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Editorial | Femizid | bpb.de

Femizid Editorial "Wir leben in einem System, das Gewalt begünstigt" Wie tödlich ist das Geschlechterverhältnis? Name it, count it, end it. Femizide erkennen, erfassen und beenden Wissensvermittlung statt Gesetzesänderung. Beziehungsfemizide in der juristischen Praxis Gewalt gegen Frauen in den Nachrichten Ni Una Menos. Portrait einer feministischen Bewegung Hexenverfolgung. Ein historischer Femizid?

Editorial

Lorenz Abu Ayyash

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Gewalt gegen Frauen gehört weltweit zu den häufigsten Menschenrechtsverletzungen. Auch in Deutschland ist ihr Ausmaß erschreckend – in sämtlichen sozialen Schichten und vor allem in Paarbeziehungen. 2021 gab es laut Polizeilicher Kriminalstatistik in Deutschland über 140.000 Opfer von psychischer und physischer Partnerschaftsgewalt. 80 Prozent der Opfer waren Frauen – 79 Prozent der Täter waren Männer. Im selben Jahr wurden 121 Personen Opfer von Partnerschaftsgewalt mit tödlichem Ausgang, davon 109 Frauen. Somit wird in Deutschland an jedem dritten Tag eine Frau Opfer von Mord oder Totschlag durch ihren Partner oder Ex-Partner. Wenn diese Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden, spricht man von "Femizid".

Der Begriff wurde in den 1970er Jahren von Feministinnen geprägt, um zu verdeutlichen, dass ein Großteil der Tötungsdelikte an Frauen auf Machtdynamiken zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist: Es ist kein Zufall, dass die Mehrheit der Opfer in Paarbeziehungen oder in gemeinsamen Haushalten Frauen sind. Femizide haben somit eine strukturelle und gesamtgesellschaftliche Tragweite und resultieren aus dem Besitz- und Machtstreben von gewalttätigen Männern gegenüber Frauen und Mädchen. Zu den Tätern gehören Expartner, Lebensgefährten, Väter, Brüder, aber auch Fremde.

Wie kann die Gewalt gegen Frauen effektiv bekämpft werden? In Deutschland wird mitunter über die Verschärfung des Strafrechts diskutiert. So plant die Bundesregierung, geschlechtsspezifische Tatmotive explizit in die Liste der menschenverachtenden Beweggründe aufzunehmen, was letztlich strafverschärfend wirken könnte. Ob dies zur Verhinderung von Femiziden beiträgt, ist umstritten. Sicher ist aber, dass das Bewusstsein für das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt geschärft werden sollte. Wenn die Taten nur als tragische Einzelschicksale dargestellt werden, bleiben die zugrunde liegenden gesellschaftlichen Muster verborgen.