Öffentlichkeit in der DDR? Die soziale Wirklichkeit im „Eulenspiegel“
Sylvia Klötzer
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Zusammenfassung
Ein Bauminister wurde 1981 durch ein Satire-Magazin veranlaßt, umgehend Schäden an Plattenbauten zu beheben. Anhand dieses Vorfalls wird die Bedeutung von Satire in der Presse der DDR untersucht. Presse-satire funktionierte in der ostdeutschen Gesellschaft als ein Bereich, in dem ein begrenzter öffentlicher Austausch über Alltagserfahrungen, die sich von den gängigen Erfolgsmeldungen in den Medien unterschieden, stattfinden konnte. Trotz seiner Einbindung in das stalinistisch geprägte Anweisungs-und Kontrollsystem der SED nahm das Satire-Magazin „Eulenspiegel“ als einziges dieser Art eine Sonderstellung in der DDR-Presselandschaft ein. Sein Einfluß resultierte nicht aus der Schärfe seiner Satire, sondern daraus, daß er ein Medium war, in dem Mißstände überhaupt öffentlich gemacht werden konnten. Gemäß den Intentionen der SED-Führung sollten im innenpolitischen Teil des „Eulenspiegels“ lediglich in „konkreten Einzelfällen“ behebbare Ausnahmeerscheinungen präsentiert werden, ohne diese systemkritisch zu verallgemeinern. Daß solche und andere Fälle in der Rezeption der Leser gleichwohl Verweischarakter für grundlegende Probleme in der DDR-Wirtschaft erlangten und Satire so den blockierten öffentlichen Austausch über Probleme in der DDR punktuell durchbrechen konnte, war -wie der vorgeführte Fall zeigt -nicht vorgesehen.
I. Vorbemerkungen
„Großmutter, warum hast du so große Zähne?“ stand in Ost-Berlin auf einem der Transparente der Massendemonstration vom 4. November 1989. Darunter war die Karikatur eines breit lachenden Egon Krenz, der mit einer Nachthaube auf dem Kopf im Bett liegt. Sein prägnantes Gebiß kennzeichnet ihn als Wolf aus dem Grimmschen Märchen, der gerade die Großmutter verspeist hat. Auf diese Weise kommentierte das Transparent die Ablösung Erich Honeckers durch Egon Krenz', und es warnte vor Krenz dem Wolf, der sich als Großmutter getarnt hat, und vor seinem Appetit auf Rotkäppchen.
Wie hier, so wurde auch auf den Montagsdemonstrationen Kritik häufig nicht direkt formuliert, sondern in satirische Sprache gekleidet. Dieses Phänomen ist der Anlaß dafür, die Ausformung von Satire in der DDR zu untersuchen sowie die Frage nach ihrem Alltagsbezug zu stellen: Denn Satire dient n November 1989. Darunter war die Karikatur eines breit lachenden Egon Krenz, der mit einer Nachthaube auf dem Kopf im Bett liegt. Sein prägnantes Gebiß kennzeichnet ihn als Wolf aus dem Grimmschen Märchen, der gerade die Großmutter verspeist hat. Auf diese Weise kommentierte das Transparent die Ablösung Erich Honeckers durch Egon Krenz', und es warnte vor Krenz 1, dem Wolf, der sich als Großmutter getarnt hat, und vor seinem Appetit auf Rotkäppchen.
Wie hier, so wurde auch auf den Montagsdemonstrationen Kritik häufig nicht direkt formuliert, sondern in satirische Sprache gekleidet. Dieses Phänomen ist der Anlaß dafür, die Ausformung von Satire in der DDR zu untersuchen sowie die Frage nach ihrem Alltagsbezug zu stellen: Denn Satire dient nicht nur dazu, „empörende Wirklichkeit“ darzustellen, wie es bei Schiller heißt, sondern ist Angriff auf diese Wirklichkeit 2. Und in dem Maße, wie sie dem politisch-kulturellen Kontext unterworfen ist, der sie hervorbringt, fungiert sie zugleich als Seismograph.
Die vorzugsweise satirische Auseinandersetzung mit DDR-Realität war bedingt durch die mangelnde Möglichkeit unverstellter Kritik, und daher führen Untersuchungen zur Ausprägung von Satire zu Aussagen über den Zustand von Öffentlichkeit 3 in der DDR. Manifestiert sich in satirischer Form nicht möglicherweise die Forderung nach öffentlichem Austausch, jenseits der von der SED inszenierten Öffentlichkeit’, insbesondere der von ihr instrumentalisierten Medien-Öffentlichkeit? Ist DDR-Satire also nicht nur als Angriff auf eine „empörende Wirklichkeit“ zu werten, sondern ebenfalls als Forderung nach Öffentlichkeit -jenseits von Partei-Propaganda 4?
In einer Momentaufnahme im Bereich Zeitungssatire läßt sich festhalten, wie Satire in diesem Medium Anfang der achtziger Jahre funktioniert hat, auf welche Weise sie „empörenden“ DDR-Alltag kommentiert, gegen welche Widerstände und Machtinteressen sie sich ausgeformt hat, welcher Mittel sie sich bediente und welche Wirkungen und Folgen sie hatte. Der Blick richtet sich auf einen Artikel, der bis an die Grenzen satirischer Möglichkeiten jener Zeit ging: Hartmut Berlins
Beitrag „Lieber Genosse Minister! Ich hab'da mal ’ne Frage ..." aus der populären, und einzigen, Satire-Zeitschrift der DDR, dem wöchentlich erscheinenden „Eulenspiegel“ -der in den achtziger Jahren eine verkaufte Auflage von 490 000 Exemplaren hatte. Berlins Artikel hatte Folgen, und das Beben, das durch verschiedene Instanzen ging, hat Spuren hinterlassen: Aufzeichnungen und Erinnerungen bei den Beteiligten sowie Aktenno- tizen. So ist es heute möglich, ein Netzwerk aus verschiedenen Interessen zu (re) konstruieren, in dem sich Zeitungssatire ausprägte und in dem sie operiert hat.
II. Der Fall: Ein „Eulenspiegel“ -Artikel
Abbildung 4
Lieber Genosse Minister! Ich hab’ da mal ’ne Frage.
Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik Ministerium für Bauwesen Genossen Minister Junker persönlieh!
Quelle: Eulenspiegel, 28 (1981) 32, S. 13
Lieber Genosse Minister! Ich hab’ da mal ’ne Frage.
Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik Ministerium für Bauwesen Genossen Minister Junker persönlieh!
Quelle: Eulenspiegel, 28 (1981) 32, S. 13
Die Redaktion des „Eulenspiegels“ hatte vier Ressorts: Außenpolitik, Kultur und Unterhaltung, Humor und Innenpolitik. Im letztgenannten Bereich entstand 1981 Hartmut Berlins Artikel zu den Themen Bauschäden an Neubauten und Bearbeitung von Eingaben. Die Seite (siehe Dokument auf Seite 37) ist in der Wochenzeitung als Eingabe -Brief gestaltet: Oben links der Adressat: „Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik, Ministerium für Bauwesen, Genossen Minister Junker, persönlich!“ Dann sehr groß und fett gesetzt die Anrede, die in dieser graphischen Prominenz zugleich Artikel-Überschrift ist: „Lieber Genosse Minister! Ich hab’ da mal ’ne Frage.“ „Erinnern Sie sich noch an die Eingabe von Christian EIöll aus der Salvador-Allende-Str. 44 in Berlin? Natürlich nicht. Dumme Frage. Bei uns wird ja so viel gebaut. Christian Höll ist der mit den Spezialfugen in den Wänden seiner Wohnung, wo seit 1978 immer der Wind durchpfeift. Regenwasser kommt auch durch. Komfortwohnung mit Wasser aus der Wand sozusagen. Aber Schwamm drüber. Herr Höll hat im Mai ’ 80 an Sie geschrieben. Jetzt habe ich die unerledigte Eingabe auf dem Tisch. Wolin mal sagen, als vorletzte Instanz. ... Man kann sich ja denken, wen er in der letzten Instanz anschreibt. . . . Kurz und gut, ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich weihe Sie in den aktuellen Stand ein, und wir lassen uns was einfallen, wie wir da rauskommen. "
Es folgt die genaue Auflistung der gravierenden Bauschäden in der Neubauwohnung des Ehepaars Höll und seiner drei Kinder in Berlin-Köpenick: offene Fugen „von den Decken bis zu den Fußböden . . . von unterschiedlicher Breite und Tiefe, aber überall offen genug, um den Naturgewalten keinen nennenswerten Widerstand entgegenzusetzen“, und Deckenfugen, durch die bei Regen das Wasser innen am Fenster hinunterfließt. Dazu dokumentiert Berlin den Weg des Mieters, Christian Höll, durch die zuständigen Instanzen: über Wohnungsverwaltung, Bezirksbaudirektion, Bau-akademie und Oberbürgermeister von Berlin nach oben bis zum Minister für Bauwesen, und von dort wieder an den Ausgangspunkt zurück, zur Kommunalen Wohnungsverwaltung Berlin-Köpenick. Währenddessen ändert sich am Zustand des Hauses nichts, die Fugen bleiben undicht. Berlins Artikel endet: „Ich hoffe, Sie am konkreten Beispiel umfassend informiert zu haben, welcher Aufwand von zahlreichen Mitarbeitern zahlreicher Institutionen betrieben wird, um Mängel in der Bauausführung zu verwalten. Mitunter über Jahre hinweg. “
Alle beteiligten Personen, Instanzen und Orte sind authentisch. Der „Eulenspiegel“ -Autor übernimmt einerseits die Rolle eines Anwaltes, der einen seiner Leser, Christian Höll, vertritt und dessen Eingabe „als ziemlich offenen] Brief an Minister Junker zur Erledigung weiter[ge]leitet" hat, wie handschriftlich neben dem Text vermerkt ist. Zugleich stellt sich der Autor mit dem Minister auf eine Stufe: . ich mache Ihnen einen Vorschlag: . . . wir lassen uns was einfallen, wie wir da raus-kommen.“ Die symbolische Verbrüderung ist listiges Kalkül: Durch das repetierte (Genossen-) „Wir“, die Vertraulichkeit des „Lieber Genosse Minister ...“ und die Beschwörung des gemeinsamen Ziels muß der Minister mit Berlin und dem „Eulenspiegel“ gemeinsam gegen die Mißstände in seinem Bereich vorgehen. Hartmut Berlin gibt dabei vor, er nähme die Staatsideologie des „Alles-für-das-Volk“ ernst, indem er unterstellt, (auch) der Minister selbst würde sich primär für die Belange des Volkes einsetzen. Diesem war zwar an der Erfüllung des Wohnungsbauprogrammes gelegen, bei dem jedoch nach fertiggestellten Wohneinheiten abgerechnet wurde. Die Bauausführung dagegen verschlechterte sich zunehmend, und die Klagen der Bewohner häuften sich. Mit der Anspielung auf eine mögliche Beschwerde bei Erich Honecker, „der letzten Instanz“, verhält es sich wie oben: Der Autor gibt vor, es gäbe „Ärger“, wenn die Eingabe beim Staatsratsvorsitzenden landen würde -der 1971 mit dem Wohnungsbauprogramm als Kernstück seiner Sozialpolitik angetreten war.
III. Folgen von Satire I: Beseitigung von Bauschäden
Erst durch diese Veröffentlichung im „Eulenspiegel“ -nachdem sich Christian Höll drei Jahre lang mit Schreiben und Eingaben vergeblich um eine Lösung bemüht hatte -wurde die Reparatur der undichten Außenfugen erzwungen. Da der Minister öffentlich aufgefordert worden war, für Mängel in seinem Bereich einzustehen, befand er sich unter Zugzwang. Und unmittelbar nach Erscheinen des „Eulenspiegels“ am August 1981 erteilte er eine Weisung an das Wohnungsbaukombinat (WBK) Potsdam, das die betroffenen Wohnblöcke im Allende-Viertel errichtet hatte, „zur kurzfristigen Beseitigung der . . . Durchfeuchtungsschäden“ 10, spätestens bis Ende Oktober 1981. In diesem Dokument Wolfgang Junkers finden sich detaillierte Anweisungen zu den Sanierungsarbeiten, die das Ausmaß der Schäden erkennen lassen: „Es sind alle Fugen zu kontrollieren und sachgemäß zu verschließen. Dazu gehören: die Fugen im Bereich Dach/Drempel; die horizontalen Außenwandfugen einschl.der Fugen zwischen Fenstern und Außenwand; erkennbare Risse in den Außenwandplatten; die Loggien. ... Die zwischen dem 2. und 3. Wohnblock vorhandene durchgängige Setzfuge ist, wie im Dachbereich, mit Alu-Streifen o. ä. gegen Schlagregen zu schützen. "
Christian Höll erinnert sich, daß kurz nach Erscheinen von Hartmut Berlins Beitrag, diesem „Sahne-Artikel, auf einmal mehrere dieser dunkel-getönten Limousinen größerer Bauart [kamen], und die gingen dann hoch und machten bedenkliche Gesichter und betretene Mienen [. . . ] und begutachteten natürlich auch von draußen [. . . ] und kurze Zeit danach, da ging es schon los, da haben sie so eine Art Armierung angebracht, und die ganze Giebelwand ausgeschäumt“ darüber kam eine Verkleidung, und die Wände waren endlich abgedichtet. Und zwei Ausgaben später druckte der „Eulenspiegel“ in seiner Rubrik „Quittiertes“, in der sich für gewöhnlich namentlich Kritisierte rechtfertigten und darüber berichteten, wie sie die Probleme in ihrem Bereich lösen wollten, folgenden Text ab: „Es ging ziemlich heiß her -und das nicht nur wegen der Außentemperaturen als jene zur Beratung zusammentrafen, die tatsächlich für die nicht erledigte Eingabe von Herrn Christian Höll Verantwortung tragen. Nichts wurde beschönigt, nichts zerredet. . .. Eindeutig und unmißverständlich ist deshalb festgelegt worden, wie vom verantwortlichen Wohnungsbaukombinat Potsdam gemeinsam die verursachten Mängel in kürzester Frist beseitigt werden. Damit ist der Weg einer Eingabe zu Ende, der viel kürzer hätte sein können, wenn von Anfang an in den betreffenden Baubetrieben verantwortungsvoller gehandelt worden wäre. Darin waren sich alle einig. Eulenspiegel.
Diese als Mitteilung der Redaktion gekennzeichnete Erklärung stammt wortwörtlich aus der Abteilung Agitation des Zentralkomitees (ZK) der SED. In ihr wurde diese „redaktionelle Antwort zur betreffenden Veröffentlichung vorbereitet ..., weil dazu die Redaktion selbst keinen brauchbaren Vorschlag unterbreitete“ In dieser Formulierung deutet sich der Ärger an, der auf die Redaktion niederging.
IV. Folgen von Satire II: Die Redaktion wird gemaßregelt
Die Kritik im „Eulenspiegel“ -Artikel traf in jeder Hinsicht zu, wie die Unterlagen des Ministeriums für Bauwesen beweisen: „Die parteimäßige Überprüfung des Sachverhaltes ergibt, daß in dem betreffenden Wohngebäude . . . erhebliche Qualitätsmängel bei den Außenwandfugen und der Warmwasserversorgungsanlage entstanden. . . . Lediglich die Warmwasserversorgungsanlage wurde in Ordnung gebracht, jedoch mit großer zeitlicher Verzögerung. " Trotzdem wurde gegen die Redaktion vorgegangen, insbesondere gegen ihren Stellvertretenden Chefredakteur, Hans Seifert, der den erkrankten Chefredakteur Gerd Nagel vertrat. Seifert wurde noch am Tage der Auslieferung des „Eulenspiegels“, dem 10. August 1981, telefonisch ins ZK bestellt und hatte dort bis zum 3. September insgesamt vierzehnmal (!) zu erscheinen. Dort kam es nie zu konstruktiven Gesprächen, „die hat’s ja nie gegeben. ... Nur Runtermachen ... in einer furchtbaren Art, in einer verletzenden Art, bewußt .. ,“ wegen „staatsfeindlichen und parteischädigenden Verhaltens“ und seines „Versagens“ Vom „Eulenspiegel“ wurde verlangt, eine Stellungnahme abzugeben, die dann Hans Seifert und Ernst Röhl, der das Ressort Innenpolitik leitete, zusammen mit Gerd Nagel an dessen Krankenbett verfaßten. Diese eine Stellungnahme reichte nicht aus. Verlangt wurden „immer wieder schriftliche Stellungnahmen, und da wußte man nicht, was sollte man denn nun noch reinschreiben . . , Wir vermissen immer noch die klare ideologische Linie, vom Klassenstandpunkt aus . . . Ihr solltet klare konkrete Schlußfolgerungen ziehen aus eurem Versagen, die Partei hat euch an diese Stelle gesetzt, an einen vorgeschobenen ideologischen Posten, und ihr habt versagt -vor den Angriffen des Klassenfeindes . . . ‘ Das waren die Argumente. , Schlimm, Genossen!
Die Wahrheit reklamierte das ZK für sich, und diese entsprach der jeweils gültigen politischen Situationsanalyse. Die Argumente des „Eulenspiegels“ mußten so zwangsläufig ins Leere laufen: „ Es war ja immer das Schlimme, du konntest denen [den Mitarbeitern der Abteilung Agitation, S. K. ] erklären, was du dir dabei gedacht hattest, wie du nur wolltest. Wenn sie das anders gesehen haben, dann war deine Erklärung nicht akzeptabel. "
Auch in die Redaktion kam „hoher Besuch“ (Hartmut Berlin). Klaus Raddatz, Stellvertretender Leiter der Abteilung Agitation, „wertete“ den Artikel dort im oben skizzierten Argumentationsmuster aus. Der prinzipielle Vorwurf hieß: Dem Feind sei leichtfertig Schützenhilfe gegeben worden, indem die Zeitung die sozialistischen Errungenschaften in Mißkredit gebracht habe. Es fand bei diesen Maßregelungen keine Diskussion zur Sache statt, sondern eine Disziplinierung mit Hilfe eines Standard-Vorwurfes. Eine Kommission des Verbandes der Journalisten der DDR gab zu diesem Dauerargument vom lauernden Klassenfeind, dem nicht in die Hände zu spielen war, Ende der siebziger Jahre folgenden Kommentar ab: „Unter Berufung auf dieses Prinzip [wird] mehr verhindert ..., als nötig wäre“ und „für manche Stellen damit ein bequemer Vorwand gegeben ..., fast alles für tabu zu erklären“
Zu den einmaligen Maßregelungen der Redaktion gehörte der Einsatz einer , Zensorin’. Sie wurde der Redaktion beigeordnet, nachdem drei Wochen nach dem Artikel über den Bauminister auch noch eine Titel-Karikatur von Manfred Bofinger erschien, die die DDR-Preispolitik kommentierte und das Mißfallen Honeckers erregt hatte und die zur kurzzeitigen Beurlaubung des Stellvertretenden Chefredakteurs Hans Seifert führte (s. Karikatur auf Seite 32). Einer Journalistin aus dem Berliner Verlag, zu dem auch der „Eulenspiegel“ gehörte, und die gerade eine Parteischule absolviert hatte und deshalb als „zuverlässig“ (Gerd Nagel) galt, war einige Monate lang das gesamte Heft-Manuskript vorzulegen, bevor es in Druck ging. Daran heftete sie Zettel mit ihren Einwänden: Wenn sie meinte, eine Kritik sei ungerecht, weil man sich in dem betreffenden Industriezweig ja wirklich bemühe, und daher einen derartigen Beitrag „nicht verantworten“ wollte, so bedeutete dies auch, daß sie politisch-korrekt einen Zensur-vorschlag machte und sich selbst damit präventiv absicherte. Derart offensichtliche Zensur war bei den Genossen des „Eulenspiegels“ überflüssig. Sie verfaßten und illustrierten ihre Beiträge jetzt so, daß sie es sich leisten konnten, ihre Manuskripte unverändert in den Druck zu geben. Die Maßnahme der Abteilung Agitation läßt sich als Aktion verstehen, die , nach oben 1 gemeldet werden konnte, sowie als Geste der Warnung gegenüber der gesamten Redaktion. Daß der „Eulenspiegel“ dem Klassenfeind keine „Munition“ geliefert hatte, liegt auf der Hand. Wie lassen sich jedoch die Handlungsräume beschreiben, in denen die Zeitung operierte?
V. Nische der Satire
Im Kontext der DDR-Presselandschaft hatte der „Eulenspiegel“ das exklusive Recht, Probleme „in satirischer Form abzuhandeln“ In anderen Zeitungen fand satirische Auseinandersetzung mit Alltagserfahrungen in der Regel nicht statt. Da Kritik in den Medien der DDR etwas Außergewöhnliches war, stand der „Eulenspiegel“ einerseits unter besonderer Aufmerksamkeit des ZK und des Politbüros der SED, andererseits erklärt sich gerade daraus seine Wirkung und sein relativer Einfluß: Es war nicht die Schärfe von Satiren, in denen gegen besonders eklatante Mißstände vorgegangen wurde, sondern die Tatsache, daß dies überhaupt geschah und daß Lesern tatsächlich geholfen werden konnte. Denn damit hatten diese ein nach der eigenen Agenda funktionierendes Forum für ihre Probleme. So kam in den Fällen, die der „Eulenspiegel“ aufgriff, eine andere Seite des DDR-Alltags in den Blick, jenseits gängiger Erfolgsmeldungen und der Inszenierungen einer schönen Wirklichkeit.
Wie alle Zeitungen und Zeitschriften wurde auch der „Eulenspiegel“ von der ZK-Abteilung Agitation „angeleitet“ und kontrolliert, „um eine einheitliche Orientierung zu gewährleisten“ -wie es im euphemistischen Sprachgebrauch der Zentralen Revisionskommission heißt. Hatten andere ZK-Bereiche „kritische Nachfragen zu den Veröffentlichungen im , Eulenspiegel‘, mußten sie sich an diese Abteilung [Agitation, S. K. ] wenden, und die reichte dann diese Anliegen an uns weiter“ „Einheitlich orientiert“ wurde auf den „Donnerstags-Argumentationen“ im ZK-Gebäude, an denen auch der Chefredakteur der Zeitung teilzunehmen hatte. Die Presse wurde hier thematisch auf die jeweilige Parteilinie eingeschworen. Die Tendenzen und Tabus waren bindend Eine Anweisung durch den Leiter der Abteilung Agitation des ZK, Heinz Geggel, zum Thema Wohnungsbau konnte folgendermaßen aussehen: „Wir haben riesige Fortschritte gemacht, was den Wohnungsbau anbelangt. . . Das alles ist sehr hoch einzuschätzen, und wir werden niemandem erlauben, daß das etwa gering geschätzt wird, oder daß einzelne Ärgernisse alles das in den Schatten stellen, was in diesem Jahr wieder geschaffen wurde. Das heißt nicht, euphorische Töne anzuschlagen. Das heißt auch nicht, an Mängeln vorüberzugehen. .. . Das erste Anliegen ist,. .. sachlich aus der Fülle des Geleisteten darzustellen, das durch harte Arbeit und eine gute Politik geleistet wurde. "
Die Anweisung an die Presse lautet, von den großen Fortschritten im Wohnungsbau zu berichten, die durch harte Arbeit und gute Politik erreicht worden seien. Die Argumentation Heinz Geggels ist geschickt: Er beschwört keine heile Welt, aber er gibt die Partei-Perspektive auf diese Welt vor.
Im Gegensatz zur Tagespresse ergaben sich für den „Eulenspiegel“ aus der „Donnerstags-Argumentation“ nur . indirekte 1 Anweisungen, durch die die Möglichkeiten für das Satire-Magazin vor allem durch die Tabus abgesteckt wurden, die nicht verletzt werden durften. Die Themen suchten sich die Redakteure selbst, oder sie gingen Problemfällen nach, die Experten auf den Donnerstagsveranstaltungen erwähnt hatten. Die Chefredaktion hatte alles gegenüber der Abteilung Agitation zu verantworten. Gerd Nagel mußte wissen, in welchen Kategorien das ZK dachte, wollte er zu erwartende Auseinandersetzungen mit der Abteilung in einem erträglichen Maß halten. Er konnte, wie es Ernst Röhl beschreibt, „nicht weit im voraus planen, sondern mußte gewissermaßen das Ohr an die Furche legen, um Erschütterungen rechtzeitig wahrzunehmen“
Ganz im Sinne der Abteilung Agitation und ihrer Dienstherren konnte der „Eulenspiegel“ also seiner Natur nach gar nicht verfahren. Er mußte das Maß dessen, was mit satirischen Mitteln kritisiert werden konnte, innerhalb der beschriebenen Rahmenbedingungen von Fall zu Fall ausloten, und Beanstandungen aus der Abteilung Agitation waren Indikatoren dafür, was gerade noch machbar war.
VI. Prinzip des „nachprüfbaren Einzelfalls“
Neben einem politisch-thematischen Rahmen, der jeden Donnerstag im ZK-Gebäude vorgegeben wurde, existierten auch methodische Vorgaben für Zeitungssatire. Richteten sich Satiren im „Eulenspiegel“ auf erfahrbaren DDR-Alltag, wurde offensichtliche „Systemkritik“ nicht geduldet. Diese Artikel hatten sich vornehmlich an Einzelfällen , abzuarbeiten 1; sie sollten konkret sein -Roß und Reiter nennen -und der Überprüfung standhalten. Innenpolitische Satiren sollten weder allgemein noch pauschal sein, nicht „flächendekkend“, sondern hatten sich Fällen zuzuwenden, die als Ausnahmen und als reparabel darzustellen waren. Und so legte auch Hartmut Berlin seinen Artikel an: Da das Bauwesen flächendeckend nicht kritisiert werden konnte, „habe ich bewußt genommen: eine Familie, ein Haus“ Christian Höll hatte jedoch stellvertretend für die Mieter dreier Häuserblöcke Eingaben geschrieben und sich schließlich zermürbt an die in Frage kommenden Medien um Hilfe gewandt, um mit einer veröffentlichten Eingabe eine Lösung zu erzwingen: Zuerst an die Fernseh-Redaktion „Prisma“ die ablehnte dann an den „Eulenspiegel“. Die Zeitung wiederum veröffentlichte den Fall, weil sich hier formal ein „Einzelfall" bot, der mehr als einen einzelnen ansprach. Da das Haus, in dem die Familie Höll wohnte, ein Experimentalbau war, was Christian Höll schriftlich mitgeteilt worden war, ließ sich sein Fall als „Ausnahmefall" präsentieren: „Sehr beruhigend wirkte auch die Versicherung: , Das Objekt gehört zu einer Versuchsreihe des WBK Potsdam und ist mit einer Anzahl von Ausnahmegenehmigungen (Heizung, Sanitär, Elektro und Statik) errichtet worden.'Ehrlich gesagt, Genosse Minister, so was haben sich die Mieter beinahe von Anfang an gedacht. Sie wollten bloß nicht glauben, daß derartige Versuche am lebenden Objekt durchgeführt werden. "
VII. Kein „Einzelfall": Hintergründe
Die mögliche Kennzeichnung als „Einzelfall“ gewährte dem „Eulenspiegel“ die Chance, Probleme ins Visier zu nehmen, die erwiesenermaßen keine Einzelerscheinungen waren. So gehörte es nicht nur zum Allgemeinwissen der Bevölkerung, daß Fugen in Großplatten-Bauten häufig undicht waren, es war ebenso der ZK-Abteilung Bauwesen sowie dem Ministerium für Bauwesen bekannt, die Eingaben regelmäßig auswerteten. Im internen Bericht des Ministeriums für Bauwesen über das 1. Halbjahr 1981 heißt es „Einen Schwerpunkt der Eingaben bildet nach wie vor die nicht qualitätsgerechte Ausführung vor allem der Wandkonstruktionen der industriell errichteten Wohnbauten. In vielen Fällen wandten sich die Bürger an das Ministerium für Bauwesen, weil die vorangegangenen Eingaben an die zuständigen staatlichen Organe, die Rechtsträger bzw. Eigentümer oder an die Baubetriebe über Jahre hinweg nicht oder unzureichend bearbeitet worden sind. Ein markantes Beispiel dafür ist die öffentliche Eingabe der Familie Höll aus Berlin-Köpenick. . .. Eine wesentliche Schlußfolgerung ist, die Eingabenbearbeitung konsequenter und mit gebotener Härte in den Erziehungsprozeß der Bezirksbaudirektoren und Kombinatsdirektoren einzubeziehen. "
Hier wird die Eingabe der Familie Höll ausdrücklich als exemplarischer Fall behandelt. Geht man den Hintergründen zur geschilderten Situation des Mieters Christian Höll noch weiter nach, so eröffnet sich ein Blick nicht nur auf die problematische Seite des Wohnungsbauprogrammes, sondern auch auf den Zustand der DDR-Wirtschaft. In den Unterlagen der Staatlichen Bauaufsicht zum „Stand der Herstellung qualitätsgerechter Fugen im industriellen Wohnungsbau“ heißt es zu „größeren Mängeln in der Fugenherstellung“: „Die Hauptursachen hierfür liegen in:
-nicht erfolgter Achs-und Höhenvermessung, die durch fehlende Vermessungskapazität begründet wird;
-Lieferung von 49% der Elemente mit einer Qualität der Sorte B, obwohl das passungstechnische Projekt den Einbau von Elementen der Sorte A vorsieht;
-dem z. Z. nicht zur Verfügung stehenden Kemafilstrick, der noch nicht den Anforderungen als Dichtungsmittel in der Horizontalfuge genügt (Ungenauigkeit durch Verrutschen während der Montage); -mangelhafter Sorgfalt bei der Ausführung der Vertikalfuge wie Verdrehen der Schlagregensperre;
-trotz Vorschrift werden die Korropanbinden teilweise nicht heiß geklebt, weil die erforderlichen Arbeitsgeräte nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen;
-die Polystyrol-Wärmedämmung wird zum Teil nicht sorgfältig eingebracht.
Eine vollständige Kontrolle durch die TKO ist durch Unterbesetzung nicht gegeben.“ Hier zeigen sich die größeren Dimensionen eines Falles, der in der Zeitung satirisch und als Einzelfall präsentiert wurde. Es wird deutlich, daß die Probleme, die die Mieter mit der Reparatur ihrer Häuser hatten, sich aus dem Zustand der DDR-Wirtschaft herleiteten. So banal also „Einzelbeispiele“ auf den ersten Blick aussehen konnten, vermochten sie doch auf grundsätzlichere Mängel zu verweisen, auf eine soziale Wirklichkeit, die sich auf Textebene allerdings nur zwischen den Zeilen erschloß und Ergebnis von „Vor-Wissen" und Lektüre war. Dieses „Zwischen-den-ZeilenLesen“ war gleichermaßen -wie die Zeitungen selbst -Ergebnis der SED-Pressepolitik: Gewöhnt an eine Zeitungslandschaft, die von geglätteten, beschönigenden und apologetischen Artikeln dominiert war, rezipierten die Leser Artikel, die dichter an ihren eigenen Erfahrungen im Alltag lagen, als Spitze des Eisbergs. „Es ging um eine Wohnung, aber für die Masse der Leser war es das Bauwesen an sich.“ So läßt sich das Verfahren, Satire zu zähmen, indem sich diese vorzugsweise auf kleine Unzulänglichkeiten richten sollte, als rein kosmetische Operation werten mit dem Ziel, erfahrbaren Alltag von einem ideologisch korrekten Alltag zu überlagern.
VIII. Vom „Fall Höll“ zum „Fall Eulenspiegel“
Bittere Ironie ist, daß die Fälle, die der „Eulenspiegel“ als Einzelfälle zu präsentieren hatte, auch von den Lesern in ZK und Politbüro insbesondere auf ihr Potential zur „Systemkritik“ abgeklopft und im Kontext der gegebenen politischen Situation rezipiert wurden. Und diese Lektüre auf höherer Parteiebene erklärt die Maßnahmen, die gegen den „Eulenspiegel“ getroffen wurden. Zunächst empörte sich ein Minister, der sich nie öffentlich zu rechtfertigen hatte, daß er öffentlich kritisiert worden war. Minister Junker, auch er ein intimer Kenner der DDR-Pressepolitik, glaubte zunächst an eine inszenierte Kampagne, nämlich an eine Intrige Günter Mittags. Und er beschwerte sich bei der Abteilung Agitation, er lasse sich von so einem „Pinscher [damit war Hartmut Berlin gemeint, S. K. ] doch nicht anpinkeln“ Berlin kommentiert rückblickend: „ Das hat mich am meisten gefreut, das sind Reaktionen, wenn das alles wirklich stimmt: das haben wir gewollt. Der. . . ist gleich zu seinem Generalsekretär gerannt . . ., ob hier polnische Verhältnisse einziehen sollen . . . "
Die Abteilung Agitation verbreitete daraufhin: „Der Eulenspiegel hat einen gemeinen Brief an Bauminister Junker gedruckt. Wer Junker anpinkelt, der pinkelt das Wohnungsbauprogramm der DDR an.“ In dieser plumpen Verkürzung deutet sich der Grund für den Aktionismus der Abteilung Agitation an: Minister-Schelte, auf die man im ZK zudem besonders empfindlich reagierte und sie deshalb hoch bewertete. Denn wesentlich zum Verständnis der Maßregelung des „Eulenspiegel“ ist der politische Kontext, in dem sich die Minister-Schelte abspielte. Der „Eulenspiegel“ wolle „polnische Verhältnisse“ schaffen, lautete der Vorwurf aus dem ZK und Gerd Nagel kommentiert: „Der Junker war gar nicht das Problem. Das Problem war, was in Polen los war.“ Es war die Angst des ZK vor Zuständen, die die im Oktober 1980 gegründete Gewerkschaft „Solidarnosc“ vehement forderte: nämlich Minister öffentlich zur Verantwortung zu ziehen. Der Artikel im „Eulenspiegel“ wirkte in dieser Situation wie ein drohender und bedrohlicher Präzedenzfall. Minister Junker wiederum nutzte diesen Argwohn gegen die Veränderungen in Polen aus, um sich dem „Eulenspiegel“ gegenüber Genugtuung zu verschaffen.
Einen Monat nach dem „Eulenspiegel“ -Beitrag erschien im „Neuen Deutschland“ der Artikel „Qualität ’rauf, Kosten ’runter: unsere Devise beim Wohnungsbau“ der ideologisch korrekte Berichterstattung zum Thema Bauwirtschaft vorführte. Und wie zur Bestätigung für diese These wird in diesem Artikel in der Überschrift ein Honecker zugeschriebenes Zitat verwendet. Zelebriert werden hier vorgabengemäß die Erfolge des Wohnungsbauprogramms, das bis 1990 geplant war. Denn bis dahin sollte die Wohnungsfrage, so hieß es 1975, „als soziales Problem gelöst sein“ Dieses Programm hatte die Presse zu propagieren, und in diesem Sinne verfuhr die Abteilung Agitation, die darauf drängte, in der Presse die Partei-Ideologie als . Lebensalltag'zu verkünden, während die soziale Wirklichkeit dahinter zurückblieb.
IX. Satire und Öffentlichkeit
Die Kritik am „Eulenspiegel“ wegen seines Artikels über Bauschäden, die trotz Eingaben nicht beseitigt wurden, kann als Ausdruck dafür bewertet werden, daß eine öffentliche Diskussion in der DDR unterdrückt werden sollte -insbesondere im Medium öffentlicher Diskussion, in der Presse. Die Akten aus den ZK-Abteilungen Agitation und Bauwesen sowie dem Ministerium für Bauwesen belegen, daß genau die Instanzen, die auf die Zeitung einschlugen bzw. einschlagen ließen, über das Wissen und Material verfügten, auf Grund dessen sie die Satire im „Eulenspiegel“ als absolut zutreffend erkennen mußten. Die in den jeweiligen Abteilungen erarbeiteten Analysen zu Eingaben und zum Wohnungsbau dienten jedoch ausschließ lieh der eigenen Information.
Das in seiner Dramatisierung aus heutiger Per spektive hilflos wirkende Argument aus der Abtei lung Agitation, „daß [es] angesichts der verschärf ten äußeren Bedingungen verstärkt notwendig [sei], Tendenzen zu begegnen, die Gefahr bringet können, dem Feind leichtfertig Schützenhilfe zt leisten und unsere sozialistischen Errungenschaf ten in Mißkredit zu bringen“ ist beredtes Zeug nis für das Wissen der DDR-Führungselite um die Fragilität ihrer Macht. Sie fürchtete den öffentli chen Austausch von Informationen, der eine Demokratisierung der Verhältnisse hätte einleiter können. Es war die zentralistische Macht, die sic zu schützen glaubte, indem sie stets nur ihrer Erfolg verkünden ließ. Und deshalb argumentierte der Leiter der Abteilung Agitation, Heinz Geggel im Rahmen der SED-Logik auch korrekt, wenn ei die Veröffentlichung im „Eulenspiegel“ als „politisch falsches Herangehen . . . weil damit faktisch ein Angriff gegen unsere sozialistische Staatsmacht geführt wird“ wertete. Aus der Tatsache daß Öffentlichkeit in der DDR unterdrückt wurde folgt, daß es Ansätze einer solchen tatsächlich gab So konnten in einer „Eulenspiegel“ -Satire Konflikte Ausdruck finden, die die Parteiführung aus der Presse vorzugsweise heraushielt. Es ist eine informelle Öffentlichkeit, die die Satire punktuell zur Sprache brachte und deren Existenz sie im wesentlichen ihre Wirkung verdankte. Und es ist diese informelle Diskussionskultur, die sich 1989 auf der Straße zeigte und sich dabei häufig und offenbar traditionsgemäß satirischer Formen bediente.
Sylvia Klötzer, Dr. phil. (USA), geb. 1952; Studium der Germanistik und Amerikanistik in Berlin und Amherst, Mass. /USA; seit 1996 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. Veröffentlichungen u. a.: Perspektivenwechsel. Ich-Verlust bei Monika Maron, in: Ute Brandes (Hrsg.), Zwischen gestern und morgen: Schriftstellerinnen der DDR aus amerikanischer Sicht, Bern 1992; Subkultur und Staatssicherheit: Rainer Schedlinski, in: Christine Cosentino und Wolfgang Müller (Hrsg.), „im widerstand/in mißverstand?“ -Zur Literatur und Kunst des Prenzlauer Bergs, New York 1995; Patterns of Self-Destruction: Christa Wolf’s „What Remains“ and Monika Maron’s „Flight of Ashes“, in: Karen Jankowsky/Carla Love (Hrsg.), Other Germanies -Questioning Identity in Women’s Literature and Art, Albany 1996 (i. E.).