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Forschung und Staat in der Bundesrepublik Deutschland | APuZ 24/1995 | bpb.de

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APuZ 24/1995 Forschungs-und Technologiepolitik der Europäischen Union. Vergangenheit -Gegenwart -Zukunft der EG/EU-Programme Die europäische Industriepolitik zur För derung von Forschung und technologischer Entwicklung Eureka. Entstehung, Entwicklung und Ergebnisse der französischen Technologie-Initiative Forschung und Staat in der Bundesrepublik Deutschland

Forschung und Staat in der Bundesrepublik Deutschland

Wolfgang Krieger

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Zusammenfassung

An der Forschungspolitik sind im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat vielerlei Akteure mit sehr unterschiedlichen Kulturen und Interessen beteiligt. Die bundesstaatliche Ordnung schafft zusätzliche Komplikationen. Gleiches gilt für die internationale Verflechtung in Bereichen wie Kernforschung und Raumfahrt. Relativ leicht lassen sich die hauptsächlichen Institutionen der staatlichen Forschungsförderung sowie die Erfolge und Mißerfolge staatlicher Technologiepolitik aufzählen. Doch die eigentliche Kursbestimmung der Forschung und Entwicklung (FuE) bleibt weitgehend den Wissenschaftlern beziehungsweise den wirtschaftlichen Unternehmungen überlassen. Im übrigen ist der Prozeß der Forschung schwer vorherbestimmbar und deshalb nur schwer effizient zu gestalten. Trotzdem erweckt staatliche Forschungspolitik den Eindruck, es lasse sich jeglicher Erfolg erzielen, wenn man nur genügend Geld habe und die „richtige“ Politik betreibe. Dabei ist die politische Steuerung der Forschung oft genug unwirksam oder gar kontraproduktiv. Eine zentrale Rolle hat der Staat nur bei der wissenschaftlichen Ausbildung und bei der Grundlagenforschung. Eher skeptisch zu beurteilen ist seine Fähigkeit, technische Innovationen zu steuern. Das wird zwar im Sinne einer aktiven „Industriepolitik“ (ob national oder im EU-Rahmen) immer wieder gefordert. Aber mehr als 40 Jahre bundesdeutscher und westeurooäischer Technologiepolitik sollten den Optimisten zu denken geben.

I. Vorbemerkungen

Ein hochindustrialisierter Staat wie die Bundesrepublik Deutschland hat drei Gründe, sich mit wissenschaftlicher Forschung zu befassen. Erstens ist Forschung ein bedeutender Faktor der Leistungs-und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Das ist von entscheidender Bedeutung bei jener Forschung und Entwicklung (FuE), die zu marktfähigen Produkten führt und deren Erfolg deshalb über den Wohlstand, nicht zuletzt auch über das Steueraufkommen eines Staates entscheidet. Zweitens versetzt Forschung den Staat in die Lage, seiner Vorsorge-und Fürsorgepflicht nachzukommen. Hierher gehören die medizinische, die landwirtschaftliche und die Umweltforschung, aber auch Forschung, die der Sicherheitspolitik dient. Schließlich zählt drittens die Forschung im Rahmen der Wissenschaft -neben der Bildung und den Künsten -zu jenen staatlichen Kulturaufgaben, die sich bereits der vordemokratische europäische Staat zur Aufgabe gemacht hatte und die der moderne demokratische Staat in stark erweiterter Form übernommen hat.

Doch wie verträgt sich dieses Engagement mit dem in Artikel 5 Absatz 3 formulierten Anspruch des Grundgesetzes: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“? Kann es eine Freiheit der Wissenschaft geben, wenn sich der Staat aus Gründen einmischt, von denen zumindest die beiden erstgenannten -also die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und die Vorsorge -zwingend erscheinen? In Begriffen der juristischen und der politischen Praxis gesprochen: Kann es diese Freiheit überhaupt geben, wenn etwa die Hälfte aller deutschen Wissenschaftsausgaben vom Staat und die andere Hälfte aus der gewerblichen, also profitorientierten Wirtschaft kommen?

Im November 1995, anläßlich der Eröffnung des Deutschen Museum Bonn, erscheint eine erweiterte Fassung dieses Beitrages in einem von Peter Frieß und Peter Steiner herausgegebenen Band.

Die Antwort lautet „ja“, aber die Probleme im Verhältnis von Forschung und Staat reichen weit über das Finanzielle hinaus. In erster Linie hat der Staat gewisse Rechtsgrundsätze vorzugeben und für deren Einhaltung zu sorgen. Er muß an bestimmten Stellen die Forschung einschränken oder sogar verbieten. Nicht alles, was wissenschaftlich interessant ist, kann im Sinn der Wissenschaftsfreiheit akzeptiert werden. Beispiele sind in der Genforschung und bei Versuchen an lebenden Tieren oder gar an Menschen zu finden. Sodann muß der Staat das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit durchsetzen, auch in privaten, profitorientierten Betrieben und in der Auftragsforschung staatlicher Behörden.

Den finanziellen Belangen geht die ebenso verfassungsrechtliche wie politische Grundsatzfrage voraus, ob der Staat Forschung überhaupt fördern oder gar selbst betreiben soll. Denn hier konkurrieren zwei Prinzipien miteinander: Der Staat soll sich einerseits der Forschung bedienen, andererseits muß er ihr möglichst viel Freiheit schaffen und belassen. Weil er das Monopol auf die Sicherung der rechtsstaatlichen Ordnung im Inneren und nach außen hat und weil ihm eine Fürsorgepflicht für das Wohlergehen seiner Bürger und für ihren wirtschaftlichen Wohlstand zugesprochen wird, muß er die benötigte Forschung entweder in eigener Regie betreiben, oder er muß Wissenschaftler finanziell fördern, die bereit sind, im Sinne dieser staatlichen Zielsetzungen tätig zu werden. Aber wie weitgehend darf sich ein marktwirtschaftlich orientierter liberal-demokratischer Staat engagieren, der aus grundsätzlichen Erwägungen nur dort aktiv werden soll, wo private Tätigkeit nicht möglich oder nicht hinreichend wirksam ist?

II. Grundsätzliche Fragen

Zunächst ist festzustellen, daß der Staat in Wissenschaft und Forschung kein Monopol hat. Deshalb muß staatliche Tätigkeit im Bereich der Forschung immer wieder politisch gerechtfertigt werden und prinzipiell durch nichtstaatliche Lösungen ersetz­bar sein Dort, wo sich der Staat selbst betätigt, gilt das föderalistische Prinzip der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern.

In Art. 30 spricht das Grundgesetz (GG) den Ländern alle Kompetenzen zu, die es nicht ausdrücklich dem Bund zuweist. Es gilt die Kulturhoheit der Länder, also deren primäre Zuständigkeit für Bildung, Wissenschaft und Kirchenfragen. Der Bund hat allerdings eine eingeschränkte Kompetenz für Forschungsförderung. Sie ist vor allem in Art. 74 Abs. 13 GG und Art. 91b GG festgelegt. Seine Kompetenz in der Universitätsforschung ist zusätzlich geregelt in Art. 75 Abs. 1 a GG und in Art. 91a GG. Ausführungsbestimmungen finden sich im Hochschulrahmengesetz samt Novellierungen und in einer Reihe von Bund-Länder-Abkommen. Sinn und Zweck dieser Bundeskompetenzen ist es, Forschung und wissenschaftliche Ausbildung in dem Maß zu fördern, wie diese Aufgaben die Leistungsfähigkeit der Länder übersteigen.

Wie alle Staatstätigkeit muß sich die Forschungspolitik am Grundsatz der Wirtschaftlichkeit orientieren. Deshalb ist insbesondere bei der Produktentwicklung für wettbewerbsorientierte Märkte abzuwägen, ob Forschung in staatlichen Instituten oder in Instituten der wissenschaftlichen Selbstverwaltung erfolgen soll, ob staatliche Gelder an private Unternehmungen zu geben sind oder ob durch Steuerersparnis entsprechende Anreize für privatwirtschaftliche Forschung und Entwicklung zu gewähren sind. Erschwert werden derartige Entscheidungen jedoch, weil der Staat selbst nifcht festlegen darf, was Wissenschaft ist. Zugleich kann er seine Mittel aber nur dann effizient einsetzen, wenn er weiß, wie Wissenschaft funktioniert, und wenn er wenigstens ungefähr die Leistungsfähigkeit von Forschungsgebieten einschätzen kann.

Weil der Staat die Ziele, Normen und Arbeitsweisen der Wissenschaft nicht festlegen darf, muß staatliche Förderung an den autonomen Vorgaben der Wissenschaft ausgerichtet werden In den westlichen industriellen Demokratien setzt sich die von Michael Polanyi apostrophierte „Gelehrtenrepublik“ durch, also das Postulat nach Selbstbestimmung der Wissenschaftler über ihre Forschung. Überprüfung von Projekten und Ergebnissen durch anerkannte wissenschaftliche Autoritäten („peer review“), Freiheit von staatlichen Eingriffen und internationaler Austausch von Daten und Ergebnissen definieren nach diesem Verständnis die Freiheit der Wissenschaft

Auf unsicherem Gelände bewegt man sich mit der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Ökonomie und Forschung. Die Nationalökonomie befaßte sich reichlich spät mit dem Produktionsfaktor Wissenschaft Umstritten ist nicht zuletzt, wie Erfolge in der Technologiepolitik zu messen sind. Neben Indikatoren wie Patentanmeldungen oder dem Rückfluß von Subventionsmitteln bleibt vieles im Reich mehr oder weniger gesicherter Spekulationen. Das gilt auch für die internationale Wettbewerbsfähigkeit, welche angesichts einer Export-quote von einem Drittel des Bruttosozialproduktes für die Bundesrepublik besondere Bedeutung hat. Dabei hängt die Wettbewerbsfähigkeit nicht einfach von der Menge und Qualität der Hochtechnologiegüter ab, sondern in erheblichem Maß von der Umsetzungsgeschwindigkeit technologischer Neuerungen in marktfähige Produkte einerseits und andererseits von einem günstigen Mischungsverhältnis von Waren auf unterschiedlichem Technologieniveau.

Die Grenzen zu nichtökonomischen Kriterien sind fließend. Moderne Technologien stellen mehr und mehr das internationale Ordnungsprinzip der staatlichen Souveränität in Frage. Die Beispiele reichen von weitreichenden Waffensystemen bis zu grenzüberschreitenden Informationstechnologien (Fernsehen, Datenbanken, Satelliten usw.), gegen die sich kulturelle, ideologische und nationale militärische Barrieren kaum behaupten können Zusammenfassend läßt sich festhalten: In der Bundesrepublik darf der Staat nach Gesichtspunkten der Nützlichkeit Forschung fördern, unter bestimmten Bedingungen sogar in eigener Regie betreiben. Dabei muß er nicht nur selbst die Freiheit der Wissenschaft beachten, sondern sie auch überall durchsetzen. Und er muß eine gewisse Zensur ausüben, allerdings nur soweit, wie Grund-und Menschenrechte massiv betroffen sind Weitere Einschränkungen können sich auch aus Belangen des Datenschutzes, des Tier-und Naturschutzes und der staatlichen Geheimhaltung ergeben Was darüber hinaus wissenschaftlich richtig ist, darf der Staat nicht selbst entscheiden Er legt allerdings in erheblichem Umfang fest, was er für förderungswürdig hält. Schließlich bestehen hinsichtlich der Optimierung des Forschungsprozesses sowohl innerwissenschaftliche als auch ökonomische Probleme, deretwegen die staatliche Forschungspolitik immer wieder an Grenzen stößt, die sie weder überwinden kann noch beiseite räumen darf. Hier besteht ein grundsätzlicher Unterschied etwa zur Bildungspolitik, wo die Definition der Bildungsziele sehr wohl durch den Staat erfolgen kann -durch Schul-und Universitätsgesetze, Lehrpläne, Prüfungsordnungen usw. -und zum Teil erfolgen muß, um bestimmte Grundrechte und Staatsziele durchzusetzen.

III. Wie betreibt und fördert der Staat die Forschung in der politischen Praxis?

In der Bundesrepublik ist die Unterscheidung zwischen Forschungsförderung und Ressortforschung geläufig. Bei der Forschungs/önimmg handelt es sich um die Vergabe staatlicher Mittel an Forschungsvorhaben oder Entwicklungsprojekte, wo­ bei die staatliche Seite die Forschungen eventuell anregt und mitbestimmt. Nur bei der Ressort-forschung (auch Verwaltungsforschung genannt), konkret gesprochen in den staatlichen Forschungsanstalten, kann die Vorgesetzte Behörde unmittelbare Weisungen hinsichtlich der zu erforschenden Gegenstände erteilen Diese Unterscheidung ist auch eine staatsrechtliche, denn in der Ressort-forschung der Bundesanstalten gibt es keine Mitsprache der Länder. Entsprechendes gilt umgekehrt für die Ressortforschung, die den Länder-ministerien untersteht.

Die Ressortforschung konzentriert sich zu einem erheblichen Teil auf hoheitliche Aufgaben, das heißt Aufgaben, die nur der Staat erfüllen kann. Beispielsweise befaßt sich das Bundesgesundheitsamt (bzw.seine Nachfolgeeinrichtungen) mit der Zulassung und Sicherheit von Arzneimitteln sowie mit Untersuchungen, die mit der Einhaltung des Pflanzenschutzes und Chemikalienrechts zu tun haben. Es gibt allerdings zahlreiche Fälle, bei denen eine zwingende hoheitliche Aufgabe nicht erkennbar ist. So gehen beispielsweise vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft, das dem Bundesinnenminister untersteht, keine gesetzlich verbindlichen Forschungsergebnisse aus.

Die Ressortforschung folgt also in zweierlei Hinsichten nicht der puren Logik. Erstens ist die Zuordnung von nicht-privatwirtschaftlichen Forschungseinrichtung eine historisch gewachsene. Deshalb wird manche wissenschaftliche Einrichtung hier einsortiert, obwohl es nicht sein müßte. Und zweitens wird nicht jede Forschung, die mit einer staatlichen Fürsorge-oder Prüfungspflicht zu tun hat, als Ressortforschung betrieben. Ein Beispiel dafür sind die Technischen Überwachungsvereine, denen der Staat die gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsüberprüfung von Automobilen und von anderen technischen Einrichtungen (Personenaufzüge, Druckkessel usw.) übertragen hat.

Historisch gewachsen und deshalb in der Zuordnung nicht immer sachlogisch ist auch die deutsche „Forschungslandschaft“ im Bereich der ForschungsFörderung. Hierher, und nicht in die Ressortforschung, gibt der Staat bei weitem das meiste Geld. Auf Bundesebene fließen etwa DM 30 Milliarden in Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, von denen nur DM 2, 2 Milliarden an bundes-eigene Forschungseinrichtungen gehen. DM 8, 5 Milliarden kommen durch Steuerersparnisse der Privatwirtschaft zugute. Weitere DM 8, 8 Milliarden erhält sie über die direkte Projektförderung des Bundes. Rund DM 10, 3 Milliarden fallen der „institutioneilen Förderung“, also den nicht-gewinnorientierten Forschungseinrichtungen zu. Der Rest von DM 1, 8 Milliarden wird für die internationale Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung aufgewendet, vor allem in der Luft-und Raumfahrt sowie in der Kernforschung.

Ohne an dieser Stelle in das Labyrinth der Forschungsstatistik eintreten zu wollen, muß wenigstens in groben Zügen hervorgehoben werden, daß von den gesamten Wissenschaftsausgaben der Bundesrepublik Deutschland, die 1992 über DM 99 Milliarden betrugen, nur die Hälfte aus öffentlichen Haushalten kamen -runde DM 30 Milliarden von den Ländern und Gemeinden und DM 21 Milliarden aus Mitteln des Bundes. Zu berücksichtigen ist hier die Unterscheidung zwischen den Wissenschaftsausgaben, die alles umfassen, und den Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die etwas mehr als 80 Milliarden DM betragen und in denen keine Ausgaben für die wissenschaftliche Ausbildung -also für die Hochschulen -enthalten sind.

Somit ergibt sich in etwa die folgende Aufgaben-verteilung: Die Privatwirtschaft finanziert mehr als die Hälfte aller FuE-Ausgaben, wobei sie zusätzlich Steuerentlastungen und direkte Projektmittel des Staates erhält. Die Länder finanzieren in der Hauptsache die Hochschulen, also die wissenschaftliche Ausbildung, Bund und Länder betreiben jeweils in eigener Verantwortung Ressortforschung, die jedoch einen vergleichsweise geringen Umfang hat. Der größte Teil staatlicher Forschungsförderung für nicht-privatwirtschaftliche Zwecke fließt aus den Kassen von Bund und Ländern, nach einem jeweils festgelegten Beteiligungsschlüssel, in die Institutionen der Forschungsförderung.

Um welche Institutionen handelt es sich dabei? Warum gibt es sie? Und welche Aufgaben haben sie?

Die größte unter ihnen -dem Finanzvolumen nach -ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit etwa DM 1, 6 Milliarden, die zu 60 Prozent aus Bundesmitteln stammen. Ihre Aufgabe besteht hauptsächlich darin, die Universitäten mit Forschungsmitteln auszustatten, wobei das Geld nur auf gesonderten Antrag, nur für zeitlich befristete Projekte und in der Konkurrenz von Projektanträgen eines jeweiligen Faches vergeben wird. Die Beurteilung der Anträge erfolgt ausschließlich durch Fachgremien, die aus gewählten Vertretern der einzelnen Wissenschaften zusammengesetzt sind. Das heißt, der Staat gibt die Fördermittel in die Selbstverwaltung der Wissenschaft, ohne selbst Prioritäten zu setzen und ohne Bezug auf zwei der drei eingangs genannten Staats-aufgaben: die Pflicht zur Fürsorge und Vorsorge sowie das Interesse am marktwirtschaftlichen Wettbewerb

Eine Reihe weiterer Verteilungsinstitutionen staatlicher Forschungsmittel ergänzt die Tätigkeit der DFG. Der Deutsche Akademische Austausch-dienst (DAAD), dessen Mittel (ca. DM 345 Millionen) weitgehend vom Bund kommen, unterstützt Auslandsaufenthalte zu Forschungs-und Studienzwecken. Sein Gegenstück, die Alexander von Humboldt-Stiftung, mit knapp DM 100 Millionen ebenfalls vom Bund finanziert, lädt ausländische Forscher nach Deutschland ein und finanziert über das Feodor-Lynen-Programm deutsche Wissenschaftler im Ausland. Mit etwa DM 160 Millionen ist die Volkswagen-Stiftung die größte unabhängige Einrichtung der Forschungsförderung -unabhängig insofern, als ihre Mittel nicht direkt aus staatlichen Etats, sondern in Form von Gewinnausschüttungen aus einem eigenem Kapitalstock fließen. Dieser ist jedoch nicht privat, sondern stammt aus staatlichem Aktienbesitz am Volkswagenkonzern, dessen Dividende an die Stiftung zum Zweck der Forschungsförderung geht.

Tatsächlich private Stiftungsgelder für die Forschung, beispielsweise die jährlich etwa DM 100 Millionen des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, gehören nur deshalb zum Thema „Forschung und Staat“, weil die Steuerpolitik diese private Forschungsförderung ermuntert und es sich insofern hierbei um Kontrastprogramme, ja sogar Erneuerungsimpulse für die staatliche Forschungspolitik handelt.

Während die bisher genannten Institutionen staatliche Forschungsmittel in eigener Regie verteilen, allerdings nach bestimmten Maßgaben und unter einer gewissen staatlichen Aufsicht, ist nun von einer zweiten Kategorie von Institutionen zu sprechen. Sie verteilen staatliche Fördermittel von Institutionen auf Forschungseinrichtungen, welche sie zugleich selbst betreiben.

Gemessen am Finanzvolumen sind hier zuerst die 16 Großforschungseinrichtungen (GFE) zu nen-nen, die zusammen etwa DM 2, 9 Milliarden an staatlichen Mitteln erhalten, davon 90 Prozent > vom Bund und 10 Prozent vom jeweiligen Sitzland. Die erste Gründungswelle begann 1956, als die soeben souverän gewordene Bundesrepublik in großem Umfang auf dem Gebiet der zivilen Kern-technik aktiv wurde. Dieser inhaltliche Schwerpunkt kennzeichnete die GFE für mehrere Jahrzehnte, obgleich in den sechziger Jahren die Krebsforschung, die Luft-und Raumfahrtforschung sowie die Datenverarbeitung hinzutraten. Seit den siebziger Jahren fand eine weitere Differenzierung statt, wobei die Umweltforschung einen neuen Schwerpunkt bildete, der sich auf mehrere GFE erstreckte Über 21000 Mitarbeiter, davon über 5 100 Wissenschaftler, sind heute in den GFE tätig. Welche Rechtfertigung gab und gibt es -trotz der Kulturhoheit der Länder -für dieses große Engagement des Bundes?

Zwei in der Gründungsphase oftmals gegebene Rechtfertigungen für die Errichtung der GFE sind die Dimensionierung bestimmter Forschungsgebiete und deren außenpolitische Bedeutung oder gar Brisanz. Kernforschung braucht ungeheuer aufwendige, große Geräte (Reaktoren, Beschleuniger usw.) und entsprechend viel Personal zu deren Betrieb. Das gleiche gilt für die Luft-und Raumfahrt. Beide haben besondere Bedeutung für die Außenpolitik, welche ihrerseits alleinige Bundeszuständigkeit ist. Aber diese Argumente überzeugen nicht überall. Beispielsweise lassen sich die Krebsforschung und die Datenverarbeitung sehr wohl auch in kleineren Einheiten betreiben.

Kann man noch von „Förderung“ sprechen, ist weiter einzuwenden, wenn zwar formal die GFE zumeist in die Rechtsform der GmbH gegossen sind, der geldgebende Bundesforschungsminister jedoch vorschreibt, daß die Mitarbeiter nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (BAT) bezahlt werden müssen -weshalb wenig Möglichkeiten für leistungsorientierte Gehälter bestehen -und daß die GFE nachgeordneten Behörden vergleichbar als „Projektträger“ agieren müssen, um bundesfinanzierte Projekte der Industrieforschung zu beaufsichtigen? In welchem Umfang politischer Druck ausgeübt wird, läßt sich schwer dokumentieren. Immerhin gab es Gründe, 1970 die Arbeitsgemeinschaft der GFE einzurichten.

Damit strebten die Chefetagen der GFE eine bessere Vertretung gemeinsamer Interessen gegenüber dem Ministerium an Mehr als andere Einrichtungen der staatlichen Forschungsförderung repräsentieren die GFE jene schleichende Gewichtsverlagerung zugunsten des Bundes, die in den Grundgesetzänderungen von 1969 (insbesondere Art. 91b GG) deutlich zum Ausdruck kam. Zugleich verwischte sich bei den GFE die Abgrenzung zwischen Ressortforschung und Forschungsförderung.

Der Begriff des Förderns, ohne daß der staatliche Geldgeber über Forschungsm/tn/fe mitredet, paßt jedenfalls präziser für die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (MPG). Ausgestattet mit staatlichen Fördermitteln von etwa DM 1, 2 Milliarden, je zur Hälfte von Bund und Ländern, betreibt sie derzeit 59 Forschungsinstitute sowie eine Reihe kleinerer Einrichtungen. Vertreten sind hauptsächlich die Naturwissenschaften und hier wiederum vor allem die Grundlagenforschung. Die MPG entscheidet weitgehend unabhängig von ihren staatlichen Geldgebern, für welche Forschungen die Mittel verwendet werden sollen Im Unterschied zur DFG betreibt sie jedoch mit ihren über 10000 Beschäftigten eigene Forschung. Und sie tut es als dauernde Aufgabe, nicht mittels befristeter Projekte.

Eine weitere Kategorie von staatlich geförderter Forschung, die ohne Nähe zu Produkten für den ökonomischen Wettbewerb erfolgt, sind jene derzeit 82 Institute, die ebenfalls gemeinsam von Bund und Ländern gefördert werden und die man unter der Bezeichnung „Blaue Liste“ zusammenfaßt. Sie sind selbständige Forschungseinrichtungen und Einrichtungen mit Servicefunktion für die Forschung. Der Name geht auf Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zurück, bei denen man in den siebziger Jahren auf blauem Konzept-papier eine Liste der Forschungseinrichtungen von gesamtstaatlicher oder jedenfalls deutlich überregionaler Bedeutung zusammenstellte. Gemeinsam war diesen Einrichtungen, daß sie auf die eine oder andere Weise auf Bundesmittel angewiesen, jedoch keiner größeren Forschungsstruktur (beispielsweise der MPG) zuzuordnen waren.

Mit rund 10000 Mitarbeitern und staatlichen Zuwendungen von ca. einer Milliarde D-Mark sind sie der MPG durchaus ebenbürtig. Es gibt jedoch bedeutende forschungspolitische Unterschiede, » denn es fehlt ein zentraler Apparat der Mittelvergabe und der wissenschaftlichen Beurteilung nach dem Modell der DFG-und der MPG-Gremien. Dadurch besteht die Gefahr, daß die Politik -konkret gesprochen die zuständigen Minister und Beamten der geldgebenden Ministerien -unmittelbar Einfluß nehmen könnte. Um das zu vermeiden, hat man Verwaltungsräte oder Aufsichtsräte sowie wissenschaftliche Beiräte eingesetzt und eine Arbeitsgemeinschaft aller Institute gegründet. Einen gewissen Schutz bildet auch die übliche Zuwendungsverteilung von 50: 50 zwischen dem Bund und dem Sitzland (oder mehreren Bundesländern). Um dem berechtigten Interesse des Staates am marktwirtschaftlichen Wettbewerb nachzukommen, hat man schließlich einen weiteren Organisationsverbund von staatlich geförderten Forschungsinstituten eingerichtet: die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung (FhG). Sie unterhält 60 Institute mit einem Gesamtetat von ca. DM 1 Milliarde und insgesamt 6200 Beschäftigten. Außer den Vorhaben der Verteidigungsforschung, die zu 100 Prozent vom Bund finanziert werden, haben die Einrichtungen der FhG eine Mischfinanzierung -etwa je zur Hälfte aus Mitteln des Bundes und der Länder einerseits und der Industrie andererseits. Thematische Schwerpunkte der FhG-Forschung insgesamt sind die Mikroelektronik, die Produktautomatisierung, die Werkstofforschung und die Umwelttechnik.

Zur Verteidigungsforschung hatte die Bundesrepublik immer ein verkrampftes Verhältnis. Seit dem Beginn der Wiederaufrüstung wollte man in Bonn jeden Anschein vermeiden, als würde in Westdeutschland das entstehen, was der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower in seiner Abschiedsrede von 1961 -bezogen auf die USA -als den „militärisch-industriellen Komplex“ bezeichnete. Der Bundesbericht Forschung 1993 weist voller Stolz darauf hin, daß in Deutschland „nur“ 12 Prozent aller staatlichen FuE-Aufwendungen in die „wehrtechnische Forschung und Entwicklung“ gehen, während es in den USA 75 Prozent, in Großbritannien 50 Prozent und in Frankreich 34 Prozent seien An anderer Stelle gesteht er jedoch ein, daß in Deutschland 50 Prozent aller FuE-Ausgaben des Bundes für die gewerbliche Wirtschaft in diesen Sektor fließen

IV. Entwicklungsstufen bundesdeutscher Forschungspolitik

Forschungspolitik hat nicht nur mit schwierigen Problemlagen zu tun, und sie erschließt sich nicht einfach durch das Profil ihrer Institutionen. Sie ist auch einem ständigen Wandel unterworfen. Dabei kehren manche Argumente, Lösungsvorschläge und kritische Einwände in gewissen Zeitabständen wieder, wenn auch mit Abwandlungen Niemand hat eine letztgültige Antwort auf die für den staatlichen Geldgeber wichtige Frage, wie sich mit möglichst geringem Finanzaufwand möglichst viel Innovation herbeiführen läßt, die zudem noch möglichst menschen-und umweltfreundlich sein soll."

Zu den bestimmenden Merkmalen der frühen bundesdeutschen Forschungspolitik gehört ihre überwiegende Orientierung auf die Länder. Entscheidende Weichenstellungen erfolgten in der Besatzungszeit mit der Neu-bzw. Wiedergründung der großen Forschungsorganisationen (DFG und MPG) und mit der Wiedereröffnung der Universitäten. Ein Vorläufer der „Blauen Liste“, das Königsteiner Abkommen vom März 1949, sah bereits eine gemeinsame Finanzierung für Forschungseinrichtungen von überregionaler Bedeutung vor, aber im Grundgesetz wurde die Zuständigkeit für die Forschungsförderung weitgehend den Ländern überlassen. Dabei erhoben schon zur Zeit des Parlamentarischen Rates (1948/49) führende Wissenschaftler (unter ihnen Werner Heisenberg) Einwände. Man ging von einem Verständnis von Forschungsförderung aus, das sich am hergebrachten Primat der Universitätsforschung orientierte 1. Kernforschung und -technik -Schwerpunkt bundesdeutscher Technologiepolitik Im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik wurde die zivile Kernenergie zum Motor einer schnell anwachsenden Bundeszuständigkeit für Forschung, wogegen die Länder noch lange Jahre ankämpften Zunächst enthielt das Grundgesetz keine entsprechende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes, da Kernenergie im Zeitpunkt der Verfassungsgebung nicht genutzt werden durfte. Eine angestrebte Grundgesetzänderung verfehlte 1957 im Bundestag die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Deshalb erließen einige Bundesländer 1957 und 1958 eigene Atomgesetze. Erst im Dezember 1959 konnte der Zusatz Art. 74 Abs. 11a GG eingefügt werden, und kurz darauf trat das Bundesatomgesetz von 1959 in Kraft.

Den entscheidenden Anstoß gab die amerikanische Initiative „Atoms for Peace“ (1953), mit der die Weitergabe von Expertise und von nuklearen Brennstoffen angeboten wurde Auf der internationalen UNO-Atomkonferenz in Genf im August 1955 hatten deutsche Wissenschaftler erstmals Gelegenheit, sich umfassend über den Stand der Technik zu informieren. Im gleichen Jahr gründete man ein Atomministerium, dessen erster Minister Franz Josef Strauß dazu aufrief, den zehn-bis fünf-zehnjährigen Rückstand aufzuholen. Ziel sei es, „für das deutsche Volk den mühsam wiedergewonnenen Platz unter den Industrienationen dieser Welt zu behaupten und zu sichern“ Das „Atomzeitalter“ schien Wohlstand dank unerschöpflicher Energien zu versprechen.

Die Entwicklung der zivilen Kernkraft in der Bundesrepublik war jedoch nur zum Teil eine wissenschaftlich-technische oder energiepolitische Frage. Es spielten auch hergebrachte Vorstellungen von Autarkie eine Rolle. Das wurde in der Debatte um den 1968 abgeschlossenen Atomwaffensperrvertrag (NPT) nochmals deutlich. Vor allem symbolisierte die Kernkraft die Vision einer modernen Gesellschaft, und nicht zufällig war die deutsche Sozialdemokratie genauso von der Kernkraft begeistert wie die britische Labour Party, getreu dem Fortschrittsoptimismus von Karl Marx, der die technische Revolution als Bedingung der Befreiung der Arbeiterklasse gesehen hatte. Es wäre also ganz falsch, die Kernkraft erst seit dem Aufbegehren der Ökologiebewegung in den siebziger Jahren als „politisch“ zu begreifen.

Um die Kernforschung und -technik voranzutreiben, wurden große Forschungszentren in Karlsruhe, Jülich und Geesthacht gegründet (1956), denen weitere nachfolgten. Trotz aller euphorischen Erwartungen ergriff die Privatwirtschaft allerdings nur zögernd die Initiative. (Ähnliches hatte sich übrigens in den USA seit den ersten Reaktorprojekten abgezeichnet.) Hohe Entwicklungskosten und Investitionen standen bevor; eine mächtige Lobby verwies auf die großen deutschen Kohlevorräte; zwischen 1958 und 1967 schnellte der Einsatz von zunehmend billigerem Erdöl von 11 auf 48 Prozent des Primärenergieverbrauchs hoch. Die Privatindustrie verlangte für ihre Mitwirkung am Bau von Kernreaktoren, daß das wirtschaftliche Risiko überwiegend durch die Staatskasse abzudecken sei. Schubkraft erhielt die Stromgewinnung aus Kernenergie durch den „Ölschock“ nach 1973, der weltweit große Programme zum Reaktorbau auslöste. Aber selbst heute läßt sich diese Energie schwerlich als kostengünstig bezeichnen, auch wenn man nur die absehbaren Kosten und Risiken der langfristigen Entsorgung einkalkuliert.

Was es bedeutet, daß die Kernenergie die frühe bundesdeutsche Technologiepolitik weitgehend beherrschte, jedenfalls gemessen an den staatlichen Ausgaben, läßt sich an zwei Bereichen der Technologieförderung ablesen: an der Luft-und Raumfahrt und an den Computerwissenschaften 2. Forschungspolitische Versäumnisse in der Luft-und Raumfahrt und den Computerwissenschaften Die deutsche Luftfahrtindustrie konnte bereits vor Aufhebung der alliierten Beschränkungen erstaunlich schnell wieder Fuß fassen, obgleich Bundeskanzler Adenauer 1952 den Westmächten versichert haben soll, sein Land wolle vorerst keine eigenen Zivilflugzeuge bauen. Schon 1956 begann die Serienfertigung einer Eigenkonstruktion, nämlich des Mehrzweckflugzeuges Do 27, das man im Dornier-Konstruktionsbüro im Spanien General Francos entwickelt hatte. Über Lizenzproduktionen für die bundesdeutsche Luftwaffe konnte der Anschluß an moderne Technologien und Ferti-gungsweisen gefunden werden. Dazu gehörte vor allem der europäische Nachbau von 1000 Überschalljägern des amerikanischen Starfighter F-104 G, des italienischen Jägers Fiat G-91 und von Turbo-Prop-Transport-und Aufklärungsflugzeugen (Transall C-160 und Brequet Atlantic). Kleinere und mittelgroße Zivilflugzeuge (VFW 614, Hansa Jet usw.) sowie Hubschrauber kamen in die Entwicklung und Fertigung. Sie konnten sich jedoch nur schwer gegen die kostengünstigen -weil in großen Stückzahlen produzierten -amerikanischen und die hoch subventionierten westeuropäischen Modelle behaupten Erst durch den Airbus entstand eine der übrigen Wirtschaftskraft entsprechende Großindustrie. Sieben Jahre nach seinem Jungfernflug von 1972 schaffte er den kommerziellen Durchbruch.

Die westdeutschen Forschungen und Erprobungen zur Raumfahrt begannen erstaunlich früh, aber erst 1962 wurden bescheidene elf Millionen D-Mark an Bundesmitteln für die Raumfahrt zur Verfügung gestellt Bezeichnenderweise kam der Anstoß dazu nicht durch den „Sputnik-Schock“ von 1957 -dem völlig überraschenden Raumfahrt-erfolg der Sowjets -, der in den USA einen dramatischen Anstieg der Forschungsmittel bewirkt hatte, sondern durch die Gründung von zwei europäischen Raumfahrtorganisationen -eine für Satellitenentwicklung (ESRO) und eine für Raketenentwicklung (ELDO) -, denen die Bundesrepublik 1963 beitrat. Europapoliük und nicht Techno/og/epolitik gab also den Ausschlag

Deutsche sollten die dritte Stufe einer europäischen Trägerrakete (ELDOA) bauen, deren erste Stufe die Briten in Form einer noch unfertigen Militärrakete (Blue Streak) einbrachten. Aber ein Jahrzehnt nach Konstruktionsbeginn hatte es insgesamt elf Fehlstarts gegeben. Für zehn Milliarden D-Mark, von denen etwa zwei Milliarden aus Bonn kamen, war die Europarakete technologisch auf dem Niveau, das die Amerikaner bereits Ende der fünfziger Jahre mit ihrem Typ Thor-Delta erreicht hatten. Wäre es nicht billiger, so wurde in der Öffentlichkeit gefragt, man würde die europäi-sehe Nutzlast mit amerikanischen Raketen ins All befördern und auf eine eigene Entwicklung verzichten? Immerhin gelang es 1968, die deutschen Forschungseinrichtungen der Luft-und Raumfahrt zur Großforschungseinrichtung DFVLR zu vereinigen, sie jährlich zu drei Vierteln mit Bundes-und Ländermitteln auszustatten und somit auf deutscher Seite für mehr Effizienz zu sorgen. Im Jahr zuvor hatte man in Bonn erstmals ein „mittelfristiges Programm zur Förderung der Weltraum-forschung“ vorgelegt. Aber der Schlüssel zum Erfolg lag bei einer grundsätzlichen Verbesserung der westeuropäischen Technologiekooperation. 1976 wurde die Ariane beschlossen, die 1984 zu einem europäischen Erfolg beim Bau großer Trägerraketen führte. Die Gründe für diese Verzögerung waren jedoch nicht nur in Europa zu suchen, sondern auch in der restriktiven Technologiepolitik der USA, die aus wirtschaftlichen Konkurrenz-gründen den Europäern bestimmte Raketentechnologien vorenthielten, während sie übrigens zur gleichen Zeit an Frankreich geheimste Nuklear-technologien lieferten

Erfolge gab es auch bei den Satelliten. Allein 1968/69 wurden drei ESRO-Satelliten auf amerikanischen Trägerraketen ins All gebracht. Einer davon wurde von einer deutschen Firma (Junkers) gebaut und sogar innerhalb des projektierten Finanzrahmens fertiggestellt. 1970 schwebten 17 europäische Forschungssatelliten im Weltraum, wo sie sich allerdings in Gesellschaft von über 600 amerikanischen und nahezu 400 sowjetischen befanden.

Erhebliche forschungspolitische Versäumnisse wurden auch in der Computerwissenschaft und Datenverarbeitung (DV) moniert. (Dabei hatte einst ein Deutscher, Konrad Zuse, die erste programmierbare Rechenmaschine gebaut!) Die Förderung der Datenverarbeitung setzte in größerem Umfang erst mit dem DV-Förderprogramm von 1967-1971 ein, als die deutschen Elektrokonzerne den Anschluß an die Spitzenentwicklungen der elektronischen Datenverarbeitung weitgehend verpaßt hatten. 1971 stammten von 7258 in der Bundesrepublik installierten „Universalrechnern“ nur 979 aus heimischer Fertigung, während allein die amerikanische Firma IBM fast 3 900 geliefert hatte

Das immer wieder beklagte Modernisierungsdefizit in der Luft-und Raumfahrt ebenso wie in der Computerentwicklung charakterisierte jahrelang die öffentlichen Debatten um eine moderne Forschungs-und Bildungspolitik. Anfangs wurde hauptsächlich das eifersüchtige Wachen der Länder über die Forschungsförderung des Bundes als eine der Hauptursachen für die bundesdeutsche Rückständigkeit vor allem gegenüber den USA -aber bemerkenswerterweise auch gegenüber der Sowjetunion -gebrandmarkt „Das deutsche Problem ist die falsch programmierte Intelligenz“, fand Karl Steinbuch in seinem Bestseller von 1968. Die westdeutsche Gesellschaft sei „irrational, antitechnisch und anti-wissenschaftlich.“ Mehr oder weniger offen fürchtete man die „amerikanische Herausforderung“ Doch im Rückblick läßt sich erkennen, daß die Bundesrepublik (wie Westeuropa insgesamt) seit Mitte der fünfziger Jahre durchaus dabei war, die gegenüber den USA bestehende technologische Lücke zu verkleinern. Aber der Vorwurf mangelnder Modernität trug doch ganz entscheidend dazu bei, das Vertrauen in die Adenauer-Erhard-Regierungen zu untergraben und den Weg für den Machtwechsel von 1966 und 1969 zu bereiten.

In der Großen Koalition wurden Bildung und Forschung als Produktionsfaktoren und Zukunftsvorsorge mit hohen Finanzzuwächsen gefördert. Diese Reform-und Modernisierungseuphorie setzte sich in der Sozialliberalen Koalition fort. Nach der bisherigen „Imitationsphase“ deutscher Forschungspolitik, so der Bundesbericht Forschung von 1972, müsse nun eine „effektivere, den gesellschaftlichen Bedürfnissen besser entsprechende forschungspolitische Zielsetzung“ gefunden werden. Man sprach von neuen Planungstechniken, von neuen Forschungsprogrammen „im Dienst der gesellschaftlichen Entwicklung“, wie dem Programm zur „Humanisierung der Arbeitswelt“, und von einer stärkeren Einbeziehung der Sozialwissenschaften Kurzum, Forschungspolitik würde nun ein zentrales Feld der Reformpolitik sein. 3. Ökologie und Technologiebewertung Einige Jahre später wurde erhebliche Skepsis gegenüber derartigen Erwartungen spürbar. Ökologie und Technologiebewertung tauchten als neue Schwerpunkte des BMFT auf. In der FuE-Förde-rung suchte man pragmatisch nach neuen, wirksameren Wegen, wobei relativ freimütig die Mißerfolge bisheriger Förderung zur Sprache kamen. Man verwies auf erfolglose Vorhaben, wie sie im Bundesbericht Forschung von 1979 aufgelistet sind: -das trassengebundene Transportsystem Trans-urban; -den Schwerwasserreaktor Niederaichbach; -den Großrechner TR 440; -das Atomschiff „Otto Hahn“ und -die elektrodynamische Schwebetechnik

Diese „Entpolitisierung der Forschungspolitik“ stieß jedoch bei der politischen Linken auf erhebliche Kritik.

Eine zunehmend pessimistische Einschätzung des technischen Fortschritts begann in ganz unerwartetem Ausmaß die sozialliberale, auf technologische Modernisierung eingestellte Politik zu unterlaufen. Bei einer Umfrage vom September 1970 hatten 59 Prozent der Befragten noch nichts von Umweltschutz gehört; ein Jahr später waren es nur noch acht Prozent. Innerhalb kürzester Frist stand das Thema im Mittelpunkt von Parteitagen, Akademieprogrammen und vor allem von Presse-, Rundfunk-und Fernsehberichten

Die Umweltdebatten bildeten einen zentralen Einschnitt in der Geschichte der Bundesrepublik, der in seiner politischen Tragweite vergleichbar ist mit der neuen Ostpolitik unter der sozialliberalen Regierung Brandt/Scheel. Das Thema Umwelt, wenn man es ausweitet auf die Sinnfragen wirtschaftlich-industriellen Wachstums und des technischen Fortschritts insgesamt, kostete die SPD einen erheblichen Teil ihrer Wählerschaft, den sie an die neue Partei der Grünen abgeben mußte. Auf lange Frist verlor sie dadurch ihre Regierungsfähigkeit in Bonn, da sie sich weder auf ihren Traditionskern der Industriearbeiterschaft zurückziehen konnte, noch eine politisch-ideologische Alternative zur früheren Plattform des technisch-industriellen und wohlfahrtsstaatlichen Fortschritts fand.

Seit Beginn der Ära Kohl im Herbst 1982 richtete sich die Kritik hauptsächlich auf Fragen der Effizienz staatlicher Technologieförderung und auf das milliardenschwere staatliche Engagement in der Kerntechnik. Heinz Riesenhuber, der mehr als zehn Jahre Bundesforschungsminister war, steuerte in einigen Bereichen vorsichtig um. Er reduzierte die direkte Forschungsförderung für die Industrie, erhöhte gleichzeitig die Fördermittel für mittelständische Betriebe und besann sich wieder stärker auf die ureigene staatliche Verpflichtung, in erster Linie die Grundlagenforschung zu alimentieren. Schmerzlich und reichlich spät nahm er Abschied von kerntechnischen Großvorhaben, in die bereits Milliarden an Steuergeldern geflossen waren. Anfang 1991 kam das Aus für den fast fertiggestellten Schnellen Brüter in Kalkar. Das gleiche Schicksal ereilte den Hochtemperaturreaktor. Aufgegeben wurde auch das Konzept der nuklearen Wiederaufbereitung, wozu allerdings nicht die Politik, sondern die Spitzenmanager der Stromwirtschaft den entscheidenden Anstoß gaben. 4. Gesamtdeutsche Forschungspolitik Der erste entscheidende Schritt zu einer gesamtdeutschen Forschungspolitik erfolgte, als der Einigungsvertrag vom Juli 1990 den Wissenschaftsrat beauftragte, eine neue Forschungs-und Hochschulstruktur für das Territorium der Noch-DDR zu entwerfen. Hatte man zunächst gehofft, die Gunst der Stunde könnte eine Großreform deutscher Wissenschaftsstrukturen -also auch im Westen! -erlauben, so sah man sich bald gezwungen, im wesentlichen die existierenden westdeutschen Strukturen auf die neuen Bundesländer zu übertragen. Für alles andere, fehlten die überzeugenden Konzepte, die Mittel und vor allem die Zeit Politischer Druck und der beschäftigungspolitische Zwang zum Erhalt möglichst vieler Stellen in den „abzuwickelnden“ DDR-Einrichtungen taten ein übriges. Es wurden statt der zehn vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Universitäten fünfzehn gegründet. In unmittelbarer geographischer Nähe entstehen konkurrierende Fakultäten der gleichen Fächer. Dabei liegen die Hochschuletats der neuen Bundesländer prozentual zum jeweiligen Gesamthaushalt „bei mageren vier Prozent“. Jährlich werden aber DM 1, 9 Milliarden für den Hochschulnci/öcm gebraucht, und insgesamt kommen die öffentlichen Ausgaben der neuen Länder zu etwa 50 Prozent aus dem Westen!

Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen der Akademie der Wissenschaften der DDR wurden umorganisiert, verkleinert und in die „Säulen“ der Forschungsförderung aufgenommen. Von 31000 Arbeitsplätzen blieben 13500 erhalten, die sich auf 138 Einrichtungen verteilen. Am stärksten wuchs dabei die „Blaue Liste“, die in 33 neuen Instituten (samt drei Außenstellen) knapp 5000 Mitarbeiter beschäftigt. Drei neue Großforschungsinstitute (samt neun Außenstellen) haben zusammen 2100 Mitarbeiter. Die Fraunhofer-Gesellschaft errichtete neun Institute und 13 Außenstellen mit über 1200 Beschäftigten. Mit 4300 Beschäftigten in der Ressortforschung von Bund und Ländern entstand ein für die alten Bundesländer untypisches Übergewicht dieser Kategorie. Bewußt langsam baut die Max-Planck-Gesellschaft ihr Netz von bisher fünf Instituten und 29 Arbeitsgruppen an Universitäten aus.

Die langfristigen Auswirkungen der deutschen Vereinigung auf die bundesdeutsche Forschungspolitik sind noch kaum absehbar. Hinter den zahlreichen „Außenstellen“, „Arbeitsgruppen“ und ähnlich temporären Arrangements verbergen sich in aller Regel Problemfälle, denen die überzeugenden Qualitäten zu einer dauerhaften Institutsgründung zumindest vorerst fehlen. Verschiebungen der Gewichte ergeben sich, weil die Fraunhofer-Gesellschaft und die „Blaue Liste“ weit überdurchschnittlich gewachsen sind. Ob der ungewöhnlich hohe Anteil der Ressortforschung in den neuen Ländern beibehalten wird, bleibt unklar. Strukturschwache Länder wie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern orientieren sich besonders stark an Modellen der Landesentwicklung in der alten Bundesrepublik, wo Universitäts-und Institutsgründungen als „Lokomotiven" der Regionalentwicklung eingesetzt wurden. Berlin ist zur unbestreitbaren Wissenschaftsmetropole geworden, wenn man in Personal und Einheiten rechnet. Es zählt heute über 70 wissenschaftliche Einrichtungen, nicht zuletzt weil in Ost-Berlin 54 Prozent der Forschungseinrichtungen der DDR-Akademie der Wissenschaften konzentriert waren. Aber auch West-Berlin war aus politischen Gründen besonders reich mit Forschungseinrichtungen bedacht worden. 5. Internationale Forschungskooperation Der zweite wichtige Faktor für den Wandel deutscher Forschungspolitik ist die internationale Kooperation. Man will nicht nur helfen, die Teilung Europas zu überwinden, sondern es bieten sich auch Chancen zur Neuorientierung multinationaler Vorhaben. Beispielsweise ist es in der Verteidigungsforschung denkbar, mit einer Weiterentwicklung ehemals sowjetischer MIG-Kampfflugzeuge das teure, noch im Ost-West-Konflikt konzipierte „Jäger-90“ Programm (später „Eurofighter 2000“) zu ersetzen und damit Geld zu sparen. In der europäischen Raumfahrt können preiswerte russische Forschungskapazitäten eingesetzt werden. Eventuell kann eine breite Kooperation mit Rußland sogar bisherige westeuropäische Raumfahrtvorhaben weitgehend ersetzen. Die Gegner derartig einschneidender Veränderungen warnen vor einer wachsenden Abhängigkeit von politisch instabilen russischen Partnern. In erster Linie denken sie jedoch an Forschungssubventionen und Arbeitsplätze, die ihre eigene politische Klientel dabei einbüßen könnte.

Weniger „politisch“ erscheint die deutsche Forschungskooperation im Rahmen der Europäischen Integration. Das Genfer Kernforschungszentrum CERN betreibt Grundlagenforschung mit Großanlagen, die auf nationaler Basis nicht finanzierbar wären. Ebenso undenkbar wäre eine deutsche Weltraumforschung im Alleingang. Aber die zwischenstaatliche Kooperation ist nicht nur kostensparend. Sie garantiert zugleich den europäischen Nachbarländern, daß Deutschland keine für sie sicherheitspolitisch bedenklichen Wege einschlägt. Immerhin waren ja die großen Raumfahrt-programme der USA und der UdSSR in erster Linie militärisch, nicht rein wissenschaftlich angetrieben. Selbst ihre zivilen Prestigeprojekte waren Gesten des Rüstungswettlaufs.

Die Furcht, im Wettlauf um Hochtechnologien zurückzufallen, brachte bereits 1985 das europäische Kooperationsprogramm EUREKA mit einem Gesamtvolumen von etwa 25 Milliarden DM hervor Konkret war es die Initiative zur weltraumgestützten Raketenverteidigung (SDI), die US-Präsident Ronald Reagan 1983 verkündete und die vom US-Kongreß mit Milliarden an Forschungsgeldern bedacht wurde. Dann allerdings, nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes, als die USA das SDI-Programm drastisch kürzten, blieb EUREKA „das wichtigste Instrument zur Schaffung einer europäischen Forschungs-und Technologiegemeinschaft“ -so der Bundesbericht Forschung 1993. In der dort wiedergegebenen Prioritätenliste rangiert die Integrationsfunktion vor den angepeilten Zielen der wissenschaftlichen Erkenntnis -oder jedenfalls scheint man die politischen Argumente für zugkräftiger zu halten als die wissenschaftlichen „Für die europäische Forschungspolitik ist Forschung nach wie vor nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck“ -klagt Hans F. Zacher, der Präsident der MPG. „Forschung wird nur gefördert, wenn und weil sie in die Programme paßt. Sonst nicht. Was das für Vielfalt und Kreativität bedeutet, bedarf keiner Erläuterung.“

Beinahe jede internationale Forschungskooperation ist also stark politisiert. Und nicht zufällig hat diese forschungspolitische Orientierung auf EU-Europa eine gaullistische Agenda, deren mehr oder weniger offene Zielsetzung es ist, der amerikanischen Herausforderung zu begegnen. Neu ist allenfalls, daß Japan -insbesondere im Bereich der marktnahen Technologien -zu einer zweiten Herausforderung deklariert wurde

Daraus folgt vor allem zweierlei: Erstens wird die Marktwirtschaft erheblich eingeschränkt, denn wer eine deutsche Industriepolitik fordert und sich die japanische zum Vorbild nimmt, der stärkt die Rolle des Staates in der Forschungsförderung. Forderungen nach einer aktiven „Industriepolitik“, analog zu japanischen Praktiken, werden bei der SPD-Opposition ebenso wie im Regierungslager laut Hingegen warnen liberale Wirtschaftskapitäne wie Hans L. Merkle vom Bosch-Konzern davor, die europäische Integration, insbesondere den Maastricht-Vertrag von 1992, als Einstieg in die „industrielle Planwirtschaft“ zu nutzen. Merkle spricht vom „fatalen Versuch gewisser Politiker, High-Tech und Low-Tech ein für allemal zu differenzieren“ -und dementsprechend staatlich zu subventionieren beziehungsweise zu vernachlässigen

Die zweite Konsequenz ist, daß die EU-Lastigkeit in der Forschungskooperation interessante andere Partnerschaften zumindest erschwert, wenn nicht in Teilbereichen sogar unmöglich macht. Hier ist nicht nur an die USA und an Japan, sondern auch an Schwellenländer mit bedeutendem Forschungspotential, beispielsweise Indien, China und die kleineren Staaten Ostasiens, zu denken. Erforderlich ist deshalb eine Forschungspolitik, die in der Lage ist, Deutschlands innovative Kompetenz in der Welt -vor allem auf den großen Wachstums-märkten (China, Indien, Indonesien usw.) -besser sichtbar zu machen. Anders werden traditionelle Märkte nicht zu halten, neue Märkte nicht zu erobern und eine bessere Lebenswelt nicht zu sichern sein.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Ernst-Joachim Meusel, Grundprobleme des Rechts der außeruniversitären „staatlichen“ Forschung, Darmstadt 1982; ders., Außeruniversitäre Forschung im Wissenschaftsrecht, Köln 1992; Christian Flämig u. a. (Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, Berlin 1982 (2. Aufl. in Vorb.).

  2. Vgl. Rupert Scholz, „Art. 5 Abs. III GG“, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Loseblattausgabe, München 1977; Erhard Denninger, „Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre“, in: Richard Bäumlin/Axel Azzola (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in 2 Bänden, Neuwied 1984 (= Reihe Alternativkommentare), Bd. I, S. 584-630.

  3. Vgl. Michael Polanyi, Personal Knowledge, 1958 (deutsch: Implizites Wissen, Frankfurt am Main 1985).

  4. Klassisch hierzu: Joseph Schumpeter. Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1912; Robert M. Solow, „Technical Change and the Aggregate Production“, in: Review of Economics and Statistics, 39 (1957), S. 312ff. Eine sehr nützliche Zusammenfassung der Theoriedebatten gibt: Gerald Silverberg, Adaption and Diffusion of Technology as a Collective Evolutionary Process, in: Christopher Freeman/Luc Soete (eds), New Explorations in the Economics of Technical Change, London 1990.

  5. Auf den internationalen Finanzmärkten gibt es heute einen neuen, am elektronischen Zahlungs-und Wertpapier-verkehr orientierten „Wechselkurs“ (electronic banking, real-time financial markets), der sich traditionellen währungspolitischen Instrumentarien zunehmend entzieht. Vgl. Walter B. Wriston, „Technology and Sovereignty“, in: Foreign Affairs, 67/2 (1988/89), S. 63-75. ­

  6. Die wichtigsten Beispiele sind das Embryonenschutzgesetz, das Gentechnikgesetz und Teile des Arzneimittelrechts.

  7. Vgl. Rüdiger Wolfrum, „Die Schranken des Rechts: Das Wachstum der rechtlichen Bindungen der Forschung“, in: MPG-Spiegel, (1994) 4, S. 53-62.

  8. Die Wissenschaftsfreiheit gilt für „alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit anzusehen ist“. Der Charakter der Wissenschaftlichkeit muß „systematisch verfehlt“ sein, ehe dieses Grundrecht unwirksam wird. Diese Feststellung traf das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 11. Januar 1994, in der es die Leugnung des Holocaust vom Anspruch auf Wissenschaftsfreiheit ausnahm.

  9. Eine Liste dieser Einrichtungen findet sich im Bundes-bericht Forschung.

  10. Von Bund und Ländern entsandte Vertreter wirken allerdings in den DFG-Gremien mit.

  11. Vgl. Margit Szöllösi-Janze/Helmuth Trischler (Hrsg.), Großforschung in Deutschland, Frankfurt am Main 1990; Gerhard A. Ritter, Großforschung und Staat in Deutschland. Ein historischer Überblick, München 1992. .

  12. Vgl. Margit Szöllösi-Janze, Geschichte der Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen 1958-1980, Frankfurt am Main 1990.

  13. Auch hier sitzen, wie bei der DFG, staatliche Vertreter in den Gremien.

  14. Vgl. Bundesbericht Forschung (1993), Bonn 1993, S. 265.

  15. Vgl. ebd., S. 102.

  16. Vgl. Wolfgang Krieger, Zur Geschichte von Technologiepolitik und Forschungsförderung in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Problemskizze, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 35 (1987) 2, S. 247-271; ders., Technologie-politik der Bundesrepublik Deutschland, in: Armin Hermann/Hans-Peter Sang (Hrsg.), Technik und Staat (-Technik und Kultur Bd. 10), Düsseldorf 1991; Wolfgang Bruder (Hrsg.), Forschungs-und Technologiepolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1986; zum breiteren historischen Kontext siehe Joachim Radkau, Technik in Deutschland. Vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main 1989, S. 313ff.

  17. Vgl. Thomas Stamm, Zwischen Staat und Selbstverwaltung: Die deutsche Forschung im Wiederaufbau 1945-1965, Köln 1981; Peter Lundgreen u. a., Staatliche Forschung in Deutschland 1870-1980, Frankfurt am Main 1986; Wolfgang Jakob, „Forschungsfinanzierung durch den Bund" 1, in: Der Staat, 24 (1985) 4, S. 527-564.

  18. Insgesamt dazu: Andreas Stucke, Institutionalisierung der Forschungspolitik. Entstehung, Entwicklung und Steuerungssysteme des Bundesforschungsministeriums, Frankfurt am Main 1992.

  19. Vgl. Joachim Radkau, Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft, 1945-1975, Reinbek 1983.

  20. Zitiert nach: Atomwirtschaft -Atomtechnik, (1985) 7, S. 350. Insgesamt dazu: Wolfgang D. Müller, Geschichte der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland. Anfänge und Weichenstellungen, Stuttgart 1990.

  21. Vgl. Michael Eckert/Maria Osietzki, Wissenschaft für Macht und Markt -Kernforschung und Mikroelektronik in der Bundesrepublik Deutschland, München 1989.

  22. Vgl. Helmuth Trischler, Luft-und Raumfahrtforschung in Deutschland 1900-1970. Politische Geschichte einer Wissenschaft, Frankfurt am Main 1992.

  23. Vgl. Gerold Dubbermann, Schlüsseltechnologien oder Subventionsruinen im Orbit? Zur ökonomischen Analyse der Raumfahrtförderung in der Bundesrepublik, in: Jahrbuch der Sozialwissenschaft, 45 (1994), S. 245-272.

  24. Vgl. Johannes Weyer, Akteurstrategien und strukturelle Eigendynamiken. Raumfahrt in Westdeutschland 1945-1965, Göttingen 1993; ders. (Hrsg.), Technische Visionen -politische Kompromisse. Geschichte und Perspektiven der deutschen Raumfahrt, Berlin 1993.

  25. Vgl. Richard H. Ullman, The Covert French Connection, in: Foreign Policy, 75 (1989), S. 3-33.

  26. Vgl. Der" Spiegel vom 15. 2. 1971, S. 68; A. Stucke (Anm. 18), S. 182-215.

  27. Der erste Bundesbericht Forschung (1965), S. 92-118, gestand die Rückständigkeit des deutschen Forschungs-und Bildungssystems ein.

  28. Jean-Jacques Servan-Schreiber, Die amerikanische Herausforderung, Hamburg 1968.

  29. Vgl. Bundesbericht Forschung IV (1972), Bonn 1972, S. 11-15, 20 et passim.

  30. Vgl. Bundesbericht Forschung VI (1979), Bonn 1979, S. 34-39.

  31. Vgl. Udo Margedant, Entwicklung des Umweltbewußtseins in der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 29/87, S. 15-28.

  32. Siehe die Beiträge von Erich Häuser, Rolf Jentschura und Helge B. Cohausz in: Forschung und Lehre. Mitteilungen des Deutschen Hochschulverbandes, (1995) 3, 5. 136-147; vgl. auch die Aufsatzsammlung: Georg Ahrweiler et al. (Hrsg.), Memorandum Forschungs-und Technologiepolitik 1994/95, Marburg 1994.

  33. In diesem Punkt folge ich den Angaben von Gerhard Neuweiler, Das gesamtdeutsche Haus für Forschung und Lehre, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25/94. S. 5. Der Autor gehört seit 1988 dem Wissenschaftsrat an und war im Jahr 1993 dessen Vorsitzender.

  34. Vgl.: Wayne Sandholtz, High-Tech Europa: The Politics of International Cooperation, Berkeley CA 1992; John Peterson. High Technology and the Competition State: An Analysis of the Eureka Initiative, London 1993; zum größeren Kontext, siehe Eugene B. Skolnikoff, The Elusive Transformation: Science, Technology and the Evolution of International Politics, Princeton NJ 1993; Margaret Sharp/Keith Pavitt, Technology Policy in the 1990s: Old Trends and New Realities, in: Journal of Common Market Studies, 31/2 (1993) S. 129-151. Anmerkung der Redaktion: Siehe auch den Beitrag von Claus W. Schäfer, EUREKA. Entstehung, Entwicklung und Ergebnisse der französischen Technologie-Initiative, in diesem Heft.

  35. Vgl. Bundesbericht Forschung (1993), Bonn 1993, S. 37.

  36. Vortrag in Brüssel am 19. 10. 1992. Pressemanuskript der MPG, S. 19 (Hervorhebungen im Original.) Zachers harte Kritik richtet sich explizit gegen den BMFT, aber auch gegen Teile der deutschen Wissenschaft. Als Abhilfe fordert er u. a. „europäische Institutionen der wissenschaftlichen Autonomie“ (S. 25).

  37. Vgl. einführend dazu: Christoph-Friedrich von Braun, Der Innovationskrieg -Ziele und Grenzen der industriellen Forschung und Entwicklung, München 1994.

  38. Vgl. Konrad Seitz, Die japanisch-amerikanische Herausforderung. Deutschlands Hochtechnologie-Industrien kämpfen ums Überleben, Bonn 1990; Martin Kessler/Stefan Wichmann, Hohe Auflösung: Die Regierung Kohl entdeckt die Industriepolitik, in: Wirtschaftswoche vom 1. 7. 1994; Kurt H. Biedenkopf, Deutschland als internationaler Wirtschaftsstandort, in: Europa-Archiv, (1994) 13-14, S. 407-418.

  39. Hans L. Merkle, Innerhalb einer auf das Ganze gerichteten Wirtschaftspolitik darf es eine sektorale politische Zielsetzung nicht geben, in: Handelsblatt vom 30. Dezember 1992.

Weitere Inhalte

Wolfgang Krieger, Dr. phil., geb. 1947; apl. Professor für Neuere Geschichte an der Universität München; Fellow in Oxford (1975/76) und Harvard (1983/84); 1991/92 Gastprofessor in Princeton; seit 1986 hauptamtlich an der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen, tätig; Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Museums Bonn. Zahlreiche Veröffentlichungen zur britischen, amerikanischen und deutschen Geschichte sowie zur deutschen Technologie-und Außenpolitik.