Sieben Jahre deutsche Einheit: Rückblick und Perspektiven in fiskalischer Sicht
Ullrich Heilemann/Hermann Rappen
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Zusammenfassung
Sieben Jahre nach der deutschen Einigung hat sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Ostdeutschlands von einem Drittel des westdeutschen Niveaus auf die Hälfte angenähert; die Infrastrukturlücke konnte deutlich verringert werden. Die wirtschaftliche und soziale Angleichung erforderte bislang westdeutsche Transferleistungen in Höhe von jährlich 200 Mrd. DM bzw. 6, 6 Prozent des westdeutschen Bruttoinlandsprodukts, was 60 Prozent des ostdeutschen entspricht. Davon wurden mehr als zwei Drittel „konsumtiv“ verwendet“, der Rest entfällt auf öffentliche Investitionen und Hilfen der Treuhand. Die Finanzierung dieser Mittel erfolgte je zu mehr als 40 Prozent durch Kreditaufnahme und Abgabenerhöhungen, der Anteil der Ausgabeneinsparungen belief sich auf ca. 15 Prozent, hat aber mittlerweile einen Anteil von über 20 Prozent erreicht. Seit 1995 stockt der ostdeutsche Aufholprozeß. Auch wenn sich das Wachstum Ostdeutschlands bald wieder beschleunigen würde, so erscheint selbst bei einem erheblichen Wachstumsvorsprung gegenüber Westdeutschland ein Einholen innerhalb der nächsten zehn Jahre als wenig wahrscheinlich. Dies schließt nicht aus, daß es einzelnen Regionen sehr viel früher gelingen wird. Ob vor diesem Hintergrund die Transferleistungen wesentlich gesenkt werden können, bleibt abzuwarten. Andererseits wird zunehmend deutlich, daß das künftige Wachstum sehr viel stärker als bisher vom privaten Sektor getragen werden muß.
I. Vorbemerkungen
Wichtigste Aufgabe der deutschen Einigung ist es, die ostdeutschen Lebensbedingungen und -Chancen möglichst rasch an westdeutsche Verhältnisse anzugleichen. Voraussetzung dafür war und ist die Vitalisierung der ostdeutschen Wirtschaft. Ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dürfte 1990 nur bei einem Drittel des westdeutschen Niveaus gelegen haben; die Infrastruktur war in schlechtem Zustand und genügte nicht westlichen Standards. Gleichwohl ging die Politik davon aus, daß sich die wirtschaftlichen Leistungsverhältnisse und die Lebensverhältnisse Ostdeutschlands rasch dem westlichen Niveau angleichen würden. Primär sollte dies durch kapitalorientierte Wirtschaftsförderungsmaßnahmen erreicht werden. Finanzhilfen und Steuervergünstigungen sollten die Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe erleichtern sowie die private Investitions-und Gründungstätigkeit anregen, unterstützt durch einen zügigen Ausbau der Infrastruktur. Sozial-und regionalpolitische Maßnahmen (Frühverrentungen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungen) sollten diesen Prozeß flankieren. All dies bedeutete unter den gegebenen Bedingungen zwangsläufig eine massive finanzwirtschaftliche Alimentierung Ostdeutschlands.
Abbildung 5
undesländern. -“ Anhebung der Beitragssätze. Schaubild 4: West-Ost-Transfers und ihre Finan-zierung: 1991 bis 1995. Quelle: RWI.
undesländern. -“ Anhebung der Beitragssätze. Schaubild 4: West-Ost-Transfers und ihre Finan-zierung: 1991 bis 1995. Quelle: RWI.
Im folgenden werden dieser Prozeß, seine Ergebnisse und seine Perspektiven aus primär fiskalischer Sicht beleuchtet. Dabei ist die Bezifferung der Leistungen keineswegs einfach, fällt aber immer noch leichter als die ihres Ertrages Das hat statistische Ursachen; wichtiger ist indes, daß angesichts der Wirkungsverzögerungen viele der Maßnahmen noch nicht abschließend beurteilt werden können. Im ersten Teil soll eine Bilanz dieser Transferpolitik gezogen werden. Zunächst wird ein Überblick über Art und Umfang der bisherigen Transferleistungen gegeben anschließend gezeigt, wofür diese Mittel verwendet wurden, was damit erreicht wurde, und schließlich, wer sie aufbrachte. Im zweiten Teil soll nach den künftigen fiskalischen Implikationen des Angleichungsprozesses gefragt werden.
Quelle: RWI; eigene Berechnung nach Angaben der Bundesregierung.
1. Wieviel wurde geleistet?
Abbildung 6
Tabelle 1: Ausgewählte gesamtwirtschaftliche Ost-West-Relationen. Quelle: RWI; eigene Berechnungen nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und des Statistischen Bundesamtes sowie eigene Berechnungen.
Tabelle 1: Ausgewählte gesamtwirtschaftliche Ost-West-Relationen. Quelle: RWI; eigene Berechnungen nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und des Statistischen Bundesamtes sowie eigene Berechnungen.
Die West-Ost-Transfers der öffentlichen Hände summieren sich bis Ende 1997 -nach Abzug der ostdeutschen Beiträge zu den Einnahmen des Bundes (ca. 250 Mrd. DM) -voraussichtlich auf 1, 4 Billionen DM. Pro Jahr entspricht dies rund 195 Mrd. DM oder 6, 6 Prozent des westdeutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) bzw. 6 Prozent des gesamtdeutschen Bruttosozialprodukts (BSP) (vgl. Schaubild 1).
Abbildung 7
Schaubild 5: Wachstum der ostdeutschen Wirtschaft und Konvergenz . Quelle: RWI; eigene Berechnungen. 2039)
Schaubild 5: Wachstum der ostdeutschen Wirtschaft und Konvergenz . Quelle: RWI; eigene Berechnungen. 2039)
Sie erreichten in den Jahren 1993/94 mit jeweils etwa 220 Mrd. DM bzw. 7, 7 Prozent und 7, 3 Prozent des westdeutschen BIP ihren vorläufigen Höhepunkt. Nachdem die Auflösung der Treuhandanstalt zu einer merklichen Verringerung der Transferleistungen führte, stagniert ihr Volumen zur Zeit. Sie belaufen sich seit 1995 auf knapp 200 Mrd. DM p. a. bzw. etwa 6 Prozent des westdeutschen BIP.
Abbildung 8
2: Regionale Entwicklungsunterschiede in Ostdeutschland .Quelle: RWI; Unterrichtung durch die Bundesregierung.
2: Regionale Entwicklungsunterschiede in Ostdeutschland .Quelle: RWI; Unterrichtung durch die Bundesregierung.
Von den Hilfen dürften 70 Prozent für sogenannte konsumtive Zwecke verwendet worden sein; allein 15 Prozent dienten zur Abdeckung der Defizite der ostdeutschen Sozialversicherung (ca. 205 Mrd. DM). Der Anteil der investiven Ausgaben -ohne Steuervergünstigungen, Kredit-und Bürgschaftsprogramme sowie Hilfen der Treuhand -fällt mit einem Fünftel nur geringfügig höher aus. Der Nettofinanzbedarf der Treuhandanstalt wird infolge ihrer Auflösung Ende 1997 nur noch knapp ein Zehntel der bisherigen Hilfen ausmachen. Für die Nachfolgeorganisationen, insbesondere die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), wird der Bund bis Ende 1997 voraus-sichtlich 5, 4 Mrd. DM verausgabt haben -deutlich weniger als ursprünglich erwartet. Eine Differenzierung zwischen „konsumtiven“ und „investiven" Verwendungen ist -die Ratio dieser Klassifikation öffentlicher Ausgaben hier einmal offengelassen -im Falle dieser parafiskalischen Institutionen besonders schwierig. Als eindeutig konsumtiv lassen sich die Treuhandausgaben für sozial-und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die sich bis 1994 auf (geschätzt) 11, 5 Mrd. DM beliefen, sowie die Ausgaben für Sozialpläne (6, 7 Mrd. DM bis 1994) einstufen. 2. Wie wurden die Mittel verwendet? a) Modernisierung der Infrastruktur Die Phase unmittelbar vor und nach der Einigung ließ die Notwendigkeit des Aufbaus einer funktionsfähigen institutioneilen Infrastruktur, insbesondere einer funktionsfähigen öffentlichen Verwaltung sowie einer sachgerechten Neu-, Um-oder Ausgestaltung von Eigentumsrechten, recht deutlich werden. Der Bund und die westdeutschen Gebietskörperschaften ordneten denn auch -nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft -ca. 35 000 Beamte vorübergehend nach Ostdeutschland ab; allein die westdeutschen Länder erbrachten technische und personelle Hilfen im Umfange von weit mehr als 2 Mrd. DM pro Jahr.
Abbildung 9
Tabelle 3: Zahlungen des Bundes an die neuen Bundesländer 1996-2000 (in Mio. DM) Quelle: RWI; nach Angaben der Zentralen Datenstelle der Länderfinanzminister.
Tabelle 3: Zahlungen des Bundes an die neuen Bundesländer 1996-2000 (in Mio. DM) Quelle: RWI; nach Angaben der Zentralen Datenstelle der Länderfinanzminister.
Aber auch bezüglich der materiellen Infrastruktur bestand erheblicher Handlungsbedarf: Ostdeutschland zählte 1990 nicht nur im Vergleich zu Westdeutschland, sondern auch EG-weit zu den mit Infrastruktur am schlechtesten ausgestatteten Regionen Investitionen der öffentlichen Hand sollten hier Abhilfe schaffen. Während 1991 die öffentlichen Investitionen mit 967 DM je Einwohner nur knapp dem westdeutschen Niveau (1 028 DM) entsprachen, wurde 1996 in den neuen Bundesländern mit 2 071 DM je Einwohner mehr als doppelt so viel investiert wie in den alten. Im Osten stiegen zwischen 1991 und 1996 die Investitionen je Einwohner um durchschnittlich 17 Prozent, im Westen sanken sie um 1 Prozent. Insgesamt beliefen sich die öffentlichen Investitionen in wirtschaftsnahe Infrastrukturbereiche vom zweiten Halbjahr 1990 bis Ende 1996 auf 145, 5 Mrd. DM. Davon flossen allein 79 Mrd. DM aus dem Bundeshaushalt zur Finanzierung von Verkehrsinvestitionen (68 Mrd. DM) und anderer wirtschaftsnaher Infrastruktureinrichtungen (11 Mrd. DM). In Erneuerung und Ausbau der Kommunikationseinrichtungen investierte die Telekom weitere 44, 5 Mrd. DM
Diese erheblichen Anstrengüngen haben die Infrastrukturlücke in Ostdeutschland deutlich verringert, aber noch längst nicht geschlossen. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) belief sich 1995 das Bruttoanlagevermögen je Einwohner in nicht-staatlichen Infrastrukturbereichen (z. B. Energie und Wasser, Nachrichtenübermittlung) in Ostdeutschland auf 82 Prozent des Westniveaus (1991: 65 Prozent); dagegen erreichte die unmittelbare Bereitstellung von Infrastruktureinrichtungen durch die öffentlichen Haushalte erst knappe 53 Prozent Erreichbarkeitsanalysen für die Jahre 1994/95 kommen trotz der beträchtlichen Verkehrsinvestitionen zu dem Ergebnis, daß nach wie vor erhebliche Lagenachteile ostdeutscher gegenüber westdeutschen Arbeitsmarktregionen bestehen Gravierende Mängel sind auch noch in anderen Bereichen der sachkapitalorientierten Infrastruktur (Kommunikations-, Ver-und Entsorgungseinrichtungen) zu verzeichnen, und zwar vor allem auf kommunaler Ebene Dabei dürfen allerdings nicht die erheblichen Disparitäten übersehen werden: Besonders gut ausgestattet sind die Arbeitsmarktregionen Berlin, Leipzig und Dresden, die bereits 1993 nur noch „leichte“ Infrastrukturdefizite gegenüber dem Bundesdurchschnitt aufwiesen b) Förderung der gewerblichen Wirtschaft Die Erneuerung der ostdeutschen Produktionsstruktur sollte von kapitalorientierten Fördermaßnahmen getragen werden. So wurden bis 1996 94 Mrd. DM an Investitionshilfen in Gestalt von Investitionszuschüssen (33 Mrd. DM), Investitionszulagen (21 Mrd. DM) und Sonderabschreibungen (Steuermindereinnahmen: 40 Mrd. DM) geleistet. Davon brachte der Bund ca. 42 Mrd. DM auf. Von den übrigen Maßnahmen ist vor allem noch auf die Kreditprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichs-bank im Umfange von etwa 80 Mrd. DM hinzu
Rein quantitativ gesehen kann man mit Blick auf die private Investitionsentwicklung von einem Erfolg dieser Maßnahmen sprechen. Seit 1993 ist im Osten pro Kopf der Bevölkerung erheblich mehr investiert worden als in Westdeutschland: 1993 wurde das westdeutsche Investitionsniveau um knapp ein Zehntel, 1996 sogar um die Hälfte übertroffen. Die Investitionstätigkeit war allerdings vor allem auf die Erschließung der regionalen und lokalen Märkte ausgerichtet, so daß von beträchtlichen Mitnahmeeffekten auszugehen ist, auch im Verarbeitenden Gewerbe. Weltmarkt-orientierte Branchen haben bislang im Transformationsprozeß -gemessen an der sektoralen Struktur der Erwerbstätigen -sogar merklich an Bedeutung verloren
Auf der anderen Seite bedurfte es vermutlich dieser Investitionsanreize, um Standortschwächen (Infrastrukturdefizite, geringe Arbeitsproduktivität) rasch zu kompensieren. Dabei ging nach Einschätzung der Bundesregierung der größte Effekt -gemessen am „geförderten“ Investitionsvolumen -von den steuerlichen Hilfen aus: 1 Milliarde DM an Investitionszulagen und Sonderabschreibungen stand -rein rechnerisch -ein Investitionsvolumen von 7 Milliarden DM gegenüber (vgl. Schaubild 2).
Lediglich die Gemeinschaftsaufgabe kann ein ähnlich günstiges Verhältnis von Hilfen und „gefördertem“ Investitionsvolumen aufweisen. Dieses Ergebnis verwundert insoweit nicht, als insbesondere die Sonderabschreibungen den Investoren den größten Freiheitsraum hinsichtlich Art, Umfang und Ort der Investition beließen.
Der kapitalorientierte Förderansatz hat vermutlich einen noch stärkeren Rückgang der kapitalintensiven Wirtschaftszweige in Ostdeutschland verhindert und generell eine kapitalintensivere Produktionsweise begünstigt. Die Sonderabschreibungen haben zudem -in Verbindung mit dem Nachholbedarf an Wohnungs-, Wirtschafts-und Infrastrukturbauten -die Bauinvestitionen über die Maßen begünstigt. Der Bausektor leistete denn auch in den letzten Jahren einen zunehmenden Beitrag zur Bruttowertschöpfung in Ostdeutschland (1991: 6 Prozent; 1995: 17, 5 Prozent; Westdeutschland 5, 3 Prozent). Insgesamt ist indes festzustellen, daß sich die sektorale Struktur Ostdeutschlands der Westdeutschlands angleicht 11.
Erfahrungsgemäß wird die Wirksamkeit derartiger Förderprogramme durch Fehlleitungen beeinträchtigt -ein Risiko, das in Ostdeutschland bislang besonders groß war, da eine diesbezüglich kompetente Verwaltung zunächst fehlte. So stellte der Bundesrechnungshof auch gravierende Mängel bei der Gewährung von Sonderabschreibungen und Investitionszulagen fest. Von 448 geprüften Besteuerungsfällen wurden mehr als zwei Drittel beanstandet; eine Prüfung von Anträgen auf Investitionszulagen für die Wirtschaftsjahre 1993 und 1994 ergab Beanstandungen in einem Drittel der geprüften Fälle
Ein endgültiges Urteil über Effektivität und Effizienz der Fördermaßnahmen scheitert vorläufig noch an der ungenügenden statistischen Basis, den vielfachen Überschneidungen der Hilfen und den noch zu kurzen Wirkungszeiten. Auch die zunehmenden Insolvenzen lassen noch kein endgültiges Urteil über den Fördererfolg zu, sind sie doch vielfach Ausdruck einer Marktbereinigung, wie sie über kurz oder lang zu erwarten war. Zweierlei dürfte gleichwohl feststehen: Erstens wird man etliche der zu Beginn der Einigung diskutierten Maßnahmen -gar zu viele waren es ohnehin nicht -wie Lohnsubventionierung oder Mehrwertsteuerpräferenzen auch im nachhinein nicht zuletzt unter Praktikabilitätsgesichtspunkten eher kritisch einschätzen müssen. Zweitens sollte man mit Blick auf die westdeutschen Erfahrungen auch in Ostdeutschland die Beiträge von Regional-und Sektoralhilfen letztendlich primär als Hilfe zur Selbsthilfe ansehen. Ihre regionale wie sektorale Konzentration erscheint deshalb nun geboten, ohne die damit verbundenen ordnungspolitischen Probleme zu übersehen. c) Soziale Sicherung Mit den westdeutschen Institutionen wurde auch das soziale Sicherungs-und Transfersystem der alten Bundesrepublik auf Ostdeutschland übertragen. Gleichzeitig sind diesem aber zusätzliche Aufgaben zugewiesen worden, für die es eigentlich nicht konzipiert ist. Es sollte den Transformationsprozeß in Ostdeutschland sozial abfedern, den Lebensstandard rascher, als es sonst möglich gewesen wäre, an das westdeutsche Niveau heranführen und damit auch die zunächst befürchtete Abwanderung stoppen.
Den öffentlichen Transferleistungen kommt denn auch für die Haushaltseinkommen Ostdeutschlands zentrale Bedeutung zu. So belief sich 1993 der Anteil der Transferleistungen am Nettoeinkommen der ostdeutschen Haushalte auf 36 Prozent, der der westdeutschen Haushalte auf nur 23, 7 Prozent (vgl. Schaubilder 3 a und 3 b). Dies erklärt sich nicht nur durch die im Vergleich zum Westen niedrigeren Einkommen, die ostdeutsche Haushalte aus selbständiger und unselbständiger Arbeit erzielen, sondern vor allem aus der hohen Arbeitslosigkeit, die erhebliche laufende Übertragungen der Arbeitsförderung (Arbeitslosen-, Unterhaltsgeld) nach sich zieht. Eine wichtige Rolle spielen auch die deutlich geringeren Vermögenseinkünfte ostdeutscher Haushalte, was sich insbesondere in den Rentnerhaushalten bemerkbar macht. Im übrigen handelt es sich -wie im Westen -bei den Rentenzahlungen um die bedeutendsten öffentlichen Transferleistungen.
Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung deckt das Beitragsaufkommen in Ostdeutschland die Leistungen bei weitem nicht: In der Arbeitslosen-und Rentenversicherung sind Defizite von 127 Mrd. DM bzw. 78 Mrd. DM aufgelaufen. Diese Defizite sind indes nicht lediglich Reflex der Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Einkommen auf der einen Seite sowie der Anspruchsberechtigungen auf der anderen Seite, sondern auch des Versuchs, den Arbeitsmarkt durch Frühverrentungen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen etc. zu entlasten. Während sich die Zahl der Arbeitslosen in den neuen Bundesländern im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 1996 auf 1, 1 Mio. belief, wurde der Arbeitsmarkt im gleichen Zeitraum um 1, 5 Mio. Arbeitnehmer pro Jahr entlastet, und zwar durch Frühverrentungen (570 Tsd.), Arbeitsbeschaffungs-(380 Tsd.) und Weiterbildungsmaßnahmen (270 Tsd.) sowie Kurz-arbeit (210 Tsd.). Die offiziellen Arbeitslosen-quoten Ostdeutschlands hätten sich ohne diese Maßnahmen mit 30 bis 40 Prozent im Jahresdurchschnitt mehr als verdoppelt. Die öffentlichen Transferleistungen haben damit wesentlich zur sozialen Stabilisierung Ostdeutschlands beigetragen. In welchem Umfang sie oder die verschlechterten Arbeitsmarktbedingungen in Westdeutschland für das Abebben der Migrationswelle verantwortlich sind, bleibt offen. 3. Mittelaufbringung und Lastenverteilung Die Gebietskörperschaften (einschließlich Fonds „Deutsche Einheit“) werden bis Ende 1997 mehr als 1 Billion DM an Transfers geleistet haben. Von den Finanzierungslasten trägt der Bund reichlich 85 Prozent, wenn man die Auswirkungen der Neuregelung des Finanzausgleichs ab 1995 in Höhe von etwa 32 Mrd. DM jährlich auf den Bundeshaushalt einbezieht. Unter Berücksichtigung der zahlreichen Steuerrechtsänderungen zwischen 1991 und 1995 relativiert sich die hohe Belastung des Bundes indes etwas, die beim Bund zu Mehreinnahmen von 147 Mrd. DM führten; dies entspricht 30 Prozent der Haushaltsbelastungen im Einigungsprozeß. Länder und Gemeinden mußten dagegen mit knapp 1 Mrd. DM bzw. 5 Mrd. DM sogar Einnahmeverluste hinnehmen. Ihre Finanzierungsanteile fallen indes mit ca. 10 Prozent bzw. 5 Prozent auch deutlich geringer aus.
Zu Beginn des Einigungsprozesses hegten das Regierungslager und andere vielfach noch die Erwartung, diese Transferleistungen durch Ausgabenkürzungen sowie wachstumsinduzierte Steuer-und Beitragsmehreinnahmen finanzieren zu können. Tatsächlich wurden sie anfangs überwiegend kreditfinanziert. Erst allmählich gewannen Mehreinnahmen aus Steuer-und Beitragserhöhungen sowie Minderausgaben infolge von Einsparungen an Bedeutung (vgl. Schaubild 4).
Die Kreditfinanzierungsquote sank von fast zwei Dritteln 1991 auf knapp ein Fünftel 1995, die Dekkung durch Steuermehreinnahmen, Beitragserhöhungen und Ausgabeneinsparungen verdoppelte sich dagegen von knapp zwei auf vier Fünftel. Der Beitrag der Ausgabenkürzungen insgesamt fällt -gemessen an den ursprünglichen Erwartungen -eher bescheiden aus. Von 1991 bis 1995 wurden so nur etwa 15 Prozent finanziert, über Kredite sowie Erhöhung von Steuern und Abgaben jeweils etwa 43 Prozent
Das große Gewicht der Arbeitslosen-und Rentenversicherung im Rahmen der West-Ost-Transfers hatte zur Folge, daß die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten anfangs einen überproportionalen Anteil an der Finanzierung hatten. Dies spiegelt sich auch in der personalen Lastenverteilung in Westdeutschland wider: 1992 waren die drei unteren Viertel der Einkommensbezieher mit über 3 Prozent ihrer Bruttoeinkommen stärker belastet als das oberste Viertel mit rund 2, 5 Prozent. Die Belastung für die Haushalte mit den höchsten Einkommen (5 Prozent aller Haushalte) lag bei etwa 2 Prozent. Im Jahr 1995 stellte sich die Situation insgesamt ausgeglichener dar: Die relative Belastung der obersten 5 Prozent der Einkommensbezieher war mit 4, 7 Prozent nur noch wenig geringer als die des Durchschnitts (5, 1 Prozent), was in erster Linie mit der neuerlichen Erhebung des Solidaritätszuschlags zusammenhängt
III. Perspektiven
Abbildung 3
Schaubild 3 a: Anteil der öffentlichen Transfers am Nettoeinkommen ost-und westdeutscher Haushalte (1993; in Prozent) Quellen: RWI; eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes.
Schaubild 3 a: Anteil der öffentlichen Transfers am Nettoeinkommen ost-und westdeutscher Haushalte (1993; in Prozent) Quellen: RWI; eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes.
1. Der Aufholprozeß stockt Die Prognosen über den Zeitraum, den Ostdeutschland benötigt, um die Wirtschaftskraft der alten Länder zu erreichen, gingen von Anfang an weit auseinander. Optimistische Einschätzungen bezifferten den Anpassungszeitraum auf 3 bis 10 Jahre; pessimistischere auf 20 Jahre und im Extremfall sogar auf mehr als 70 Jahre Dabei ist festzustellen, daß mit wachsendem zeitlichem Abstand der Prognose von der Einigung die Anpassungszeiten tendenziell eher länger eingeschätzt werden. Wo stehen wir heute? Verschiedene gesamtwirtschaftliche Ost-West-Relationen deuten darauf hin, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Ostdeutschlands von ursprünglich einem Drittel auf nunmehr etwa die Hälfte des westdeutschen Niveaus angewachsen ist (vgl. Tabelle 1).
Seit 1995 läßt indes die Wachstumsdynamik in Ostdeutschland merklich nach. Das ostdeutsche BIP (real) wird 1997 sogar erstmalig mit 2 Prozent geringer zunehmen als das westdeutsche (2, 5 Prozent), und auch 1998 wird die westdeutsche Wirtschaft (3 Prozent) voraussichtlich stärker wachsen als die ostdeutsche (2, 5 Prozent) -eine Atempause oder ist der Anpassungsprozeß generell in Frage gestellt?
Der Einbruch ist vor allem Ergebnis rückläufiger Bauinvestitionen. Anpassungen der Bauwirtschaft und der vorgelagerten Bereiche waren freilich angesichts ihres überproportionalen Ausbaus (s. o.) erwartet worden. Stärkere Zweifel an einer selbsttragenden wirtschaftlichen Entwicklung nährt die nach wie vor große Lücke zwischen der Nachfrage und der eigenen Wirtschaftsleistung (Selbstversorgungsgrad). Ostdeutschland fehlt es noch immer an einer ausreichenden industriellen Basis. Ein Grund hierfür sind die Lohnstückkosten, die um ein Drittel über dem westdeutschen Niveau liegen; die Produktivität beläuft sich nur auf die Hälfte (vgl. Tabelle 1).
Inwiefern und mit welchen Ergebnissen sich die jüngsten tarifpolitischen Lockerungen in Ostdeutschland fortsetzen und verstärken, bleibt abzuwarten. Kurz, ohne Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft wird der Aufholprozeß kaum vorankommen.
Geht man davon aus, daß sich Westdeutschland auf einem Wachstumspfad von 2, 5 Prozent real befindet, die ostdeutsche Wirtschaft mit 4 Prozent jährlich wächst, so wird sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Jahre 2038/39 angeglichen haben (vgl. Schaubild 5). Der Aufholprozeß hätte dann etwa 50 Jahre oder zwei Generationen gedauert. Zum Vergleich: Bayern benötigte 14 Jahre, um einen Rückstand von 6 Prozentpunkten auf die durchschnittliche Wirtschaftskraft der alten Bundesrepublik im Jahre 1970 aufzuholen. Auch wenn sich die Wachstumsraten Ostdeutschlands bald wieder beschleunigten, bedürfte es schon Wachstumsdifferenzen von mehr als 3 Prozentpunkten, um eine Konvergenz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in weniger als zwanzig Jahren, und von 5, 5 Prozentpunkten, um diese in zehn Jahren zu erreichen -letzteres aus heutiger Sicht eine kaum realistische Erwartung.
Die Durchschnittsbetrachtung sollte allerdings nicht den Blick auf die erheblichen regionalen Unterschiede innerhalb Ostdeutschlands verstellen: Es gibt eine Reihe von Anzeichen dafür, daß einzelnen städtischen Regionen der Anschluß an die westdeutsche Entwicklung sehr viel rascher gelingt. Von Anfang an wurden dem Raum um Berlin und um Dresden die größten Entwicklungschancen eingeräumt, was sich zu bestätigen scheint. Diese Regionen weisen neben Leipzig -gemessen an den Förderindikatoren der regionalen Strukturpolitik (vgl. Tabelle 2) -die günstigsten Werte auf.
Die regionalen Entwicklungsunterschiede werfen im übrigen die Frage auf, inwieweit die völlige Angleichung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Ostdeutschlands an das Durchschnittsniveau der alten Bundesländer überhaupt ein realistisches Ziel ist (gemessen am BSP je Einwohner schwankt in Westdeutschland die Wirtschaftskraft zwischen 79 Prozent [Saarland] und 130 Prozent [Hamburg]). 2. Finanzpolitische Optionen Was die fiskalischen Dimensionen des Angleichungsprozesses betrifft, so scheidet eine Beschleunigung des Aufholprozesses -von ordnungs-oder prozeßpolitischen Fragen einmal abgesehen -alleine aufgrund des bestehenden Konsolidierungsdrucks auf die öffentlichen Haushalte aus. Im Gegenteil: Der Bund nutzt seine haushaltspolitischen Gestaltungsspielräume, um sowohl die Wirtschaftsförderung als auch die arbeitsmarktpolitischen Leistungen zu kürzen. Er beabsichtigt, seine Zahlungen an die ostdeutschen Länder im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ bis zum Jahre 2000 gegenüber 1996 mehr als zu halbieren; Investitionshilfen, insbesondere für die Städte-und Wohnungsbauförderung, sollen um 2, 4 Prozent gekürzt werden (vgl. Tabelle 3). Darüber hinaus will der Bund durch die Verringerung der Arbeitslosigkeit und Einsparungen -u. a. durch die schrittweise Angleichung von arbeitsmarktpolitischen Leistungen (Arbeitsbeschaffungs-und Fortbildungsmaßnahmen) in Ostdeutschland an das Niveau in Westdeutschland -erreichen, daß er in den kommenden Jahren keine Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit (BA) leisten muß. Diese arbeitsmarktpolitischen Leistungen machen aber gut 50 Prozent der Ausgaben der BA in Ostdeutschland aus. Die geplanten Einsparungen belaufen sich 1997 auf 1, 7 Mrd. DM und steigen bis zum Jahre 2000 auf 8, 3 Mrd. DM. Angesichts von etwa 130 000 Betroffenen pro Jahr sowie der gegebenen Arbeitsmarktbedingungen ist allerdings eine nennenswerte Entlastung der BA sowie des Bundes mehr als zweifelhaft. Bislang verdeckte Arbeitslosigkeit dürfte sich in offene umwandeln.
Parallel zu diesen Kürzungen versucht der Bund die Wirksamkeit der steuerlichen Förderung Ostdeutschlands zu verbessern. Ein erster Schritt dazu ist die Konzentration der Investitionsförderung auf das Verarbeitende Gewerbe und produktionsnahe Dienstleistungen, die Einschränkung der Wohnungsbauförderung auf Sanierungsmaßnahmen und auf Neubauten in Innenstadtbereichen sowie die Differenzierung der Förderintensität. Die beschlossene Umstellung von Sonderabschreibungen auf Investitionszulagen -bei unverändertem Fördervolumen -begünstigt Neugründungen und mittelständische Unternehmen. Die Fördermaßnahmen laufen zudem im Jahr 2001 bzw. 2004 aus.
Auch der finanzwirtschaftliche Handlungsspielraum der ostdeutschen Länder wird zunehmend enger. Ihre Haushalte geraten sowohl auf der Einnahmen-wie auf der Ausgabenseite unter Druck. Die Zahlungen des Bundes an die ostdeutschen Länder gehen im Zeitraum 1996 bis 2000 voraussichtlich um ein Prozent pro Jahr zurück (vgl. Tabelle 3). Punktuelle Mehreinnahmen sind allein in denjenigen Bereichen festzustellen, die der Bund nur im Einvernehmen mit den Ländern regeln kann. Die Bundesergänzungszuweisungen nehmen um ein Prozent pro Jahr zu, die Ausgleichszahlungen für die Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs um 11, 5 Prozent. Die Steuerkraft der ostdeutschen Bundesländer nimmt zwar zu: Ihr Beitrag zum bundesdeutschen Steueraufkommen erhöht sich von knapp 9 Prozent 1996 auf rund 10 Prozent im Jahr 2000. Die Länder leiden aber natürlich auch unter der geringen Dynamik der Steuereinnahmen. Es kann deshalb nicht verwundern, daß sich aus den Finanzplanungen der ostdeutschen Flächenländer für den Zeitraum 1996/2000 lediglich eine Ausgabensteigerung von 0, 7 Prozent jährlich errechnet. Als Reaktion auf die ungünstige Einnahmenentwicklung ist davon auszugehen, daß die Ausgaben bei etwa 120 Mrd. DM bis zum Jahr 2000 stagnieren werden. Dabei verringert sich der finanzpolitische Handlungsspielraum merklich: Die Zinslastquote verdoppelt sich ausweislich der Fihanzplanungen innerhalb von nur fünf Jahren auf 6, 8 Prozent im Jahre 2000 (westdeutsche Flächenländer: 8, 5). Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist es nicht verwunderlich, daß die ostdeutschen Länder ihre hohe Investitionsquote nicht halten können. Sie sinkt um 4, 5 Prozentpunkte auf 24, 3 Prozent im Jahre 2000
Obwohl die Konvergenz bei weitem noch nicht erreicht ist, stößt die kapitalorientierte Wirtschaftsförderung angesichts des Konsolidierungsdrucks an ihre finanziellen Grenzen. Die Gemeinschaftsaufgabe wird aller Voraussicht nach -allerdings auch mit Blick auf die Beihilfe-und Regionalpolitik der Europäischen Union -drastisch gekürzt. Die Investitionsdynamik der öffentlichen Hände wird merklich abnehmen, obwohl nach wie vor ein Nachholbedarf an staatlichen Infrastruktureinrichtungen zu bestehen scheint. Inwiefern diese Entwicklungen zu Lasten der Attraktivität des Produktionsstandortes Ostdeutschland gehen, läßt sich zur Zeit nur schwer beurteilen. 3. Westdeutsche Wirtschaft und Einigungsprozeß Die anfangs günstigen Wirkungen der Einigung auf die wirtschaftliche Entwicklung dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie in erster Linie der Kreditfinanzierung zu danken und insofern keineswegs spezifisches Ergebnis der deutschen Einigung waren. Die Rechnung dafür folgt in Form höherer Steuer-und Abgabenbelastungen und -in Westdeutschland -mehr oder weniger real stagnierender Staatsausgaben und damit letztlich auch von Wachstumsverlusten. Der finanzpolitische Handlungsspielraum wird ceteris paribus auf absehbare Zeit jedenfalls außergewöhnlich stark eingeschränkt sein. Die Zinsausgaben werden sich um die Jahrtausendwende voraussichtlich auf über 15 Prozent der Steuereinnahmen belaufen (1990: 11 Prozent) und die staatlichen Brutto-investitionen -absolut -um etwa die Hälfte überschreiten. Gerade auch mit Blick auf das Wachstum Ostdeutschlands ist es freilich wenig sinnvoll, Infrastrukturdefizite im Osten abzubauen und neue Lücken im Westen entstehen zu lassen. Erstens führt die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung zu einer stärkeren wechselseitigen Abhängigkeit; zweitens ist an die Netzwirkung von Infrastruktureinrichtungen zu denken, wie am Beispiel der Ost-West-Verbindungen im Straßen-und Eisenbahnnetz besonders deutlich wird.
Die Alimentierung des Transformationsprozesses in Ostdeutschland bedeutet nicht nur den Verzicht auf öffentliche Leistungen. Die deutsche Einigung führte notwendigerweise zu einer Unterbrechung des Anfang der achtziger Jahre eingeleiteten Konsolidierungsprozesses. Der ursprüngliche -in den Finanzplanungen angelegte -Konsolidierungskurs dürfte sich damit um mindestens zehn Jahre verzögern. Angesichts der Arbeitsmarktprobleme in Westdeutschland und namentlich der Risiken der ostdeutschen Entwicklung erscheint es fraglich, ob die Staatsquote -wie angestrebt -um die Jahrtausendwende wieder auf das Niveau von 1989 gesenkt werden kann.
IV. Resümee
Abbildung 4
d 3 b: Struktur der öffentlichen Transfers in Ost-und Westdeutschland (1993; in Prozent) .Quelle: siehe Schaubild 3 a.
d 3 b: Struktur der öffentlichen Transfers in Ost-und Westdeutschland (1993; in Prozent) .Quelle: siehe Schaubild 3 a.
In den ersten sieben Jahren der deutschen Einigung ist die ökonomische Angleichung zwischen Ost-und Westdeutschland kräftig vorangekommen, ohne daß Ausmaß und Breite den anfänglichen Erwartungen entsprachen. Ohne Frage bedarf der Angleichungsprozeß auch weiterhin erheblicher fiskalischer Unterstützung, wenn auch die Lage der öffentlichen Haushalte und die aktuellen Planungen erwarten lassen, daß ihr relatives Ausmaß weiter sinken wird. Freilich wird dabei unterstellt, daß der originäre wirtschaftliche Aufholprozeß wieder an Dynamik gewinnt. Der stockende Aufholprozeß verursachte allein 1996 einen Anstieg der Zahl ostdeutscher Arbeitsloser um 120 000 und fiskalische Kosten (Lohnersatz-und Geldleistungen, Mindereinnahmen des Staates und der Sozialversicherung) in Höhe von 4, 3 Mrd. DM. Die bisherigen Erfahrungen sollten hier zudem stärker zur Vorsicht mahnen, als dies vielfach der Fall ist. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Struktur der Hilfen nur zum kleinen Teil kurzfristig diskretionär gestaltbar ist und auch dann die Haushaltsnettowirkungen weitaus geringer sind als die Bruttowirkungen. Auf jeden Fall dürfte der Ausbau der Infrastruktur noch über das Jahr 2000 hinaus beträchtliche Mittel erfordern. Bei aller Anerkennung der staatlichen Leistungen für den Angleichungsprozeß läßt die bisherige wirtschaftliche Entwicklung freilich auch zunehmend deren begrenzte Wirkungen deutlich werden. Der weitere Angleichungsprozeß wird sehr viel stärker als bisher vom privaten Sektor zu leisten sein. Vieles spricht dafür, daß dies den Akteuren bewußt ist. Zunehmend deutlich wird auch, daß die wirtschaftliche Entwicklung kein Nullsummenspiel ist. Ohne ein kräftiges Wachstum in Westdeutschland wird auch die ostdeutsche Wirtschaft nur langsam vorankommen.
Ullrich Heilemann, Dr. rer. pol., geb. 1944; Vizepräsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen; Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Empirische Wirtschaftsforschung an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit R. Jochimsen) Christmas in July? The Political Economy of German Unification Reconsidered, Brookings Occasional Papers. Washington D. C., 1993; (zus. mit B. Fritzsche u. a., Konsolidierungs-und Wachstumserfordernisse -Fiskalperspektiven der Bundesrepublik in den neunziger Jahren, Untersuchungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Heft 14, Essen 1994. Hermann Rappen, Dipl. -Ökonom, geb. 1954; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, Forschungsgruppe „Öffentliche Finanzen und Steuern“. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit U. Heilemann und H. D. von Loeffelholz) Finanzielle Auswirkungen des Föderalen Konsolidierungsprogramms auf die Gemeinden und Gemeindeverbände -dargestellt am Beispiel Nordrhein-Westfalens, in: Der Gemeindehaushalt, 94 (1993); (zus. mit H. D. von Loeffelholz) Perspektiven und Optionen niedersächsischer Finanzpolitik in den neunziger Jahren (Untersuchungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Heft 13), Essen 1994.
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