Umweltpolitikplanung auf nationaler und internationaler Ebene
Alexander Carius/Armin Sandhövel
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Zusammenfassung
Mit Beginn der neunziger Jahre ist eine Renaissance umweltpolitischer Planung auf internationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu verzeichnen, die mit zum Teil euphorischen Erwartungshaltungen verbunden ist. Dabei orientieren sich die meisten Programme am Beispiel des niederländischen Umweltpolitikplans und an den Vorgaben der Agenda 21. Umweltpläne und Nachhaltigkeitsstrategien sind hierbei ein Instrument für eine hochaggregierte, auf Integration und Langfristigkeit zielende Politik und Motor für eine Modernisierung von Staat und Wirtschaft. Darüber hinaus hat der damit verbundene gesellschaftliche Diskurs über Umweltplanung und Nachhaltigkeitsstrategien maßgeblich die Diskussion über erfolgsbestimmende Faktoren bzw. generell über die Effektivität der Umweltpolitik beeinflußt. Auch wenn Deutschland zu den wenigen OECD-Staaten gehört, die noch keinen eigenen expliziten Umweltpolitikplan haben, so laufen das Schwerpunktprogramm der alten Bundesregierung sowie die umweltpolitischen Konzeptionen der neuen rot-grünen Regierungskoalition auf einen Umweltpolitikplan hinaus. Die Fokussierung eines Teils der politikwissenschaftlichen Forschung, aber auch der aktuellen umweltpolitischen Diskussion auf die Rolle von Planungsmechanismen in der Umweltpolitik verstellt allerdings den Blick auf umweltpolitische Realitäten, insofern Umweltpläne in der Regel in jenen Staaten zum Erfolg führen, die ohnehin zu den umweltpolitischen Vorreitern gehören. Umweltpolitikpläne haben sich zwar in einigen Staaten als ein wichtiges Instrument der Umweltpolitik bewährt, jedoch zeigen die Beispiele Kanadas, Österreichs, Großbritanniens und Südkoreas, daß in Zeiten sinkender Bedeutung der Umweltpolitik inbesondere gegenüber arbeitsmarkt-und wirtschaftspolitischen Aspekten der Erfolg dieser Politikpläne sich im wesentlichen auf die prozedurale und kommunikative Funktion reduziert. Selbst in den Niederlanden wurden die ambitionierten Ziele des Umweltplanes in wesentlichen Bereichen nicht erreicht. Ein Umweltpolitikplan oder eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie in Deutschland müßte in besonderem Maße erstens den spezifischen politischen und gesellschaftlichen Bedingungen sowie der föderalen Struktur bei der Planerstellung Rechnung tragen, zweitens die Fortschreibung des Politik-plans gewährleisten, um das Instrument immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, und drittens Implementationsdefizite vor lauter Planung nicht aus den Augen verlieren.
I. Zur Renaissance umweltpolitischer Planung
Es ist noch nicht allzulange her, daß alles, was in Deutschland mit dem Präfix „Plan-“ in der politischen Diskussion dargeboten wurde, nicht unbedingt gleich begeistert Aufnahme in den Kanon politischer Modernisierung fand. Der Geruch von Planwirtschaft, von gescheiterten ökonomischen Experimenten, gigantisch aufgeblähten, ineffektiven Planungsstäben und das so anschauliche wie traurige Beispiel der Planwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik mag zur Attraktivität auch wenig beigetragen haben.
Um so erstaunlicher ist es -zumindest auf den ersten Blick daß gerade auf einem Politikfeld, das noch am ehesten für innovative politische Lösungen steht, die Umweltpolitik, das vermeintliche Folterinstrument integrierter nationaler Planung eine überraschende Wiedergeburt zu erleben scheint. Ansätze zur Umweltpolitikplanung auf nationaler Ebene hat es gegeben, seit es eine „explizite“ Umweltpolitik gibt. Bereits das erste Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971 formulierte Zielfestlegungen zum Erhalt der natürlichen Umwelt sowie zur Verbesserung der Umweltqualität und strebte eine möglichst langfristige Umweltplanung an. Auch danach hat es immer wieder vereinzelt Anstöße und Initiativen zur Festlegung umweltpolitischer Ziele gegeben. Doch der Glaube an die Möglichkeiten staatlicher Steuerung durch planerische Instrumente in der Euphorie der siebziger Jahre war angesichts der geringen politischen Erfolge so gründlich zerstoben, daß das Paradigma der Deregulierung und der angelsächsische Marktwahn der Reaganomics die achtziger Jahre fast uneingeschränkt dominieren konnten
Diesen Pendelschwung hat auch die deutsche Umweltpolitik größtenteils vollzogen, was ihr den Vorwurf eingetragen hat, daß es ihr an Zielfestlegungen mangele, insbesondere an quantifizierten Zielen. Wohl habe die deutsche Umweltpolitik das technisch Machbare zu erreichen versucht, der Wechsel von einer überwiegend emissions-und technikbezogenen hin zu einer mehr qualitätsorientierten Umweltpolitik sei aber nicht gelungen
Eine stärkere Diskussion über nationale Umwelt-ziele und -pläne ist erst durch die Herausbildung des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung im Gefolge der UN-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 in Gang gekommen. Die vernetzte Betrachtung ökologischer, ökonomischer und sozialer Belange ist eine der Kernaussagen dieses Leitbildes In diesem Sinne wirkt auch die allgemeine Aufforderung der Vereinten Nationen in der Agenda 21 an ihre Mitgliedstaaten, Aktionspläne und -programme sowie Zielfestlegungen zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung aufzustellen. „Diese Strategie soll sich auf die verschiedenen sektoralen wirtschafts-, sozial-und umweltpolitischen Leitlinien und Planungen eines Landes stützen und sie in Einklang bringen.“ Fast zwei Drittel der OECD-Staaten und etwa 60 Schwellen-und Entwicklungsländer sind dieser Aufforderung bereits gefolgt. Die Gründe für das erwachende Interesse an Umweltplanung in Deutschland sind folglich zum einen darin zu sehen, dieser internationalen Verpflichtung nachzukommen; zum anderen spielen jedoch auch innenpolitische Gründe eine Rolle:
So scheint es in diesem verhältnismäßig jungen Politikfeld, das in Deutschland in den letzten 25 Jahren eine so rasante Entwicklung genommen hat das Bedürfnis zu geben, sich über die eigenen Grundlagen zu verständigen. Und dies geschieht in einer Zeit, in der unverhohlen Atempausen im Umweltschutz gefordert werden, in der Umweltpolitik zunehmend gegenüber wirtschafts-, sozial-und arbeitsmarktpolitischen Interessen an Bedeutung verliert und somit Umweltpolitik im Verteilungskampf um gesellschaftliche und monetäre Ressourcen mit anderen Politikbereichen mehr und mehr in die Defensive geraten ist in einer Zeit, in der nicht zuletzt auch das Medieninteresse an Umweltthemen in den vergangenen Jahren gesunken ist. Die erfolgsverwöhnte Umweltpolitik und ihre Lobbyisten tun sich damit schwer. Da scheint eine Debatte um umweltpolitische Ziele und Pläne sowie Prioritäten in der Umweltpolitik durchaus geboten.
Natürlich finden sich für die Notwendigkeit einer Diskussion um umweltpolitische Pläne auch noch andere gute, wenn nicht gar bessere Gründe, so etwa der unbestimmte Wunsch nach mehr Rationalität in der Umweltpolitik oder die Bedeutung von Zielfestlegungen als Orientierung für wirtschaftliche Entscheidungen, insbesondere für Innovationsprozesse. So können Zielvorgaben die Innovationsrichtung bestimmen, das Innovationsrisiko für technische Neuerungen reduzieren, und diese Zielbildung ist mit ihren kalkulierbaren mittelfristigen Handlungsfolgen ebenso wichtig wie die Maßnahmen und Instrumente selbst Darüber hinaus rücken aber auch zunehmend die mit den Zielbildungsprozessen verknüpften Chancen gesellschaftlicher und politischer Willensbildung in den Vordergrund Mitunter drängt sich gar der Eindruck auf, daß der gesellschaftliche und politische Lernprozeß als bedeutsamer erachtet wird als die eigentliche Festlegung der Ziele und damit die Umsetzung konkreter Maßnahmen.
Ein weiteres Argument für die Erstellung von Umweltplänen scheint sich darüber hinaus zu ergeben, wenn man den Blick auf die Veränderung politischer Entscheidungsstrukturen richtet. Seit geraumer Zeit werden Politiknetzwerke als problemlösende Beziehungsmuster im politischen Prozeß nachgewiesen: Eine begrenzte Anzahl von Akteuren einigt sich zur Lösung eines bestimmten Problems jeweils auf organisatorische Strukturen, Kompetenzen und Interessensphären Damit ist ein Phänomen beschrieben, wie sich angesichts zunehmender gesellschaftlicher Komplexität sich verändernde politische Entscheidungsstrukturen herausbilden. Politiknetzwerke sind jedoch in mancherlei Hinsicht problematisch. Die Vorteile kooperativen Vorgehens und konsensualer Entscheidungen werden durch eine steigende Intransparenz der Entscheidungsstrukturen erkauft. Dieser unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten nicht unerhebliche Nachteil wird dadurch verstärkt, daß Netzwerkstrukturen nach nicht vorhersehbaren Mustern entstehen Wirkung und Ausmaß dieser Strukturen sind deshalb im vorhinein nur schwer abzuschätzen. Hinzu kommt, daß die Ergebnisse von Politikformulierung im Netzwerk oftmals unbefriedigend sind, etwa wenn man die Entscheidungsfindung zum neuen Kreislaufwirtschafts-und Abfallgesetz zugrunde legt Insoweit wird in der politikwissenschaftlichen Forschung vermehrt die Frage gestellt, ob die Defizite der Politikformulierung in Netzwerken durch mittelfristige Zielfestlegung in wichtigen Politikbereichen künftig gemindert oder gar vermieden werden können
Die maßgeblichen Motive sind jedoch vor allem die beiden erstgenannten Zusammenhänge: das Bestreben nach außen, internationalen Verpflichtungen nachzukommen und den Anschluß an die internationale umweltpolitische Entwicklung nicht zu verlieren, sowie die Notwendigkeit nach innen, im Verteilungskampf der Politikfelder zu bestehen. Eine Besonderheit in dieser ganzen Diskussion, die den Bogen zu den eingangs erwähnten Erfahrungen der siebziger Jahre schlägt, sind die großen Anstrengungen, die dazu unternommen werden, das Wort „Umweltplan“ durch weniger kompromitierte Begriffe zu ersetzen. Das Bundesumweltministerium nennt seinen Plan Schwerpunkt-programm, das Umweltbundesamt zeigt „Wege zu einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung“ auf, der Umweltrat plädiert zunächst für „umweltpolitische Ziele auf einer Ebene unterhalb des Umweltpolitikplans“ und für ein schrittweises Vorgehen zur Vervollständigung der Ziele Auch Schrittepapiere, Aktionsprogramme, Nachhaltigkeitsstudien, Umweltpolitikkonzepte, Zielekonzepte oder Weißbücher der verschiedensten Akteure werden diskutiert Der Koalitionsvertrag der rot-grünen Bundesregierung fordert eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Der begrifflichen Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Allerdings: Letztlich laufen alle diese Bemühungen doch auf einen integrierten Umweltplan hinaus. Die Diskussionen in anderen Ländern, insbesondere bei unseren Nachbarn Österreich und die Niederlande, sind hier -wie noch zu zeigen sein wird -sehr viel weiter.
II. Vom Schrittepapier zur Umweltplanung
Zunächst einmal führen die genannten Bemühungen -den Begriff „Umweltplan“ wenn möglich vermeidend -zu der Sprachregelung, lediglich „Umweltziele“ formulieren, festlegen und Schritte zur nachhaltigen Entwicklung unternehmen zu wollen. Denn mittlerweile scheint Einigkeit in der Überzeugung erreicht worden zu sein, daß eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung sich nicht zuletzt darin äußert, welche Ziele eine Gesellschaft sich setzt, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Solche Zielformulierungen setzten eben nicht nur die Rahmenbedingungen für Handlungsorientierungen und somit auch die Politikinhalte, sondern in ihnen vermittelten sich auch die Wertschätzungen einer Gesellschaft hinsichtlich des Erhalts funktionsfähiger ökologischer Systeme.
In der Tat resultieren umweltpolitische Ziele im günstigsten Fall aus der Einsicht in die Notwendigkeit einer Orientierung an längerfristigen Strategien und beabsichtigten gesellschaftlichen Entwicklungspfaden. Sie sind zudem ohne Frage die notwendige Voraussetzung für eine effiziente Umweltpolitik. Allerdings werden mit dem Begriff „Umweltziele“ ganz unterschiedliche Vorstellungen verknüpft.
So hat die zunehmende Auseinandersetzung mit Umweltqualitätszielen als „erste Operationalisierungsebene“ für das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung zu einer babylonischen Sprach-und Sinnverwirrung der verschiedenen Zielebenen geführt. Umweltziele, umweltpolitische Ziele, Umweltqualitätsziele, Umweltqualitätskriterien, Umwelthandlungsziele, Umweltqualitätsstandards, Umweltindikatoren, Reduktionsziele, Schutzziele, Sanierungsziele, Entwicklungsziele usw. -alle diese Bezeichnungen werden gegeneinander, nebeneinander und miteinander verwendet Erst langsam beginnt sich ein zaghafter Konsens über die Verwendung dieser Begriffe abzuzeichnen. Das Umweltbundesamt hat verdienstvollerweise in Auseinandersetzung mit den Arbeiten der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ den Versuch präziserer Definitionen unternommen
Allgemein lassen sich Ziele zum Schutze der Umwelt von allgemeingültigen obersten Prämissen einer nachhaltigen Entwicklung ableiten und über Zieldefinitionen in einzelnen Umweltbereichen als konkrete Umweltqualitätsziele und Umweltstandards (Grenzwerte) operationalisieren, die dann auf der Instrumentenebene in Abgleichung mit einem System von Umweltindikatoren die Vorgaben für die Politik bilden können. Bislang ist eine Verknüpfung der Zielfindung und der Instrumentendiskussion jedoch nur sehr unzureichend erfolgt; dies ist ein wesentlicher Grund für die schwierige Operationalisierung des Konzeptes einer nachhaltigen Entwicklung.
Obwohl die deutsche Umweltpolitik schon lange auf konkrete Umweltqualitätsziele zurückgreift, lassen sich doch erst in jüngster Zeit systematischere und umfassendere Bemühungen um die Ableitung, Formulierung und Festlegung von Umweltqualitäts-und Umwelthandlungszielen erkennen. Einige Beispiele:
Die seinerzeitige Bundesumweltministerin hatte Mitte 1996 diverse gesellschaftliche Akteure zu einem einjährigen Diskussionsprozeß eingeladen, um in Arbeitsgruppen vorrangige Handlungsfelder, aber auch Umweltqualitäts-und Umwelthandlungsziele zu benennen sowie ein Positionspapier zu erstellen. Auf dieser Grundlage erarbeitete das Bundesumweltministerium den Entwurf eines umweltpolitischen Schwerpunktprogrammes Davon ausgehend, daß vielfach bereits ein hohes Umweltschutzniveau erreicht worden ist, ist der Entwurf des Schwerpunktprogrammes auf fünf Handlungsfelder beschränkt, die bezüglich der Ausgestaltung einer nachhaltigen Entwicklung im Vordergrund stehen: Schutz der Erdatmosphäre, Schutz des Naturhaushalts, Schonung der Ressourcen, Schutz der menschlichen Gesundheit sowie umweltschonende Mobilität.
Das Umweltbundesamt, das sich seit geraumer Zeit in den verschiedensten Fachbereichen mit Umweltzielen beschäftigt hat im Auftrag des Bundesumweltministeriums 1997 die Studie „Nachhaltiges Deutschland’'erarbeitet. Die Studie, die sich auf die Bereiche Energienutzung, Mobilität, Nahrungsmittelproduktion, Stoffstrommanagement und Konsummuster konzentriert, legt zahlreiche Umweltqualitätsziele und Umwelthandlungsziele fest. Um auch eine längerfristige
Perspektive zu bieten, spielt die Studie drei verschiedene Szenarien (Status-quo-Szenario. Effizienz-Szenario, Struktur-/Bewußtseinswandel-Szenario) durch.
Zu erwähnen sind auch die neuesten Ergebnisse der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt -Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“ Die Enquete-Kommission versucht Strategien einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung als innovative Prozesse und neue Steuerungsmodelle auszubilden. Zu diesem Zweck untersucht sie die drei Beispielfelder Bodenversauerung, Informations-und Kommunikationstechnik sowie Bauen und Wohnen.
Ein weiteres Beispiel ist die vielbeachtete Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie als Diskussionsvorschlag für einen nationalen Umwelt-plan aus Sicht von Nichtregierungsorganisationen In dieser Studie werden Reduktionsziele für Material-, Energie-, Wasser-und Flächenverbrauch abgeschätzt sowie Überlegungen angestellt, inwieweit unterschiedliche Maßnahmen und insbesondere die Umsetzung der in der Studie empfohlenen Strategien ausreichen, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Der Schwerpunkt der Studie liegt jedoch nicht im deskriptiv-empirischen Teil, sondern in der „qualitativ-historischen“ Beschreibung eines Wandels hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft und damit in der Skizzierung von Leitbildern eines sozialen Veränderungsprozesses, die in sogenannten Wendeszenarien konkretisiert werden.
Auch die Länder und Kommunen haben Umwelt-pläne und Nachhaltigkeitsstrategien ausgebildet. So erarbeitet das Land Baden-Württemberg gegenwärtig einen Umweltplan. Bayern hat eine eigene Nachhaltigkeitsagenda erstellt. Auf der Ebene der Städte und Gemeinden existieren zahlreiche Ansätze für Nachhaltigkeitskonzepte im Rahmen der Lokalen Agenda 21
Bei einer ersten Betrachtung der Bemühungen um die Festlegung von Umweltzielen wird zunächst grundsätzlich der starke Anteil gesellschaftlicher Wertvorstellungen auffällig, der bei der Festlegung von Umweltqualitäts-und Umwelthandlungszielen mitwirkt. Hieran zeigt sich auch deutlich, daß die Festlegung immer sowohl das Ergebnis eines wissenschaftlichen als auch eines politischen Prozesses ist. Gleichzeitig tritt aber auch das enorme Konfliktpotential zutage, das sich in den Zielfestlegungsprozessen verbirgt. Des weiteren zeigt sich, daß unterschiedlichste Ansätze zur Zielfestlegung nebeneinander existieren; die Aktivitäten zur Ziel-formulierung und -festlegung sind darüber hinaus in Deutschland immer noch eher mangelhaft vernetzt. Hier wäre vordringlich Abhilfe zu schaffen. Immerhin lassen sich jedoch Bemühungen um die Vereinheitlichung der definitorischen Grundlagen der Umweltzielediskussion erkennen. Dies ist u. E. auch eine ganz wesentliche Voraussetzung zukünftiger Arbeit. Zudem zeigen sich weitere Defizite etwa hinsichtlich des Bezuges zu Verursachern, Indikatoren, Instrumenten und Maßnahmen, hinsichtlich der zeitlichen Bezüge, aber auch der Konkretisierung vieler Reduktionsziele. Die erkennbaren Defizite bei der Festlegung von Umweltzielen in Deutschland legen es nahe, dem Verfahrens-aspekt verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen
Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen hat in diesem Zusammenhang einen Verfahrens-vorschlag zur Festlegung von Umweltzielen unterbreitet. Dem Vorschlag liegen als Prämissen zugrunde, daß der Staat auf das Wissen und die Kooperationsbereitschaft gesellschaftlicher Akteure angewiesen ist und daß effektive Planung auch bedeutet, aus Erfahrungen zu lernen. Dies legt unweigerlich eine Stärkung des partizipativen Elements in der umweltpolitischen Planung nahe. Dadurch würde die Legitimation der Planung erhöht und gleichzeitig die Übernahme politischer Verantwortung erleichtert. Voraussetzung ist dabei ein effektives Monitoring und die Reaktionsfähigkeit der an der Planung Beteiligten auf neue Entwicklungen. Da Ziele auch während der Implementationsphase ständig kontrolliert und nachgebessert werden müssen und da man sich Lernmöglichkeiten offenhalten sollte, ist letztlich eine ständige Fortschreibung partizipativer Planung notwendig.
Einerseits erfordert eine systematische und vorsorgeorientierte Umweltpolitik die Formulierung umweltpolitischer Ziele, andererseits bergen aufwendige Verfahren zur Formulierung nationaler Umweltziele und -pläne im Falle ihres Scheiterns hohe politische Risiken in sich. Inwieweit solche politischen Risiken einer Planung, etwa mögliche Blockaden, eingeschränkt werden können, hängt wesentlich davon ab, in welchem Maßstab und mit welchem Formalisierungsgrad solche Zielformulierungsprozesse durchgeführt werden. Der Zielformulierungsprozeß sollte größtmöglichen Nutzen mit möglichst geringen Risiken des Scheiterns verbinden. In diesem Kontext schlägt der Umweltrat vor, umweltpolitische Ziele Schritt für Schritt zu definieren und einen Umweltpolitikplan zu erstellen. Dabei ist es nach Auffassung des Umweltrates nicht notwendig, einen bereits vollständig integrierten Umweltplan als geschlossenes Ganzes vorzulegen. Vielmehr ist eine solche Planung ein fortdauernder Prozeß, in dessen Verlauf themenbezogen möglichst umfassend die vorhandenen und absehbaren Belastungen aufgegriffen werden müssen. Vor diesem Hintergrund müssen Ziele möglicherweise korrigiert oder gänzlich neu abgeleitet und politisch festgelegt werden. Um politische Maßnahmen einleiten zu können, ist es daher notwendig, nicht nur umweltpolitische Ziele klar zu definieren, sondern diese auch hinreichend flexibel im Hinblick auf künftige Entwicklungen zu halten.
Die oben genannten Beispiele zur umweltpolitischen Zielbildung und die Vorschläge des Umwelt-rates für ein Verfahren zur Zielfestlegung zeigen sehr deutlich, daß am Ende eines gesellschaftlichen Prozesses zur Übereinkunft über umweltpolitische Ziele und Strategien ein Umweltpolitikplan oder eine Nachhaltigkeitsstrategie stehen muß und stehen wird. Andere Länder sind diesen Weg bereits vor Jahren gegangen.
III. Umweltplanung im internationalen Kontext
Nationale Umweltpläne und Nachhaltigkeitsstrategien existieren -wie bereits erwähnt -heute in fast zwei Dritteln der OECD-Staaten und in etwa 60 Entwicklungs-und Schwellenländern Ihr Entstehen gründete sich zumeist auf internationale Umweltkonferenzen oder aber Programme internationaler Organisationen wie die World Conservation Strategy der International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN), den Brundtland-Bericht der Welt-kommission für Umwelt und Entwicklung (WCED) sowie schließlich die auf der UN-Umweltkonferenz (UNCED) in Rio de Janeiro 1992 verabschiedete Agenda 21. Zudem hat der überwiegende Teil der Staaten Mittel-und Osteuropas sowie der neuen unabhängigen Staaten in der ersten Hälfte der neunziger Jahre entweder auf Initiative der Weltbank oder aber im Rahmen des von der United Nations Economic Commission for Europe initiierten Prozesses „Umwelt für Europa“ Umweltstrategien oder Umweltaktionsprogramme entwickelt und mit deren, wenn auch langsamer, schrittweiser Umsetzung begonnen Schließlich sind zahlreiche Staaten in einem Prozeß der Politikdiffusion dem niederländischen Beispiel eines nationalen Umweltplanes gefolgt Eine Form der nationalen Umweltplanung, sei es zur Systematisierung oder Fokussierung bestehender nationaler umweltpolitischer Handlungsansätze oder sektoraler Fachplanungen, sei es als Initial zur Schaffung einer kohärenten, an Nachhaltigkeitskriterien orientierten nationalen Umweltpolitik, dürfte heute weltweit in fast der Hälfte aller Staaten existieren.
Umweltpläne in Industrieländern auf der einen und Entwicklungs-und Schwellenländern sowie den Staaten Mittel-und Osteuropas auf der anderen Seite unterscheiden sich aufgrund des unterschiedlichen Ausgangsniveaus der nationalen Um-weltpolitiken sowie unterschiedlicher Problemlagen maßgeblich hinsichtlich ihrer grundsätzlichen oder primären Ausrichtung. Zielen Umweltpläne in Industrieländern in der Regel auf langfristige, politikfeldübergreifende und integrative Zielbildungsmechanismen und Handlungsansätze auf breiter gesellschaftlicher und politischer Basis, so verfolgen Umweltpläne in den Entwicklungs-und Schwellenländern und in den Staaten Mittel-und Osteuropas in erster Linie eine Systematisierung der Umweltpolitik oder aber die Stärkung umwelt-politischer Kapazitäten durch den Aufbau bzw. Ausbau einer nationalen Umweltverwaltung und von umweltpolitischen Institutionen. Beide Plantypen sind in der Praxis heute jedoch nicht mehr zu unterscheiden, verfolgen doch auch die Staaten Mittel-und Osteuropas beispielsweise im Rahmen der Beitrittsstrategie zur Europäischen Union und der damit erforderlichen Rechtsangleichung und Implementation (eben auch im Umweltbereich) grundsätzlich eine am Nachhaltigkeitsprinzip orientierte nationale Umweltpolitik.
Die wissenschaftliche Diskussion nationaler Umweltpläne hat sich neben der Frage nach umwelt-politischen Zielen und Zielbildungsmechanismen vor allem auf ihren formalen Entstehungsprozeß und den Grad der Beteiligung gesellschaftlicher, vor allem der Verursachergruppen konzentriert. Die Partizipation gesellschaftlicher Gruppen am Planerstellungsprozeß bzw.der Prozeßcharakter nationaler Nachhaltigkeitsstrategien und Umwelt-pläne wird auch von den zahlreichen gesellschaftlichen Akteuren. Regierungen und internationalen Organisationen selbst hervorgehoben. So betont die OECD in ihrer Auswertung umweltpolitischer Planungsansätze: „Emphasis should be more on the process of working out a strategy or a plan rather than a plan for its own sake.“ Wie bereits eingangs dargestellt, kommt der prozeduralen Komponente der Zielbildungsdiskussion tatsächlich eine entscheidende Rolle zu, worauf weiter unten eingegangen wird.
Der nachfolgende Abschnitt gibt einen knappen Überblick über nationale Umweltpläne in entwikkelten Marktwirtschaften.
IV. Stand der Umweltplanung im internationalen Vergleich
Die bislang existierenden Umweltpläne (siehe Tabelle) lassen sich hinsichtlich erstens der Genauigkeit und Relevanz der diskutierten oder festgelegten Umweltziele, zweitens der Breite der Partizipation und des Grades der Integration unterschiedlicher Politikfelder sowie drittens der Institutionalisierung und damit Verbindlichkeit der Umweltplanung unterscheiden Für die Bewer-tung der Qualität der Ziele ist entscheidend, ob diese nur allgemein oder aber in Form konkreter Umweltqualitäts- oder Reduktionsziele mit konkretem Umsetzungsfahrplan und entsprechendem Budget verbindlich festgeschrieben werden. Darüber hinaus ist maßgeblich, ob die Ziele in den entscheidenden Problembereichen der nationalen Umweltpolitik festgelegt, ob sie hinreichend wissenschaftlich begründet sind und diese wissenschaftliche Fundierung den Entscheidungen politischer Handlungsträger zugrunde gelegt wird. Schließlich ist zu fragen, ob die vorhandenen Restriktionen sowie die Kapazitäten des politischen Systems und Möglichkeiten der Zielgruppen, diese Ziele zu erreichen, berücksichtigt wurden. Die meisten nationalen Umweltpläne (z. B. Finnlands, Frankreichs, Großbritanniens, Japans und Österreichs) beschränken sich auf allgemeine, zumeist nur sehr vage umweltpolitische Zielvorgaben. Konkrete qualitative und quantitative Vorgaben ergeben sich lediglich entweder aus den bereits existierenden Umweltgesetzen oder aber aus den Verpflichtungen internationaler Übereinkommen zum Umwelt-, Natur-und Ressourcenschutz.
Tabelle:
In dieser Hinsicht dienen die Umweltpläne zunächst nur der Bündelung und Systematisierung bereits bestehender, allgemein anerkannter oder teilweise rechtlich verbindlicher quantitativer und qualitativer Ziele, die um einige neue Ziele ergänzt werden. Im Gegensatz dazu schreibt beispielsweise der niederländische Umweltplan über 200 quantitative Ziele und damit verbundene Maßnahmen (überwiegend freiwillige Vereinbarungen mit den Verursachergruppen -den soge-nannten , covenants‘) fest. Auch der Umweltplan der schwedischen Umweltschutzbehörde von 1993 legt in den wesentlichen Verursacherbereichen Transport, Energie, Industrie und Landwirtschaft über 100 Ziele mit konkretem Zeithorizont für deren Erreichen fest. Der kanadische Umweltplan von 1990 kann in Hinblick auf die Zielqualität zwischen diesen beiden Ländergruppen eingeordnet werden. Er enthält eine Mischung aus quantitativen und qualitativen Zielvorgaben, wie etwa die Halbierung des nationalen Abfallaufkommens bis zum Jahr 2000, die Halbierung der SO 2-Emissionen im östlichen Kanada bis 1994 sowie den Ausstieg aus der Produktion von FCKW und anderen ozonschichtzerstörenden Substanzen bis zum Jahr 2000. In einigen Ländern, wie z. B. Großbritannien, sieht der Umweltplan wichtige Institutionen wie einen Regierungsbeirat für Nachhaltigkeit und sogenannte green ministers’ als Berichterstatter über die Umweltauswirkungen von Vorhaben anderer Ressorts vor.
Das zweite Unterscheidungskriterium ist die Breite der Partizipation und der Grad der Integration unterschiedlicher Politikfeider. Abgestellt wird hier zunächst auf die Zusammenarbeit unterschiedlicher Ressorts bei der Planerstellung. In fast allen Industrieländern wurde ein Umweltplan jeweils unter der Federführung des Umweltministeriums erstellt und anschließend im Rahmen umfassender Abstimmungen sowohl den anderen Ressorts als auch den gesellschaftlich relevanten Gruppen vorgelegt. Lediglich in der Schweiz, in Großbritannien und in den Niederlanden wurde bereits die Planerstellung auf eine breitere Akteursbasis gestellt. In der Schweiz wurde zur Plan-erstellung eine interdepartementale Kommission (IDARio) unter wechselndem Vorsitz gegründet, in der neben 20 Bundesämtern auch die für Umwelt, Entwicklungszusammenarbeit und Außenpolitik zuständigen Bundesressorts vertreten sind. Sie hatte den Auftrag, auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme der derzeitigen Umweltpolitik eine Programmatik für die zukünftige Umweltpolitik zu entwickeln. Auf deren Grundlage erarbeitete eine Expertengruppe einen umfassenden Aktionsplan für die Nachhaltige Entwicklung in der Schweiz. Auch in den Niederlanden war an der Planerstellung neben dem Umweltressort auch das Verkehrs-, Landwirtschafts-und Wirtschaftsministerium aktiv beteiligt. Das britische Umweltprogramm von 1990 sowie die Nachhaltigkeitsstrategie von 1994 wurden von zwei interministeriellen Gremien erarbeitet und anschließend von zehn bzw. 16 Ressorts getragen.
Außer durch den Grad der Integration unterscheiden sich die Planungsprozesse hinsichtlich des Umfangs der Beteiligung gesellschaftlicher Akteure, der allerdings weniger ein Indikator für die Qualität eines Umweltplanes ist, als vielmehr Aufschluß über Art und Offenheit gesellschaftlicher und politischer Willensbildungsprozesse gibt. Die Planerstellungsprozesse beispielsweise in den Niederlanden (NEPP 2), Portugal, Kanada und Australien fanden unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit statt, zum Teil durch formalisierte Konsultationverfahren, bei denen Stellungnahmen und Änderungsanträge von Kommunen, Gewerkschaften und den verschiedensten Verbänden in unterschiedlichem Umfang Eingang in den Umweltplan fanden. Planerstellungsprozesse in anderen Staaten wiesen ein geringeres Maß an Partizipation auf, so zum Beispiel in Österreich (ohne Beteiligung der Umweltverbände) oder aber Südkorea (ohne jegliche Beteiligung gesellschaftlicher Akteure).
Eine letzte Kategorie betrifft die institutionelle Verankerung und damit formelle Verbindlichkeit des Umweltplanes. Politische Willensbekundungen und Absichtserklärungen bedürfen für ihre Gültigkeit und Verbindlichkeit einer rechtlichen oder anderen formellen Grundlage. Diese Bindungswirkung kommt vor allem dann zum Tragen, wenn durch Regierungswechsel oder massive Verschiebungen politischer Prioritäten ein Plan verworfen wird. In Kanada und Portugal wurden jeweils Umweltpläne unter breiter Beteiligung der Bevölkerung, der Verbände und der Gemeinden erstellt; nach einem Regierungswechsel verloren die Pläne in dieser Form jedoch ihre Gültigkeit und das öffentliche Interesse sank. Umweltpläne in den Niederlanden, Japan, Portugal, Neuseeland und Südkorea basieren auf gesetzlichen, teilweise verfassungsrechtlichen Grundlagen. In Portugal beispielsweise war die Erstellung eines nationalen Umweltplanes bereits im Umweltgrundlagengesetz von 1987 vorgesehen. Auch der Zeitplan sowie die Ausgestaltung des Planes fußten auf einer gesetzlichen Grundlage. Zudem hat der Plan selbst Gesetzeskraft und wurde im März 1995 im portugiesischen Gesetzblatt veröffentlicht Eine gesetzliche Grundlage sichert allerdings nicht den Erfolg eines Planes. Trotz allem scheiterte die Umsetzung des portugiesischen Umweltplanes, hingegen galt der erste niederländische Umwelt-plan auch ohne Rechtsgrundlage (diese erfolgte erst 1993) als Erfolgsfall. Eine andere Variante sind bindende Parlamentsbeschlüsse, so zum Beispiel in Österreich, Schweden oder in Dänemark, wenngleich auch hier durch wechselnde Mehrheiten die Bindung entfallen kann.
Neben der rechtsförmlichen Verankerung sind also andere Mechanismen der Bindungswirkung von Bedeutung. Eine bedeutende Rolle spielt hier die Berichterstattung über die Umsetzung der Ziele eines Umweltplanes sowie die bereits eingangs erwähnten bestehenden Restriktionen. Ein solcher Prozeß bietet die institutionalisierte und regelmäßig wiederkehrende Gelegenheit, die bisherigen Ergebnisse zu evaluieren sowie Ziele und Maßnahmen, falls nötig, anzupassen. Eine weitere Institutionalisierung besteht in der Schaffung spezieller Nachhaltigkeitsgremien, die mit der Umsetzung und Evaluation des Planes und seiner Inhalte betraut sind. In Großbritannien wurde neben einem ministeriellen Umweltkomitee und einem Regierungsrat für Nachhaltige Entwicklung ein sogenannter , green minister’ eingesetzt, der über alle Umweltauswirkungen anderer Ressortvorhaben dem Kabinett berichtet. Ähnliche Einrichtungen fanden sich auch in Portugal. In beiden Fällen wurden die Gremien jedoch kaum genutzt und blieben damit bisher weitgehend ineffektiv. Im Kern zeigen sie aber eine Möglichkeit zur Über-prüfung von Umweltauswirkungen von ganzen Politiken bzw. einzelnen Programmen auf, wie sie die zur Diskussion stehende Programm-UVP vorsieht.
Die bisher vorliegenden Umweltpläne sind, sieht man einmal vom niederländischen Beispiel ab, keine umweltpolitischen Masterpläne. Hinsichtlich ihrer Zielqualität (eher allgemeine Absichtserklärungen als konkrete Umweltqualitätsziele), der wissenschaftlichen Fundierung, der Verbindlichkeit und Bindungswirkung und letztlich Konkretisierung weisen sie gravierende Mängel auf. Trotz Beteiligung vieler gesellschaftlicher Akteure, teilweise auch Verursachergruppen, mangelt es an tatsächlicher Politikintegration, institutionalisierten, regelmäßige Berichtspflichten und damit Evaluationsmechanismen, die eine Überprüfung der Erreichung der Ziele und gegebenenfalls deren Anpassung ermöglichen. Die meisten Pläne haben aber zumindest eine wichtige gesellschaftliche Diskussion über umweltpolitische Strategien in Gang gebracht, politische Betroffene, unseres Erachtens auch Verursacher motiviert und Ansätze zur Politikkoordination zwischen unterschiedlichen Ressorts aufgezeigt.
V. Fazit
Mit Beginn der neunziger Jahre ist eine Renaissance umweltpolitischer Planung zu verzeichnen, die mit zum Teil euphorischen Erwartungshaltungen verbunden ist. In den Staaten, Regionen, Städten und Gemeinden wurden jeweils eigene Planerstellungsprozesse in Gang gesetzt, und auf allen diesen Ebenen ist mit der konkreten Umsetzung begonnen worden, es haben sich Netzwerke zur Verbreitung und zum Erfahrungsaustausch gebildet. Dabei orientieren sich die meisten Programme am Beispiel des niederländischen Umweltpolitikplans und an den Vorgaben der Agenda 21. Ohne Zweifel hat der hiermit einsetzende gesellschaftliche Diskurs über Umweltplanung und Nachhaltigkeitsstrategien maßgeblich die Dis-kussion über erfolgsbestimmende Faktoren bzw. generell über die Effektivität der Umweltpolitik -national wie international -beeinflußt.
Auch wenn Deutschland zu den wenigen OECD-Staaten gehört, die noch keinen eigenen Umweltpolitikplan haben, so laufen die gegenwärtigen Aktivitäten, etwa das Schwerpunktprogramm der alten Bundesregierung, doch darauf hinaus. Auch die neue rot-grüne Regierungskoalition hat Umweltpolitikplanung als ein wesentliches Instrument der Umweltpolitik hervorgehoben und im Koalitionsvertrag verankert. Unseres Erachtens ist diese Entwicklung eine notwendige Voraussetzung effizienter Umweltpolitik. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit ein deutscher Umweltpolitikplan sich am niederländischen Modell orientieren kann und soll. Denn bei aller Wertschätzung, die dieses Modell genießt, darf jedoch nicht übersehen werden, daß der als Masterplan qualifizierte niederländische Umweltpolitikplan in seinen Fortschreibungen und Weiterentwicklungen seit 1989 im wesentlichen von einer am gesellschaftlichen Konsens orientierten Politik getragen wird, deren wesentliche umweltpolitische Instrumente freiwillige Vereinbarungen mit den Verursachergruppen sind. Diese Art der konsensualen Politikplanung ist nicht ohne weiteres auf andere, eher fragmentierte Gesellschaften und politische Systeme übertragbar. Sie funktioniert allenfalls dann, wenn eine systematische Umweltpolitik noch nicht vorhanden ist, insbesondere wenn notwendige Institutionen und Kapazitäten auf-bzw. ausgebaut werden müssen. Dies gilt beispielsweise für die Umweltaktionspläne und -programme in Schwellen-und Entwicklungsländern sowie Nationale Umweltaktionsprogramme in Mittel-und Osteuropa, die, wie bereits erwähnt, in weiten Teilen augenscheinlich an die niederländische Planungsstrategie angelehnt sind.
Die Fokussierung eines Teils der politikwissenschaftlichen Forschung -aber auch der aktuellen umweltpolitischen Diskussion -auf die Rolle von Planungsmechanismen in der Umweltpolitik verstellt insofern den Blick auf umweltpolitische Realitäten, als die niederländische Umweltpolitik im internationalen Vergleich generell als Erfolgsfall gilt, da auch ein Umweltpolitikplan vergleichsweise günstige Rahmenbedingungen vorfindet, die so in anderen Staaten nicht existieren.
Umweltpolitikpläne haben sich zwar als ein wichtiges Instrument einer auf Langfristigkeit, Integration und Strategiefähigkeit zielenden Umweltpolitik bewährt, jedoch zeigen die Beispiele Kanadas, Österreichs, Großbritanniens und Südkoreas, daß in Zeiten sinkender Bedeutung der Umweltpolitik inbesondere gegenüber arbeitsmarkt-und wirtschaftspolitschen Aspekten der Erfolg dieser Politikpläne sich im wesentlichen auf die prozedurale und kommunikative Funktion reduziert. Und selbst das niederländische Beispiel zeigt, daß die Umsetzung der im Politikplan beschlossenen Ziele noch eine ganz andere Frage ist. Die Probleme der Implementation werden durch Pläne jedenfalls nicht automatisch gelöst.
Diese Dinge müssen bedacht werden, wenn Entscheidungen über die -sicherlich notwendige -Aufstellung eines deutschen Umweltpolitikplans oder einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie getroffen werden. In diesem Zusammenhang ist es vor allem wichtig, 1. die spezifischen politischen und gesellschaftlichen Bedingungen sowie die föderale Struktur in Deutschland bei der Planerstellung zu beachten -der Umweltrat hat in diesem Zusammenhang ein prozedurales Modell entwickelt, das sich vom niederländischen unterscheidet 2. die Fortschreibung des Politikplans zu gewährleisten, um das Instrument immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, und 3. Implementationsdefizite vor lauter Planung nicht aus den Augen zu verlieren.
Alexander Carius, Dipl. -Pol., geb. 1964; Geschäftsführer von Ecologic, Gesellschaft für Internationale und Europäische Umweltforschung, Berlin. Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg. zus. mit Martin Jänicke und Hans-Jürgen Bolle) Umwelt Global. Veränderungen, Probleme, Lösungsansätze, Berlin u. a. 1994; (zus. mit Martin Jänicke und Helge Jörgens) Nationale Umweltpläne in ausgewählten Industrieländern, Berlin u. a. 1997; (zus. mit Kurt M. Lietzmann) Umwelt und Sicherheit. Herausforderungen für die internationale Politik, Berlin u. a. 1998. Armin Sandhövel, Dr. rer. pol., geb. 1964; seit 1993 Wissenschaftler beim Rat von Sachverständigen für Umwelt-fragen, Wiesbaden. Veröffentlichungen u. a.: Marktorientierte Instrumente der Umweltpolitik, Opladen 1994; (Hrsg. zus. mit Hubert Wiggering) Agenda 21 -Implementation Issues in the European Union, London 1995; (zus. mit Norbert Konegen und Irene Gerlach) Der verzagte Staat. Policy-Analysen: Sozialpolitik, Staatsfinanzen, Umwelt, Opladen 1996; zahlreiche Aufsätze zu umweltpolitischen Fragestellungen.