Die USA waren von Beginn an für das Konzept und die Etablierung des Politikfeldes Entwicklungspolitik von herausragender Bedeutung. Für die meisten programmatischen, strukturellen, politischen und personellen Grundlagen spielten sie eine wichtige, in großen Teilen sogar die entscheidende Rolle.
Die von der zweiten Administration unter US-Präsident Donald Trump getroffenen Entscheidungen zur weitgehenden Auflösung der US-amerikanischen Entwicklungspolitik sind tiefgreifend. Die Tragweite der Kursänderung lässt sich allerdings erst abschätzen, wenn man das Fundament des Politikfeldes betrachtet, das wesentlich mit den USA verknüpft ist.
Die USA als Erfinder der Entwicklungspolitik
Ein erheblicher Teil der entwicklungspolitischen Grundlagen stammt aus der Nachkriegsordnung des Zweiten Weltkriegs. Anfänge von Entwicklungspolitik lassen sich in den Wiederaufbaubemühungen nach dem Krieg erkennen; von Beginn an war das Politikfeld immer auch ein machtpolitisches Gestaltungsinstrument.
Ein Meilenstein für die Grundlagen von Entwicklungspolitik ist die Antrittsrede des US-amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman 1949. Er beschreibt in dem als Point-IV-Programm bekannt gewordenen außenpolitischen Konzept, dass die USA für die Verbesserung der Lebensbedingungen und zur Schaffung von Wachstum in „unterentwickelten Gebieten“ Unterstützung leisten sollten. Das Programm zielte vor allem auf technische Hilfe und Know-how-Transfer ab.
Das Jahr 1961 kann gewissermaßen als „Urknall“ für ein System der internationalen Entwicklungspolitik betrachtet werden. Die USA bauten unter den Vorzeichen des Kalten Krieges eine professionellere Struktur zur Unterstützung von Entwicklungsländern auf. US-Präsident John F. Kennedy führte bestehende nationale Ansätze zur Unterstützung von Entwicklungsländern unter dem Dach der US Agency for International Development (USAID) zusammen. In der Bundesrepublik Deutschland wurde im gleichen Jahr das BMZ (zunächst Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, seit 1993 dann mit der Ergänzung „und Entwicklung“) geschaffen – ein eigenes Ministerium zur Unterstützung von Entwicklungsregionen. Dass die Bundesrepublik sich entwicklungspolitisch zu engagieren begann, hatte maßgeblich mit dem Einfluss der USA zu tun; von der Bundesrepublik wurde eine Beteiligung erwartet, um Entwicklungsländer an das westliche Lager zu binden.
1961 wurde zudem auf Betreiben der USA der sogenannte Entwicklungshilfeausschuss (Development Assistance Committee, DAC) unter dem Dach der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegründet.
Der Zuwachs von ursprünglich acht DAC-Mitgliedern auf heute 33 lässt sich als Erfolg für das Gremium verbuchen. Ehemalige Entwicklungsländer wie Spanien und Südkorea sahen es als einen wichtigen Ausweis ihres sozioökonomischen Erfolges an, in den Ausschuss aufgenommen zu werden. Zugleich wächst die Gruppe von Staaten, die zwar Mitglied der OECD sind, aber nicht dem DAC angehören (die Türkei, Mexiko, Chile und andere) – also eine Gruppe von nicht-traditionellen westlichen Ländern, die sich nicht dem ODA-Ansatz verpflichtet fühlt. Insgesamt waren die USA dennoch sehr erfolgreich darin, mit dem DAC eine prägende, normgebende und koordinierende Instanz zu schaffen.
Der große und spürbare Einfluss der USA auf das entwicklungspolitische System zeigte sich zudem in ihrer über Jahrzehnte hinweg bestehenden Dominanz bei internationalen Personalentscheidungen bis Ende der 1990er Jahre – und in abgeschwächter Form darüber hinaus. So wurde der Vorsitz des DAC in den ersten Jahrzehnten durchgängig von den USA gestellt; erst seit 1999 wird ein rotierendes System praktiziert.
Ihre starke Stellung als bilateraler Geber, ihre prägende Rolle in internationalen Organisationen und ihre intellektuelle Führungsrolle verschafften den USA eine programmatische Vormachtstellung. Der internationale Entwicklungsdiskurs wurde erheblich von den konzeptionellen Vorstellungen und politischen Prioritäten der US-Administrationen beeinflusst: Das Konzept der Grundbedürfnisorientierung hatte ebenso wie die neoliberale Strukturanpassungspolitik seinen maßgeblichen Ursprung in den USA. Auch die „Versicherheitlichung der Entwicklungspolitik“
Die USA als Geber: ein Profil bis Januar 2025
Die USA haben ihre führende Rolle als entwicklungspolitischer Akteur nicht allein konzeptionell und institutionell gezeigt, sondern sie auch durch den finanziellen Umfang ihrer Leistungen unterstrichen. Kein anderes Mitglied des DAC hat diesbezüglich auch nur annähernd die Größenordnung der USA erreicht. Dies trug wesentlich dazu bei, dass die Vereinigten Staaten aus dem Geberkreis hervorstachen und in zahlreichen Partnerländern eine herausgehobene Rolle spielen konnten.
Insgesamt stellten die USA 2024 Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit in Höhe von 63,3 Milliarden US-Dollar bereit; das entsprach einem Anteil von fast 30 Prozent der gesamten Leistungen aller DAC-Mitglieder (212,1 Milliarden US-Dollar); Deutschland (32,4 Milliarden US-Dollar) war 2024 nach den USA der zweitgrößte Geber und dürfte künftig den ersten Platz in der Gebergruppe belegen. Gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit waren die USA allerdings durchgängig ein Land, das hinsichtlich des Verhältnisses von ODA-Mitteln zum Bruttoinlandsprodukt mit einer Höhe von 0,22 Prozent (2024) immer unterdurchschnittlich engagiert war (DAC-Durchschnitt: 0,33 Prozent; Deutschland: 0,67 Prozent).
Begrifflich unterscheidet die US-Regierung zwischen Foreign Assistance (Auslandshilfe) und ODA. Während ODA den DAC-Standards folgt, wird „Auslandshilfe“ gemäß dem US Foreign Assistance Act von 1961 definiert und umfasst bestimmte Elemente, die nicht von der ODA erfasst werden, wie etwa militärische Hilfe. „Auslandshilfe“ dient in den Vereinigten Staaten als Oberbegriff.
Die USA verfolgten in verschiedener Hinsicht oft eine Entwicklungspolitik, die sich von den europäischen Ländern unterschied. So haben US-Regierungen beispielsweise das OECD-Prinzip der Lieferaufbindung von Entwicklungszusammenarbeit
Inhaltlich legten die US-Regierungen in ihrer Entwicklungszusammenarbeit traditionell einen starken Schwerpunkt auf gute Regierungsführung (insbesondere Demokratieförderung und Menschenrechtsarbeit), humanitäre Hilfe und Gesundheit. Der überwiegende Teil entfiel auf bilaterale Zusammenarbeit, wodurch die Beförderung nationaler Interessen typischerweise leichter möglich ist. Die bilaterale Finanzierung, die über die USAID abgewickelt wurde, umfasste etwa 130 Länder. Im Jahr 2023 gehörten zu den zehn größten Empfängern der von USAID verwalteten Mittel – in absteigender Reihenfolge – die Ukraine, Äthiopien, Jordanien, die Demokratische Republik Kongo, Somalia, Jemen, Afghanistan, Nigeria, Südsudan und Syrien. Über einen längeren Zeitraum betrachtet zählten Afghanistan, Äthiopien und Jordanien zu den größten Empfängern von US-Auslandshilfe, was den starken Einfluss sicherheitspolitischer Prioritäten der Vereinigten Staaten auf die Verteilung der Entwicklungszusammenarbeit widerspiegelt.
Im Jahr 2023 wurden nur etwa 10 Prozent der von der US-Regierung bereitgestellten ODA als Kernbeiträge (also nicht zweckgebundene Mittel) für multilaterale Entwicklungsaktivitäten verwendet – was in absoluten Zahlen immer noch einem erheblichen Betrag entsprach. Die USA waren ein zentraler Geldgeber für multilaterale Entwicklungsbanken und das Entwicklungssystem der Vereinten Nationen. Im gleichen Jahr stellte die US-Regierung über 1,4 Milliarden US-Dollar für die besonders zinsgünstigen Kredite der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) für ärmere Länder sowie eine Milliarde US-Dollar für den Grünen Klimafonds und mehr als 800 Millionen US-Dollar für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria bereit.
Die US-Entwicklungszusammenarbeit war vor dem zweiten Amtsantritt von Donald Trump auf insgesamt 21 Akteure (Ministerien, Behörden und weitere) aufgeteilt. Die mit Abstand wichtigste und größte Einrichtung war die USAID, die 2022 rund 62 Prozent der US-amerikanischen ODA- und ODA-ähnlichen Leistungen verantwortete. Wichtige Rollen hatten daneben das Außenministerium (rund 16 Prozent) sowie das Department of Health and Human Services (rund 10 Prozent).
Seit ihrer Gründung 1961 war USAID – bis zu ihrem faktischen Ende kurz nach Beginn von Trumps zweiter Amtszeit – eine unabhängige Regierungsbehörde und eine treibende Kraft der US-Entwicklungszusammenarbeit. Während der US-Kongress die Behörde nicht nur gegründet, sondern auch ihre Programme finanziert und überwacht hat, arbeitete der oder die Leiter/-in von USAID – der oder die sogenannte Administrator/-in – unter der direkten Autorität und außenpolitischen Aufsicht des Außerministers oder der Außenministerin. Die Administratoren und Administratorinnen von USAID waren politische Ernennungen und haben häufig sowohl im Inland als auch international eine prominente Rolle gespielt. Die letzte Administratorin unter der Regierung von US-Präsident Joe Biden, Samantha Power, war zuvor US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen unter der zweiten Obama-Administration. Sie hatte einen starken Fokus auf Menschenrechts- und Demokratiefragen und setzte sich für eine stärkere „Lokalisierung“ der Entwicklungszusammenarbeit ein, etwa durch eine Auftragsvergabe an lokale Akteure. Unter der Führung des Weißen Hauses und des Außenministeriums war USAID traditionell im Nationalen Sicherheitsrat vertreten, was der Behörde eine Rolle bei wichtigen Entscheidungsprozessen zu Fragen der nationalen Sicherheit und Außenpolitik verschaffte.
Entwicklungspolitik unter Trump seit Januar 2025
Mit Beginn der zweiten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump Anfang 2025 hat sich nicht nur die US-amerikanische Entwicklungspolitik, sondern die gesamte internationale Landschaft der Entwicklungszusammenarbeit grundlegend verändert. Die USA haben sich in einem enormen Tempo aus zentralen multilateralen Strukturen zurückgezogen, Haushaltsmittel für Entwicklungszusammenarbeit wurden massiv gekürzt. Mitte 2025 löste die Trump-Administration die USAID de facto auf und übertrug die verbleibenden Aktivitäten an das Außenministerium.
„Project 2025“, das unter Federführung der Heritage Foundation als „Drehbuch“ für eine zweite Amtszeit Donald Trumps entworfen wurde, sah eine derart radikale Abwicklung der US-amerikanischen Auslandshilfe nicht vor. Nach diesem Plan sollten die entwicklungspolitischen Mittel auf das Niveau vor der Covid-19-Pandemie zurückgeführt und neue inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden. Eine quasi vollständige Auflösung des Politikfeldes stand hingegen nicht zur Debatte.
Die von der zweiten Trump-Administration verfolgte Politik setzt auf einen dezidiert machtfokussierten und antimultilateralen Kurs sowie grobschlächtigen Transaktionalismus in Form schlichter, oft auf massivem Druck basierender Tauschgeschäfte. Globale Normen – etwa jene, die in den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung Ausdruck finden – werden von der Regierung als Bedrohung US-amerikanischer Interessen dargestellt. Der Rückzug aus internationalen Organisationen, die Missachtung völkerrechtlicher Normen (oft begleitet von militärischen Drohungen) sowie direkter, oftmals unverblümter Druck auf andere Staaten – etwa die haltlosen Völkermord-Vorwürfe gegen Südafrika
Für viele Länder des Globalen Südens bedeutet diese Entwicklung einen Wendepunkt. Der Rückzug der USA aus dem multilateralen System eröffnet zwar neue Spielräume für strategische Neupositionierungen – insbesondere für politisch und wirtschaftlich starke Entwicklungs- und Schwellenländer, die ihre Süd-Süd-Kooperation ausbauen und engere Beziehungen zu China oder Russland eingehen. Doch der neu gewonnene Handlungsspielraum geht einher mit neuen Abhängigkeiten, zunehmender geopolitischer Fragmentierung und größerer Anfälligkeit für politische Einflussnahme von außen. Akteure im Globalen Süden betonen zunehmend ihre Unabhängigkeit im Sinne einer Multialignment-Strategie – dennoch geraten viele in die Logik einer sich neu formierenden Blockbildung.
Die globale Architektur der Entwicklungszusammenarbeit wird durch den Rückzug der USA erheblich destabilisiert. Andere Geberländer scheinen diesem Beispiel zu folgen, während die Vereinten Nationen in zahlreichen Bereichen weitgehend handlungsunfähig sind. Die Schwächung koordinierender Gremien, etwa des DAC/OECD, untergräbt etablierte Prinzipien von entwicklungspolitischer Wirksamkeit und Kohärenz. Dies hat nicht nur finanzielle Engpässe zur Folge, sondern führt auch zu einem Legitimitätsverlust des bislang westlich geprägten entwicklungspolitischen Kooperationsmodells.
Die Brüche in der internationalen Entwicklungslandschaft haben nicht nur kurzfristige, sondern auch langfristige humanitäre Konsequenzen. Schätzungen gehen davon aus, dass infolge der US-Haushaltskürzungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit bis 2030 bis zu 14 Millionen zusätzliche Todesfälle zu erwarten sind.
Die neue globale Konstellation verändert die Machtverhältnisse in der internationalen Politik. Autoritäre Regime im Globalen Süden interpretieren den Rückzug der USA als Gelegenheit, ihren Handlungsspielraum zu erweitern, während der Einfluss westlicher Akteure weiter schwindet. Zugleich wird deutlich, dass die bisherige Unterscheidung zwischen Entwicklungs- und Geopolitik zunehmend verschwimmt. Entwicklungspolitik war nie neutral – sie diente stets auch machtpolitischen Zwecken. Doch im Kontext verschärfter Systemkonkurrenz gewinnt die geopolitische Dimension eine neue Bedeutung.