Die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) der Volksrepublik China hat in den letzten Jahren viel Aufsehen erregt und für kontroverse Debatten gesorgt. Gleichwohl ist sie kein neues Phänomen. Schon in den 1950er Jahren unterstützte China im Kontext des Kalten Krieges sozialistische oder revolutionäre Gruppierungen, zunächst in der Demokratischen Republik Vietnam, Nordkorea und der Mongolei. Nach der Bandung-Konferenz im Jahr 1955 und dem Bruch mit der Sowjetunion erweiterte Mao Zedong die EZ auf nichtsozialistische Unabhängigkeitsbewegungen in weiteren Ländern Asiens und Afrikas. China entsandte beispielsweise Ärzteteams oder unterstützte diese Bewegungen mit Militärhilfe. Die Ursprünge chinesischer EZ liegen also einerseits in der Blockkonfrontation mit dem Westen und der Sowjetunion, andererseits im Gedankengut einer sozialistischen Bruderschaft und einem Solidaritätsgefühl gegenüber Völkern unter kolonialer Herrschaft.
Ende der 1960er Jahre intensivierte China seine EZ und warb damit auch um diplomatische Anerkennung. Dafür investierte es unter anderem in gigantische Infrastrukturprojekte wie die TAZARA-Eisenbahn zwischen Daressalam in Tansania und Kapiri Mposhi in Sambia. 1971 erhielt die Volksrepublik China einen Sitz in den Vereinten Nationen und löste damit Taiwan ab, das bis dato den Sitz Chinas innegehabt hatte. Auch heute noch ist das Bekenntnis zur Ein-China-Politik, also die diplomatische Anerkennung der Volksrepublik – und nur der Volksrepublik – eine Voraussetzung für chinesische EZ.
Während der Reformperiode unter Parteiführer Deng Xiaoping ab den 1980er Jahren konzentrierte sich China auf die eigenen Wirtschaftsreformen und reduzierte sein entwicklungspolitisches Engagement unter dem Slogan „weniger, aber besser“. Die Regierung beließ es im Wesentlichen dabei, Ärzteteams zu entsenden, und pflegte diplomatische Beziehungen; große Infrastrukturprojekte wurden nicht mehr initiiert. Unter dem Druck kritischer Stimmen in China, die angesichts des chinesischen Entwicklungsrückstands die eigene EZ hinterfragten, verschoben sich deren Leitprinzipien. Zwar konnte Deng Xiaoping das chinesische Engagement als ein notwendiges außenpolitisches Instrument positionieren und erhalten, jedoch wurden nun neben den Prinzipien der Nicht-Einmischung und Selbstbestimmung der 1960er und 1970er Jahre auch das Prinzip des gegenseitigen Nutzens und der gemeinsamen Entwicklung (win-win und mututal benefit) stärker betont. Chinas EZ wandelte sich von einem Mittel zur Unterstützung sozialistischer und revolutionärer Bewegungen zu einem pragmatischen Instrument zur Förderung der chinesischen Wirtschaft. Entwicklungsgelder wurden nun zum Beispiel auch eingesetzt, um Kreditzinsen zu subventionieren. Bis heute positioniert China sich als das größte Entwicklungsland und argumentiert, dass es deshalb auch von der eigenen EZ profitieren sollte.
Um Chinas Isolation durch den Westen nach der Niederschlagung der Protestbewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Beijing im Juni 1989 zu durchbrechen, bemühte sich die Regierung auch über EZ, die Beziehungen zu Ländern des Globalen Südens zu intensivieren. Mit Chinas wirtschaftlichem Öffnungsprozess gewannen wirtschaftliche Interessen als Motiv für EZ langsam an Bedeutung.
Seit Mitte der 1990er Jahre spielten die Beziehungen zu Ländern des Globalen Südens eine größere Rolle bei der Deckung des stetig steigenden Rohstoffbedarfs der chinesischen Volkswirtschaft. Entsprechend dient die im Jahr 1999 initiierte Strategie eines größeren globalen Wirtschaftsengagements („Going-out-Strategie“) unter anderem der Rohstoffsicherung und soll chinesische Staatsunternehmen international wettbewerbsfähig machen. Mit dem Beitritt Chinas in die Welthandelsorganisation Ende 2001 wurden Länder des Globalen Südens zu wichtigen Absatzmärkten für chinesische Projekte. Die Belt and Road Initiative weitete diese Strategie aus und soll nicht nur das Wirtschaftswachstum in den westlichen chinesischen Provinzen fördern, sondern gleichzeitig die Konnektivität und die internationalen Absatzmärkte für chinesische Produkte ausweiten. Der chinesischen EZ kommen in diesem Kontext zwei zentrale Funktionen zu: Sie soll einerseits die Wirtschaftsbeziehungen fördern und flankieren und andererseits für politische Unterstützung (etwa in den Vereinten Nationen) sorgen und China als verantwortlichen globalen Akteur platzieren, von dessen „Aufstieg“ keine Bedrohung für andere Länder ausgeht.
Selbstverständnis und Prinzipien seit 2000
Die chinesische Regierung versteht Entwicklung vornehmlich als technologiegetriebene Wirtschaftsentwicklung, die sie als Voraussetzung für Armutsbekämpfung, Programme im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen sowie insgesamt für die Verbesserung der Lebensumstände sieht.
Aus ihrem Selbstverständnis als Entwicklungspartner heraus strebt die chinesische Regierung eine „unabhängige Entwicklung“ der Partnerländer an.
Umfang und Allokation der Entwicklungsgelder
China legt ein sehr weites Verständnis von EZ zugrunde.
Meist benutzt die chinesische Regierung aber den Begriff der „Entwicklungszusammenarbeit“, der darüber hinaus auch kommerzielle Kredite, Exportkäuferkredite für Importeure chinesischer Produkte oder Direktinvestitionen beinhalten kann.
Grundsätzlich gibt es nur wenig gesicherte Informationen zum Umfang der Entwicklungsgelder und zur Allokation nach Ländern. In ihrem Weißbuch bezifferte die chinesische Regierung das Gesamtvolumen ihrer Entwicklungshilfe (also ODA-vergleichbare Leistungen) zwischen 2013 und 2018 auf 270,2 Milliarden Renminbi, was etwa 42 Milliarden US-Dollar entspricht.
Verschiedene westliche und chinesische Forschende und Institutionen versuchen daher, den Umfang chinesischer EZ zu schätzen. Viele wissenschaftliche Untersuchungen basieren dabei auf Medienberichten, öffentlichen Absichtserklärungen und anderen öffentlich zugänglichen Dokumenten. Da jedoch längst nicht alle angekündigten Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden, erfordert diese Methodik gründliches Nachrecherchieren und eine sorgfältige Unterscheidung zwischen ODA-Leistungen im Sinne der oben genannten Definition und solchen Projekten, die durch Kredite chinesischer Staatsbanken mit weniger hohen oder keinen Zuschüssen finanziert werden (sogenannte sonstige öffentliche Leistungen).
Eine umfassende Datensammlung von AidData zeigt, dass China zwischen 2001 und Mitte 2022 weltweit etwa 140 Milliarden US-Dollar an ODA-vergleichbaren Leistungen erbracht hat.
Die Allokation nach Sektoren zeigt, wie stark die chinesische EZ mit Wirtschaftsinteressen verknüpft ist. Nach Information von AidData verausgabte China die meisten ODA-vergleichbaren Leistungen zwischen 2000 und 2021 für Projekte im Transportsektor, gefolgt von Energie, Unterstützung für Schuldenerlass sowie Projekten im Bereich Industrieförderung, Bergbau und Infrastruktur. Nur rund 10 Prozent der Gelder wurden für Sozialpolitik und Gesundheit veranschlagt.
In Reaktion auf Kritik an der Belt and Road Initiative bezüglich Schuldentragfähigkeit sowie Umwelt- und Sozialstandards der Infrastrukturprojekte hat China nicht nur diese Initiative reformiert, sondern parallel dazu auch eine Initiative für „kleine, aber feine“ Entwicklungsprojekte eingeführt. Diese sollen wirtschaftlich tragfähig sein und einen positiven Beitrag zur sozialen Entwicklung und zum Umweltschutz leisten, etwa im Bereich der Landwirtschaft, der Medizin oder der beruflichen Bildung.
Implementierung
Chinas EZ wird durch ein komplexes System mit einer Vielzahl an Akteuren und Institutionen umgesetzt.
Kredite verbleiben häufig in der Hand chinesischer Banken (meist der Export-Import Bank of China oder der China Development Bank) und werden nach Fertigstellung des Projekts direkt an die chinesischen Vertragspartner ausgezahlt. Kredite können teilweise auch mit Agrarprodukten, Rohstoffen oder den zukünftigen Einnahmen aus fertiggestellten Projekten (etwa durch Verkauf von Energie oder Mautgebühren) gesichert werden. In diesem Fall wird neben dem eigentlichen Kredit ein Vertrag zum Verkauf bestimmter Güter an chinesische Abnehmer geschlossen.
Kritik, Wirksamkeit und Wahrnehmung
Kritik insbesondere auch westlicher Akteure an der chinesischen EZ bezieht sich auf fehlende Transparenz, Nachhaltigkeit und Korruption, Probleme rund um die Schuldentragfähigkeit sowie Versuche geopolitischer Einflussnahme.
Seit der Intensivierung chinesischer EZ Anfang der 2000er Jahre mangelt es an Transparenz darüber, zu welchen Konditionen und in welchen Ländern einzelne Projekte finanziert werden. Zum einen kann ein einzelnes Projekt über mehrere verschiedene Finanzierungsmodi finanziert sein, wenn zum Beispiel Bau, Ausstattung oder die Inbetriebnahme öffentlicher Infrastruktur über mehrere Phasen gefördert werden. Darüber hinaus haben Forschende in einem systematischen Vergleich festgestellt, dass chinesische Kreditverträge seit 2014 ungewöhnlich starke Vertraulichkeitsklauseln enthalten.
Chinas Rolle bei der Verschuldung von Ländern im Globalen Süden wird besonders kontrovers diskutiert. Nach Informationen der Weltbank war China Ende 2022 Gläubiger von rund 180 Milliarden US-Dollar internationaler Schulden von Niedrig- und Mitteleinkommensländern. Einige Länder haben einen besonders hohen Schuldenstand bei China, so etwa Laos oder Simbabwe mit 51 beziehungsweise 43 Prozent.
Weil sich China der Nichteinmischungspolitik verschreibt, Konditionalität ablehnt und Projekte durch chinesische Betriebe vorgeschlagen und dann von Partnerländern angefragt werden können, fürchten Kritiker, dass chinesische EZ Korruption befördert beziehungsweise zu überteuerten Projekten führt. Tatsächlich wurden in der Vergangenheit in den Anti-Korruptionskampagnen von Staatspräsident Xi Jinping unter anderem hochranginge Funktionäre erfasst, die in der EZ tätig sind.
Wenn die Finanzierung chinesischer Projekte intransparent ist, stellt sich die Frage, mit welchem Maßstab die Wirkung chinesischer EZ gemessen und womit sie sinnvoll verglichen werden kann. China tritt in vielen Ländern als prominenter und sichtbarer Wirtschaftspartner auf; unklar bleibt aber oft, welche Projekte tatsächlich als ODA-vergleichbare Leistungen betrachtet werden können und welche als sonstige öffentliche Leistungen.
Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass beide Leistungen von China unterschiedlich eingesetzt werden und auch zu unterschiedlichen Resultaten führen. Demzufolge sind Chinas ODA-vergleichbare Leistungen stärker politisch motiviert, fließen vor allem in Niedrigeinkommensländer oder werden angeboten, um andere außenpolitische Eigeninteressen im Empfängerland zu fördern. Sie fließen nicht – wie oft behauptet – überproportional in Länder mit natürlichen Rohstoffen und auch nicht häufiger in autoritäre Länder als zum Beispiel US-amerikanische Entwicklungsgelder. Allerdings lässt sich nachweisen, dass Chinas Entwicklungsgelder von den Machthabenden in Partnerländern strategisch zum Machterhalt genutzt werden. Solche Projekte werden überproportional in den Heimatregionen der Präsidenten oder Premierminister umgesetzt – besonders häufig im Vorfeld von Wahlen.
Hat chinesische EZ positive Effekte für Entwicklung? Studien zeigen, dass beide Formen chinesischer Leistungen zu Wirtschaftswachstum und sozioökonomischer Entwicklung beitragen und dabei manchmal besser abschneiden als Projekte der Weltbank.
Obwohl Chinas Engagement in einigen Ländern kontrovers diskutiert wird und teilweise zu Protesten geführt hat, zeigen repräsentative Umfragen für den afrikanischen Kontinent, dass eine Mehrheit der Bevölkerung Chinas Einfluss positiv bewertete.