Veränderung der Erwerbssituation in ostdeutschen Privathaushalten und Befindlichkeit der Menschen
Horst Berger/Annett Schultz
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Zusammenfassung
Im Zuge des Vereinigungsprozesses haben sich die Erwerbsverhältnisse in den neuen Bundesländern grundlegend verändert. Arbeitslosigkeit wurde für viele Ostdeutsche zur individuellen Erfahrung. Der Beitrag thematisiert die Folgen des Beschäftigungsabbaus für die Erwerbssituation der ostdeutschen Privathaushalte und präsentiert Ergebnisse eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojekts, das sich vor allem auf Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP-Ost) stützt. Ausgehend von den Besonderheiten der ostdeutschen Privathaushalte, wird die veränderte Erwerbs-beteiligung in den Haushalten dargestellt und der Einfluß des Erwerbsstatus auf die Befindlichkeit der Haushaltsmitglieder analysiert. Die Arbeitslosigkeit beeinträchtigt nachhaltig die soziale Lage und die Befindlichkeit der Haushaltsmitglieder. Bislang konnten durch sozialstaatliche Transfers, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und spezifisch ostdeutsche Haushaltsressourcen in vielen Haushalten soziale Härten des Arbeitsplatzabbaus aufgefangen und abgefedert werden. Gleichwohl deutet sich bereits ein drastischer Anstieg sozialer Ungleichheit an.
I. Vorbemerkungen
Im Zuge des deutschen Vereinigungsprozesses haben sich insbesondere im Erwerbsleben der Ostdeutschen gravierende Veränderungen vollzogen. Die damit verbundenen Umbrüche betreffen alle Branchen der Wirtschaft, alle Berufs-und Altersgruppen der Erwerbspersonen, Männer wie Frauen, vor allem die Industriearbeiterschaft, Erwerbspersonen in der Landwirtschaft sowie -in besonderem Maße -Frauen und ältere Erwerbs-personen. Infolgedessen wurde der Verlust des Arbeitsplatzes in den letzten drei Jahren für viele Ostdeutsche zur individuellen Erfahrung: Arbeitslosigkeit beeinflußt nachhaltig die Befindlichkeit der Menschen, zumal der Verlust des Arbeitsplatzes im bisherigen Leben auch nicht im entferntesten als Möglichkeit angenommen werden mußte.
Abbildung 7
Abbildung 4: Erwerbskonstellation in Partnerhaushalten (1990-1992; in Prozent) Datenbasis: SOEP-Ost 1990-1992.
Abbildung 4: Erwerbskonstellation in Partnerhaushalten (1990-1992; in Prozent) Datenbasis: SOEP-Ost 1990-1992.
Die neuen, bisher unbekannten Unsicherheiten und Risiken des Arbeitsmarktes haben enorme Bewegung in die überkommene Sozialstruktur gebracht. Damit veränderte sich in Ostdeutschland die soziale Lage breiter Schichten der Bevölkerung und wird sich auch weiterhin noch verändern. Wesentlich ist nunmehr, inwieweit es dem einzelnen gelingt, sich im neuen Wirtschafts-und Gesellschaftssystem zu behaupten.
Abbildung 8
Tabelle 4: Ausgewählte subjektive Indikatoren in Partner-Haushalten mit unterschiedlichem Erwerbsstatus der Eltemgeneration Partner-HH, Elterngeneration Datenbasis: SOEP-Ost 1990, 1991, 1992.
Tabelle 4: Ausgewählte subjektive Indikatoren in Partner-Haushalten mit unterschiedlichem Erwerbsstatus der Eltemgeneration Partner-HH, Elterngeneration Datenbasis: SOEP-Ost 1990, 1991, 1992.
In einer Untersuchung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) zur Bewertung des alten und neuen Gesellschaftssystems antworten drei Viertel der ostdeutschen Befragten (N = 1117) auf die Frage nach der Gewährleistung sozialer Sicherung, daß nur in der DDR eine ausreichende soziale Sicherung gewährleistet war; 23 Prozent meinten, daß soziale Sicherung ein Merkmal beider Gesellschaftssysteme sei, und je zwei Prozent waren der Auffassung, daß soziale Sicherung ausschließlich von der Bundesrepublik gewährt werde bzw. für keines der beiden Systeme zuträfe Soziale Sicherheit bedeutete aber in der „Arbeitsgesellschaft“ DDR vor allem gesicherte Erwerbsarbeit für Männer und Frauen. Nur wer es vermag, diesen zentralen Stellenwert der Erwerbs-arbeit im Leben der Ostdeutschen zu begreifen, kann ermessen, welch tiefe Wirkung von der Arbeitsmarktentwicklung und deren Folgen seit der Vereinigung ausgeht.
Werden die Menschen die „psychologische Herausforderung“ bestehen, die mit dem enormen Arbeitsplatzabbau in Ostdeutschland verbunden ist?, fragte Katharina Belwe 1991 in ihrem Aufsatz „Zur Beschäftigungssituation in den neuen Bundesländern“ und gab als eine wesentliche Bedingung dafür an, daß die Bundesregierung die entsprechenden wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen schaffen müsse Inzwischen ist entgegen einer für das zweite Halbjahr 1992 prognostizierten wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung eine tiefe Rezession in Gesamtdeutschland eingetreten, wodurch sich die Arbeitsmarktsituation erheblich verschlechtert hat; und die Talsohle ist noch immer nicht erreicht Arbeitslosigkeit ist zum zentralen sozialen Problem in ganz Deutschland geworden In Zukunft werden demnach zunehmend wechselseitige Auswirkungen von Transformations-und gesamtdeutschen wirtschaftlichen Problemen sowohl auf ost-als auch auf westdeutsche Haushalte zu erwarten sein. Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Folgen des Beschäftigungsabbaus für ostdeutsche Haushalte. Wir gehen der Frage nach, inwieweit die Umbruchsituation, die schlechter werdende Erwerbs-situation, Auswirkungen auf die objektive und subjektive Wohlfahrt nicht nur des einzelnen, sondern ebenso der von diesen Entwicklungen betroffenen Haushalte in Ostdeutschland hat
Die folgenden Aussagen basieren im wesentlichen auf Daten des Sozio-ökonomischen Panels/Ost (SOEP-Ost) der Jahre 1990, 1991 und 1992, auf veröffentlichten Daten der amtlichen Statistik und von Infratest Sozialforschung.
II. Beschäftigungsentwicklung in den neuen Bundesländern
Abbildung 2
Abbildung 2: Arbeitsmarktentwicklung in den neuen Bundesländern -Jahresdurchschnitte (1990-1993) Quelle: Berechnungen des IAB, in: Autorengemeinschaft, Der Arbeitsmarkt 1991 u. 1992 in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1992; WZB-Beschäftigungsobservatorium November 1993; Statistisches Bundesamt, Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in den neuen Bundesländern, Vierteljahreszeitschrift, Stuttgart, November 1993.
Abbildung 2: Arbeitsmarktentwicklung in den neuen Bundesländern -Jahresdurchschnitte (1990-1993) Quelle: Berechnungen des IAB, in: Autorengemeinschaft, Der Arbeitsmarkt 1991 u. 1992 in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1992; WZB-Beschäftigungsobservatorium November 1993; Statistisches Bundesamt, Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in den neuen Bundesländern, Vierteljahreszeitschrift, Stuttgart, November 1993.
Der dramatische Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft hat zu einem beispiellosen Arbeitsplatz-abbau geführt. Dadurch ging die Zahl der Erwerbstätigen um mehr als ein Drittel zurück (vgl. Abbildung 1). Vor allem im Verarbeitenden Gewerbe und in der Landwirtschaft hält der Rückgang noch immer an Der massive Beschäftigungsabbau führte zu Massenarbeitslosigkeit, vorzeitigem Ausscheiden aus dem Berufsleben, Kurzarbeit, Abwanderung vor allem jüngerer Arbeitskräfte nach Westdeutschland sowie einer zunehmenden Anzahl von Westpendlern (ca. 500000). Das Defizit an regulärer Beschäftigung (Arbeitslosigkeit und durch das Arbeitsförderungsgesetz gestützte Beschäftigung) betraf im Dezember 1993 29 Prozent der Erwerbspersonen. Vom Beschäftigungsabbau waren Frauen, ältere Arbeitnehmer und Ungelernte am stärksten betroffen. Durch die verschiedenen arbeitsmarkt-politischen Instrumente konnten soziale Härten gemildert und die Zahl der registrierten Arbeitslosen auf bislang 1, 15 Millionen (1993) begrenzt werden.
Zunächst dominierte die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld, andere arbeitsmarktpolitisch geförderte Formen nichtregulärer Beschäftigung wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) oder Maßnahmen zur Fortbildung und Umschulung (FuU) liefen relativ spät an und erreichten unterschiedliche Ausmaße (vgl. Abbildung 2). Das aktive Erwerbsverhalten der Ostdeutschen und die nach wie vor hohe Erwerbsorientierung (auch der Frauen) wird zweifellos durch solche arbeitsmarkt-politischen Instrumente unterstützt. Drei Viertel aller im November 1989 Erwerbstätigen haben Erfahrungen mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gemacht, und jeder Zweite hat berufliche Qualifizierungsmaßnahmen in Anspruch genommen, obwohl nur ein Viertel der Qualifizierungsteilnehmer finanziell durch das Arbeitsamt gefördert wurde Dies zeigt, daß die Ostdeutschen bereit und willens sind, sich den Herausforderungen bei der Umwälzung der Erwerbsverhältnisse zu stellen und ihren Platz im Erwerbsleben zu behaupten. Indessen erhöhen die Qualifizierungsmaßnahmen zwar die Erwerbschancen, führen aber nicht immer zu einer Arbeitsaufnahme. Während sie bislang für rund 400000 Personen positive Beschäftigungseffekte zeitigten, gab es im November 1992 immerhin 200000 Arbeitslose, die an Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen, aber keine Beschäftigung gefunden hatten
Die Arbeitslosen und insbesondere die Langzeit-arbeitslosen sind zwar die eigentlichen Opfer des Beschäftigungsabbaus, aber auch jene, die heute von staatlich geförderten Beschäftigungsmaßnahmen profitieren bzw. vorzeitig in den Vorruhestand gehen mußten, sind von der Wohlfahrtsentwicklung abgekoppelt und müssen erhebliche Abstriche ihres Lebensstandards hinnehmen. Es sind dabei nicht nur die Einkommensverluste, die Kurzarbeiter, Beschäftigte in ABM-Maßnahmen und Teilnehmer an Fortbildungs-und Umschulungskursen beeinträchtigen. Was sie vor allem bedrückt, ist die unklare Perspektive, die sich infolge der anhaltenden Rezession in Deutschland eher weiter verschlechtert
Da durch die Kürzung der Mittel für arbeitsmarkt-politische Maßnahmen und die Zunahme der Dauer der Arbeitslosigkeit befürchtet werden muß, daß die Zahl der Bezieher von Arbeitslosen-hilfe und Sozialhilfe zunimmt, wächst für nicht unerhebliche Personengruppen das Risiko, in Armut zu fallen Indessen sind die Erwerbsverläufe der Teilgruppen von Erwerbstätigen durchaus unterschiedlich -sie differieren vor allem nach Geschlecht, Alter, Region, Qualifikation und Branchen.
Von den im November 1989 9, 2 Millionen Erwerbstätigen konnten ca. zwei Drittel auch im November 1992 ihren Erwerbsstatus halten, ca. ein Drittel war nicht mehr erwerbstätig, fünf Prozent waren in den Westen gezogen bzw. verstorben. Schauen wir uns den Erwerbsstatus genauer an, so zeigt sich, daß sich 1992 46 Prozent der Erwerbs-personen ununterbrochen in regulärer Beschäftigung befanden, acht Prozent nach Unterbrechungen wieder eine reguläre Beschäftigung aufnehmen konnten und sieben Prozent einer geförderten Beschäftigung nachgingen. Hingegen waren 10 Prozent arbeitslos gemeldet, weitere 10 Prozent befanden sich im Vorruhestand/Altersübergang, fünf Prozent in Fortbildung und Umschulung, nochmals fünf Prozent im Rentnerstatus und zwei Prozent in sonstiger Nichterwerbstätigkeit. Die Dynamik des Arbeitsplatzabbaus widerspiegelt sich auch in der Tatsache, daß nur 31 Prozent der Erwerbstätigen ununterbrochen in ihrem alten Betrieb beschäftigt waren -im Verarbeitenden Gewerbe und in der Landwirtschaft gar nur 24 bzw. 19 Prozent. Günstiger ist die Situation bei Verkehr/Bahn/Post mit 52 Prozent, bei Sonstigen Dienstleistungen (Banken, Versicherungen etc.) mit 44 Prozent und beim Baugewerbe mit 43 Prozent
Bei den Erwerbsverläufen lassen sich insbesondere geschlechtsspezifische Unterschiede erkennen -Männer konnten häufiger als Frauen ihren Arbeitsplatz erhalten, nach Arbeitsplatzverlust schneller wieder eine neue Stelle finden bzw. häufiger eine Arbeit im Westen aufnehmen. Unterschiede ergeben sich auch in Abhängigkeit von der Qualifikation: Höherqualifizierte haben in der Regel größere Erwerbschancen. Mehr als ein Fünftel aller ostdeutschen Erwerbstätigen hat bereits Erfahrungen mit der Arbeitslosigkeit machen müssen -der Anteil liegt bei Frauen sowie älteren Erwerbspersonen (40-51 Jahre) und jüngeren Erwerbspersonen (15-24 Jahre) allerdings höher
Für die Bewertung der Befindlichkeit der Menschen ist der aktuelle Erwerbsstatus zwar wichtig, dennoch kann das Ausmaß der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und deren Wirkungen nur hinreichend durch eine Analyse der Erwerbsverhältnisse der betroffenen Personen im Haushaltskontext erfaßt werden.
III. Besonderheiten der ostdeutschen Privathaushalte
Abbildung 3
Tabelle!: Ostdeutsche Privathaushalte nach Haushaltstypen (1990 und 1992) Datenbasis: SOEP-Ost 1990, 1992.
Tabelle!: Ostdeutsche Privathaushalte nach Haushaltstypen (1990 und 1992) Datenbasis: SOEP-Ost 1990, 1992.
Die beschriebenen gravierenden Veränderungen in den Erwerbsverhältnissen waren nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die betroffenen Haushalte mit Beeinträchtigungen verbunden. Auf der Ebene des Privathaushalts treffen verschiedene Faktoren zusammen, welche das Ausmaß der Beeinträchtigungen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können. Das sind a) die individuell verschiedenen Ressourcen und Belastungen des Haushalts als Ganzes (von besonderer Bedeutung sind hier u. a. die Anzahl der erwerbstätigen Personen sowie die Anzahl und das Alter der im Haushalt lebenden Kinder);
b) staatlich zugeschriebene Leistungen und Güter (u. a. Transfereinkommen);
c) gesellschaftlich bestimmte Positionszuschreibungen mit ihren Vor-und Nachteilen (u. a.
über den Berufsstatus) sowie d) interne und externe Handlungsstrategien und Aktivitätsmuster der Haushalte.
Gebrochen durch den jeweiligen Familienzyklus führt dies zu spezifischen haushaltsinternen Belastungs-, Bedürfnis-und Wohlfahrtskonstellationen. Die einzelnen Privathaushalte sind also gefordert, die aus dieser Bündelung resultierenden Handlungsmöglichkeiten zur Gestaltung ihrer sozialen Lage, zur Wohlfahrtssicherung bzw. -Produktion zu nutzen und den entstehenden Belastungen durch wirksame Handlungsstrategien entgegenzuwirken, wodurch soziale Härten vermieden bzw. abgefedert werden können. Dies ist in erster Linie über die Erwerbstätigkeit bzw. Erwerbseinkommen der Haushaltsmitglieder zu erreichen. Daher gehen wir davon aus, daß es von entscheidendem Einfluß für die soziale Lage des Privathaushalts in Ostdeutschland ist, ob und in welcher Qualität die Erwerbstätigkeit der Eltern-generation des Haushalts aufrechtzuerhalten oder ob der Haushalt auf Transferzahlungen angewiesen ist. Die Wirksamkeit dieser ausgleichenden Funktion des Privathaushalts ist aber vorrangig durch dessen Struktur bestimmt.
Nun lassen sich -was die Haushaltsstrukturen in Ostdeutschland betrifft -einige Charakteristika bezüglich ihrer Verteilung und ihrer internen Struktur ausmachen. Sie sollen im folgenden kurz skizziert werden. Wie in Tabelle 1 erkennbar, sind ein Großteil der ostdeutschen Haushalte Familien-haushalte. Das sind Haushalte mit Kindern, in denen 1992 durchschnittlich etwa 1, 6 Kinder lebten.
Besonders hoch ist in den neuen Ländern auch der Anteil Alleinerziehender In diesen Haushalten ist die Aufrechterhaltung der Erwerbsbeteiligung von besonderer Bedeutung.
Die oft beschriebenen demographischen Spezifika der DDR-Gesellschaft -das junge Heiratsalter, die frühe und häufigere Geburt von Kindern -haben unmittelbare Auswirkungen auf den Lebensstandard der Privathaushalte. Noch 1989 lag das Heiratsalter der Frauen bei 22, 7 und der Männer bei 24, 7 Jahren. Zumeist wurden in diesen Familien kurz vor bzw. nach der Heirat Kinder geboren. In den jüngeren Alterskohorten (Altersgruppen, die durch zeitliche Merkmale wie gleicher Geburtsjahrgang, gleiches Schulabschlußjahr etc. gekennzeichnet sind) zwischen 26 und 45 Jahren dominieren daher Partner-Haushalte mit Kindern sowie Alleinerziehenden-Haushalte. Im Osten Deutschlands wurde noch 1989 das erste Kind von Frauen mit einem durchschnittlichen Alter von 22, 9 Jahren geboren In einer entsprechend früheren Lebensphase der Eltern verlassen die Kinder den Haushalt. Partner-Haushalte ohne Kinder sind in Ostdeutschland somit meist Haushalte in diesem Lebenszyklus.
Kennzeichnend für Ostdeutschland ist auch der relativ geringe Anteil an Alleinlebenden (1992: 27 Prozent; alte Bundesländer: rd. 35 Prozent), die zudem nicht den für den Westen typischen „Singles“ verschiedener Alters-und Geschlechter-gruppen entsprechen. Sie sind zu rund 50 Prozent über 66 Jahre alt und fast immer weiblich. 1992 machten sich jedoch erste Veränderungen der Haushaltsstrukturen bemerkbar. Der Anteil der Gruppe der unter 25jährigen innerhalb der Partner-Haushalte mit Kindern nahm von 1989 bis 1992 ab. Außerdem gibt es erste Anzeichen für eine Zunahme sehr junger Einpersonen-Haushalte. Die Haushalte reagieren demnach auf die gesellschaftlichen Umbrüche demographisch längerfristig gesehen mit Defensivstrategien der Familiengründung und -erweiterung: Es werden weniger Kinder und diese zu einem späteren Zeitpunkt geboren. Eine Alterung der Partner-Haushalte mit Kindern setzt ein, und es werden weniger Ehen geschlossen Dies läßt sich auf der einen Seite aus den stark gewachsenen Risiken der jetzt marktwirtschaftlich geprägten Lebensbedingungen erklären, andererseits ist es als eine Anpassungsreaktion an westliche Lebensart zu interpretieren. In Zukunft sind außerdem Auswirkungen auf die Haushaltsstruktur als Folge der anhaltenden Wanderungsverluste in die alten Bundesländer zu erwarten, insbesondere da vor allem Angehörige sehr junger Alterskohorten mit guten Erwerbschancen ihren Wohn-und Arbeitsort in den Westen Deutschlands verlagern. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes handelt es sich hierbei seit Ende 1988 um etwa 250000 Jugendliche im Alter von 15 bis 25 Jahren
Aus Tabelle 1 ist ein weiteres Charakteristikum ostdeutscher Privathaushalte zu erkennen: die Dominanz von Zweiverdiener-Haushalten -in mehr als 80 Prozent der Haushalte mit Kindern waren beide Elternteile erwerbstätig. Die Verteilun-gen für 1992 dagegen weisen bereits auf eine zunehmende Auflösung dieser ostspezifischen Erwerbsbeteiligung hin. Diese Problematik soll im folgenden näher betrachtet werden.
IV. Zur Erwerbssituation ostdeutscher Haushalte
Abbildung 4
Tabelle 2: Erwerbssituation der Erwerbspersonen in ostdeutschen Haushalten (1990-1992)Datenbasis: SOEP-Ost 1990, 1991, 1992.
Tabelle 2: Erwerbssituation der Erwerbspersonen in ostdeutschen Haushalten (1990-1992)Datenbasis: SOEP-Ost 1990, 1991, 1992.
Unter DDR-Bedingungen war praktisch jeder Erwerbspersonen-Haushalt ein Erwerbstätigen-Haushalt und jeder Partner-Haushalt ein Zweiverdiener-Haushalt. Der drastische Rückgang der Erwerbsbeteiligung führte zur raschen Auflösung dieser Muster. Die Erwerbssituation der Haushalte wurde in den vergangenen drei Jahren vor allem dadurch geprägt, daß verstärkt ältere Erwerbspersonen und Frauen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind bzw. sich in Arbeitslosigkeit befinden. Nach Ergebnissen des erstmals in den neuen Bundesländern durchgeführten Mikrozensus waren bereits im April 1991 ca. 13 Prozent der 6, 7 Millionen Haushalte und im Januar 1992 bereits jeder fünfte Haushalt in den neuen Bundesländern von Arbeitslosigkeit betroffen. Dementsprechend sank der Anteil von Haushalten mit zwei und mehr Erwerbstätigen von 41 Prozent im April 1991 auf 36 Prozent im Januar 1992 Hauptursache für diesen Rückgang ist das überproportionale Sinken der Frauenerwerbsquote. So lag die Erwerbsquote der ostdeutschen Frauen im Alter von über 55 Jahren, die 1989 ca. 74 Prozent betrug, im April 1991 mit 29 Prozent bereits deutlich unter der westdeutscher Frauen gleichen Alters von 40 Prozent Insgesamt betrug die Frauenerwerbsquote in Ostdeutschland zu diesem Zeitpunkt jedoch noch 73 Prozent, während sie in Westdeutschland bei nur 59 Prozent lag. Die Erwerbs-quote der Männer im Alter von über 55 Jahren ist zwar nicht in gleichem Maße, aber auch stark zurückgegangen. Diese Arbeitsmarkttendenzen setzten sich 1992 und auch 1993 in abgeschwächter Form fort
Hinsichtlich des Erwerbsstatus haben sich bei den verschiedenen Haushaltstypen seit 1990 bereits sichtbare Veränderungen vollzogen. In allen Haushaltstypen ist der Anteil der Haushalte, in denen alle erwerbsfähigen Personen noch erwerbstätig sind, zurückgegangen, und der Anteil der Haushalte mit mindestens einem Arbeitslosen bzw. Nichterwerbstätigen hat zugenommen. Allerdings sind die Haushaltstypen in unterschiedlichem Maße von Erwerbs-bzw. Arbeitslosigkeit betroffen (vgl. Tabelle 2).
Zwei Tendenzen werden sichtbar:
Erstens: Die Betroffenheit der Erwerbspersonen von Nichterwerbstätigkeit bzw. Arbeitslosigkeit ist in den Partner-Haushalten ohne Kinder besonders hoch. Wie erwähnt, handelt es sich dabei vor allem um Personen im höheren Lebensalter. Zwar ist der Anteil der Nichterwerbstätigen bei Männern und Frauen in diesem Haushaltstyp nahezu gleich angestiegen. Frauen wurden indessen häufiger arbeitslos als Männer, die vorwiegend die Vorruhestands-bzw. Altersübergangsregelung in Anspruch nahmen und damit aus dem Erwerbsleben ausschieden. In den Partner-Haushalten mit Kindern hingegen sind die Frauen überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen bzw. scheiden aus dem Erwerbsleben aus (Hausfrauen). Besonders prekär ist die Situation in den Alleinerziehenden-Haushalten, da Alleinerziehende auch in Ostdeutschland überwiegend Frauen sind. Schließlich ist seit 1990 eine tendenzielle Zunahme der Nicht-erwerbstätigen-Haushalte und der Rentner-Haushalte zu beobachten, was sich daraus erklärt, daß ein großer Teil älterer Erwerbspersonen inzwischen die Vorruhestands-bzw. Altersübergangsregelung in Anspruch genommen hat.
Zweitens: In den Partner-Haushalten mit Kindern hat der Anteil arbeitsloser Männer zwar zugenommen, er ist aber vergleichsweise immer noch gering. Der typische ostdeutsche Familienhaushalt wird also in wachsendem Maße von der Erwerbstätigkeit, dem Erwerbseinkommen des Mannes geprägt, während bei den anderen Haushaltstypen Transfereinnahmen ungleich stärker an den Unterhaltsquellen beteiligt sind. In den Partner-Haushalten mit Kindern kommt also die ausgleichende Funktion des Privathaushalts besonders zur Geltung. Reine Arbeitslosen-bzw. Erwerbslosen-Haushalte sind jedoch (noch) selten.
Trotz der stark rückläufigen Erwerbsbeteiligung der Haushaltsmitglieder konnten die meisten ostdeutschen Privathaushalte Einkommenszuwächse verzeichnen. Diese wurden indessen durch die starke Preisentwicklung nur bedingt verbrauchs-wirksam. Die realen Wohlfahrtsgewinne hängen eher mit der besseren Versorgung mit Waren und Dienstleistungen, nicht mehr begrenzten Reise-möglichkeiten sowie größerer Flexibilität und Eigengestaltung in der Haushaltsführung zusam9 men. Die Entscheidungsspielräume bei den Geldausgaben haben sich zudem beträchtlich erweitert.
Die spezifischen Ressourcen der ostdeutschen Haushalte (noch vorhandener, aber rückläufiger hoher Grad der Doppelerwerbstätigkeit, eigene Rentenansprüche der Frauen durch lange Erwerbstätigkeit) förderten die ausgleichende Funktion des Haushalts und verhinderten weitgehend eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in den Haushalten. Besonders günstig ist natürlich die Situation jener Haushalte, in denen alle Erwerbspersonen ihre Erwerbstätigkeit aufrechterhalten konnten Die von Arbeitslosigkeit betroffenen Haushalte dagegen sind benachteiligt, und bei den reinen Arbeitslosen-Haushalten hat sich die wirtschaftliche Situation absolut verschlechtert.
Die Erwerbssituation jener Haushalte, in denen Pendler leben, ist relativ günstig. Es werden besondere Wohlfahrtsgewinne erzielt, weil die Einkommen aus Erwerbstätigkeit vergleichsweise höher als die anderer Haushalte sind. Diese Wohlfahrtsgewinne gehen aber auf Kosten der Freizeit, da die Pendler in der Regel wesentlich höhere Wegezeiten in Kauf nehmen müssen. Schon 1991 gab es unter den Partner-Haushalten mit Kindern 10 Prozent Haushalte mit mindestens einem Pendler, und dieser Anteil hat sich 1992 auf 11 Prozent erhöht. Der hohe Anteil der Pendler-Haushalte bei diesem Haushaltstyp wird durch eine Lasten-verteilung im Haushalt ermöglicht. Es sind vorwiegend die Männer, die eine Arbeit in Westdeutschland oder Westberlin aufgenommen haben. Auch in den Sonstigen Haushalten ist der Anteil der Pendler-Haushalte von fünf Prozent 1991 auf sieben Prozent 1992 angestiegen.
Für die Erwerbssituation der Haushalte spielt auch die Relation von Haupterwerbstätigkeit und Nebenerwerb eine Rolle. Einer Nebenerwerbstätigkeit nachzugehen, war unter DDR-Bedingungen sehr verbreitet, besonders bei Männern. Durch die zusätzliche Einkommensquelle konnte zum einen das Haushaltseinkommen aufgestockt werden, zum anderen wurden auf diese Weise zusätzliche Ressourcen erschlossen (Zugang zu knappen Gütern, Erwerb von DM). Inzwischen sind die Nebenerwerbstätigkeiten drastisch zurückgegangen. Kamen 1990 in 20 Prozent aller Haushalte Neben-erwerbstätigkeiten vor, so 1992 nur noch in 8Pro zent. Besonders stark ist der Rückgang in den Partner-Haushalten mit Kindern von 31 Prozent (1990) auf 11 Prozent (1992) 24.
Der rapide Rückgang der Nebenerwerbstätigkeit hat se
Der rapide Rückgang der Nebenerwerbstätigkeit hat seine Ursache darin, daß sich die Ostdeutschen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen voll auf die Erwerbstätigkeit (Haupterwerb) konzentrieren und auch die Marktchancen für Nebenerwerb geringer geworden sind. Nach unseren Analysen spielt Nebenerwerb heute als Versorgungsstrategie in den Haushalten keine große Rolle mehr.
V. Arbeitsplatzunsicherheit
Abbildung 5
Tabelle 3: Sorgen um die Sicherheit des Arbeitsplatzes (Männer über 44 Jahre und Frauen der Elterngeneration; 1990-1992) Datenbasis: HH = Haushalte. SOEP-Ost 1990, 1991, 1992.
Tabelle 3: Sorgen um die Sicherheit des Arbeitsplatzes (Männer über 44 Jahre und Frauen der Elterngeneration; 1990-1992) Datenbasis: HH = Haushalte. SOEP-Ost 1990, 1991, 1992.
Der mit dem gesellschaftlichen Umbruch in Ostdeutschland verbundene enorme Beschäftigungsabbau hat bei den ostdeutschen Erwerbstätigen zu berechtigten Befürchtungen geführt, möglicherweise den Arbeitsplatz zu verlieren. Diese Furcht war Ende 1990 besonders groß. Im November 1990 erwarteten etwa 2, 2 Millionen Erwerbstätige, daß sie ihren Arbeitsplatz verlieren würden, im November 1991 waren es 1, 5 Millionen und im Mai 1992 etwa 1 Million. Der Rückgang ist darauf zurückzuführen, daß sich durch den vollzogenen Arbeitsplatzabbau das Arbeitsplatzrisiko bei den noch Beschäftigten reduziert hat. Erwartungen, eine neue Arbeit aufnehmen zu können, hegten im November 1992 1, 4Millionen Erwerbstätige. Damit war die Zahl der Erwerbstätigen, die die Aufnahme einer neuen Arbeit erwarteten, erstmals größer als die Zahl jener, die mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes rechneten. Dies wird als Indikator für eine beginnende Stabilisierung der Beschäftigungslage auf niedrigem Niveau angesehen 25.
Eine neue Arbeitsstelle zu finden, fällt aber angesichts der prekären Arbeitsmarktlage noch immer schwer. Die Arbeitsmarktchancen sind für ältere Männer und für Frauen besonders schlecht. Da sie davon ausgehen müssen, daß es für sie schwierig bzw. praktisch unmöglich ist, wieder eine gleichwertige Arbeitsstelle zu finden, machen sie sich auch größere Sorgen um ihren Arbeitsplatz.
Zur Beurteilung der Besorgnissymptome haben wir zwei Haushaltstypen ausgewählt, für die die Beteiligung am Erwerbsleben wegen der zu versorgenden Kinder besonders relevant ist: Alleinerziehenden-Haushalte und Partner-Haushalte mit Kindern (vgl. Tabelle 3). Bei der Analyse dieser Tabelle ist zu beachten, daß es sich hier um Personendaten handelt. Zwar ist der Anteil der Personen, die sich große Sorgen um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes machen, von 1991 bis 1992 leicht zurückgegangen, aber der Anteil jener, die sich keine Sorgen machen, war auch 1992 gering. Daß die Arbeitsplatzunsicherheit in Ostdeutschland nach wie vor groß ist, bestätigen auch die Ergebnisse des Arbeitsmarktmonitors Jeder fünfte Erwerbstätige äußerte die Befürchtung, in nächster Zeit seine Arbeit zu verlieren. Die meisten erwarten aber, daß sie anderweitig Arbeit finden werden bzw. sich selbständig machen können, nur wenige wollen völlig aus dem Erwerbsleben aussteigen.
VI. Auswirkungen des Erwerbsstatus auf die Befindlichkeit der Haushaltsmitglieder
Abbildung 6
Abbildung 3: Erwerbskonstellation in Partnerhaushalten (1990-1992; in Prozent) Datenbasis: SOEP-OSt 1990-1992
Abbildung 3: Erwerbskonstellation in Partnerhaushalten (1990-1992; in Prozent) Datenbasis: SOEP-OSt 1990-1992
Vielfach wird von der aktuellen Erwerbssituation unvermittelt auf die Befindlichkeit der Menschen geschlossen. Dies ist bei reinen Querschnittsstudien durchaus problematisch, weil damit kausal-analytisch unzureichende Untersuchungsergebnisse produziert werden Z. B. wird ein erst seit einem Monat Arbeitsloser in der Analyse dann nämlich ebenso behandelt wie ein bereits seit einem Jahr Arbeitsloser. Demgegenüber läßt sich mit Längsschnittuntersuchungen, welche auch die Dauer der Arbeitslosigkeit berücksichtigen, zeigen, daß zwischen den Dimensionen des Erwerbs-status und der Befindlichkeit tatsächlich wechselseitige Beziehungen bestehen. Um der Dynamik bei der Veränderung des jeweiligen Erwerbsstatus in der Zeit zwischen 1990 und 1992 gerecht zu werden, wählen wir daher die Längsschnittbetrachtung. Auf diese Weise können wir uns die Veränderungen des Erwerbsverlaufs im Haushalts-kontext und deren Einfluß auf die Befindlichkeit näher anschauen. Wir konzentrieren uns dabei aus zwei Gründen auf die Veränderungen der Erwerbskonstellation in Partner-Haushalten: Erstens sind Partner-Haushalte noch immer der dominierende Haushaltstyp; zweitens kann hier die kompensatorische Rolle des Haushalts besonders gut nachgewiesen werden.
Wie aus Abbildung 3 hervorgeht, sank der Anteil der Zweiverdiener-Haushalte von 82, 4 Prozent im Jahre 1990 auf 53, 2 Prozent im Jahre 1992, und der Anteil der Alleinverdiener-Haushalte ist von 16, 2 Prozent auf 33, 2 Prozent gestiegen. Positiv ist zu vermerken, daß in der überwiegenden Zahl derPartner-Haushalte (92 Prozent) mindestens ein Partner seine Erwerbstätigkeit aufrechterhalten konnte. In der Regel waren das die Männer. Unterscheiden wir den Erwerbsstatus differenzierter, so zeigt sich indessen, daß nur noch in ca. 40 Prozent der Paar-Haushalte beide Partner eine reguläre Beschäftigung ausüben (vgl. Abbildung 4).
Ausgehend von diesen Daten wollen wir für Erwerbspersonen in Partner-Haushalten, in welchen die Frau von 1990 bis 1992 bzw. von 1991 und 1992 nicht mehr erwerbstätig war, die Auswirkungen von Erwerbslosigkeit auf einige subjektive Wohlfahrtsindikatoren im Vergleich zu den Personen in Zweiverdiener-Haushalten (also Haushalten, in welchen sowohl der Mann als auch die Frau in diesem Zeitraum erwerbstätig waren) betrachten (Tabelle 4). Sorgen und (Un-) Zufriedenheit sind wichtige Indikatoren, die das subjektive Wohlbefinden der Menschen widerspiegeln. In den Partner-Haushalten, in denen die Elterngeneration in allen drei Jahren erwerbstätig war, wurden nicht nur größere Wohlfahrtsgewinne erzielt als in den Haushalten, die von Arbeitslosigkeit bzw. anderen Formen der Nichterwerbstätigkeit betroffen waren, sondern es sind auch ein größeres Maß an Zufriedenheit (höhere Durchschnittswerte) und ein prozentual geringerer Anteil von Personen mit großen Sorgen um die eigene wirtschaftliche Lage anzutreffen (vgl. Tabelle 4, Zeile 1). Natürlich sind Sorgen, zumal um die Entwicklung der Arbeitslosigkeit, ernster zu nehmen als Unzufriedenheiten mit bestimmten Dingen des Lebens. Aus Tabelle 4 geht hervor, daß der jeweilige Erwerbsstatus (erwerbstätig oder nichterwerbstätig) entscheidend verschiedene Komponenten des subjektiven Wohlbefindens beeinflußt. Insbesondere bei Frauen, die zwar 1990 noch Arbeit hatten, aber 1991 und 1992 aus der Erwerbstätigkeit ausgeschieden sind (vgl. Tabelle 4, Zeile 3), sanken die Zufriedenheitswerte sowohl im Vergleich zu den Zweiverdiener-Haushalten als auch im Zeitvergleich. Es handelt sich hier vorwiegend um ältere Frauen, derenErwerbschancen besonders schlecht bzw. aussichtslos sind. Die beschriebene Tendenz läßt sich ebenso in der anderen Gruppe von betroffenen Haushalten erkennen (vgl. Tabelle 4, Zeile 2). Hier prägen jüngere Frauen mit Kleinkindern, denen ein Wiedereinstieg ins Erwerbsleben nicht oder noch nicht wieder gelang, die Wertungen.
Besonders deutlich wird der Zusammenhang zwischen Erwerbsstatus und subjektivem Wohlbefinden, wenn man den Anteil der Personen in den jeweiligen Haushalten betrachtet, welche sich sehr große Sorgen um die eigene wirtschaftliche Lage machen. Die direkt betroffenen Frauen sind hier wiederum besonders sensibilisiert.
Aber auch die in den betroffenen Haushalten lebenden Männer reflektieren diese Situation in ihren subjektiven Bewertungen: Die Sorgen um die eigene wirtschaftliche Lage haben im Vergleich zu Zweiverdiener-Haushalten und im Zeitverlauf zugenommen; die Zufriedenheitswerte sind gesunken. Auch aus anderen Untersuchungen ist bekannt, daß sich im Haushaltskontext eine wechselseitige Beeinflussung subjektiver Wohlfahrtskomponenten auch bei unverändertem eigenem Erwerbsstatus identifizieren läßt
Abschließend kann festgehalten werden, daß die aus Arbeitslosigkeit bzw. Erwerbslosigkeit erwachsenden Beeinträchtigungen nachhaltig die soziale Lage und damit auch die Befindlichkeit der jeweils Betroffenen und der Haushaltsmitglieder beeinflussen. Durch eine Reihe von sozialstaatlichen Übergangsregelungen, wie umfangreiche Transfers, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, aber im besonderen Maße auch durch die spezifisch ostdeutschen Haushaltsressourcen (Dominanz des Zweiverdiener-Haushaltes bzw. dieeigenen Renten-bzw. Leistungsansprüche vieler Frauen, welche ab 1990 zunehmend verschwinden) konnten soziale Härten bisher weitgehend vermieden bzw. abgefedert werden. Gleichwohl bleibt auch im vierten Jahr nach der Vereinigung das Problem bestehen, daß ein großer Teil der ostdeutschen Haushalte am Massenkonsum beteiligt ist, ohne hinreichend an der wertschöpfenden Arbeit teilhaben zu können. Die Schaffung regulärer Arbeitsplätze und der Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung ist daher ein Gebot volkswirtschaftlicher Vernunft und liegt zugleich im Interesse der privaten Haushalte. Nur so läßt sich eine drastische Zunahme sozialer Ungleichheit mit allen ihren Negativerscheinungen verhindern.
Horst Berger, Prof. Dr. rer. oec. habil., geb. 1934; Studium, Promotion und Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin; von 1977 bis zur Abwicklung des Instituts für Soziologie und Sozialpolitik der Akademie der Wissenschaften der DDR Bereichsleiter; seit Januar 1992 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Sozialbericht-erstattung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg. zus. mit Herbert F. Wolf und Arndt Ullmann) Handbuch der soziologischen Forschung, Berlin 1989; (Mitautor und Hrsg.) Sozialreport Ost-Berlin 1990. Daten und Fakten zur sozialen Lage, Berlin 1990; (Mitautor) Sozialreport 1992, Berlin 1992; (Mitautor) Veränderungen der Struktur und der sozialen Lage ostdeutscher Haushalte nach 1990, WZB-Arbeitspapier P 93-105, Berlin 1993. Annett Schultz, Diplomsoziologin, geb. 1963; Studium der Soziologie in Leipzig; wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Sozialberichterstattung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Veröffentlichungen u. a.: (Mitautorin) Veränderungen der Struktur und der sozialen Lage ostdeutscher Haushalte nach 1990, WZB-Arbeitspapier P 93-105, Berlin 1993.
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