Die Einbettung von „Frauenförderung“ beziehungsweise später von Genderaspekten in die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) erfolgt nunmehr seit etwa 40 Jahren mit unterschiedlichen Zielen, Ansätzen und Methoden. Die in den letzten Jahren von den meisten EZ-Organisationen und auch von der Mehrzahl der Partnerländer akzeptierte und praktizierte Form ist das Gender-Mainstreaming, eine Strategie zur Förderung und Durchsetzung der Gleichstellung aller Geschlechter. Allerdings geriet diese in die Kritik, weil ihr ein zu einseitiger Fokus auf Verfahrensweisen und Instrumente und ein zu geringer politischer und struktureller Veränderungswille nachgesagt wird.
Trotz vieler Anstrengungen zur Beseitigung von Geschlechterungleichheit und vieler Erfolge besteht die Kluft zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Erreichung der wichtigsten nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, also Armuts- und Hungerbeseitigung, nach wie vor und vergrößert sich sogar in manchen Bereichen. So sind weltweit aktuell nahezu 64 Millionen mehr erwachsene Frauen als Männer von Ernährungsunsicherheit betroffen. Auch von Armut sind Frauen stärker betroffen als Männer. Gewalt gegen Frauen und mangelnde Repräsentanz auf politischer Entscheidungsebene sind nach wie vor bedeutend. So waren im Januar 2025 nur 27,2 Prozent der Sitze in nationalen Parlamenten von Frauen besetzt, das sind lediglich 4,9 Prozentpunkte mehr als in 2015.
Mit der Strategie „Feministische Entwicklungspolitik – Für gerechte und starke Gesellschaften weltweit“ setzte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im März 2023 ein deutliches Zeichen für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der EZ und präsentierte damit auch ein starkes Gegengewicht zum zunehmenden Gender-Backlash.
Forschungsarbeiten des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen in den Jahren 2024 und 2025 konnten zeigen, dass viele deutsche staatliche und nicht-staatliche EZ-Organisationen die BMZ-Strategie (hier abgekürzt „FemEZ“) inhaltlich für gut und richtungsweisend halten und die Initiative für einen neuen „Ruck“ hinsichtlich der Genderarbeit in ihren Organisationen gesorgt hat.
Vom Nähkurs zu grundlegenden Menschenrechten
In den Anfängen der EZ von etwa 1945 bis 1970 wurden Frauen primär als Mütter gesehen und dem „Wohlfahrtsansatz“ entsprechend in ihrer reproduktiven Rolle gefördert und beraten. In den 1970er Jahren erstarkte zwar international die Forderung nach Gleichheit zwischen Männern und Frauen. In der deutschen EZ wurden Frauen jedoch bis in die 1990er Jahre hinein hauptsächlich mit sogenannten Frauenkomponenten bedacht, die beispielsweise an ein bestehendes Agrarförderungsprojekt angehängt wurden: Etwa Näh- und Häkelkurse oder solche für das Anlegen von Kräutergärten – und das in Ländern, in denen Frauen teilweise die Hauptverantwortlichen für den Anbau von Nahrungsmitteln waren.
1981 richtete die damalige Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) eine Koordinationsstelle für Frauenförderung in Entwicklungsländern ein, die sich erstmals um die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen kümmerte und versuchte, für Frauen relevante Aspekte nicht nur in untergeordneten Bereichen und als Anhängsel in möglichst viele Projekte einzubringen. 1988 legte das BMZ das „Konzept für die Förderung von Frauen in Entwicklungsländern“ vor, das auf der Erkenntnis aufbaute, dass Projektverantwortliche häufig ohne ausreichende Kenntnis der soziokulturellen Situation in der Projektregion operierten und somit über die Situation von Frauen nur wenig Wissen hatten.
Entsprechend der damaligen internationalen Diskussion um ihre Ansätze bewegte sich die Frauenförderung jetzt in Richtung „Gender und Entwicklung“, einem Ansatz, der sich in seiner Grundausrichtung auch in der FemEZ-Strategie wiederfindet: Er bezieht Frauen und Männer gleichermaßen ein und geht die strukturellen Unterschiede und Benachteiligungen an. Um diese zu verändern, setzten die meisten EZ-Organisationen und auch die nationalen Behörden der Partnerländer ab etwa 1990 auf Genderanalysen und Gender-Mainstreaming, das systematische Einbringen von Genderaspekten in alle Belange der jeweiligen Organisation mithilfe dafür zuständiger Abteilungen und Expert*innen, zumeist Frauen. 1995 veröffentlichte das BMZ sein Gender-Konzept, das letzte vor der FemEZ-Strategie. Seitdem wurden vom BMZ drei Gender-Aktionspläne vorgelegt, wobei seit 2016 explizit das Empowerment von Frauen und die durchgängige Berücksichtigung von Gender zum Beispiel im Politikdialog mit den Partnerregierungen unterstützt werden.
Im Unterschied zu einer reinen Ausrichtung der Politik auf Gendergerechtigkeit, wie sie in den Vorgängerpapieren der Fall war, beinhaltet das FemEZ-Strategiepapier des BMZ auch eine stärkere Berücksichtigung marginalisierter Gruppen. Über Frauen als bisher dominierende Adressatinnen hinaus werden nun auch Menschen angesprochen, die nicht nur wegen ihres Geschlechts, sondern auch aufgrund von Sprache, Alter, Behinderungen, ethnischer und sozialer Herkunft, Religion, sozioökonomischer Situation, Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung oder weiteren Gründen diskriminiert werden.
Allerdings wird sowohl in der Strategie selbst als auch in der Praxis der Schwerpunkt noch immer auf die Beseitigung der Benachteiligung von Frauen und Mädchen gelegt. Dies spiegelt sich auch in der am 6. November 2025 auf dem World Social Summit in Doha verabschiedeten Deklaration wider, in welcher der Begriff „Empowerment“ sich stets nur auf Frauen und Mädchen bezieht. Allerdings werden auch hier Menschenrechtsverbesserungen für indigene Bevölkerungsgruppen gefordert.
Gendertransformative Maßnahmen
Mit der FemEZ-Strategie werden gendertransformative Wirkungen angestrebt. Als gendertransformativ sind solche Maßnahmen anzusehen, die ein gesellschaftliches Bewusstsein für Geschlechterungleichheiten schaffen und danach streben, diese beziehungsweise ihre Ursachen zu beseitigen. Wie häufig in der Vergangenheit nur auf das ökonomische Empowerment von Frauen zu setzen, reicht also nicht aus, weil nur (mehr) eigenes Geld nicht automatisch zu strukturellen Veränderungen wie zum Beispiel mehr Entscheidungsmacht im Haushalt und in der Gemeinde führt.
Die FemEZ-Strategie führt vier Handlungsfelder für die Umsetzung feministischer Entwicklungspolitik an: erstens die Stärkung der „3 R“ (Rechte, Ressourcen, Repräsentanz) für Frauen und andere benachteiligte Gruppen, zweitens eine Verankerung von gendertransformativen und intersektionalen Ansätzen im BMZ-Portfolio, drittens die Stärkung von internationalen Allianzen, unter anderem mit der feministischen Zivilgesellschaft, und viertens die Weiterentwicklung der eigenen internen Strukturen und Kompetenzen.
Im Rahmen eines Forschungsvorhabens des INEF haben wir, zusammen mit anderen Forschenden, anhand von Befragungen sowie Vor-Ort-Studien in mehreren Ländern (darunter Äthiopien, Benin, Madagaskar, Malawi, Sambia und Usbekistan) die Wirkungen von als gendertransformativ geplanten Projekten untersucht und neben einer zusammenfassenden Wirkungsanalyse Empfehlungen für die deutsche staatliche EZ ausgesprochen.
I. Genderanalyse
Soziokulturelle und Gender-Situation sind individuell unterschiedlich und müssen frühzeitig untersucht und in jedes EZ-Vorhaben individuell eingeplant werden.
Eine vor allem quantitative Darstellung zur weltweiten Gender-Situation findet sich im Jahresbericht „Global Gender Gap Report 2025“ des Weltwirtschaftsforums, in dem von den 148 erfassten Ländern Island den Spitzenplatz unter den Ländern mit hohem Einkommen einnimmt, der Oman den letzten Platz in dieser Gruppe. Gemessen wird die Rangfolge anhand der rechtlichen, politischen und ökonomischen Gleichstellung, aber auch anhand von Bildungs- und Gesundheitsbedingungen und anderen sozialen Kriterien.
Die Rangliste der Länder mit höherem mittlerem Einkommen wird von der Republik Moldau angeführt, Iran nimmt dort den letzten Rang ein; in der Gruppe der Länder mit mittlerem Einkommen belegt Nicaragua den ersten und Pakistan den letzten Platz. Bei den ärmsten Ländern liegt Ruanda auf dem Spitzenplatz in Sachen Gendergerechtigkeit und der Sudan an letzter Stelle. Auch im Vergleich aller Staaten steht Island auf Platz eins und bildet Pakistan das Schlusslicht. Während Island seit 2009 die führende Position in Hinblick auf Gleichstellung einnimmt, hat sich das extrem arme Ruanda ab 2014 in die Spitzengruppe der zehn Länder mit der vergleichsweise größten Gendergerechtigkeit eingereiht und erreichte 2017 sogar den weltweit vierten Platz. Afghanistan ist übrigens nicht in der Liste erfasst und würde wahrscheinlich, sollten belastbare Daten vorliegen, weltweit das Schlusslicht bilden.
Hinter den statistischen Zahlen verbergen sich extreme Unterschiede in sozialen, politischen und ökonomischen Rechten für Männer und Frauen. So sind im islamischen Jordanien (Platz 122 im Vergleich aller Staaten) Frauen und Männer im Erwerb von Land und anderen Produktionsmitteln per Gesetz und täglicher Praxis weitestgehend gleichberechtigt, während im christlich dominierten Madagaskar (Platz 58 aller Staaten) Frauen dies zwar nach staatlichem Recht sind, in der Praxis aber dahingehend extrem diskriminiert werden. Es gibt in der Genderpraxis also kaum Schablonen, sodass sich eine deutsche wie auch internationale Genderpolitik mit jedem Fall separat beschäftigen muss.
Die Bedingungen für eine Umsetzung feministischer EZ – beziehungsweise einer EZ, die gendertransformative Wirkungen erzielen möchte –, sind folglich sehr unterschiedlich, und entsprechend zentral für die Vorbereitung eines Vorhabens sind Genderanalysen für Länder, Regionen und Einzelprojekte. „Wie sehen die Geschlechtsrollen im Land aus?“, „Was sind Beharrungskräfte gegen Veränderungen zu mehr Gerechtigkeit?“, „Wer könnte diesbezüglich Verbesserungen unterstützen?“ und „Wo kann das geplante Projekt genau ansetzen und wie und womit können gendertransformative Wirkungen erzielt werden?“ – das sind Kernfragen, die von Landeskenner*innen beantwortet werden müssen.
Dass diese und andere Schlüsselfragen nicht von jedem einzelnen Projekt, nicht einmal von jeder in einem Land tätigen EZ-Organisation immer wieder neu beantwortet werden müssen, ist dabei ein Gebot der effizienten Nutzung von Ressourcen und der guten Zusammenarbeit. Ein positives Beispiel liefert hier die Gender-Portfolioanalyse der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Madagaskar. Hier wurde für alle GIZ-Vorhaben im Land eine gemeinsame Genderanalyse erstellt, auf deren Basis eine ebenfalls gemeinsame Strategie mit grundlegenden Zielen erarbeitet wurde. Einzelne Genderaspekte werden dennoch weiterhin auf den Einzelfall hin untersucht, um den regionalen Besonderheiten in dem großen Land gerecht zu werden.
II. Finanzierung
Die geforderte interne Kompetenzentwicklung für die Umsetzung gendertransformativer Maßnahmen darf nicht der Kürzung von EZ-Mitteln zum Opfer fallen.
Bei der Frage nach den Wirkungen einer FemEZ ist zu berücksichtigen, dass es einerseits große Fortschritte bei der Formulierung einer gendergerechten EZ in deutschen Konzepten und Projektdesigns gibt, die sich in zumindest gendersensiblen, teilweise auch gender-transformativen Ansätzen zeigen. Andererseits befindet sich die weltweite Zusammenarbeit nicht erst seit der Politik von US-Präsident Donald Trump und der quasi-Einstellung der US-amerikanischen EZ in einer Finanzierungskrise. Einem Mehrbedarf von langfristigen Vorhaben, die bestehende soziale Normen zugunsten von mehr Gendergerechtigkeit langsam, aber nachhaltig verändern können, stehen drastische Einsparungen entgegen. Allein innerhalb der deutschen Zusammenarbeit wurde der Etat des BMZ von fast 13,8 Milliarden Euro 2022 in nur vier Jahren bis 2026 um rund 30 Prozent auf perspektivisch unter 10 Milliarden Euro zusammengestrichen.
Weniger Geld vom BMZ für deutsche Nichtregierungsorganisationen (NRO) führt bereits 2025 dazu, dass erst in den letzten Jahren eingerichtete genderrelevante Personalstellen ab sofort eingespart werden müssen und bald alles gestrichen werden könnte, was nicht unmittelbar mit der technischen Umsetzung von Projekten zu tun hat. Dabei erfordert gerade die Arbeit im Genderbereich und in schwierigen soziokulturellen Kontexten gute vorherige Planung und zusätzliches nicht-technisches Personal. Dieses, und nicht etwa die unverzichtbaren Agrarexpert*innen oder medizinischen Fachkräfte, muss in der Lage sein, die diffizilen Verhandlungsprozesse beispielsweise mit traditionellen Autoritäten zur Umsetzung von mehr Gendergerechtigkeit beim Landzugang oder zur Abschaffung der Genitalverstümmelung zu führen.
Zuletzt beeinflusst ein weiteres, generelles Problem, das insbesondere in der fachlich wenig informierten Öffentlichkeit eine Rolle spielt, die aus der FemEZ abgeleitete, transformativ ausgerichtete Genderarbeit: die Frage, was „tatsächliche Hilfe“ ist und was „Verwaltung und Bürokratie“ dabei. Wer stolz darauf ist, nur drei Prozent der Mittel für „Verwaltung“, aber 97 Prozent „direkt für die Armen“ auszugeben, muss sich fragen lassen, wer in seiner Organisation die notwendige gute Planung durchführt, wer Projekte kritisch begleitet, die Umsetzung der Aktivitäten verfolgt und die Wirkungen empirisch überprüft.
III. Landbesitz
Land als wichtigste produktive Ressource für Frauen muss diesen verstärkt und dauerhaft zugänglich gemacht werden.
Gerade im Zusammenhang mit dem Zugang zu Land für Frauen und dem Recht, diese Ressource dauerhaft zu nutzen – also zwei der in der FemEZ-Strategie propagierten „3 R“ –, konnten die Forschungsarbeiten des INEF bei einigen sehr positiven Beispielen gendertransformative Wirkungen feststellen. Hier seien vor allem die GIZ-Globalvorhaben „Verantwortungsvolle Landpolitik“ in Äthiopien und Madagaskar und das in Malawi von Misereor unterstützte Projekt „Landrechte für Frauen und marginalisierte Gruppen“ genannt.
In Äthiopien unterstützt die GIZ die Vermessung und Registrierung von Land sowie die Entwicklung eines landesweiten Katastersystems, in dem diese Daten verzeichnet sind. Eheleute werden angehalten, ihr Land auf den Namen beider, oder, im Fall polygamer Haushalte, aller Ehepartner einzutragen. Bei Landtransaktionen wie zum Beispiel der Verpachtung oder Beleihung für einen Kredit müssen beide Ehepartner gegenzeichnen. Im Falle einer Scheidung behält die Frau 50 Prozent des zuvor gemeinsam bewirtschafteten und registrierten Landes. Sollte der Ehemann eine zweite Frau heiraten, so muss er seine Hälfte des Landes mit dieser teilen; die erste Ehefrau behält ihre 50 Prozent für sich zur Bewirtschaftung.
Durch gute Aufklärung von Männern, Frauen, Behörden und den traditionell rechtsprechenden älteren Männern durch die von der GIZ unterstützte Verwaltung und das mit ihr kooperierende NRO-Netzwerk „Stand for her Land“ kennen die Frauen ihre Rechte immer besser und fordern sie auch ein. Sie sind im Falle einer Scheidung oder Verwitwung nicht mehr mittellos. Die gleichen Rechte am Land führen auch zu mehr gemeinsamen Entscheidungen in der Familie und zu höherem Ansehen von Frauen in der Gesellschaft.
In Madagaskar erhielten Frauen in der Provinz Boeny ebenfalls durch die Unterstützung der GIZ formale Landtitel. In weniger als zehn Jahren stieg ihr Anteil von wenigen Ausnahmefällen auf je nach Kommune zwischen 20 und über 40 Prozent an. Frauen reklamieren erstmals ihr Erbe und nutzen ihr eigenes Land vor allem intensiver als dasjenige, das sie vom Mann zeitweise für die Bearbeitung zugewiesen bekamen. Dies kommt auch dem Ressourcenschutz zugute, da die Frauen das ihnen gehörende Land so fruchtbar wie möglich halten und vor Abholzung und Erosion schützen wollen.
Auch in Malawi besagt das staatliche Recht, dass es beim Erben von Land keinen Unterschied zwischen Söhnen und Töchtern gibt. Ebenso haben Frauen bei Verwitwung und Scheidung das Recht auf die Hälfte des zuvor gemeinsam mit ihrem Mann bewirtschafteten Landes. Im patriarchalisch geprägten Norden wird dies jedoch lediglich im Projektgebiet eines von „Misereor“ unterstützten Vorhabens umgesetzt. Die Landbehörde hatte hier bisher nicht die Kapazitäten, das formale Landrecht umzusetzen, Land zu vermessen, zu registrieren und Landzertifikate auszustellen. Das Projekt unterstützt dies nun und schafft so einen Pilotfall, der zeigt, dass Frauen mit agrarökologischen Methoden ihr Land bestellen und gute Erträge erwirtschaften können. Durch die erstarkte Rolle in der Gesellschaft werden Frauen nun auch in dörfliche Planungs- und Entscheidungsgremien gewählt, womit auch das dritte „R“ (Repräsentanz) erreicht wäre.
In allen drei Fällen wird „lediglich“ bestehendes formales Recht umgesetzt. Daneben existiert das traditionelle Recht weiter. Zwar ist eine geschlechtergerechte Gesetzeslage die Basis für Gleichbehandlung, ihre bloße Existenz allein bewirkt aber nicht viel. Es erfordert Zeit und Ressourcen, das formale Landrecht in allen Landesteilen umzusetzen. Dort, wo Projekte die einheimischen Behörden dabei unterstützen, wird vor allem Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet, um die Männer dazu zu bringen, Frauen und Mädchen dauerhaft Land zu überlassen. Weit verbreitete, respektierte Institutionen wie die katholische Kirche im Fall Malawis oder aber sozialem Wandel zugewandte traditionelle Würdenträger*innen können dabei helfen, das neue Gedankengut in der Bevölkerung zu verankern.
IV. Wertschöpfungsketten
Landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten inklusiv zu fördern, stärkt Bäuerinnen und von Frauen betriebenes Handwerk.
Die Förderung von Wertschöpfungsketten (WSK) wird seit Jahren als ein sehr wirksames Mittel zur Unterstützung von regionalen Wirtschaftskreisläufen sowie zur Beseitigung von Armut und Ernährungsunsicherheit angesehen. Vom INEF-Forschungsvorhaben untersuchte Beispiele in Usbekistan, Benin und Ghana zeigen das große Beschäftigungspotenzial von WSK wie auch weitergehende Möglichkeiten für die Erzielung von gendertransformativen Wirkungen auf.
Im westafrikanischen Benin hat die deutsche EZ über viele Jahre die WSK von Soja unterstützt. Dabei ging es sowohl um den Sojaanbau als auch die Verarbeitung der Sojabohnen. Durch verbessertes Saatgut und angepasste, vor allem agrarökologische Methoden wie Praktiken zum Bodenschutz konnten die Erträge der von Männern und Frauen bewirtschafteten Flächen teilweise signifikant gesteigert werden. Bei der Verarbeitung, die fast ausschließlich informell durch Frauen in Kleinstbetrieben erfolgte, gelang es, insbesondere durch deutlich verbessertes Betriebsmanagement, die Qualität der Produkte (wie etwa Sojakäse-Tofu, Sojamilch, Sojagebäck) stark zu erhöhen und die Produkte aus einem lokalen Kleinsthandel bis in die Supermärkte der Großstädte zu bringen. Tausende von Arbeitsplätzen für Frauen wurden auf diese Weise neu geschaffen, und die selbstbewussten Produzentinnen entscheiden heute eigenständig über ihr Einkommen, das sehr oft in den Schulbesuch der Kinder investiert wird.
Die Mehrheit der in der WSK Cashew in Ghana arbeitenden Personen – ausgenommen der bäuerlichen Produzent*innen – sind Frauen. Sie erhalten durch die Förderung des von der GIZ unterstützten Projektes „MOVE“ Fortbildungen, die sie befähigen, Betriebe zur Produktion von Setzlingen, zum Anbau von Cashewbäumen oder zur Verarbeitung von Cashewnüssen und Cashewäpfeln zu gründen, zu erweitern und zu managen. Diese Befähigung erfolgt nicht nur durch die Vermittlung von Fachwissen. Die Trainingskurse, bei denen mindestens 50 Prozent Frauenanteil Pflicht ist, vermitteln auch mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen und leiten die Teilnehmenden dazu an, tradierte Genderrollen und Hemmnisse für Frauen, junge Menschen und Menschen mit Behinderungen zu identifizieren, zu hinterfragen und Lösungsmöglichkeiten für geschlechtergerechte Veränderungen in der WSK zu entwickeln. Eine fundierte Genderanalyse in der WSK zu Beginn des Vorhabens bietet die Basis für die Trainingsinhalte.
Im ökonomisch aufstrebenden Usbekistan förderte die Deutsche Sparkassenstiftung den nationalen Unternehmerinnenverband. Dessen Mitglieder, von Einfrauenbetrieben bis hin zu 200 Fachkräfte beschäftigenden Seidenspinnereien, wurden beim Zugang zu Krediten, staatlichen Förderprogrammen und vor allem im Betriebsmanagement unterstützt. Auch der Strukturaufbau des Verbandes wurde gefördert. Aus einem lockeren „Verein“, der insbesondere um die Hauptstadt Taschkent aktiv war, wurde so ein landesweit vertretener professioneller Verband, der derzeit 200 Berater*innen beschäftigt, in allen Provinzen des Landes tätig ist und dessen Mitglieder nach eigenen Angaben in den letzten Jahren gut 70000 neue, sehr oft sogar formelle Arbeitsplätze geschaffen haben.
An den Beispielen lässt sich erkennen, dass die Auswahl der WSK zentral für das Erreichen gendertransformativer Wirkungen ist. So sollten primär WSK gefördert werden, in denen Frauen bereits eine große Rolle spielen (wie beim Sojaanbau in Benin und dem Cashewanbau in Ghana) und die eine breit gefächerte Bandbreite von vor- und nachgelagerten Aktivitäten und Produkten bieten, die gefördert werden können.
Das Usbekistan-Projekt zeigt zudem, dass der Aufbau von begleitenden und beratenden Institutionen auf zentraler und dezentraler Ebene entscheidend für das Erreichen und die Förderung von Frauen, jungen Leuten und anderen marginalisierten Gruppen ist. Die Organisation von Frauen stärkt deren Selbstvertrauen und Befähigung, unternehmerisch tätig zu sein, und verschafft ihnen essenzielle Vorteile bei der Erlangung von Krediten und/oder Land, beim Einkauf von Inputs und dem Verkauf ihrer Produkte.
Ausblick
Um gendertransformative Ziele erreichen zu können, bedarf es vor allem einer großen ownership seitens der Partner, ob Staat oder Zivilgesellschaft, sowie eines Bewusstseinswandels bei allen wichtigen Akteur*innen in einem Land oder einer Provinz. Um beispielsweise in Mauretanien die Genitalverstümmelung bei Mädchen weitgehend unterbinden zu können, mussten vor allem traditionelle und religiöse Autoritäten mit auf den Weg genommen werden. Dies hat am Ende zu einem weitgehenden Erfolg geführt, auch, weil das komplexe Unterfangen über sehr lange Zeit durch die deutsche EZ unterstützt wurde.
Da sich Bewusstseinswandel nicht staatlich verordnen lässt, muss gerade mit Blick auf mehr Gendergerechtigkeit eine breite gesellschaftliche Überzeugungsarbeit geleistet werden. Legitime und repräsentative Vertreter*innen der Zivilgesellschaft spielen dabei eine wichtige, auch in der FemEZ-Strategie von 2023 eingeforderte Rolle. Auch wenn diese Rolle gesehen wird, bedürfen die Konsequenzen daraus einer deutlichen Revision. Dabei geht es einerseits um die Dauer eines Vorhabens und die Bereitstellung der benötigten finanziellen Mittel. Vor allem aber geht es darum, die Zivilgesellschaft beim Einsatz für die Rechte von benachteiligten Gruppen – also weit mehr als nur für Frauen – zu unterstützen, und zwar nicht vorrangig als Umsetzungsgehilfin für deutsche Projekte. Zivilgesellschaft muss vielmehr als gleichberechtigte Partnerin gesehen werden, die durch die deutsche EZ bei ihrer eigenen Arbeit unterstützt wird.