbindung Hannover-Magdeburg-Berlin werden mit den Investitionen in das Kreuz Magdeburg, den Mittellandkanal und den Elbe-Havel-Kanal anvisiert. 2. Bundesverkehrswegeplan ‘ 92
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ‘ 92 (vgl. Tabelle 4) umfaßt als „vordringlichen Bedarf“ neben dem indisponiblen Bedarf nur neue Projekte, deren Nutzen-Kosten-Relation größer als 3 ist. Neue Projektvorhaben mit einer Nutzen-Kosten-Relation größer als 1 werden nur als weiterer Bedarf erfaßt, der praktisch keine Chancen auf Realisierung hat. Insgesamt macht der „vordringliche Bedarf“ ein Finanzvolumen von 414, 4 Mrd. DM bis zum Jahre 2010 aus. Zusammen mit vorgesehenen Finanzhilfen des Bundes im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes in Höhe von 76, 1 Mrd. DM müssen also mehr als 490 Mrd. DM an Investitionen finanziert werden. Dies wird nur möglich sein, wenn die für 1996 im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Planungsansätze für den Verkehrsetat bis zum Jahre 2010 durchgehalten werden können.
Von 194, 9 Mrd. DM für die deutschen Bahnen fließen 91, 7 Mrd. DM in Projekte der DR. Neben den Investitionen des Programms „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ soll nach Vorlage positiver Wirtschaftlichkeitsberechnungen besonders der Ausbau von Knotenpunkten im DR-Bahnnetz mit 13 Mrd. DM gefördert werden. Im Rahmen des BVWP sind für das Bundesfernstraßennetz in den neuen Bundesländern 35 Mrd. DM vorgesehen. Der Ausbau des Autobahnnetzes von 1941 km (1. Januar 1991) auf rd. 2900 km und der Neu-bzw. Ausbau von rd. 1500 km Bundesstraßen sollen durch diese Mittel finanziert werden. Bei den Bundeswasserstraßen sind 11 Mrd. DM für Projekte im Osten Deutschlands reserviert.
Insgesamt entfällt von den 414, 4 Mrd. DM für den vordringlichen Bedarf ein Anteil von rd. 38 Prozent auf die neuen Länder.
Ein besonderer Investitionsschwerpunkt sowohl im BVWP ’ 92 als auch bei den im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes vorgesehenen Maßnahmen ist die systematische Verknüpfung von Transportketten durch Ausbau der Schnittstellen (Flughäfen, See-und Binnenhäfen, Güterverkehrszentren, Umschlagsanlagen des kombinierten Verkehrs) sowie eine stärkere Anbindung der Flughäfen an das Schienennetz. Das besondere Problem des BVWP ‘ 92 ist die im Vergleich zu früheren Plänen noch größere Prognoseunsicherheit: „Die Notwendigkeit der nächsten Fortschreibung [des BVWP ’ 92, H. -J. Ewers] wird sich vor allem aus den zur Zeit nicht absehbaren politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in den osteuropäischen Nachbarstaaten mit deren Konsequenz auf die Bevölkerungs-B entwicklung und die Verkehrsnachfrage innerhalb des Bundesgebietes ergeben“
V. Das Finanzierungsproblem
Die im BVWP ‘ 92 enthaltenen Maßnahmen zum Aufbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt. Sie konkurrieren mit ungezählten anderen Infrastrukturprojekten und mit einem noch nicht absehbaren konsumtiven Aufwand zur Linderung der Folgen der Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern. Insofern lag es nahe, über Formen privater Finanzierung (nicht nur) der Verkehrsinfrastruktur nachzudenken. Dazu wurden von verschiedenen Seiten (Banken, Verbände, Bauwirtschaft, Bundesregierung) Vorschläge unterbreitet Die Diskussion hat gezeigt, daß viele der diskutierten Formen privater Finanzierung nicht ohne Probleme sind: -Soweit es sich um eine einfache Verlagerung der Kreditfinanzierung aus dem Bundeshaushalt auf (formell oder materiell) private Träger handelt, bei der alle wirtschaftlichen Risiken (Baukostenrisiko, Marktrisiko) beim Bund verbleiben, bestehen Bedenken im Hinblick auf das in Art. 110 Abs. 1 Satzl GG niedergelegte Prinzip der Vollständigkeit des Bundeshaushalts.
Soweit eine solche Verlagerung, wie bei der Leasingfinanzierung, insgesamt zu höheren Kosten als die bundeseigene Finanzierung führt, ist auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verletzt.
-Soweit im Rahmen privater Finanzierung tatsächlich auch Marktrisiken übernommen werden, wie es z. B. bei den aus künftigen Nutzer-entgelten gespeisten Projektfinanzierungen („Betreibermodellen“) geschieht, widerstreiten die auf die Rentabilität des jeweiligen Projekts gerichteten Interessen der privaten Finanzierungsträger oft dem auf die Effizienz des gesamten Verkehrssystems gerichteten Interesse des Bundes. Insofern kommen solche Finanzierungsformen eher für relativ isolierte Projekte (punktförmige Infrastruktureinrichtungen wie Flughäfen, Güterverkehrszentren, Brücken und Tunnel) in Frage.
Da einerseits die Effizienzvorteile Privater beim Bau und Betrieb von Infrastruktureinrichtungen gegenüber der staatlichen Verwaltung groß sind, andererseits eine knappheitsorientierte Gebührenpolitik für die Benutzung von Verkehrswegen und Verkehrsschnittstellen wohltätige Lenkungswirkungen hat, liegen Lösungen nahe, die die Verkehrsinfrastruktur in Form von eigenwirtschaftlichen Fonds aus .dem Bundeshaushalt herauslösen, den Bau und Betrieb der Infrastruktur weitgehend Privaten überlassen und die Finanzierung der Verkehrswege aus Entgelten der Verkehrsnutzer sicherstellen. Eine derartige Lösung vermeidet die erwähnten Kollisionen mit Haushaltsgrundsätzen, sichert über eine integrierte Planung die Effizienz des Gesamtsystems, benutzt die Effizienzvorteile Privater beim Bau und Betrieb von Verkehrswegen und sorgt durch knappheitsgerechte Benutzer-gebühren sowohl für eine Deckung der Wegekosten als auch für die erforderliche Lenkung der Verkehrsnachfrage.
Ansätze zu einer solchen Lösung sind sowohl im Verkehrskonzept des Deutschen Industrie-und Handelstages (DIHT) als auch im Konzept der Bundesregierung zur Reform der Bahnen enthalten. Der DIHT schlägt die Bildung eines Sonder-vermögens Verkehrswege vor; im Reformkonzept der Bahn ist als letzte Reformstufe nach der organisatorischen Trennung von Netz und Transport bei den Bahnen die Bildung einer eigenen Netzgesellschaft vorgesehen. Selbst bei einer (denkbaren) vollständigen Privatisierung solcher Wegefonds würden Bund, Länder und Gemeinden genügend Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur behalten, zum einen über die Planungs-und Genehmigungsverfahren, zum anderen über die Möglichkeiten entgeltlicher öffentlicher Aufträge in jenen Fällen, in denen die aus einer Strecke erwarteten Benutzerentgelte zu gering sind, um den Netzträger von sich aus zu einer Investition zu veranlassen.
Hans-Jürgen Ewers, Dr. rer. pol., geb. 1942; ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor des Instituts für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster; Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr und Mitglied des Rats von Sachverständigen für Umweltfragen. Veröffentlichungen u. a.: Wettbewerbspolitische Ansätze in der deutschen Verkehrspolitik seit den Verkehrsänderungsgesetzen -Eine kritische Analyse, Göttingen 1971; (Koautor) Zur monetären Bewertung von Umweltschäden. Methodische Untersuchung am Beispiel der Waldschäden, Berichte des Umwelt-bundesamtes, Bd. 4/86, Berlin 1986; (zus. mit C. Becker u. M. Fritsch) Wirkungen des Einsatzes computergestützter Techniken in Industriebetrieben, Berlin-New York 1990.
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